♦ ZEHN

Die letzten Tage von Operation Blackwash

(Fünf Jahre zuvor)

Teil 3 von 4

Solomon Bennett und Dr. Jekyll saßen auf einer Bank in einem militärischen Gefangenentransporter. Ihnen gegenüber hatte ein bewaffneter Wachmann Platz genommen und hielt sich bereit, sie zu erschießen, sollten sie einen Fluchtversuch unternehmen. Auf dem Boden in der Mitte des Trucks lag ein geschlossener schwarzer Leichensack mit Frank Grealish darin.

Die Fahrt verlief holprig, und in den ersten Minuten herrschte ein unbehaglicher Mangel an Konversation. Bennett war klar, was bevorstand. Man würde ihn und Jekyll beseitigen. Es wurde Zeit für einen Versuch, sich mittels Argumenten aus dieser Zwangslage zu befreien.

»Wissen Sie, wer ich bin?«, fragte er den Wachmann.

Der Wachmann starrte stur geradeaus und ignorierte ihn. Bennett musste in Rechnung stellen, dass er es ebenso halten würde, wenn die Rollen vertauscht wären. Es ist viel schwieriger, jemanden umzubringen, wenn man ihn erst besser kennengelernt hat.

»Ich bin Major Solomon Bennett. Wenn Sie uns aussteigen lassen, kann ich garantieren, dass wir verschwinden. Niemand wird uns je wiedersehen. Und ich kann außerdem dafür sorgen, dass ein Koffer voller Geld vor Ihrer Tür auftaucht.«

Der Wachmann ignorierte ihn weiterhin.

»Eine Million Kröten«, sagte Bennett und hoffte, damit wenigstens einen Funken Interesse hervorzurufen. »Okay, zwei Millionen, für Sie und Ihren Kumpel, der den Truck fährt.«

Als das Stichwort zwei Millionen fiel, erhellte sich der Blick des Wachmanns. Jeder hat seinen Preis, dachte Bennett und feixte innerlich.

Der Wachmann gab ihm mit einem Wink zu verstehen, dass er sich über den Zwischengang beugen sollte, damit er ihm etwas zuflüstern konnte. Bennetts Hände waren mit Handschellen auf den Rücken gefesselt. Das machte es in einem fahrenden Truck fast unmöglich aufzustehen, also reckte er den Hals vor und hielt dem Typen das Ohr hin.

Doch alles, was Bennett als Lohn für seine Mühen erhielt, war ein Hieb mit dem Pistolengriff auf den Hinterkopf. Das raubte ihm die Besinnung, und das Letzte, woran er sich erinnerte, war der Aufprall, als er mit dem Gesicht auf Frank Grealishs Leichensack landete.

Er blieb knapp zwanzig Minuten lang bewusstlos. In dieser Zeit glaubte er, hin und wieder Geräusche in der Umgebung wahrzunehmen. Es war ein ähnliches Gefühl, als wenn man während eines John-Woo-Films besoffen vor dem Fernseher döst. Sein Schlaf war durchsetzt von Schüssen, von Geschrei und etwas, das sich nach einem Auffahrunfall anhörte.

Als er schließlich zu sich kam, hämmerte es in seinem Schädel, als wäre ein Puls zwischen seine Schädeldecke und Kopfhaut eingequetscht und würde dort unablässig pochen. Er öffnete die Augen und sah, dass sich die Lage im hinteren Teil des Gefängnistrucks gravierend verändert hatte. Er saß wieder auf der Bank, mit dem Rücken an die Seitenwand gelehnt, aber er trug keine Handschellen mehr, und der Mann ihm gegenüber war inzwischen Henry Jekyll, nicht der elende Mistkerl von Wachmann, der ihm eins übergezogen hatte.

»Was zum Teufel ist passiert?«, fragte er.

Der Truck machte einen Hüpfer, schüttelte Bennetts Knochen durch und jagte seine Kopfschmerzen in stratosphärische Höhen.

»Wir sitzen in einem Gefangenentransporter«, antwortete Jekyll. »Erinnerst du dich nicht?«

»Tu nicht so arrogant, das steht dir nicht«, erwiderte Bennett und rieb sich den Hinterkopf. Er blickte zu Boden und stellte fest, dass Frank Grealishs Leichensack leer war. »Was geht hier vor?«, fragte er und zuckte vor Schmerzen zusammen, als sich die Realität des pochenden Schädels noch nachdrücklicher bemerkbar machte.

Henry Jekyll grinste. Das war zwar kein schöner Anblick, aber zumindest ein Zeichen dafür, dass ihre Lage nicht mehr so verzweifelt war wie noch vor zwanzig Minuten. »Es hat funktioniert, Solomon«, sagte er. »Es hat verdammt noch mal funktioniert!«

»Was hat funktioniert?«

»Rate mal, wer den Truck fährt.«

»Was?«

»Den Truck. Rate mal, wer ihn fährt!«

»Henry, ich hab mörderische Kopfschmerzen. Sag mir einfach, was zum Teufel hier abgeht.«

Jekyll beugte sich vor und hob den Leichensack hoch. »Sieh doch«, sagte er strahlend. »Unser Experiment war erfolgreich. Frank Grealish lebt! Und er fährt den Truck.«

Man konnte den Fahrer nicht aus dem hinteren Abteil sehen, das als fahrbare Gefängniszelle gedacht war, also blieb Bennett skeptisch.

»Was ist aus den Wachleuten geworden?«

»Du hättest es sehen sollen, Solomon. Es war alles so, wie wir es uns vorgestellt hatten.«

»Hör auf, in Rätseln zu sprechen. Was ist passiert?«

»Frank ist aufgewacht. Er war überhaupt nicht tot. Und als der Wachmann sah, wie sich der Leichensack bewegte, hat er ihn aufgemacht. Frank war am Leben!«

»Wie ist das möglich?«

»Zerbrich dir nicht den Kopf darüber. Ich hab ihm befohlen, die Wachleute umzubringen. Oh, Solomon, war das schön! Du hättest es sehen sollen. Er hat den Wachmann am Hals gepackt, und dann ist das Beste überhaupt passiert.«

Bennett vergaß seine Kopfschmerzen fürs Erste. »Wo sind die Wachleute jetzt?«, fragte er.

»Sie haben versucht ihn zu erschießen«, sagte Jekyll und klatschte wie ein glückseliger Seehund in die Hände. »Er hat vier Kugeln gegen die Brust bekommen, und sie sind alle abgeprallt. Unser Experiment hat funktioniert. Er ist kugelsicher!«

»Und die Männer?«

»Er hat sie beide umgebracht. Hat dem ersten die Kehle zerdrückt, während dieser ihm einen Schuss in die Brust versetzt hat. Der Fahrer ging in die Eisen, hat die Hecktür aufgerissen und drei Schüsse auf Frank abgefeuert. Doch der hat sie einfach abgeschüttelt und sich die Knarre des anderen geschnappt. Und dann PENG! Beide Männer sind tot. Und du und ich, wir haben den kugelsicheren Soldaten, den wir immer wollten.«

»Was habt ihr mit den Leichen angestellt?«

»Wir haben sie am Straßenrand abgeladen, und dann habe ich Frank gesagt, er solle uns wie der Teufel von hier wegfahren!«

Bennett rieb sich erneut den Kopf. »Okay, mal kurz zurück«, sagte er. »Vor einer Stunde hatte Frank keinen Puls mehr. Ich meine, er war tot! Das haben wir alle gesehen.«

»Er war nicht tot. Er hat einfach während der Transplantation der Haut das Bewusstsein verloren. Wahrscheinlich konnten wir seinen Puls durch seine kugelsichere Haut bloß nicht ertasten. Und er kann durch die Bolzen in seinem Hals atmen, also ist er nicht nur unbesiegbar, sondern kann auch noch toter Mann spielen!«

Bennett konnte sich diesmal ein Lächeln nicht verkneifen. »Das ist unglaublich«, sagte er. »Wir haben uns einen echten lebendigen Frankenstein gebastelt.«

»Das ist meine bislang beste Erfindung«, sagte Jekyll. »Wenn wir an mehr Mistralyt kommen, könnten wir uns noch mehr von der Sorte machen. Es ist die tollste militärische Erfindung der Geschichte. Ein unbesiegbarer Attentäter!«

»Seien wir lieber nicht vorschnell«, wandte Bennett ein. »Zunächst sollten wir aus dem Land verschwinden, ehe Calhoon herausfindet, dass wir entkommen sind.«

Drei Killer für ein Halleluja
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