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Das Dorf lag im Umland von Bristol, auf den North Somerset Levels. Der Bus brauchte eine Weile bis dorthin, aber das machte Kenny nichts aus.
Manchmal, wenn er viel nachdenken musste, nahm er den Bus. Das entspannte ihn. Und er fuhr gerne Bus, es gefiel ihm, wie er ruckelte und holperte, Fahrgäste mitnahm und wieder absetzte. Es gefiel ihm, wie die Leute »danke, tschüs!« riefen, wenn ihre Fahrt zu Ende war.
Als der Bus an seiner Haltestelle hielt, stieg Kenny aus.
Das Dorf war alt und bestand aus mürbeteigfarbenen Steinhäusern. Die Kirche stammte aus der Zeit der normannischen Eroberung. Am Dorfrand standen ein paar vereinzelte Neubauten für Pendler.
Kenny wohnte im ehemaligen Cottage eines Wildhüters. Man ging knapp einen Kilometer aus dem Dorf hinaus, bog von der Hauptstraße ab, folgte einem unebenen Feldweg mit Bäumen zu beiden Seiten und Gras in der Mitte, und da war es.
Es war mehrere Male umgebaut und vergrößert worden. Bei der letzten Renovierung irgendwann in den 1950ern war ein Badezimmer eingebaut worden.
Neben dem Cottage standen mehrere Wellblechhäuschen und rostende Autoskelette von Morris Minors – sie waren schon dort gewesen, als Kenny das Grundstück vor zehn Jahren gekauft hatte.
Brombeerhecken und wild wuchernde Rhododendren säumten einen schnell dahinfließenden Bach. Über all dies hinweg hatte Kenny eine schöne Aussicht auf Kuhweiden und die Autobahn nach Osten Richtung Cotswolds und nach Westen Richtung Wales.
Er bewohnte das größte und hellste Zimmer, das er wie ein Einzimmerapartment eingerichtet hatte, mit einem Bett und einem Schrank und Sesseln und Bücherregalen und einem Fernseher.
Dieses Zimmer hatte einen direkten Zugang zur Küche. Jenseits der Küche führte ein langer Gang zu einigen kalten, feuchten Schlafzimmern, die Kenny nicht nutzte. Er führte außerdem zum großen Wintergarten, der ihm als Atelier diente.
Selbst an bewölkten Tagen gab es im Wintergarten gutes Licht. Er stand voller Staffeleien, halbfertiger Bilder, Skizzen, Farbtuben, Pinsel, Lappen, Marmeladengläser.
Kenny hatte ein Talent für Gesichter. Deswegen war er ein ziemlich guter Porträtmaler.
Er hatte auch andere Dinge ausprobiert. Ein paar Jahre hatte er als Designer bei einer kleinen Werbeagentur in der Gloucester Road gearbeitet und Logos für örtliche Firmen entworfen. Er illustrierte Werbebroschüren, bekam gelegentlich Aufträge vom Stadtrat.
Aber zurzeit malte er nur noch Porträts.
Er saß in seinem Lieblingssessel und dachte eine Weile nach. Dann holte er sich einen Notizblock, dachte noch eine Weile nach und kaute dabei auf dem Ende seines Stifts herum, bevor er schrieb:
Mary
Mr Jeganathan
Thomas Kintry
Callie Barton
Es war eine Liste der Menschen, die er auf irgendeine Weise im Stich gelassen hatte. Er hatte beschlossen, die ihm verbleibende Zeit zu nutzen, um ein paar Dinge in Ordnung zu bringen.