♦ DREI
Jack Munsons Aufgabe in Rumänien bestand darin, seinen früheren Freund und Kollegen Solomon Bennett sowie Beweise für dessen Hiersein zu finden. Das klang eigentlich nach einer langweiligen Aufgabe, aber wie sich zeigte, hatte er auf keinem Einsatz je so viel Spaß gehabt wie auf diesem. Dafür verantwortlich war seine Reisegefährtin, die entzückende und etwas durchgeknallte Ex-Nutte Jasmine. Er hatte nicht erwartet, so gut mit ihr auszukommen, aber sie hatte sich viel müheloser um sein Herz geschlungen, als er für möglich gehalten hatte.
Anfänglich hatte es ihm widerstrebt sie mitzunehmen, aber sie hatte ihm dermaßen die Hölle heißgemacht, weil er ihr Zuhause niedergebrannt und sie obdachlos gemacht hatte, dass er beschloss, sie nicht im Stich zu lassen. Wie sie allerdings den Beaver Palace jemals als Zuhause hatte betrachten können, das ging über seinen Verstand hinaus. Es war ein furchtbares Etablissement gewesen, voller junger Frauen, die ohne ihr Einverständnis dort festgehalten und zu sexuellen Dienstleistungen gezwungen wurden. Es niederzubrennen, das war das Beste, was dieser Bude und Jasmine je widerfahren war. Und außerdem hatte sie Jack versprochen, ihn jeden Morgen mit einem Blowjob und dem weltbesten Frühstück zu wecken, wenn er sie nach Rumänien mitnahm. Was das Frühstück anging, hatte sie allerdings gelogen, es sei denn, man betrachtete verbrannten Toast als Delikatesse.
Etliche Jahre lang, ehe ihm Devon Pincent den rumänischen Job gab, hatte Munson allein gelebt, und in den meisten Nächten hatte ihm nur eine Flasche Rum Gesellschaft geleistet. Dadurch hatte er vergessen, wie sehr er weibliche Gesellschaft genoss. Und Jasmine war ungeachtet des verbrannten Frühstücks zweifellos die lustigste Person, der er je begegnet war. Sie verfügte über grenzenlose Energie und eine kindliche Begeisterung für schier alles.
Da sie fast ihr ganzes bisheriges Leben als Nutte in B Movie Hell verbracht hatte, fehlte es ihr an Erfahrung mit so vielen tollen Sachen im Leben. Jetzt saugte sie all die neuen Erfahrungen, die Rumänien ihr zu bieten hatte, regelrecht auf.
Was ihr am meisten Spaß machte, war die verdeckte Arbeit als Spionin. Munson hatte ihr ein paar Tipps gegeben und ihr gezeigt, wie sie sich zu wehren vermochte, falls sie in Schwierigkeiten geriet. Was er ihr jedoch nicht hatte beibringen müssen und wofür sie eine unglaubliche Begabung besaß, war: Männern Informationen zu entlocken. Sie war geschickt darin, ausschließlich männlich besetzte Einrichtungen zu infiltrieren und Informationen zu gewinnen. Sie fing zunächst mit einfachen Sachen an; gewöhnlich befragte sie den besoffensten oder hässlichsten Mann vor Ort, um zu bestimmen, ob er irgendwas von Solomon Bennett gehört hatte. Mit der Zeit vollendete sie jedoch ihre Technik bis zu dem Punkt, wo sie nur fünf Minuten mit einem Politiker im selben Zimmer verbringen musste, um anschließend genug für den Sturz der ganzen Regierung zu wissen.
Seit sie jedoch Solomon Bennetts Versteck entdeckt hatte, verbrachte Jasmine dort immer mehr Zeit, sodass Jack allein in ihrer Mietwohnung saß und sich rumänisches Fernsehen ansah. Und rumänisches Fernsehen war nicht gut. Gar nicht gut. Auf keinem einzigen Sender lief eine Show, die ihn von der Tatsache hätte ablenken können, dass Jasmine allein arbeitete und Solomon Bennetts Männern sexuelle Gefälligkeiten im Austausch für Informationen erwies. Je öfter sie nicht da war, desto mehr vermisste Jack sie. Und je mehr er darüber nachdachte, wie sie anderen Männern sexuelle Gefälligkeiten erwies, desto eifersüchtiger wurde er. Ihr machte das nichts aus; sie mochte Kerle, und sie mochte es, deren Mienenspiel zu betrachten, wenn sie sie zum Höhepunkt führte. Und anfänglich hatte sich Jack auch nicht daran gestört. Das war jedoch, ehe er sich bis über beide Ohren in sie verliebt hatte.
Sie übte überdies einen positiven Einfluss auf ihn aus. Sogar die Trinkerei hatte er inzwischen im Griff und trank nie einen Tropfen, wenn er allein war. Sich mit Jasmine gemeinsam zu besaufen, das hätte er jederzeit gern getan, weil es so verdammt viel Spaß machte. Er wusste jedoch eins: Wenn er anfing, in Jasmines Abwesenheit Rumflaschen zu polieren als Ausgleich für seine Einsamkeit, dann hätte Jasmine ihn bald als das erkannt, was er früher mal gewesen war: ein beschissener Säufer voller Selbstmitleid.
Heute sollte jedoch ihre letzte Nacht in Rumänien sein. Denn Jasmine hatte herausgefunden, dass Bennett und seine Leute am nächsten Tag in die USA reisen wollten. Das Stichwort für Jasmine und Jack, ebenfalls die Zelte abzubrechen.
Um zwei Uhr früh kehrte sie von der großen Abschiedsparty zurück, die Bennett für seine Leute geschmissen hatte. Jack lümmelte vor dem Fernseher; er steckte in seinem goldenen Rocky-Balboa-Bademantel und hatte die Füße auf den Tisch gelegt. Als er den Schlüssel im Türschloss hörte, sprang er auf und stürmte Richtung Eingang. Jedes Mal, wenn Jasmine nach Hause kam, fürchtete er das Schlimmste und sorgte sich, dass sie vielleicht verletzt worden war. Aber sie war nie auch nur mit einem Kratzer oder blauen Fleck zurückgekehrt. Auch heute Abend war das nicht anders.
Sie spazierte in einem langen braunen Regenmantel, schwarzen Lederboots und einem breiten Grinsen im Gesicht herein. »Hallo, Soldat!«, sagte sie und gab ihm einen dicken Schmatzer. Jack schlang seine Arme um ihre Taille und zog sie fest an sich. Jasmine roch immer gut, egal, was sie getrieben hatte. Die langen dunklen Haare dufteten nach Pfirsichen, ob es nun früh am Morgen oder spät am Abend war.
»Was soll der Regenmantel?«, fragte er.
Jasmine öffnete den Gürtel, den sie um die Taille geschlungen hatte. Der Mantel klappte auf, und Munson bekam seinen Lieblingsanblick geboten: Sie war unter dem Mantel vollkommen nackt. Abgesehen von den kniehohen Lederstiefeln.
»Wie zum Teufel ist es dazu gekommen?«, fragte er. Doch er wusste bereits, dass es eine gute Story sein würde, wenn auch nicht unbedingt von der Art, bei der er jede Einzelheit erfahren wollte.
»In Anbetracht des Umstandes, dass sie mich heute Abend zum letzten Mal gesehen haben, haben mich diverse von Bennetts Schergen gefragt, ob sie meine Klamotten als Souvenirs behalten dürfen.«
»Verdammt!«
»Genau. Zum Glück hat mir jemand zum Abschied diesen Mantel gegeben.« Sie griff in eine Manteltasche und holte eine Flasche Rum hervor. »Ich dachte, wir sollten feiern.«
Munson musterte die Flasche. »Scheiße, ich liebe dich, Jaz!«
Sie küsste ihn erneut, zog den Mantel aus und hängte ihn auf einem Kleiderbügel an die Wand. Munson sah ihrem wackelnden Hintern zu, während sie ins Wohnzimmer ging. Er war noch immer gebannt davon, als sähe er ihn gerade zum ersten Mal. Jasmine plumpste vor dem Fernseher auf die Couch und begann damit, ihre Boots zu öffnen. Jack überlegte, ob er zwei Gläser aus der Küche holen sollte, entschied sich aber dagegen. Vielmehr ging er schnurstracks zum Sofa und setzte sich neben Jasmine.
»Also, was hast du heute Abend herausgefunden?«, fragte er. »Überhaupt irgendwas?«
Jasmine schleuderte einen ihrer Stiefel quer durchs Zimmer. »Ich sag dir was«, erzählte sie. »Es ist nur gut, dass dieser Auftrag vorbei ist, denn heute Abend hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass sie mich im Verdacht haben.«
»Was? Wie kommst du darauf?«
»Ein neuer Typ ist aufgetaucht und hat mich die ganze Zeit mit Fragen gelöchert.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, warum ein amerikanisches Mädchen als Nutte in Rumänien arbeitet.«
»Was hast du ihm erzählt?«
»Nichts. Ich hab ihm nur den Schwanz gelutscht, allerdings gerade mal etwa fünf Sekunden lang. Mann, der Typ hatte es nötig!«
»Fünf Sekunden?«
»Wirklich. Er hat ewig im Knast gesessen, ehe Bennetts Leute ihn da rausgeholt haben. Sie wollen, dass er ihnen bei etwas Großem hilft. Er soll Bennetts rechte Hand bei irgendeiner Aktion sein.«
»Und wie heißt dieser Typ?«
»Mozart.«
»Mozart?«
»Yeah, einfach Mozart. Er hat keinen weiteren Namen. Ich hab gefragt.«
Jack wusste genau, wer Mozart war und weshalb er im Knast gesessen hatte. Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken, als er hörte, dass Jasmine gerade mit ihm zusammen gewesen war. »Dieser Typ hat dir doch nichts getan, oder?«
»Nichts Ungewöhnliches. Wieso?«
»Nur so. War Frankenstein heute Abend auch dort?«
Jasmine schüttelte den Kopf. »Nein, er ist selten dort, und selbst wenn er mal auftaucht, sagt er kaum etwas. Und soweit ich feststellen kann, vögelt er auch nicht. Niemand kommt an ihn ran, und ein paar haben es versucht, das kann ich dir versichern.«
Sie schleuderte den zweiten Stiefel durchs Zimmer und nahm die Flasche Rum zur Hand, die sie seitlich neben das Sofakissen geklemmt hatte. Sie schraubte den Deckel ab und bot Jack die Flasche an. Er lehnte ab.
»Du solltest den ersten Schluck nehmen«, sagte er. »Ich denke, dass du es dir verdient hast.«
Jasmine kuschelte sich an ihn und zog die Füße aufs Sofa. »Ich bin okay«, sagte sie. »Ich hatte schon ein paar Drinks. Du kannst anfangen, Baby.«
Jack nahm ihr die Flasche aus der Hand und gönnte sich einen Mund voll. Es war billiger Rum, aber Rum war Rum, und er ging runter wie Öl. »Also, was ist heute Abend sonst noch passiert?«, erkundigte er sich.
»Da war diese Champagnerflasche, niemand durfte etwas davon trinken. Dann wurden jedoch Dorina und Nicoleta in Bennetts Privatzimmer geführt. Der Champagner wurde wenig später auch dort hineingebracht. Es fiel mir auf, weil ich darauf geachtet habe, was dieser Mozart anstellt, und der begleitete die Flasche ins Zimmer. Als ich ihn später danach gefragt habe, reagierte er aber sehr komisch. Eine Frau namens Denise hat mir dann erzählt, der Champagner wäre vergiftet gewesen. Anscheinend haben sie vor, einen ganzen Haufen reicher Leute mit diesem Zeug auszuschalten, sobald sie in Amerika sind.«
»Vergifteter Champagner? Hast du mitgekriegt, wie die Marke heißt?«
»Nein, aber er wurde von diesem gruseligen Doktor hergestellt. Dem Typen war ich vorher auch noch nie begegnet.«
»Was für ein gruseliger Doktor?«
»Lach nicht, aber er heißt Dr. Jekyll.«
Jack runzelte die Stirn und dachte kurz nach. »Hast du Dr. Jekyll gesagt?«
»Genau.«
»Hatte dieser Typ lockige rote Haare?«
Jasmine streckte die Hand aus und nahm ihm die Flasche Rum ab. Sie trank einen kräftigen Schluck. »Er hat die rötesten Haare überhaupt«, sagte sie. »Und anscheinend hat er einem der Mädchen auch erzählt, er wäre ein Nachfahre des richtigen Dr. Jekyll.«
»Ich denke nicht, dass der richtige Dr. Jekyll jemals gelebt hat.«
»Ich erzähle dir nur, was ich gehört habe.« Jasmine stellte die Flasche auf den Couchtisch. Sie stieg auf Munsons Schoß und schlang die langen braunen Beine um ihn. »Er ist Dr. Jekylls Ur-urururenkel«, sagte sie und öffnete Jacks Bademantel.
»Er denkt vielleicht, er wäre das«, wandte Jack ein, »aber er ist es nicht. Ich kenne den Typ, von dem du da redest, und er ist ein verblendeter Irrer.«
»Dann reden wir lieber nicht mehr über ihn«, meinte Jasmine und fuhr mit der Hand zu seinem Glied hinab. »Der Typ hat eine rote Dauerwelle und erinnert mich an dieses Mädchen, das Annie im Musical gespielt hat.«
Munson strich mit der Hand an ihrem Rücken hinab und starrte auf ihre Brüste. Ihre Haut war so geschmeidig.
»Du hast recht«, sagte er. »Ich möchte auch nicht an Annie denken.«
Jasmine umfasste sein Glied und legte damit los, ihn zu streicheln, wobei sie auf eine Art zu Werke ging, dass Jack scharf Luft holen musste. Sie hatte gerade ordentlich Druck aufgebaut, als sie unvermittelt aufhörte.
»Warum hast du eigentlich nicht auf meine Nachricht geantwortet?«, fragte sie.
Jack öffnete die Augen. »Welche Nachricht?«
»Ich hab ein Foto von diesem Frankenstein gemacht und es dir zusammen mit einer lustigen Bemerkung geschickt.«
Jack schnitt notorisch schlecht dabei ab, die Nachrichten auf seinem Handy zu checken. Gewöhnlich lag das daran, dass er sich nicht erinnern konnte, wo er es hingelegt hatte.
»Wo zum Teufel ist mein Telefon?«, brummte er.
Jasmine entdeckte es. Es war da, wo es so oft zu finden war, nämlich seitlich in der Sofaritze steckend. Sie griff mit der freien Hand danach. Jack schloss erneut die Augen, während Jasmine ihn weiter mit einer Hand streichelte und mit der anderen seine Nachrichten durchging.
»Da ist sie ja!«, sagte sie aufgeregt.
Jack öffnete die Augen. Jasmine hielt ihm das Handy vor die Nase. Das Foto auf dem Display zeigte einen Mann mit seitlich in den Hals montierten Bolzen. Darunter stellte Jasmines geistreicher Text fest: »Dieser Typ sieht aus wie du am Morgen.«
Jack entriss ihr das Telefon und betrachtete das Gesicht auf dem Display. »Das ist Frank Grealish!«
»Kennst du ihn?«, fragte Jasmine.
»Woher hast du dieses Bild?«
»Ich habe es heute aufgenommen.«
»Das ist unmöglich!«, behauptete Jack und starrte weiter das Foto an. »Dieser Typ ist seit fünf Jahren tot.«