♦ NEUNUNDZWANZIG

Rodeo Rex war zu seiner Zeit schon manch großem Kerl begegnet, doch Frankenstein war sicherlich der größte, den er seit einer ganzen Weile zu sehen bekommen hatte. Als er die Metallbolzen entdeckte, die aus Frankensteins Hals hervorstanden, glaubte er, dass er es entweder mit einem kostümierten Schauspieler oder einem Bekloppten mit einem Hang zu ungewöhnlichen Piercings zu tun hatte. So oder so war der Kerl die Ursache der ganzen Schießerei und der kreischenden Horden von Menschen, die aus der Akademie für Darstellende Kunst Reißaus nahmen. Und er hatte sich ein Mädchen über die Schulter geworfen. Das Mädchen, nach dem Rex suchte.

»Wer bist du?«, fragte Frankenstein.

»Ich bin Rodeo Rex. Wer zum Teufel bist du?«

Frankensteins Reaktion war rüpelhaft, um noch das Mindeste zu sagen. Er zückte eine Pistole, zielte auf Rex’ Herz und feuerte dreimal.

PENG!

PENG!

PENG!

Jeder normale Mensch wäre auf der Stelle tot gewesen, denn Frankenstein war ein Ass mit der Knarre. Aber Rex war kein normaler Mensch. Er besaß diese magnetische rechte Hand, die er jetzt anhob. Alle drei Kugeln wurden aus der Flugbahn gerissen und landeten perfekt in der behandschuhten Hand; Rex öffnete die Finger und ließ sie zu Boden fallen. Sie schlugen dort prasselnd auf und rollten in verschiedenen Richtungen über den Holzboden.

»Das haste nicht kommen sehen, was?«, fragte Rex und zog nun die eigene Pistole aus dem Hüftholster.

Frankenstein ließ Baby von der Schulter zu Boden plumpsen. Sie schlug mit dem Kopf auf das harte Holz der Bodendielen auf. Der restliche Körper legte einen Purzelbaum hin, und schließlich lag sie auf dem Rücken und starrte benommen an die Decke.

Frankenstein zielte erneut und feuerte unablässig auf Rex, bis der Ladestreifen leer war. Der Typ war ein Schwachkopf und in jeder Hinsicht so doof, wie er aussah. Anscheinend unfähig, aus den eigenen Fehlern zu lernen.

Rex fing erneut alle Kugeln mit der Magnethand ab. Als Frankenstein seine Waffe leergeballert hatte, drückte er noch eine Zeit lang weiter den Abzug durch, als wäre er verwirrt und könnte nicht kapieren, warum Rex nach wie vor auf den Beinen war. Rex warf den jüngsten Schwung Kugeln zu Boden, im Interesse des dramatischen Effekts diesmal eine nach der anderen. Insgesamt landeten acht Geschosse auf den Dielen und rollten davon.

»Danke, Volldepp«, sagte Rex. »Jetzt bin ich an der Reihe.«

Er legte den Six-Shooter auf Frankensteins Brust an, die ein ausnehmend großes Ziel abgab. Er feuerte drei Kugeln in rascher Folge ab, genau wie es Frankenstein bei seinem ersten Angriff getan hatte. Jede Kugel traf den Kerl an der Brust, aber der Aufprall warf ihn jeweils nur einen Schritt weit zurück. Kein Geschoss durchdrang seine Haut. Sie durchschlugen das graue T-Shirt prima und erzeugten Löcher im Stoff. So konnte Rex erkennen, dass er nicht danebengeschossen hatte. Aber obwohl das Shirt eindeutig in Mitleidenschaft gezogen war, hatte Frankenstein selbst nicht den kleinsten Kratzer abbekommen. Die Kugeln prallten von ihm ab und klapperten zu Boden.

»Was zum Geier?«, brummte Rex.

In all den Jahren, die er nun schon auf Menschen schoss, war Rex nie jemandem begegnet, der einer Kugel widerstehen konnte. Er war auf einige wenige gestoßen, die noch eine Zeit lang auf den Beinen geblieben waren, aber sie alle wiesen Löcher auf und bluteten. Dieser Typ hatte nicht mal eine Delle. Was zum Geier? Wohl wahr.

Frankenstein schätzte es ebenso wenig wie Rex, wenn man auf ihn schoss. Er schüttelte den Angriff ab und fand die Balance wieder. Er ließ die leere Pistole fallen, wölbte die Schultern nach hinten und ging auf Rex zu.

Rex feuerte seine letzten drei Kugeln auf Frankenstein ab (ohne die Ironie der Situation im Geringsten zu bemerken). Die ersten beiden erwischten den Riesen wieder an der Brust, und als sie keine Wirkung zeitigten, ballerte Rex ihm die letzte in der Hoffnung gegen den Kopf, dort auf eine Schwachstelle zu treffen. Er fand schnell heraus, dass es keine gab. Jeder einzelne Treffer trieb seinen Gegner auch dieses Mal nur einen Schritt weit zurück, aber die Kugeln landeten am Boden und gesellten sich dort zu den anderen.

Rex seufzte und steckte die Pistole ins Holster zurück.

»Na gut«, sagte er »also ein Faustkampf.«

Nun war Rex keine Niete, wenn es um eine körperliche Auseinandersetzung ging. Er hatte viele Jahre lang mit der bloßen Faust gekämpft und auf diese Weise sehr ordentlich verdient, wenn keine andere Arbeit angeboten wurde. Eine seiner Stärken war es, die Schwächen des Gegners aufzudecken. Er hatte einen scharfen Blick für jeden Mangel an Technik oder der körperlichen Verfassung des Gegners.

Frankenstein schwankte wie ein wütendes Nashorn auf ihn zu. Rex wusste sofort, wie der große Tölpel anzugehen war, denn Frankenstein war unbeweglich, schwerfällig und griff stur geradlinig an. Ein verbreiteter Fehler bei großen Kerlen. Die meisten seiner Gegner hatten im Verlauf der Jahre nicht erkannt, dass Rex ungeachtet seiner stattlichen Körpergröße flink und beweglich wie eine Ballerina war – nicht, dass er die kleinste Andeutung gut aufgenommen hätte, er könnte etwas mit jemandem gemein haben, der in Strumpfhosen herumtänzelt.

Rex hob die Fäuste und wartete darauf, dass ihm Frankenstein nahe kam. Als nur ein Meter sie noch trennte, streckte Frankenstein beide Hände nach Rex’ Hals aus. Der wich aus, indem er sich nach hinten beugte und lässig zur Seite trat, was den Eindruck erweckte, er bewege sich anders als sein Gegner im Schnelldurchlauf. Ehe Frankenstein richtig registrierte, dass er nur hohle Luft umklammerte, verpasste ihm Rex einen gewaltigen Aufwärtshaken mit der Metallhand.

KLANK!

Der Hieb landete auf perfekte Weise genau unter Frankensteins Kinn. Dem Riesentölpel flog der Kopf in den Nacken. Er tat einen Schritt nach hinten und dann einen weiteren, während er das Gleichgewicht zu behalten versuchte. Die schweren Füße halfen ihm dabei nicht.

»Wie fühlt sich das an, Drecksack?«, verhöhnte ihn Rex.

Frankenstein schüttelte sich wie ein nasser Hund und ging zu einem weiteren tapsigen Angriff über. Er marschierte auf Rex zu und holte zu einem rechten Haken aus, der nur wenig früher eintraf als ein Telegramm vom Nordpol. Rex duckte sich lässig, wich zur Seite aus und landete einen weiteren Kinnhaken.

KLANK!

Dieser Treffer wog noch schwerer als der erste. Er riss Frankenstein von den Beinen, sodass er rückwärts durch die Luft flog. Er landete fast zwei Meter weit entfernt flach auf dem Rücken und starrte an die Decke, nur wenige Schritte von Baby entfernt, die inzwischen auf den Knien lag und den Kampf mit benebelter Miene verfolgte.

»Keine Sorge, Süße«, sagte Rex. »Das ist in einer Sekunde vorbei.«

Rex ging zu Frankenstein hinüber und trat ihm die Hand weg, mit der er sich gerade hochzustemmen versuchte. Er umkreiste den gestürzten Tölpel und trat ihm jedes Mal die Gliedmaßen weg, wenn Frankenstein sie benutzen wollte, um wieder auf die Beine zu kommen.

»Wer zum Teufel bist du?«, fragte Rex. »Was willst du von dem Mädchen?«

Er wiederholte die Frage immer wieder, wurde aber von Frankenstein jedes Mal ignoriert, der sich nur darum bemühte, wieder aufzustehen.

Vielleicht wegen seiner brachialen Kraft und seiner Widerstandsfähigkeit gegen Kugeln, die ihn sonst schützten, war Frankenstein niemand, der schnell aus seinen Fehlern lernte. Es bestand keine Chance, dass er auf Rex’ Fragen antworten würde, solange er auf dem Rücken lag, und es bestand keine Chance, dass Rex ihm aufzustehen erlauben würde, solange er ihm nicht verriet, wer zum Teufel er war und was er von dem Mädchen wollte.

Und dann erfolgte die Ablenkung, die keiner von beiden erwartet hatte.

Baby schrie: »Joey!«

Rex hörte damit auf, Frankenstein zu umkreisen, und sah nach, was Babys Schrei zu bedeuten hatte. Ein Mann hatte den Saal durch einen Notausgang in der Ecke betreten.

Drei Killer für ein Halleluja
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