♦ DREIUNDDREISSIG
Baby kreischte: »O mein Gott!«
Jack wirbelte herum, wollte sehen, was sie so erschreckte. Als er es sah, war auch er erschrocken. Jasmine lag vor dem Sofa auf dem Bauch. Die sichtbare Gesichtshälfte war blutig und wies blaue Flecken auf, und ihre sonst so makellosen langen dunklen Haare waren mit Blut verklebt. Ihrem eigenen Blut. Ihr Bademantel lag auf der anderen Seite des Zimmers am Boden. Der BH war nirgendwo zu entdecken, und an ihrem Rücken sah er mehrere blutunterlaufene Stellen. Den schwarzen Slip hatte man ihr halb den Hintern heruntergezogen, und die Strümpfe hingen zerfetzt um ihre Knie.
Baby stürmte auf sie zu. »Jaz! Bist du okay?« Sie bückte sich und strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
Jack reagierte erstmal benommen auf den Anblick seiner schönen Partnerin, die inmitten einer blutigen Schweinerei auf dem Boden lag. Die Tüte mit dem chinesischen Essen entglitt ihm und fiel zu Boden. Sein erster Impuls war, Jasmine genau wie Baby zu Hilfe zu eilen, aber dann schalteten sich seine jahrelangen Erfahrungen ein. Was, wenn die Person, die das angerichtet hatte, noch im Apartment war? Sein Blick fiel auf die Schlafzimmertür. In seinem Kopf drängten sich die Gedanken, und am verstörendsten war der, dass er seine Schusswaffe nicht dabei hatte. Die lag auf dem Nachttisch im Schlafzimmer.
Er ging zögernd einen Schritt in diese Richtung. Weiter kam er nicht. Die Schlafzimmertür sprang auf, und ein Mann stürmte heraus, die Pistole auf Jack gerichtet. Jack erkannte ihn sofort. Es war Mozart, der Mann mit den vielen Gesichtern.
Mozart grinste ihn an und senkte die Schusswaffe ein Stück weit. Jack wusste, was jetzt kam. Die Pistole war mit einem Schalldämpfer ausgestattet. Er hörte den gedämpften Knall, konnte aber nicht sagen, ob er ihn hörte, bevor die Kugel ihm die Kniescheibe zerschlug, oder danach. Es tat entsetzlich weh. Er brach zusammen, als hätte ihm jemand das Bein zertrümmert, schlug sich den Kopf an der Wand hinter ihm an und schrie auf.
»Nett von dir, dich zu zeigen, Jack«, fand Mozart.
Ein Mannsweib in rotem Pulli und mit einer Justin-Bieber-Frisur tauchte hinter ihm auf. Sie drängte sich an Mozart vorbei, packte Baby und zerrte sie von Jasmine weg. Sie drückte Baby ein Taschentuch aufs Gesicht. Der Stoff war mit einem starken Betäubungsmittel versetzt, sodass Baby fast sofort das Bewusstsein verlor. Ihre Beine knickten ein, und sie fiel der Frau in die Arme.
»Gute Arbeit, Denise«, sagte Mozart. »Ruf Solomon an und sag ihm, dass wir Pincents Tochter haben.«
Denise holte ein Handy aus der Tasche und ging ein Stück zur Seite, um Solomon Bennett anzurufen.
Mozart wandte sich erneut Jack zu. »Also Jack, das ist wirklich nett von dir, hier aufzutauchen, und es ist noch netter, dass du Devons kleines Mädchen mitgebracht hast.«
Jack packte das zerschmetterte Knie mit beiden Händen und bemühte sich, den Blutfluss zu stoppen. Seine Jeans wies ein Loch auf, und das Blut strömte geradezu hindurch. Jack hatte seinerzeit schon schmerzhafte Situationen erlebt, aber ein Schuss in die Kniescheibe brachte die schlimmsten Qualen mit sich, die er bisher erlitten hatte.
»Was willst du?«, fragte er und verzog vor Schmerz das Gesicht.
Es war nicht Mozarts Stimme, die er als nächstes hörte. Es war Jasmines. Sie lebte noch, obwohl sie halbtot aussah, wie sie dort nur wenige Fuß von ihm entfernt auf dem Boden lag.
»Jack, es tut mir so leid«, stotterte sie. Sie klang wie betrunken. Trunken von den eingesteckten Schlägen, um es genauer zu sagen.
Er blickte ihr in die Augen. Sie schien so unter Schmerzen zu stehen, dass er für einen kurzen Moment die Qual der eigenen Verletzung vergaß. Selbst mit blutigem und zerschlagenem Gesicht war Jasmine nach wie vor die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Sie so grausam misshandelt zu sehen, schmerzte ihn mehr als irgendeine Folter, die Mozart ihm jetzt noch zufügen konnte. Jack musste für Jasmine stark bleiben.
»Keine Sorge, Jaz«, sagte er, »es wird alles gut.«
Mozart ragte über ihm auf. Er steckte sich die Waffe am Rücken in den Hosenbund. »Sieh dich an, Jack«, sagte er mit gehässiger Miene. »Du hältst dich für so clever, nicht wahr? Nur weil du das Gesetz auf deiner Seite hast, denkst du, dass du mit mehr Ehre handelst als der Rest von uns, wie? Aber ohne das Gesetz auf deiner Seite bist du ebenso schlecht wie die Leute, hinter denen du herspionierst, wenn nicht schlimmer.«
»Wovon redest du da?«
Jack konnte alles perfekt verstehen, was Mozart sagte, aber die Sicht verschwamm ihm immer wieder. Er verlor eine Menge Blut und fühlte sich matt. Er wusste aber auch, dass er um Jasmines und Babys willen wach bleiben musste.
Mit verschwommenem Blick sah er, dass ihm Mozart ein großes Messer mit gezackter Schneide vors Gesicht hielt.
»Wovon ich rede?«, fragte Mozart höhnisch. »Ich rede davon, dass du ein doppelgesichtiger Heuchler bist.«
»Lass wenigstens Jasmine gehen.«
»Du gibst mir keine Befehle, Jack. Hörst du mich?«
»Prima«, sagte Jack, dessen Gedanken wirbelten, was das Gespräch schwierig gestaltete. »Was willst du dann?«
Mozart packte Jacks Gesicht mit der freien Hand. Er drückte ihm Kiefer und Wangen fest zusammen. »Du willst wissen, was ich tun möchte?«, knurrte er und hielt Jack das eigene Gesicht direkt vor die Nase. »Ich möchte dein Gesicht – runternehmen!«