♦ SIEBENUNDVIERZIG
Frankenstein richtete sich auf und klopfte sich den Staub ab. Als Bourbon Kids Wagen ihn rammte, war seine schwarze Weste direkt unterhalb des Halses aufgerissen, aber nirgendwo sah man einen Tropfen Blut oder auch nur einen Kratzer als Beleg dafür, dass er in einen Unfall verwickelt gewesen war, der jeden normalen Menschen getötet hätte.
Der Bourbon Kid griff unter seine ärmellose schwarze Jacke und zückte eine Knarre. Er zielte damit auf Frankensteins Herz und schoss dreimal in kurzer Folge. Alle drei Kugeln trafen Frankenstein an der Brust, sodass er rückwärts stolperte, als er gerade einen Schritt nach vorn tun wollte. Er blieb jedoch auf den Beinen, und die Kugeln prallten von ihm ab.
Der Kid wechselte das Ziel, visierte diesmal das Gesicht des Gegners an.
PENG!
Erneut torkelte Frankenstein einen halben Schritt weit rückwärts, als seine Nase getroffen wurde, aber auch diese Kugel prallte ab. Er schüttelte sich wiederum und tat einen Schritt auf den Kid zu.
PENG!
Ein weiterer, diesmal sorgfältiger gezielter Schuss krachte in Frankensteins schwarze Schutzbrille. Und prallte ab. Nicht nur Frankenstein war kugelsicher, allem Anschein nach auch seine Schutzbrille.
Da blieb keine andere Wahl. Der Kid steckte die Knarre in die Jacke zurück. Es wurde Zeit für einen Faustkampf.
Frankenstein stapfte heran. Diesmal lief er nicht in eine Kugel, sondern kam nahe genug heran war, um sich einen Fausthieb einzufangen. Der Bourbon Kid setzte ihm einen scharfen rechten Haken ans Kinn. Der Schlag fiel so kräftig aus, dass er jeden anderen zu Boden gestreckt und für eine Woche außer Gefecht gesetzt hätte. Bei Frankenstein beschränkte sich die Auswirkung darauf, dass sein Kopf zur Seite schwang. Er schüttelte das mühelos ab und versuchte, den Kid zu packen.
Dante und Kacy hielten sich fern, während Frankenstein wiederholt nach dem Bourbon Kid ausholte. Er verfehlte ihn jedes Mal und steckte nur selbst Treffer ins Gesicht oder Kung-Fu-Tritte in den Bauch ein.
Das Ganze entwickelte sich zu einem dieser Kämpfe, die nirgendwohin führen. Der Kid war viel zu flink und beweglich, um getroffen zu werden, und Frankenstein seinerseits zeigte sich völlig unempfindlich gegen Schmerz oder Verletzung. Man konnte ihn einfach nicht verwunden, nicht mit einer Kugel und sicherlich nicht mit einem Hieb oder Tritt.
Schließlich wich der Bourbon Kid vor Frankenstein zurück und zog erneut die Schusswaffe. Er zielte wieder auf Frankensteins Kopf. Als der größere Gegner auf ihn zuwankte, rief ihm der Kid zu: »Wie heißt du?«
Dante beschloss zu helfen. »Er heißt Frankenstein.«
Der Kid ignorierte den Zuruf und fuhr damit fort, Frankenstein zu umkreisen, dessen größte Schwäche in seiner Unfähigkeit zu bestehen schien, sich schnell zu bewegen. Erneut rief ihm der Kid etwas zu.
»Was machst du hier?«
Dante brüllte an Frankensteins Stelle: »Er gehört zu der Gruppe, die unseren Bus entführt hat!«
Der Kid warf ihm einen bösen Blick zu.
»Was ist denn los mit dem?«, wandte sich Dante an Kacy.
»Ich denke, ich weiß es.«
»Was ist es?«
»Er möchte erreichen, dass Frankenstein etwas sagt, damit er ihm in den Mund schießen kann, da er sonst überall kugelsicher ist, oder?«
Dante runzelte die Stirn. Er brauchte gewöhnlich ein wenig, um etwas zu schnallen, das Kacy ihm erklärte. Er sah, wie der Kid und Frankenstein eine Weile länger umeinander herumtanzten. Der Kid reizte Frankenstein wiederholt, teils mit Fragen, teils mit Beleidigungen, aber sein Gegner antwortete kein einziges Mal. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass Frankenstein zwar blöd wirkte, aber genau wusste, was der Kid hier versuchte. Er hielt den Mund jederzeit fest geschlossen.
Dante tippte Kacy an den Arm. »Denkst du, ich sollte ihm helfen?«, fragte er.
Sie versetzte ihm einen viel härteren Klaps als Antwort. »Nein, bleib hier. Der Kid gewinnt diese Kämpfe immer, nicht wahr?«
Das hatte etwas für sich. Obwohl sie den Bourbon Kid einige Jahre lang nicht gesehen hatten, so hatte er doch zuvor jedes Mal, wenn sie ihm begegneten, die Scheiße aus jemandem herausgeprügelt, und dieser »jemand« war gewöhnlich größer als er.
Dieser Kampf verlief hingegen anders. Er dauerte schon einige Minuten länger als sonst und sah allmählich nach einem kommerziellen Boxkampf zwischen Kämpfern aus, die man angewiesen hatte, den Kampf in die Länge zu ziehen. Das änderte sich allerdings, als der Bourbon Kid den Versuch aufgab, Frankenstein Worte zu entlocken. Er steckte die Knarre wieder in die Jacke und ging frontal auf den riesigen Schläger los.
Frankenstein empfing ihn mit offenen Armen. Wenn es ihm gelang, den Kid zu umarmen, würde ihm das einen beträchtlichen Vorteil geben. Als er jedoch gerade zupacken wollte, ging der Kid zu Boden, rutschte weiter und riss Frankenstein die Beine weg. Der monströse Kerl kippte um und landete flach auf dem Rücken.
Blitzschnell sprang der Kid auf den gestürzten Gegner. Er setzte sich ihm rittlings auf die Brust, zog erneut die Knarre und drückte sie Frankenstein gegen den Mund. Er versuchte ihm den Mund mit dem Lauf aufzuzwängen. Als das nicht gelang, hielt er Frankenstein mit der freien Hand die Nase zu. Die Nasenwege zu blockieren, schien ihm die einzige Möglichkeit, ein Öffnen des Mundes zu erzwingen.
Frankenstein hob die Hände und packte den Bourbon Kid am Hals. Er drückte fest zu in der Absicht, dem Kid die Luftröhre zu zerdrücken. Es entstand ein Patt um die Frage, wem als Erster die Luft ausging.
Der Kid wusste allerdings nicht, dass Frankenstein bei diesem Spiel einen riesigen Vorteil genoss. Die aus seinem Hals vorstehenden Metallbolzen waren tatsächlich Luftventile. Er konnte prima weiteratmen.