♦ DREIUNDZWANZIG
Solomon Bennett saß am Schreibtisch seines neu erworbenen Büros, trank aus einem Glas Whiskey und zappte durch die Fernsehsender, während er darüber schlüssig zu werden versuchte, welchen Film er gucken wollte. Es war eine schwierige Abwägung zwischen Immer Ärger mit Bernie und Untote wie wir. Er entschied sich für Immer Ärger mit Bernie und genoss den Film gerade, als ausgerechnet bei der besten Szene, in der die Charaktere Wasserski laufen, jemand an die Tür klopfte. Er stellte den Fernseher auf Pause und wollte gerade »Herein!« rufen, als die Tür auch schon aufging und Mozart hereinspazierte. Er wirkte besorgt, und es war erkennbar, dass etwas Wichtiges passiert sein musste, denn er sah aus, als käme er gerade aus dem Bett. Er trug nichts weiter als blaue Boxershorts und ein weißes Unterhemd.
»Was ist los?«, wollte Bennett wissen.
Mozart hielt sein Handy hoch. »Etwas ist schiefgegangen«, sagte er.
»Wovon redest du da?«
Das erstarrte Bild eines Wasserski laufenden, toten Typs auf dem Fernseher lenkte Mozart kurz ab. Er starrte es einen Moment lang an, schüttelte den Kopf und setzte sich auf die Kante von Bennetts Schreibtisch.
»Ich hab zwei Jungs nach Landingham Manor geschickt, damit sie sich die Sicherheitsvorkehrungen an der Grundstücksgrenze ansehen. Wie du es wolltest«, sagte er.
»Und?«
»Und beide sind tot.«
»Was?«
»Wirf mal einen Blick auf mein Handy.« Mozart reichte es Bennett. »Beide haben mir vor zehn Minuten per SMS mitgeteilt, dass sie tot sind.«
Bennett versuchte, aus diesen Worten schlau zu werden. Tote, die Textnachrichten sendeten? War das eine raffinierte neue App, von der er noch nicht gehört hatte? Eine, die den Freunden des Besitzers Nachrichten schickte, wenn er verstarb?
»Was redest du da für einen Scheiß?«, fragte er wütend.
»Sieh selbst«, sagte Mozart und deutete auf das Telefon in Bennetts Hand.
Bennett las die Nachricht eines gewissen Martin. Sie besagte schlicht:
Ich bin tot.
»Wer zum Teufel ist Martin?«, fragte er.
»Das ist der Typ, der wie Miss Piggy aussieht.«
»Und er hat dir diese SMS geschickt?«
»Ich denke nicht. Ich denke, dass der Killer die Nachricht gesendet hat. Sieht dir mal die anschließende Mitteilung von Logan an.«
Bennett schaltete zur nächsten Nachricht. Sie stammte von Logan und umfasste vier Worte, die ebenso unmissverständlich waren wie die Martins:
Ich bin auch tot.
»Hast du versucht, ihn anzurufen?«, fragte Bennett und gab Mozart das Handy zurück.
»Yeah. Beide Telefone sind tot, wahrscheinlich von derselben Person zerstört, die diese Nachrichten geschickt hat.«
»Hast du eine Ahnung, wer die beiden umgebracht haben könnte? Das heißt, immer vorausgesetzt, dass sie wirklich tot sind.«
Mozart zuckte die Achseln. »Ich hatte noch nicht genug Zeit, um darüber nachzudenken. Ich hab mich sofort auf den Weg zu dir gemacht.«
Bennett versuchte, sich ein Bild von dem zu machen, was sich dort draußen zugetragen haben mochte. Als Erstes musste er den Fernseher ausschalten, denn das eingefrorene Bild eines Toten, der Wasserski lief, erschwerte es, sich zu konzentrieren.
Er sprach seine Gedanken laut aus. »Blake Jackson hat mir versichert, dass keinerlei Wachpersonal an der Grundstücksgrenze postiert sein würde. Dieser beschissene Clown ist dumm wie Bohnenstroh. Gib mir noch mal dein Telefon.«
Mozart reichte ihm erneut das Handy. Bennett drückte die Kurzwahltaste für Blake Jackson. Jackson ließ sich Zeit, das Gespräch anzunehmen. Er schlief höchstwahrscheinlich. Als er sich dann doch meldete, klang es so, als gähnte er gerade.
»Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«, ächzte er.
»Scheiß auf die Uhrzeit!«, blaffte Bennett. »Ich habe gerade zwei Männer verloren.«
Jackson schien abrupt wach zu sein. »Was redest du da?«
»Ich habe zwei Männer zum Landingham Manor geschickt, um in der Umgebung nach Fluchtwegen zu suchen. Jetzt hat Mozart Textnachrichten von beiden erhalten, nach denen sie tot sind. Jemand legt sich mit uns an! Du hast gesagt, dass niemand weiß, dass die Veranstaltung nach Landingham Manor verlegt wurde.«
»Das weiß auch niemand!« Jackson klang so verblüfft wie Bennett und Mozart.
»Nun, jemand muss es wissen. Mit wem hat Calhoon noch gesprochen?«
»Mit niemandem. Nur ich und Calhoon und der Sekretär des Papstes, dieser Rufus, wissen, dass die Veranstaltung verlegt wurde.«
»Bist du sicher, dass Calhoon es niemandem sonst erzählt oder Agenten hingeschickt hat, damit sie Vorbereitungen treffen?«
Es wurde still in der Leitung, während sich Jackson Zeit nahm, über alles nachzudenken. »Hätte Calhoon jemanden geschickt, dann hätten die sich nicht euch gegenüber mit Textnachrichten gebrüstet, dass sie eure Jungs umgebracht haben. Das wäre dumm. Was für ein Mensch macht so was?«
»Ein Psychopath«, sagte Bennett.
Ehe er das Wort Psychopath zu Ende gesprochen hatte, gelangten alle zur selben Schlussfolgerung. Jackson äußerte sie zuerst.
»Joey Conrad.«
Bennett hätte sich beinahe die Hand vor die Stirn geschlagen, entschied sich aber in letzter Sekunde dafür, ein Büschel der eigenen Haare zu packen und daran zu zerren. »Wie zum Teufel sollte Joey Conrad vom Wechsel des Veranstaltungsorts erfahren? Pincent kann es ihm nicht verraten haben, da wir ihn hier festhalten. Und ich kann euch versichern, dass wir ihn nicht ans Telefon lassen!«
Erneut nahm sich Jackson einen Augenblick, um nachzudenken. Er brauchte nicht lange, um sich zusammenzureimen, was passiert war.
»Dieser Mistkerl!«, brüllte er.
Bennett ging auf Distanz zum Telefon, nachdem er durch Jacksons Schrei fast taub geworden war. »Wer ist ein Mistkerl?«, fragte er.
»Devon Pincent. Dieses Arschloch ist uns schon die ganze Zeit lang einen Schritt voraus!«
Bennett stellte den Versuch ein, sich die Haare zu raufen, und wechselte einen Blick mit Mozart, der alles hören konnte, was Jackson am anderen Ende der Leitung sagte. Mozart schien auch keinen Schimmer zu haben, worüber Jackson da zeterte.
»Was hat er getan?«, wollte Bennett wissen.
Jackson tat ein paar langsame Atemzüge, um sich zu beruhigen, ehe er antwortete. »Devon wusste nicht, wo die Veranstaltung stattfinden würde, richtig?«
»So hast du es uns berichtet.«
»Richtig«, sagte Jackson. »Er wusste jedoch, dass wir die Veranstaltung zu einem Ausweichort verlagern würden, falls wir eine glaubhafte Todesdrohung gegen den Papst erhalten. Ich wette, er wusste, dass Landingham Manor die einzige Möglichkeit darstellte, kurzfristig einen solchen Ortswechsel vorzunehmen. Und seine alte Freundin Dorothy Landingham hat ihm sicher nur zu gern erzählt, dass ihr Landhaus dieser Ausweichort ist.«
Bennett rieb sich die Stirn. »Was genau möchtest du damit sagen?«
»Ich sage damit, dass Devon es war, der die Todesdrohung für den Roten Irokesen verschickt hat. Er wusste verdammt gut, dass wir dann nach Landingham Manor wechseln würden. Und er hat Joey Conrad oder sonst jemanden bereits dort, wo er nur darauf wartet, unsere Pläne zu verpfuschen!«
»Du blöder Schwachkopf!«, brüllte Bennett. »Du hast ihm direkt in die Hände gespielt!«
»Es ist nicht meine Schuld. Calhoon hat den Ortswechsel veranlasst. Und außerdem habt ihr Devon in der Gewalt. Vielleicht solltet ihr wirkungsvollere Arbeit leisten, wenn es darum geht, ihn zum Reden zu bringen. Er hat offenkundig etwas im Ärmel, das es ihm ermöglicht, unsere Pläne zu verpfuschen.«
»Ich kümmere mich um Devon«, sagte Bennett. »Er wird schon bald reden.«
»Das wird er nicht«, sagte Jackson. »Er ist Old School. Ihn zu foltern, damit erreicht ihr gar nichts. Ihr müsst morgen die Akademie für Darstellende Kunst aufsuchen.«
»Wozu?«
»Seine Tochter Baby geht dort zu den Proben für die Show Grease. Schnappt sie euch, und Devon wird euch ganz genau erklären, wo ihr Joey Conrad, Jack Munson und alle anderen findet. Er wird euch sogar verraten, ob er Damenunterwäsche trägt.«
Bennett trennte die Verbindung und gab Mozart das Telefon zurück. »Hast du das gehört?«, fragte er.
»Klar und deutlich«, sagte Mozart und rutschte vom Tisch. »Die Akademie für Darstellende Kunst, morgen Vormittag.«
Mozart ging zur Tür, um zu seinem Schlafplatz zurückzukehren, wo immer das war. Bennett schaltete den Fernseher wieder ein und sah sich aufs Neue mit dem eingefrorenen Bild eines Wasserski laufenden Toten konfrontiert. Ehe er den Film fortsetzte, kam ihm eine Idee, und er rief Mozart nach.
»Ich begleite dich morgen, wenn du dir Pincents Tochter holst. Und wir nehmen auch Frankenstein mit. Ich möchte weitere Fehler vermeiden.«