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»Tut mir leid«, sagte Donna.
»Schon okay«, erwiderte Byrne. »Ich war in Gedanken.«
»Ich erinnere mich an diesen Blick.«
Byrne trat einen Schritt zurück. Im ersten Moment war er wie benommen gewesen, als seine Exfrau plötzlich vor ihm stand. Er hatte geglaubt, auf dieses Treffen vorbereitet zu sein, aber das war er nicht.
»Du hast dir die Haare abschneiden lassen«, war alles, was Byrne einfiel.
Donna hob die Hand und strich über ihren langen, hübschen Nacken. »Gefällt’s dir?«
»Ja«, sagte Byrne. »Gefällt mir sehr gut.«
»Nein, es gefällt dir nicht. Du findest es abscheulich.«
»Aber nein. Es steht dir.«
»Du willst damit sagen, dass es einer Frau in meinem Alter gut steht, nicht wahr?«
Seit dem Tag, als der junge Kevin Byrne die junge Donna Sullivan neben einem 7-Eleven in Süd-Philadelphia zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er noch keine Frau getroffen, die er hübscher fand. Er spürte noch immer ein Kribbeln im Bauch, wenn er sie sah.
»Okay, noch mal zum Mitschreiben. Deine neue Frisur steht dir hervorragend. Du siehst hübscher aus als je zuvor. Jünger.«
Donna lächelte. Byrne erinnerte sich gut an dieses Lächeln. Wenn sie so lächelte, wusste sie, dass Byrne seinen irischen Charme spielen ließ. Aber es bedeutete auch, dass sie es ihm durchgehen ließ, vorerst jedenfalls.
Jetzt standen sie in Valerie Beckerts düsterem Salon. »Ich habe mich aus vielen Gründen über deinen Anruf gewundert, um es vorsichtig auszudrücken«, sagte Donna.
Seit der Scheidung arbeitete sie als Immobilienmaklerin. Anfangs war sie für kleinere Agenturen in der Gegend tätig gewesen, bis sie vor vier Jahren einen bedeutenden Deal für die größte Immobilienagentur in Philadelphia an Land gezogen hatte, die auf Immobilien in der Innenstadt spezialisiert war.
Donna war außerdem berechtigt, Interessenten Immobilien zu zeigen, die bei verschiedenen Agenturen gelistet waren. Wenn sie die Immobilie verkaufte, teilte sie sich die Provision mit dem jeweiligen Auftraggeber.
»Ich habe mich noch nicht entschieden«, sagte Byrne. »Ich wollte nur genauere Informationen über das Haus haben.«
Donna musterte ihn skeptisch. Sie hatte immer viel besser gewusst, was in ihm vorging, als es umgekehrt der Fall gewesen war. Letztendlich war es Byrnes Beruf gewesen, der das Ende ihrer Ehe herbeigeführt hatte – die langen, unregelmäßigen Arbeitszeiten, der Ärger im Job, die Verbindung zu den Kollegen, die oft enger war als die zur eigenen Familie. Vermutlich hatte Donna sich schon zwei Jahre, bevor Byrne bemerkt hatte, wie kühl sie geworden war, innerlich aus ihrer Beziehung zurückgezogen.
Was für ein hervorragender Detective er doch war!
Donna trat ans Fenster, das völlig verdreckt war, nachdem es zehn Jahre lang niemand geputzt hatte. Sie suchte einen sauberen Platz, um ihre Aktentasche abzulegen. Da sie keinen fand, drückte sie Byrne die Tasche in die Hand. Er hielt sie hoch, während Donna sie öffnete und eine Mappe herausnahm. Dann machte sie die Tasche wieder zu und hängte sie sich über die Schulter.
»Okay, lass uns mal sehen, was wir hier haben …« Donna schlug die Mappe auf und nahm ein paar Dokumente heraus. »Das Haus hat eine Wohnfläche von dreihundertsiebzig Quadratmetern. Sechs Schlafzimmer, vier Bäder, eine Gästetoilette, drei Garagen, eine große Küche … und es ist voll unterkellert.« Donna blätterte um und fuhr fort: »Das Grundstück hat eine Größe von siebenhundertfünfzig Quadratmetern. Das Haus wurde 1928 gebaut, im Kolonialstil, aber du hast bestimmt bemerkt, dass es eher dem Tudorstil entspricht. Mit Stuck verzierte Wände und Hartholzböden.«
Byrne senkte den Blick und starrte auf den abgelaufenen, fleckigen Teppichboden unter seinen Füßen. Vermutlich war er früher burgunderrot gewesen. »Unter dem Teppichboden ist ein Holzfußboden?«
»So steht es hier.« Donna schaute wieder auf das Dokument. »Anschluss an die Wasserversorgung und die Kanalisation … Gasheizung … ein hübscher Garten … Der größte Luxus ist ein Kamin aus Marmor, der leider zugemauert ist.«
»Wer braucht in Philadelphia schon einen Kamin«, sagte Byrne.
Donna blätterte in den Unterlagen, fand aber keine interessanten Informationen mehr und legte die Blätter zurück in die Mappe. »Du weißt es bestimmt, aber ich sage es dir trotzdem. Im Immobilienhandel gibt es eine Faustregel: Wenn man in eine halbwegs vernünftige Gegend zieht und ein Objekt sucht, das man sanieren möchte, sucht man sich das Haus im Viertel aus, das im schlechtesten Zustand ist.« Sie reichte Byrne die Mappe. »Herzlichen Glückwunsch. Du hast es gefunden.«
Byrne nahm die Mappe entgegen. »Was hältst du wirklich von dem Haus?«
»Ich finde, du solltest deine Nikes schnüren und so schnell wie möglich das Weite suchen.«
»Du willst doch nur, dass ich dir ein höheres Angebot mache, damit du eine höhere Provision bekommst.«
Donna schaute ihn von der Seite an und lächelte verhalten. Es war dieses Lächeln, das Byrne vor vielen Jahren das Herz gebrochen hatte. »Du hast noch gar kein Angebot gemacht, Detective.«
»Was meinst du, zu welchem Preis ich das Haus bekommen könnte?«
»Ich glaube, du könntest es sogar günstiger bekommen als bei einer Zwangsversteigerung.«
Byrne schaute sich um, als würde er darüber nachdenken. Doch er wollte nur Zeit schinden, denn seine Entscheidung war bereits in dem Moment gefallen, als er das Haus betreten hatte. Ihm blieb gar keine andere Wahl.
»Okay, ich nehme es.«