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Ollie hatte ungefähr ein halbes Dutzend Mal versucht, Jonathan anzurufen, aber er ging nicht ran, weder ans Festnetz-Telefon noch ans Handy. Also kam Ollie persönlich vorbei, um ihn zu wecken. Jonathan wohnte nur fünf Minuten von ihm entfernt.

Die Haustür stand offen, und er fand ein halb aufgegessenes Mikrowellen-Curry auf dem Couchtisch im Salon. Er rief Jonathans Namen und durchsuchte das eigenartig leer klingende Haus. Im Wohnzimmer fand er ein zerbrochenes Fenster.

Weil er nicht wusste, was er sonst machen sollte, ging er hinaus und rief Becks an. Aber Becks schien nicht begreifen zu können, wovon er sprach.

Er versuchte immer wieder, es ihr zu erklären: »Ich dachte, dass er verschlafen hat«, sagte er, »oder letzte Nacht einen zu viel hatte. Also bin ich hergekommen. Die Tür war offen.«

»Welche Tür?«

»Die Haustür.«

»Und wo zum Teufel steckt er dann?«

»Ich dachte, er muss bei dir sein.«

»Also bei mir ist er nicht. Klingt es etwa so, als wäre er bei mir?«

Es war, als würde er versuchen, Quantenmechanik zu erklären.

Schließlich fuhr Becks in ihrem roten Suzuki Swift mit quietschenden Reifen vor und kam die Vordertreppe heraufgestöckelt. Dort saß Ollie und wartete auf sie.

Er wartete, während Becks sich mit den Händen durch die Haare fuhr, zum Himmel blickte und auf ihrer Unterlippe herumkaute – entweder weil sie gleich weinen würde oder weil sie wütend war. Oder beides, wie auch immer.

»Scheiße«, fluchte sie, »Scheiße.«

Becks wühlte in ihrer Handtasche und holte ihr Handy heraus. Sie rief Jonathans Bruder Tim in Sheffield an, aber er hatte keine Ahnung, wo Jonathan sein konnte. Er bot an, nach Bath zu kommen. Becks sagte, er solle sich keine Sorgen machen. Dann legte sie auf und rief Jonathans Eltern an.

Jonathans Vater ging ans Telefon. Inzwischen hatte Becks zu schniefen begonnen. Sie wischte sich den Rotz mit dem Handrücken ab und rief mit einem aufgesetzten Lächeln in der Stimme: »Dennis! Hier ist Becks.«

»Hallo Liebling. Wie geht’s dir?«

Sie blieb draußen stehen, Ollie sah ihr zu; beide fürchteten sich davor, ins Haus zu gehen. »Mir geht’s ganz gut, danke, nicht schlecht. Hast du in letzter Zeit was von Jonathan gehört?«

»Was, von unserem Jonathan? Letzten Sonntag, oder?« Seine Stimme klang leiser in der Leitung. Becks stellte sich vor, wie er sich vom Hörer wegdrehte, während er seiner Frau zurief: »War Jonathan am Sonntag da?« Einen Augenblick später drehte er sich zurück und sagte: »Letzten Sonntag war er da. Warum, Liebling? Ist alles in Ordnung?«

»Ich weiß es nicht, um ehrlich zu sein. Wir wissen nicht, wo er steckt.«

»Was meinst du damit, ihr wisst nicht, wo er steckt?«

»Er ist heute nicht zur Arbeit gegangen.«

»Warum nicht? Geht’s ihm nicht gut?«

»Das wissen wir nicht. Seine Haustür ist sperrangelweit offen. Auf dem Tisch steht halb aufgegessenes Essen. Ein Fenster ist zerbrochen. Aber er ist nicht zu Hause.«

»Wo ist er?«

»Das wissen wir nicht.«

Ollie murmelte etwas von Quantenmechanik, aber Becks warf ihm einen finsteren Blick zu und drehte sich weg, um ihr Telefongespräch zu Ende zu führen, wobei sie Dennis geduldig wieder und wieder und wieder dieselben Dinge erklärte.

Ollie und Becks warteten in der Küche. Dennis und Elaine, Jonathans Eltern, waren innerhalb einer Stunde da.

Sie gingen geradewegs hinein. Es hatte sich falsch angefühlt, die Tür zu schließen, die Jonathan offen gelassen hatte – als könnte es Unglück bringen, als könnte es seine Rückkehr behindern.

Ollie und Becks tranken Kaffee. Becks, seit acht Jahren Nichtraucherin, hatte sich an Ollies Selbstgedrehten bedient. Die Zigaretten und der Kaffee und die Sorge hatten ihr üble Kopfschmerzen verursacht. Dann hatte sie zu viele Nurofen-Tabletten genommen. Sie hatten die Schmerzen nicht vertrieben, sondern ihr nur das Gefühl gegeben, sie müsste kotzen.

Dennis schüttelte Ollie die Hand, nahm Becks sanft in den Arm und küsste sie auf die Wange. Elaine stand in der Ecke und umklammerte ihre Handtasche.

Ollie und Becks zeigten Dennis das zerbrochene Glas im Wohnzimmer, den halben Ziegelstein.

»Hat jemand die Polizei verständigt?«, fragte Dennis.

Ollie und Becks, beide Mitte dreißig, waren erleichtert, dass ein verantwortungsvoller Erwachsener da war, um solche Fragen zu stellen. »Noch nicht«, antworteten sie wie aus einem Mund.

Dennis holte sein Handy heraus, wählte 999 und sagte: »Die Polizei bitte.«

Elaine begann zu weinen.

Becks setzte sich völlig aufgelöst aufs Sofa.

Ollie ging hinaus in den Garten. Er drehte sich auf der Terrasse mit einem einzigen Blatt einen Joint, zog daran, als ginge es ums Überleben, sah dem Wind zu, wie er mit den Pappeln am Ende des Gartens spielte, und dachte dabei, wie dringend sie zurückgeschnitten werden mussten.