♦ NEUNUNDFÜNFZIG
Mikeys kopflose Leiche knickte schließlich in den Knien ein und brach zusammen. Blut quoll weiter aus seinem Hals und lief inzwischen die Treppe hinunter. Mikeys verbliebene Kameraden waren allesamt wie betäubt. Anders als Joey hatten sie noch nie gesehen, wie einem Menschen der Kopf förmlich von den Schultern flog und in Brei verwandelt an eine Wand spritzt. Somit hatte Joey einen leichten Vorteil gewonnen, wusste er doch genau, was hier geschah.
Die Ablenkung der Gegner ermöglichte ihm, den gedanklich gefassten Angriffsplan auszuführen. Er trat an den Skinhead hinter ihm heran, wirbelte herum und rammte ihm den Handballen unter den Kiefer. Die Zähne des Skinheads zersplitterten, und Blut, versetzt mit Zahnsplittern, schoss ihm aus dem Mund. Der Hieb raubte dem Kerl das Bewusstsein, noch ehe er am Boden aufschlug. Joey entriss ihm die Pistole und drehte sich zu den verbliebenen Kerlen um.
Klatsch!
Der Kopf eines weiteren falschen Caterers flog wie eine rote Windbö an Joeys Gesicht vorbei und klatschte an die Wand, nicht weit von der Stelle, an der Mikeys Kopf gelandet war.
Peng!
Joey ballerte dem nächststehenden Gegner aus kurzer Distanz in den Hinterkopf.
Peng!
Er streckte einen weiteren mit einer Kugel ins Gesicht nieder.
Zwei Schergen blieben übrig. Sie hatten keinen Fluchtweg und standen beide wie gelähmt da. Einer von ihnen ließ die eigene Waffe zu Boden fallen und kapitulierte mit erhobenen Händen. Sein Kumpan erkannte offenbar die Vorzüge dieser Idee und tat es ihm nach.
Das war für den Bourbon Kid das Signal, sich zu zeigen. Er war hinter der Eingangstür versteckt gewesen, betrat nun das Haus und durchquerte den Metalldetektor, der angesichts des riesigen metallischen Arsenals unter dem langen schwarzen Mantel des Kid durchschmorte. Der Kid hielt eine scheißdicke Knarre in der Hand und zielte damit auf einen der Kerle auf der Treppe.
Der rief: »Es ist okay, wir ergeben uns!«
Klatsch!
Sich zu ergeben war keine Option, wenn der Bourbon Kid im Blutrausch war. Der Typ, der gerufen hatte, verlor den Kopf auf die gleiche Weise wie die anderen, nur spritzte der Mulch aus Gehirn, Schädel, Gesicht und Haaren auf Brust und Gesicht seines Kumpels, der ein paar Stufen höher stand. Dieser wiederum, ein schlaksiger Typ mit kurzgeschnittenen blonden Haaren, fiel auf die Knie und spuckte Blut aus, das ihm in den Mund geraten war, als der Kopf seines Freundes hochging.
Der Bourbon Kid rief zu Joey hinauf: »Möchtest du diesen letzten Kerl killen?«
Selbst unter dem ganzen Matsch im Gesicht war deutlich zu sehen, dass dieser Typ schreckliche Angst hatte. Joey senkte die Knarre und stopfte sie sich hinten in den Hosenbund. Er bückte sich, hob die Maske des Roten Irokesen auf und setzte sie auf. Es fühlte sich gut an, sie wieder zu tragen. Sobald sie sicher und bequem saß, schritt er die Treppenstufen zu dem letzten von Bennetts Gefolgsleuten hinab.
Joey blieb drei Stufen oberhalb des entsetzten Gefangenen stehen und holte zu einem Karatetritt aus, der satt gegen das Kinn des Typen krachte. Dem flog der Kopf in den Nacken, und außerdem riss ihn die Wucht des Tritts von den Beinen. Wie ein Turner schlug er Purzelbäume die Treppe hinab. Als er auf halbem Weg nach unten mit der Schulter auf eine Stufe prallte, flogen ihm die Beine über den Kopf hinweg, sodass er am Fuß der Treppe unsicher auf den Füßen landete. Er kippte nach vorn und landete damit voll vor dem Schnellzug, der als die Faust des Bourbon Kid bekannt war. Erneut flog ihm der Kopf in den Nacken, wurde ihm fast von den Schultern gerissen. Als er rücklings auf der Treppe landete, war dies das Ende des ersten Aktes.
Die Treppe war mit Leichen übersät, manche ohne Kopf, manche nicht, aber alle ganz schön übel zugerichtet. Joey hüpfte auf das glänzende, hölzerne Treppengeländer, rutschte darauf nach unten und sprang neben dem Bourbon Kid zu Boden.
»Schön, dich endlich mit der Maske zu sehen«, sagte der Kid. »Aber was hat es mit dieser beschissenen Musik auf sich?«
»Ich habe Jasmine gebeten, etwas von John Carpenter aufzulegen.«
»Typisch.«
Joey hatte noch keine Gelegenheit gefunden, sich die Knarre des Kids mal genauer anzusehen. Sie war ein eindrucksvolles Stück schwerer Artillerie.
»Was ist das für eine Knarre?«, fragte er. »Könnte man damit Frankenstein umbringen?«
Der Kid schüttelte den Kopf. »Hab ich schon probiert.«
»Nun, ich habe mir überlegt, wenn wir ihn dazu kriegen, dass er den Mund aufmacht, da dürfte er am verwundbarsten sein. Ich bin ein ziemlich guter Schütze und …«
»Schon probiert.«
Joey runzelte unter der Maske die Stirn. »Wann hast du das alles ausgetestet?«
»Heute Morgen.«
»Und was ist passiert?«
»Es hat eine Zeit lang gedauert, aber ich habe schließlich eine Möglichkeit gefunden, ihn zu killen.«
»Wie kommt es dann, dass er noch lebt?«
»Er ist auf sein Motorrad gestiegen und abgehauen.«
»Na ja, jetzt ist er hier, im Speisesaal. Also gehen wir lieber hin und erledigen ihn!«
Joey hob zwei halbautomatische Pistolen vom Typ Browning 9 mm von der Treppe auf. Er sah nach, ob sie auch geladen waren, während sich der Kid wieder mal eine Zigarette anzündete.
»Bist du bereit?«, fragte Joey.
»Sehe ich bereit aus?«
»Yeah. Dann gehen wir mal alle umbringen.«
Der Rote Irokese und der Bourbon Kid folgten Seite an Seite dem Flur zum Speisesaal. Obwohl dessen Türen geschlossen waren, hörten sie eine Menge Lärm von dort kommen.
»Also, wie bringen wir Frankenstein um?«, wollte Joey wissen. »Du solltest es mir lieber gleich sagen, für den Fall, dass dir was zustößt.«
Der Kid griff unter die Jacke und holte einen kleinen Gegenstand hervor. »Das hilft dabei.«
»Wie?«
Der Kid blies Rauch aus der Nase. »Darauf kommst du schon«, sagte er.
Sie blieben vor der zweiflügeligen Tür zum Speisesaal stehen. Sie war schon dermaßen von Kugeln durchsiebt, dass sie nicht mehr als Deckung taugte.
»Ich bin bereit, wenn du es bist«, sagte Joey.
»Warte mal ’ne Sekunde.« Der Kid ließ die Zigarette auf den Boden fallen und starrte zur Empfangshalle zurück, als würde er dort etwas sehen.
»Was ist los?«, fragte Joey.
»Hörst du das auch?«
Joey hielt inne und lauschte. Die Schüsse im Speisesaal waren verstummt. Karen Carpenter sang leider weiter. Da war jedoch noch etwas anderes zu hören. Zuerst war es nicht laut genug, den Gesang zu übertönen, aber das würde sich bald ändern.