19.
Kapitel
Bei meiner Rückkehr in die Kanzlei bin ich mir
endgültig sicher – eine Horde winziger Zwerge hat sich in meinem
Schädel eingenistet und durchwühlt mein Hirn auf der Suche nach
Gold mit kleinen Spitzhacken. Um zehn Uhr – in achtzehn kostbaren
Minuten – erwarten mich zwölf Mitarbeiter und Senior-Partner in
einem der Konferenzräume, um mit mir den aktuellen Stand der
ausufernden Rechtsangelegenheiten von BentleyCo und ihrer
Tochtergesellschaften durchzugehen. Nach meinen letzten
Informationen handelt es sich um nicht weniger als neunundsechzig
offene Fälle. Es wird also ein langes Meeting. Gestern hab ich alle
um ein Kurzresümee gebeten, damit ich halbwegs vorbereitet bei dem
Treffen auftauche. Vermutlich sollte ich vorher mal einen Blick in
diese Unterlagen werfen.
Ich komme an einer Gruppe Juniorpartnerinnen
vorbei, die plaudernd vor einem Büro stehen. Sie nennen mich »Mr.
Riley«, was darauf hindeutet, dass es sich um sogenannte
»Sommer-Partner« handelt – Jurastudentinnen von Elite-Unis, die
hier im zweiten Semester ein Praktikum absolvieren. Wobei
»Praktikum« in erster Linie bedeutet, dass sie jeden Mittag zu
teuren zweistündigen Lunches ausgeführt werden, abends
Baseballspielen, Cocktailpartys oder Bootsfahrten beiwohnen, und
das alles auf Kosten der Firma. Denn schließlich wirbt die Firma ja
um sie, und nicht umgekehrt. Allen zehn Teilnehmern des
Sommerpraktikums bei Shaker, Riley & Fleming wird man
anschließend eine vollwertige Partnerschaft anbieten, es sei denn,
sie lassen sich was ausgesprochen Dämliches zu Schulden kommen, wie
etwa nach Feierabend Sex mit einem Rechtsreferendar auf dem
Büroschreibtisch zu haben. Ich erwähne dieses Beispiel, weil sich
eine Spitzenstudentin der Columbia-Universität letztes Jahr nach
einer Party im Museum genau dazu hinreißen ließ.
Ich marschiere am Arbeitsplatz meiner Assistentin
Betty vorbei, die an ihrem Computer sitzt und tippt. Betty ist die
Königin der Kanzlei, die rechte Hand des Senior-Partners. Sie
arbeitet schon seit meiner Zeit als Bezirksstaatsanwalt mit mir
zusammen. Meine Beziehung zu Betty ist dauerhafter als jede andere
in meinem Leben, außer vielleicht die zu meiner Tochter – sofern
man das eine Beziehung nennen will.
»Morgen, Bettina«, sage ich.
Gemeinsam haben wir Bettys Scheidung durchgestanden
und dann meine, ihre zweite Ehe und meine Junggesellenzeit, die
Gründungzeit in unserem ersten Büro am River Drive mit nur acht
Mitarbeitern, bis hierher in unsere neuen Räumlichkeiten, einem
Palast, dem es, wie Betty sagt, an Charme fehlt. Betty hält
mit ihrer Meinung nie hinterm Berg. Wenn es drauf ankommt, ist sie
hart und durchsetzungsfähig, und sie besitzt eine gute Portion
gesundes Misstrauen, was uns zu einem ziemlich guten Gespann
macht.
»Paulina«, erwidert sie leise, ohne auch nur eine
Sekunde im Tippen innezuhalten. Sie mag es nicht, wenn man sie bei
ihrem vollen Namen nennt, und rächt sich, indem sie mich mit der
weiblichen Form meines Vornamens tituliert. Allerdings nie vor
anderen, denn das hieße, den Boss respektlos behandeln. Und sie
fordert von jedem hier absoluten Respekt vor sich und dem Boss. Wir
sind ein Team, und ein Team bildet nach außen hin eine verschworene
Gemeinschaft. Auch Vito Corleone hätte es niemals toleriert, wenn
seine Familie vor Uneingeweihten Streitigkeiten ausgetragen hätte.
Ein recht treffender Vergleich, wobei ich mich allerdings manchmal
frage, wer von uns beiden hier eigentlich der Pate ist.
Sie folgt mir ins Büro. »Du hast die Karte für
Richter Benson noch nicht unterschrieben«, informiert sie mich.
»Jetzt kommt sein Geschenk zu spät an. Und sag nicht, ich hätte
dich nicht rechtzeitig dran erinnert, das habe ich nämlich.«
»Okay, ich werd’s mir verkneifen.« Ich hänge mein
Jackett hinter der Tür auf und fange an, nach dem Geschenk zu
suchen. Betty führt Buch über die Geburtstage von Richtern,
Politikern und natürlich von Klienten, und sie kauft kleine
Geschenke mit Glückwunschkarten für sie, die ich dann
unterschreibe. Klienten kleine Aufmerksamkeiten zukommen zu lassen,
ist eine ausgezeichnete Methode, sich mal wieder in Erinnerung zu
bringen. Geburtstags- und Festtagsgrüße, kurze briefliche
Mitteilungen über den aktuellen Stand laufender Fälle – Klienten
schätzen diese Art der Zuwendung. Und Betty sorgt dafür, dass ich
sie ihnen zuteil werden lasse.
Mein Schreibtisch ist ein Musterbeispiel für
organisiertes Chaos. Chaos, weil ich die typische
Junggesellenangewohnheit habe, mein Zeug überall rumliegen zu
lassen, und organisiert, weil Betty jeden Morgen als Erstes
hier hereinkommt und alles zu Stapeln ordnet. Es ist nicht wirklich
aufgeräumt, aber auch kein heilloses Durcheinander.
Ich merke, dass Betty immer noch vor meinem
Schreibtisch steht, die Hände in die Hüften gestemmt. Wenn man sie
nicht kennt, wirkt sie eher unscheinbar, eine kleine Frau mit
breiten Hüften, etwas derben Gesichtszügen, die Haare straff nach
hinten gebunden zu einem Dutt, oder wie immer man heutzutage einen
Dutt nennt. Betty ist vier Jahre älter als ich, also fünfundfünzig,
aber sie redet mit mir, als wäre ich ihr Sohn.
»Ich warte immer noch auf das Geschenk.«
Und zwar ein sehr unfolgsamer Sohn. Ich beginne
überall nach dem zu fahnden, was ich Gordy Benson schenken wollte,
in der Hängeregistratur an der Wand, den Schubladen meines alten
Schreibtischs. Obwohl ich keine Ahnung habe, wonach ich eigentlich
suche, was das Ganze nicht gerade einfacher macht, traue ich mich
nicht, Betty das zu beichten. Die Einzigen, die noch mehr Angst vor
Betty haben als ich, sind – na ja, alle übrigen in der
Kanzlei.
»Du hast ein Meeting«, erinnert mich Betty, während
sie meinen Kalender überfliegt.
»Weiß ich. Aber bis dahin sind es noch ein paar
Minuten.« Vorsichtig fasse ich an meinen Hinterkopf, wo mich der
Schlag getroffen hat. Wahrscheinlich hätte ich das besser nähen
lassen sollen, aber ich hasse diese Art von Prozedur. Wie ich mich
kenne, werde ich so lange warten, bis sich die Wunde so richtig
infiziert, und dann erst in Betracht ziehen, irgendwas zu
unternehmen.
»Du siehst nicht gerade gut aus«, teilt sie mir
mit.
»Mit Schmeicheleien brauchst du mir gar nicht zu
kommen.« Ich lüfte einen Stapel Umschläge. »War die Post schon
da?«
»Das ist die Post von gestern.«
»O Himmel.« Ich lege den Stapel wieder ab und
massiere mir die Schläfen, wobei mir ihr abschätziger Blick nicht
entgeht. »Aspirin, Betty. Dein Boss braucht dringend Aspirin.« Als
ich bemerke, dass mein Bitten keinerlei Reaktion bei ihr auslöst,
schaue ich zu ihr auf. Die Arme vor der Brust verschränkt, klopft
sie ungeduldig mit einem Fuß auf den Teppich.
»Was ist denn?«
»Das Geschenk«, sagt sie. »Und die Karte.«
»Okay, in Ordnung.«
»Du weiß nicht mehr, was es ist, richtig?«
»Natürlich weiß ich das«, sage ich und lasse mich
in meinen Sessel zurückfallen. »Es war ein Basketball, von den 84er
Celtics signiert, nachdem sie über die Lakers triumphiert hatten.
Bird, Parrish, McHale, Johnson, Maxwell, Ainge, Henderson …«
Betty runzelt die Stirn. »Es war eine Flasche Pinot
Noir von Willamette Valley.«
»Darauf hätte ich als Nächstes getippt.«
Sie zieht die Augenbrauen hoch. »Und wo ist der
Pinot?«
»Lightner und ich haben ihn vorgestern Abend
geleert.«
Sie schüttelt den Kopf und winkt ab. Sie ist fast
schon aus der Tür, da hält sie inne, überlegt einen Augenblick,
dreht sich auf dem Absatz um und starrt mich an. »Ich möchte dich
was fragen. Und ich verlange eine ehrliche Antwort.«
»Danke für die aufmunternden Worte.« Ich durchwühle
meine Schreibtischschubladen nach einem Schmerzmittel. Wieder
entsteht eine bedeutungsschwangere Pause, die meine ungeteilte
Aufmerksamkeit einfordert. »Die Frage, Betty, die Frage. Ich platze
vor Spannung.«
»Du solltest nach Hause und dich
ausschlafen.«
»Das ist keine Frage. Das ist eine persönliche
Meinungsbekundung.« Endlich. Ein Fläschchen Exedrin. Ich schüttle
vier Tabletten auf die Hand und würge sie trocken hinunter, bevor
mir einfällt, dass in meinem privaten Kühlschrank, kaum eine
Armlänge entfernt, eine Flasche mit Wasser steht.
Betty fragt mich: »Vor wie vielen Tagen habt ihr
euch getrennt, Shelly und du?«
Ich zucke mit den Achseln. »Vor ein paar Monaten,
keine Ahnung.«
Sie runzelt ungläubig die Stirn.
»Dreiundsechzig Tage«, gebe ich zu.
»Und warst du auch nur an einem einzigen dieser
Tage nicht betrunken?«
»Du hast die eine dir zugestandene Frage bereits
aufgebraucht.« Ich stürze die halbe Wasserflasche in einem Zug
hinunter und presse dann das kalte feuchte Plastik an meine Wange.
»Du bist nicht meine Mutter, Bettina, du bist meine Assistentin.
Also walte bitte deines Amtes und assistiere mir.«
Jerry Lazarus, einer der Junior-Partner der Firma,
steckt seinen Kopf durch die Tür. »Darf ich kurz
unterbrechen?«
»O ja, ich bitte darum, Laz. Tun Sie das.«
Betty marschiert aus dem Büro und wirft mir dabei
einen Blick zu, der die Sonne gefrieren lassen könnte.
»Im Fall Lysinger stehen wir in den Startlöchern.
Die Staatsanwaltschaft ist bereit, einen Richter auszuwählen.«
Lazarus nickt in Richtung meines Schreibtischs. »Haben Sie mein
Resümee gelesen?«
»Äh, nein«, gebe ich zu und blättere durch einen
kleinen Stapel mit Papieren. Eine der vielen Tochterfirmen von
BentleyCo mit Namen Bentley Manufacturing stellt Gerätschaften für
Fast-Food-Restaurants her. Eine Restaurantkette in Texas will den
Vertrag kündigen, also kommen wir ihnen zuvor, machen ihnen die
Hölle heiß und versuchen, eine richterliche Verfügung zu erwirken,
die ihnen das untersagt – und so weiter und so fort. Privatrecht
raubt einem den letzten Nerv.
Ich finde das Resümee und wedele damit in der Luft
herum. »Wie sehr unterscheidet es sich von der vorigen
Fassung?«
»Nicht sehr«, sagt Jerry. »Wir haben zusätzlich
eine Anklage wegen schädigenden Eingriffs in bestehende und
zukünftige Geschäftserwartungen erhoben.«
»Wer hat das gemacht?«
»Lance.« Jerry nickt. »Aber ich hab es noch mal
gecheckt. Die Sache hat Hand und Fuß.«
Einer unserer Partner fertigt immer den Rohentwurf
an und recherchiert dafür, wenn nötig, die ganze Nacht. Dann
überprüft mein junger Partner Jerry das Ganze aufs Gründlichste.
Und zum Schluss gebe ich als Hauptverantwortlicher noch meinen
Segen dazu, bevor wir es rausschicken. Harland Bentley zahlt die
stattlichen Honorare für all die Extraarbeit und die Überstunden,
ohne mit der Wimper zu zucken. Privatrecht ist schon eine tolle
Sache.
»Basketball morgen?«, frage ich Jerry. Unser
wöchentliches Spiel, immer mittwochs in der Mittagspause.
Er zuckt mit den Achseln. »Weiß nicht, Boss. Ich
mach mir ein bisschen Sorgen deswegen.«
»Worüber machen Sie sich Sorgen? Dass Sie von Ihrer
Frau keine Erlaubnis kriegen?«
»Ich mache mir Sorgen um meine Zukunft in dieser
Firma, wenn ich Sie noch mal so alt aussehen lassen, wie bei dem
Spiel letzte Woche.«
»Lazarus.« Ich leere mein Wasser und schnalze
zufrieden mit der Zunge. »Wenn Sie nur halb so gut werfen könnten
wie Sprüche klopfen, würden Sie vielleicht ab und zu auch mal einen
Ball in den Korb kriegen.« Ich bedeute ihm, den Raum zu verlassen.
»Und jetzt arbeiten Sie bitte wieder an Ihren Akten oder
meinetwegen an Ihrer Wurftechnik, auf jeden Fall an irgendwas
außerhalb meines Büros.«
»Wir treffen uns – in fünf Minuten«, sagt er.
Ach ja, verdammt, dieses Meeting. An diesem Punkt
meiner Karriere besteht meine Arbeit zu fünfundneunzig Prozent
daraus, die Arbeit anderer zu überwachen. Meine Anwälte sind mehr
als kompetent. Ich lenke sie nach genauen strategischen Vorgaben,
und dazu muss man kein Genie sein. Im Grunde habe ich nur eine mehr
oder weniger repräsentative Funktion – ich gehe zu den großen
Hearings und bin bei den seltenen Fällen präsent, wenn wir vor
Gericht ziehen, doch das Einzige, was nach wie vor echtes
persönliches Interesse bei mir weckt, sind die
Kriminalprozesse.
Rasch überfliege ich meine Post. Das meiste davon
sind Werbebriefe oder Bitten um Spenden von gemeinnützigen
Organisationen. Die Spendenbitten landen auf einem gesonderten
Stapel, denn wir haben hier in der Kanzlei ein eigenes Komitee, das
über die Geldervergabe entscheidet. Wir haben hier Komitees für
alles.
Aber dann entdecke ich erneut einen Brief mit
handgeschriebener Adresse – die Schrift ähnelt der des ersten
Briefs, derselbe breite Tintenfüller. Und es ist ein hiesiger
Poststempel darauf. Ich öffne den Umschlag, und der Brief fällt
heraus. Aus irgendeinem Grund entfalte ich ihn behutsam und halte
das Blatt nur mit den Fingerspitzen am äußersten Rand.
Werde erleiden rächend das Ende.
Zuletzt werden Echos innigster Trauer erschüttert nachhallen.
Vernehmlich ertönen. Rührige Sendboten beständig ertragen neue
unaufhörliche Torturen zu einem neuen Zweck. Eine innige Teilnahme
zeitigt unerschrockene, offenherzige Parteinahme; fordert eine
rührige Neugier, auch liebe vollen Betrug an niedergelegten
Ideen.
Mein Lachen klingt selbst in meinen eigenen Ohren
bemüht. Die Handschrift ist ohne Zweifel die gleiche wie beim
letzten Brief. Unheimlich, dieser Kerl. Vielleicht hat Burgos
Geburtstag. Geht es darum? Zuletzt werden Echos innigster Trauer
erschüttert nachhallen. Wer zum Teufel ist dieser Typ?
Zum Vergleich ziehe ich den ersten Brief
heraus.
Böses ersteht neu. Öffentliche
Teilnahme ist gewiss. Er kennt Euer Rätseln Nähe einstiger
unvergessener Taten? Ihr Heiden, reuevoll erwartet bald Erhellung.
Inzwi schen Herr, ingrimmig lasst Fackelträger erscheinen.
Eindeutig dieselbe Handschrift. Dasselbe finstere,
pseudoreligiöse Kauderwelsch. Irgendwas daran klingt vertraut, aber
ich weiß nicht genau was.
Die Gegensprechanlage summt. »Ja, Betty?«
»Mr. Bentley für dich.«
»In Ordnung.« Sie stellt den Anruf durch, und ich
nehme ab. Es ist Harlands Assistent – einer seiner drei Assistenten
-, der anfragt, ob ich mich heute Abend mit Harland treffen kann.
Ich bejahe und notiere mir wann und wo, ohne nachzufragen, warum
Harland mich nicht selber anruft.
Als ich auflege, bemerke ich, dass der Knopf für
gespeicherte Anrufe blinkt.
Die erste Nachricht stammt von dieser Journalistin,
Evelyn Pendry, die erneut ihr Interesse an einem Gespräch mit mir
bekundet. Als ich den zweiten Anruf abhöre, stockt mir der Atem. Es
ist die Stimme meines Augensterns, sie spricht mit gedämpfter
Stimme, im Hintergrund höre ich Bürogeräusche.
»Ich denke, wir sollten dieses Gespräch
tatsächlich führen«, sagt Shellys mit leiser, dem Arbeitsumfeld
angepasster Stimme. »Übliche Zeit, üblicher Ort?«
Im Grunde ist es ganz einfach, man muss bloß
mitmachen, im großen Strom mitschwimmen, in ihrer Welt leben, so
tun, als würde man alles mit ihren Augen betrachten. Geh rüber zum
Hotdog-Verkäufer, bestell dir was, genau wie alle anderen auch,
Würstchen mit Kraut, eine Flasche Wasser, reck das Gesicht in die
Sonne, als würdest du es genießen.
Da kommt er. Eilt durch die Drehtür, ohne
Aktenkoffer, hüpft die Stufen runter, zielstrebig, der große Paul
Riley, der Mann, der berühmt geworden ist, weil er Terry gestoppt
hat.
Leo wirft den Hotdog in den Abfalleimer und nimmt
einen Schluck aus der Wasserflasche, bevor er sie dem Hotdog
hinterherwirft.
Er folgt Riley zu Fuß, verlässt seinen warmen,
sonnigen Platz, bewegt sich durch die Schatten der Hochhäuser.
Immer wieder späht er hinauf zu den Dächern, aber natürlich zeigen
sie sich nicht.
Es ist kein langer Weg. Riley geht vier Blocks,
zwei in Richtung Norden, zwei nach Osten, dann betritt er
überraschend das Dunstworth Hotel, eines dieser stuckverzierten
alten Stadthotels. Leo bleibt abrupt stehen, sicherheitshalber
marschiert er lieber nicht gleich rein.
Was hat Riley vor?
Leo hat keine Ahnung. Es wäre sinnlos, ihm nach
drinnen zu folgen, was soll er da, hier draußen ist es sicherer,
kein Grund zur Sorge, besser draußen warten, wird sicher nicht
lange dauern.
Der Schmerz trifft ihn wie ein Blitzschlag. Er
presst eine Hand auf den Bauch. Das Einzige, was er tun kann, um
nicht vor Schmerzen zusammenzuklappen. Der Hotdog ist ihm nicht
bekommen, aber wenn er müde ist, hat er eben mehr Hunger – und
momentan ist er hundemüde. Voll unter Strom, aber total
übermüdet.
Eine Minute später bremst ein Taxi vor dem Hotel.
Leo reibt sich die Augen und schaut noch mal hin, ja, sie ist es
tatsächlich. Die gleiche Frau wie auf den Fotos bei ihm zu
Hause.
Ihr Name ist Shelly Trotter.