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Der Elektroschock saß ihm noch in den Gliedern. Er wusste nicht, wie lange er bewusstlos gewesen war. Es grenzte an ein Wunder, dass er überhaupt wieder zu sich gekommen war. Bei der Kälte hätte die Bewusstlosigkeit leicht zum Tod führen können. Jetzt war er wieder wach, hatte versucht, sich aufzurappeln, aber es hatte nicht funktioniert. Seine Muskeln waren wie eingefroren und seine Beine waren taub, als ob sie jemand amputiert hätte. Es würde nicht mehr lange dauern und er würde wegen Unterkühlung sterben. Kein schöner Gedanke. Er war unglaublich müde. Gleichzeitig wusste er, dass er seinem starken Bedürfnis, die Augen für einen Moment zu schließen, und einzuschlafen, nicht nachgeben durfte. Das wäre sein sicheres Todesurteil. Mühsam begann er, im Schnee vorwärts zu kriechen. Der vom Wind aufgewirbelte Schnee stach wie Nadeln in sein Gesicht. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, nur um ein paar Meter vorwärtszukommen. Immer wieder musste er innehalten und sich ausruhen. Irgendwann gelangte er an eine fast bodentiefe Fensterfront. Im Inneren sah er einen erleuchteten Kronleuchter. Er raffte sich auf und sah hinein. Verschwommen erkannte er ein paar Leute, die an einem Tisch saßen. Kurz überlegte er noch, ob er auf sich aufmerksam machen sollte. Dann erkannte er, dass ihm nichts anderes übrig blieb, wenn er überleben wollte. Einen anderen Weg ins Hotel würde es für ihn nicht mehr geben. Jetzt erst fiel ihm auf, dass seine Pistole fehlte. Mit einer letzten großen Kraftanstrengung setzte er sich auf und schlug gegen die Fensterscheibe. Doch die erhoffte Reaktion blieb aus. Niemand schien ihn wahrzunehmen. Dann erst wurde ihm bewusst, dass hier draußen mittlerweile die Hölle los war. Der Wind hatte sich zu einem leichten Sturm entwickelt und immer wieder peitschten die Böen gegen die Glasfront. Sein Klopfen ging in dem Getöse unter. Er musste anders auf sich aufmerksam machen, aber viel Zeit blieb ihm nicht mehr. Er hatte den Großteil seiner letzten Kraftreserven mit dem Kriechen über den Schnee und dem Klopfen an die Scheibe verbraucht. Verzweifelt sah er sich um. Hier war nichts als Schnee. Und dann hatte er eine Idee. Es war nur eine winzige Chance, aber mehr hatte er nicht. Wenn es nicht funktionierte, würde er sterben. Dann hätte derjenige, der sich das alles ausgedacht hatte gewonnen. Eddies Bruder und seine Frau waren tot und für die Polizei war Eddie der Täter. Das konnte Raphael nicht zulassen.