Z W E I T E R  T E I L

1

Als die Nachricht, vor den Toren des Paradise seien ein paar Bettler verprügelt worden, das State House erreichte, geriet der Herrscher in Wut. Gerüchten zufolge wurde er von Machokali angestachelt, der am nächsten Morgen ins State House kam und berichtete, wie glatt das Bankett gelaufen wäre, wenn sich die Bereitschaftspolizei nur ein wenig zurückgehalten hätte. Zumindest die Global-Bank-Delegation hätte von den Protesten niemals etwas erfahren. Doch jetzt, meinte Machokali, könne er nicht abschätzen, wie die Delegationsmitglieder auf die Nachricht reagierten. Selbstverständlich würde er jedoch all seine diplomatischen Fähigkeiten einsetzen, um den Schaden zu begrenzen, den die ansonsten fähige Sicherheitsmannschaft angerichtet habe.

Was den Herrscher später zum Kochen brachte, waren die gegen die Global Bank gerichteten Flugblätter, die in ganz Aburĩria verteilt wurden und sogar vor die Tore des State House und ins Parlament gelangten. Sofort zitierte der Herrscher Sikiokuu ins State House und las ihm die Leviten: „Bring mir die Anführer der Bewegung für die Stimme des Volkes. Tot oder lebendig. Wenn du versagst …“, und der Herrscher ließ den Rest in der Schwebe, um dem Minister zu verdeutlichen, was ihn in diesem Fall erwartete.

Sikiokuu indes war ein Meister darin, selbst die schlimmsten Situationen zu seinem Vorteil zu kehren. Deshalb fiel er jetzt auf die Knie und senkte das Haupt, sodass seine Ohren tatsächlich die Füße des Herrschers berührten.

„Ich flehe Eure Allmächtige Vortrefflichkeit an, mir mehr Befugnisse zu verleihen, damit ich alle ausräuchern kann, die hinter der jüngsten Verschwörung stecken, Sie und Ihre Regierung zu verunglimpfen. Ich plane, die Zahl der Staatslauscher und Spürnasen zu vergrößern, damit nicht eine Schule, ein Marktplatz oder irgendein anderer öffentlicher Raum, so klein und unbedeutend sie auch sind, unentdeckt bleiben. Ich möchte Ihnen alle Feinde vorführen, die Sie, unser Herrscher, und das Land haben.“

„Du kleiner Hurensohn“, brüllte der Herrscher wütend. „Warum kommst du mir immer wieder mit meinen Feinden und mit den Feinden des Landes? Gibt es einen Unterschied zwischen mir und dem Land?“

„Vergebt mir, mein Herr und Gebieter. Ich wollte nur Ihren Namen zwei Mal erwähnen, wie beim Allmächtigen Herrn im Himmel. Wir kennen ihn mit vielen Namen! Oh mein Gott, Sie ahnen nicht, wie süß Ihr Name in den Ohren derer klingt, die aufrichtig an Sie glauben und wissen, dass Sie und das Land wahrhaftig ein und dasselbe sind.“

„Es reicht! Leute, die mich mit Gott gleichstellen, mag ich nicht“, sagte der Herrscher schon ein wenig versöhnlicher. „Warum brauchst du besondere Befugnisse, um die Feinde des Staates zu zermalmen?“, schimpfte der Herrscher. „Was brauchst du mehr als den ausdrücklichen Befehl, alle Mittel einzusetzen, mir meine Feinde tot oder lebendig zu bringen? Ich will nie wieder ein Wort hören über Flugblätter und Plastikschlangen, die irgendwo in diesem Land von sichtbaren oder unsichtbaren Leuten verteilt werden. Setz so viele Leute ein, wie du brauchst, und alle Mittel, die nötig sind. Ich will, dass deine Männer so mutig vorgehen wie dieser Polizist, der, wie ich hörte, eine ganze Nacht allein im Grasland mit Wesen aus der anderen Welt gekämpft hat. Ich würde mich sicherer fühlen, wenn ich wüsste, dass ich in meinem Büro ebenso pflichtbewusste Sicherheitsleute habe. Verstanden?“, sagte der Herrscher und betonte jedes Wort, indem er mit seinem keulenförmigen Stab auf den Kopf des Ministers tippte.

Sikiokuu blieb auf den Knien und ertrug die Klapse, als wären es Segnungen. Bei jedem Klaps zog er an seinen Ohrläppchen, um zu zeigen, dass er jedes Wort in sich aufnahm. Wieder einmal ergriff er die Chance des Augenblicks, um die Demütigung in eine Beförderung umzuwandeln.

„Ich schwöre bei meinen Ohren und vor Eurem Angesicht, mein Herr auf Erden und im Himmel, dass ich alles tun werde, was in meiner Macht steht, mit der Sie mich gerade ausgestattet haben, um die Mitglieder und Anführer dieser sogenannten Bewegung für die Stimme des Volkes zu zermalmen. Und sollten sie Geister sein, dann werde ich andere Geister finden, die sie entgeistern werden. Oh, mein Herr und Gebieter, man wird ihr Gnadengewinsel in allen Winkeln des Erdballs hören.“

Die Zusicherung eines Gewinsels von weltumspannender Reichweite beunruhigte den Herrscher, weil sie ihn daran erinnerte, dass er und Machokali zuvor besprochen hatten, das Land von der besten Seite zu zeigen, solange sich die Bankvertreter hier aufhielten. Er wollte nicht riskieren, dass sich wiederholte, was vor den Toren des Paradise passiert war. Deshalb ermahnte er Sikiokuu, sich trotz seiner besonderen Befugnisse für die Dauer des Besuchs der Global-Bank-Delegation zu mäßigen. Die Nation musste ein friedliches Gesicht zeigen, vereinigt und geschlossen hinter ihrem Führer und seiner Vision von Marching to Heaven. „Was ich brauche“, sagte er, „sind mutige Männer wie diesen Polizisten.“

Sikiokuu war nicht glücklich über diese Einschränkung. Er hatte gehofft, seine neue Macht dafür einzusetzen, alles ein wenig hochzukochen und den Besuch der Banker zu beeinträchtigen, um Machokalis häufiges Erscheinen auf den Bildschirmen und seine täglichen Besuche im State House zu unterbinden. Aber er war schlau genug, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Stattdessen nickte er eifrig, um sowohl seine Übereinstimmung mit den Wünschen des Herrschers als auch mit dem Befehl, Frieden und Ruhe zu wahren, zum Ausdruck zu bringen. Und er dachte dabei auch an den Polizisten.

Als er das State House verließ, ordnete Sikiokuu die sofortige Versetzung von Constable Arigaigai Gathere ins Büro des Herrschers an. Auch dem Aspekt mit den Geistern wollte er nachgehen. Als Nächstes stellte er aus A.G., Elijah Njoya und Peter Kahiga eine dreiköpfige Spezialeinheit zusammen, die sich der Bewegung für die Stimme des Volkes widmen sollte. Ihre vordringlichste Aufgabe sollte darin bestehen, alles zu beobachten, was Machokali tat: sein Kommen und Gehen, seine Handlungen und Kontakte. Außerdem sollten sie eine Liste mit Verdächtigen zusammenstellen, wobei das Foltern der Beschuldigten warten musste, bis die Delegation der Global Bank abgereist war.

Das mag die eigenartige Tatsache erklären, die in vielen Berichten konstatiert wird, dass sich Aburĩria während der Dauer des Besuchs der Global-Bank-Delegation der friedlichsten Tage seiner jüngsten Geschichte erfreute. Wochenlang hörte niemand Familien klagen, weil liebe Angehörige von den mörderischen Engeln des Regimes erschossen worden waren. Es war, so erzählten jene, die dazu neigen, große Vergleiche anzustellen, als läge das ganze Land unter einem Zauber, der erstaunlicher war als der, den Moses Tausende Jahre vor der Geburt Christi im Land der Pharaonen geschaffen hatte!

Wahr ist, dass sich, abgesehen vom üblichen Klatsch und Tratsch über die niemals endenden Rivalitäten zwischen Machokali und Sikiokuu, die größten Ängste jener Zeit darauf richteten, Eldares könnte plötzlich von einer Invasion Schlange stehender Dämonen heimgesucht werden.

Herr der Krähen
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