ZWEIUNDVIERZIG

Dante und Kacy arbeiteten seit drei Wochen für Gold Star Catering. Sie hatten nie geplant, dieser Arbeit auf Dauer nachzugehen. Kacy hatte Freundschaft mit einer der Frauen geschlossen, die dort arbeiteten, und dabei herausgefunden, was Gold Star tatsächlich machte. Es war so viel mehr als nur ein Catering-Unternehmen, es stellte ein Tor zu den Reichen und Berühmten dar. Wenn ein Hollywood-Filmstar oder ein megareicher Ölbaron eine Privatparty schmiss und Diskretion garantiert haben wollte, war Gold Star das Unternehmen, an das man sich wandte. Und das machte den Job für Dante und Kacy reizvoll: die Gelegenheit, reichen Leuten die eine oder andere Sache zu stehlen.

Die beiden anfänglichen Aufträge hatten sich als recht zwielichtig erwiesen. Beim ersten sorgten sie für das Catering bei einer Sexparty für die Reichen und Berühmten. Jeder Partygast trug eine Gesichtsmaske und sonst praktisch nichts. Das war, als ginge man auf das Set des Films Eyes Wide Shut. Das hieß nicht, dass Tom Cruise dort war, aber es hätte sein können, denn viele andere Schauspielerinnen und Schauspieler waren anwesend. Diese Veranstaltung brachte allerdings das Problem mit sich, dass man den nackten Partygästen nichts stehlen konnte. Alle Brief- und Handtaschen waren sicher weggeschlossen, sodass als Diebesgut nur der Schmuck in Frage kam, den die Gäste trugen. Als Kacy jedoch vorschlug, einer blonden Dame einen Ring zu mopsen, verstand Dante nicht richtig und griff ihr stattdessen an die Möpse, was ihn beinahe die Stellung kostete.

Die zweite Veranstaltung war weit weniger glamourös. Eine alte Dame mit mehr Geld als Verstand schmiss eine geheime Millionen-Dollar-Geburtstagsparty für ihren Pudel. Der Pudel lud alle seine Freunde ein, und, na ja, Pudel und Spaniels führen nicht viel Bargeld mit sich, also brachte auch dieser Abend wenig Gewinn, abgesehen von einer Dose Hundeleckerli, die Dante rein aus Prinzip mitgehen ließ.

Dieser dritte Job jetzt versprach jedoch, die große Nummer zu werden, auf die sie gewartet hatten. Kacys Freundin Suzy hatte Gerüchte gehört, dass es zu einer Spendengala für Milliardäre in einem Landhaus ging. Und möglicherweise war dort der Papst zugegen. Vielleicht auch Bono von der Band U2. Dante verabscheute Bono, und deshalb war die Chance, ihn zu bestehlen oder ihm auch nur ein paar in die Fresse zu hauen, sehr verlockend.

Um sieben Uhr morgens empfingen Dante und Kacy beide die gleiche Textnachricht. Sie wurden aufgefordert, zu einem leeren Parkplatz am Rand der Stadt zu fahren. Die üblichen Regeln galten. Lasst die Handys zu Hause und bringt weder Kameras noch sonstige Aufnahmegeräte mit.

Dante fuhr sie in einem VW Käfer dorthin, den er am Abend zuvor gestohlen hatte. Als er dieses Fahrzeug klaute, hatte er gar nicht bemerkt, in was für einem beschissenen Zustand es war. Es stotterte und holperte etwa fünfzehn Meilen weit, ehe es schließlich auf einem verlassenen Highway liegenblieb, wo es nichts weiter gab als Steine. Und noch mehr Steine.

Kacy warf ihrem Mann einen missbilligenden Blick zu, wie sie es häufig tat. »Du hast ein echtes Talent dafür, Kackautos zu stehlen, weißt du das?«

Er bemerkte ihren tadelnden Blick und reagierte entsprechend, indem er grinste. Sie waren schon so lange zusammen, dass er inzwischen wusste: Er brauchte sie nur anzulächeln, wenn er etwas verbockt hatte. Sie waren beide kürzlich dreißig geworden und hätten inzwischen erwachsen sein müssen, aber er liebte es weiterhin zu stehlen, während sie es liebte, ihn dabei zu begleiten.

Er beugte sich hinüber und küsste sie auf die Lippen, seine dunklen Haare kitzelten sie im Gesicht. Und sie erwiderte den Kuss. Wie sie es immer tat.

»Wir werden ab hier laufen müssen«, sagte Dante.

Kacy seufzte und klappte die Sonnenblende herunter, um sich im Spiegel zu betrachten. Sie band die langen dunklen Haare zu einem Pferdeschwanz und prüfte ihr Make-up.

»Du siehst toll aus, Babe«, sagte Dante.

»Vielleicht nicht mehr, wenn ich erstmal zwei Meilen weit gelaufen bin.«

»Du siehst auch sexy aus, wenn du gelaufen bist.«

Sie widmete Dante einen weiteren bösen Blick, der sofort dahinschmolz, sobald der Blickkontakt hergestellt war. Er und sein dummes, herzerweichendes Grinsen!

»Komm, gehen wir«, sagte sie. »Wir sind schon spät dran.«

Sie stiegen aus und folgten dem Highway zu Fuß. Der Himmel war wolkenlos, und so blendete sie die frühe Morgensonne.

»Die suchen sich wirklich Scheißstellen aus, um uns abzuholen«, klagte Dante.

»Damit uns keine Journalisten folgen können.«

»Ein Journalist bräuchte nicht mehr zu tun, als uns oder deiner Freundin Suzy mit den hellroten Haaren zu folgen.«

»Ich vermute, da hast du recht«, räumte Kacy ein. »Aber seien wir mal ehrlich: Hätten sie uns vergangene Woche verfolgt, hätten sie eine Menge Zeit vergeudet.«

Die Hupe eines Busses zerriss die Luft. Dante packte Kacy und zog sie an den Straßenrand. Ein silberner Bus brauste auf dem Highway an ihnen vorbei.

»Scheiße!«, sagte Kacy. »Ich wette, das war unser Bus!«

Gold Star Catering hatte eine ganze Flotte von Bussen im Einsatz, und eines war in dem Zusammenhang garantiert: Weder war der Bus golden lackiert, noch fand man die Aufschrift Gold Star Catering irgendwo an ihm. Identifizieren konnte man ihn nur anhand des Nummernschilds. Einzig die Gastgeber erfuhren diese Nummer, das Gold-Star-Personal selbst hingegen nicht. Die Angestellten erkannten einen Gold-Star-Bus daran, dass immer derselbe Fahrer hinterm Steuer saß, ein fetter Typ namens Bubba, der stark schwitzte.

Dante ergriff Kacys Hand und zerrte sie die Straße entlang hinter dem Bus her. Zum Glück mussten sie nur etwa hundert Meter weit rennen, ehe ein Kombi sie einholte und neben ihnen anhielt. Kacy blickte hinein und entdeckte Chantelle, eine blonde Lady mittleren Alters, die zufällig zu den führenden Mitarbeitern von Gold Star gehörte. Chantelle hatte schon zwei weitere Angestellte der Firma auf der Rückbank. Sie beugte sich herüber und öffnete die Beifahrertür.

»Braucht ihr beiden eine Mitfahrgelegenheit?«, fragte sie.

»Scheiße, ja!«, antwortete Dante.

»Einer von euch muss sich hinten dazwischenquetschen, der andere kann den Beifahrersitz nehmen.«

Dante hielt die Beifahrertür für Kacy offen, und sie hüpfte ins Auto. Einer der Fahrgäste auf der Rückbank öffnete die hintere Tür für ihn, und er stieg ein und knallte die Tür zu, während Chantelle schon wieder losfuhr, dass die Reifen quietschend durchdrehten.

Dante betrachtete die anderen Fahrgäste auf der Rückbank. Er kannte beide nicht. Direkt neben ihm saß ein Mannsweib, das ein bisschen an den jungen Jon Voight erinnerte. Der andere war ein schmaler Kerl in den mittleren Dreißigern mit einer großen roten Dauerwelle.

»Seid ihr neu?«, fragte Dante sie.

»Jawohl«, sagte die Frau.

»Schön, euch kennenzulernen. Ich bin Dante, und die hübsche Lady da vorn ist meine Frau Kacy.«

Die Frau lächelte. »Ich bin Denise«, sagte sie. »Und das ist Henry. Wir sind gute Freunde Chantelles. Wir springen für zwei andere ein, die sich heute morgen krankgemeldet haben.«

»Oh, cool. Wer ist krank?«

Denise antwortete nicht. Sie tippte an die Lehne von Chantelles Sitz und wies sie an, die Musik lauter zu stellen. Ihre Fahrerin stellte sie auf EXTREM LAUT, sodass für den Rest der Fahrt jedes Gespräch unterbunden wurde.

Der Abholpunkt war der Parkplatz eines Megamarktes. Als sie dort eintrafen, war der Bus schon da und alle übrigen Gold-Star-Angestellten eingestiegen. Chantelle parkte ihren Kombi zwischen zwei BMWs und schaltete den Motor und damit dankenswerterweise auch die laute Musik aus.

»Scheint, als hätten wir es mit knapper Not geschafft«, sagte sie.

Dante sprang aus dem Kombi, öffnete die Beifahrertür und zerrte Kacy heraus, ehe sie bereit war.

»Weshalb so eilig?«, murrte sie.

Dante flüsterte ihr ins Ohr: »Schnell, der Bus ist schon beinahe voll. Ich möchte nicht neben jemand anderem sitzen.«

Kacy verstand seine Eile sofort. Sie hatten im Bus schon einmal getrennte Plätze nehmen müssen, und sie war auf einem beschissen kleinen Sitz neben Bubba gelandet. Bubba war ein netter Kerl, litt aber an fürchterlichen Blähungen, und nachdem Kacy eine halbe Stunde lang seine schweißnassen Fürze hatte riechen müssen, war ihr für den Rest des Tages übel gewesen. Diese Erinnerung beflügelte Dante und sie enorm, während sie über den Parkplatz zum Bus stürmten.

Sie zeigten Bubba ihre Ausweise durch die gläserne Vordertür des Busses, und der öffnete die Tür für sie. Zu ihrer Bestürzung war nur noch ganz vorn im Bus, direkt hinter dem Fahrer ein Zweiersitz frei. Dante, stets der zuvorkommende Ehemann, überließ Kacy den Fensterplatz für den Fall, dass Bubba stark Gewürztes zum Frühstück hatte.

Als Nächster stieg Henry ein. Er bestand darauf, den Notsitz vorn neben Bubba zu nehmen. Dante und Kacy stupsten einander an und kicherten, erheitert von der Vorstellung, wie Henry Bubbas Fürze die ganze Strecke lang ertragen musste.

Eine weitere Minute verging, ehe Denise allein in den Bus stieg. Sie entdeckte einen freien Platz auf halber Strecke und nahm Kurs darauf.

»Wo bleibt Chantelle?«, fragte Kacy, als Denise vorbeiging.

»Sie fühlt sich nicht gut«, sagte Denise. »Sie kommt später nach.«

Der Bus setzte sich in Bewegung und fuhr vom Parkplatz. Dabei kam er an Chantelles Kombi vorbei. Chantelle saß noch immer auf dem Fahrersitz. Für das ungeübte Auge sah es aus, als ob sie schlief. Viel später am Tag sollte jedoch einem Passanten auffallen, dass sie Käsedraht um den Hals trug. Denise hatte sie von der Rückbank aus erwürgt.

Chantelles Tod sollte sich an diesem Tag als der erste von vielen erweisen.

Drei Killer für ein Halleluja
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