♦ ACHTUNDZWANZIG

Sobald Jasmine wieder in ihrem Motel eintraf, zog sie sich aus und wechselte in sexy Unterwäsche, um sich so auf einen häuslichen Nachmittag in Gesellschaft Jacks vorzubereiten. Sie wickelte sich in ihren liebsten rosa Bademantel, um die schwarze Seidenunterwäsche zu verbergen, und setzte sich auf das Sofa im vorderen Zimmer. Sie hatte kürzlich in einem Gebrauchtwarenladen einen neuen DVD-Spieler erworben und war erpicht darauf, bei ihrer Lieblingsfernsehserie aufzuholen.

Sie futterte gerade aus einem Becher Popcorn und sah sich den Vorspann der ersten Episode an, als Jack sie auf dem Handy anrief.

»Hey, Süßer«, meldete sie sich.

»Hi, Jaz, was sind das für Geräusche?«

Jasmine suchte nach der Fernbedienung und stellte den Fernseher auf Stumm. »Das ist der Fernseher«, antwortete sie. »Ich wollte mir gerade die jüngste Episode von Sapun Gunoi ansehen.«

»Was zum Teufel ist das denn?«

»Du weißt doch, diese rumänische Soap, die wir uns in Bukarest angesehen haben? Ich hab sie im Gebrauchtwarenladen an der Ecke auf DVD gefunden.«

Eine Pause trat ein, während Jack diese Information verarbeitete. »Du verstehst doch nicht mal, was die Figuren reden. Und du bist wieder in Amerika, erinnerst du dich? Du kannst dir amerikanisches Fernsehen angucken.«

»Ja schon, ich weiß. Aber ich will wissen, wer den Ehemann der blonden Frau umgebracht hat.«

Sie hörte, wie Jack tief seufzte. »Wenn du es herausgefunden hast, sag mir Bescheid, aber dann sehen wir uns diese Serie nicht mehr an, okay?«

»Okay. Sie wird aber allmählich gut, weißt du?«

»Davon bin ich überzeugt. Hör mal, ich bin auf dem Heimweg. Ich wollte unterwegs chinesisches Essen besorgen. Steht dir der Sinn nach was Speziellem?«

Jasmine überlegte angestrengt. »Hmm, kannst du mir bitte etwas mit Reis besorgen, Schatz?«

»Etwas mit Reis? Was denn?«

»Ich weiß nicht. Pommes?«

»Pommes, klar, natürlich. Ich besorge für alle Fälle noch ein paar weitere Sachen. Bis gleich.«

»Okay, Schatz, liebe dich!«

»Liebe dich auch. Tschüs.«

Jasmine trennte die Verbindung und stellte die Lautstärke am Fernseher wieder hoch. Sie hatte erst fünf weitere Minuten von Sapun Gunoi gesehen, als jemand klopfte. Eine Frauenstimme rief durch die Tür: »Zimmerservice!«

Jasmine sprang vom Sofa auf und stürmte zur Tür. Sie hatte keinerlei Zimmerservice bestellt, aber falls man ihr trotzdem Schokolade brachte, dann wollte sie sie auch annehmen. Als sie die Tür öffnete, empfing sie der Anblick eines bekannten Gesichts. Es war Denise, die bisexuelle Jon-Voight-Doppelgängerin aus Rumänien. Sie trug eine Bluejeans und einen roten Pulli; nicht die Art Uniform, die Jasmine von einer Angestellten des Motels erwartet hätte.

»Hallo, Denise!«, sagte sie und tat erfreut, sie zu sehen. »Seit wann arbeitest du hier?«

Denise antwortete nicht, sondern drängelte sich herein. Sie stieß Jasmine die Hand ins Gesicht und schubste sie so weit von der offenen Tür zurück, wie sie konnte.

Jasmine stolperte rückwärts, schaffte es aber, auf den Beinen zu bleiben. »Was willst du?«, fragte sie.

Denise brauchte nicht zu antworten. Jasmine wusste schon, dass das hier nichts Gutes bedeutete, und sah sich darin bestätigt, als ein Mann in Cargohose und schwarzem Shirt hinter Denise in der Tür auftauchte. Jasmine erkannte ihn sofort. Es war Mozart, Solomon Bennetts durch und durch unangenehmer Handlanger. Er betrat das Motelzimmer lässig und schloss die Tür hinter sich.

»Hallo, Jasmine«, sagte er leise.

»Hallo.«

Mozart ging zum Fernseher und schaltete ihn aus. Er deutete aufs Sofa. »Setz dich«, sagte er nachdrücklich.

Jasmine tat wie geheißen, ehe Mozart sie erneut dazu auffordern musste. Sie wickelte den Bademantel ein wenig fester um die Brust, um nicht zu viel Fleisch zu zeigen.

»Was wollt ihr?«, fragte sie.

Mozart griff in seinen Rücken und zog eine Pistole, die er hinten in der Hose stecken hatte. Er rieb den Lauf mit den Fingern, als wollte er ihn polieren. »Ich möchte wissen, mit wem du geredet hast.«

»Ich rede mit vielen Leuten. Du kennst mich doch, ich bin eine richtige Quasselstrippe. Einmal habe ich in etwas festgesteckt, was Monkey World hieß, und da war dieser große Orang-Utan …«

Mozart nickte Denise zu, und sie reagierte flink. Sie packte Jasmine am Kragen des Bademantels und zerrte sie vom Sofa hoch. Sie riss den Bademantel auf und sah sich an, was Jasmine darunter trug.

»Ich muss doch sehr bitten!«, sagte Jasmine.

Denise versetzte ihr mit dem Handrücken einen Schlag ins Gesicht. Sie hatte dicke Finger und ungewöhnlich große Knöchel, sodass dieser Klatscher gleichzeitig als Boxhieb durchging. Er hatte genug Wucht, dass Jasmine wieder aufs Sofa plumpste, der Bademantel weit offen, sodass er jetzt eher nach dem Umhang eines Superhelden aussah.

»AU!«, quiekte Jasmine und rieb sich die Wange. Sie überlegte, ob sie zurückschlagen sollte. Die Gelegenheit, Denise in die Genitalien zu boxen, bot sich zwar, aber da Mozart im Zimmer war und eine Schusswaffe schwenkte, nahm Jasmine klugerweise Abstand von der Idee.

Mozart räusperte sich und warf einen langen, ausgiebigen Blick auf Jasmines Körper. »Also, Jasmine«, sagte er, »falls du es noch nicht weißt: Unsere Denise hier ist eine Spezialistin für Gewalt gegen Frauen. Sie hat daran fast ebenso viel Spaß wie daran, Männer zu verkloppen, und das macht sie wirklich sehr gern. Ich selbst habe blau angelaufene Hoden als Beweis. Sie sehen aus wie dicke große blaue Pflaumen. Vielleicht zeige ich sie dir später. Aber die Sache ist die, Jasmine, ich habe es gern, wenn Denise mich foltert. In dieser Hinsicht bin ich irgendwie sonderbar. Ich stehe da richtig drauf. Aber ich denke nicht, dass es dir gefallen würde. Und Denise fährt total darauf ab, ihre Opfer vor Schmerzen schreien zu hören.«

Jasmine arrangierte ihren Bademantel neu, um sich wieder zu bedecken, denn sie fürchtete, dass sich Mozart beim Anblick ihrer Unterwäsche zu sehr erregte. Und das war schließlich Jack vorbehalten und niemandem sonst.

»Also«, fuhr Mozart fort. »Als du Blowjobs und weiß Gott was sonst noch an die Männer in Bukarest ausgeteilt hast, hat irgendeiner von ihnen dir erzählt, wofür ich bekannt bin?«

Jasmine starrte zu Boden. »Nein«, murmelte sie.

»Nun, die meisten Leute kennen mich als den Mann der vielen Gesichter. So hat mich auch die Presse gern genannt, und es ist irgendwie haften geblieben. Aber mein eigentliches Talent, wofür ich bei meinen Freunden bekannt bin …«

»Du hast Freunde?«, fragte Jasmine.

»Denise!«

Auf die Nennung ihres Namens reagierte Denise mit einem weiteren Rückhandschlag in Jasmines Gesicht. Dieser tat viel mehr weh als der vorherige, woraufhin Jasmine beschloss, besser keine provokativen Bemerkungen mehr von sich zu geben.

»Wie ich schon sagte«, fuhr Mozart fort, »bin ich bei meinen Freunden für die Fähigkeit bekannt, Lügen zu wittern. Sie nennen mich den Lügendetektor, was, falls du es nicht wissen solltest, eine Art Lügen entdeckende Maschine ist. Ich bin sicher, dass du insgeheim denkst, was für ein beschissener Name, und ich neige dazu, dir recht zu geben, aber es ist ein sehr passender Spitzname, denn ich habe eine Gabe. Ich kann eine Lüge wittern, ehe sie ausgesprochen wurde. Eine Menge geht im Gesicht eines Menschen vor, wenn er vorhat zu lügen, und ich kenne alle diese Merkmale, von den ganz einfachen, wie sich an der Nase zu kratzen, bis zu den komplexeren Bemühungen eines erfahrenen Lügners. Wenn ich also meine nächste Frage stelle und du entscheidest, so zu tun, als wüsstest du nicht, wovon ich rede, denke einfach daran: Deine Körpersprache wird es verraten. So zu tun, als wüsstest du nicht, wovon ich rede, obwohl du es sehr wohl weißt, ist nur eine andere Form von Lüge. Und Lügen enttäuschen mich. Wenn du mich also nächstes Mal enttäuschst, nicke ich Denise leicht zu, und zwar so.« Er nickte Denise zu. »Und wenn ich das mache, zerrt dich Denise vom Sofa hoch. Sie zieht dir die Klamotten aus. Und während du dann nackt vor mir stehst, legt sie los und schneidet dir Körperteile ab. Denise hat auch dafür ein echtes Talent, denn während ich direkt aufs Gesicht losgehe und das ganze Ding herunterziehe, kümmert sie sich um die empfindlicheren Körperteile, die am intensivsten Schmerz empfinden, ohne dass es gleich zum Tode führt. Sie ist ein echter Michelangelo, wenn es um blutige Arbeit und Narben geht, nicht wahr, Denise?«

Denise grinste Jasmine höhnisch an. »Ich kann dich notfalls trotz unerträglicher Schmerzen tagelang am Leben halten, wenn es sein muss.«

Denise hatte ein großes Jagdmesser in einer Scheide an der Hüfte stecken. Jasmine hatte es bislang nicht bemerkt, aber bei diesem Anblick musste sie jetzt schwer schlucken. Sie spürte, wie ihr erste Tränen kamen, aber sie unterdrückte sie. Auf keinen Fall wollte sie diesen beiden Irren zeigen, dass sie sie eingeschüchtert hatten.

Mozart hockte sich hin, um auf eine Höhe zu Jasmine zu gehen. Er blickte ihr in die Augen. »Verstehst du, was ich dir hier erkläre, Jasmine? Denn ich möchte nicht, dass du dich später beklagst, du wärst über die Spielregeln nicht im Bilde gewesen. Erzähle eine Lüge oder denke auch nur daran, und ich nickte Denise zu, okay?«

Jasmine nickte.

»Gut. Dann fangen wir jetzt an.«

Drei Killer für ein Halleluja
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