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Ich suche nach einer so großartigen Metapher, dass sie erklären könnte, wie ich mich fühle.

Leider bin ich keine Poetin und auch nicht besonders schlau. Da brauchen Sie nur Mr. Marseille zu fragen. Deshalb fehlten mir die Voraussetzungen, um die großartige Aussicht zu beschreiben, die sich mir bot.

Ich hatte schon oft am rechten Flussufer des Delaware River gestanden (nicht so oft am linken, nur während meiner beiden Ausflüge nach Camden, New Jersey). Mehr als einmal stockte mir bei dem herrlichen Anblick der Atem.

Doch am Ufer des Atlantiks zu stehen – wovon ich schon mein Leben lang geträumt hatte –, trieb mir die Tränen in die Augen. Mr. Marseille hatte das vorausgesehen und reichte mir eines seiner weichen weißen Taschentücher. Solange ich mich erinnern kann, weiß er jedes Mal im Voraus, wie ich auf bestimmte Situationen reagiere.

Ich lächelte, während ich vor Freude weinte und mir die Augen tupfte.

»Wo ist es?«, fragte ich.

Mr. Marseille wusste, was ich meinte. Er wusste es immer. Manchmal überraschte er mich mit dieser Fähigkeit. Er zeigte nach rechts.

»Da drüben, glaube ich.«

Ich spähte übers Wasser und kniff die Augen zusammen, als könnte ich dann besser sehen.

»Wie weit ist es?«, fragte ich.

»3625 Meilen.«

Ich musste lächeln. »Das ist eine sehr präzise Angabe.«

»Es gibt keinen Grund, nicht präzise zu sein.«

Ich schaute wieder aufs Meer und fragte mich, ob in genau diesem Augenblick an einem Strand in Frankreich ein Junge und ein Mädchen standen, die über die riesige Entfernung hinweg zu Amerika sprachen.

Der Gedanke gefiel mir. Ich machte mir einen Spaß daraus, mir zu überlegen, wie sie wohl hießen.

Wir traten die Rückfahrt von Atlantic City an. Dieses Mal fuhren wir mit unserem eigenen Wagen, einem viel älteren Modell, das aber einen unverwüstlichen und leistungsstarken Motor hatte, wie Mr. Marseille mir erklärte. Ich hörte ihm gern zu, wenn er von solchen Dingen sprach.

Im Auto war es sehr ruhig. Wir rezitierten abwechselnd Gedichte.

Am Abend hielten wir an einem Restaurant, das Friendly’s hieß, doch weder Mr. Marseille noch ich fanden, dass der Name zu dem Lokal passte.

Als wir zu Hause ankamen, fuhr Mr. Marseille den großen Wagen in die Garage, die wir vor langer Zeit ein paar Straßen von dem Ort entfernt gemietet hatten, an dem wir wohnten.

Als er den Kofferraum öffnete, hörte ich die lauten Klagerufe der Vögel. Ihre Schreie hallten durch die pechschwarze Nacht.

Gab es in Philadelphia Möwen? Natürlich. Aber weil die Stadt so weit vom Meer entfernt ist, waren es nicht viele.

Als ich in dieser Nacht die Augen schloss, schmeckte ich noch immer das Salz auf der Zunge und dachte an den Jungen und das Mädchen in Frankreich.

Tanz der Toten
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