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Im Badezimmer zwang Kenny Jonathan mit vorgehaltenem Messer, sich auszuziehen und unter die kalte Dusche zu stellen.

Jonathan schreckte zurück, als der Wasserstrahl ihn traf. Kenny betrachtete die heftige Gänsehaut, den bleichen, hungrigen Körper, der versuchte, seine Abwehrkräfte zu mobilisieren. Das Wasser lief schmutzig an ihm herab, dann sauber.

Kenny setzte sich auf die Toilette. Er war ganz mit brauner Erde verkrustet und untersuchte die ovale Wunde an seiner Seite: der verbogene Rand eines Kelches, rubinrotes Blut.

Das Adrenalin ließ ihn zittern. Es rückte den Schmerz in weite Ferne.

Er sah auf und erblickte Jonathan zusammengekauert in der Emailwanne, nackt und frierend. Sie saßen eine Weile so da, beide schlotternd, bis Jonathan sagte: »Es ist zu weit gegangen.«

»Ich weiß.«

»Dann lass mich einfach gehen. Ich werde nichts sagen, zu niemandem.«

»Es geht nicht darum, ob ich festgenommen werde.«

»Ich brauche einen Arzt.«

»Ich auch.«

»Dann ruf einen Krankenwagen. Ich bin verletzt. Ruf einen Arzt.«

»Sag mir einfach, wo sie ist. Sag mir, was mit ihr passiert ist, dann ist alles vorbei. Sag es einfach. Sag einfach die Worte.«

»Ich weiß nicht, was mit ihr passiert ist.«

»Ich weiß, dass du lügst.«

»Sie hat mich verlassen. Sie ist eines Tages weggegangen und nie mehr nach Hause zurückgekommen. Das ist alles, was ich weiß.«

»Das ist nicht wahr.«

»Ich habe ihr nicht wehgetan.«

»Du hast sie geschlagen

»Einmal. Ich habe sie einmal geschlagen. Es war nicht richtig, und ich bin nicht stolz darauf. Aber das ist nicht das Gleiche, wie sie umzubringen.«

»Du hast sie erniedrigt.«

»Wie?«

»Indem du sie gefilmt hast. Intim.«

»Leute tun so was.«

»Ich nicht.«

»Nein – du malst nackte Frauen, damit Männer sie ansehen.«

»Das ist nicht das Gleiche.«

»Wir hatten Sex als Ehemann und Ehefrau. Sie hatte nichts dagegen. Es hat ihr gefallen – angesehen zu werden.«

Kenny beugte sich über ihn. Jonathan fuhr zusammen. Kenny drehte das Wasser ab und warf ihm ein Handtuch zu. Jonathan legte es sich um die Schultern.

Er kauerte sich bibbernd in die Wanne. »Woher weißt du von den Filmen?«

»Ich habe bei dir eingebrochen«, antwortete Kenny. »Ich war auf dem Dachboden.«

»Mein Gott«, stöhnte Jonathan.

Dann sagte er es lauter. Er schlug mit dem Kopf gegen die weiß gekachelte Wand. Er rief: »O mein Gott, o mein Gott.«

Kenny blieb auf der Toilette sitzen und ließ Jonathan sich verausgaben. Er sah zu, wie sein Blut, rot und braun gemischt, auf den Fliesenboden platschte.

Draußen schien die helle Abendsonne. Es war ein so langer Tag gewesen, er schien ewig gedauert zu haben.

Während Jonathan Gottes Namen heulte und Kennys Blut Rorschach-Kleckse auf dem Boden bildete, verspürte er einen Augenblick lang Panik – dass dieser Tag nie enden würde, dass er und Jonathan schon in der Hölle waren. Und das war sie, dieser kleine Raum. Es gab keine Möglichkeit zu fliehen. Sie würden für immer hier bleiben.