♦ EINUNDSECHZIG
Hinter Elvis’ Cadillac in Deckung zu gehen, hatte zunächst wie ein guter Plan geklungen. Die Idee war allerdings entstanden, bevor dreißig Typen mit automatischen Waffen dem Vorbild Frankensteins nacheiferten und auf sie feuerten. Zu dritt duckten sie sich hinter das Auto und sahen zu, wie ein Sturm aus Kugeln über ihnen hinwegbrauste.
»Wer hatte noch gleich diese Idee?«, schrie Joey durch den ohrenbetäubenden Lärm des Feuergefechts.
»Ich!«, brüllte Rex zur Antwort.
»Na ja, das war eine Scheißidee!«, brüllte Joey zurück. »Ich wollte nur, dass du das weißt.«
»Hast du eine bessere?«
Rex lehnte zwischen Joey und dem Bourbon Kid am Auto. Er hatte die schwarze Sporttasche voller Knarren und Munition aus dem Wagen gezerrt, und jetzt stand sie neben dem großen Biker. Der Bourbon Kid warf einen Blick über Rex’ Schulter auf die Tasche.
»Ich hab einen Plan!«, schrie er Rex ins Ohr. »Gib mir die beiden Glocks!«
Rex holte zwei 9-mm-Glock-Pistolen aus der Tasche und reichte sie dem Kid. »Was haste vor?«, brüllte er.
»Du musst aufstehen und Frankensteins Feuer auf dich ziehen, bis ihm die Munition ausgeht!«
»Wie bitte?«
»Mach es einfach!«
Rex war nicht gänzlich überzeugt, dass er mit der Magnethand eine solche Zahl an Kugeln auffangen konnte, die auf ihn einprasseln würde, sobald er den Kopf über das Fahrzeugdach hob. Er hatte es schon versucht, das hatten sie alle, aber es war nicht sonderlich gut ausgegangen. Sie mussten sich praktisch sofort wieder ducken, und Rex’ Lieblingsstetson wies jetzt ein Einschussloch auf, das bewies, was für eine Scheißidee das Ganze gewesen war.
»Warum muss ich das immer machen?«, beschwerte er sich.
Joey gab ihm einen Klaps auf den Arm. »Weil es von Anfang an deine Scheißidee war.«
»Und was hattet ihr vor, ehe Elvis und ich mit dem Auto aufgetaucht sind?«
Das war eine gute Frage. Joey und der Bourbon Kid waren beinahe schon in den Speisesaal reinspaziert, ohne ein Auto als Deckung dabei zu haben, als Elvis und Rex plötzlich mit dem Cadillac durch den Flur des imposanten Landsitzes angebraust kamen.
Der Bourbon Kid brüllte Rex an: »Mach es einfach!«
Rex musste zugeben, dass es seine Idee gewesen war, hinter dem Auto Deckung zu suchen, und dass er hier als Einziger über eine magnetische, kugelfangende Hand verfügte, und somit war es nach den ungeschriebenen Regeln von Feuergefechten in Speisesälen seine Aufgabe, jetzt aufzustehen und sich dem Kugelhagel zu stellen. Er griff in die Sporttasche und holte eine abgesägte Winchester-Flinte vom Typ »Mare’s Leg« hervor. Damit konnte man weder die schiere Anzahl Kugeln abfeuern wie mit einer Glock, noch hatte diese Wumme die Durchschlagskraft und Genauigkeit der Desert Eagle in Elvis’ Handschuhfach, aber sie sah trotzdem verdammt cool aus. Rex hatte sich so eine gewünscht, seit er Woody Harrelson in Zombieland eine ähnliche Kanone hatte benutzen sehen.
Rex wedelte mit der Metallhand über dem Autodach, um die Lage auszutesten. Er fing innerhalb einer halben Sekunde zwei Kugeln. Das verspricht, nicht lustig zu werden. Er holte tief Luft und stand auf.
Er zielte mit der Flinte über das Dach und gab einen Schuss auf den ersten Pistolero ab, den er sah. Ein selbstmörderischer Irrer hatte die törichte Entscheidung getroffen, mit einem automatischen Gewehr in der Hand auf das Auto loszustürmen. Der Schuss aus Rex’ Knarre verwandelte sein Gesicht in eine echt beschissene Schweinerei.
Die ganzen übrigen Kerle waren hinter umgestoßenen Tischen und Stühlen in Deckung gegangen und feuerten stoßweise auf das Auto. Frankenstein war an der Wand gegenüber in Position gegangen. Er ging auf den Cadillac zu, hielt Baby mit einer Hand fest an sich gepresst und feuerte mit der anderen die Uzi ab.
Rex gelang es, etwa dreißig Kugeln mit der Hand zu fangen. Vier oder fünf weitere hämmerten durch seinen Hut und verfehlten seinen Kopf nur um Millimeter. Zwangsläufig erwischten ihn auch zwei Projektile. Eines streifte seine linke Schulter, und ein anderes durchschlug glatt den rechten Bizeps. Und beides tat verflucht weh. Er warf sich wieder zu Boden und zuckte vor Schmerzen zusammen. Er war allerdings schon ein paarmal im Leben angeschossen worden und wusste, wie man die Schmerzen ignorierte. Er verbannte sie aus seinen Gedanken und schrie dem Bourbon Kid zu: »Frankensteins Knarre ist alle. Er lädt gerade nach!«
Frankenstein war die Munition ausgegangen. Und die Uzi mit einem der frischen Ladestreifen zu füttern, die er in den Taschen seiner Cargohose mitführte, war gar nicht so einfach, da er mit einem Arm Baby umschlungen hielt.
Der Bourbon Kid wollte gerade aufstehen und losballern, als Joey ihm in letzter Sekunde noch zurief:
»Schieß nicht auf das Arschloch mit der Augenklappe! Der gehört mir!«
Der Kid stand auf und zielte mit den Glocks über das Wagendach. In den nächsten zehn Sekunden feuerte er auf einfach alles, was sich bewegte, ausgenommen Frankenstein und das Arschloch mit der Augenklappe.
Als ihm die Kugeln ausgingen, duckte er sich wieder neben Rex.
»Ich hab sie alle umgebracht«, sagte er.
»Alle?«, fragte Rex.
»Logo. Ich hab schließlich nicht auf Stühle geballert, oder?«
Joeys Blick spiegelte Rex’ Zweifel wider. »Das ist unmöglich. Es waren etwa dreißig Leute!«
»Tatsächlich waren es zweiunddreißig«, sagte der Kid. »Und ich hab das Arschloch mit der Augenklappe für dich übrig gelassen. Warum also hörst du nicht auf zu meckern und erschießt den Mistkerl?«
Joey ließ sich das nicht zweimal sagen. Er stand auf und beugte sich über das Fahrzeugdach. Solomon Bennett versteckte sich am Ende des Saals hinter einem umgekippten Esstisch. Von seinem Kopf war jedoch genug zu sehen, sodass Joey einen Schuss riskieren konnte. Bennetts heiles Auge leuchtete auf, als er die Maske des Roten Irokesen über dem Cadillac auftauchen sah. Er traf Anstalten, mit der Waffe in seiner rechten Hand einen Schuss auf die Maske abzugeben, erhielt jedoch nie die Gelegenheit dazu. Joey war durch seine jahrelange Ausbildung für Operation Blackwash ein Meisterschütze geworden. Er gab einen Schuss aus seiner halbautomatischen Browning-Pistole ab. Ein einzelner Schuss reichte.
Die Kugel durchschlug Bennetts heiles Auge. Blut spritzte ihm aus dem Hinterkopf. Er fiel nach hinten, wie ein Boxer, der k.o. geschlagen worden war. Als der übrige Körper spürte, was das Gehirn schon wusste, blieb er reglos liegen, genau auf dem bewusstlosen Papst.
Nur noch Frankenstein bewegte sich jetzt aus eigener Kraft durch den Speisesaal. Er hielt Baby nach wie vor in festem Griff und hatte seine Uzi endlich nachgeladen. Joey duckte sich wieder, ehe Frankenstein erneut loslegte und blindlings auf den Cadillac ballerte.
»Hast du den Augenklappentyp erwischt?«, fragte Rex.
»Direkt ins Scheißauge.«
»Schön für dich!«, brüllte Rex. »Und wie bringen wir jetzt Frankenstein um?«
Elvis beugte sich über den Beifahrersitz und steckte den Kopf aus dem dortigen Fenster.
»Jungs, was immer ihr vorhabt, ihr solltet es lieber schnell tun«, warnte er, »denn ich glaube nicht, dass Frankenstein das Mädchen vor diesen Zombies beschützen wird.«
Ein Augenblick des Schweigens trat ein, als alle über das nachsannen, was Elvis gerade gesagt hatte. Sogar die Carpenters hörten auf zu singen.
»Zombies?«, fragte Joey im Namen aller anderen. »Was für Zombies?«
Elvis streckte seine goldene Desert Eagle aus dem Fenster und zielte über Joeys Schulter hinweg auf etwas.
Peng!
Die Kugel pfiff Joey am Ohr vorbei. Alle nahmen sich einen Augenblick Zeit, um zu sehen, worauf Elvis da schoss. Einer der Dinnergäste, der bewusstlos neben der zerschmetterten Tür gelegen hatte, hatte sich aufgerappelt. Sein Aussehen hatte sich jedoch völlig verändert. Die Haut war nun dünn und grau wie Pauspapier. Ausgeprägte blaue Adern hatten sich auf Hals, Gesicht und Händen ausgebreitet, und die Augen waren blutrot geworden.
Elvis’ Kugel erwischte ihn voll an der Brust. Das weiße Hemd färbte sich tiefrot, und der Gast fiel rücklings an die Wand, hustete Blut aus den Lungen hervor. Aber ach, er blieb nicht der Einzige, der sich in einen Mutanten mit dünner Haut, blauen Adern und roten Augen verwandelte. Sie richteten sich überall im Saal auf, und einige fingen sofort damit an, Fleischbrocken aus den toten Schergen Bennetts zu reißen. Die Mehrheit richtete ihren Blick jedoch auf die noch Überlebenden.
Frankenstein scherte sich keinen Deut um die aufstehenden Toten. Sie konnten ihm nichts antun. Er eröffnete erneut das Feuer auf den Cadillac und näherte sich weiter dem Fahrzeug.
Rodeo Rex blickte auf die Uhr. Der Countdown lief nach wie vor. Er hielt die Uhr hoch und zeigte sie Elvis.
»Die Vision der Mystischen Lady hat sich nicht verändert!«, schrie er. »Wir haben noch vier Minuten und achtunddreißig Sekunden, um zu verhindern, dass jemand hier im Saal den Papst umbringt!«
Elvis kroch mit dem Kopf voran aus dem Seitenfenster. Er plumpste auf den Boden und kroch zu Rex. »Dann ballern wir mal auf ein paar Scheißzombies!«, brüllte er.
»Irgendwie schwierig, solange Frankenstein auf uns schießt«, knurrte Rex.
»Macht euch keine Sorgen wegen Frankenstein«, sagte Joey. »Der Kid und ich kümmern uns um ihn.«
»Nun, dann solltet ihr euch lieber beeilen!«, meinte Rex und brachte somit die Dringlichkeit ihrer misslichen Lage zum Ausdruck. »Schließlich liegt der Papst am anderen Ende des Saals, und wenn einer dieser beschissenen Zombies ihn entdeckt, ist er hinüber!«