♦ SIEBENUNDDREISSIG
Als Baby zu sich kam, hatte sie schneidende Kopfschmerzen. Die Klamotten klebten ihr an der Haut, als hätte sie sie seit Tagen am Leib, und ein paar Haare pappten ihr an der Stirn. Sie lag auf einer weichen Unterlage relativ bequem auf der Seite. Sie drehte sich um und öffnete die Augen. Das war nicht ihr eigenes Bett, aber sie lag zumindest in einem. Nur, wo zum Teufel stand es?
Sie hörte die Stimme ihres Vaters rufen: »Baby, bist du wach?«
Baby drehte den Kopf. Sie befand sich in einem dunklen Zimmer. Zuerst glaubte sie, es wäre eine Küche, denn sie sah ein Spülbecken und ein Abtropfgestell, aber als sie sich der Umgebung genauer bewusst wurde, stellte sie fest, dass sie sich in einem Caravan aufhielt. Ein Mann in Hemd und modischer Hose saß auf einem Stuhl neben ihr.
»Daddy, bist du das?«, fragte sie, setzte sich auf und rieb sich die Augen.
»Ja, Baby.«
Devon stand vom Stuhl auf und setzte sich neben sie aufs Bett. Er rieb ihr das Kreuz. »Du bist jetzt in Sicherheit, Baby.«
Baby klammerte sich an ihn und drückte ihn fest. »Es tut mir so leid, dass sie mich erwischt haben«, sagte sie. »Ich hab Murks gemacht.«
»Du hast keinen Murks gemacht, Baby«, sagte Devon. »Es ist meine Schuld. Ich hätte das kommen sehen müssen.«
Ein paar unerfreuliche Bilder blitzten in Babys Erinnerung auf. Sie erinnerte sich, wie sie Jasmine ausgestreckt am Boden des Motelzimmers gesehen hatte. Und Jack war auch dort gewesen. Sie löste sich von ihrem Vater. »Dad, was ist mit Jack und Jasmine passiert?«
Devon streichelte ihr übers völlig zerzauste Haar. »Ich weiß nicht, Baby, aber du solltest dich aufs Schlimmste gefasst machen.«
Baby bemühte sich, die Gedanken an das zu verbannen, was Jack und Jasmine möglicherweise widerfahren war. »Was wollen diese Leute von uns?«
Devon küsste sie auf die Wange. »Es wird gut für uns ausgehen«, sagte er. »Überlass das Reden nur mir.«
Ein Geräusch unterbrach sie. Jemand schloss die Tür zum Caravan auf. Sie wurde geöffnet, und Solomon Bennett trat ein. Ihn begleitete die ungeschlachte Gestalt Frankensteins, der den Kopf einziehen musste, um ihn nicht an der Decke zu stoßen. Sie ließen die Tür offenstehen, sodass ein Lichtbalken hereinfiel. Bennett trug ein schwarzes T-Shirt und eine dazu passende Cargohose. Er schien über irgendetwas verärgert.
»Okay, Devon«, sagte er. »Wer ist dieser Rodeo Rex?«
»Was?«
»Rodeo Rex, wer ist das? Frankenstein sagt, der Typ wäre mit Joey Conrad in Babys Theaterschule aufgetaucht. Wer ist er?«
»Rodeo Rex?« Devon wiederholte den Namen, als versuche er, daraus schlau zu werden.
»Yeah, Rodeo Scheißrex. Was für ein bescheuerter Name ist das überhaupt?«
Devon kannte den Namen, aber es ergab für ihn keinerlei Sinn, dass Bennett danach fragte. »Das ist der Name eines Toten«, sagte er.
»Gib hier jetzt nicht den Klugscheißer, Devon, wenn du nicht miterleben möchtest, wie deine Tochter stirbt.«
»Ich sage dir die Wahrheit«, wandte Devon ein. »Er ist vor einigen Jahren auf meinem Radar aufgetaucht. Wir erhielten zahlreiche Meldungen aus aller Welt über ihn und seinen Kumpan, einen Typ, der sich für Elvis hielt. Sie haben eine Menge Menschen umgebracht, obwohl kein einziger Fall offiziell an ihnen haften blieb.«
»Also kennst du ihn doch?«
»Ich habe von ihm gehört, aber wie ich schon sagte, ist er tot. Zumindest erzählt man sich das. Erinnerst du dich an Miles Jensen?«
Bennett nickte. »Der schwarze Typ, der sich für Fox Mulder hielt. Was ist mit ihm?«
»Vor Jahren ist er in einer Ortschaft namens Santa Mondega spurlos verschwunden. Kurz bevor er verschwand, meldete er uns den Tod von sowohl Elvis als auch Rodeo Rex. Wir haben dafür nie eine Bestätigung erhalten, aber seitdem wurde Rodeo Rex nicht mehr gesichtet. Also, wen du da auch gesehen hast, er kann es nicht gewesen sein.«
Bennett marschierte zu Baby hinüber und packte sie am Arm. Er zerrte sie auf die Beine. Der unvermittelte Ruck verschlimmerte ihre Kopfschmerzen um das Zehnfache. »Du warst doch dort«, sagte er und schüttelte sie dabei. »Erzähl deinem Dad, was du gesehen hast.«
Baby nickte ihrem Vater zu, eine Bitte um Entschuldigung. »Ein großer Kerl ist aufgetaucht und wollte verhindern, dass Frankenstein mich entführt. Er sagte, er hieße Rodeo Rex.«
»Siehst du!«, sagte Bennett.
Frankenstein, der normalerweise nicht zu vielen Worten neigte, mischte sich ein. »Er hat eine Metallhand«, sagte er. »Sie fängt Kugeln auf.«
»Also, komm schon«, sagte Bennett und schlang Baby auf eine unheimliche, raubtierhafte Art und Weise den Arm um die Taille, die Devon aus der Ruhe bringen sollte. »Für wen arbeitet er?«
Devon war verwirrt. »Das klingt ganz gewiss nach Rodeo Rex. Ich meine, diese Metallhand, die war sozusagen sein Markenzeichen. Aber wie ich schon sagte, auf der Straße kursiert das Gerücht, er sei seit Jahren tot. Er und sein Kumpel Elvis, alle beide.«
»Devon, du weißt doch, warum wir deine Tochter hergebracht haben, nicht wahr?«
»Weil du ein Arschloch bist.«
»Absolut. Aber wenn dir das Leben deiner Tochter etwas bedeutet und du nicht miterleben möchtest, wie ihr etwas Unerfreuliches zustößt, dann verrätst du mir, wo Joey Conrad steckt. Und wenn du schon dabei bist, kannst du mir auch erzählen, wo ich Rodeo Rex und Elvis finde. Wenn du diese Typen angeworben hast, um meinen großen Tag morgen zu versauen, dann lieferst du sie jetzt besser aus.«
»Lass Baby laufen, und ich erzähle dir alles, was ich weiß.«
Bennett streckte eine Hand aus, und Frankenstein klatschte ihm eine Pistole auf die Handfläche. Bennett zielte damit auf Babys Kopf und grinste Devon an. »Tu nicht so naiv, Devon; du weißt doch, dass es so nicht funktioniert. Was erwartet uns morgen in Landingham Manor?«
Devon hatte in diesem Augenblick keinerlei Wahl mehr; er musste kooperieren. »Schau, ich habe keine Ahnung, was Rodeo Rex oder Elvis angeht«, sagte er, »aber ich kann euch Joey Conrad liefern.«
Baby verließ der Mut. Sie wusste, dass ihrem Vater keine andere Wahl blieb, trotzdem war es niederschmetternd zu wissen, dass sich Frankenstein und Co. Joey jetzt vornehmen würden.
Bennett drückte Baby die Pistole unters Kinn. »Das ist ein Anfang«, sagte er. »Red weiter.«
Devon gab ihnen die Informationen, die sie brauchten. Er musste es tun. »Im Erdgeschoss von Landingham Manor findet ihr ein Arbeitszimmer mit einer Büste von Adam West darin. Hebt deren Kopf an und drückt den Schalter darunter. Dadurch öffnet ihr eine Geheimtür zu einem Fahrstuhl. Dieser bringt euch in einen unterirdischen Bunker. Dort versteckt sich Joey Conrad.«
»Das war doch gar nicht so schwer, oder?«, sagte Bennett. »Jetzt erzähl mir mehr von Rodeo Rex.«
Devon hob die Hände. »Ich schwöre beim Leben meiner Tochter, dass ich nicht mehr weiß. Bring mich um, wenn du möchtest, aber du solltest wissen, dass ich niemals ihr Leben riskieren würde, um das jemandes anderen zu schützen.«
Bennett senkte die Waffe und nickte. »Ich glaube dir«, sagte er. »Aber du und deine Tochter, ihr begleitet uns morgen. Und falls Rodeo Rex oder Elvis oder Michael Jackson oder auch nur der beschissene Geist von Corey Haim auftaucht, wirst du miterleben, wie Baby stirbt.«