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In der Stadtmitte von Philadelphia erstreckte sich ungefähr von der Siebzehnten bis zur Achtzehnten und von der Walnut bis zur Sansom das sogenannte Französische Viertel. Es war kein offizieller Stadtteil, aber 1999 hatte die Stadt orangefarbene Schilder mit diesem Namen aufgestellt und das Viertel auf diese Weise anerkannt.
Hier gab es französische Restaurants, französische Kulturvereine und ein Sofitel-Hotel der französischen Hotelkette in der gehobenen Preisklasse.
Jessica und Byrne parkten Ecke Achtzehnte und Moravian Street, ein paar Häuser von dem Streifenwagen entfernt. Am Gassenanfang hatten sich mehrere Polizisten und Detectives versammelt.
Auf dem Weg hierher hatten Jessica und Byrne erfahren, dass John Shepherd die Ermittlungen in diesem Fall leiten sollte. Shepherd arbeitete mit einem jungen Detective namens Bình Ngô zusammen, ein Vietnamese, dessen Familie in der zweiten Generation in den USA lebte. Viele Detectives der Mordkommission verfügten über irgendeine besondere Fähigkeit. Bei Bình war es – abgesehen von seinen Kenntnissen der vietnamesischen Sprache – das Talent, in angespannten Situationen, wenn ein Streit zwischen zwei Parteien zu eskalieren drohte, für Entspannung zu sorgen. Der ruhige und besonnene Detective erwies sich obendrein als fähiger Ermittler.
Jessica duckte sich unter dem gelben Flatterband am Gassenanfang und starrte fassungslos auf das surreale Bild, das sich ihrem Blick bot.
Am Ende der Gasse stand unter einer mit einem Drahtgitter geschützten Notbeleuchtung eine Bank. Sogar aus einer Entfernung von sieben oder acht Metern sah Jessica, dass das Holz in hellem Gelb gestrichen war.
Die Hände auf der Brust gefaltet, lag das Mädchen auf der Bank, ein Kissen unter dem Kopf. Sie roch nach einem blumigen Parfum. In den Händen hielt sie eine kleine Schale, offenbar mit Erdbeeren gefüllt.
Während Shepherd Byrne über alles informierte, was sie wussten, ging Jessica an der Mauer entlang zu dem Mädchen. Ungefähr drei Meter von der Bank entfernt blieb sie stehen. Das Opfer war sehr hübsch. Es hatte hellblondes Haar; die Fingernägel waren in zartem Pink lackiert.
Jessica zog das Foto aus der Tasche, das Marvin Skolnik ihnen gegeben hatte.
Es gab nicht den geringsten Zweifel.
Unter der Bank lagen vier Gegenstände. Da es sich um Beweisstücke handelte, waren sie mit einem dachartig gefalteten Blatt Papier bedeckt, um sie zu schützen. Daneben standen jeweils die kleinen gelben Nummerntafeln der Kriminaltechnik.
Als Jessica Schritte hörte, drehte sie sich um. Es war Bình.
»Was haben wir da?«, fragte Jessica und zeigte auf die Gegenstände.
»Sie werden es nicht glauben«, sagte Bình, hockte sich hin und hob eines der kleinen Papierdächer hoch. Darunter lag ein Vogel.
»Ist das eine Möwe?«
Bình nickte. »Ja. Es sind insgesamt vier.«
»Alle tot?«
»Alle tot.«
Jessica zeigte auf die Schale, die das Opfer in den Händen hielt.
»Sind das Erdbeeren?«
»Ja. Kaum zu glauben, nicht wahr?«
Jessica fiel es schwer, das alles zu begreifen. Sie hatten Andrea Skolniks Mörder um wenige Stunden, vielleicht Minuten verpasst. In diesem Bereich der Stadtmitte, in der Nähe des Rittenhouse Square – der schicksten Wohngegend der Stadt –, befanden sich mehrere Hotels und Restaurants der gehobenen Klasse. Aus diesem Grunde gab es hier eine hohe Dichte an polizeilichen, aber auch privaten Überwachungskameras. Das konnte ihnen bei den Ermittlungen möglicherweise helfen.
Als Jessica zur Straße zurückkehrte, sprach Shepherd mit einem Mann in den Dreißigern. Er trug eine dunkle Sportjacke, ein weißes Hemd und eine blau gemusterte Krawatte. An seiner Weste hing ein Namensschild, auf dem unter dem Logo der Sofitel-Hotelkette der Name »Yves« stand.
Der Mann schien tief erschüttert zu sein.
»Ich bin fast jeden Abend hier«, sagte Yves. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«
»Warum waren Sie hier?«, fragte Shepherd.
»Wenn ich Pause habe, rauche ich hier immer eine«, antwortete Yves. »In einem Umkreis von dreißig Metern um das Hotel ist das Rauchen verboten. Der Manager ist da sehr streng.«
»Sie arbeiten dort als Barkeeper?«
Der Mann nickte. »An der Bar in der Lobby im Sofitel Liberté.«
»Haben Sie jemanden gesehen, als Sie hierhergekommen sind?«
Yves schüttelte den Kopf. »Nein. Nur Jazzie.«
»Jazzie?«
Yves zeigte auf einen Mann Ende fünfzig, der aussah wie ein Obdachloser. Er lehnte an einem Streifenwagen und sprach mit einem Polizisten.
»Wo war Jazzie, als Sie ihn gesehen haben?«, fragte Shepherd.
»Genau da, wo er jetzt steht. Am Beginn der Gasse.«
»Ging er in die Gasse hinein, oder kam er heraus?«
»Weder noch. Er lungert hier immer herum. Manchmal bettelt er die Hotelgäste an. Dem Manager gefällt das nicht, aber Jazzie betritt nie das Grundstück des Hotels. Außerdem ist er harmlos.«
»Kennen Sie das Opfer?«
»Nein«, sagte Yves. »Ich habe das Mädchen noch nie gesehen.«
»Wann begann Ihre Pause heute?«
»Genau um achtzehn Uhr. Die Pause dauert nur eine Viertelstunde. Ich schätze, dass ich um zwei Minuten nach sechs schon hier war.«
Shepherd machte sich Notizen. »Es könnte sein, dass wir heute Abend noch einmal mit Ihnen sprechen müssen. Wann haben Sie Feierabend?«
Jessica sah, dass der Mann erblasste. Vermutlich hatte er noch gar nicht daran gedacht, dass er trotz der Ereignisse weiterarbeiten musste.
»Elf Uhr. Um elf habe ich Feierabend.«
Shepherd gab ihm eine Visitenkarte. »Tut mir leid, dass Ihnen das nicht erspart geblieben ist. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte sofort an. Meine Handynummer steht auf der Rückseite.«
Der Mann steckte die Visitenkarte ein und zog dann mit zittriger Hand eine Zigarette aus der Schachtel.
Shepherd und Bình standen am Gassenanfang und sprachen mit Jazzie. Jessica und Byrne gesellten sich dazu.
Norman »Jazzie« Garrett trug drei oder vier Pullover übereinander, eine geflickte Arbeitshose und fingerlose Handschuhe.
»Warum werden Sie Jazzie genannt?«, fragte Shepherd.
»Damals habe ich ein bisschen Klavier gespielt. Brubeck, Bill Evans, Oscar Peterson. Vergessen Sie nicht, das war zu der Zeit, als Philly noch ’ne Jazz-Stadt war und ein weißer Junge mit dicken Fingern sich mit Musik seinen Lebensunterhalt verdienen konnte. Heute ist das alles anders.«
Shepherd nickte. »Haben Sie heute Abend etwas gesehen?«
»Nichts, gar nichts. Jeden Tag dasselbe Bild. Ich hänge hier herum, weil er mir manchmal was zu essen rausbringt.«
»Yves?«
»Ja. Er ist ein guter Junge.«
»Haben Sie jemanden gesehen, der in die Gasse hineingegangen oder herausgekommen ist?«
»Nein, Sir«, sagte Jazzie. »Aber meine Augen sind nicht mehr das, was sie mal waren.«
Shepherd zeigte ihm das Phantombild des Verdächtigen. »Haben Sie diesen Mann heute Abend hier irgendwo gesehen?«
Jazzie spähte auf das Bild, das nach den Angaben von Denny Wargo angefertigt worden war. Es sollte den Mann namens Mercy darstellen.
»Ja, ja, den hab ich gesehen, aber nur, weil er genau an mir vorbeigegangen ist.«
»Wo?«
Jazzie streckte den Arm aus und zeigte auf eine Stelle an der Sansom Street.
»Zeigen Sie es mir bitte genau«, sagte Shepherd.
Die vier Detectives folgten Jazzie, der ein Stück die Straße hinunterging und dann stehen blieb.
»Genau hier?«, fragte Shepherd.
Jazzie nickte.
»Was hat er getan?«
»Nichts. Er hatte so ein Ding bei sich.«
Shepherd und die anderen Detectives blickten ihn fragend an. Da er nicht fortfuhr, hakte Shepherd nach. »Was hatte er bei sich?«
»So ’ne Art Trittleiter, nur kleiner.«
»Eine Trittstufe?«
»Ja, aber etwas größer. Als er zurückkam, stieg er in seinen roten Transporter.«
»Wo stand dieser Transporter?«
Jazzie zeigte auf die andere Straßenseite.
»Ist Ihnen an dem Transporter etwas Besonderes aufgefallen?«
Jazzie zuckte mit den Schultern. »Er war verrostet. Keine Felgen. Die hat man heutzutage nicht lange.«
»Sonst noch etwas?«
»Auf dem Nummernschild stand ›Moochie‹.«
»Würden Sie das bitte buchstabieren?«, bat Shepherd ihn.
Jazzie buchstabierte den Namen. Bình Ngô klappte sein Handy auf, ging den Bürgersteig ein Stück hinunter und ließ das Kennzeichen überprüfen.
»Und Sie sagen, er kam aus der anderen Gasse heraus?«
»Ja.«
Jessica und Byrne nahmen ihre Taschenlampen in die Hand und gingen die kurze, schmale Gasse hinunter, die dort in die andere Gasse einmündete, wo sie Andrea Skolniks Leichnam gefunden hatten. Sie richteten den Strahl ihrer Taschenlampen auf die Fenstersimse in Augenhöhe.
Auf halber Strecke sahen sie es.
Auf einem Sims auf der gegenüberliegenden Seite der Gasse saßen zwei Porzellanpuppen, die auf Andrea Skolniks Leichnam hinunterstarrten, der hier auf unheimliche und groteske Weise zur Schau gestellt wurde.
Zwei Puppenjungen.
Die eine Puppe trug ein rot-blau gestreiftes Poloshirt, die andere ein Shirt in dunklem Grün.
Die Puppen waren Robert und Edward Gillen.
Als sie darauf warteten, dass der Rechtsmediziner die Leiche freigab, kehrte Bình Ngô zurück.
»Ich habe den Halter des roten Transporters mit diesem ›Moochie‹ auf dem Nummernschild gefunden«, sagte er und schaute auf seinen Block. »Der Wagen ist auf einen gewissen Anthony Mucinelli zugelassen.«
»Lassen Sie mich raten«, sagte Byrne. »Er sitzt entweder im Gefängnis, ist auf Bewährung draußen oder auf Kaution auf freiem Fuß.«
»Letzteres«, erklärte Bình. »Er muss sich wegen schwerer Körperverletzung vor Gericht verantworten. Ich habe die Angaben zu seinem Fall mit denen von Jeffrey Malcolm verglichen. Es stellte sich heraus, dass beide denselben Kautionsvermittler hatten.«
»Und dieser Kautionsvermittler heißt Liberty 24 Bonds«, sagte Byrne.
»Stimmt.« Bình nickte. »Und der ist in der …«
»Lancaster Avenue«, warf Jessica ein.
Langsam wurde ihnen einiges klar. Liberty 24 Bonds war nur zwei Häuser von Miss Emmalines Puppengeschäft Secret World entfernt.
»Okay«, sagte Bình. »Sie sind richtig unheimlich. Davon habe ich schon gehört.«
»Und ich wette, Sie haben bei Liberty 24 angerufen«, entgegnete Byrne.
»Hab ich. Der Typ dort hat mir erzählt, dass vor drei Monaten bei denen eingebrochen und ein paar Akten gestohlen wurden.«
»So haben die sich die Autos besorgt«, sagte Jessica. »Sie stehlen Fahrzeuge von Leuten, die niemals die Polizei rufen würden.«
»Ich habe den Mitarbeiter bei Liberty 24 gebeten, eine Liste aller gestohlenen Akten zusammenzustellen«, fuhr Bình fort. »Zuerst hat er einen Aufstand gemacht, aber ich habe ihm erklärt, dass diese Akten mit Mordfällen in Verbindung stehen und dass ich ihm das Leben schwer mache, wenn ich die Liste nicht bekomme. Daraufhin hat er eingelenkt. Ich habe ihn auch gefragt, ob er einen Kunden hat, der für einen Kammerjäger arbeitet. Hat er.«
»Der Transporter, der in der Nähe des Tatorts der Gillen-Morde in Strawberry Mansion gesehen wurde, nicht wahr?«, sagte Jessica. »Der mit dem verblassten Logo einer Kakerlake auf der Tür.«
»Genau der. Es stellte sich heraus, dass der betreffende Kunde sich als Kammerjäger selbstständig gemacht hatte, bevor er kriminell wurde. Seit drei Monaten sitzt er in Curran-Fromhold seine Haftstrafe ab.«
»Was ist mit den anderen Akten?«, fragte Westbrook.
Bình hielt sein Handy hoch. »Ich warte auf den Anruf.«
In diesem Augenblick kam der Rechtsmediziner aus der Gasse. Er hatte Andrea Skolnik für tot erklärt. Jetzt konnten die Detectives den Tatort unter die Lupe nehmen.
Jessica streifte Latexhandschuhe über und machte sich auf den Weg. Sie schaute unter die Bank, auf der die Tote lag. Wie erwartet klebte dort ein Briefumschlag.
Die Kriminaltechniker hatten bereits Fotos von dem Umschlag gemacht. Jessica löste ihn vorsichtig ab und reichte ihn Bình, der diese Ermittlungen gemeinsam mit John Shepherd leitete.
Es war wieder eine Einladung.
EINLADUNG!
WIR SEHEN UNS BEI UNSEREM THÉ DANSANT
AM 2. DEZEMBER UM MITTERNACHT!
Jessica starrte auf die Karte. Im Unterschied zu den beiden ersten Einladungen dauerte es dieses Mal keine Woche mehr. Die Killer legten einen Zahn zu. Bis zum 2. Dezember waren es nur noch zwei Tage. Und zum ersten Mal stand eine Tageszeit dabei.
»Da ist noch etwas in dem Umschlag«, sagte Bình.
Er hielt ihn ins Licht.
»Zwei Einladungen?«, fragte Shepherd.
»Ich glaube nicht.«
Bính zog vorsichtig heraus, was noch in dem Umschlag steckte. Es war ein rechteckiges, hellblaues, ziemlich altes Flugticket aus festem Papier. Die Ecken waren verbogen, die Farben verblasst.
Bình reichte es Jessica. Da stand:
PAN AMERICAN WORLD AIRWAYS SYSTEM
FLUGTICKET
GEPÄCKSCHEIN
Es war ein altes Flugticket der Fluggesellschaft Pan Am, die nicht mehr existierte.
Byrne zog sein Handy aus der Tasche und blickte Jessica an. »Erinnerst du dich an die Mail, die du mir geschickt hast? Die Mail über deine Internetrecherche, nachdem die Gillen-Jungen tot aufgefunden wurden?«
»Was ist damit?«, fragte Jessica.
Byrne fand schnell, was er suchte. »Auf einigen Seiten ging es darum, wie man eine Schaukel anstreicht. Auf einer anderen ging es um das Ölgemälde des Mädchens auf der Schaukel, und auf einer dritten um den Film mit Fred Astaire.«
»Ich erinnere mich.«
»Und auf einer der Seiten ging es um …«
»Den Song von Ella Fitzgerald«, sagte Jessica.
Byrne zeigte ihr das Display seines Handys.
»These Foolish Things.«
Der Liedtext lieferte die Vorlagen für die Morde.
Das Zischen der Züge um Mitternacht
An leeren Bahnhöfen
Weggeworfene Seidenstrümpfe
Einladungen zum Tanz.
Alle diese Bezüge kamen im Text vor. Die Anspielung auf angestrichene Schaukeln, das Klaviergeklimper in der Wohnung nebenan, die Zigarette mit den Lippenstiftspuren. Und jetzt, am Tatort Andrea Skolnik, die Île de France mit den Möwen.
Und ein Flugticket zu romantischen Orten.
Jessica betrachtete das Ticket.
Es war auf den Namen Jean Marie Sauveterre ausgestellt.
Als Jessica und Byrne in der Secret World ankamen, brannte im Schaufenster nur ein einziger Strahler.
Was sie vorhatten, entsprach nicht unbedingt dem Dienst nach Vorschrift. Sie wollten Emmaline Rose aber nicht bitten, sich in ihrem Geschäft umsehen zu dürfen, damit die alte Dame sich nicht unnötig aufregte. Schließlich lag sie noch immer im Penn Presbyterian und bekam Beruhigungsmittel.
Byrne bat einen Freund, der bei einem Schlüsseldienst arbeitete, um eine Gefälligkeit. Der Mann brauchte nur Sekunden, um ihnen die Tür zu öffnen.
Sie betraten das Geschäft, schalteten die Lichter im Ladenlokal aber nicht ein. Auf dem Weg ins Hinterzimmer sah Jessica, dass das Licht vom Schaufenster die Puppen auf den Regalen geisterhaft beleuchtete. Es war richtig unheimlich. Als würden tausend Kristallaugen sie beobachten.
Im Hinterzimmer sah es genauso aus wie bei Jessicas letztem Besuch. Nichts, was nicht hierhergehörte. Da es hier keine Deckenbeleuchtung gab, schalteten sie die drei Tischlampen ein. Das genügte, um die Dunkelheit zu vertreiben.
Sie gingen zu den Bücherregalen. Fünf der dicken Bände behandelten die Geschichte der Puppenmacherei. In einem ging es um die Puppenmacherei in Frankreich von 1530 bis 2000. Die anderen handelten von der Puppenherstellung im zwanzigsten Jahrhundert in Amerika.
Jessica blätterte in dem Band über Frankreich, fand aber nur eine einzige Erwähnung Jean Marie Sauveterres. Während Byrne in dem Buch über die Puppenmacher in Amerika blätterte, nahm Jessica ein paar andere Bände aus dem Regal. Es waren größtenteils Kataloge. Nur in einem entdeckte sie eine weitere Erwähnung Jean Marie Sauveterres in einer Mitgliederliste einer Puppenmachervereinigung.
Als sie die Bücher wieder ins Regal schob, schaute sie zu Byrne. Er hatte das Buch, bei dem eine Seite ziemlich am Ende aufgeschlagen war, auf den Tisch gelegt. Das Mobiltelefon in der Hand, blickte er durch den Vorhang in das Ladenlokal.
»Was ist?«, fragte Jessica leise.
Byrne zeigte auf das Buch.
Jessica nahm es und las den kurzen Lebenslauf. Sie erfuhr, dass Jean Marie Sauveterre als Sohn eines Schusters und einer Hausfrau in Colmar, Frankreich, das Licht der Welt erblickt hatte. Er studierte an der Sorbonne, brach das Studium aber nach nur einem Jahr ab, um das Handwerk des Puppenmachers zu erlernen. In Paris ging er bei einem Mann in die Lehre, der in seiner Jugend von Emile Louis Jumeau unterrichtet worden war, dem Sohn von Pierre-François Jumeau, der als einer der besten Puppenmacher des neunzehnten Jahrhunderts galt.
Im Alter von zweiunddreißig Jahren zog Sauveterre nach New Orleans, wo er im Französischen Viertel ein Geschäft eröffnete. Mit sechsunddreißig heiratete er, doch seine Frau starb ein Jahr später kurz nach der Geburt ihres einzigen Kindes.
Unter dem Artikel war ein Foto des Puppenmachers und dieses Kindes.
»O Gott«, murmelte Jessica.