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Die Detectives Byrne und Balzano standen auf dem Bürgersteig vor dem Haus der Solomons. Ihre unmittelbare Vorgesetzte, Sergeant Dana Westbrook, war bei ihnen. Rings um sie her waren die Cops damit beschäftigt, den Tatort zu sichern.
»Was ist passiert, Jess?«, fragte Westbrook.
Jessica erzählte ihr detailliert, was geschehen war, nachdem David Solomon die Tür geöffnet hatte, bis Byrne die Treppe hinaufgestiegen war und den Leichnam des Mannes fand.
»Wo war die Waffe?«
»Das weiß ich nicht, Dana«, antwortete Jessica. »Er hatte sie mit Sicherheit nicht bei sich, als er unten im Wohnzimmer war. Es ist eine große Waffe. Das wäre uns aufgefallen.«
Jessica bemerkte ihren aggressiven Tonfall. Es war, als würde sie als Zeugin vor Gericht aussagen, wie schon so oft. Ein Gericht, vor dem sie – so hoffte sie – eines Tages als Staatsanwältin stehen würde.
»Vermutlich lag die Waffe in seinem Schlafzimmer«, fügte sie weniger aggressiv hinzu.
»Was hat er gesagt, bevor er die Treppe hinaufgestiegen ist?«, fragte Westbrook.
»Wir haben ihn nach einem aktuellen Foto von Nicole gefragt. Er hat gesagt, er hätte ein Foto und würde es holen, er müsse sowieso telefonieren.«
Dana Westbrook ging die Straße hinunter und winkte, als sich der Transporter der Kriminaltechnik dem Haus näherte, der zweite, der zum Tatort geschickt wurde. Obwohl sich die Ermittlungen im Fall David Solomon vermutlich auf die eines Selbstmordes beschränken würden, gab sein Tod dennoch Rätsel auf. Der Rechtsmediziner würde Solomons Leichnam ins Institut bringen lassen und morgen früh um halb zehn eine Obduktion vornehmen.
Jessica und Byrne warteten gespannt auf die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung, aus der hervorgehen würde, welche Substanzen sich in Solomons Blut befanden, falls das Labor welche fand. Die Ergebnisse lagen oft erst nach fünf oder sechs Tagen vor; manchmal dauerte es noch länger, wenn es sich um ein Selbstmordopfer handelte. Mordopfer hatten stets Vorrang.
Sobald der Leichnam in die Rechtsmedizin gebracht worden war, konnten die Ermittler mit der Arbeit beginnen. Dann würden sie einen Blick in Solomons Arzneischrank werfen. Jessica hatte so viele Erfahrungen in ihrem Job gesammelt, dass sie damit rechnete, Medikamente zu finden. Sie hätte wetten können, dass im Arzneischrank oder in David Solomons Kommode ein verschreibungspflichtiges Antidepressivum lag. Vermutlich mehr als eins.
Als die beiden Ermittler alleine waren, wandte sich Jessica ihrem Partner zu. »Hattest du auch das Gefühl, als würde die Einladungskarte ihm Angst einflößen?«
Byrne nickte.
»Und? Was meinst du?«, fragte Jessica.
»Ich glaube, die Karte hat irgendwas bei ihm ausgelöst. Vielleicht hat sie ihn an etwas erinnert.«
»Meinst du, seine Tochter ist auf irgendeine Weise misshandelt oder missbraucht worden?«
Byrne dachte kurz nach. »Weiß ich nicht.«
Der Rechtsmediziner nickte ihnen zu und verließ das Haus.
Jessica übernahm das Zimmer des ermordeten Mädchens.
Byrne das Schlafzimmer des Vaters.