33.
Kapitel
»Man platzt nicht einfach unangemeldet in das Büro
von Harland Bentley«, sagt der Commander. »Nicht auf einen vagen
Verdacht hin.«
McDermott umklammert das Telefon, den Blick auf
Stoletti gerichtet, und schüttelt den Kopf. Es war ihre Idee – eine
ziemlich clevere, wie er zugeben muss -, sich von oben grünes Licht
geben zu lassen, bevor sie einen der reichsten Männer der Welt
überfielen. Wenn irgendwas schiefging, würde es der Gouverneur
erfahren, der Bürgermeister, der Commander, und am Ende würde
McDermott seinen Kopf dafür hinhalten müssen.
»Sir, es handelt sich um seine Tochter …«
»Ich habe das durchaus verstanden. Sie können gerne
mit ihm sprechen, und meinetwegen auch sofort. Aber vereinbaren Sie
einen Termin. Platzen Sie da nicht einfach rein. Sagen Sie ihm, es
sei dringend, aber wahren Sie die Anstandsregeln.«
McDermott schweigt. Er weiß nicht, was ihm sonst
womöglich herausrutscht.
»Hören Sie, Mike – wenn er für Sie ein dringend
Tatverdächtiger ist, dann ist das was anderes. Kann ja gut sein,
dass Sie da auf der richtigen Fährte sind. Aber ebenso gut könnten
Sie völlig danebenliegen. Vielleicht ist es einfach nur irgendein
Psychopath, der Burgos’ Kreuzzug wiederbeleben möchte.«
»Ja, Sir.«
»Machen Sie einen Termin mit Bentley, Detective.
Ziehen Sie das ordnungsgemäß durch.«
Dann ist die Leitung tot. »Mist.« McDermott legt
auf. »Himmelherrgott. Er will, dass ich einen Serienkiller stoppe,
aber dabei auf die Etikette achte! Einen Termin machen«, sagt er zu
Stoletti. »Wir sollen uns mit ihm verabreden.«
Das Display seines Handys blinkt. Ein Anruf aus der
Pathologie. Susan Dobbs hat ihn zurückgerufen.
»So spät noch bei der Arbeit, Susan?«, fragt er,
als sie sich meldet.
»Ich bin beim Abendessen, Mike. Du hast mich auf
dem Handy angerufen. Sag nicht, dass das ein Versehen war.«
»Okay, werd ich nicht.«
»Keine Ahnung, warum ich so blöd war, dir die
Nummer zu geben.«
»Weil du eine aufopferungsvolle Dienerin des
Gemeinwohls bist.«
»Du hast wegen der Obduktion von Ciancio
angerufen?«
»Ja, da heißt es nämlich, er hat einen Einstich
zwischen – warte einen Moment.« Er schnappt sich den
Autopsiebericht. »Ein post mortem erfolgter Einstich zwischen der
vierten und fünften tarsalen Phalanx.«
»Richtig. Der vierte und fünfte Zeh. Dazwischen
befindet sich eine Hautfalte. Er hat sie durchtrennt. Nachdem der
Typ tot war.«
»Warum, glaubst du, hat er das getan?«
»Du bist hier der Polizist. Aber es geschah mit
Absicht, so viel kann ich sagen. Man muss einen gewissen Aufwand
betreiben, um die beiden Zehen zu spreizen und den Schnitt
anzusetzen. So was passiert nicht zufällig.«
Damit hat sie vermutlich recht. Ciancio trug
Socken, als er gefunden wurde. Der Täter hat sich nach allem, was
er Ciancio angetan hatte, auch noch der Mühe unterzogen, diesen
Schnitt zu machen und den Socken wieder überzustreifen.
Dieser Täter überlässt nichts dem Zufall. Er tut
genau das, was er tun möchte. Und er ist sehr gut darin.
So was ist Teil des Jobs. Es läuft nie so wie
geplant. Man muss improvisieren. Das zeichnet den echten Könner
aus.
Der Porno-Video-Laden ist mit Brettern vernagelt
und scheinbar geschlossen, aber Leo weiß, dass er aufhat. Er tritt
durch die Tür und läuft zwischen den Regalen mit Magazinen und
Videos direkt auf die Theke zu.
Der Mann hinterm Ladentisch hat massige Schultern
und einen Stiernacken. Er liest eine Zeitung und murmelt dabei kaum
verständlich vor sich hin.
»Menja zovut Leonid«, stellt Leo sich vor.
Der Mann lugt mit gelangweiltem Blick über den
Zeitungsrand. »Leonid?«
»Da.«
Der Mann spricht durch die Zeitung, die immer noch
einen Großteil seines Gesichts verdeckt. »Kogda?«
»Sejchas«, antwortet Leo.
Jetzt.
Der Mann weist ihm den Weg die Straße runter, aber
Leo kennt ihn bereits. Das Lagerhaus hat kein Firmenschild, nur
eine einzige unbeschriftete Eingangstür in einer schmalen Gasse.
Leo klopft an. Nachdem mehrere Schlösser entriegelt wurden, öffnet
ihm ein weiterer Koloss, dessen Bauch unter einem schmutzigen
weißen Hemd hervorquillt. Der Fleischberg späht aus tief liegenden
Augen über Leos Schulter und lässt ihn dann ein.
Er stinkt erbärmlich. Nach Fett und Schnaps.
Schnaps und Fett.
Drinnen werden aus gestohlenen Autos verwertbare
Teile ausgebaut. Der Lärm hallt von der hohen Decke wieder. Selbst
in der großen Halle ist der Gestank nach Schweiß und Tabak
überwältigend. Noch etwas, das ihn an Lefortovo erinnert. Die
Männer rauchten unaufhörlich, um die Zeit totzuschlagen. Zeit war
bedeutungslos, aber gleichzeitig das Einzige, was sie
besaßen.
Der Mann führt ihn in einen kleinen Raum mit einem
runden Tisch in der Mitte.
»Skol’ko?«, fragt Leo.
»Dvesti.«
Leo nickt, kehrt dem Mann den Rücken zu, pellt
zweihundert Dollar von der Rolle mit Scheinen und klatscht sie auf
den Tisch. Der Mann nimmt das Geld und begleitet ihn durch das
Lagerhaus. Leo beachtet die Männer nicht, die sich an den Wagen zu
schaffen machen. Er hört nur auf sein Herzklopfen. Er hört auf das
Blut, das durch seinen Kopf rauscht.
Der Mann sperrt eine große Tür auf. Drinnen werfen
sich über ein Dutzend Frauen auf Sofas und Stühlen eilfertig in
Positur. Der Raum ist warm. Die Frauen – einige von ihnen sind noch
Mädchen – sind aufreizend gekleidet, in Strapsgürtel, Hotpants oder
Miniröcke. Billiges Parfum und Zigarettenqualm hängen in der Luft.
Popmusik dudelt aus einer tragbaren Stereoanlage.
Er lässt seinen Blick über sie schweifen. Einige
dieser Mädchen sind noch Teenager. Die meisten haben eine kaputte
Haut, in einem Fall sogar regelrechte Schürfwunden. Ihre Augen
blicken gelangweilt. Der überwiegende Teil von ihnen ist mager,
zäh, aber nicht muskulös. Er findet, was er will, und nickt ihr
zu.
»Skol’ko vam let?« Er erwartet nicht
wirklich, dass sie ihm ihr wahres Alter verrät.
»Dvadcat odin«, erwidert sie.
Einundzwanzig. Unsinn, sie ist eher schon dreißig, verdammte
Lügnerin. Er fragt sie nach ihrem Namen, damit sie ihn noch mal
belügen kann, denn das ist alles, was sie können, lügen …
»Dodya«, antwortet sie. Er zeigt auf sie.
Sie muss reichen. Der Raum oben ist klein, düster und schmutzig.
Auch das weckt Erinnerungen. In Lefortovo waren sie zu acht in
einer Zelle, und die Decke war viel höher, aber es ist das gleiche
beengende Gefühl.
Er denkt an Kat, stellt sich sogar ihr Gesicht vor.
Er schließt die Augen, wie um sie damit auszulöschen. Als er sie
wieder öffnet, sieht er die andere vor sich, »Dodya«.
Er kannte mal eine Dodya in Leningrad, ein
dickes, trauriges Mädchen mit orange-blondem Haar, die immer
gehänselt wurde, was Leo traurig machte, weil er wusste, wie sich
das anfühlte, aber er tat nichts dagegen, ließ die anderen das
Mädchen quälen, bis sie weinte …
Dodya schlüpft aus ihren Shorts und streift ihr
Oberteil ab. Ihr Körper wirkt unterentwickelt; ihre Brüste sind
flach und ihre Rippen stechen hervor. Sie wartet auf seine
Anweisungen, aber er sagt nichts, tut nichts. Sie nähert sich, um
seine Hose aufzuknöpfen.
»Njet«, sagt er. Schüttelt langsam den
Kopf.
Sie weicht zurück. »Ja ne ponimaju.«
Aber in Wahrheit versteht sie ihn genau. Er benutzt
die Außenseite der Hand, um blaue Flecken und auffällige
Verletzungen zu vermeiden. Sie stürzt zu Boden. Berührt ihre
Wangen. Wartet auf seine Anweisungen.
Er öffnet selbst den Reißverschluss seiner Hose.
Sie schielt ihn an, unsicher, ob er will, dass sie zusieht oder
nicht. Bald versteht sie: Sie soll zuschauen.
Als er befriedigt ist, schließt er die Hose wieder
und geht auf sie zu. Er bemerkt, dass sie zusammenzuckt. Außerdem
fällt ihm auf, dass sie nicht versucht wegzurutschen.
Auf dem Weg nach draußen betritt er erneut den
Raum, in dem er vorhin das Geschäft ausgehandelt hat. Der Fettkloß
hat die Füße auf dem Tisch und liest ein Automagazin.
»Ja hotel by kupit Dodya«, sagt er.
Der Mann starrt ihn einen Augenblick lang an, die
dichten Augenbrauen fragend zusammengezogen. Dann bricht er in
schallendes Gelächter aus. Nachdem er sich ausreichend amüsiert
hat, blickt er Leo wieder an und merkt, dass er sein Gegenüber
besser ernst nehmen sollte.
»Skol’ko?«, fragt Leo. »Odna
tysjacha?«
Der Mann ist jetzt ganz bei der Sache. Er überlegt
einen Moment.
Sie einigen sich auf achttausend.
Ich spaziere durch das Krankenhaus und drücke mir
dabei vorsichtig einen Eisbeutel gegen den Hinterkopf. Sie haben
gemeint, es würde eine Weile dauern, bis Brandon verarztet ist. Ein
plastischer Chirurg wurde gerufen, um die eine Seite seines
Gesichts zusammenzuflicken. Er hat ein paar weitere leichte
Verletzungen am Oberkörper, aber nichts Lebensbedrohliches.
Die Cops haben mir befohlen, in der Nähe zu
bleiben. Ich habe ihnen McDermotts Namen gegeben, und er ist
vermutlich schon unterwegs. Aber sie lassen mich frei herumlaufen.
Mitchum konnte zu dem Zeitpunkt, als die Kavallerie eintraf, nicht
mehr viel sagen – der Schock machte sich bemerkbar -, aber immerhin
schaffte er es noch, mich als den Guten und nicht als den Bösewicht
in der ganzen Angelegenheit darzustellen.
Also schlendere ich nach draußen, genieße die
frische Luft und nutze die Gelegenheit, um zu telefonieren. Mein
erster Anruf gilt Shelly. Wir hatten uns eigentlich für heute Abend
verabredet. Ich versichere ihr, dass alles halb so wild ist, und,
nein, sie soll nicht zu mir ins Krankenhaus kommen, denn ich werde
mich ohnehin nur mit ein paar Cops herumschlagen müssen, die – den
Teil lasse ich aus – mich in einem nicht allzu guten Licht
sehen.
»Schließ die Türen ab«, rate ich ihr. »Ohne
Scherz.«
»Und was ist mit dir?«, fragt sie
mich.
Ihre Antwort bringt mich ins Grübeln. Dieser Kerl
scheint ein Faible für mich zu haben. Kein Zweifel, er hätte mich
töten können. Aber er ließ mich am Leben. Rechnet man noch Amalia
Calderone am Montag in der Gasse hinzu, hatte er mich schon zum
zweiten Mal verschont.
Du, hat er zu mir gesagt, als wäre er
überrascht, ausgerechnet mich hier zu sehen.
Diese Briefe, die er mir schickt. Ich muss mir die
Briefe unbedingt noch mal anschauen.
»Ich liebe dich, Shelly«, sage ich. Mein Herz macht
einen Sprung, trotz der Umstände.
Als Nächstes rufe ich Harland Bentley auf dem Handy
an. Er ist in irgendeinem Restaurant, vermutlich mit einem neuen
Supermodel. Ich weise ihn auf die Dringlichkeit der Angelegenheit
hin, und er verspricht, mich gleich zurückzurufen.
Als er sich kurz darauf meldet, höre ich an den
Verkehrsgeräuschen im Hintergrund, dass er das Lokal verlassen hat.
Ich schildere ihm rasch, was passiert ist. Er lässt mich ausreden
und sagt dann: »Die Polizei will mich morgen befragen.«
»Harland, haben Sie gehört, was ich Ihnen gerade
erzählt habe?«
Schweigen. Im Hintergrund ertönt wütendes Gehupe.
Irgendwie passt das Geräusch zur Situation.
»Ja, habe ich«, erwidert er.
»Brandon erwähnte den Vater. Der Typ auf dem
Foto hat mich fast umgebracht. Schon zum zweiten Mal. Haben Sie
nichts dazu zu sagen?« Die Erfahrung, knapp dem Tod entronnen zu
sein, rührt sicher vieles in einem auf, aber befördert definitiv
nicht die diplomatischen Fähigkeiten, nicht mal gegenüber einem
milliardenschweren Klienten. Außerdem kriege ich langsam das
Gefühl, dass man mich in Bezug auf eines der Mordopfer damals
bewusst im Dunkeln tappen ließ.
»Nicht am Telefon«, sagt er. »Rufen Sie mich an,
wenn Sie dort fertig sind.«
»Das könnte eine Weile dauern.«
»Wenn Sie dort fertig sind«, sagt er mit
Bestimmtheit, »rufen Sie mich an.«
McDermott und Stoletti treffen etwa fünf Minuten
später ein. Die Streifenbeamten, die als Erste am Tatort waren,
haben auf sie gewartet, ein Mann namens Wilson und eine Frau namens
Esteban. Riley sitzt auf einem Stuhl im Gang und drückt sich einen
Eisbeutel gegen den Kopf.
Esteban gibt ihnen eine Kurzzusammenfassung: der
Anruf in der Zentrale, die Fahrt zum Einsatzort, Riley mit Brandon
Mitchum im Arm, und dann die Ergebnisse der anschließenden
Befragungen.
»Sieht so aus, als hätte Riley diesem Mitchum das
Leben gerettet«, sagt Esteban und nickt in seine Richtung.
McDermott späht rüber zu Riley, der sie bemerkt
hat, aber nicht herüberkommt. »Glauben Sie das wirklich?«
»Ja, Sir. Das Opfer, Mr. Mitchum, klammerte sich
förmlich an Mr. Riley. Dankte ihm immer wieder.«
»Riley meint, der Angreifer sei der Kerl von dem
Foto«, erklärt der Cop mit Namen Wilson. »Der mit der Narbe. Sagt
Ihnen das was?«
»Ja.« McDermott läuft ein kalter Schauer über den
Rücken. Der Kerl auf dem Foto, hinter Harland und den
Reportern.
»Wir haben die Spurentechniker bestellt«, sagt
Esteban. »Dieser Riley hat immer wieder darauf gedrängt, nach
Fingerabdrücken zu suchen.«
Ein guter Gedanke. Wenn der Angreifer sich als Cop
ausgab, konnte er schlecht Handschuhe tragen. Und er hatte nicht
genügend Zeit, den Tatort zu säubern. Das könnte der Durchbruch
sein.
»Wie ausgesprochen hilfreich von Mr. Riley«,
bemerkt Stoletti.
Wilson und Esteban kriegen die darin verborgene
Häme natürlich nicht mit. McDermott schon. Er marschiert rüber zu
Riley, der sich jetzt erhebt.
»Wie geht’s Ihnen?«, erkundigt er sich.
»Ich werd’s überleben.«
Ja, das wirst du sicher, denkt McDermott.
Ist ja nicht das erste Mal. »Was wollten Sie dort?«
»Brandon Mitchum war damals in Mansbury mit Cassie
und Ellie befreundet. Die drei kannten sich ziemlich gut. Wenn
jemand was über Cassies Schwangerschaft weiß, dann er.«
»Und uns haben Sie das nicht verraten?«, wirft
Stoletti ein. »Spielen Sie sich jetzt als Cop auf?«
»Tja, ich dachte, irgendwer muss den Job ja
übernehmen.«
»Okay, mein Freund.« McDermott macht einen Schritt
auf Riley zu. Er ist zwar kein ausgesprochener Fan von Anwälten,
aber hat er kein Problem mit Riley, persönlich gesehen. Allerdings
häufen sich für seinen Geschmack die merkwürdigen Zufälle.
»Erzählen Sie uns, was Sie zu erzählen haben. Und verkneifen Sie
sich Ihre albernen Kommentare.«
Rileys Version der Geschichte unterscheidet sich
nur unwesentlich vom Bericht der beiden Beamten. Interessant wird
es erst, als er zu der Konfrontation mit dem Angreifer kommt.
»Du«, wiederholt McDermott. »Er war also
überrascht, Sie dort zu sehen. Als würde er Sie kennen.«
»Oder als könnte er nicht verstehen, warum Sie ihn
zu stoppen versuchen«, fügt Stoletti hinzu. »Warum sollte er das
tun? Warum sollte er Sie für einen Verbündeten halten?«
Riley hat keine Ahnung. »Ich weiß nur so viel – ich
war einen Kopf größer als dieser Kerl, aber er hat mich durch die
Luft gewirbelt wie nichts.«
»Er war stark.«
»Ja, vermutlich war er stark, aber das meine ich
nicht. Er wusste genau, was er tat. Ich hab mich bemüht, ihn von
hinten in den Schwitzkasten zu nehmen, aber in weniger als zwei
Sekunden hatte er sich befreit, er fuhr herum und schleuderte mich
gegen die Wand.
Er muss verdammt gut trainiert sein.«
McDermott stößt einen Seufzer aus. »Übrigens
spricht er mit Akzent«, fügt Riley hinzu. »Osteuropäisch, schätze
ich. Lassen Sie uns mit Brandon reden, vielleicht kann er mehr
sagen, nachdem er ein Beruhigungsmittel bekommen hat.«
McDermott hebt die Hand.
»Oh«, sagt Riley. »Bin ich nicht eingeladen?«
»Nein, Sie sind nicht eingeladen. Sie können von
Glück sagen, dass ich Sie nicht festnehmen lasse.«
Riley mustert die beiden einen Moment, dann streckt
er die Hände aus, wie um sich Handschellen anlegen zu lassen.
»Oh, hören Sie mit diesem lächerlichen Theater
auf.«
Riley lässt die Arme sinken. »Den Gefallen tu ich
Ihnen gerne. Ich verschwinde jetzt nämlich.«
Und damit drängt er sich an ihnen vorbei. McDermott
wechselt einen Blick mit Stoletti. Keiner von beiden weiß, was sie
mit Riley anfangen sollen. Vielleicht einfach einsperren. Seine
Fingerabdrücke auf dem Brecheisen würden das mehr als
rechtfertigen. Andererseits ist Paul Riley niemand, den man ohne
gute Gründe einsperren kann.
»Er hat schlampig gearbeitet, heute Abend.«
Sie wenden sich wieder Riley zu, der nachdenklich
stehen geblieben ist.
»Denken Sie an die ersten beiden Morde«, erklärt
Riley. »Perfekte Planung. Er kommt und geht, ohne Spuren zu
hinterlassen. Saubere Morde. Den hier hat er vermasselt.«
»Warum das?«, erkundigt sich Stoletti.
»Die Eingangstür des Gebäudes«, sagt er. »Eine
Sicherheitstür. Aber das Schloss ist kaputt. Ich bin einfach
reinmarschiert. Der Kerl tat das nicht. Er hat geklingelt, damit
Brandon ihm aufmacht.«
McDermott lässt sich das durch den Kopf gehen.
»Wenn es gut geplant gewesen wäre, hätte er von dem kaputten
Schloss gewusst.«
»Und er hätte Brandon aufgelauert. So, wie er es
bei Ciancio und Evelyn Pendry getan hat.«
»Und warum ist er hier anders vorgegangen?«, fragt
Stoletti.
»Keine Ahnung. Sie sind die Cops. Finden Sie es
verdammt noch mal heraus.« Jetzt verschwindet er endgültig.
McDermott ruft ihm nach. »Bleiben Sie in der Stadt,
falls wir Sie brauchen.«
»Ja, schon klar.«
Nervensäge. Das Problem mit Anwälten ist, sie
kennen ihre Rechte. McDermott kann Riley an gar nichts hindern,
solange er ihn nicht festnimmt, was Riley natürlich besser weiß als
jeder andere.
Aber mit seinem Urteil über den Angriff auf Mitchum
hat er ins Schwarze getroffen. Warum war es diesmal anders? Warum
sah sich der exakt planende, kaltblütige Vollstrecker plötzlich
genötigt, zu improvisieren?
»Lass uns mit Mitchum sprechen«, sagt er.