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Allein daran, wie Tajirika am anderen Ende der Leitung atmete, konnte Sikiokuu erkennen, dass etwas fürchterlich schiefgegangen sein musste. „Was ist los?“, fragte er.

„Was ist los?“, wiederholte Sikiokuu.

Tajirika wollte schon erklären, in Sachen Machokali nicht länger kooperieren zu wollen, als ihm einfiel, dass er bereits seine Unterschrift unter ein falsches Geständnis gesetzt hatte. Sikiokuu hatte ihn eindeutig an den Eiern und war garantiert entschlossen zuzudrücken, wenn er nicht mitmachte. Gab es denn überhaupt keinen Ausweg aus diesem Alptraum?

„Und Sie hatten nicht mal den Mumm zuzugeben, dass Sie und Kaniũrũ die eigentlichen Stars dieser Show waren?“, sagte er und legte so viel Bitterkeit und Verachtung in seine Stimme, wie er nur konnte.

Sikiokuu begriff zunächst nicht, wovon Tajirika redete.

„Haben Sie Ihre Frau geschlagen?“, fragte Sikiokuu gerade heraus und ignorierte die höhnische Bemerkung.

Tajirika zögerte. Er fragte sich, woher Sikiokuu wusste, was zu Hause passiert war. Hatte Sikiokuu sein Haus überwachen lassen? Oder machte Sikiokuu gemeinsame Sache mit Vinjinia und den Frauen, die ihn gedemütigt hatten? Das könnte sogar erklären, warum es ihnen so sehr um Vinjinias Sicherheit gegangen war. Und als er jetzt darüber nachdachte, waren Sikiokuu und diese Frauen die Einzigen, die ihn aufgefordert hatten, seine Frau nicht zu schlagen.

„Benehmen Sie sich wie ein Mann und treten Sie öffentlich gegen mich an, anstatt Frauen auf mich zu hetzen. Ich habe den Fehdehandschuh geworfen. Heben Sie ihn auf, Mr. Minister der Lügen und der Feigheit!“

„Frauen? Welche Frauen?“, fragte Sikiokuu.

„Aber natürlich, Sie wissen nichts davon. Natürlich haben Sie sie nicht geschickt, um mich zu entführen. Sikiokuu, Sie überraschen mich wirklich. Ich habe Sie auf frischer Tat ertappt, und das Einzige, was Ihnen einfällt, sind Lügen, nichts als Lügen?“

„Please hold yourself together“, sagte Sikiokuu völlig perplex, denn er wusste nicht im Geringsten, worüber Tajirika da sprach. „Jetzt hören Sie mir mal zu. Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Und das ist die reine Wahrheit. Sie und ich, wir arbeiten zusammen, erinnern Sie sich? Ich habe die Polizei extra angewiesen, Sie nicht zu behelligen. Wenn Sie also jemand zu Hause oder im Büro belästigt hat, dann missachtet er meine Befehle und wird entsprechend zur Verantwortung gezogen. Sie sind eine sehr wichtige Person für diese Regierung, Mr. Tajirika. Also erzählen Sie mir kurz oder, wenn Sie wollen, auch lang: Wieso misstrauen Sie auf einmal meinem Wort?“

Es gelang Sikiokuu, Tajirika ein wenig zu beschwichtigen. Nun erzählte er Sikiokuu eine zensierte Fassung der Ereignisse. Aus den gnadenlosen und brutalen Prügeln, die er seiner Frau verabreicht hatte, wurde eine einzelne Ohrfeige. Und die Zahl der Angreiferinnen stieg von zehn auf fünfundzwanzig. Aus der Machete wurden neun Gewehre.

Sikiokuu war nach Lachen zumute, er fragte sich jedoch gleichzeitig, wer diese Frauen waren. Und die waren sogar so dreist, dass sie sich als Gericht des Volkes bezeichneten? Und bewaffnet waren sie auch?

„Mr. Tajirika, ich muss Sie wohl nicht daran erinnern, dass ich Ihnen ausdrücklich verboten hatte, Ihre Frau zu schlagen. Jetzt werden Sie die Folgen tragen müssen. Es ist eine völlig neue Situation entstanden, aber wir werden unser Möglichstes tun, damit fertig zu werden. Und ich bitte Sie jetzt, nach Hause zu gehen und weiter so zu leben, als wäre nichts Ungewöhnliches passiert. Die Regierung wird den Fall verdeckt untersuchen, und wir werden nicht ruhen, bis wir ihm auf den Grund gegangen sind. Ich verspreche Ihnen, dass die Ermittlung nur von wenigen ausgesuchten Leuten durchgeführt werden wird. In was für einer Welt würden wir leben, wenn Männer das Recht verlören, ihre Frauen zu disziplinieren? Und ich habe noch ein Anliegen. Bitte lassen Sie Vinjinia nicht wissen, dass Sie mit mir darüber gesprochen haben. Und erzählen Sie niemandem, was Sie durch die Frauen alles erdulden mussten. Wir wollen nicht riskieren, dass sich so etwas im ganzen Land verbreitet. Und ich rate Ihnen, ein Moratorium gegen das Frauenprügeln zu verkünden, bis alles wieder beim Alten ist.“

„Vielen Dank, Mr. Sikiokuu“, sagte Tajirika und war überrascht, sich Dankesworte statt Verwünschungen und Drohungen sprechen zu hören. „Es stimmt, die Natur von Frauen ist nicht zu durchschauen. Sie sind eben sehr gefühlsbetont. Sogar meine Frau. Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder fähig sein werde, ihr zu trauen. Von jetzt an werde ich so sein wie Ihr Freund, der Franzose Descartes. Um Ihnen die Wahrheit zu sagen, ich beginne sogar, daran zu zweifeln, ob ich die Dinge, die ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe, wirklich gesehen habe. Wirklichkeit und Einbildung vermischen sich.“

„Bitte, Mr. Tajirika.“ Sikiokuu bedauerte, gegenüber diesem Tottel von Geschäftsmann den Franzosen jemals erwähnt zu haben. „Das mit dem Franzosen müssen Sie wirklich vergessen. Ich habe Ihnen doch erklärt, dass er vor vielen Jahren gestorben ist, und das ist eine Tatsache.“

Tajirika schätzte Sikiokuus Interesse an Diskretion. Ihm gefiel auch Sikiokuus Versprechen, die Ermittlung von wenigen ausgesuchten Leuten durchführen zu lassen.

Deshalb fühlte sich Tajirika nach dem Telefonat viel besser und war wieder so lebhaft wie in der Zeit, als ihn die Frauen und Sikiokuu und Kaniũrũ noch nicht seiner Würde beraubt hatten. Es kamen wieder bessere Zeiten. Tajirika hatte Lust zu singen.

Herr der Krähen
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