ACHT

Die letzten Tage der Operation Blackwash

(Fünf Jahre zuvor)

Teil 2 von 4

Jack Munson stürmte durch die Tür ins Labor. Devon Pincent und Solomon Bennett hatten die Strahlungskammer schon betreten und sahen zu, wie ein Labortechniker mit roten Haaren den leblosen Frank Grealish wiederzubeleben versuchte. Grealish lag am Boden ausgestreckt, und Jekyll versetzte ihm mit Hilfe eines Defibrillators Stromstöße. Dies schien keinerlei Wirkung zu haben.

»Ist er tot?«, fragte Jack.

Devons Gesicht gab ihm die Antwort: Er wirkte grimmig und besorgt. Nur Minuten zuvor hatte er voller Panik Munson angerufen und ihm erzählt, dass Frank Grealish so etwas wie einen Herzanfall erlitten hatte. Munson war aus seinem Büro heruntergestürmt, um nachzusehen. Doch nun sah es ganz so aus, als wäre der Herzanfall längst vorbei. Und ebenso Franks Leben.

Dr. Jekyll stellte die Versuche ein, Grealish mit Stromstößen ins Leben zurückzurufen, und legte den Defibrillator zur Seite. Er blickte zu den anderen auf. »Er ist tot«, sagte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Solomon Bennett attackierte den Gegenstand, der ihm am Nächsten stand, was zufällig der Plastikstuhl war, auf dem Frank Grealish vor dem unglückseligen Experiment gesessen hatte. Bennett beförderte den Stuhl mit einem Tritt durch den halben Raum, und als ob er das Gefühl hätte, damit wäre noch nicht ausreichend verdeutlicht, wie wütend er war, lief er hinterher, hob ihn auf und schleuderte ihn gegen das Fenster. Das aber bestand aus einem ziemlich harten Material, sodass der Stuhl davon abprallte und schnurstracks zu Bennett zurückflog. Er riss die Hände hoch, um sein Gesicht zu schützen, und wehrte den Stuhl gerade noch ab. Dieser landete am Boden, Bennett trat erneut zu und schleuderte ihn diesmal hoch in die Luft.

»Hast du Spaß?«, fragte Devon sarkastisch.

»LECK MICH AM ARSCH!«

Es sah nicht danach aus, als würde sich Bennett schnell wieder beruhigen, und so kam Jack unverzüglich zur Sache. »Was zum Teufel habt ihr hier gemacht?«, fragte er. »Ich habe gerade Calhoon auf dem Flur gesehen. Sie sieht richtig sauer aus.«

Bennett schien zu wütend, um darauf zu antworten; ein irgendwie ironischer Umstand, denn Jack war ebenfalls wütend. Er hielt seinen Zorn jedoch im Zaum, bis er herausgefunden hatte, wer hier die Schuld trug.

Devon ging zu dem ramponierten Plastikstuhl und stellte ihn wieder auf, während er Munson antwortete. »Sie wollten Grealish eine kugelsichere Haut anpassen. Alles schien gut zu laufen, aber dann sah es so aus, als würde er nach Atem ringen. Wir haben ihn aus der Kammer geholt, aber er hatte diesen fürchterlichen Anfall.«

»Kugelsichere Haut

»Ja.«

»Ist das nur ein schmissiger Begriff für den kugelsicheren Anzug, über den wir in den vergangenen drei Tagen gesprochen haben? Oder hat dieser Flachwichser …«, er deutete auf Bennett, »… etwas beschissen Dämliches angestellt?«

»Es war ein Unfall. Ein Rückschlag, mehr nicht«, wandte Bennett ein.

Munson fasste die Leiche auf dem Fußboden genauer ins Auge. »Warum hat er Bolzen im Hals? Ist das der Grund für die Bezeichnung Frankenstein-Projekt? Und warum sieht seine Haut wie Gummi aus? Was in Gottes Namen habt ihr hier eigentlich angestellt?«

Dr. Jekyll stand behutsam auf. »Es ist das Mistralyt«, sagte er. »Es ist perfekt mit seiner Haut verschmolzen, wie wir gehofft hatten. Doch es scheint ganz so, als hätte sein Herz die Prozedur nicht verkraftet. Ich denke, er hatte einen schweren Herzinfarkt.«

»Was zum Geier ist Mistralyt?«, tobte Jack. »Und wer zum Henker sind Sie?«

»Ich bin Doktor Henry Jekyll. Sehr erfreut.«

»Was ist Mistralyt? Woraus besteht es?«, fragte Jack zwischen knirschenden Zähnen.

»Wir haben es dabei mit einer flüssigen Gummi-Haut-Mischung zu tun«, antwortete Jekyll. »Wenn sie bei der richtigen Temperatur mit menschlicher Haut in Kontakt kommt, verfestigt sie sich wie ein Gummiüberzug. Das Mistralyt benutzt die Haut quasi als Wirt. Und es ist völlig undurchdringlich. Hätte Frank keinen Herzanfall erlitten, stünde jetzt der erste kugelsichere Soldat aller Zeiten vor uns.«

»Ihr beschissenen Arschlöcher!«, brüllte Jack und ließ seine Wut an Bennett und diesem gruseligen Doktor gleichermaßen aus.

»Jack, beruhige dich!«, schrie Devon. »Es ist nun mal passiert!«

Doch Munson hatte Dr. Jekyll schon am Kragen seines Kittels gepackt und zog ihn an sich. »Können Sie dieses Zeug wieder von ihm lösen?«, knurrte er.

Der Doktor schüttelte den Kopf. »Nein.«

Munson holte tief Luft. »Ich möchte das richtig verstehen. Hätte Frank dieses Experiment überlebt – diese Hundekacke von einem Experiment –, hätte er dann diesen Anzug jemals wieder abstreifen können?«

»Nein, es ist eine dauerhafte Veränderung«, sagte Jekyll.

Munson wandte sich erneut Solomon Bennett zu. »An deiner Stelle wäre ich jetzt schon auf halbem Weg nach Brasilien.«

»Tu doch nicht so dramatisch«, brummte Bennett.

»Wo denkst du denn, ist Calhoon wohl gerade?«, blaffte Jack. »Sie ist die MPs holen gegangen. Man wird dich gleich festnehmen, Solomon!« Er wandte sich wieder an Dr. Jekyll. »Und das gilt auch für diesen kleinen Irren.«

»Das würde sie nie tun«, wandte Bennett ein. »Sie hat das ganze Experiment genehmigt. Sollte ich untergehen, geht sie mit mir unter.«

Wie aufs Stichwort stürmte in diesem Augenblick Alexis Calhoon den Flur entlang auf das Labor zu, begleitet von zwei bewaffneten Mitgliedern der Militärpolizei. Sie kam herein und deutete auf Bennett und Dr. Jekyll.

»Den da und den da!«, rief sie.

Falls je irgendwelche Zweifel bestanden hatten, wie hart Alexis Calhoon sein konnte, dann diente das Folgende als Beleg für ihre Schonungslosigkeit, die ihr schon viele gute Dienste geleistet hatte und dies noch Jahre lang tun würde. Man legte Bennett und Jekyll Handschellen an und führte sie aus dem Gebäude, ungeachtet ihrer Beschwerden und Einwände, dass die rechtlichen Normen einer Festnahme nicht eingehalten würden.

»Ich hoffe, dass man sie vor ein Kriegsgericht stellt«, sagte Jack. »Beide müssten mindestens ihrer Dienstpflichten entbunden werden. Eine verdammte Schande, was heute hier passiert ist.«

»Ein Kriegsgericht?« Calhoon zog die Brauen hoch. »Das ist nicht meine Arbeitsweise, Jack. Sie werden erschossen und in der Wüste verscharrt.«

Jack wollte schon höflich lachen, obwohl er nicht fand, dass jetzt der passende Zeitpunkt für Scherze war. Er brach jedoch ab, als ihm der Gedanke kam, dass es sich vielleicht gar nicht um einen Witz gehandelt hatte.

Calhoon deutete auf die Leiche Frank Grealishs. »Dieser Typ hat keine Familie, richtig?«

»Richtig«, antwortete Devon. »Keiner der Blackwash-Rekruten hat Familie.«

»Na ja, das ist immerhin etwas. Wir müssen ihn wohl als im Einsatz vermisst melden. Devon, Sie können den Bericht vorformulieren. Und Jack, ich möchte, dass Sie Frank Grealish in einem Leichensack verschwinden lassen, ehe irgendjemand das hier sieht. Wir können ihn zusammen mit Bennett und diesem Dr.-Jekyll-Idioten in der Wüste begraben. Und morgen werden wir besprechen, wie wir dafür sorgen, dass Operation Blackwash den gleichen Weg geht.«

Drei Killer für ein Halleluja
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