Voltaire

geboren 1694, gestorben 1778

In der besten Zeit dieses außerordentlichen Mannes war es zum höchsten Bedürfnis geworden, Göttliches und Menschliches, Himmlisches und Irdisches vor das Publikum überhaupt, besonders vor die gute Gesellschaft zu bringen, um sie zu unterhalten, zu belehren, aufzuregen, zu erschüttern. Gefühle, Taten, Gegenwärtiges, Vergangnes, Nahes und Entferntes, Erscheinungen der sittlichen und der physischen Welt, von allem mußte geschöpft, alles, wenn es auch nicht zu erschöpfen war, oberflächlich gekostet werden.

Voltairens großes Talent, sich auf alle Weise, sich in jeder Form zu kommunizieren, machte ihn für eine gewisse Zeit zum unumschränkten geistigen Herrn seiner Nation. Was er ihr anbot, mußte sie aufnehmen; kein Widerstreben half: mit aller Kraft und Künstlichkeit wußte er seine Gegner beiseitezudrängen, und was er dem Publikum nicht aufnötigen konnte, das wußte er ihm aufzuschmeicheln, durch Gewöhnung anzueignen.

Als Flüchtling fand er in England die beste Aufnahme und jede Art von Unterstützung. Von dorther zurückgekehrt, machte er sich’s zur Pflicht, das Newtonische Evangelium, das ohnehin schon die allgemeine Gunst erworben hatte, noch weiter auszubreiten und vorzüglich die Farbenlehre den Gemütern recht einzuschärfen. Zu diesen physischen Studien scheint er besonders durch seine Freundin, die Marquise Du Châtelet, geführt worden zu sein, wobei jedoch merkwürdig ist, daß in ihren Institutions physiques, Amsterdam 1742, nichts von den Farben vorkommt. Es ist möglich, daß sie die Sache schon durch ihren Freund für völlig abgetan gehalten, dessen Bemühungen wir jedoch nicht umständlich rezensieren, sondern nur mit wenigem einen Begriff davon zu geben suchen.

Elémens de la philosophie de Newton mis à la portée de tout le monde. Amsterdam 1738.

In der Epistel an die Marquise Du Châtelet heißt es:

Il déploye à mes yeux par une main savante

De l’Astre des Saisons la robe étincelante.

L’émeraude, l’azur, le pourpre, le rubis,

Sont l’immortel tissu dont brillent ses habits.

Chacun de ses rayons dans sa substance pure,

Porte en soi les couleurs dont se peint la Nature,

Et confondus ensemble, ils éclairent nos yeux,

Ils animent le Monde, ils emplissent les Cieux.

Der Vortrag selbst ist heiter, ja mitunter drollig, wie es sich von Voltairen erwarten läßt, dagegen aber auch unglaublich seicht und schief. Eine nähere Entwickelung wäre wohl der Mühe wert. Fakta, Versuche, mathematische Behandlung derselben, Hypothese, Theorie sind so durcheinander geworfen, daß man nicht weiß, was man denken und sagen soll, und das heißt zuletzt triumphierende Wahrheit.

Die beigefügten Figuren sind äußerst schlecht. Sie drücken als Linearzeichnungen allenfalls die Newtonischen Versuche und Lehren aus; die Fensterchen aber, wodurch das Licht hereinfällt, und die Puppen, die zusehen, sind ganz sinn- und geschmacklos.

Beispiele von Voltaires Vorurteilen für Newton

Brief an Herrn Thiriot den 7ten August 1738

»Wenn man Herrn Algarotti den behauptenden Ton vorwirft, so hat man ihn nicht gelesen. Viel eher könnte man ihm vorwerfen, nicht genug behauptet zu haben; ich meine, nicht genug Sachen gesagt und zu viel gesprochen zu haben. Übrigens, wenn das Buch nach Verdienst übersetzt ist, so muß es Glück machen.«

»Was mein Buch betrifft (Elémens de la philosophie de Newton), so ist es bis jetzt das erste in Europa, das parvulos ad regnum coelorum berufen hat: denn regnum coelorum ist Newton; die Franzosen überhaupt sind parvuli genug. Mit Euch bin ich nicht einig, wenn Ihr sagt, es seien neue Meinungen in Newtons Werken. Erfahrungen sind es und Berechnungen, und zuletzt muß die ganze Welt sich unterwerfen. Die Regnaults und Castels werden den Triumph der Vernunft auf die Länge nicht verhindern.«

In demselben Briefe

»Der Pater Castel hat wenig Methode, sein Geist ist das Umgekehrte vom Geiste des Jahrhunderts. Man könnte nicht leicht einen Auszug verworrener und unbelehrender einrichten.«

Brief an Herrn Formont den 1. April 1740

»Also habt Ihr den unnützen Plunder über die Färberei gelesen, den Herr Pater Castel seine Optik nennt. Es ist lustig genug, daß er sich beigehen läßt zu sagen: Newton habe sich betrogen, ohne es im mindesten zu beweisen, ohne den geringsten Versuch über die ursprünglichen Farben gemacht zu haben. Es scheint, die Physik will nun drollig werden, seitdem es die Komödie nicht mehr ist.«

Algarotti

geboren 1712, gestorben 1774

Stammend aus einem reichen venezianischen Kaufmannshause, erhielt er bei sehr schönen Fähigkeiten seine erste Bildung in Bologna, reiste schon sehr jung, und kam im zwanzigsten Jahre nach Paris. Dort ergriff auch er den Weg der Popularisation eines abstrusen Gegenstandes, um sich bekannt und beliebt zu machen. Newton war der Abgott des Tages, und das siebenfarbige Licht ein gar zu lustiger Gegenstand. Algarotti betrat die Pfade Fontenelles, aber nicht mit gleichem Geist, gleicher Anmut und Glück.

Fontenelle steht sowohl in der Konzeption als in der Ausführung sehr viel höher. Bei ihm geht ein Abbé mit einer schönen Dame, die aber mit wenig Zügen so geschildert ist, daß einem kein Liebesverhältnis einfallen kann, bei sternhellem Himmel spazieren. Der Abbé wird über dieses Schauspiel nachdenklich; sie macht ihm Vorwürfe, und er macht ihr dagegen die Würde dieses Anblicks begreiflich. Und so knüpft sich das Gespräch über die Mehrheit der Welten an. Sie setzen es immer nur abends fort und der herrlichste Sternhimmel wird jedesmal für die Einbildungskraft zurückgerufen.

Von einer solchen Vergegenwärtigung ist bei Algarotti keine Spur. Er befindet sich zwar auch in der Gesellschaft einer schönen Marchesina, an welche viel Verbindliches zu richten wäre, umgeben von der schönsten italienischen Gegend; allein Himmel und Erde mit allen ihren bezaubernden Farben bieten ihm keinen Anlaß dar, in die Materie hinein zu kommen; die Dame muß zufälligerweise in irgendeinem Sonett von dem siebenfachen Lichte gelesen haben, das ihr denn freilich etwas seltsam vorkommt. Um ihr nun diese Phrase zu erklären, holt der Gesellschafter sehr weit aus, indem er, als ein wohlunterrichteter Mann, von der Naturforschung überhaupt und über die Lehre vom Licht besonders manches Historische und Dogmatische recht gut vorbringt. Allein zuletzt, da er auf die Newtonische Lehre übergehen will, geschieht es durch einen Sprung, wie denn ja die Lehre selbst durch einen Sprung in die Physik gekommen. Und wer ein Buch mit aufmerksamer Teilnahme zu lesen gewohnt ist, wird sogleich das Unzusammenhängende des Vortrags empfinden. Die Lehre kommt von nichts und geht zu nichts. Er muß sie starr und steif hinlegen, wie sie der Meister überliefert hat.

Auch zeigt er sich nicht einmal so gewandt, die schöne Dame in eine dunkle Kammer zu führen, wohin er ja allenfalls, des Anstands und selbst des bessern Dialogs wegen, eine Vertraute mitnehmen konnte. Bloß mit Worten führt er ihr die Phänomene vor, erklärt sie mit Worten, und die schöne Frau wird auf der Stelle so gläubig als hundert andre. Sie braucht auch über die Sache nicht weiter nachzudenken; sie ist über die Farben auf immer beruhigt. Denn Himmelblau und Morgenrot, Wiesengrün und Veilchenblau, alles entspringt aus Strahlen und noch einmal Strahlen, die so höflich sind, sich in Feuer, Wasser, Luft und Erde, an allen lebendigen und leblosen Gegenständen, auf jede Art und Weise spalten, verschlucken, zurückwerfen und bunt herumstreuen zu lassen. Und damit glaubt er sie genugsam unterhalten zu haben, und sie ist überzeugt, genugsam unterrichtet zu sein.

Von jener Zeit an wird nun nicht leicht ein Dichter oder Redner, ein Verskünstler oder Prosaist gefunden, der nicht einmal oder mehreremal in seinem Leben diese farbige Spaltung des Lichts zum Gleichnis der Entwicklung des Ungleichartigen aus dem Gleichartigen gebraucht hätte; und es ist freilich niemand zu verargen, wenn einmal so eine wunderliche Synthese zum Behuf einer so wunderlichen Analyse gemacht worden, wenn der Glaube daran allgemein ist, daß er sie auch zu seinem Behuf, es sei nun des Belehrens und Überzeugens oder des Blendens und Überredens, als Instanz oder Gleichnis beibringe.

Anglomanie

Die Engländer sind vielleicht vor vielen Nationen geeignet, Auswärtigen zu imponieren. Ihre persönliche Ruhe, Sicherheit, Tätigkeit, Eigensinn und Wohlhäbigkeit geben beinahe ein unerreichbares Musterbild von dem, was alle Menschen sich wünschen. Ohne uns hier in ein Allgemeines einzulassen, bemerken wir nur, daß die Klage über Anglomanie von früherer Zeit bis zur neuesten in der französischen Literatur vorkommt. Dieser Enthusiasmus der französischen Nation für die englische soll sich besonders gleich nach einem geschlossenen Frieden am lebhaftesten äußern: welches wohl daher kommen mag, weil alsdann nach wiederhergestellter Kommunikation beider Nationen der Reichtum und die Comforts der Engländer dem, wenigstens in früherer Zeit geldarmen und genügsamen Franzosen gar wünschenswert in die Augen leuchten müssen.

Dieses Vorziehen einer fremden Völkerschaft, dieses Hintansetzen seiner eigenen kann doch wohl aber nicht höher getrieben werden, als wir es oben bei Voltairen finden, der die Newtonische Lehre zum regnum coelorum und die Franzosen zu den parvulis macht. Doch hätte er es gewiß nicht getan, wenn das Vorurteil in seiner Nation nicht schon gäng und gäbe gewesen wäre. Denn bei aller Kühnheit hütet er sich doch, etwas vorzubringen, wogegen er die allgemeine Stimmung kennt, und wir haben ihn im Verdacht, daß er seinen Deismus überall und so entschieden ausspricht, bloß damit er sich vom Verdacht des Atheismus reinige: einer Denkweise, die jederzeit nur wenigen Menschen gemäß und den übrigen zum Abscheu sein mußte.

Chemiker

Das Verhalten der Lackmustinktur gegen Säuren und Alkalien, so bekannt es war, blieb doch immer wegen seiner Eminenz und seiner Brauchbarkeit den Chemikern merkwürdig, ja das Phänomen wurde gewissermaßen für einzig gehalten. Die frühern Bemerkungen des Paracelsus und seiner Schule, daß die Farben aus dem Schwefel und dessen Verbindung mit den Salzen sich herschreiben möchten, waren auch noch in frischem Andenken geblieben. Man gedachte mit Interesse eines Versuchs von Mariotte, der einen roten französischen Wein durch Alkalien gebräunt und ihm das Ansehn eines schlechten verdorbenen Weins gegeben, nachher aber durch Schwefelgeist die erste Farbe, und zwar noch schöner, hergestellt. Man erklärte damals daraus das Vorteilhafte des Aus- und Aufbrennens der Weinfässer durch Schwefel, und fand diese Erfahrung bedeutend.

Die Akademie interessierte sich für die chemische Analyse der Pflanzenteile, und als man die Resultate bei den verschiedensten Pflanzen ziemlich einförmig und übereinstimmend fand, so beschäftigten sich andere wieder, die Unterschiede aufzusuchen.

Geoffroy, der jüngere, scheint zuerst auf den Gedanken gekommen zu sein, die essentiellen Öle der Vegetabilien mit Säuren und Alkalien zu behandeln und die dabei vorkommenden Farbenerscheinungen zu beobachten.

Sein allgemeineres Theoretische gelingt ihm nicht sonderlich. Er braucht körperliche Konfigurationen, und dann wieder besondere Feuerteile und was dergleichen Dinge mehr sind. Aber die Anwendung seiner chemischen Versuche auf die Farben der Pflanzen selbst, hat viel Gutes. Er gesteht zwar selbst die Zartheit und Beweglichkeit der Kriterien ein, gibt aber doch deswegen nicht alle Hoffnungen auf; wie wir denn von dem, was er uns überliefert, nähern Gebrauch zu machen gedenken, wenn wir auf diese Materie, die wir in unserm Entwurfe nur beiläufig behandelt haben, dereinst zurückkehren.

In dem animalischen Reiche hatte Réaumur den Saft einiger europäischen Purpurschnecken und dessen Färbungseigenschaften untersucht. Man fand, daß Licht und Luft die Farbe gar herrlich erhöhten. Andere waren auf die Farbe des Blutes aufmerksam geworden und beobachteten, daß das arterielle Blut ein höheres, das venöse ein tieferes Rot zeige. Man schrieb der Wirkung der Luft auf die Lungen jene Farbe zu; weil man es aber materiell und mechanisch nahm, so kam man nicht weiter und erregte Widerspruch.

Das Mineralreich bot dagegen bequeme und sichere Versuche dar. Lémery, der jüngere, untersuchte die Metalle nach ihren verschiedenen Auflösungen und Präzipitationen. Man schrieb dem Quecksilber die größte Versatilität in Absicht der Farben zu, weil sie sich an demselben am leichtesten offenbart. Wegen der übrigen glaubte man eine Spezifikation eines jeden Metalls zu gewissen Farben annehmen zu müssen, und blieb deswegen in einer gewissen Beschränktheit, aus der wir uns noch nicht ganz haben herausreißen können.

Bei allen Versuchen Lémerys jedoch zeigt sich deutlich das von uns relevierte Schwanken der Farbe, das durch Säuren und Alkalien, oder wie man das was ihre Stelle vertritt, nennen mag, hervorgebracht wird. Wie denn auch die Sache so einfach ist, daß, wenn man sich nicht in die Nüancen, welche nur als Beschmutzung anzusehen sind, einläßt, man sich sehr wohl einen allgemeinen Begriff zu eigen machen kann.

Die Zitate zu Vorstehendem fügen wir nicht bei, weil man solche gar leicht in den zu der Histoire und den Mémoires de l’Académie française gefertigten Registern auffinden kann.

Dufay

Die französische Regierung hatte unter Anleitung von Colbert, durch wohlüberdachte Verordnungen, das Gutfärben und Schönfärben getrennt, zum großen Vorteil aller, denen, es sei zu welchem Gebrauch, zu wissen nötig war, daß sie mit haltbar gefärbten Zeugen oder Gespinsten gewissenhaft versorgt würden. Die Polizei fand nun die Aufsicht über beiderlei Arten der Farberei bequemer, indem dem Gutfärber ebensowohl verboten war, vergängliche Materialien in der Werkstatt zu haben, als dem Schönfärber dauerhafte. Und so konnte sich auch jeder Handwerker in dem ihm angewiesenen Kreise immer mehr und mehr vervollkommnen. Für die Technik und den Gebrauch war gesorgt.

Allein es ließ sich bald bemerken, daß die Wissenschaft, ja die Kunst selbst dabei leiden mußte. Die Behandlungsarten waren getrennt. Niemand blickte über seinen Kreis hinaus, und niemand gewann eine Übersicht des Ganzen. Eine einsichtige Regierung jedoch fühlte diesen Mangelbald, schenkte wissenschaftlich gebildeten Männern ihr Zutrauen und gab ihnen den Auftrag, das, was durch die Gesetzgebung getrennt war, auf einem höhern Standpunkte zu vereinigen. Dufay ist einer von diesen.

Die Beschreibungen auch anderer Handwerker sollten unternommen werden. Dufay bearbeitete die Färberei. Ein kurzer Aufsatz in den Memoiren der Akademie 1737 ist sehr verständig geschrieben. Wir übergehen, was uns nicht nahe berührt, und bemerken nur folgendes:

Wer von der Färberei in die Farbenlehre kommt, muß es höchst drollig finden, wenn er von sieben, ja noch mehr Urfarben reden hört. Er wird bei der geringsten Aufmerksamkeit gewahr, daß sich in der mineralischen, vegetabilischen und animalischen Natur drei Farben isolieren und spezifizieren. Er kann sich Gelb, Blau und Rot ganz rein verschaffen; er kann sie den Geweben mitteilen und durch verschiedene, wirkende und gegenwirkende Behandlung, sowie durch Mischung die übrigen Farben hervorbringen, die ihm also abgeleitet erscheinen. Unmöglich wäre es ihm, das Grün zu einer Urfarbe zu machen. Weiß hervorzubringen, ist ihm durch Färbung nicht möglich; hingegen durch Entfärbung leicht genug dargestellt, gibt es ihm den Begriff von völliger Farblosigkeit und wird ihm die wünschenswerteste Unterlage alles zu Färbenden. Alle Farben zusammengemischt geben ihm Schwarz.

So erblickt der ruhige Sinn, der gesunde Menschenverstand die Natur, und wenn er auch in ihre Tiefen nicht eindringt, so kann er sich doch niemals auf einen falschen Weg verlieren, und er kommt zum Besitz dessen, was ihm zum verständigen Gebrauch notwendig ist. Jene drei Farben nennt daher Dufay seine Mutterfarben, seine ursprünglichen Farben, und zwar als Färber mit völligem Recht. Der Newtonischen Lehre gedenkt er im Vorbeigehen, verspricht etwas mehr darüber zu äußern; ob es aber geschehen, ist mir nicht bekannt.

Louis Bertrand Castel

geboren 1688, gestorben 1757

L’optique des Couleurs, fondée sur les simples Observations et tournée surtout à la pratique de la Peinture avec figures, à Paris 1740.

Jesuit und geistreicher Mann, der, indem er auf dem Wege Fontenelles ging, die sogenannten exakten Wissenschaften durch einen lebendigen und angenehmen Vortrag in die Gesellschaft einzuführen und sich dadurch den beiden gleichsam vorzüglich kultivierten Nationen, der englischen und der französischen, bekannt und beliebt zu machen suchte. Er hatte deshalb wie alle, die sich damals auf diese Weise beschäftigten, mit Newton und Descartes pro und contra zu tun; da er denn auch bald diesen, bald jenen nach seiner Überzeugung begünstigte, oft aber auch seine eignen Vorstellungsarten mitzuteilen und durchzusetzen trachtete.

Wir haben hier nur das zu bedenken, was er in der Farbenlehre geleistet, weshalb er, wie wir oben gesehen, von Voltairen so übel behandelt worden.

Eine Regierung darf nur auf einen vernünftigen Weg deuten, so wird dies sogleich zur Aufforderung für viele, ihn zu wandeln und sich darauf zu bemühen. So scheint auch Pater Castel zu seiner Arbeit nicht durch besondern Auftrag der Obern, wie Dufay, sondern durch Neigung und durch den Wunsch, dem Staate als Privatmann nützlich zu werden, in dieses Fach getrieben zu sein, das er um so mehr kultivierte, als er neben seinen Studien eine große Lust zum Mechanischen und Technischen empfand.

Auch auf seinem Gange werden ihm die Newtonischen sieben Urfarben unerträglich; er führt sie auf drei zurück. Das Clair-obscur, das Schwarze und Weiße, das Erhellen und Verdunkeln der Haupt- und abgeleiteten Farben beschäftigen ihn um so mehr, als er auch dem Maler entgegen gehen will.

Man kann nicht leugnen, daß er die Probleme der Farbenlehre meist alle vorbringt, doch ohne sie gerade aufzulösen. Seinem Buche fehlt es nicht an einer gewissen Ordnung; aber durch Umständlichkeit, Kleinigkeitskrämerei und Weitschweifigkeit verdirbt er sich das Spiel gegen den billigsten Leser. Sein größtes Unglück ist, daß er ebenfalls die Farbe mit dem Tone vergleichen will, zwar auf einem andern Wege als Newton und Mairan, aber auch nicht glücklicher. Auch ihm hilft es nichts, daß er eine Art von Ahndung von der sogenannten Sparsamkeit der Natur hat, von jener geheimnisvollen Urkraft, die mit wenigem viel und mit dem Einfachsten das Mannigfaltigste leistet. Er sucht es noch, wie seine Vorgänger, in dem, was man Analogie heißt, wodurch aber nichts gewonnen werden kann, als daß man ein paar sich ähnelnde empirische Erscheinungen einander an die Seite setzt und sich verwundert, wenn sie sich vergleichen und zugleich nicht vergleichen lassen.

Sein Farbenklavier, das auf eine solche Übereinstimmung gebaut werden sollte und woran er sein ganzes Leben hin und her versuchte, konnte freilich nicht zustande kommen; und doch ward die Möglichkeit und Ausführbarkeit eines solchen Farbenklaviers immer einmal wieder zur Sprache gebracht, und neue mißglückte Unternehmungen sind den alten gefolgt. Worin er sich aber vollkommen einsichtig bewies, ist seine lebhafte Kontrovers gegen die Newtonische falsche Darstellung der prismatischen Erscheinung. Mit muntrer französischer Eigentümlichkeit wagt er den Scherz: es sei dem Newtonischen Spektrum ebenso gefährlich, wenn man es ohne Grün, als einer hübschen Frau, wenn man sie ohne Rot ertappe. Auch nennt er mit Recht die Newtonische Farbenlehre eine Remora aller gesunden Physik.

Seine Invektiven gegen die Newtonische Darstellung des Spektrums übersetzen wir um so lieber, als wir sie sämtlich unterschreiben können. Hätte Castels Widerspruch damals gegriffen und auch nur einen Teil der gelehrten Welt überzeugt, so wären wir einer sehr beschwerlichen Mühe überhoben gewesen.

»Da ich mich gar gern zu den Gegenständen meiner Aufmerksamkeit zurückfinde, so war mein erster oder zweiter Schritt in dieser Laufbahn mit einem Gefühl von Überraschung und Erstaunen begleitet, wovon ich mich noch kaum erholen kann. Das Prisma, das Herr Newton und ganz Europa in Händen gehabt hatte, konnte und sollte noch wirklich ein ganz neues Mittel zur Erfahrung und Beobachtung werden. Das Prisma auf alle mögliche Weise hin und wider gedreht, aus allen Standpunkten angesehen, sollte das nicht durch so viel geschickte Hände erschöpft worden sein? Wer hätte vermuten können, daß alle diese Versuche, von denen die Welt geblendet ist, sich auf einen oder zwei zurückführen ließen, auf eine einzige Ansicht und zwar auf eine ganz gemeine, aus hundert andern Ansichten, wie man das Prisma fassen kann, und aus tausend Erfahrungen und Beobachtungen, so tiefsinnig als man sie vielleicht nicht machen sollte.«

»Niemals hatte Herr Newton einen andern Gegenstand als sein farbiges Gespenst. Das Prisma zeigte es zuerst auch ganz unphilosophischen Augen. Die ersten, welche das Prisma nach ihm handhabten, handhabten es ihm nur nach. Sie setzten ihren ganzen Ruhm darein, den genauen Punkt seiner Versuche zu erhaschen und sie mit einer abergläubischen Treue zu kopieren. Wie hätten sie etwas anderes finden können, als was er gefunden hatte? Sie suchten, was er gesucht hatte, und hätten sie was anderes gefunden, so hätten sie sich dessen nicht rühmen dürfen, sie würden sich selbst darüber geschämt, sich daraus einen heimlichen Vorwurf gemacht haben. So kostete es dem berühmten Herrn Mariotte seinen Ruf, der doch ein geschickter Mann war, weil er es wagte, weil er verstand, den betretenen Weg zu verlassen. Gab es jemals eine Knechtschaft, die Künsten und Wissenschaften schädlicher gewesen wäre?«

»Und hätte Herr Newton das Wahre gefunden; das Wahre ist unendlich und man kann sich nicht darin beschränken. Unglücklicherweise tat er nichts, als auf einen ersten Irrtum unzählige Irrtümer häufen. Denn eben dadurch können Geometrie und scharfe Folgerungen schädlich werden, daß sie einen Irrtum fruchtbar und systematisch machen. Der Irrtum eines Ignoranten oder eines Toren ist nur ein Irrtum; auch gehört er ihm nicht einmal an, er adoptiert ihn nur. Ich werde mich hüten, Herrn Newton einer Unredlichkeit zu beschuldigen; andre würden sagen, er hat sich’s recht angelegen sein lassen, sich zu betrügen und uns zu verführen.«

»Zuerst selbst verführt durch das Prismengespenst, sucht er es nur auszuputzen, nachdem er sich ihm einzig ergeben hat. Hätte er es doch als Geometer gemessen, berechnet und kombiniert, dagegen wäre nichts zu sagen; aber er hat darüber als Physiker entscheiden, dessen Natur bestimmen, dessen Ursprung bezeichnen wollen. Auch dieses stand ihm frei. Das Prisma ist freilich der Ursprung und die unmittelbare Ursache der Farben dieses Gespenstes; aber man geht stromaufwärts, wenn man die Quelle sucht. Doch Herr Newton wendet dem Prisma ganz den Rücken und scheint nur besorgt, das Gespenst in der größten Entfernung aufzufassen; und nichts hat er seinen Schülern mehr empfohlen.«

»Das Gespenst ist schöner, seine Farben haben mehr Einheit, mehr Glanz, mehr Entschiedenheit, je mehr sie sich von der Quelle entfernen. Sollte aber ein Philosoph nur nach dem Spielwerk schöner Farben laufen? – Die vollkommensten Phänomene sind immer am entferntesten von ihren geheimen Ursachen, und die Natur glänzt niemals mehr, als indem sie ihre Kunst mit der größten Sorgfalt verbirgt.« –

»Und doch wollte Herr Newton die Farben trennen, entwirren, zersetzen. Sollte ihn hier die Geometrie nicht betrogen haben? Eine Gleichung läßt sich in mehrere Gleichungen auflösen; je mehr Farben, der Zahl nach verschieden, ihm das Gespenst zeigte, für desto einfacher, für desto zersetzter hielt er sie. Aber er dachte nicht daran, daß die Natur mannigfaltig und zahlreich in ihren Phänomenen, in ihren Ursachen sehr einfach, fast unitarisch, höchstens und sehr oft trinitarisch zu sein pflege.«

»Und doch ist das Prisma, wie ich gestehe, die unmittelbare und unleugbare Ursache des Gespenstes; aber hier hätte Herr Newton aufmerken und sehen sollen, daß die Farben nur erst in gevierter Zahl aus dem Prisma hervortreten, sich dann aber vermischen, um sieben hervorzubringen, zwölfe wenn man will, ja eine Unzahl.«

»Aber zu warten, bis die Farben recht verwickelt sind, um sie zu entwirren, mit Gefahr sie noch mehr zu verwirren ist das eine Unredlichkeit des Herzens, die ein schlechtes System bemäntelt, oder eine Schiefheit des Geistes, die es aufzustutzen sucht?«

»Die Farben kommen fast ganz getrennt aus dem Prisma in zwei Bündeln, durch einen breiten Streif weißen Lichtes getrennt, der ihnen nicht erlaubt, sich zusammen zu begeben, sich in eine einzige Erscheinung zu vereinigen, als nach einer merklichen Entfernung, die man nach Belieben vergrößern kann. Hier ist der wahre Standpunkt, günstig für den, der die redliche Gesinnung hat, das zusammengesetzte Gespenst zu entwirren. Die Natur selbst bietet einem jeden diese Ansicht, den das gefährliche Gespenst nicht zu sehr bezaubert hat. Wir klagen die Natur an, sie sei geheimnisvoll; aber unser Geist ist es, der Spitzfindigkeiten und Geheimnisse liebt.

Naturam expellas furca, tamen usque recurret.«

»Herr Newton hat mit Kreuzesmarter und Gewalt hier die Natur zu beseitigen gesucht; tausendmal hat er dieses primitive Phänomen gesehen; die Farben sind nicht so schön, aber sie sind wahrer, sie sprechen uns natürlicher an. Von dieser Erscheinung spricht der große Mann, aber im Vorbeigehen und gleichsam vorsätzlich, daß nicht mehr davon die Rede sei, daß die Nachfolger gewissermaßen verhindert werden, die Augen für die Wahrheit zu eröffnen.«

»Er tut mehr. Auch wider Willen würde man das rechte Verhältnis erkennen beim Gebrauch eines großen Prismas, wo das weiße Licht, das die zwei ursprünglichen Farbensäume trennt, sehr breit ist. In einem kleinen Prisma sind die beiden Säume näher beisammen. Sie erreichen einander viel geschwinder und betrügen den unaufmerksamen Beobachter. Herr Newton gibt kleinen Prismen den Vorzug; die berühmtesten Prismen sind die englischen, und gerade diese sind auch die kleinsten.«

»Ein geistreicher Gegner Newtons sagte mit Verdruß: Diese Prismen sind sämtlich Betrüger, alle zur Theatererscheinung des magischen Gespenstes zugerichtet. Aber das Übermaß Newtonischer – Unredlichkeit sage ich nicht, sondern wohl nur Newtonischen Irrtums zeigt sich darin, daß man sich nicht mit kleinen Prismen begnügt, sondern uns über alles anempfiehlt, ja nur den feinsten, leisesten Strahl hereinzulassen, so daß man über die Kleinheit der Öffnung, wo durch der Sonnenstrahl in eine dunkle Kammer fallen soll, recht spitzfindig verhandelt und ausdrücklich verlangt, das Loch soll mit einem feinen Nadelstich in einer bleiernen oder kupfernen Platte angebracht sein. Ein großer Mann und seine Bewunderer behandeln diese Kleinigkeiten nicht als geringfügig; und das ist gewiß, hätte man uns Natur und Wahrheit vorsätzlich verhüllen wollen, was ich nicht glaube, so hätte man es nicht mit mehr Gewandtheit anfangen können. Ein so feiner Strahl kommt aus dem Prisma mit einem so schmalen weißen Licht, und seine beiden Säume sind schon dergestalt genähert zugunsten des Gespenstes und zu Ungunsten des Beschauers.«

»Wirklich zum Unheil dessen, der sich betrügen läßt. Das Publikum sollte demjenigen höchlich danken, der es warnt: denn die Verführung kam dergestalt in Zug, daß es äußerst verdienstlich ist, ihre Fortschritte zu hemmen. Die Physik mit andern ihr verwandten Wissenschaften und von ihr abhängigen Künsten war ohne Rettung verloren durch dieses System des Irrtums und durch andere Lehren, denen die Autorität desselben statt Beweises diente. Aber in diesen wie in jenem wird man künftig das Schädliche einsehen.«

»Sein Gespenst ist wahrhaft nur ein Gespenst, ein phantastischer Gegenstand, der an nichts geheftet ist, an keinen wirklichen Körper; es bezieht sich viel mehr auf das, wo die Dinge nicht mehr sind, als auf ihr Wesen, ihre Substanz, ihre Ausdehnung. Da, wo die Körper endigen, da, ganz genau da bildet es sich; und welche Größe es auch durch Divergenz der Strahlen erhalte, so gehen diese Strahlen doch nur von einem Punkte aus, von diesem unteilbaren Punkte, der zwei angrenzende Körper trennt, das Licht des einen von dem naheliegenden Schatten oder dem schwächeren Licht des andern.«

Friede mit seiner Asche! Uns aber verzeihe man, wenn wir mit einigem Behagen darauf hinsehen, daß wir einen solchen Mann, der zwar nicht unter die ersten Geister, aber doch unter die vorzüglichen seiner Nation gehört, gegen seine Landsleute in Schutz genommen und seinem Andenken die verdiente Achtung wieder hergestellt haben.

Technische Malerei

Die Nachahmung von braunen Zeichnungen durch mehrere Holzstöcke, welche in Italien zu Ende des sechzehnten Jahrhunderts von Andreas Andreani und andern versucht wurde, ist Liebhabern der Kunst genugsam bekannt. Später tut sich die Nachahmung der Malerei oder bunter Zeichnungen durch mehrere Platten hervor. Lastmann, Rembrandts Lehrer, soll sich damit beschäftigt haben.

Ohne daß wir hierüber besondere Nachforschungen angestellt hätten, so scheint uns, daß die Erfindung der schwarzen Kunst dem Abdruck bunter Bilder vorausgehen mußte. Sehr leicht fand sich sodann der Weg dahin. Durch Zufall, aus Scherz, mit Vorsatz konnte man eine schwarze Kunstplatte mit einer andern Farbe abdrucken, und bei dem ewigen Streben der menschlichen Natur von der Abstraktion, wie doch alle Monochromen angesehen werden können, zu der Wirklichkeit und also auch zu der farbigen Nachahmung der Oberflächen, war ein wiederholter teilweiser Abdruck derselben Platte, ein Druck mit mehreren Platten, ja das Malen auf die Platte stufenweise ganz wohl zu denken.

Daß jedoch diese Art von Arbeit zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts noch nicht bekannt und üblich war, läßt sich daraus schließen, daß De la Hire in seinem sehr schönen und unterrichtenden Traktat über die praktische Malerei dieser bunten Drucke nicht erwähnt, ob er gleich sonst sehr ausführlich ist und auch einiger ganz nahe verwandten Künste und Künsteleien gedenkt und uns mit dem Verfahren dabei bekannt macht.

Gegenwärtig haben wir zu unsern Zwecken zwei Männer anzuführen, welche sich besonders in der Epoche, bei der wir verweilen, in diesem Fache bemüht haben.

Le Blond

Gebürtig von Frankfurt am Main, steht nicht bloß hier seines Namens wegen unter den Franzosen, sondern weil er sich in Frankreich und England tätig bewiesen.

Er versuchte erst, nach der Newtonischen Lehre mit sieben Platten zu drucken; allein er bringt bei großer Beschwerlichkeit nur einen geringen Effekt hervor. Er reduziert sie deshalb auf drei und verharrt bei dieser Methode, ohne daß ihm jedoch seine Arbeit, die er mehrere Jahre fortsetzt, sonderlich Vorteil verschafft. Er legt seinen Druckbildern kein Clair-obscur, etwa durch eine schwarze Platte, zum Grunde; sondern seine Schwärze, sein Schatten, soll ihm da entstehen, wo beim Abdruck die drei Farben zusammentreffen. Man wirft ihm vor, daß seine Behandlung unvollkommen gewesen und daß er deshalb viel retouchieren müssen. Indes scheint er der erste zu sein, der mit dieser Arbeit einiges Aufsehen erregt. Sein Programm, das er in London deshalb herausgegeben, ist uns nicht zu Gesicht gekommen; es soll dunkel und abstrus geschrieben sein.

Gauthier

Ein tätiger, rascher, etwas wilder, zwar talentvoller, aber doch mehr als billig zudringlicher und Aufsehen liebender Mann. Er studierte erst die Malerei, dann die Kupferstecherkunst, und kommt gleichfalls auf den Gedanken, mit drei farbigen Platten zu drucken, wobei er eine vierte, die das Clair-obscur leisten soll, zum Grunde legt. Er behauptet, seine Verfahrungsart sei eine ganz andre und bessere als die des Le Blond, mit welchem er über die Priorität in Streit gerät. Seine Myologie kommt 1746, die Anatomie des Hauptes und ein Teil der Nervenlehre 1748 in Paris heraus. Die Arbeit ist sehr verdienstvoll; allein es ist überaus schwer, über das eigentliche Verfahren, welches er beim Druck dieser kolorierten Tafeln angewendet, etwas Befriedigendes zu sagen. Dergleichen Dinge lassen sich nicht ganz mechanisch behandeln; und ob es gleich ausgemacht ist, daß er mit mehrern Platten gedruckt, so scheint es doch, daß er weniger als viere angewendet, daß auf die Clair-obscur-Platte stellenweise schon gemalt worden, und daß sonst auch durch eine zärtere künstlerische Behandlung diese Abdrücke den Grad der Vollkommenheit erreicht haben, auf welchem wir sie sehen.

Indessen, da er auf dem praktischen und technischen Malerweg über die Farben zu denken genötigt ist, so muß er freilich darauf kommen, daß man aus drei Farben alle die übrigen hervorbringen kann. Er faßt daher, wie Castel und andere, ein richtiges Aperçu gegen Newton und verfolgt es, indem er die prismatischen Versuche durcharbeitet.

Im November des Jahres 1749 trägt er der Akademie ein umständliches Memoire vor, worin er sowohl gegen Newton polemisiert als auch das, was er theoretisch für wahr hält, niederlegt. Diese gelehrte Gesellschaft war nun schon so groß und mächtig, daß sie der Wissenschaft schaden konnte. Vorzügliche Mitglieder derselben, wie Nollet und Buffon, hatten sich der Newtonischen Lehre hingegeben. Gauthiers Zudringlichkeit mag höchst unbequem gewesen sein. Genug, sein Aufsatz ward nicht in die Memoiren der Akademie aufgenommen, ja man erwähnte desselben nicht einmal in der Geschichte der Verhandlungen. Wir hätten auch nichts davon erfahren, wäre uns nicht eine wunderliche lateinische Übersetzung desselben zu Handen gekommen, welche ein Pariser Chirurgus, Carl Nicolaus Jenty, London 1750 herausgegeben, unter dem Titel: φωτωφυσις χροαγενεσις De optice Errores Isaaci Newtonis Aurati Equitis demonstrans. Diese, wie der Titel, fehlerhafte, ungrammatische, inkorrekte, überhaupt barbarische Übersetzung konnte freilich kein Glück machen, obgleich der Inhalt dieses Werkchens sehr schätzenswert, mit Einsicht und Scharfsinn konzipiert und mit Lebhaftigkeit und Ordnung vorgetragen ist. Wir haben uns jedoch dabei nicht aufzuhalten, weil es eigentlich nur eine Art von Auszug aus dem größern Werke ist, von dem wir umständlicher handeln werden. Übrigens wollen wir nicht leugnen, daß wir fast durchgängig mit ihm einig sind, wenige Stellen ausgenommen, in welchen er uns verkünstelnd zu verfahren scheint.

Sein ausführliches Werk führt den Titel: Chroagénésie ou Génération des Couleurs, contre le système de Newton, à Paris 1750. 51. 2 Tomes in 8. Die Darstellung seiner Farbentheorie, sowie die Kontrovers gegen die Newtonische, gehen erst im zweiten Bande, Seite 49 an. Das Allgemeine von beiden findet sich Seite 60 bis 68. Von da an folgen umständliche antinewtonische Versuche.

1. Mit Pergamentblättchen vor der Öffnung in der dunkeln Kammer. Steigerung dadurch von Gelb auf Rot. (E. 170.)

2. Er entdeckt, daß der untere blaue Teil der Flamme nur blau erscheint, wenn sich Dunkel, nicht aber wenn ein Helles sich dahinter befindet. (E. 159.) Weil er aber das, was wir durch Trübe aussprechen, noch durch Licht ausspricht, so geht er von dieser Erfahrung nicht weiter; sie tut ihm genug, ob es gleich nur ein einzelner Fall ist.

3. Er hält fest darauf, daß bei prismatischen Versuchen die Farben nicht erscheinen als nur da, wo eine dunkle Fläche an eine helle grenzt; ferner, daß diese durch Refraktion gegeneinander bewegt werden müssen, und erklärt daher ganz richtig, warum die perpendikularen Grenzen nicht gefärbt werden. (E. 197 ff)

4. Weil er aber immer noch mit Strahlen zu tun hat, so kann er damit nicht fertig werden, warum das Bild an der Wand und das im Auge, bei gleicher Lage des brechenden Winkels, umgekehrt gefärbt sind. Er spricht von auf- und niedersteigenden Strahlen. Hätte er es unter der Formel des auf- und niedergerückten Bildes ausgesprochen, so war alles abgetan. Bei dieser Gelegenheit entwickelt er ganz richtig den ersten Versuch der Newtonischen Optik auf die Weise, wie es auch von uns geschehen. (P. 34 ff.)

5. Ein Wasserprisma teilt er in der Mitte durch eine Wand, füllt die eine Hälfte mit einem schönen roten, die andere mit einem schönen blauen Liquor, läßt durch jedes ein Sonnenbild durchfallen, und bemerkt dabei die Verrückung und Färbung. Es ist dieses ein sehr guter Versuch, der noch besonders unterrichtend werden kann, wenn man durch eine etwas größere Öffnung die Lichtscheibe halb auf die eine, halb auf die andere Seite fallen läßt; da sich denn nach der Refraktion das wahre Verhältnis gar schön ausspricht. Es versteht sich von selbst, daß man sukzessiv mehrere Farben nebeneinander bringen kann.

Bei dieser Gelegenheit wird das zweite Experiment Newtons kritisiert und auf die Weise, wie wir auch getan haben, gezeigt, daß man nur Hellblau zu nehmen habe, um das wahre Verhältnis der Sache einzusehen. (P. 47 ff)

6. Versuch mit dem subjektiven Herunterrücken des objektiven Bildes, dessen Entfärbung und Umfärbung.

7. Versuch mit einem linsenförmigen Prisma, das heißt mit einem solchen, dessen eine Seite konvex ist. Wir sind nie dazu gelangt, mit einer solchen Vorrichtung zu operieren, und lassen daher diese Stelle auf sich beruhen.

8. Versuch gegen das sogenannte Experimentum Crucis. Wir glauben die Sache kürzer gefaßt zu haben. (P. 114 ff.)

9. Diese Nummer ist übersprungen.

10. In Gefolg von Nummer 8. Bei der Entwicklung des Experimentum Crucis scheint uns der Verfasser die verschiedene Inzidenz allzusehr zu urgieren. Zwar ist etwas daran; aber die Eminenz des Phänomens wird dadurch nicht zum Vorschein gebracht.

11. Versuch gegen die Newtonische Behauptung gerichtet: die different refrangiblen Strahlen seien auch different reflexibel. Der Gedanke, das Spektrum durch einen Planspiegel aufzufassen und es nach allerlei Seiten hin zu werfen, unter solchen Winkeln und Bedingungen, daß eine diverse Reflexibilität sich dartun müßte, wenn sie existierte, ist lobenswert. Man wende jedoch einen metallnen Spiegel an, damit keine Irrung durch die untere Fläche entstehe, und man wird, wie Gauthier, finden, daß die Farben des Spektrums nach ihrem Einfallswinkel zurückgeworfen werden und keineswegs eine diverse Reflexion erleiden. Bei dieser Gelegenheit gedenkt er des neunten Newtonischen Versuchs, den wir aufs genaueste analysiert (P. 196–203.), und ihm eine besondere Tafel, die achte, gewidmet haben. Der Verfasser sieht denselben an wie wir, sowie auch den zehnten.

12. Versuch gegen das erste Theorem des zweiten Teils des ersten Buchs der Optik, wo Newton behauptet: die Grenze des Lichtes und Schattens trage nichts zur Entstehung der prismatischen Farbe bei. Gauthier führt mit Recht über den mittleren weißen Teil der prismatischen Erscheinung eines großen Prismas seinen Finger oder einen Stab und zeigt dadurch die bloß an der Grenze entstehenden Farben. Dabei erzählt er, daß die Newtonianer sich gegen dieses Phänomen dadurch retten wollen, daß sie behaupteten: erst am Finger gehe die Brechung vor. Man sieht, daß dieser Sekte schon vor sechzig Jahren ebenso unbedenklich war, Albernheiten zu sagen, wie am heutigen Tag.

13. Er bringt zu Bestätigung seiner Erklärung noch einen komplizierten Versuch vor, dessen Wert wir andern zu prüfen überlassen.

14. Er läßt das Spektrum auf eine durchlöcherte Pappe fallen, so daß jede Farbe einzeln durchgeht. Hier, durch eine zweite Begrenzung, ohne wiederholte Refraktion, erscheinen die Farbenbildchen nach dem ersten Gesetz aufs neue gesäumt und widerlegen die Lehre von Unveränderlichkeit der sogenannten homogenen Lichter. Der Verfasser gedenkt mit Ehren Mariottes, der dieses Phänomen zuerst vor ihm beobachtete.

15. Er wendet hier abermals das Prisma mit der konvexen Seite an, die mit einer Art von fein durchlöchertem siebartigen Deckel bedeckt ist, und bringt dadurch mannigfaltige Abwechselung der Erscheinung hervor, wodurch er seine Behauptungen begünstigt glaubt. Wir haben diesen Versuch nicht nachgebildet.

16. Verbindung der Linse und des Prismas, wodurch die Farben des Spektrums zum Weißen vereinigt werden sollen. Hiebei Versuch mit einem T, der an seinem Ort zu entwickeln ist.

Hiermit endigen sich die antinewtonischen Versuche.

Über Newtons Erklärung des Regenbogens.

Über die Nebensonnen, wobei die paroptischen Farben zur Sprache kommen.

Über die bleibenden Farben der Körper. Erst gegen die Erklärungsart Newtons; dann leitet der Verfasser Weiß und Schwarz ungefähr wie Boyle ab. Das Blaue bringt er durch das Helle über dem Dunklen hervor, das Rote umgekehrt, welches freilich nicht ganz so glücklich ist; das Gelbe auf ebendie Weise und mit mehrerem Recht. Er beschreibt manche Versuche, um diese Lehre zu bestätigen. Der Kürze halben beziehen wir uns auf unsere Darstellung der Sache (E. 501 ff.)

Hierauf folgt die Erklärung seiner Kupfertafeln und zugleich eine Zurückweisung auf die Stellen des Werks, zu welchen sie eigentlich gehören.

Hätte er seiner Kontrovers, an welcher wir wenig auszusetzen finden, eine etwas ausführlichere Farbenlehre folgen lassen und sich damit begnügt, ohne die ganze übrige Naturlehre umfassen zu wollen, so hätte er vielleicht mehr Wirkung hervorgebracht. Allein sein Fehler, wie der seiner Vorgänger, besteht darin, daß Newton, weil seine Farbenlehre unhaltbar befunden wird, auch in gar nichts recht haben soll, daß man also unternimmt, auch alles übrige, was er geleistet, zu kritisieren, ja, was noch schlimmer ist, ein eignes System dagegen aufzubauen und sich etwas, das viel über seine Kräfte geht, anzumaßen.

In gedachtem Sinne hat leider Gauthier ein zweites Titelblatt seinem Buche vorgesetzt: Nouveau système de l’Univers, sous le titre de Chroa-génésie ou Critique des prétendues découvertes de Newton. Und so enthält denn der erste Teil nichts, was sich auf die Farbe bezieht, sondern behandelt die allgemeinsten physischen und damit verwandten metaphysischen Gegenstände, denen Gauthier, ob er sich gleich historisch genugsam mit ihnen bekannt gemacht, dennoch weder als Philosoph noch als Naturforscher gewachsen sein mochte.

Erst am Schlusse des ersten Teils findet man etwas über die Geschichte der Farbenlehre. Der Anfang des zweiten gibt einen kurzen Abriß der im ersten verhandelten allgemeinen, physisch-metaphysischen Prinzipien, von denen der Verfasser zuletzt auf das Licht übergeht, und um Newtonen auch in der Behandlung keinen Vorzug zu lassen, mit Definitionen und Axiomen gerüstet auftritt, sodann die Definitionen und Axiomen Newtons wiederholt; da denn erst auf der neunundvierzigsten Seite des zweiten Teils die Hauptsache wirklich zur Sprache kommt, die wir oben ausführlich ausgezogen haben.

Hiernach mag man erkennen, warum dem Verfasser nicht geglückt ist, Wirkung hervorzubringen. Seine Kontrovers sowie seine theoretische Überzeugung hätte sich ganz isoliert darstellen lassen. Beide hatten mit Anziehen und Abstoßen, mit Schwere und sonst dergleichen Allgemeinheiten gar nichts zu schaffen. Wollte er die Farbenlehre an die Physik überhaupt anschließen, so mußte er einen andern Weg einschlagen.

Außerdem begeht er noch einen Haupt- und Grundfehler, daß er mit Strahlen zu operieren glaubt, und also, wie seine Vorgänger, den Gegner ganz im Vorteil läßt. Auch sind seine Figuren nicht glücklich; es gilt von ihnen, was wir von den Rizzettischen gesagt haben. Newton hatte seine falsche Lehre symbolisch auszudrücken verstanden; seine Gegner wissen für das Wahre keine entschiedene Darstellung zu finden.

Von dem mannigfaltigen Verdruß, den er ausgestanden sowie von allerlei Argumentationen, die er gegen die Schule geführt, gibt uns der leidenschaftliche Mann selbst Nachricht in einer Art von physikalischem Journal, das er aber nicht weit geführt. Die drei Hefte, welche den ersten Band ausmachen und zu Paris 1752 herausgekommen, liegen vor uns und führen den Titel: Observations sur l’histoire naturelle, sur la physique et sur la peinture, avec des Planches imprimées en couleur. Sie enthalten ein wahres Quodlibet von Naturgeschichte und Naturlehre, jedoch, wie man gestehen muß, durchaus interessante Materien und Gegenstände. Sie sind auf bunte Tafeln gegründet, nach Art des großen anatomischen Werks.

In diesen Heften fehlt es nicht an verschiedenen Aufsätzen, seine Kontrovers mit Newton und der Newtonischen Schule betreffend. Er kann sich freilich dabei nur, wie wir auch getan, immer wiederholen, sich verwundern und ärgern, da die Sache im Grunde so simpel ist, daß sie jedes verständige unbefangene Kind bald einsehen müßte. Wie aber die gelehrte und naturforschende Welt damals durch das Newtonische Spektrum benebelt gewesen, so daß sie sich gar nichts anderes daneben denken können, und wie ihnen die Natur dadurch zur Unnatur geworden, ist auch aus diesen Blättern höchst merkwürdig zu ersehen.

Nach allem diesem bleibt uns nichts übrig, als nochmals zu bekennen und zu wiederholen, daß Gauthier unter denen, die sich mit der Sache beschäftigt, nach Rizzetti am weitesten gekommen, und daß wir ihm in Absicht auf eine freiere Übersicht der Kontrovers sowohl als der an die Stelle zu setzenden naturgemäßen Lehre gar manches schuldig geworden.

Zu der Zeit, als diesen tüchtigen Mann die französische Akademie unterdrückte, lag ich als ein Kind von einigen Monaten in der Wiege. Er, umgeben von so vielen Widersachern, die er nicht überwinden konnte, obgleich begünstigt und pensioniert vom Könige, sah sich um eine gewünschte Wirkung und ebenso wie treffliche Vorgänger um seinen guten Ruf gebracht. Ich freue mich, sein Andenken, obgleich spät, zu rehabilitieren, seine Widersacher als die meinigen zu verfolgen und den von ihm, da er nicht durchdringen konnte, oft geäußerten Wunsch zu realisieren:

Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor.

Celestin Cominale

Er war Professor der Philosophie bei dem königlichen Gymnasium zu Neapel. Von seinem Werke Anti-Newtonianismus kam daselbst der erste Teil 1754, der zweite 1756 in Quart heraus. Es ist eigentlich eine Bearbeitung des Gauthierschen Werkes, welche wohlgeraten genannt werden kann.

Der Verfasser hat mehr Methode als sein Vorgänger: denn er widmet den ersten Teil gleich ohne Umschweife der Kontrovers gegen Newtons Farbenlehre und den neu aufzustellenden theoretischen Ansichten. Er hat sich vollkommen von den Überzeugungen seines Vorgängers durchdrungen und auch außerdem die Materie sowohl theoretisch als praktisch gut durchstudiert, so daß er das Werk wohl sein eigen nennen konnte. Der zweite Teil behandelt die übrigen physisch-metaphysischen Gegenstände, welche Gauthier in seinem ersten Buche abgehandelt hatte. Die Tafeln, welche sich alle auf den ersten Teil beziehen, stellen teils Newtonische, teils Gauthiersche, teils eigene Figuren vor. Im ganzen ist es merkwürdig, daß Gauthier, der unter seinen Landsleuten keine Wirkung hervorbringen konnte, aus der Ferne sich eines so reinen Widerhalles zu erfreuen hatte.

Vielleicht geben uns diejenigen, welche mit der ita lienischen Literatur bekannt sind, Nachricht von dem, was man über Cominale damals in seinem Vaterlande geurteilt. Seine Wirkung konnte jedoch sich nicht weit erstrecken: denn die Newtonische Lehre war schon in die Jesuitenschulen aufgenommen. Le Sueur und Jacquier hatten die Newtonischen Schriften schon mit einem durchgehenden Kommentar versehen, und so war dem Anti-Newtonianism Rom sowie die übrige gelehrte Welt verschlossen, und die Flamme der Wahrheit, die sich wieder hervortun wollte, abermals mit Schulasche zugedeckt.

Wir verlassen nunmehr Frankreich und das Ausland und wenden den Blick gegen das Vaterland.

Deutsche große und tätige Welt

Wir setzen diese Rubrik hieher, nicht um sie auszufüllen, sondern nur anzudeuten, daß an diesem Platze eine ganz interessante Abhandlung stehen könnte.

Die deutschen Höfe hatten schon zu Anfange des vorigen Jahrhunderts viele Verdienste um die Wissenschaften. Sowohl Fürsten als Fürstinnen waren aufgeregt, begünstigten gelehrte Männer und suchten sich selbst zu unterrichten.

Johann Wilhelm, Kurfürst von der Pfalz, nahm 1704 Hartsoekern in seine Dienste. Dieser hatte schon in seinem Essay de Dioptrique die diverse Refrangibilität anerkannt, doch auf seine Weise erklärt und sie den verschiedenen Geschwindigkeiten der farbigen Strahlen zugeschrieben.

Was der kasselsche Hof, was die Höfe Niederdeutschlands getan, und wiefern auch die Newtonische Lehre zur Sprache gekommen und Gunst erhalten, wird in der Folge zu untersuchen sein. Nur eins können wir anführen, daß Professor Hamberger 1743 nach Gotha berufen wird, um die Newtonischen Versuche, welche die allgemeine Aufmerksamkeit erregt, bei Hofe vorzuzeigen. Wahrscheinlich hat man das Zimmer recht dunkel gemacht, durch das foramen exiguum im Fensterladen erst den sogenannten Strahl hereingelassen, das fertige prismatische Bild an der Wand gezeigt, mit einem durchlöcherten Bleche die einzelnen Farben dargestellt und durch eine zweite ungleiche Verrückung, durch das sogenannte Experimentum Crucis, auf der Stelle die höchsten Herrschaften und den sämtlichen Hof überzeugt, so daß Hamberger triumphierend zur Akademie zurückkehren konnte.

Deutsche gelehrte Welt

Um die Tätigkeit derselben und was sie in dieser Sache gewirkt, kennenzulernen, haben wir uns vorzüglich auf Akademien umzusehen. Was und wie es gelehrt worden, davon geben uns die Kompendien am besten und kürzesten Nachricht.

Jeder, der ein Lehrbuch schreibt, das sich auf eine Erfahrungswissenschaft bezieht, ist im Falle, ebenso oft Irrtümer als Wahrheiten aufzuzeichnen: denn er kann viele Versuche nicht selbst machen, er muß sich auf anderer Treu und Glauben verlassen und oft das Wahrscheinliche statt des Wahren aufnehmen. Deswegen sind die Kompendien Monumente der Zeit, in welcher die Data gesammelt wurden. Deswegen müssen sie auch oft erneuert und umgeschrieben werden. Aber indem sie neue Entdeckungen geschwind aufnehmen und einige Kapitel dadurch verbessern, so erhalten sie in andern falsche Versuche und unrichtige Schlußfolgen desto länger.

Wenn nun der Kompendienschreiber gewöhnlich das benutzt, was er schon völlig fertig vor sich findet, so war die Boylische Bemühung, viele Farbenphänomene zusammenzustellen und gewissermaßen zu erklären, solchen Männern sehr angenehm, und man findet auch noch bis über das erste Viertel des achtzehnten Jahrhunderts diese Methode herrschen, bis sie endlich von der Newtonischen Lehre völlig verdrängt wird.

Wir wollen die Kompendien, die uns bekannt geworden, besonders die deutschen, welche bei Mehrheit der Universitäten zu einer größern Anzahl als in andern Ländern anwuchsen, kürzlich anzeigen und das hieher Gehörige mit wenigem ausziehn.

Physica oder Naturwissenschaft durch Scheuchzer, erste Ausgabe 1703.

Ein würdiger, wohlgesinnter, fleißiger und unterrichteter Mann bringt in diesem Werke meistens die Geschichte der Meinungen mit vor und geht von der Metaphysik seiner Zeit zur Physik über. Die Farbenlehre überliefert er nach Boyle, Hooke und Descartes.

In der zweiten Ausgabe von 1711 fügt er ein besonderes Kapitel bei, worin er die Newtonische Lehre nach Anleitung der Optik genau und umständlich vorträgt, so wie er auch die Kupfertafeln nachstechen läßt. Die Newtonische Lehre steht, wie eine unverarbeitete Masse, gleichsam nur literarisch da; man sieht nicht, daß er irgendein Experiment mit Augen gesehen oder über die Sachen gedacht habe.

Hermann Friedrich Teichmeyer. Amoenitates, Jena 1712. Hält sich noch an Hooke und Boyle. Man findet keine Newtonische Spur.

Deutsche Physik durch Theodor Hersfeld, 1714. Der wahre Name ist Konrad Mel. Ein pedantisches, philisterhaftes Werk. Die Farbenerscheinungen bringt er konfus und ungeschickt genug hervor. Er will die Farben der Körper aus der verschiedenen Art ihrer Teile herleiten sowie aus den von ihnen wunderlich zurückgeworfenen Lichtstrahlen. Die Newtonische Lehre scheint er gar nicht zu kennen.

Martin Gotthelf Löscher. Physica experimentalis, Wittenberg 1715. Scheint ein Schüler von Teichmeyern zu sein, wenigstens sind die Phänomene beinahe ebendieselben, sowie auch die Erklärung.

Bei ihm ist color, tertia affectio specialis corporum naturalium, seu ea lucis in poris ac superficiebus corporum modificatio, quae eadem nobis sistit colorata et diverso colore praedita. Man erkennt hier Boylen; Newtons wird nicht erwähnt.

Johannes Wenzeslaus Caschubius. Elementa Physicae, Jena 1718. Hier fängt schon der Refrain an, den man künftig immerfort hört: si per foramen rotundum etc.

Er tut die apparenten und körperlichen Farben in ein paar Paragraphen nach Newtonischer Art ab.

Vernünftige Gedanken von den Wirkungen der Natur, von Christian Wolff 1723. Der Verfasser beweist die Lehre von der Heterogeneität des Lichtes a priori.

Julius Bernhard von Rohr. Physikalische Bibliothek, Leipzig 1724. Seine Literatur ist sehr mager; mit Newton mag er nichts zu tun haben, weil er lieber künstliche und mechanische Zusammensetzungen als mühsame Ausrechnungen befördert wünscht.

Johann Matthäus Barth. Physica generalior, Regensburg 1724. Ein Geistlicher und wohldenkender Mann, der dem Aberglauben entgegenarbeitet und sich daher mit Naturlehre abgibt, doch nicht sowohl selbst versucht, als das, was andre geleistet, zusammenstellt. Im Paragraphen von den Farben folgt er Boylen, gedenkt der Lehre Newtons, läßt sich aber nicht darauf ein und hat folgende merkwürdige Stelle: »Es hat mich Herr Baier, Professor Theologiae zu Altorf, einst im Diskurs versichert, daß er in dergleichen Versuchen (den Newtonischen nämlich, von denen eben die Rede ist) betrügliche Umstände gefunden, welche er publiziert wünschte.«

Dieses ist die erste Spur, die ich finde, daß ein Deutscher gegen die Newtonische Lehre einigen Zweifel erregt. Ferner gedenkt Barth dessen, was Mariotte derselben entgegengesetzt.

Johann Friedrich Wucherer. Institutiones philosophiae naturalis eclecticae, Jena 1725. Vom 238. Paragraphen an. Die Farbe sei nichts Reelles. Das Reelle sei, was existiere, wenn es auch niemand dächte; aber es gebe keinen Schmerz, wenn ihn niemand fühlte. Darin kämen alle neueren Physiker überein. Wenn das Licht weggenommen ist, sieht man alles schwarz. Blinde können Farben fühlen, zum Beispiel Boylens Vermaasen. Finch Tractatus de coloribus. Schmidii dissertatio: Caecus de colore judicans. Sturm führt ein Exempel an, daß ein Blinder die verschiedenen Farben riechen konnte. Vide illius physicam hypotheticam. Die Farben kommen also von der Verschiedenheit der Oberfläche der Körper her, et hinc pendente reflexione, refractione, infractione, collectione, dissipatione radiorum solarium. Gründe, die Boyle angibt. Bei verändertem Licht verändern sich die Farben. So auch bei veränderter Oberfläche, wie auch durch veränderte Lage. Hier bringt er nicht sehr glücklich die Regentropfen und das Prisma vor. Nachdem er seine Lehre auf die verschiedenen Farben angewendet, fährt er fort: Haec equidem non sine ratione dicuntur et ad colores supra dictos non sine specie veri accommodantur. At vero ad specialia ubi descendimus, difficultates omnino tales occurrunt, quibus solvendis spes ulla vix superest.

Er zitiert Hamelius de corporum affectionibus, Weidlerus in Explicatione nova Experimentorum Newtonianorum. Er kennt Newtons Lehre, nimmt aber keine Notiz davon.

Hermann Friedrich Teichmeyer. Elementa Philosophiae naturalis, Jena 1733. Eine neue Auflage seines frühern Kompendiums. Sein Vortrag ist noch immer der alte.

Georg Erhard Hamberger. Elementa physices, Jena 1735. Auf der 339. Seite beruft er sich auf Wolff, daß dieser die Heterogeneität des Lichts a priori bewiesen habe, und verweiset auf ihn.

Er führt einen gewissen Komplex der Newtonischen Versuche an und beginnt mit dem bekannten Liede: sit igitur conclave tenebrosum et admittatur per exiguum foramen radius lucis. Übrigens sind seine Figuren von den Newtonischen kopiert, und es findet sich keine Spur, daß er über die Sache nachgedacht oder kritisch experimentiert habe.

Samuel Christ. Hollmann. Physica. Introductionis in universam Philosophiam Tom. II. Göttingen 1737. § 147. Non id enim, quod rubicundum, flavum, caeruleum etc. appellamus, in rebus ipsis extra nos positis, sed in nostris solum perceptionibus, immo certa tantummodo perceptionum nostrarum modificatio est, a sola diversa lucis modificatione in nobis solum oriunda.

Er verwirft daher die alte Einteilung in reales und apparentes. Trägt die Newtonische Lehre bündig, doch mehr überredend als entscheidend vor.

Die Note zum 150. Paragraphen enthält zur Geschichte der Theorie sehr brauchbare Allegate, woraus man sieht, daß er die Entstehung der Lehre sowohl als die Kontroversen dagegen recht gut kennt, nicht weniger den Beifall, den sie erhalten. Aus dem Tone des Vortrags im Texte bemerkt man, daß er sein Urteil in suspenso halten will.

Johann Heinrich Winkler. Institutiones mathematico-physicae. 1738. § 1112 erwähnt er der Newtonischen Lehre im Vorbeigehen, bei Gelegenheit der undeutlichen Bilder durch die Linsen: praeterea Newtonus observavit, radium unum per refractionem in plures diversi coloris dispesci, qui cum catheto refractionis diversos angulos efficiunt.

Samuel Christ. Hollmann. Primae physicae experimentalis lineae, Göttingen 1742. Die Newtonische Lehre lakonisch, jedoch noch mit videtur vorgetragen. In den Ausgaben von 1749, 1753, 1765 lakonisch und ganz entschieden.

Vernünftige Gedanken von Christian Wolff, fünfte Ausgabe von 1746. Im ersten Teile, § 129, erklärt er die Farbenerscheinung an den Körpern ganz nach Newtonischer Manier und beruft sich auf den zweiten Teil seiner Experimenta.

Johann Andreas Segner. Einleitung in die Naturlehre, erste Auflage 1746, zweite Göttingen 1754, trägt die Newtonischen Versuche sowie die Theorie kurz vor. Seine Figuren sind nach Newton kopiert. Es zeigt sich keine Spur, daß er die Phänomene selbst gesehen.

Johann Wolfgang Krafft. Praelectiones in Physicam theoreticam, Tübingen 1750. Er folgte, wie er selbst sagt, dem Musschenbroek, läßt die Lehre von den Farben ganz aus und verweist auf einen optischen Traktat, pag. 267.

Andreas Gordon. Physicae experimentalis elementa, Erfurt 1751. Ein Benediktiner im Schottenkloster zur Erfurt, ein sehr fleißiger Mann voller Kenntnisse. Man sieht, daß in katholischen Schulen man damals noch mit der Scholastik zu streiten hatte.

Im 1220. Paragraphen sind ihm die Farben auch Körper, die sich vom Licht herschreiben. Sein Vortrag der Newtonischen Lehre ist ein wenig konfus; seine Figuren sind, wie die der ganzen Schule, falsch und märchenhaft.

Die chemischen Experimente trägt er zuletzt vor und schließt: quae omnia pulchra quidem, suis tamen haud carent difficultatibus.

Johanne Charlotte Zieglerin. Grundriß einer Naturlehre für Frauenzimmer, Halle 1751. p. 424 trägt sie die hergebrachte Lehre vor und verweist ihre Leserinnen auf Algarotti.

Johann Peter Eberhard. Erste Gründe der Naturlehre, Halle 1753. Die Newtonische Theorie, doch mit einiger Modifikation, die er schon in einer kleinen Schrift angegeben. Im 387. Paragraphen fängt er den ganzen Vortrag mit dem bekannten Refrain an: Man lasse durch eine kleine runde Öffnung etc. Seine Figuren sind klein, schlecht und wie alle aus dieser Schule nicht nach dem Phänomen, sondern nach der Hypothese gebildet.

In seiner Sammlung der ausgemachten Wahrheiten der Naturlehre 1755 setzt er, wie natürlich, die Newtonische Theorie auch unter die ausgemachten Wahrheiten.

Man sei darüber einig, daß die Sonnenstrahlen nicht gleich stark gebrochen werden.

Er bringt etwas von der Geschichte der Farbenlehre bei und zitiert wegen des Beifalls, den Newton fast überall gefunden, die Schriften mehrerer Naturforscher.

»Es hat zwar der bekannte Pater Castel Einwürfe dagegen gemacht, die aber auf solche Versuche gegründet waren, bei welchen der gute Franzose keine mathematische Akkuratesse bewiesen.«

(Welche wunderlichen Redensarten! als wenn es keine andere Akkuratesse gäbe als die mathematische.)

»Man sieht aus den Miscell. curios. p. 115, daß man auch schon damals in Paris Newtons Theorie angegriffen, welches aber aus einem Mißverständnis geschehen.«

Florian Dalham. Institutiones physicae, Wien 1753. Ein Geistlicher, bringt etwas weniges von der Geschichte der Farbenlehre vor; dann intoniert er: radius solis per foramen A. Mit den Einwürfen ist er bald fertig, dann folgen einige chemische Experimente.

Emanuel Swedenborg. Prodromus Principiorum rerum naturalium, Hildburghausen 1754. p. 137. Wie er durch diese ganze Schrift die Körper aus Kugeln verschiedener Größe und Art, aus Kreisen und Kränzen und deren Interstitien aufs wunderlichste zusammensetzt, ebenso macht er es mit der Transparenz, dem Weißen, Roten und Gelben. Alles sei transparent seinen kleinsten Teilen nach: Albedo; si anguli reflexionis varie confundantur in particulis transparentibus, albedinem oriri. Rubedo; si superficies particularum varii generis particulis variegetur, oriri rubedinem. Flavedo; si albedo mixta sit cum rubedine, flavedinem oriri.

Jacob Friedrich Malers Physik, Karlsruhe 1767. pag. 225. Kurz und schlechtweg Newtons Lehre.

Bernhard Grant. Praelectiones encyclopaedicae in physicam experimentalem, Erfurt 1770. p. 47. Newtons Lehre schlechtweg und kurz.

Johann Christian Polycarp Erxleben. Anfangsgründe der Naturlehre, 1772. »Wenn man durch ein kleines rundes Loch« etc. Er trägt übrigens die Newtonische und Eulersche Lehre in der bösen, halb historischen, halb didaktischen Manier vor, die sich nicht kompromittieren mag und immer noch eine Hintertüre findet, wenn die Lehre auch falsch befunden würde.

Schmahlings Naturlehre für Schulen, Göttingen und Gotha 1774. pag. 8. Das gewöhnliche Stoßgebet.

Johann Lorenz Böchmanns Naturlehre, Karlsruhe 1775. p. 321. Das alte Lied: »Man lasse durch eine mittelmäßige runde Öffnung« etc.

Matthias Gablers Naturlehre, drei Teile, München 1778, p. 319 item: »Man lasse einen Lichtstrahl« etc. p. 323 läßt er sich in Kontrovers ein, glaubt aber, wie die Schule überhaupt, viel zu geschwind mit dem Gegner fertig zu werden. Einwand eines Anti-Newtonianers oder eigentlich Anti-Eulerianers von den Trabanten des Jupiter hergenommen. Auch Herr Gabler fertigt Mariotten und Rizzettin leicht ab.

Wenzeslaus Johann Gustav Karsten. Naturlehre, 1781. Erst wie gewöhnlich die Lehre von der Brechung für sich; dann § 390 »mit der Strahlenbrechung ist noch ein Erfolg verbunden« etc. Merkwürdig ist, daß der Verfasser seine Ausdrücke behutsamer als hundert andre stellt, zum Exempel »der Erfolg läßt sich am besten erklären, wenn man mit Herrn Newton annimmt« etc.; »wenn es wahr ist, daß rotes Licht am wenigsten brechbar ist« etc.

C. G. Kratzenstein. Vorlesungen über die Experimentalphysik, Kopenhagen 1782. p. 134. »Das weiße Licht besteht nach Newton aus sieben Hauptfarben« etc.

Johann Daniel Titius. Physicae experimentalis elementa, Lipsiae 1782. § 111. Der Radius solaris, dann aber zwei Prismen, man weiß nicht warum: denn das Experimentum Crucis ist es nicht. Auch dieser macht einen Sprung: patet ex hoc experimento diversam radiorum solarium refrangibilitatem etc. Dann einige Folgerungen und etwas weniges Chemisches.

W. J. G. Karsten. Anleitung zur gemeinnützlichen Kenntnis der Natur, Halle 1783. § 101 und folgende, ungefähr in dem Sinne wie in seiner Naturlehre.

Johann Philipp Hobert. Grundriß der Naturlehre, 1789. § 221. Lichtstrahl, enge Öffnung, verfinstertes Zimmer etc., wie so viele andre, hinter der ganzen Herde drein.

Anton Bruchhausen. Institutiones physicae, übersetzt von Bergmann, Mainz 1790. Sonnenstrahl, kleine Öffnung und sogar Lichtfäden.

Johann Baptista Horvath. Elementa physicae, Budae 1790. Die alte Leier. Stamina lucis, colore immutabili praedita.

Matthäus Pankl. Compendium institutionum physicarum Pars I. Posoniae 1793. p. 160, cap. 3. de lucis heterogeneitate. Veteribus lumen simplicissima et homogenea substantia fuit. Newtonus heterogeneam esse extra omnem dubitationem posuit.

A. W. Hauch. Anfangsgründe der Experimentalphysik, aus dem Dänischen von Tobiesen. Schleswig 1795. 1. Theil § 286. Das hergebrachte Lied wird abgeorgelt.

Wir sind bei dieser Anzeige der Kompendien weit über die Epoche hinausgegangen, in der wir uns gegenwärtig befinden, und haben die Rezension solcher Schriften bis gegen das Ende des achtzehnten vorigen Jahrhunderts fortgesetzt, indem wir auf diese Wiederholungen und Nachbetereien nicht wieder zurückzukehren wünschten.

Akademie Göttingen

Es ist interessant zu sehen, durch welche Reihe von Personen auf einer besuchten Akademie die Newtonische Lehre fortgepflanzt worden. Ein Göttinger Professor hatte ohnehin, bei der nahen Verwandtschaft mit England, keine Ursache, eine Meinung näher zu prüfen, welche schon durchgängig angenommen war, und so wird sie denn auch bis auf den heutigen Tag noch dort so gut als auf andern Akademien gelehrt.

Hollmann, 1736, liest Physik als einen Teil des philosophischen Kursus. Seine Institutiones werden 1738 gedruckt. Er liest weitläufige Experimentalphysik, nachher dieselbe zusammengezogener. Fährt damit nach Abgang Segners fort bis gegen 1775; stirbt 1788, nachdem er schon mehrere Jahre der Physik und später den übrigen Vorlesungen sich entzogen.

Segner, 1736, liest Physik über Hamberger, Wolff, Musschenbroek, nach Diktaten, von 1744 an; sodann über seine Anfangsgründe, von 1746 bis zu seinem Abgang 1754.

Kästner liest 1759 Physik nach Winkler, später nach Eberhards ersten Gründen der Naturlehre. Er hat als Mathematiker den besondern Tick, die Physiker anzufeinden.

Meister liest Perspektive und Optik.

Erxleben, Professor extraordinarius seit 1770. Erste Ausgabe seines Compendii 1772; stirbt 1777.

Lichtenberg, Professor extraordinarius seit 1770. Anfangs viel abwesend und mit mathematicis beschäftigt, liest von 1778 an über Erxleben und gibt sieben vermehrte Auflagen heraus.

Mayer, nach Lichtenbergs Tod, stimmt in einem neuen Kompendium das alte Lied an.

Nachlese

Smith und Martin, Engländer, bringen die Lehre Newtons im Auszuge in ihre Lehrbücher.

Le Sueur und Jacquier, geistliche Väter zu Rom, kommentieren Newtons Werke und verbreiten seine Lehre.

Encyklopädisten. Da ein Lexikon sowie ein Kompendium einer Erfahrungswissenschaft eigentlich nur eine Sammlung des kursierenden Wahren und Falschen ist, so wird man auch von dieser Gesellschaft nichts weiter erwarten. Man konnte ihr nicht zumuten, daß sie jede Wissenschaft sollte neu durcharbeiten lassen. Und so haben sie denn auch die alte Konfession mit Ernst und Vollständigkeit dergestalt abgelegt, daß sie vor den sämtlichen Glaubensgenossen mit Ehren bestehen können. Die Artikel, unter welchen solches aufzusuchen, verstehen sich von selbst.

Montucla. In der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts hatten sich, wie wir wissen, die Formeln und Redensarten völlig ausgebildet, welche man zugunsten Newtons und zu Ungunsten seiner Gegner wiederholte und einander nachsagte. In Montuclas Histoire des mathématiques, Paris 1758, findet man auch nichts anders. Nicht allein Auswärtige, wie Rizzetti, behalten unrecht, sondern es geschieht auch Franzosen, Mariotten, Castel, Dufay, von dem Franzosen unrecht. Da sich diese so sehr auf Ehre haltende Nation gegen das einmal eingewurzelte Vorurteil nicht wieder erholen konnte, so wird man ja wohl andern, nicht so lebhaften und nicht so eigenwilligen Völkern verzeihen, wenn sie auch bei dem einmal Angenommenen ruhig verharrten.

Tobias Mayer

De affinitate colorum commentatio, lecta in conventu publico, Gottingae 1758, in den kleinen, nach dessen Tod von Lichtenberg herausgegebenen Schriften.

Der Newtonische Wortkram wurde nunmehr von allen deutschen Kathedern ausgeboten. Man freute sich, die Urfarben aus dem Licht hervorgelockt zu haben; es sollten ihrer unzählige sein. Diese ersten, homogenen, einfachen Farben hatten aber die wunderliche Eigenschaft, daß ein großer Teil derselben von den zusammengesetzten nicht zu unterscheiden war.

Betrachtete man jedoch das sogenannte Spektrum genauer, so konnte nicht verborgen bleiben, daß teils der Natur der Sache nach, teils der Bequemlichkeit des Vortrags wegen sich diese unendlichen Farben auf eine geringere Zahl reduzieren ließen. Man nahm ihrer fünf an oder sieben. Weil aber das höchste, im völligen Gleichgewicht stehende Rot dem prismatischen Farbenbild abging, so fehlte auch hier die sechste oder die achte Farbe; das Ganze blieb unvollständig und die Sache konfus.

Alle diejenigen, die von der Malerei und Färberei an die Farbenlehre herantraten, fanden dagegen, wie uns die Geschichte umständlich unterrichtet, naturgemäß und bequem, nur drei Grundfarben anzunehmen. Dieses hatte schon Boyle im zwölften Experiment des dritten Teils seines bekannten Werks kurz und bündig ausgesprochen und den Malern das Recht erteilt, nur drei primäre Farben zu statuieren: weil man denn doch wohl diejenigen so nennen dürfe, die aus keinen andern entspringen, alle übrigen aber erzeugen.

In diesem Sinne ist denn auch Mayers Aufsatz geschrieben. Es herrscht darin der gerade gesunde Menschenverstand. Er operiert zwar mit Pigmenten, wählt aber unter ihnen diejenigen aus, die er als Repräsentanten jener durch den Begriff bestimmten einfachen Farben ansehen darf. Durch Kombination und Berechnung will er nun die möglichen, unterscheidbaren Zusammensetzungen ausmitteln.

Allein, weil er atomistisch zu Werke geht, so ist seine Behandlung keineswegs zulänglich. Die einfachen, die Grundfarben, mögen dem Verstande bestimmbar sein, aber wo sollen sie in der Erfahrung als Körper aufgefunden werden? Jedes Pigment hat seine besondern Eigenschaften und verhält sich, sowohl färbend als körperlich, gegen die übrigen nicht als ein Allgemeines, sondern als ein Spezifisches. Ferner entsteht die Frage: soll man die Pigmente nach Maß oder nach Gewicht zusammenbringen? Beides kann hier nicht frommen. Alle Mischung der Pigmente zu malerischen Zwecken ist empirisch-ästhetisch und hängt von Kenntnis der unterliegenden Körper und von dem zarten Gefühle des Auges ab. Hier wie in allen Künsten gilt ein geistreiches, inkalkulables Eingreifen in die Erfahrung.

Noch manches wäre hier beizubringen, doch wird es demjenigen, der unserm Vortrage bisher aufmerksam gefolgt ist, gewiß gegenwärtig sein. Wir geben daher ohne weiteres die Summe des Mayerischen Aufsatzes nach seiner Paragraphen-Zahl.

1. Es seien nur drei einfache primitive Farben, aus denen durch Mischung die übrigen entstehen.

2. Schwarz und Weiß sei nicht unter die Farben zu rechnen, hingegen dem Licht und der Finsternis zu vergleichen.

3. Die sekundären Farben seien gemischt aus zwei oder drei einfachen.

4. Mischung von Rot und Gelb.

5. Mischung von Gelb und Blau.

6. Mischung von Rot und Blau.

7. Weitere Ausführung.

8. Mischung der drei Farben in verschiedenen Proportionen.

9. Weiß und Schwarz zu den Farben gemischt, macht sie nur heller oder dunkler. Die drei Urfarben, in gehörigem Maße zusammengemischt, machen Grau, so wie jene beide.

10. Von chemischen Mischungen ist nicht die Rede. Die Versuche zu dem gegenwärtigen Zweck sind mit trocknen Pulvern anzustellen, die aufeinander nicht weiter einwirken.

11. Die Portion der einer andern zuzumischenden Farbe muß nicht zu klein sein, sonst ist das Resultat nicht bestimmbar.

12. Man kann zwölf Teile einer jeden Farbe festsetzen, bezüglich auf Musik und Architektur, welche auch nur so viel Teile für sensibel halten.

13. Bezeichnung mit Buchstaben und Zahlen.

14. Durch gemeinsame Faktoren multipliziert oder dividiert, ändert sich das Resultat nicht.

15. Die einfachen Farben werden erst zu zwei, dann zu drei, zwölfmal kombiniert.

16. Durch weitere Operation entstehen einundneunzig Veränderungen,

17. die in einem Dreieck aufgestellt werden können.

18. Die Felder dieses Dreiecks sollen nun nach ihren Zahlbezeichnungen koloriert werden. Dies soll durch einen Maler geschehen. Dadurch wird also das Fundament der Sache dem Auge, dem Gefühl des Künstlers überlassen.

19. Ein Pigment stelle die Farbe nicht rein dar. Dieses ist freilich ganz natürlich, weil sie an irgendeinem Körper besonders bedingt wird. Die reine Farbe ist eine bloße Abstraktion, die wohl manchmal, aber selten zur Wirklichkeit kommt. So nimmt Mayer zum Beispiel den Zinnober als ein vollkommenes Rot an, der doch durchaus einen gelben Schein mit sich führt.

20. Vier Pigmente werden angegeben mit ihren Buchstaben und Ziffern des Dreiecks. Nun wird berechnet, welche Farbe aus diesen Pigmenten entstehen soll. Diese Pigmente müssen also doch erst mit den Feldern des Dreiecks verglichen werden, und wer vergleicht sie, als ein geübtes Auge? und wer wird die zusammengesetzte Farbe mit der durch das Zeichen des Resultats der Berechnung angegebenen Farbe vergleichen?

21. Die Aufgabe wird umgekehrt. Man verlangt eine gewisse Farbe: wieviel Teile der übrigen sollen dazu genommen werden?

22. Mehr als drei Pigmente dürfe man nicht annehmen, sonst werde die Aufgabe unbestimmt.

23. Mischung der vollkommenen, gehörig beleuchteten, mit Licht versehenen Farben mit Weiß,

24. wodurch sie heller werden und zugleich unkenntlicher, das ist weniger unterscheidbar. Des Weißen werden auch zwölf Teile angenommen, und so entstehen dreihundertvierundsechzig Farben. Diese Zahl deutet auf eine Pyramidalfläche, deren je eine Seite zwölf enthält.

25. Dieselbige Operation mit Schwarz.

26. Vollkommene Farben sollen immer etwas Weiß oder Licht bei sich haben.

27. Weitere Ausführung.

28. Schwarz betrachtet als die Privation des Weißen.

29. Sämtliche auf diesem Wege hervorgebrachten Farben belaufen sich auf achthundertneunzehn.

30. Schlußbetrachtung über diese bestimmte große Mannigfaltigkeit und über die noch weit größere der verschiedenen Abstufungen, die dazwischen liegen.

Mayer hatte, wie natürlich war, seine Unzufriedenheit mit der Newtonischen Terminologie zu erkennen gegeben. Dieses zog ihm nicht den besten Willen seiner Kollegen und der gelehrten Welt überhaupt zu. Schon in der Vorlesung selbst machte Röderer eine unbedeutende und unrichtige Bemerkung, welche aber begierig aufgefaßt und durch Kästnern fortgepflanzt wurde. Was dieser, und nachher Erxleben, Lichtenberg, Johann Tobias Mayer, Mollweide und andere, wenn die Sache zur Sprache kam, für Sandweben über diesen Gegenstand hingetrieben und ihn damit zugedeckt, wäre allzu umständlich auseinander zu setzen. Der besser Unterrichtete wird es künftig selbst leisten können.

Johann Heinrich Lambert

Beschreibung einer mit dem Calauischen Wachse ausgemalten Farbenpyramide. Berlin 1772 in 4.

Der Mayerischen Abhandlung war eine kolorierte Tafel beigefügt, welche die Farbenmischung und Abstufung in einem Dreieck, freilich sehr unzulänglich, vorstellt. Dieser Darstellung mehr Ausdehnung und Vielseitigkeit zu geben, wählte man später die körperliche Pyramide. Die Calauische Arbeit und die Lambertische Erklärung ist gegenwärtig nicht vor uns; doch läßt sich leicht denken, was dadurch geleistet worden. Ganz neuerlich hat Philipp Otto Runge, von dessen schönen Einsichten in die Farbenlehre, von der malerischen Seite her, wir schon früher ein Zeugnis abgelegt, die Abstufungen der Farben und ihr Abschattieren gegen Hell und Dunkel auf einer Kugel dargestellt, und wie wir glauben, diese Art von Bemühungen völlig abgeschlossen.

Lamberts Photometrie berühren wir hier nur insofern, als wir uns nicht erinnern, daß er, bei Messung der verschiedenen Lichtstärken, jene Farbenerscheinungen gewahr geworden, welche doch bei dieser Gelegenheit so leicht entspringen, wie vor ihm Bouguer und nach ihm Rumford wohl bemerkt. Sie sind teils physisch, indem sie aus der Mäßigung des Lichtes entspringen, teils physiologisch, insofern sie sich an die farbigen Schatten anschließen.

Carl Scherffer

Abhandlung von den zufälligen Farben. Wien 1765.

Bouguer und Buffon hatten bei Gelegenheit des abklingenden Bildes im Auge und der farbigen Schatten diese, wie es schien, unwesentlichen Farben, denen wir jedoch unter der Rubrik der physiologischen den ersten Platz zugestanden, zur Sprache gebracht und sie zufällig genannt, weil es noch nicht gelungen war, ihre Gesetzmäßigkeit anzuerkennen.

Scherffer, ein Priester der Gesellschaft Jesu, beschäftigte sich mit diesen Erscheinungen und vermannigfaltigte die Versuche, wobei er sich als einen scharfsinnigen und redlichen Beobachter zeigt. Da er jedoch der Lehre Newtons zugetan ist, so sucht er die Phänomene nach derselben zu erklären oder vielmehr sie ihr anzupassen. Die Umkehrung eines hellen Bildes im Auge in ein dunkles, eines dunklen in ein helles, nach verschiedenen gegebenen Bedingungen, (E. 15 ff.) erklärte man, wie am angeführten Orte ersichtlich ist. Nun schlug Pater Scherffer zu Erklärung der farbig miteinander abwechselnden Erscheinungen folgenden Weg ein.

Er legt jenen mangelhaften Newtonischen Farbenkreis (P. 592–94) zum Grunde, dessen Zusammenmischung Weiß geben soll. Dann fragt er, was für eine Farbe zum Beispiel entstehen würde, wenn man aus diesem Kreise das Grün hinwegnähme? Nun fängt er an zu rechnen, zu operieren Schwerpunkte zu suchen und findet, daß ein Violett entstehen müsse, welches zwar, wie er selbst sagt, in der Erfahrung nicht entsteht, wohl aber ein Rot, das er dann eben auch gelten läßt.

Nun soll das Auge, wenn es von den grünen Strahlen affiziert worden, der grüne Gegenstand aber weggehoben wird, sich in einer Art von Notwendigkeit befinden, von dem Resultat der sämtlichen übrigen Strahlen affiziert zu werden.

Da nun aber diese Resultate niemals rein zutreffen – und wie wäre es auch möglich, indem das vollkommene Rot, welches eigentlich der Gegensatz des Grünen ist, jenem Kreise fehlt! – so muß der gute Pater auch in die Hetmans-Manier fallen, worin ihm denn freilich sein Herr und Meister weidlich vorgegangen, so daß er Ausflüchte, Ausnahmen, Einschränkungen überall finden und nach seinem Sinne gebrauchen kann.

Darwin, der in der letzten Zeit diese Erscheinungen ausführlich vorgenommen, erklärt sie zwar auch nach der Newtonischen Lehre, hält sich aber weniger dabei auf, inwiefern diese zu den Erscheinungen passe oder nicht.

Unser einfacher naturgemäßer Farbenkreis, Tafel I, Fig. 1, dient jedoch dazu, diese Gegensätze, indem man bloß die Diameter zieht, bequem aufzufinden.

Weil übrigens jeder tüchtige Mensch, selbst auf dem Wege des Irrtums, das Wahre ahndet, so hat auch Scherffer dasjenige, was wir unter der Form der Totalität ausgesprochen, zwar auf eine schwankende und unbestimmte, aber doch sehr anmutige Weise ausgedrückt, wie folgt:

»Bei Erwägung dieser und mehr dergleichen Mutmaßungen glaub’ ich nicht, daß ich mich betrüge, wenn ich dafür halte, es habe mit dem Auge eine solche Beschaffenheit, daß es nach einem empfindlichen Drucke des Lichtes, nicht allein durch die Ruhe, sondern auch durch den Unterschied der Farben, wiederum müsse gleichfalls erfrischt werden. Jener Ekel, den wir durch das längere Ansehen einer Farbe verspüren, rühre nicht so viel von dem uns angeborenen Wankelmute her als von der Einrichtung des Auges selbst, vermöge welcher auch die schönste Farbe durch den allzulang anhaltenden Eindruck ihre Annehmlichkeit verliert. Und vielleicht hat die vorsichtige Natur dieses zum Absehen gehabt, damit wir einen so edlen Sinn nicht immer mit einer Sache beschäftigen, indem sie unserer Untersuchung eine so große Menge darbietet, da sie den Unterschied in Abwechselung der Farben weit reizender machte als alle Schönheit einer jeden insbesondre.«

Wir enthalten uns, manche interessante Beobachtung und Betrachtung hier auszuziehen, um so mehr als diese Schrift in jedes wahren Liebhabers der Farbenlehre eigene Hände zu gelangen verdient.

Benjamin Franklin

Kleine Schriften, herausgegeben von G. Schatz 1794. Zweiter Teil S. 324 f.

»Der Eindruck, den ein leuchtender Gegenstand auf die Sehnerven macht, dauert zwanzig bis dreißig Sekunden. Sieht man an einem heitern Tage, wenn man im Zimmer sitzt, eine Zeitlang in die Mitte eines Fensters und schließt sodann die Augen, so bleibt die Gestalt des Fensters eine Zeitlang im Auge, und zwar so deutlich, daß man imstande ist, die einzelnen Fächer zu zählen. Merkwürdig ist bei dieser Erfahrung der Umstand, daß der Eindruck der Form sich besser erhält als der Eindruck der Farbe. Denn sobald man die Augen schließt, scheinen die Glasfächer, wenn man das Bild des Fensters anfängt wahrzunehmen, dunkel, die Querhölzer der Kreuze aber, die Rahmen und die Wand umher weiß oder glänzend. Vermehrt man jedoch die Dunkelheit der Augen dadurch, daß man die Hände über sie hält, so erfolgt sogleich das Gegenteil. Die Fächer erscheinen leuchtend und die Querhölzer dunkel. Zieht man die Hand weg, so erfolgt eine neue Veränderung, die alles wieder in den ersten Stand setzt. Ein Phänomen, das ich so wenig zu erklären weiß, als folgendes. Hat man lange durch eine gemeine grüne oder sogenannte Konservationsbrille gesehn und nimmt sie nun ab, so sieht das weiße Papier eines Buchs rötlich aus, so wie es grünlich aussieht, wenn man lange durch rote Brillen gesehen hat. Dies scheint eine noch nicht erklärte Verwandtschaft der grünen und roten Farbe anzuzeigen.«

Noch manches, was sich hier anschließt, ist von Buffon, Mazéas, Béguelin, Melville beobachtet und überliefert worden. Es findet sich beisammen in Priestleys Geschichte der Optik, Seite 327, woselbst es unsre Leser aufzusuchen belieben werden.

 
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Sechste Abteilung (II): Achtzehntes Jahrhundert

Zweite Epoche: Von Dollond bis auf unsere Zeit

Achromasie

Die Geschichte dieser wichtigen Entdeckung ist im Allgemeinen bekannt genug, indem sie teils in besondern Schriften, teils in Lehr- und Geschichtsbüchern öfters wiederholt worden. Uns geziemt daher nur das Hauptsächliche zu sagen; vorzüglich aber, zu zeigen, wie diese bedeutende Aufklärung einer ungeahndeten Natureigenschaft auf das Praktische einen großen, auf das Theoretische gar keinen Einfluß gewinnen können.

Von uralten Zeiten her war bekannt und außer Frage, daß Brechung auf mannigfaltige Weise ohne Farbenerscheinung stattfinden könne. Man sah daher diese, welche sich doch manchmal dazu gesellte, lange Zeit als zufällig an. Nachdem aber Newton ihre Ursache in der Brechung selbst gesucht und die Beständigkeit des Phänomens dargetan, so wurden beide für unzertrennlich gehalten.

Demungeachtet konnte man sich nicht leugnen, daß ja unser Auge selbst durch Brechung sieht, daß also, da wir mit nacktem Auge nirgends Farbensäume oder sonst eine apparente Färbung der Art erblicken, Brechung und Farbenerscheinung bei dieser Gelegenheit voneinander unabhängig gedacht werden können.

Rizzetti hatte das schon zur Sprache gebracht; weil aber seine Zeit in manchem noch zurück war, weil er den nächsten Weg verfehlte und in seiner Lage verfehlen mußte, so wurde auch dieses Verhältnisses nicht weiter gedacht. Indessen war es anatomisch und physiologisch bekannt, daß unser Auge aus verschiedenen Mitteln bestehe. Die Folgerung, daß durch verschiedene Mittel eine Kompensation möglich sei, lag nahe, aber niemand fand sie.

Dem sei, wie ihm wolle, so stellte Newton selbst den so oft besprochenen Versuch, den achten seines zweiten Teils, mit verschiedenen Mitteln an und wollte gefunden haben, daß wenn in diesem Fall der ausgehende Strahl nur dahin gebracht würde, daß er parallel mit dem eingehenden sich gerichtet befände, die Farbenerscheinung alsdann aufgehoben sei.

Zuerst kann es auffallen, daß Newton, indem ihm bei parallelen sogenannten Strahlen Brechung übrig geblieben und die Farbenerscheinung aufgehoben worden, nicht weiter gegangen, sondern daß es ihm vielmehr beliebt, wunderliche Theoreme aufzustellen, die aus dieser Erfahrung herfließen sollen.

Ein Verteidiger Newtons hat in der Folge die artige Vermutung geäußert, daß in dem Wasser, dessen sich Newton bedient, Bleizucker aufgelöst gewesen, den er auch in andern Fällen angewendet. Dadurch wird allerdings das Phänomen möglich, zugleich aber die Betrachtung auffallend, daß dem vorzüglichsten Menschen etwas ganz deutlich vor Augen kommen kann, ohne von ihm bemerkt und aufgefaßt zu werden. Genug, Newton verharrte bei seiner theoretischen Überzeugung, sowie bei der praktischen Behauptung: die dioptrischen Fernröhre seien nicht zu verbessern. Es kam daher ein Stillstand in die Sache, der nur erst durch einen andern außerordentlichen Menschen wieder konnte aufgehoben werden.

Euler, einer von denjenigen Männern, die bestimmt sind, wieder von vorn anzufangen, wenn sie auch in eine noch so reiche Ernte ihrer Vorgänger geraten, ließ die Betrachtung des menschlichen Auges, das für sich keine apparenten Farben erblickt, ob es gleich die Gegenstände durch bedeutende Brechung sieht und gewahr wird, nicht aus dem Sinne und kam darauf, Menisken, mit verschiedenen Feuchtigkeiten angefüllt, zu verbinden, und gelangte durch Versuche und Berechnung dahin, daß er sich zu behaupten getraute: die Farbenerscheinung lasse sich in solchen Fällen aufheben und es bleibe noch Brechung übrig.

Die Newtonische Schule vernahm dieses, wie billig, mit Entsetzen und Abscheu; im stillen aber, wir wissen nicht ob auf Anlaß dieser Eulerischen Behauptung oder aus eigenem Antriebe, ließ Chester-Morehall in England heimlich und geheimnisvoll achromatische Fernröhre zusammensetzen, so daß 1754 schon dergleichen vorhanden, obgleich nicht öffentlich bekannt waren.

Dollond, ein berühmter optischer Künstler, widersprach gleichfalls Eulern aus Newtonischen Grundsätzen und fing zugleich an, praktisch gegen ihn zu operieren; allein zu seinem eignen Erstaunen entdeckt er das Gegenteil von dem, was er behauptet; die Eigenschaften des Flint- und Crownglases werden gefunden, und die Achromasie steht unwidersprechlich da.

Bei alledem widerstrebt die Schule noch eine Zeitlang; doch ein trefflicher Mann, Klingenstjerna, macht sich um die theoretische Ausführung verdient.

Niemanden konnte nunmehr verborgen bleiben, daß der Lehre eine tödliche Wunde beigebracht sei. Wie sie aber eigentlich nur in Worten lebte, so war sie auch durch ein Wort zu heilen. Man hatte die Ursache der Farbenerscheinung in der Brechung selbst gesucht; sie war es, welche diese Ur-Teile aus dem Licht entwickelte, denen man zu diesem Behuf eine verschiedene Brechbarkeit zuschrieb. Nun war aber bei gleicher Brechung diese Brechbarkeit sehr verschieden, und nun faßte man ein Wort auf, den Ausdruck Zerstreuung, und setzte hinter diese Brechung und Brechbarkeit noch eine von ihr unabhängige Zerstreuung und Zerstreubarkeit, welche im Hinterhalt auf Gelegenheit warten mußte, sich zu manifestieren; und ein solches Flickwerk wurde in der wissenschaftlichen Welt, soviel mir bekannt geworden, ohne Widerspruch aufgenommen.

Das Wort Zerstreuung kommt schon in den ältesten Zeiten, wenn vom Licht die Rede ist, vor. Man kann es als einen Trival-Ausdruck ansehen, wenn man dasjenige, was man als Kraft betrachten sollte, materiell nimmt und das, was eine gehinderte, gemäßigte Kraft ist, als eine zerstückelte, zermalmte, zersplitterte ansieht.

Wenn ein blendendes Sonnenlicht gegen eine weiße Wand fällt, so wirkt es von dort nach allen entgegengesetzten Enden und Ecken zurück, mit mehr oder weniger geschwächter Kraft. Führt man aber mit einer gewaltsamen Feuerspritze eine Wassermasse gegen diese Wand, so wirkt diese Masse gleichfalls zurück, aber zerstiebend und in Millionen Teile sich zerstreuend. Aus einer solchen Vorstellungsart ist der Ausdruck Zerstreuung des Lichts entstanden.

Je mehr man das Licht als Materie, als Körper ansah, für desto passender hielt man diese Gleichnisrede. Grimaldi wird gar nicht fertig, das Licht zu zerstreuen, zu zerbrechen und zu zerreißen. Bei Rizzetti findet auch die Dispersion der Strahlen, mit denen er operiert, jedoch wider ihren Willen und zu ihrem höchsten Verdrusse statt. Newton, bei dem die Strahlen ja auch auseinander gebrochen werden, brauchte diesen und ähnliche Ausdrücke, aber nur diskursiv, als erläuternd, versinnlichend; und auf diese Weise wird jenes Wort herangetragen, bis es endlich in dem neu eintretenden unerwarteten Notfalle aufgeschnappt und zum Kunstworte gestempelt wird.

Mir sind nicht alle Dokumente dieses wichtigen Ereignisses zuhanden gekommen, daher ich nicht sagen kann, wer sich zuerst so ausgedrückt. Genug, dieses Kunstwort ward bald ohne Bedenken gebraucht und wird es noch, ohne daß irgend jemanden einfiele, wie durch jene große Entdeckung das Alte völlig verändert und aufgehoben worden. Man hat mit diesem Pflaster den Schaden zugedeckt; und wer in der Kürze einen eminenten Fall sehen will, wie man mit der größten Gemütsruhe und Behaglichkeit einen neuen Lappen auf ein altes Kleid flickt, der lese in den Anfangsgründen der Naturlehre von Johann Tobias Mayer die kurze Darstellung von der Theorie der Farben, besonders vergleiche man den 630. und 635. Paragraphen. Wäre dies ein alter Autor, so würden die Kritiker sich mit der größten Sorgfalt nach andern Codicibus umsehen, um solche Stellen, die gar keinen Sinn haben, mit Bedacht und Vorsicht zu emendieren.

Die Lehre mag sich indessen stellen, wie sie will, das Leben geht seinen Gang fort. Achromatische Fernröhre werden verfertigt, einzelne Männer und ganze Nationen auf die Eigenschaften der verschiedenen Glasarten aufmerksam. Clairault in Frankreich bedient sich der sogenannten Pierres de Stras statt des Flintglases, und die Entdeckung lag ganz nahe, daß der Bleikalk dem Glase jene Eigenschaft, die Farbensäume disproportionierlich gegen die Brechung zu verbreitern, mitteilen könne. Zeiher in Petersburg machte sich um die Sache verdient. Was Boscovich und Steiner getan, um diese Angelegenheit theoretisch und praktisch zu fördern, bleibt unvergessen.

Le Baude erhielt in Frankreich 1773 den Preis für eine Glasart, die dem Flint nahe kam. Dufougerais hat zu unserer Zeit in seiner Manufaktur zu Mont-Cenis ein Glas verfertigt, wovon ein Prisma zu zehn Graden mit einem Prisma von Crownglas zu achtzehn Graden zusammengestellt, die Farbenerscheinung aufhebt.

Von dieser Glasart liegt noch eine große Masse vorrätig, und es ist zu wünschen, daß ein Teil derselben von den französischen Optikern zu Prismen von allen Winkeln genutzt und zum Besten der Wissenschaft in einen allgemeinen Handelsartikel verwandelt werde.

Das Weitere und Nähere, was diese wichtige Epoche betrifft, ist in Priestleys Geschichte der Optik nachzuschlagen, wobei die Klügelschen Zusätze von großer Bedeutung sind. Übrigens ist Priestley, hier wie durchaus, mit Vorsicht zu lesen. Er kann die Erfahrung, er kann die großen, gegen Newton daraus entspringenden Resultate nicht leugnen, gibt aber ganz gewissenlos zu verstehen: Euler sei durch einen Wink Newtons angeregt worden, als wenn jemand auf etwas hinwinken könnte, was er aufs hartnäckigste leugnet, ja was noch schlimmer ist, von dessen Möglichkeit er gar keine Spur hat! Unser, in diesem Falle sowie in andern geradsinnige Klügel läßt es ihm auch nicht durchgehen, sondern macht in einer Note aufmerksam auf diese Unredlichkeit.

Joseph Priestley

The history and present state of discoveries relating to vision, light and colours, London 1772 in Quart.

Ohne diesem Werk sein Verdienst verkümmern oder ihm denjenigen Nutzen ableugnen zu wollen, den wir selbst daraus gezogen haben, sind wir doch genötigt auszusprechen, daß dadurch besonders die anbrüchige Newtonische Lehre wiederhergestellt worden. Der Verfasser braucht die eingeführten Phrasen wieder ruhig fort. Alles, was im Altertum und in der mittlern Zeit geschehen, wird für nichts geachtet. Newtons Versuche und Theorien werden mit großem Bombast ausgekramt. Die achromatische Entdeckung wird so vorgetragen, als sei jene Lehre dadurch nur ein wenig modifiziert worden. Alles kommt wieder ins gleiche, und der theoretische Schlendrian schleift sich wieder so hin.

Da man dieses Werk, genau betrachtet, gleichfalls mehr als Materialien denn als wirkliche Geschichtserzählung anzusehen hat, so verweisen wir übrigens unsere Leser gern darauf, weil wir auf manches, was dort ausführlich behandelt worden, nur im Vorbeigehen hingedeutet haben.

Paolo Frisi

Wir erwähnen hier dieses Mannes, ob er gleich erst später, 1778, eine Lobschrift auf Newton herausgegeben, um nur mit wenigem zu bemerken, daß immer noch die ältere Lehre, wie sie Newton vorgetragen, Desaguliers sie verteidigt, wie sie in die Schulen aufgenommen worden, ihre unbedingten Lobredner findet, selbst in der neuern Epoche, die ihren Untergang entschieden hätte herbeiführen müssen, wenn die Menschen, unter dem Druck einer beschränkten Gewohnheit hinlebend, zu einem neuen Aperçu Augen und Geist entschieden froh hinauf heben könnten.

Wird übrigens ein Muster verlangt, wie ein echter Newtonianer gedacht und gesprochen und sich die Sache vorgestellt, so kann diese übrigens sehr gut geschriebene und mit heiterm Enthusiasmus vorgetragene Lobschrift zur Hand genommen und beherzigt werden.

Georg Simon Klügel

Die Lehre von der Achromasie war wie ein fruchtbarer und unzerstörlicher Same über das Feld der Wissenschaften ausgestreut. So manches davon auch unter die Schuldornen fiel, um daselbst zu ersticken, so manches davon auch von den immer geschäftigen theoretisch-kritischen Vögeln aufgepickt und verschluckt wurde, so manches davon das Schicksal hatte, auf dem platten Wege der Gemeinheit zertreten zu werden: so konnte es doch nicht fehlen, daß in guten und tragbaren Boden ein Teil treulich aufgenommen ward und, wo nicht gleich Frucht trug, doch wenigstens im stillen keimte.

So haben wir oft genug unsern redlichen Landsmann Klügel bewundert und gelobt, wenn wir sein Verfahren bei Übersetzung und Supplierung der Priestleyschen Optik mit Ruhe beobachteten. Überall vernimmt man leise Warnungen, vielleicht zu leise, als daß sie hätten können gehört werden. Klügel wiederholt bescheiden und oft, daß alle theoretische Enunziationen nur Gleichnisreden seien. Er deutet an, daß wir nur den Widerschein und nicht das Wesen der Dinge sehen. Er bemerkt, daß die Newtonische Theorie durch die achromatische Erfindung wohl gar aufgehoben sein könnte.

Wenn es uns nicht ziemt, von seinem Hauptverdienste, das außer unserm Gesichtskreise liegt, zu sprechen, so geben wir um so lieber ihm das Zeugnis eines vielleicht noch seltenern Verdienstes, daß ein Mann wie er, von so viel mathematischer Gewandtheit, dem Wissenschaft und Erfahrung in solcher Breite zu Gebote standen, daß dieser eine vorurteilsfreie verständige Übersicht dergestalt walten ließ, daß seine wissenschaftlichen Behandlungen, sicher, ohne dogmatisch, warnend, ohne skeptisch zu sein, uns mit dem Vergangenen bekannt machen, das Gegenwärtige wohl einprägen, ohne den Blick für die Zukunft zu verschließen.

Übergang

Die Newtonische Schule mochte sich indessen gebärden, wie sie wollte. Es war nun so oft von vielen bedeutenden Männern, in so vielen Schriften, welche gleichsam jeden Tag wirksam waren (denn die Sache wurde lebhaft betrieben), es war ausgesprochen worden, daß Newton sich in einem Hauptpunkte geirrt habe, und mehr als alle Worte sprachen dies die dioptrischen Fernröhre auf Sternwarten und Mastbäumen, in den Händen der Forscher und der Privatleute, immer lauter und unwidersprechlicher aus.

Der Mensch, wir haben schon früher darauf appuyiert, unterwirft sich ebenso gern der Autorität, als er sich derselben entzieht; es kommt bloß auf die Epochen an, die ihn zu dem einen oder dem andern veranlassen. In der gegenwärtigen Epoche der Farbenlehre erhielten nunmehr jüngere, geistreichere, ernst und treu gesinnte Menschen eine gewisse Halbfreiheit, die, weil sie keinen Punkt der Vereinigung vor sich sah, einen jeden auf sich selbst zurückwies, eines jeden eigne Ansichten, Lieblingsmeinungen, Grillen hervorrief, und so zwar manchem Guten förderlich war, dagegen aber auch eine Art von Anarchie weissagte und vorbereitete, welche in unsern Tagen völlig erschienen ist.

Was einzelne getan, die Natur der Farbe auf diese oder jene Weise mehr zu ergründen und zu erklären, ohne auf die Newtonische Lehre besonders Rücksicht zu nehmen, ist jetzt die Hauptaufgabe unsers fernern Vortrags. Wir nehmen mit, was wir sonst noch auf unserm Wege finden, lassen aber dazwischen manches einzelne liegen, welches nicht frommt und fördert.

C. F. G. Westfeld

Die Erzeugung der Farben, eine Hypothese. Göttingen 1767.

Dieser einzelne Bogen verdiente wohl, wenn man eine Anzahl kleiner, auf die Farbenlehre bezüglicher, sich verlierender Schriften sammeln und der Vergessenheit entziehen wollte, mit abgedruckt zu werden.

Des Verfassers Vortrag ist zwar nicht luminos, und weil er sich gleich in Kontrovers verwickelt, keineswegs erfreulich; doch ist seine Überzeugung guter Art. Erst drückt er sie im allgemeinen folgendermaßen aus: »Die Verschiedenheit der Farben ist nur eine Verschiedenheit der Bewegung in den nervigen Fasern der Netzhaut«; dann aber tritt er der Sache näher und schreibt die Farbenwirkung aufs Auge einer mehr oder minder erregten Wärme auf der Netzhaut zu.

Mit einer vergnüglichen Zufriedenheit sehen wir dasjenige geahndet und vorbereitet, was später von Herscheln entdeckt und zu unserer Zeit weiter ausgeführt worden. Wir wollen ihn selbst hören:

»Das Licht ist ein ausgedehntes Feuer, das man nur in einen engen Raum zusammendrängen darf, um sich von der Heftigkeit seiner Wirkungen zu überführen. Die Netzhaut des Auges hat die natürliche Wärme des Körpers. Die Lichtstrahlen, die auf sie fallen, müssen ihre natürliche Wärme vermehren und ihre Fasern desto mehr ausdehnen, je dichter sie sind. Diese Verschiedenheit der Ausdehnung der nervigen Fasern muß eine verschiedene Empfindung in der Seele hervorbringen, und diese verschiedenen Empfindungen nennen wir Farben. Mit den Empfindungen, wenn sie zu heftig sind, ist bisweilen ein gewisses Gefühl verbunden, das wir Schmerz heißen. Wenn die Lichtstrahlen solche Empfindungen erregen, so haben sie einen zu heftigen Grad der Ausdehnung hervorgebracht. Die Empfindungen, die wir Farben nennen, müssen von einem geringern Grade der Ausdehnung herrühren, und unter diesen ist die heftigste Empfindung gelbe Farbe, weniger heftige die rote, grüne, blaue Farbe.«

»Ein einzelner Lichtstrahl dehnt die Stelle der Netzhaut, auf die er fällt, so aus, daß dadurch die Empfindung in der Seele entsteht, die wir gelbe Farbe nennen. Man zerlege diesen Lichtstrahl durch das Prisma in sieben Teile, wovon einer immer dichter ist als der andere, so werden diese sieben Teile, nach Verhältnis ihrer Dichtigkeit, verschiedene Ausdehnungen erzeugen, wovon wir jede mit einem eigenen Namen belegen. Schwarze Körper saugen die meisten Lichtstrahlen ein; folglich bringen sie auch die geringste Ausdehnung auf der Netzhaut hervor; violette etwas mehr, und dies steigt bis zu den gelben und weißen Körpern, die, weil sie am dichtesten sind, die meisten Lichtstrahlen zurückwerfen und dadurch die heftigste Ausdehnung auf der Netzhaut erregen.«

»Man merke es wohl, was wir vorhin gesagt haben, daß die natürliche Wärme der Netzhaut vermehrt werden muß, wenn wir Farben sehen, oder überhaupt, wenn wir sehen sollen. So können wir lange in einem warmen finstern Zimmer sein, worinnen wir durch die Wärme nicht sehen. Der ganze Körper empfindet in diesem Falle, und deswegen lassen sich die Empfindungen an einzelnen Teilen nicht unterscheiden. Wir sehen im Winter bei einer heftigen Kälte gefärbte und ungefärbte Körper, weil sie Lichtstrahlen in unser Auge werfen und dadurch eine größere Wärme oder größere Ausdehnung erregen.«

»Die Dichtigkeit der Lichtstrahlen, die die gelbe oder weiße Farbe in uns erzeugt, kann sehr verschieden sein, ohne daß sie eine andere Farbe hervorbringt. Das Licht, das in der Nähe gelb brennt, brennt auch noch in einer großen Entfernung so. Kreide sieht in der Nähe und in der Ferne weiß aus. Ganz anders verhält es sich mit den Farben, die von einer viel mindern Dichtigkeit der Lichtstrahlen entstehen: diese werden schon in einer kleinen Entfernung schwarz.«

»Ich sehe nicht, wie ein Newtonianer verantworten kann, daß Körper von schwachen Farben in der Entfernung schwarz zu sein scheinen. Wenn sie zum Beispiel nur die blauen Lichtteilchen zurückwerfen, warum bleiben denn diese auf der entfernten Netzhaut nicht ebensowohl blaue Lichtteilchen als auf der nahen? Es ist ja nicht wie mit dem Geschmacke eines Salzes, das man mit zu vielem Wasser verdünnt hat. Die blauen Lichtteilchen werden auch in der Entfernung mit nichts vermischt, das ihre Wirkungen verändern könnte. Sie gehen zwar durch die Atmosphäre, die voll fremder Körper und anderer Farbeteilchen ist, aber sie leiden doch dadurch keine Veränderung.«

»Die scheinbaren Farben lassen sich aus dieser Hypothese noch leichter als aus den übrigen erklären. Wenn die Netzhaut, indem das Auge lange in das Licht sah oder einen andern gefärbten Körper einige Zeit betrachtete, nach Verhältnis der Dichtigkeit der empfangenen Lichtstrahlen erwärmt wurde, so konnte sich diese Wärme nur nach und nach verlieren. So wird ein warmes Metall nicht auf einmal kalt. Mit der Fortdauer der Wärme dauerte die Ausdehnung fort, und folglich die Farben, die allmählich, sowie sich die Wärme verlor, in andere Farben übergingen.«

»Ich mag diese Hypothese jetzt nicht weitläuftiger ausführen, und deswegen will ich nur noch das Wahre derselben, von dem Wahrscheinlichen abgesondert, heraussetzen. Wahr ist es: ›daß die Lichtstrahlen, so einfach sie auch sein mögen, Wärme und Ausdehnung auf der Netzhaut hervorbringen müssen‹, daß die Seele diese Ausdehnung empfinden muß. Denn man erkläre auch die Farben, wie man will, so muß man mir doch allezeit zugeben, daß das, was zum Beispiel die blaue Farbe erzeugt, nicht heftiger wirken kann, als die Wärme eines solchen blauen Lichtteilchens wirkt.«

Hätte Westfeld statt des Mehr und Minder, wodurch doch immer nur eine Abstufung ausgedrückt wird, von der man nicht weiß, wo sie anfangen und wo sie aufhören soll, seine Meinung als Gegensatz ausgesprochen und die Farbenwirkungen als erwärmend und erkältend angenommen, so daß die von der einen Seite die natürliche Wärme der Retina erhöhen, die von der andern sie vermindern, so wäre nach ihm diese Ansicht nicht viel mehr zu erweitern gewesen. Sie gehört in das Kapitel von der Wirkung farbiger Beleuchtung, wo wir teils das Nötige schon angegeben haben, teils werden wir das allenfalls Erforderliche künftig supplieren.

Guyot

Nouvelles Récréations physiques et mathématiques, à Paris, 1769–70. 4 Bände in 8.

Man kann nicht genug wiederholen, daß eine Theorie sich nicht besser bewährt, als wenn sie dem Praktiker sein Urteil erleichtert und seine Anwendungen fördert. Bei der Newtonischen ist gerade das Gegenteil; sie steht jedem im Wege, der mit Farben irgend etwas beginnen will; und dies ist auch hier der Fall, bei einem Manne, der sich unter andern physischen Erscheinungen und Kräften auch der Farben zu mancherlei Kunststücken und Erheiterungen bedienen will.

Er findet bald, daß er, um alle Farben hervorzubringen, nur drei Hauptfarben bedarf, die er also auch wohl Ur- und Grundfarben nennen mag. Er bringt diese in helleren, sich nach und nach verdunkelnden Reihen auf durchscheinendes, über Quadratrahmen gespanntes Papier, bedient sich dieser erst einzeln, nachher aber dergestalt miteinander verbunden, daß die hellern und dunklern Streifen übers Kreuz zu stehen kommen; und so entspringen wirklich alle Farbenschattierungen, sowohl in Absicht auf Mischung als auf Erhellung und Verdunkelung, zu welchem letztern Zwecke er jedoch noch eine besondere Vorrichtung macht.

Sich dieser Rahmen zu bedienen, verfertigt er ein Kästchen, worein sie passen, wovon die eine Seite ganz offen und nach der Sonne gerichtet ist, die andere aber mit einer hinreichenden Öffnung versehen, daß man die gefärbten Flächen überschauen könne.

Bei diesen Operationen, die so einfach sind, und eben weil sie so einfach sind, steht ihm die Newtonische Theorie im Wege, worüber er sich, zwar mit vorhergeschickten Protestationen, daß er dem scharfsinnigen und kuriosen System keinesweges zu widersprechen wage, folgendermaßen äußert:

»Die Wirkung, welche von diesen gefärbten durchscheinenden Papieren hervorgebracht wird, scheint nicht mit dem gegenwärtigen System von der Bildung der Farben übereinzustimmen. Denn das Papier, worauf man zum Beispiel die blaue Farbe angebracht hat, wirft die blauen Strahlen zurück, wenn man es durch die große Öffnung des Kastens betrachtet, indes die andere geschlossen ist. Schaut man aber durch die kleinere, indes die größere gegen die Sonne gewendet ist, so erblickt man durch das Papier hindurch eben dieselben blauen Strahlen. Dieses aber wäre, dem System nach, ein Widerspruch, weil ja dasselbe Papier dieselben Strahlen zurückwirft und durchläßt. Man kann auch nicht sagen, das Papier werfe nur einen Teil zurück und lasse den andern durchgehen: denn bei dieser Voraussetzung müßte das Papier, indem es nur einen Teil der blauen Strahlen durchließe, die Kraft haben, alle übrigen zu verschlingen, da man doch, wenn man den gelben Rahmen hinter den blauen stellt, nichts sieht als grüne Strahlen, welche vielmehr der blaue Rahmen verschlingen sollte. Ja man dürfte gar keine Farbe sehen: denn die einzigen blauen Strahlen, welche durch den blauen Rahmen durchzugehen imstande sind, müßten ja durch den zweiten Rahmen verschluckt werden, der nur die gelben durchläßt. Dieselbe Betrachtung kann man bei allen übrigen Farben machen, welche durch die verschiedenen Stellungen dieser farbigen Rahmen hervorgebracht werden.«

Und so hat auch dieser verständige, im kleinen tätige Mann nach seiner Weise und auf seinem Wege die Absurdität des Newtonischen Systems eingesehen und ausgesprochen: abermals ein Franzos, der gleichfalls die umsichtige Klugheit und Gewandtheit seiner Nation beurkundet.

Mauclerc

Traité des Couleurs et Vernis, à Paris 1773.

Die Farbenkörper haben gegeneinander nicht gleichen Gehalt, und das Gelbe sei ausgiebiger als das Blaue, so daß, wenn man ihre Wirkung miteinander ins Gleichgewicht zu einem Grün setzen wolle, man drei Teile Blau gegen zwei Teile Gelb nehmen müsse. So sei auch das hohe Rot stärker als das Blaue, und man müsse fünf Teile Blau gegen vier Teile Rot nehmen, wenn das Gemisch gerade in die Mitte von beiden fallen solle.

Marat

Découvertes sur le Feu, l’électricité et la lumière, à Paris 1779. 8vo.

Découvertes sur la Lumière, à Londres et à Paris 1780. 8vo.

Notions élémentaires d’Optique, à Paris 1784. 8vo.

Ohne uns auf die große Anzahl Versuche einzulassen, worauf Marat seine Überzeugungen gründet, kann es hier bloß unsere Absicht sein, den Gang, den er genommen, anzudeuten.

Die erste Schrift liefert umständliche Untersuchungen über das, was er feuriges Fluidum, fluide igné, nennt. Er bringt nämlich brennende, glühende, erhitzte Körper in das Sonnenlicht und beobachtet den Schatten ihrer Ausflüsse und was sonst bei dieser Gelegenheit sichtbar wird.

Da er sich nun das Vorgehende noch deutlicher machen will, so bedient er sich in einer dunklen Kammer des Objektivs von einem Sonnenmikroskop und bemerkt dadurch genauer die Schatten der Körper, der Dünste, die verschiedenen Bewegungen und Abstufungen.

Den Übergang zu dem, was uns eigentlich interessiert, werden wir hier gleich gewahr, und da er auch erkaltende, ja kalte Körper auf diese Weise beobachtet, so findet er, daß auch etwas Eignes um sie vorgeht. Er bemerkt Schatten und Lichtstreifen, hellere und dunklere Linien, welche das Schattenbild des Körpers begleiten.

War die feurige Flüssigkeit bei jenen ersten Versuchen aus dem Körper herausdringend sichtbar geworden, so wird ihm nunmehr eine Eigenschaft des Lichtes anschaulich, welche darin bestehen soll, daß es sich von den Körpern anziehen läßt, indem es an ihnen vorbeigeht. Er beobachtet die Phänomene genau und will finden, daß diese Anziehung, woraus jene von Grimaldi früher schon sogenannte Beugung entsteht, nach der verschiedenen Natur der Körper verschieden sei. Er beobachtet und mißt die Stärke dieser Anziehungskräfte, und wie weit sich die Atmosphäre dieser Anziehung erstrecken möchte.

Bei dieser Gelegenheit bemerkt er jene uns auch schon bekannten Farbensäume. Er findet nur zwei Farben, die blaue und die gelbe, an welche beiden sich die dritte, die rote, nur anschließend sehen läßt.

Das Licht ist nun einmal angezogen, es ist von seinem Wege abgelenkt; dies deutet ihm gleichfalls auf die Eigenschaft eines Fluidums. Er verharrt auf dem alten Begriff der Dekomposition des Lichtes in farbige Lichtteile; aber diese sind ihm weder fünf, noch sieben, noch unzählige, sondern nur zwei, höchstens drei.

Da er nun bei diesen Versuchen, welche wir die paroptischen nannten, auch wie bei jenen, die feurige Flüssigkeit betreffenden, das Objektivglas eines Sonnenmikroskops anwendet, so verbinden sich ihm die dioptrischen Erfahrungen der zweiten Klasse, die Refraktionsfälle, sogleich mit den paroptischen, deren Verwandtschaft freilich nicht abzuleugnen ist, und er widerspricht also von dieser Seite der Newtonischen Lehre, indem er ungefähr diejenigen Versuche aufführt, die auch wir und andere vorgelegt haben. Er spricht entschieden aus, daß die Farbenerscheinung nur an den Rändern entspringe, daß sie nur in einem einfachen Gegensatz entstehe, daß man das Licht hin und wider brechen könne, soviel man wolle, ohne daß eine Farbenerscheinung stattfinde. Und wenn er auch zugesteht, daß das Licht dekomponiert werde, so behauptet er steif und fest: es werde nur auf dem paroptischen Wege durch die sogenannte Beugung dekomponiert, und die Refraktion wirke weiter nichts dabei, als daß sie die Erscheinung eminent mache.

Er operiert nunmehr mit Versuchen und Argumenten gegen die diverse Refrangibilität, um seiner diversen Inflexibilität das erwünschte Ansehen zu verschaffen; sodann fügt er noch einiges über die gefärbten Schatten hinzu, welches gleichfalls seine Aufmerksamkeit und Sagazität verrät, und verspricht, diese und verwandte Materien weiter durchzuarbeiten.

Wer unserm Entwurf der Farbenlehre und dem historischen Faden unserer Bemühung gefolgt ist, wird selbst übersehen, in welchem Verhältnis gegen diesen Forscher wir uns befinden. Paroptische Farben sind, nach unserer eigenen Überzeugung, ganz nahe mit den bei der Refraktion erscheinenden verwandt (E. 415). Ob man jedoch, wie wir glaubten, diese Phänomene allein aus dem Doppelschatten herleiten könne, oder ob man zu geheimnisvolleren Wirkungen des Lichtes und der Körper seine Zuflucht nehmen müsse, um diese Phänomene zu erklären, lassen wir gern unentschieden, da für uns und andere in diesem Fache noch manches zu tun übrig bleibt.

Wir bemerken nur noch, daß wir die paroptischen Fälle mit den Refraktionsfällen zwar verwandt, aber nicht identisch halten. Marat hingegen, der sie völlig identifizieren will, findet zwar bei den objektiven Versuchen, wenn das Sonnenbild durchs Prisma geht, ziemlich seine Rechnung; allein bei subjektiven Versuchen, wo sich nicht denken läßt, daß das Licht an der Grenze eines auf einer flachen Tafel aufgetragenen Bildes hergehe, muß er sich freilich wunderlich gebärden, um auch hier eine Beugung zu erzwingen. Es ist merkwürdig genug, daß den Newtonianern bei ihrem Verfahren die subjektiven Versuche gleichfalls im Wege sind.

Wie wenig Gunst die Maratischen Bemühungen bei den Naturforschern, besonders bei der Akademie, fanden, läßt sich denken, da er die hergebrachte Lehre, ob er gleich ihr letztes Resultat, die Dekomposition des Lichtes, zugab, auf dem Wege, den sie dahin genommen, so entschieden angriff. Das Gutachten der Kommissarien ist als ein Muster anzusehen, wie grimassierend ein böser Wille sich gebärdet, um etwas, das sich nicht ganz verneinen läßt, wenigstens zu beseitigen.

Was uns betrifft, so halten wir dafür, daß Marat mit viel Scharfsinn und Beobachtungsgabe die Lehre der Farben, welche bei der Refraktion und sogenannten Inflexion entstehen, auf einen sehr zarten Punkt geführt habe, der noch fernerer Untersuchung wert ist und von dessen Aufklärung wir einen wahren Zuwachs der Farbenlehre zu hoffen haben.

Schließlich bemerken wir noch, daß die beiden letztern oben benannten Schriften, welche uns eigentlich interessieren, gewissermaßen gleichlautend sind, indem die zweite nur als eine Redaktion und Epitome der ersten angesehen werden kann, welche von Christ. Ehrenfried Weigel ins Deutsche übersetzt, und mit Anmerkungen begleitet, Leipzig 1733 herausgekommen ist.

H. F. T.

Observations sur les ombres colorées, à Paris 1782.

Dieser, übrigens soviel wir wissen unbekannt gebliebene, Verfasser macht eine eigene und artige Erscheinung in der Geschichte der Wissenschaft. Ohne mit der Naturlehre überhaupt, oder auch nur mit diesem besondern Kapitel des Lichts und der Farben bekannt zu sein, fallen ihm die farbigen Schatten auf, die er denn, da er sie einmal bemerkt hat, überall gewahr wird. Mit ruhigem und geduldigen Anteil beobachtet er die mancherlei Fälle, in welchen sie erscheinen, und ordnet zuletzt in diesem Buche zweiundneunzig Erfahrungen, durch welche er der Natur dieser Erscheinungen näher zu kommen denkt. Allein alle diese Erfahrungen und sogenannten Expériences sind immer nur beobachtete Fälle, durch deren Anhäufung die Beantwortung der Frage immer mehr ins Weite gespielt wird. Der Verfasser hat keineswegs die Gabe, mehreren Fällen ihr Gemeinsames abzulernen, sie ins Enge zu bringen und in bequeme Versuche zusammenzufassen. Da dieses letztere von uns geleistet ist (E. 62–80), so läßt sich nunmehr auch leichter übersehen, was der Verfasser eigentlich mit Augen geschaut und wie er sich die Erscheinungen ausgelegt hat.

Bei der Seltenheit des Buches halten wir es für wohlgetan, einen kurzen Auszug davon, nach den Rubriken der Kapitel, zu geben.

Einleitung. Historische Nachricht, was Leonardo da Vinci, Buffon, Millot und Nollet über die farbigen Schatten hinterlassen.

Erster Teil. Was nötig sei, um farbige Schatten hervorzubringen. Nämlich zwei Lichter, oder Licht von zwei Seiten; sodann eine entschiedene Proportion der beiderseitigen Helligkeit.

Zweiter Teil. Von den verschiedenen Mitteln, farbige Schatten hervorzubringen, und von der Verschiedenheit ihrer Farben.

I. Von farbigen Schatten, welche durch das direkte Licht der Sonne hervorgebracht werden. Hier werden sowohl die Schatten bei Untergang der Sonne als bei gemäßigtem Licht den Tag über beobachtet.

II. Farbige Schatten, durch den Widerschein des Sonnenlichtes hervorgebracht. Hier werden Spiegel, Mauern und andere, Licht zurückwerfende Gegenstände mit in die Erfahrung gezogen.

III. Farbige Schatten, durch das Licht der Atmosphäre hervorgebracht und erleuchtet durch die Sonne. Es werden diese seltener gesehen, weil das Sonnenlicht sehr schwach werden muß, um den von der Atmosphäre hervorgebrachten Schatten nicht völlig aufzuheben. Sie kommen daher gewöhnlich nur dann vor, wenn die Sonne schon zum Teil unter den Horizont gesunken ist.

IV. Farbige Schatten, durch das Licht der Atmosphäre allein hervorgebracht. Es muß, wo nicht von zwei Seiten, doch wenigstens übers Kreuz fallen. Diese Versuche sind eigentlich nur in Zimmern anzustellen.

V. Farbige Schatten, hervorgebracht durch künstliche Lichter. Hier bedient sich der Verfasser zweier oder mehrerer Kerzen, die er sodann mit dem Kaminfeuer in Verhältnis bringt.

VI. Farbige Schatten, hervorgebracht durch das atmosphärische Licht und ein künstliches. Dieses sind die bekanntesten Versuche mit der Kerze und dem Tageslicht, unter den mannigfaltigsten empirischen Bedingungen angestellt.

VII. Farbige Schatten, hervorgebracht durch den Mondenschein und ein künstliches Licht. Dieses ist ohne Frage die schönste und eminenteste von allen Erfahrungen.

Dritter Teil. Von der Ursache der verschiedenen Farben der Schatten. Nachdem er im Vorhergehenden das obige Erfordernis eines Doppellichtes und ein gewisses Verhältnis der beiderseitigen Helligkeit nunmehr völlig außer Zweifel gesetzt zu haben glaubt, so scheint ihm beim weitern Fortschritt besonders bedenklich, warum dasselbe Gegenlicht nicht immer die Schatten gleich färbe.

I. Vom Licht und den Farben. Er hält sich vor allen Dingen an die Newtonische Lehre, kann jedoch seine farbigen Schatten nicht mit der Refraktion verbinden. Er muß sie in der Reflexion suchen, weiß aber doch nicht recht, wie er sich gebärden soll.

Er kommt auf Gauthiers System, welches ihn mehr zu begünstigen scheint, weil hier die Farben aus Licht und Schatten zusammengesetzt werden. Er gibt auch einen ziemlich umständlichen Auszug; aber auch diese Lehre will ihm so wenig als die Newtonische genügen, die farbigen Schatten zu erklären.

II. Von verschiedenen Arten der farbigen Schatten. Er bemerkt, daß diese Erscheinungen sich nicht gleich sind, indem man den einen eine gewisse Wirklichkeit, den andern nur eine gewisse Apparenz zuschreiben könne. Allein er kann sich doch, weil ihm das Wort des Rätsels fehlt, aus der Sache nicht finden. Daß die roten Schatten von der untergehenden Sonne und den sie begleitenden Wolken herkommen, ist auffallend; aber warum verwandelt sich der entgegengesetzte Schatten bei dieser Gelegenheit, aus dem Blauen ins Grüne? Daß diese Farben, wenn die Schatten auf einen wirklich gefärbten Grund geworfen werden, sich nach demselben modifizieren und mischen, zeigt er umständlich.

III. Über die Farbe der Luft. Enthält die konfusen und dunkeln Meinungen der Naturforscher über ein so leicht zu erklärendes Phänomen (E. 151).

IV. Bemerkungen über die Hervorbringung der farbigen Schatten. Die Bedenklichkeiten und Schwierigkeiten, auf diesem Wege die farbigen Schatten zu erklären, vermehren sich nur. Der Verfasser nähert sich jedoch dem Rechten, indem er folgert: die Farben dieser Schatten sei man sowohl dem Lichte schuldig, welches den Schatten verursacht, als demjenigen, das ihn erleuchtet.

Der Verfasser beobachtet so genau und wendet die Sache so oft hin und wider, daß er immer sogleich auf Widersprüche stößt, sobald er einmal etwas festgesetzt hat. Er sieht wohl, daß das früher von ihm aufgestellte Erfordernis einer gewissen Proportion der Lichter gegeneinander nicht hinreicht; er sucht es nun in gewissen Eigenschaften der leuchtenden Körper, besonders der Flammen, und berührt auch den Umstand, daß verschiedene Lichter nicht einerlei gleiche Farben verbreiten.

V. Beobachtungen über die Ursachen der verschiedenen Schattenfarben. Er vermannigfaltigt die Versuche abermals, besonders um zu erkennen, auf welchem Wege eine Schattenfarbe in die andere übergeht, und ob dieser Übergang nach einer gewissen Ordnung geschehe. Dabei beharrt er immer auf dem Begriff von der verschiedenen Intensität des Lichts und sucht sich damit durchzuhelfen, ob es gleich nur kümmerlich gelingt. Und weil er durchaus redlich zu Werke geht, begegnen ihm immer neue Widersprüche, die er eingesteht und dann wieder mit dem, was er schon festgesetzt, zu vereinigen sucht. Seine letzten Resultate sind folgende:

Farbige Schatten entspringen:

1. durch das stärkere oder schwächere Licht, das die Schatten empfangen.

2. durch die größere oder geringere Klarheit des Lichts, welches die Schatten hervorbringt.

3. durch die größere oder kleinere Entfernung der Lichter von den Schatten.

4. von der größern oder geringern Entfernung der schattenwerfenden Körper von dem Grunde, der sie empfängt.

5. von der größern oder geringern Inzidenz, sowohl der Schatten als des Lichtes, das sie erleuchtet, gegen den Grund, der sie aufnimmt.

6. Man könnte noch sagen von der Farbe des Grundes, welcher die Schatten aufnimmt.

Auf diese Weise beschließt der Verfasser seine Arbeit, die ich um so besser beurteilen kann, als ich, ohne seine Bemühungen zu kennen, früher auf demselbigen Wege gewesen; aus welcher Zeit ich noch eine kleine in diesem Sinne geschriebene Abhandlung besitze.

An Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit fehlt es diesem ruhig teilnehmenden Beobachter nicht. Die geringsten Umstände zeigt er an: das Jahr, die Jahreszeit, den Tag, die Stunde; die Höhen der himmlischen, die Stellung der künstlichen Lichter; die größere oder geringere Klarheit der Atmosphäre; Entfernung und alle Arten von Bezug: aber gerade die Hauptsache bleibt ihm verborgen, daß das eine Licht den weißen Grund, worauf es fällt und den Schatten projiziert, einigermaßen färben müsse. So entgeht ihm, daß die sinkende Sonne das Papier gelb und sodann rot färbt, wodurch im ersten Fall der blaue, sodann der grüne Schatten entsteht. Ihm entgeht, daß bei einem von Mauern zurückstrahlenden Lichte leicht ein gelblicher Schein auf einen weißen Grund geworfen und daselbst ein violetter Schatten erzeugt wird; daß die dem Tageslicht entgegengesetzte Kerze dem Papier gleichfalls einen gelblich roten Schein mitteilt, wodurch der blaue Schatten gefordert wird. Er übersieht, daß wenn er ein atmosphärisches Licht von zwei Seiten in sein Zimmer fallen läßt, von einem benachbarten Hause abermals ein gelblicher Schein sich hereinmischen kann. So darf, selbst wenn bei Nachtzeit mit zwei Kerzen operiert wird, die eine nur näher als die andere an einer gelblichen Wand stehen. So ist ein Kaminfeuer nicht sowohl stärker und mächtiger als eine Kerze, sondern es bringt, besonders wenn viele glühende Kohlen sich dabei befinden, sogar einen roten Schein hervor; deswegen, wie beim Untergang der Sonne, leicht grüne Schatten entstehen. Das Mondlicht färbt jede weiße Fläche mit einem entschieden gelben Schein; und so entspringen alle die Widersprüche, die dem Verfasser begegnen, bloß daher, daß er die Nebenumstände aufs genaueste beachtet, ohne daß ihm die Hauptbedingung deutlich geworden wäre.

Daß indessen schwach wirkende Lichter selbst schon als farbig und färbend anzusehen, darauf haben wir auch schon hingedeutet (E. 81 ff.). Daß sich also, in einem gewissen Sinne, die mehr oder mindere Intensität des Lichts an die Erscheinung der farbigen Schatten anschließe, wollen wir nicht in Abrede sein; nur wirkt sie nicht als eine solche, sondern als eine gefärbte und färbende. Wie man denn überhaupt das Schattenhafte und Schattenverwandte der Farbe, unter welchen Bedingungen sie auch erscheinen mag, hier recht zu beherzigen abermals aufgefordert wird.

Diego de Carvalho e Sampayo

Tratado das Cores. Malta, 1787.

Dissertação sobre as cores primitivas. 1788. Diesem ist beigefügt:

Breve Tratado sobre a composição artificial das cores.

Elementos de agricultura. Madrid, 1790. 1791.

Memoria sobre a formação natural das Cores. Madrid, 1791.

Der Verfasser, ein Malteserritter, wird zufälligerweise auf die Betrachtung farbiger Schatten geleitet. Nach wenigen Beobachtungen eilt er gleich zu einer Art Theorie und sucht sich von derselben durch mehrere Versuche zu überzeugen. Seine Erfahrungen und Gesinnungen finden sich in den vier ersten oben benannten Schriften aufgezeichnet und in der letzten epitomiert. Wir ziehen sie noch mehr ins Enge zusammen, um unsern Lesern einen Begriff von diesen zwar redlichen, doch seltsamen und unzulänglichen Bemühungen zu geben.

Theoretische Grundsätze

»Die Farben manifestieren und formieren sich durchs Licht. Das Licht, welches von leuchtenden Körpern ausfließt oder das von dunklen Körpern zurückstrahlt, enthält die nämlichen Farben und produziert ebendieselben Phänomene. Die Lebhaftigkeit des Lichts ist ebenso zerstörend für die Farben als die Tiefe des Schattens. Bei einem Mittellicht erscheinen und bilden sich die Farben.«

»Primitive Farben gibt es zwei: Rot und Grün. Blau und Gelb sind keine primitiven Farben. Schwarz ist eine positive Farbe, sie entsteht aus Rot und Grün. Weiß ist eine positive Farbe und entsteht durch die äußerste Trennung der primitiven Farben, Rot und Grün.«

Erfahrungen, die den Verfasser auf seine Theorie geleitet

»Der Anlaß, Rot und Grün als primitive Farben anzunehmen und zu sehen, gab sich mir durch einen Zufall im Dezember 1788, zu Lamego. Ich kam in ein Zimmer und sah an der Wand grüne und rote Reflexe. Als ich das Licht suchte, welches dieselben hervorbrachte, fand ich, daß es von der Sonne kam, die durch das Fenster drang und auf die entgegengesetzte Wand und das grüne Tuch hel, mit welchem ein Tisch bedeckt war. Dazwischen stand ein Stuhl, mit dessen Schatten die farbigen Reflexe von Rot und Grün zusammentrafen.«

»Ich zog den Stuhl weg, daß kein Körper dazwischen stehen möchte, und sogleich verschwanden die Farben. Ich stellte mein spanisches Rohr, das ich in der Hand hatte, dazwischen, und sogleich bildeten sich dieselben Farben, und ich bemerkte, daß die rote Farbe mit der Zurückstrahlung des grünen Tuchs korrespondierte und die grüne mit dem Teile der Wand, auf welchen die Sonne fiel.«

»Ich nahm das Tuch vom Tische, so daß die Sonne bloß auf die Wand fiel, und auch da verschwanden die Farben, und aus den dazwischen liegenden Körpern resultierte nur ein dunkler Schatten. Ich machte, daß die Sonne bloß auf das Tuch fiel, ohne auf die Wand zu fallen, und ebenfalls verschwanden die Farben, und aus den zwischenliegenden Körpern resultierte der dunkle Schatten, den das von der Wand reflektierende Licht hervorbrachte.«

»Indem ich diese Experimente anstellte, beobachtete ich, daß die Farben lebhafter erscheinen, wenn das Zimmer dunkel und die Reflexe stärker waren als das natürliche Licht, und daß sie sogar endlich verschwanden, wenn das natürliche Licht, welches man durch Fenster oder Türe eingehen ließ, die Reflexe an Stärke übertraf.«

»Bei der Wiederholung der Versuche stellte ich mich so, daß ein Teil der Sonne auf die weiße Wand fiel und ein anderer auf einen Teil meiner scharlachroten Malteseruniform, und indem ich die Reflexe der Wand beobachtete, sah ich sie nochmals rot und grün, so daß die grüne Farbe mit dem roten Reflex und die rote mit dem Lichte an der Wand korrespondierte.«

»So oft ich diese Observationen machte, so oft ergaben sich die nämlichen Resultate. Es ergibt sich also, daß das Licht der Sonne eine achromatische Flüssigkeit ist, mit der Eigenschaft wie das Wasser, sich mit allen Farben färben zu können und daß in dieser Flüssigkeit einige farbige und sehr feine Teilchen schwimmen, welche, das Licht verschiedentlich färbend, durch Refraktion, Reflexion und Inflexion alle diejenigen Farben bilden, die wir auf den natürlichen Körpern und in dem gefärbten Lichte erblicken.«

»Das Licht, als Element angesehen, ist kein einfacher Körper, sondern aus unter sich verschiedenen Prinzipien zusammengesetzt. Eine achromatische, höchst feine durchsichtige Flüssigkeit bildet seine Basis, und eine farbige, heterogene, dunkle Materie schwimmt beständig in dieser Flüssigkeit.«

»Wenn nicht in dem Lichte eine achromatische Flüssigkeit existierte, so würde die Intensität der Farben des Lichts in jeder seiner Arten immer dieselbe sein; zum Beispiel das Rote würde immer dieselbe Stärke behalten, ohne sich zum Hellern diluieren oder zum Dunklern konzentrieren zu können. Nun aber zeigt die Erfahrung, daß die Farben des Lichts sich konzentrieren und diluieren, ohne ihre Natur zu verändern; also folgt, daß in demselben Lichte eine achromatische Materie existieren muß, die dergleichen Modifikationen hervorzubringen vermögend ist.«

»So muß auch die farbige Materie des Lichts nicht homogen sein: denn wäre sie bloß von einer Natur, zum Beispiel rot, so würde man in allen Körpern nichts mehr sehen als diese Farbe, hell oder dunkel, nach dem Grade der Intensität oder der Verdünnung des Lichts. Nun aber sieht man in den Körpern eine erstaunliche Mannigfaltigkeit verschiedener Farben, nicht nur der Intensität, sondern auch der Qualität nach; folglich ist die farbige Materie, welche in der achromatischen Flüssigkeit schwimmt, nicht homogen, sondern von verschiedenen Beschaffenheiten.«

»Durch eine Reihe neuer und entschiedener Experimente, die von mir über das Licht gemacht worden, ist es hinlänglich bewiesen, daß es eine farbige Materie von zweierlei Art gebe: eine, die vermögend ist, in uns ein Gefühl der roten Farbe zu erwecken, und eine andere, die ein Gefühl der grünen Farbe hervorbringen kann. Alle die andern Farben, die man im Lichte sieht, sind aus diesen beiden zusammengesetzt und sind anzusehen als bloße Resultate ihrer wechselseitigen Verbindung mit der achromatischen Materie zu einem Zustand von größerer oder kleinerer Dichtigkeit. Denn das Licht hat eine Kraft, sich zu konzentrieren, daß es einen Glanz und eine unerträgliche Stärke für das Gesichtsorgan erhält; und zugleich die Fähigkeit, sich so sehr zu verdünnen, daß es demselben Organ nicht mehr merklich ist und die Gegenstände nicht mehr sichtbar macht.«

»Endlich ist die farbige Materie des Lichts von Natur dunkel, weil sie, indem sie sich vermittelst schicklicher Vorrichtungen verbindet, entweder den freien Durchgang der achromatischen Strahlen verhindert oder uns die Oberfläche der Gegenstände verdeckt, über welche sich diese farbige Materie verbreitet.«

 

Versuche

Seine Vorrichtung ist nicht ungeschickt, farbige Schatten hervorzubringen. Er bereitet hohle Röhren, bespannt das eine Ende mit leichten seidenen Zeugen, teils weißen, teils von verschiedenen Farben. Diese bringt er in dem Laden einer Camera obscura dergestalt an, daß er auf eine entgegengestellte Tafel entweder sein achromatisches oder seine verschieden gefärbten Lichter hereinbringen kann. Dazwischen stellt er irgendeinen Körper, um einen einfachen oder Doppelschatten hervorzubringen. Da er seine seidenen Überzüge Objektive nennt, so wollen wir der Kürze wegen diesen Ausdruck beibehalten.

Ein weißes Objektiv gibt farbloses Licht und schwarzen Schatten.

Zwei weiße Objektive geben farbloses Licht und farblose Halbschatten.

Ein rotes und ein weißes Objektiv geben ein helles Licht und roten Schein, den er Reflex nennt, sodann rote und grüne Halbschatten.

Ein grünes und ein weißes Objektiv geben ein schwaches grünes Licht und sodann grüne und rote Halbschatten.

Ein rotes und ein grünes Objektiv geben ein verdunkeltes Licht, ohne einige Farbe, sodann rote und grüne Halbschatten.

So weit ist alles in der Ordnung. Nun verbindet er aber mit dem roten und grünen Objektiv noch ein weißes und will dadurch auf mancherlei Art Blau, Gelb, sowie Orange und Violett erhalten haben.

Nun fährt er fort, ein Objektiv von Orangefarbe und ein weißes zusammenzustellen. Er erhält ein schwaches Orange-Licht, sodann orange und blaue Schatten. Ein weißes und blaues Objektiv geben ihm ein schwachblaues Licht und blaue und gelbe Schatten. (Soll wohl rotgelbe heißen.) Ein gelbes und weißes Objektiv geben ihm ein hellgelbes Licht und gelbe und violette Schatten. Ein violettes und weißes Objektiv zusammen geben ihm nunmehr violette und grünliche Schatten.

Dieses Violett tat hier, wie man sieht, die Wirkung vom reinen Rot; der Verfasser glaubt aber hier wieder an dem Anfange zu sein, wo er ausgegangen ist. Anstatt jedoch die richtigen Erfahrungen, die ihm die Natur von dem Gegensatz der Farben darbot, zu beachten und weiter zu verfolgen, hielt er die geforderten Scheinfarben für reale, wirklich aus dem Licht hervorgelockte Farben, und getäuscht durch jenen mittleren Versuch, bei welchem ein nicht beachteter Nebenumstand, den wir jedoch zu entwickeln noch nicht Gelegenheit gehabt, eintreten mochte, bestand er auf seinem ersten wunderlichen Aperçu in Lamego, Rot und Grün, vielleicht seiner Malteseruniform und dem Teppich zu Ehren, als die einzigen Urfarben anzusprechen.

Seine Bemühungen sind redlich, seine Aufmerksamkeit genau und anhaltend. Er wird die dunkle Eigenschaft der Farbe gewahr, die Notwendigkeit eines farblosen Lichts zur Erscheinung der Farbe, und führt die sämtlichen Paare der sich fordernden Farben ganz richtig durch; nur übereilt er sich im Urteil und kommt so wenig als H. F. T. auf das Aperçu, daß die zweite Farbe eine physiologische sei.

Das letzte der oben benannten Werke, sehr schön auf 32 Seiten in klein Quart gedruckt, verdiente wohl ganz übersetzt und mit der ihm beigefügten Kupfertafel begleitet zu werden, indem nur zweihundert Exemplare davon existieren, und alle aufrichtigen Versuche, zu dem Wahren zu gelangen, schätzbar und selbst die Mißgriffe belehrend sind.

Robert Waring Darwin

On the Ocular Spectra of Light and Colours. Abgedruckt in den Philosophischen Transaktionen, Volum. 76. pag. 313, datiert vom November 1785. Nochmals abgedruckt in Erasmus Darwins Zoonomie.

Dieser Aufsatz von den Augengespenstern ist ohne Zweifel der ausführlichste unter allen, die erschienen sind, ob ihm gleich die oben angezeigte Schrift des Pater Scherffer an die Seite gestellt werden dürfte. Nach der Inhaltsanzeige folgt eine kurze Einleitung, welche eine Einteilung dieser Gespenster und einige Literarnotizen enthält. Die Überschriften und Summarien seiner Kapitel sind folgende:

1. Tätigkeit der Netzhaut beim Sehen.

2. Von Gespenstern aus Mangel von Empfindlichkeit.

Die Retina wird nicht so leicht durch geringere Reizung in Tätigkeit gesetzt, wenn sie kurz vorher eine stärkere erlitten.

3. Von Gespenstern aus Übermaß von Empfindlichkeit.

Die Retina wird leichter zur Tätigkeit erregt durch einen größern Reiz, wenn sie kurz vorher einen geringern erfahren.

4. Von direkten Augengespenstern.

Eine Reizung über das natürliche Maß erregt die Retina zu einer krampfhaften Tätigkeit, welche in wenig Sekunden aufhört.

5. Ein Reiz, stärker als der letzterwähnte, erregt die Retina zu krampfhafter Tätigkeit, welche wechselsweise sich verliert und wiederkehrt.

6. Von umgekehrten Augengespenstern.

Die Netzhaut, nachdem sie zur Tätigkeit durch einen Reiz aufgeregt worden, welcher abermals etwas größer ist als der letzterwähnte, fällt in eine entgegengesetzte krampfhafte Tätigkeit.

7. Die Netzhaut, nachdem sie zur Tätigkeit durch einen Reiz erregt worden, welcher abermals größer ist als der letzterwähnte, fällt in verschiedene aufeinander folgende krampfhafte Tätigkeiten.

8. Die Netzhaut, nachdem sie zur Tätigkeit durch einen Reiz erregt worden, der einigermaßen größer ist als der letzterwähnte, fällt in eine fixe krampfhafte Tätigkeit, welche mehrere Tage anhält.

9. Ein Reiz, größer als der vorhergehende, bringt eine temporäre Paralyse in dem Gesichtsorgan hervor.

10. Vermischte Bemerkungen. Hier bringt der Verfasser solche Beobachtungen an, welche aus einem ganz natürlichen Grunde zu den vorhergehenden nicht passen.

a) Von direkten und umgekehrten Gespenstern, die zu gleicher Zeit existieren. Von wechselseitigen direkten Gespenstern. Von einer Verbindung direkter und umgekehrter Gespenster. Von einem gespensterhaften Hofe. Regeln, die Farben der Gespenster vorauszusagen.

b) Veränderlichkeit und Lebhaftigkeit der Gespenster, durch fremdes Licht bewirkt.

c) Veränderlichkeit der Gespenster in Absicht auf Zahl, Gestalt und Nachlassen.

d) Veränderlichkeit der Gespenster in Absicht auf Glanz. Die Sichtbarkeit der Zirkulation des Blutes im Auge.

e) Veränderlichkeit der Gespenster in Absicht auf Deutlichkeit und Größe, mit einer neuen Art, die Gegenstände zu vergrößern.

f) Schluß.

Jedem, der diese Summarien und Rubriken mit einiger Aufmerksamkeit betrachtet, wird in die Augen fallen, was an dem Vortrag des Verfassers zu tadeln sei. Waring Darwin, wie sein Bluts- oder Namensvetter, Erasmus Darwin, begehen, bei allem Verdienst einer heitern und sorgfältigen Beobachtung, den Fehler, daß sie als Ärzte alle Erscheinungen mehr pathologisch als physiologisch nehmen. Waring erkennt in seinem ersten Artikel, daß wohl alles Sehen von der Tätigkeit der Netzhaut abhängen möchte, und nimmt nun nicht etwa den naturgemäßen Weg, die Gesetze, wornach ein solches gesundes Organ wirkt und gegenwirkt, auszumitteln und zu bezeichnen, sondern er führt sie unter der künstlichen ärztlichen Form auf, wie sie sich gegen schwächere und stärkere Reize verhalten; welches in diesem Falle von geringer Bedeutung, ja in der Erfahrung, wie man aus seinen Rubriken wohl sehen kann, gar nicht zu bestimmen ist.

Wir haben den Gehalt dieser Abhandlung, sowie der übrigen uns bekannt gewordenen, gesondert und an der Natur selbst, zum Nachteil unsrer eigenen Augen, wiederholt geprüft und in unsrer Abteilung von physiologischen, nicht weniger in dem Anhang von pathologischen Farben die allgemeinen Umrisse zu ziehen gesucht, in welchen sich alles einschließt, die beste Ordnung auszufinden getrachtet, nach welcher sich die Phänomene darstellen und einsehen lassen.

Anstatt also den Darwinischen Aufsatz Artikel vor Artikel durchzugehen, anstatt Beifall und Mißfallen im einzelnen zu bezeigen, ersuchen wir unsere Leser, die es besonders interessieren könnte, diese Abhandlung mit unserer erstgemeldeten Abteilung des Entwurfs zusammenzuhalten und sich durch eigene Ansicht von dem dort Geleisteten zu überzeugen.

Wir haben bei Rezension des Darwinischen Aufsatzes den Ausdruck Augengespenst mit Fleiß gewählt und beibehalten, teils weil man dasjenige, was erscheint, ohne Körperlichkeit zu haben, dem gewöhnlichen Sprachgebrauch nach ein Gespenst nennt, teils weil dieses Wort, durch Bezeichnung der prismatischen Erscheinung, das Bürgerrecht in der Farbenlehre sich hergebracht und erworben. Das Wort Augentäuschungen, welches der sonst so verdienstvolle Übersetzer der Darwinischen Zoonomie dafür gebraucht hat, wünschten wir ein für allemal verbannt. Das Auge täuscht sich nicht; es handelt gesetzlich und macht dadurch dasjenige zur Realität, was man zwar dem Worte, aber nicht dem Wesen nach ein Gespenst zu nennen berechtigt ist.

Wir fügen die obengemeldeten literarischen Notizen hinzu, die wir teils dem Verfasser, teils dem Übersetzer schuldig sind.

Doctor Jurin in Smiths Optik, zu Ende. Aepinus in den Petersburger neuen Commentarien Vol. X. Béguelin in den Berliner Memoiren Vol. II. 1771. D’Arcy, Geschichte der Akademie der Wissenschaften 1765. De la Hire, Buffon, Memoiren der franz. Akademie 1743. Christ. Ernst Wünsch, Visus phaenomena quaedam. Lips. 1776. 4. Joh. Eichel, Experimenta circa sensum videndi, in Collectaneis societatis medicae Havniensis. Vol. I. 1774. 8.

Anton Raphael Mengs

Lezioni pratiche di pittura, in seinen Werken, herausgekommen zu Parma 1780 in Quart.

Den Grund der Harmonie, welche wir bei einem Gemälde empfinden, setzte Mengs in das Helldunkel, so wie er denn auch dem allgemeinen Ton die vorzüglichste Wirkung zuschrieb. Die Farben waren ihm dagegen nur einzelne Töne, womit man die Oberflächen der Körper spezifizierte, welche sich dem Helldunkel und dem allgemeinen Ton subordinieren sollten, ohne eben gerade für sich und unter sich einen Anspruch an Übereinstimmung und Ganzheit zu machen.

Er bemerkte jedoch, daß eine Farbe, wenn sie in ihrer völligen Lebhaftigkeit gebraucht werde, durch eine andere gewissermaßen aufgewogen werden müsse, um erträglich zu sein. Und so fand sein offner Sinn und guter Geschmack die einfachen Gesetze der Farbenharmonie, ohne jedoch ihren physiologischen Grund einzusehen.

»Bei dem Gebrauch der Farben ist es nötig, ihr Gleichgewicht zu beobachten, wenn wir die Art und Weise finden wollen, sie mit Anmut anzuwenden, und gut zu begleiten. Eigentlich gibt es nur drei Farben, Gelb, Rot und Blau. Diese darf man nie an und für sich in einem Werke gebrauchen; doch wenn man ja eine davon, und zwar rein, anwenden wollte, so suche man die Art und Weise, eine andere, aus zweien gemischt, an die Seite zu setzen: zum Exempel das reine Gelb begleite man mit Violett, weil dieses aus Rot und Blau besteht. Hat man ein reines Rot angewendet, so füge man aus derselben Ursache das Grüne hinzu, das ein Gemisch von Blau und Gelb ist. Besonders ist die Vereinigung des Gelben und Roten, wodurch die dritte Mischung entsteht, schwer mit Vorteil anzuwenden, weil diese Farbe zu lebhaft ist, deswegen man das Blau zu seiner Begleitung hinzufügen muß.«

Man sehe, was wir hierüber im naturgemäßen Zusammenhange am gehörigen Orte vorgetragen haben (E. 803 ff.).

Jeremias Friedrich Gülich

Vollständiges Färbe- und Bleichbuch etc. etc. Sechs Bände. Ulm, 1779 bis 1793.

Dieser Mann, welcher zu Sindelfingen bei Stuttgart ansässig und zuletzt im Badenischen angestellt war, dessen Lebensgang wohl mehr verdiente bekannt zu sein, war in seinem Handwerk, in seiner Halbkunst, wie man es nennen will, soviel wir ihn beurteilen können, wohl zu Hause. Alle Erfordernisse bei der Färberei, sowohl insofern sie vorbereitend als ausführend und vollendend gedacht werden, lagen ihm zur Hand, sowie die verschiedensten Anwendungen, welche man von Farben technisch auf alle Arten von Zeugen und Stoffen nach und nach ersonnen hat.

Bei der großen Breite, bei dem genauen Detail seiner Kenntnisse, sah er sich nach einem Leitfaden um, an welchem er sich durch das Labyrinth der Natur-und Kunsterscheinungen durchwinden könnte. Da er aber weder gelehrte noch philosophische noch literarische Bildung hatte, so wurde es seinem übrigens tüchtigen Charakter sehr schwer, wo nicht unmöglich, sich überall zurecht zu finden.

Er sah wohl ein, daß bei allem Verfahren des Färbers nur sehr einfache Maximen zum Grunde lagen, die sich aber unter einem Wust von einzelnen Rezepten und zufälligen Behandlungen verbargen und kaum gefaßt werden konnten.

Daß mit einer klugen Anwendung von Säuren und Alkalien viel, ja beinah alles getan sei, ward ihm klar, und bei dem Drange zum Allgemeinen, den er in sich fühlte, wollte er dem Material seines Geschäfts und dessen Anwendung nicht allein, sondern zugleich der ganzen Natur einen ebenso einfachen Gegensatz zum Grunde legen. Deshalb wurden ihm Feuer und Wasser die zwei Hauptelemente. Jenem gesellte er die Säuren, diesem die Alkalien zu. In jenem wollte er zugleich die hochrote, in diesem die blaue Farbe finden, und hiermit war seine Theorie abgeschlossen; das übrige sollte sich hieraus entwickeln und ergeben.

Da die eminentesten und beständigsten Farben aus den Metallen hervorzubringen waren, so schenkte er auch diesen vorzügliche Aufmerksamkeit und eine besondere Ehrfurcht. Dem Feuer, den Säuren, dem Hochroten soll Gold und Eisen, dem Wasser, den Alkalien, dem Blauen soll vorzüglich Kupfer antworten und gemäß sein; und überall, wo man diese Farben finde, soll etwas, wo nicht gerade wirklich Metallisches, doch dem Metallischen nahe Verwandtes und Analoges angetroffen werden.

Man sieht leicht, daß diese Vorstellungsart sehr beschränkt ist und bei der Anwendung oft genug unbequem werden muß. Weil jedoch seine Erfahrung sehr sicher und stet, seine Kunstbehandlung meisterhaft ist, so kommen bei dieser seltsamen Terminologie Verhältnisse zur Sprache, an die man sonst nicht gedacht hätte, und er muß die Phänomene selbst recht deutlich machen, damit sie vielseitig werden und er ihnen durch seine wunderliche Theorie etwas abgewinnen kann. Uns wenigstens hat es geschienen, daß eine Umarbeitung dieses Buchs, nach einer freiern theoretischen Ansicht, von mannigfaltigem Nutzen sein müßte.

Da, wie der Titel seines Buches ausweist, die erste Sorge des Färbers, die Farblosigkeit und Reinigkeit der Stoffe, auf welche er wirken will, ihm niemals aus den Augen gekommen; da er die Mittel sorgfältig angibt, wie solchen Stoffen alle Farbe und Unreinigkeit zu entziehen: so muß ihm freilich der Newtonische siebenfarbige Schmutz, so wie bei seiner einfachern Ansicht, die siebenfache Gesellschaft der Grundfarben höchst zuwider sein; deswegen er sich auch gegen die Newtonische Lehre sehr verdrießlich und unfreundlich gebärdet.

Mit den Chemikern seiner Zeit, Meyer, Justi und andern, verträgt er sich mehr oder weniger. Das acidum pingue des ersten ist ihm nicht ganz zuwider; mit dem zweiten steht er in mancherlei Differenz. So ist er auch in dem, was zu seiner Zeit über die Färbekunst geschrieben worden und was man sonst über die Farbenlehre geäußert, nicht unbekannt.

Soviel sei genug, das Andenken eines Mannes aufzufrischen, der ein laborioses und ernstes Leben geführt und dem es nicht allein darum zu tun war, für sich und die Seinigen zu wirken und zu schaffen, sondern der auch dasjenige, was er erfahren, und wie er sichs zurecht gelegt, andern zu Nutz und Bequemlichkeit emsig mitteilen wollte.

Eduard Hussey Delaval

Versuch und Bemerkungen über die Ursache der dauerhaften Farben undurchsichtiger Körper. Übersetzt und herausgegeben von Crell. Berlin und Stettin 1788. 8°.

Der eigentliche Gehalt dieser Schrift, ob er gleich in der Farbenlehre von großer Bedeutung ist, läßt sich doch mit wenigen Worten aussprechen. Des Verfassers Hauptaugenmerk ruht auf dem σκιερον, auf der dunklen Eigenschaft der Farbe, wohin wir auch wiederholt gedeutet haben.

Er behandelt vorzüglich färbende Stoffe aus dem Mineralreiche, sodann auch aus dem vegetabilischen und animalischen; er zeigt, daß diese Stoffe in ihrem feinsten und konzentriertesten Zustande keine Farbe bei auffallendem Lichte sehen lassen, sondern vielmehr schwarz erscheinen.

Auch in Feuchtigkeiten aufgelöste reine Farbestoffe sowie farbige Gläser zeigen, wenn ein dunkler Grund hinter ihnen liegt, keine Farbe, sondern nur, wenn ein heller hinter ihnen befindlich ist. Alsdann aber lassen sie ihre farbige Eigenschaft ebensogut als bei durchfallendem Lichte sehen.

Was sich auch vielleicht gegen des Verfassers Verfahrungsart bei seinen Versuchen einwenden läßt, so bleibt doch das Resultat derselben für denjenigen, der sie nachzuahmen und zu vermannigfaltigen weiß, unverrückt stehen, in welchem sich das ganze Fundament der Färberei und Malerei ausdrückt.

Des Verfassers Vortrag hingegen ist keiner von den glücklichsten. Seine Überzeugung trifft mit der Newtonischen nicht zusammen, und doch kann er sich von dieser nicht losmachen, so wenig als von der Terminologie, wodurch sie sich ausspricht. Man sieht ferner durch seine Deduktion wohl den Faden durch, an welchen er sich hält, allein er verschlingt ihn selbst und macht dadurch den Leser verworren.

Da er vorzüglich in dem chemischen Felde arbeitet, so steht ihm freilich die Vorstellungsart seiner Zeit und die damalige Terminologie entgegen, wo das Phlogiston so wunderbar Widersprechendes wirken sollte. Die Kenntnis der verschiedenen Luftarten ist auf dem Wege; aber der Verfasser entbehrt noch die großen Vorzüge der neuern französischen Chemie und ihres Sprachgebrauchs, wodurch wir denn freilich gegenwärtig viel weiter reichen. Es gehört daher eine Überzeugung von seinem Hauptgrundsatze und ein guter Wille dazu, um das Echte und Verdienstliche seiner Arbeit auszuziehen und anzuerkennen.

Wir haben ihn seit langen Jahren geschätzt und daher auch schon (E. 572 ff.) seine Überzeugung, verbunden mit der unsern, aufgeführt.

Bei den Pflanzen gerät es ihm am besten. Er entzieht ihnen das Färbende und es bleibt eine weiße Struktur übrig. Dieses ausgezogene Färbende verfinstert sich immer mehr beim Verdichten, manifestiert seine schattenhafte Natur, nähert sich dem Schwarzen, Ununterscheidbaren, und kann wieder einer andern weißen Fläche mitgeteilt und in seiner vorigen Spezifikation und Herrlichkeit dargestellt werden. Im Tierreich ist es schon schwieriger. Im Mineralreiche finden sich noch mehr Hindernisse, wenn man den Grundsatz durchführen will. Jedoch beharrt er fest bei demselben und wendet ihn, wo er empirisch anwendbar ist, glücklich an.

In der Vorrede sind zwei kurze Aufsätze, die jedoch dem Verfasser nicht besonders günstig sind, vom Herausgeber eingeschaltet, der eine von Klügel, der andere von Lichtenberg. In dem ersten finden wir einen gemütlichen und redlichen, in dem zweiten einen geistreichen und gewandten Skeptizismus. Wir mögen hierbei eine Bemerkung äußern, welche wohl verdiente, gesperrt gedruckt zu werden: daß nämlich auf eine solche Weise, wie von beiden Männern hier geschehen, alle Erfahrungswissenschaft vernichtet werden könne: denn weil nichts, was uns in der Erfahrung erscheint, absolut angesprochen und ausgesprochen werden kann, sondern immer noch eine limitierende Bedingung mit sich führt, so daß wir Schwarz nicht Schwarz, Weiß nicht Weiß nennen dürften, insofern es in der Erfahrung vor uns steht: so hat auch jeder Versuch, er sei, wie er wolle, und zeige, was er wolle, gleichsam einen heimlichen Feind bei sich, der dasjenige, was der Versuch a potiori ausspricht, begrenzt und unsicher macht. Dies ist die Ursache, warum man im Lehren, ja sogar im Unterrichten, nicht weit kommt; bloß der Handelnde, der Künstler entscheidet, der das Rechte ergreift und fruchtbar zu machen weiß.

Der Delavalischen Überzeugung, die wir kennen, wird die Lehre von Newtons Lamellen an die Seite gesetzt, und freilich sind sie sehr verwandt. Bei Newton kommt auch die Farbe nicht von der Oberfläche, sondern das Licht muß durch eine Lamelle des Körpers eindringen und dekomponiert zurückkehren. Bei Delaval ist die Farbe dieser Lamelle spezifiziert und wird nicht anders gesehen, als wenn hinter ihr ein heller, weißer Grund sich befindet, von dem das Licht alsdann gleichfalls spezifisch gefärbt zurückkehrt.

Merkwürdig ist besonders in dem Lichtenbergischen Aufsatz, wie man der Newtonischen Lehre durch chemische Hülfstruppen in jener Zeit wieder beigestanden. Man hatte eine latente Wärme ausgemittelt, warum sollte es nicht auch ein latentes Licht geben? und warum sollten die nach der Theorie dem Licht angehörigen farbigen Lichter nicht auch der Reihe nach Versteckens spielen, und wenn es den gelben beliebte hervorzugucken, warum sollten die übrigen nicht neckisch im Hinterhalte lauschen können?

Zwei merkwürdige, unserer Überzeugung günstige Stellen aus gedachtem Aufsatz jedoch, wovon wir die eine schon früher angeführt (E. 584), mögen hier Platz nehmen:

»Ich bemerke hier im Vorbeigehen, daß vielleicht die Lehre von den Farben eben deswegen bisher so viele Schwierigkeiten hatte, weil alles auf einem Wege, zum Beispiel Brechung, erklärt werden sollte.«

Wir haben oft genug wiederholt, daß alles auf den Weg ankommt, auf welchem man zu einer Wissenschaft gelangt. Newton ging von einem Phänomen der Brechung aus, von einem abgeleiteten Komplizierten. Dadurch ward Brechung das Hauptaugenmerk, das Hauptkunstwort, und was bei einem einzelnen Falle vorging, die Grundregel, das Grundgesetz fürs Allgemeine. Hatte man hier mehrere, ja unzählige Grundfarben angenommen, so bedurften die, welche von der Malerei und Färberei herkamen, nur drei Farben; noch mehr Aufpassende und Sondernde gar nur zwei, und so veränderte sich alles nach den verschiedenen Ansichten.

Carvalho und der Franzose H. F. T. fanden die farbigen Schatten höchst bedeutend und legten den ganzen Grund der Farbenlehre dahin. Aber alle diese Phänomene, sie mögen Namen haben, wie sie wollen, haben ein gleiches Recht, Grundphänomene zu sein. Die von uns aufgeführten physiologischen, physischen, chemischen Farben sind alle gleich befugt, die Aufmerksamkeit der Beobachtenden und Theoretisierenden anzusprechen. Die Natur allein hat den wahren republikanischen Sinn, da der Mensch sich gleich zur Aristokratie und Monarchie hinneigt, und diese seine Eigenheit überall, besonders auch theoretisierend, stattfinden läßt.

»Auch scheint es mir aus andern Gründen wahrscheinlich, daß unser Organ, um eine Farbe zu empfinden, etwas von allem Licht (weißes) zugleich mit empfangen müsse.«

Was hier Lichtenberg im Vorbeigehen äußert, ist denn das etwas anderes, als was Delaval behauptet? nur daß dieser das Helle hinter das Dunkle bringt und die Spezifikation des Dunklen dadurch erscheinen macht, und daß jener das Helle unter das Dunkle mischt, welches ja auch nichts weiter ist, als daß eins mit und durch das andre erscheint. Ob ich ein durchsichtiges Blau über Gelb lasiere oder ob ich Gelb und Blau vermische, ist in gewissem Sinne einerlei: denn auf beide Weise wird ein Grün hervorgebracht. Jene Behandlungsart aber steht viel höher, wie wir wohl nicht weiter auszuführen brauchen.

Übrigens wird Delavals Vortrag, besonders indem er auf die trüben Mittel gelangt, unsicher und unscheinbar. Er kehrt zu der Newtonischen Lehre zurück, ohne sie doch in ihrer ganzen Reinheit beizubehalten; dadurch entsteht bei ihm, wie bei so vielen andern, ein unglückliches eklektisches Schwanken. Denn man muß sich zu Newton ganz bekennen oder ihm ganz entsagen.

Johann Leonhard Hoffmann

Versuch einer Geschichte der malerischen Harmonie überhaupt und der Farbenharmonie insbesondere, mit Erläuterungen aus der Tonkunst und vielen praktischen Anmerkungen, Halle 1786.

Dieser Mann, dessen Andenken fast gänzlich verschwunden ist, lebte um gedachtes Jahr in Leipzig als privatisierender Gelehrter, war als guter Physiker und rechtlicher Mann geschätzt, ohne sich jedoch einer ärmlichen Existenz entwinden zu können. Er nahm beträchtlichen Anteil an physikalischen, technologischen, ökonomischen Journalen und anderen Schriften dieses Inhalts. Mehr ist uns von ihm nicht bekannt geworden.

Seine obgemeldete Schrift zeigt ihn uns als einen durch Studien wohl gebildeten Mann. Kenntnis der Sprachen, des Altertums, der Kunstgeschichte und recht treue Teilnahme an der Kunst selbst ist überall sichtbar. Ohne selbst Künstler zu sein, scheint er sich mit der Malerei, besonders aber mit dem Malen, als ein guter Beobachter und Aufmerker beschäftigt zu haben, indem er die Erfordernisse der Kunst und Technik recht wohl einsieht und penetriert.

Da er jedoch in allem dem, was von dem Maler verlangt wird und was er leistet, kein eigentliches Fundament finden kann, so sucht er durch Vergleichung mit der Tonkunst eine theoretische Ansicht zu begründen und die malerischen und musikalischen Phänomene, sowie die Behandlungsweise der beiden Künste, miteinander zu parallelisieren.

Eine solche, von Aristoteles schon angeregte, durch die Natur der Erscheinungen selbst begünstigte, von mehreren versuchte Vergleichung kann uns eigentlich nur dadurch unterhalten, daß wir mit gewissen schwankenden Ähnlichkeiten spielen, und indem wir das eine fallen lassen, das andere ergreifen und immer so fortfahren, uns geistreich hin- und widerschaukeln.

Auf dem empirischen Wege, wie wir schon früher bemerkt (E. 748 ff.), werden sich beide Künste niemals vergleichen lassen, so wenig als zwei Maßstäbe von verschiedenen Längen und Einteilungen nebeneinander gehalten. Wenn auch irgendwo einmal ein Einschnitt paßt, so treffen die übrigen nicht zusammen; rückt man nach, um jene nebeneinander zu bringen, so verschieben sich die ersten wieder, und so wird man auf eine höhere Berechnungsart notwendig getrieben.

Wir können dies nicht anschaulicher machen, als wenn wir diejenigen Erscheinungen und Begriffe, die er parallelisiert, nebeneinander stellen.

Licht Laut

Dunkelheit Schweigen

Schatten

Lichtstrahlen Schallstrahlen

Farbe Ton

Farbenkörper Instrument

Ganze Farben Ganze Töne

Gemischte Farben Halbe Töne

Gebrochene Farbe Abweichung des Tons

Helle Höhe

Dunkel Tiefe

Farbenreihe Oktave

Wiederholte Farbenreihe Mehrere Oktaven

Helldunkel Unisono

Himmlische Farben Hohe Töne

Irdische (braune) Farben Kontratöne

Herrschender Ton Solostimme

Licht und Halbschatten Prime und Sekundstimme

Indig Violoncell

Ultramarin Viole und Violine

Grün Menschenkehle

Gelb Klarinette

Hochrot Trompete

Rosenrot Hoboe

Kermestot Querflöte

Purpur Waldhorn

Violett Fagott

Zurichtung der Palette Stimmung der Instrumente

Traktement Applikatur

Bunte lavierte Zeichnung Klavierkonzert

Impastiertes Gemälde Symphonie

Bei dieser Art von strengem Nebeneinandersetzen, welches im Buche teils wirklich ausgesprochen, teils durch Kontext und Stil nur herbeigeführt und eingeleitet ist, sieht jedermann das Gezwungene, Willkürliche und Unpassende zweier großen in sich selbst abgeschlossenen Naturerscheinungen, insofern sie teilweise miteinander verglichen werden sollen.

Es ist zu verwundern, daß der Verfasser, der sich sehr lebhaft gegen das Farbenklavier erklärt und dasselbe für unausführbar und unnütz hält, ein solches Vergnügen fand, sich aus Verschlingung der beiden Künste gleichsam selbst ein Labyrinth zu erschaffen. Dieses wird denn in seinen letzten Kapiteln recht kraus, indem er den motus rectus und contrarius, Intervalle, Konsonanzen und Dissonanzen, den modus major und minor, Akkord und Disharmonie, aneinandergereihte Oktaven und was noch alles sonst der Musik eigen ist, auch in der Farbenlehre und der sie anwendenden Malerkunst finden will.

Er muß freilich, als ein im Grunde scharfsinniger Mann, sich zuletzt daran stoßen, daß die Malerei eine simultane Harmonie, die Musik eine sukzessive fordere. Er findet natürlich die Intervalle der Farben nicht so bestimm- und meßbar wie die der Töne. Da er seine Farbenskala nicht in ihr selbst abschließt, sondern sie, statt in einem Zirkel, in einer Reihe vorstellt, um sie an eine hellere Oktave wieder anschließen zu können, so weiß er nicht, welche er zur ersten und welche zur letzten machen und wie er dieses Anschließen am natürlichsten bewirken soll. Ihm steht entgegen, daß er von einem gewissen Gelb auf geradem Wege durch Rot und Blau hindurch niemals zu einem helleren Gelb gelangen kann, und er muß fühlen, daß es ein unendlicher Unterschied ist zwischen der Operation, wodurch man eine Farbe verdünnt, und zwischen der, wodurch man zu einem höheren Tone vorschreitet.

Ebenso traurig ist es anzusehen, wenn er glaubt, man könne jede Farbe durch gewisse Modifikationen in den Minor setzen, wie man es mit den Tönen vermag, weil die einzelnen Töne sich gegen den ganzen musikalischen Umfang viel gleichgültiger verhalten als die einzelnen Farben gegen den Umkreis, in welchem sie aufgestellt sind: denn die Farben machen in diesem Kreise selbst das majus und minus, sie machen selbst diesen entschiedenen Gegensatz, welcher sichtbar und empfindbar ist und der nicht aufzuheben geht, ohne daß man das Ganze zerstört.

Die Töne hingegen sind, wie gesagt, gleichgültiger Natur, sie stehen jedoch unter dem geheimen Gesetz eines gleichfalls entschiedenen Gegensatzes, der aber nicht an sich, wie bei der Farbe, notwendig und unveränderlich empfindbar wird, sondern, nach Belieben des Künstlers, an einem jeden Tone und seiner von ihm herfließenden Folge hörbar und empfindbar gemacht werden kann.

Es ist uns angenehm, indem wir gegen das Ende zu eilen, nochmals Gelegenheit gefunden zu haben, uns über diesen wichtigen Punkt zu erklären, auf welchen schon im Laufe unseres Vortrags auf mehr als eine Weise hingedeutet worden.

Das Büchelchen selbst verdient eine Stelle in der Sammlung eines jeden Natur- und Kunstfreundes, sowohl damit das Andenken eines braven, beinah völlig vergessenen Mannes erhalten, als damit die Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit einer solchen Unternehmung einem jeden deutlicher gemacht werde. Geistreiche Personen werden an den künstlichen, aber redlich gemeinten und, so weit es nur gehen wollte, ernstlich durchgeführten Bemühungen des Verfassers Unterhaltung und Vergnügen finden.

Robert Blair

Experiments and Observations on the unequal Refrangibility of Light, in den Transaktionen der Königlichen Sozietät zu Edinburgh, Vol. 3, 1794.

Das Phänomen der Achromasie war nun allgemein bekannt und besonders durch die einfachen prismatischen Versuche außer allem Zweifel gesetzt worden; doch stand der Anwendung dieses Naturgesetzes auf Objektivgläser manches im Wege, sowohl von der chemischen als von der mechanischen Seite, indem es seine Schwierigkeiten hat, ein innerlich vollkommen reines Flintglas zu bereiten und genau zusammenpassende Gläser zu schleifen. Besonders aber stellten sich manche Hindernisse ein, wenn man die Weite der Objektivgläser über einen gewissen Grad vermehren wollte.

Daß nicht allein feste, sondern auch allerlei flüssige Mittel die Farbenerscheinung zu erhöhen imstande seien, war bekannt. Doktor Blair beschäftigte sich mit diesen letzten, um so mehr, als er wollte gefunden haben, daß bei der gewöhnlichen Art, durch Verbindung von Flint- und Crownglas, die Achromasie nicht vollkommen werden könne.

Er hatte dabei die Newtonische Vorstellungsart auf seiner Seite: denn wenn man sich das Spektrum als eine fertige, in allen ihren einzelnen Teilen ungleich gebrochene Strahlenreihe denkt, so läßt sich wohl hoffen, daß ein entgegengesetztes Mittel allenfalls einen Teil derselben, aber nicht alle aufheben und verbessern könne. Dieses war schon früher zur Sprache gekommen und Dr. Blairs Versuche, sowie die daraus gezogenen Folgerungen, wurden von den Newtonianern mit Gunst aufgenommen.

Wir wollen ihn erst selbst hören und sodann dasjenige, was wir dabei zu erinnern im Fall sind, nachbringen.

 

Versuche des Dr. Blair über die chromatische Kraft verschiedener Flüssigkeiten und Auflösungen

»Verschiedene Auflösungen von Metallen und Halbmetallen in verschiedenen Gestalten fanden sich immer chromatischer als Crownglas. Die Auflösungen einiger Salze in Wasser, zum Beispiel des rohen Ammoniaksalzes, vermehren die Erscheinung sehr. Die Salzsäure hat auch diese Kraft, und je konzentrierter sie ist, desto stärker wirkt sie. Ich fand daher, daß diejenigen Flüssigkeiten die allerhöchste chromatische Kraft haben, in welchen die Salzsäure und die Metalle verbunden sind. Die chemische Präparation, genannt Causticum antimoniale oder Butyrum Antimonii, besitzt in ihrem konzentriertesten Zustande, wenn sie eben genug Feuchtigkeit an sich gezogen hat, um flüssig zu sein, diese Kraft in einem erstaunlichen Grade, so daß drei Keile Crownglas nötig sind, um die Farbe aufzuheben, die durch einen entgegengesetzten Keil von gleichem Winkel hervorgebracht worden. Die große Menge des in dieser Solution enthaltenen Halbmetalls und der konzentrierte Zustand der Salzsäure scheinen diesen kaum glaublichen Effekt hervorzubringen.«

»Ätzendes sublimiertes Quecksilber, mit einer Auflösung von rohem Ammoniaksalz in Wasser, ist an Stärke die nächste Auflösung. Man kann sie so stark machen, daß der Winkel eines Prismas von Crownglas, welches ihre Farbenerscheinung aufwiegen soll, doppelt so groß sein muß. Hier sind auch offenbar das Quecksilber und die Salzsäure an der Erscheinung Ursache: denn weder das Wasser noch das flüchtige Laugensalz, als die übrigen Teile der Zusammensetzung, zeigen, wenn man sie einzeln untersucht, eine solche Wirkung.«

»Die wesentlichen Öle folgen zunächst. Diejenigen, welche man aus harzigen Mineralien erhält, wirken am stärksten: als aus natürlichem Bergöl, Steinkohle und Ambra. Ihr Verhältnis zu dem Crownglas ist ungefähr wie zwei zu drei. Das wesentliche Öl des Sassafras wirkt nicht viel geringer. Wesentliches Zitronenöl, ganz echt, verhält sich wie drei zu vier, Terpentinöl wie sechs zu sieben, und im wesentlichen Rosmarinöl ist die Kraft noch etwas geringer.«

»Ausgepreßte Öle unterscheiden sich nicht sonderlich vom Crownglas, so auch rektifizierte Geister, und der Äther des Salpeters und Vitriols.«

 

Vorlesung des Dr. Blair

I. »Die ungleiche Refrangibilität des Lichts, wie sie Isaak Newton entdeckt und umständlich erörtert hat, steht nur insofern unwidersprochen gegründet, als die Refraktion an der Grenze irgendeines Mediums und eines leeren Raumes vorgeht. Alsdann sind die Strahlen von verschiedenen Farben ungleich gebrochen, die rotmachenden Strahlen sind die am wenigsten, die violettmachenden die am meisten brechbaren Strahlen.«

II. »Die Entdeckung von demjenigen, was man die verschieden zerstreuende Kraft in den verschieden brechenden Medien nannte, zeigt, daß die Newtonischen Theoreme nicht allgemein sind, wenn er schließt: daß der Unterschied der Brechung zwischen den meist und geringst brechbaren Strahlen immer in einem gegebenen Verhältnisse zu der Refraktion der mittelst refrangiblen stehe. Man zweifelt nicht, daß dieser Satz wahr sei, bezüglich auf die Mittel, an welchen Erfahrungen gemacht sind; aber es finden sich manche Ausnahmen desselben.«

III. »Denn die Erfahrungen des Herrn Dollond beweisen, daß der Unterschied der Brechung zwischen den roten und violetten Strahlen, im Verhältnis zu der Refraktion des ganzen Strahlenpinsels, größer ist in gewissen Glasarten als im Wasser, und größer im Flintglas als im Crownglas.«

IV. »Die erste Reihe der obenerwähnten Versuche zeigt, daß die Eigenschaft, die farbigen Strahlen in einem höheren Grade als Crownglas zu zerstreuen, nicht auf wenige Mittel begrenzt ist, sondern einer großen Mannigfaltigkeit von Flüssigkeiten angehört, und einigen derselben in ganz außerordentlichem Grade. Metallauflösungen, wesentliche Öle, mineralische Säuren, mit Ausnahme der vitriolischen, sind in diesem Betracht höchst merkwürdig.«

V. »Einige Folgerungen, die sich aus Verbindung solcher Mittel, welche eine verschiedene zerstreuende Kraft haben, ergeben und bisher noch nicht genug beachtet worden, lassen sich auf diese Weise erklären. Obgleich die größere Refrangibilität der violetten vor den roten Strahlen, wenn das Licht aus irgendeinem Mittel in einen leeren Raum geht, als ein Gesetz der Natur betrachtet werden kann, so sind es doch gewisse Eigenschaften der Mittel, von denen es abhängt, welche von diesen Strahlen, beim Übergang des Lichtes aus einem Mittel ins andere, die meist refrangiblen sein sollen, oder inwiefern irgendein Unterschied in ihrer Brechbarkeit stattfinde.«

VI. »Die Anwendung von Huyghens Demonstrationen auf die Verbesserung jener Abweichung, die sich von der sphärischen Figur der Linsen herschreibt, sie mögen fest oder flüssig sein, kann als der nächste Schritt, die Theorie der Ferngläser zu verbessern, angesehen werden.«

VII. »Sodann bei Versuchen, welche mit Objektivgläsern von sehr weiter Öffnung gemacht, und in welchen beide Abweichungen, insofern es die Grundsätze erlauben, verbessert worden, findet sich, daß die Farbenabweichung durch die gemeine Verbindung zweier Mittel von verschiedener Dispersivkraft nicht vollkommen zu verbessern sei. Die homogenen grünen Strahlen sind alsdann die meist refrangierten, zunächst bei diesen Blau und Gelb vereinigt, dann Indigo und Orange vereinigt, dann Violett und Rot vereinigt, welche am wenigsten refrangiert sind.«

VIII. »Wenn diese Farbenhervorbringung beständig und die Länge des sekundären Spektrums dieselbe wäre, in allen Verbindungen der Mittel, wo die ganze Brechung des Pinsels gleich ist, so würde die vollkommene Verbesserung jener Abweichung, die aus der Verschiedenheit der Refrangibilität entsteht, unmöglich sein und als ein unübersteigliches Hindernis der Verbesserung dioptrischer Instrumente entgegen stehen.«

IX. »Der Zweck meiner Experimente war daher, zu untersuchen, ob die Natur solche durchsichtige Mittel gewähre, welche dem Grade nach, in welchem sie die Strahlen des prismatischen Spektrums zerstreuen, verschieden wären, zugleich aber die mancherlei Reihen der Strahlen in derselben Proportion auseinander hielten. Denn wenn sich solche Mittel fänden, so würde das obengemeldete sekundäre Spektrum verschwinden, und die Abweichung, welche durch die verschiedene Refrangibilität entsteht, könnte aufgehoben werden. Der Erfolg dieser Untersuchung war nicht glücklich in Betracht ihres Hauptgegenstandes. In jeder Verbindung, die man versuchte, bemerkte man dieselbe Art von nicht beseitigter Farbe, und man schloß daraus, daß es keine direkte Methode gebe, die Aberration wegzuschaffen.«

X. »Aber es zeigt sich in dem Verlauf der Versuche, daß die Breite des sekundären Spektrums geringer war in einigen Verbindungen als in anderen, und da eröffnete sich ein indirekter Weg, jene Verbesserung zu finden, indem man nämlich eine zusammengesetzte hohle Linse von Materialien, welche die meiste Farbe hervorbringen, mit einer zusammengesetzten konvexen Linse von Materialien, welche die wenigste Farbe hervorbringen, verband und nun beobachtete, auf was Weise man dies durch drei Mittel bewirken könnte, ob es gleich schien, daß ihrer viere nötig wären.«

XI. »Indem man sich nun nach Mitteln umsah, welche zu jenem Zweck am geschicktesten sein möchten, so entdeckte man eine wunderbare und merkwürdige Eigenschaft in der Salzsäure. In allen Mitteln, deren Zerstreuungskräfte man bisher untersucht hatte, waren die grünen Strahlen, welche sonst die mittlern refrangiblen im Crownglas sind, unter den weniger refrangiblen, und daher verursachten sie jene nicht beseitigte Farbe, welche vorher beschrieben worden. In der Salzsäure hingegen machen dieselben Strahlen einen Teil der mehr refrangiblen, und in Gefolg davon ist die Ordnung der Farben in dem sekundären Spektrum, welches durch eine Verbindung von Crownglas mit dieser Flüssigkeit hervorgebracht war, umgekehrt, indem das homogene Grün das wenigst refrangible und das verbundene Rot und Violett das meist refrangible war.«

XII. »Diese merkwürdige Eigenschaft, die man in der Salzsäure gefunden, führt zu dem vollkommensten Erfolg, dem großen Mangel der optischen Instrumente abzuhelfen, nämlich der Zerstreuung oder Abweichung der Strahlen, welche sich von ihrer ungleichen Refrangibilität herschrieb und wodurch es bisher unmöglich ward, sie alle zusammen auf einen Punkt zu bringen, sowohl bei einfachen als bei entgegengesetzten Brechungen. Eine Flüssigkeit, in welcher Teile der Salzsäure mit metallischen in gehörigem Verhältnis stehn, trennt die äußersten Strahlen des Spektrums weit mehr als Crownglas, bricht aber alle Reihen der Strahlen genau in demselben Verhältnis, wie dies Glas tut; und daher können die Strahlen aller Farben, welche durch die Brechung des Glases divergent geworden, wieder parallel werden, entweder durch eine folgende Refraktion auf der Grenze des Glases und gedachter Flüssigkeit, oder indem die brechende Dichtigkeit derselben geschwächt wird. Die Brechung, welche an der Grenze derselben und des Glases stattfindet, kann so regelmäßig, als wäre es Reflexion, gemacht werden, indessen die Mängel, welche von unvermeidlicher Unvollkommenheit des Schleifens entspringen müssen, hier viel weniger anstößig sind als bei der Reflexion, und die Masse Licht, welche durch gleiche Öffnung der Teleskope durchfällt, viel größer ist.«

XIII. »Dieses sind die Vorteile, welche unsere Entdeckung anbietet. In der Ausführung mußte man beim ersten Angreifen der Sache mancherlei Schwierigkeiten erwarten und deren manche überwinden, ehe die Erfahrungen vollständig wirken konnten. Denn zur Genauigkeit der Beobachtungen gehört, daß die Objektivgläser sehr sorgfältig gearbeitet werden, indem die Phänomene viel auffallender sind, wenn die vergrößernden Kräfte wachsen. Die Mathematiker haben sich viel Mühe zu geringem Zwecke gegeben, indem sie die Radien der Sphären ausrechneten, welche zu achromatischen Teleskopen nötig sind: denn sie bedachten nicht, daß Objektivgläser viel zartere Prüfmittel sind für die optischen Eigenschaften brechender Medien als die groben Versuche durch Prismen und daß die Resultate ihrer Demonstrationen nicht über die Genauigkeit der Beobachtungen hinausgehen, wohl aber dahinter zurückbleiben können.«

XIV. »Ich schließe diesen Vortrag, der schon länger geworden, als ich mir vorsetzte, indem ich die verschiedenen Fälle ungleicher Brechbarkeit des Lichts erzähle, damit ihre Mannigfaltigkeit auf einmal deutlich eingesehen werde.«

XV. »Bei der Brechung, welche an der Grenze eines jeden bekannten Mittels und eines leeren Raums stattfindet, sind die verschiedenfarbigen Strahlen ungleich brechbar, die rotmachenden am wenigsten, die violettmachenden am meisten. Dieser Unterschied der Brechbarkeit der roten und violetten Strahlen ist jedoch nicht derselbige in allen Mitteln. Solche Mittel, in welchen der Unterschied am größten ist und welche daher die verschiedenfarbigen Strahlen am meisten trennen oder zerstreuen, hat man durch den Ausdruck dispersive unterschieden, und diejenigen, welche die Strahlen am wenigsten voneinander trennen, sind indispersive genannt worden. Diese Mittel sind also dadurch voneinander unterschieden, und mehr noch durch einen andern, höchst wesentlichen Umstand.«

XVI. »Es zeigt sich durch Versuche, welche man auf indispersive Mittel gemacht hat, daß das mittlere refrangible Licht immer dasselbe und zwar von grüner Farbe ist.«

XVII. »Hingegen in der weitläuftigen Klasse dispersiver Mittel, wozu Flintglas, metallische Auflösungen und wesentliche Öle gehören, macht das grüne Licht nicht die mittlere refrangible Reihe, sondern bildet eine von den weniger refrangiblen Reihen, indem man solches im prismatischen Spektrum näher am tiefen Rot als an dem äußersten Violett findet.«

XVIII. »In einer andern Klasse dispersiver Mittel, welche die Salz- und Salpetersäure enthält, wird dasselbe grüne Licht eines der mehr refrangiblen, indem es sich näher am letzten Violett als am tiefsten Rot zeigt.«

XIX. »Dieses sind die Verschiedenheiten in der Brechbarkeit des Lichtes, wenn die Refraktion an der Grenze eines leeren Raumes stattfindet, und die Phänomene werden nicht merklich unterschieden sein, wenn die Brechungen an der Grenze des dichten Mittels und der Luft geschehen. Aber wenn Licht aus einem dichten Mittel ins andere übergeht, sind die Fälle der ungleichen Refrangibilität viel verwickelter.«

XX. »Bei Refraktionen, welche auf der Grenze von Mitteln geschehen, welche nur an Stärke und nicht an Eigenschaft verschieden sind, als Wasser und Crownglas, oder an der Grenze von verschieden dispersiven Flüssigkeiten, welche mehr oder weniger verdünnt sind, wird der Unterschied der Refrangibilität derselbe sein, der oben an der Grenze dichter Mittel und der Luft bemerkt worden, nur daß die Refraktion geringer ist.«

XXI. »An der Grenze eines indispersiven und eines dünnern Mittels, das zu irgendeiner Klasse der dispersiven gehört, können die roten und violetten Strahlen gleich refrangibel gemacht werden. Wenn die dispersive Gewalt des dünneren Mittels sich vermehrt, so werden die violetten Strahlen die wenigst refrangiblen und die roten die meist refrangiblen. Wenn die mittlere refraktive Dichtigkeit zweier Mittel gleich ist, so werden die roten und violetten Strahlen in entgegengesetzten Richtungen gebrochen, die einen zu, die andern von dem Perpendikel.«

XXII. »Dieses begegnet den roten und violetten Strahlen, welche Art von dispersiven Mitteln man auch brauche; aber die Refrangibilität der mittleren Strahlenordnung und besonders der grünen Strahlen wird verschieden sein, wenn die Klasse der dispersiven Mittel verändert wird.«

XXIII. »So in dem ersten Fall, wenn rote und violette Strahlen gleich refrangibel gemacht worden, werden die grünen Strahlen als die meist refrangiblen heraustreten, sobald man die erste Klasse der dispersiven Mittel gebraucht, und als die wenigst refrangiblen, sobald die zweite Klasse angewendet wird. So in den zwei andern Fällen, wo das Violette das am wenigsten und das Rote das am meisten refrangible wird, und wo diese beiden in entgegengesetzten Direktionen gebrochen werden; alsdann werden die grünen Strahlen zu den roten gelangen, wenn die erste Klasse der dispersiven Mittel gebraucht wird, und werden sich zu den violetten gesellen, wenn man die zweite Klasse braucht.«

XXIV. »Nur noch ein anderer Fall ungleicher Refraktion bleibt übrig zu bemerken, und das ist der, wenn Licht gebrochen wird an der Grenze von Mitteln, die zu den zwei verschiedenen Klassen dispersiver Flüssigkeiten gehören. Bei dem Übergang zum Beispiel von einem wesentlichen Öl oder einer metallischen Solution in die Salzsäuren läßt sich die refraktive Dichtigkeit dieser Flüssigkeiten so zurichten, daß die roten und violetten Strahlen keine Refraktion erdulden, wenn sie aus einer Flüssigkeit in die andere gehen, wie schief auch ihre Inzidenz sein möge. Aber die grünen Strahlen werden alsdann eine merkliche Brechung erleiden, und diese Brechung wird sich vom Perpendikel wegbewegen, wenn das Licht aus der Salzsäure in das wesentliche Öl übergeht, und gegen den Perpendikel, wenn es von dem wesentlichen Öl in die Salzsäure übergeht. Die andern Reihen der Strahlen erleiden ähnliche Brechungen, welche am größesten sind bei denen, die dem Grün am nächsten kommen, und abnehmen, wie sie sich dem tiefen Roten an der einen Seite und dem letzten Violetten an der andern nähern, wo Refraktion vollkommen aufhört.«

 

Bemerkungen über das Vorhergehende

Wir können voraussetzen, daß unsere Leser die Lehre von der Achromasie überhaupt, teils wie wir solche in unserm Entwurf, teils im historischen Teile vorgetragen, genugsam gegenwärtig haben. Was die Blairischen Bemühungen betrifft, so findet sich über dieselben ein Aufsatz in den Gilbertischen Annalen der Physik (sechster Band, S. 129 ff.); auch kommen in dem Reichsanzeiger (1794, N. 152 und 1795, N. 4 und 14.) einige Notizen vor, welche zur Erläuterung der Sache dienen. Wir haben den Autor selbst reden lassen, und seine einzelnen Paragraphen numeriert, um einige Bemerkungen darauf beziehen zu können.

Die Blairischen Versuche sind mit Prismen und Objektivgläsern gemacht, aber beide Arten sind nicht deutlich voneinander abgesondert, noch ist die Beschreibung so gefaßt, daß man wissen könnte, wann die eine oder die andere Weise zu versuchen eintritt. Er nennt die prismatischen Versuche grob. Wir finden dies eine des Naturforschers unwürdige Art sich auszudrücken. Sie sind wie alle ähnlichen einfachen Versuche keineswegs grob, sondern rein zu nennen. Die reine Mathematik ist nicht grob, verglichen mit der angewandten, ja sie ist vielmehr zarter und zuverlässiger.

Das größte Übel jedoch, das den Blairischen Versuchen beiwohnt, ist, daß sie nach der Newtonischen Theorie beschrieben sind. Versuche, nach einer falschen Terminologie ausgesprochen, sind, wenn man sie nicht wiederholen kann, sehr schwer durch eine Konjekturalkritik auf den rechten Fuß zu stellen. Wir fanden uns nicht in dem Fall die Blairischen Versuche zu wiederholen; doch werden wir möglichst suchen, ihnen auf die Spur zu kommen.

ad VII. Es sollen Versuche mit achromatischen Objektivgläsern von sehr weiter Öffnung gemacht worden sein; was für Versuche aber, ist nicht deutlich. Man kann durch solche Objektivgläser das Sonnenlicht fallen lassen, um zu sehen, ob es bei seinem Zusammenziehen oder Ausdehnen Farben zeige; man kann schwarze und weiße kleine Scheiben auf entgegengesetzten Gründen dadurch betrachten, ob sich Ränder an ihnen zeigen oder nicht. Wir nehmen an, daß er den Versuch auf die erste Weise angestellt; nun sagt er, in diesen Objektivgläsern wären die beiden Abweichungen gewissermaßen verbessert gewesen. Dies heißt doch wohl von Seiten der Form und von Seiten der Farbe. Ist dieses letztere auch nur einigermaßen geschehen, wie können denn die wunderlichen Farbenerscheinungen noch übrig bleiben, von denen der Schluß des Paragraphen spricht?

Wir finden uns bei Betrachtung dieser Stelle in nicht geringer Verlegenheit. Homogene grüne Strahlen, die wir nach unsrer Lehre gar nicht kennen, sollen die meist refrangierten sein. Das müßte also doch wohl heißen: sie kommen zuerst im Fokus an. Hier wäre also irgend etwas Grünes gesehen worden. Wie soll man nun aber das folgende verstehen? wo immer je zwei und zwei farbige Strahlen vereinigt sein sollen. Hat man sie gesehen oder nicht gesehen? Im ersten Fall müßten sie jedesmal aneinander grenzen und doppelfarbige Kreise bilden. Oder hat man sie nicht gesehen, und heißt das vereinigt hier, nach der unglückseligen Newtonischen Theorie, wieder zu Weiß verbunden, wie erkennt man denn, daß sie da waren, und wie erfährt man, wo sie geblieben sind?

Wir dachten uns aus dieser Verwirrung allenfalls durch eine doppelte Vermutung zu helfen. Bei achromatischen Fernröhren kommt manchmal der Fall vor, daß die Konvex- und Konkavlinse so genau passen, daß sie sich unmittelbar berühren und drücken, wodurch die lebhaftesten epoptischen Farben entstehen. Trat vielleicht bei jenem Objektiv dieser Umstand ein, und Blair ließ das Sonnenlicht hindurchfallen, so konnten solche Farbenkreise entstehen, wie er sie bezeichnet, aber von einer ganz andern Seite. Sie gehören unter eine ganz andre Rubrik, als wohin er sie zieht. Noch ein anderer Umstand konnte stattfinden, daß nämlich das zu diesem Objektiv angewandte Crownglas nicht vollkommen rein war und sich also mit Refraktion verbundene paroptische Farbenkreise zeigten; doch bleibt es uns unmöglich, etwas Gewisses hierüber festzusetzen.

ad XI. Die Versuche, von denen hier die Rede ist, müssen mit Prismen gemacht worden sein. Er hält sich besonders bei dem Grünen des prismatischen Spektrums auf, welches, wie bekannt, ursprünglich darin gar nicht existiert. Die Redensart, daß grüne Strahlen die mittleren brechbaren sein sollen, ist grundfalsch. Wir haben es tausendmal wiederholt: die Mitte des Gespenstes ist zuerst weiß.

Man nehme unsere fünfte Tafel zur Hand. Wo Gelb und Blau sich berühren, entsteht das Grün und erscheint einen Augenblick ungefähr in der Mitte des Spektrums. Wie aber bei Anwendung eines jeden Mittels, es sei von welcher Art es wolle, das Violette wächst, so gehört Grün freilich mehr dem untern als dem obern Teile zu.

Weil nun sogenannte mehr dispersive Mittel einen längern violetten Schweif bilden, so bleibt das Grün, obgleich immer an seiner Stelle, doch weiter unten, und nun rechnet es der Verfasser gar zu den minder refrangiblen Strahlen. Es steckt aber eigentlich nur in der Enge des hellen Bildes, und der violette Saum geht weit darüber hinaus. Hiermit wären wir also im reinen.

Daß es aber stark dispersive Mittel geben soll, durch welche das Grün mehr nach oben gerückt wird oder nach jener Terminologie zu den mehr refrangiblen Reihen gehört, scheint ganz unmöglich, weil die Säume ins helle Bild hinein stärker wachsen müßten als aus dem Hellen hinaus; welches sich nicht denken läßt, da beide Randerscheinungen sich jederzeit völlig auf gleiche Weise ausdehnen.

Was hingegen Dr. Blair gesehen haben mag, glauben wir indes durch eine Vermutung auslegen zu können. Er bedient sich zu diesen Versuchen seiner hohlen Prismen. Diese sind aus Messing und Glas zusammengesetzt. Wahrscheinlich haben Salz- und Salpetersäure etwas von dem Messing aufgelöst und einen Grünspan in sich aufgenommen. Durch dieses nunmehr grün gefärbte Mittel wurde das Grün des Spektrums erhöht und der violette Teil desselben deprimiert. Ja, es ist möglich, daß der äußerste zarte Teil des Saums völlig aufgehoben worden. Auf diese Weise rückt freilich das Grün scheinbar weit genug hinauf, wie man sich dies Resultat schon durch jedes grüne Glas vergegenwärtigen kann.

ad XXIII und XXIV. Durch diese beiden Paragraphen wird jene Vermutung noch bestärkt: denn hier kommen Versuche vor, durch welche, nach aufgehobenen Randstrahlen, die grünen mittleren Strahlen in ihrem Wert geblieben sein sollen. Was kann das anders heißen, als daß zuletzt ein grünes Bild noch übrig blieb? Aber wie kann dieses entstehen, wenn die Reihen der entgegengesetzten Enden aufgehoben sind, da es bloß aus diesen zusammengesetzt ist? Schwerlich kann es etwas anders sein und heißen, als daß ein an seinen Rändern wirklich achromatisiertes, durch ein grünes Mittel aber grün gefärbtes gebrochnes Bild noch übrig geblieben.

So viel von unsern Vermutungen, denen wir noch manches hinzufügen könnten. Allein es ist eine traurige Aufgabe, mit Worten gegen Worte zu streiten; und die Versuche anzustellen, um der Sache genau auf die Spur zu kommen, mangelt uns gegenwärtig Zeit und Gelegenheit. Sie verdient wegen Erweiterung der theoretischen Ansicht vielleicht künftig noch eine nähere Prüfung. Denn, was das Praktische betrifft, so sieht man leicht, daß diesen aus Glas und salinischen Flüssigkeiten zusammengesetzten sogenannten aplanatischen Gläsern in der Ausführung noch mehr Hindernisse entgegenstanden, als jenen aus zwei Glasarten verbundenen achromatischen. Auch scheint das Unternehmen nicht weiter geführt worden zu sein. Ob wir hierüber nähere Nachricht erhalten können, muß die Zeit lehren.

Uns sei indessen vergönnt, da wir uns dem Schlusse unserer Arbeit immer mehr nähern, eine allgemeine, hieher wohl passende Anmerkung beizubringen.

In physischen sowohl als andern Erfahrungswissenschaften kann der Mensch nicht unterlassen, ins Minutiose zu gehen, teils weil es etwas Reizendes hat, ein Phänomen ins unendlich Kleine zu verfolgen, teils weil wir im Praktischen, wenn einmal etwas geleistet ist, das Vollkommnere zu suchen immer aufgefordert werden. Beides kann seinen Nutzen haben; aber der daraus entspringende Schaden ist nicht weniger merklich. Durch jenes erstgenannte Bemühen wird ein unendlicher Wissenswust aufgehäuft und das Würdige mit dem Unwürdigen, das Werte mit dem Unwerten durcheinander gerüttelt und eins mit dem andern der Aufmerksamkeit entzogen.

Was die praktischen Forderungen betrifft, so mögen unnütze Bemühungen noch eher hingehen, denn es springt zuletzt doch manchmal etwas Unerwartetes hervor. Aber der, dem es Ernst um die Sache ist, bedenke doch ja, daß der Mensch in einen Mittelzustand gesetzt ist und daß ihm nur erlaubt ist, das Mittlere zu erkennen und zu ergreifen. Der Natur, um ganz zunächst bei der Materie zu bleiben, von der wir eben handeln, war es selbst nicht möglich, das Auge ganz achromatisch zu machen. Es ist achromatisch nur insofern, als wir frei, gerade vor uns hin sehen. Bücken wir den Kopf nieder, oder heben ihn in die Höhe, und blicken in dieser gezwungenen Stellung nach irgendeinem entschiedenen hellen oder dunklen Bilde, nach einem zu diesen Erfahrungen immer bereiten Fensterkreuz, so werden wir mit bloßen Augen die prismatischen Säume gewahr. Wie sollte es also der Kunst gelingen, die Natur in einem solchen Grade zu meistern, da man ja nicht mit abstrakten sondern mit konkreten Kräften und Körpern zu tun hat und es sich mit dem Höchsten, der Idee, ebenso verhält, daß man sie keineswegs ins Enge noch ins gleiche bringen kann.

Keinesweges werde jedoch, wie schon gesagt, der Forscher und Techniker abgeschreckt, ins Feinere und Genauere zu gehen, nur tue er es mit Bewußtsein, um nicht Zeit und Fähigkeiten zu vertändeln und zu verschwenden.

Konfession des Verfassers

Da uns, wenn wir an irgendeinem Geschehenen teilnehmen, nichts willkommener sein kann, als daß Personen, welche mitgewirkt, uns die besondern Umstände offenbaren mögen, wie dieses oder jenes Ereignis seinen Ursprung genommen, und dies sowohl von der politischen als wissenschaftlichen Geschichte gilt; auch in beiden nichts so klein geachtet werden mag, das nicht irgendeinem Nachkommenden einmal bedeutend sein könnte: so habe ich nicht unterlassen wollen, nachdem ich dem Lebensgange so mancher andern nachgespürt, gleichfalls aufzuzeichnen, wie ich zu diesen physischen und besonders chromatischen Untersuchungen gelangt bin; welches um so mehr erwartet werden darf, weil eine solche Beschäftigung schon manchem als meinem übrigen Lebensgange fremd erschienen ist.

Die Menge mag wohl jemanden irgendein Talent zugestehen, worin er sich tätig bewiesen und wobei das Glück sich ihm nicht abhold gezeigt; will er aber in ein andres Fach übergehen und seine Künste vervielfältigen, so scheint es, als wenn er die Rechte verletze, die er einmal der öffentlichen Meinung über sich eingeräumt, und es werden daher seine Bemühungen in einer neuen Region selten freundlich und gefällig aufgenommen.

Hierin kann die Menge wohl einigermaßen recht haben: denn es hat jedes einzelne Beginnen so viele Schwierigkeiten, daß es einen ganzen Menschen, ja mehrere zusammen braucht, um zu einem erwünschten Ziele zu gelangen. Allein dagegen hat man wieder zu bedenken, daß die Tätigkeiten, in einem höhern Sinne, nicht vereinzelt anzusehen sind, sondern daß sie einander wechselsweise zu Hülfe kommen und daß der Mensch, wie mit andern also auch mit sich selbst, öfters in ein Bündnis zu treten und daher sich in mehrere Tüchtigkeiten zu teilen und in mehreren Tugenden zu üben hat.

Wie es mir hierin im ganzen ergangen, würde nur durch eine umständliche Erzählung mitgeteilt werden können, und so mag das Gegenwärtige als ein einzelnes Kapitel jenes größern Bekenntnisses angesehen werden, welches abzulegen mir vielleicht noch Zeit und Mut übrig bleibt.

Indem sich meine Zeitgenossen gleich bei dem ersten Erscheinen meiner dichterischen Versuche freundlich genug gegen mich erwiesen, und mir, wenn sie gleich sonst mancherlei auszusetzen fanden, wenigstens ein poetisches Talent mit Geneigtheit zuerkannten, so hatte ich selbst gegen die Dichtkunst ein eignes wundersames Verhältnis, das bloß praktisch war, indem ich einen Gegenstand, der mich ergriff, ein Muster, das mich aufregte, einen Vorgänger, der mich anzog, so lange in meinem innern Sinn trug und hegte, bis daraus etwas entstanden war, das als mein angesehen werden mochte und das ich, nachdem ich es jahrelang im stillen ausgebildet, endlich auf einmal, gleichsam aus dem Stegreife und gewissermaßen instinktartig, auf das Papier fixierte. Daher denn die Lebhaftigkeit und Wirksamkeit meiner Produktionen sich ableiten mag.

Da mir aber sowohl in Absicht auf die Konzeption eines würdigen Gegenstandes als auf die Komposition und Ausbildung der einzelnen Teile, sowie was die Technik des rhythmischen und prosaischen Stils betraf, nichts Brauchbares, weder von den Lehrstühlen noch aus den Büchern entgegenkam, indem ich manches Falsche zwar zu verabscheuen, das Rechte aber nicht zu erkennen wußte und deshalb selbst wieder auf falsche Wege geriet, so suchte ich mir außerhalb der Dichtkunst eine Stelle, auf welcher ich zu irgendeiner Vergleichung gelangen und dasjenige, was mich in der Nähe verwirrte, aus einer gewissen Entfernung übersehen und beurteilen könnte.

Diesen Zweck zu erreichen, konnte ich mich nirgends besser hinwenden als zur bildenden Kunst. Ich hatte dazu mehrfachen Anlaß: denn ich hatte so oft von der Verwandtschaft der Künste gehört, welche man auch in einer gewissen Verbindung zu behandeln anfing. Ich war in einsamen Stunden früherer Zeit auf die Natur aufmerksam geworden, wie sie sich als Landschaft zeigt, und hatte, da ich von Kindheit auf in den Werkstätten der Maler aus- und einging, Versuche gemacht, das, was mir in der Wirklichkeit erschien, so gut es sich schicken wollte, in ein Bild zu verwandlen; ja ich fühlte hiezu, wozu ich eigentlich keine Anlage hatte, einen weit größern Trieb als zu demjenigen, was mir von Natur leicht und bequem war. So gewiß ist es, daß die falschen Tendenzen den Menschen öfters mit größerer Leidenschaft entzünden als die wahrhaften, und daß er demjenigen weit eifriger nachstrebt, was ihm mißlingen muß, als was ihm gelingen könnte.

Je weniger also mir eine natürliche Anlage zur bildenden Kunst geworden war, desto mehr sah ich mich nach Gesetzen und Regeln um; ja ich achtete weit mehr auf das Technische der Malerei als auf das Technische der Dichtkunst: wie man denn durch Verstand und Einsicht dasjenige auszufüllen sucht, was die Natur Lückenhaftes an uns gelassen hat.

Je mehr ich nun durch Anschauung der Kunstwerke, insofern sie mir im nördlichen Deutschland vor die Augen kamen, durch Unterredung mit Kennern und Reisenden, durch Lesen solcher Schriften, welche ein lange pedantisch vergrabenes Altertum einem geistigern Anschaun entgegenzuheben versprachen, an Einsicht gewissermaßen zunahm, desto mehr fühlte ich das Bodenlose meiner Kenntnisse und sah immer mehr ein, daß nur von einer Reise nach Italien etwas Befriedigendes zu hoffen sein möchte.

Als ich endlich nach manchem Zaudern über die Alpen gelangt war, so empfand ich gar bald, bei dem Zudrang so vieler unendlichen Gegenstände, daß ich nicht gekommen sei, um Lücken auszufüllen und mich zu bereichern, sondern daß ich von Grund aus anfangen müsse, alles bisher Gewähnte wegzuwerfen und das Wahre in seinen einfachsten Elementen aufzusuchen. Zum Glück konnte ich mich an einigen von der Poesie herüber gebrachten, mir durch inneres Gefühl und langen Gebrauch bewährten Maximen festhalten, so daß es mir zwar schwer, aber nicht unmöglich ward, durch ununterbrochnes Anschauen der Natur und Kunst, durch lebendiges, wirksames Gespräch mit mehr oder weniger einsichtigen Kennern, durch stetes Leben mit mehr oder weniger praktischen oder denkenden Künstlern, nach und nach mir die Kunst überhaupt einzuteilen, ohne sie zu zerstückeln, und ihre verschiedenen, lebendig ineinander greifenden Elemente gewahr zu werden.

Freilich nur gewahr zu werden und festzuhalten, ihre tausendfältigen Anwendungen und Ramifikationen aber einer künftigen Lebenszeit aufzusparen. Auch ging es mir, wie jedem, der reisend oder lebend mit Ernst gehandelt, daß ich in dem Augenblicke des Scheidens erst einigermaßen mich wert fühlte, hereinzutreten. Mich trösteten die mannigfaltigen und unentwickelten Schätze, die ich mir gesammlet; ich erfreute mich an der Art, wie ich sah, daß Poesie und bildende Kunst wechselseitig aufeinander einwirken könnten. Manches war mir im einzelnen deutlich, manches im ganzen Zusammenhange klar. Von einem einzigen Punkte wußte ich mir nicht die mindeste Rechenschaft zu geben: es war das Kolorit.

Mehrere Gemälde waren in meiner Gegenwart erfunden, komponiert, die Teile der Stellung und Form nach sorgfältig durchstudiert worden, und über alles dieses konnten mir die Künstler, konnte ich mir und ihnen Rechenschaft, ja sogar manchmal Rat erteilen. Kam es aber an die Färbung, so schien alles dem Zufall überlassen zu sein, dem Zufall der durch einen gewissen Geschmack, einen Geschmack der durch Gewohnheit, eine Gewohnheit die durch Vorurteil, ein Vorurteil das durch Eigenheiten des Künstlers, des Kenners, des Liebhabers bestimmt wurde. Bei den Lebendigen war kein Trost, ebensowenig bei den Abgeschiedenen, keiner in den Lehrbüchern, keiner in den Kunstwerken. Denn wie bescheiden sich über diesen Punkt zum Beispiel Lairesse ausdrückt, kann Verwunderung erregen. Und wie wenig sich irgendeine Maxime aus der Färbung, welche neuere Künstler in ihren Gemälden angebracht, abstrahieren lasse, zeigt die Geschichte des Kolorits, verfaßt von einem Freunde, der schon damals mit mir zu suchen und zu untersuchen geneigt war, und bis jetzt diesem gemeinsam eingeschlagenen Weg auf die löblichste Weise treu geblieben.

Je weniger mir nun bei allen Bemühungen etwas erfreulich Belehrendes entgegenschien, desto mehr brachte ich diesen mir so wichtigen Punkt überall wiederholt, lebhaft und dringend zur Sprache, dergestalt, daß ich dadurch selbst Wohlwollenden fast lästig und verdrießlich fiel. Aber ich konnte nur bemerken, daß die lebenden Künstler bloß aus schwankenden Überlieferungen und einem gewissen Impuls handelten, daß Helldunkel, Kolorit, Harmonie der Farben immer in einem wunderlichen Kreise sich durcheinander drehten. Keins entwickelte sich aus dem andern, keins griff notwendig ein in das andere. Was man ausübte, sprach man als technischen Kunstgriff, nicht als Grundsatz aus. Ich hörte zwar von kalten und warmen Farben, von Farben, die einander heben, und was dergleichen mehr war; allein bei jeder Ausführung konnte ich bemerken, daß man in einem sehr engen Kreise wandelte, ohne doch denselben überschauen oder beherrschen zu können.

Das Sulzerische Wörterbuch wurde um Rat gefragt, aber auch da fand sich wenig Heil. Ich dachte selbst über die Sache nach, und um das Gespräch zu beleben, um eine oft durchgedroschene Materie wieder bedeutend zu machen, unterhielt ich mich und die Freunde mit Paradoxen. Ich hatte die Ohnmacht des Blauen sehr deutlich empfunden und seine unmittelbare Verwandtschaft mit dem Schwarzen bemerkt; nun gefiel es mir zu behaupten: das Blaue sei keine Farbe! und ich freute mich eines allgemeinen Widerspruchs. Nur Angelika, deren Freundschaft und Freundlichkeit mir schon öfters in solchen Fällen entgegengekommen war – sie hatte zum Beispiel auf mein Ersuchen erst ein Bild, nach Art älterer Florentiner, Grau in Grau gemalt und es bei völlig entschiedenem und fertigen Helldunkel mit durchscheinender Farbe überzogen, wodurch eine sehr erfreuliche Wirkung hervorgebracht wurde, ob man es gleich von einem auf die gewöhnliche Weise gemalten Bilde nicht unterscheiden konnte – Angelika gab mir Beifall und versprach, eine kleine Landschaft ohne Blau zu malen. Sie hielt Wort und es entsprang ein sehr hübsches harmonisches Bild, etwa in der Art, wie ein Akyanobleps die Welt sehen würde, wobei ich jedoch nicht leugnen will, daß sie ein Schwarz anwendete, welches nach dem Blauen hinzog. Wahrscheinlich findet sich dieses Bild in den Händen irgendeines Liebhabers, für den es durch diese Anekdote noch mehr Wert erhält.

Daß hierdurch nichts ausgemacht wurde, ja vielmehr die Sache in einen geselligen Scherz ablief, war ganz natürlich. Indessen versäumte ich nicht, die Herrlichkeit der atmosphärischen Farben zu betrachten, wobei sich die entschiedenste Stufenfolge der Luftperspektive, die Bläue der Ferne sowie naher Schatten, auffallend bemerken ließ. Beim Sciroccohimmel, bei den purpurnen Sonnenuntergängen waren die schönsten meergrünen Schatten zu sehen, denen ich um so mehr Aufmerksamkeit schenkte, als ich schon in der ersten Jugend bei frühem Studieren, wenn der Tag gegen das angezündete Licht heranwuchs, diesem Phänomen meine Bewunderung nicht entziehen konnte. Doch wurden alle diese Beobachtungen nur gelegentlich angestellt, durch so viel andres mannigfaltiges Interesse zerstreut und verdrängt, so daß ich meine Rückreise unternahm und zu Hause, bei manchem Zudrang fremdartiger Dinge, die Kunst und alle Betrachtung derselben fast gänzlich aus dem Auge verlor.

Sobald ich nach langer Unterbrechung endlich Muße fand, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen, trat mir in Absicht auf Kolorit dasjenige entgegen, was mir schon in Italien nicht verborgen bleiben konnte. Ich hatte nämlich zuletzt eingesehen, daß man den Farben, als physischen Erscheinungen, erst von der Seite der Natur beikommen müsse, wenn man in Absicht auf Kunst etwas über sie gewinnen wolle. Wie alle Welt war ich überzeugt, daß die sämtlichen Farben im Licht enthalten seien; nie war es mir anders gesagt worden, und niemals hatte ich die geringste Ursache gefunden, daran zu zweifeln, weil ich bei der Sache nicht weiter interessiert war. Auf der Akademie hatte ich mir Physik wie ein anderer vortragen und die Experimente vorzeigen lassen. Winkler in Leipzig, einer der ersten, der sich um Elektrizität verdient machte, behandelte diese Abteilung sehr umständlich und mit Liebe, so daß mir die sämtlichen Versuche mit ihren Bedingungen fast noch jetzt durchaus gegenwärtig sind. Die Gestelle waren sämtlich blau angestrichen; man brauchte ausschließlich blaue Seidenfäden zum Anknüpfen und Aufhängen der Teile des Apparats: welches mir auch immer wieder, wenn ich über blaue Farbe dachte, einfiel. Dagegen erinnere ich mich nicht, die Experimente, wodurch die Newtonische Theorie bewiesen werden soll, jemals gesehen zu haben; wie sie denn gewöhnlich in der Experimentalphysik auf gelegentlichen Sonnenschein verschoben und außer Ordnung des laufenden Vortrags gezeigt werden.

Als ich mich nun von Seiten der Physik den Farben zu nähern gedachte, las ich in irgendeinem Kompendium das hergebrachte Kapitel, und weil ich aus der Lehre, wie sie dastand, nichts für meinen Zweck entwickeln konnte, so nahm ich mir vor, die Phänomene wenigstens selbst zu sehen, zu welchen Hofrat Büttner, der von Göttingen nach Jena gezogen war, den nötigen Apparat mitgebracht und mir ihn nach seiner freundlich mitteilenden Weise sogleich angeboten hatte. Es fehlte nur also noch an einer dunklen Kammer, die durch einen wohlverschlossenen Fensterladen bewirkt werden sollte; es fehlte nur noch am Foramen exiguum, das ich mit aller Gewissenhaftigkeit, nach dem angegebenen Maß, in ein Blech einzubohren im Begriff stand. Die Hindernisse jedoch, wodurch ich abgehalten ward, die Versuche nach der Vorschrift, nach der bisherigen Methode anzustellen, waren Ursache, daß ich von einer ganz andern Seite zu den Phänomenen gelangte und dieselben durch eine umgekehrte Methode ergriff, die ich noch umständlich zu erzählen gedenke.

Eben zu dieser Zeit kam ich in den Fall, meine Wohnung zu verändern. Auch dabei hatte ich meinen frühern Vorsatz vor Augen. In meinem neuen Quartier traf ich ein langes, schmales Zimmer mit einem Fenster gegen Südwest; was hätte mir erwünschter sein können! Indessen fand sich bei meiner neuen Einrichtung so viel zu tun, so manche Hindernisse traten ein, und die dunkle Kammer kam nicht zustande. Die Prismen standen eingepackt, wie sie gekommen waren, in einem Kasten unter dem Tische, und ohne die Ungeduld des jenaischen Besitzers hätten sie noch lange da stehen können.

Hofrat Büttner, der alles, was er von Büchern und Instrumenten besaß, gern mitteilte, verlangte jedoch, wie es einem vorsichtigen Eigentümer geziemt, daß man die geborgten Sachen nicht allzulange behalten, daß man sie zeitig zurückgeben und lieber einmal wieder aufs neue borgen solle. Er war in solchen Dingen unvergessen und ließ es, wenn eine gewisse Zeit verflossen war, an Erinnerungen nicht fehlen. Mit solchen wollte er mich zwar nicht unmittelbar angehen; allein durch einen Freund erhielt ich Nachricht von Jena: der gute Mann sei ungeduldig, ja empfindlich, daß ihm der mitgeteilte Apparat nicht wieder zugesendet werde. Ich ließ dringend um einige Frist bitten, die ich auch erhielt, aber auch nicht besser anwendete: denn ich war von ganz anderem Interesse festgehalten. Die Farbe, sowie die bildende Kunst überhaupt, hatte wenig teil an meiner Aufmerksamkeit, ob ich gleich ungefähr in dieser Epoche, bei Gelegenheit der Saussurischen Reisen auf den Montblanc und des dabei gebrauchten Kyanometers, die Phänomene der Himmelsbläue, der blauen Schatten und so weiter zusammenschrieb, um mich und andre zu überzeugen, daß das Blaue nur dem Grade nach von dem Schwarzen und dem Finstern verschieden sei.

So verstrich abermals eine geraume Zeit, die leichte Vorrichtung des Fensterladens und der kleinen Öffnung ward vernachlässigt, als ich von meinem jenaischen Freunde einen dringenden Brief erhielt, der mich aufs lebhafteste bat, die Prismen zurückzusenden, und wenn es auch nur wäre, daß der Besitzer sich von ihrem Dasein überzeugte, daß er sie einige Zeit wieder in Verwahrung hätte; ich sollte sie alsdann zu längerm Gebrauch wieder zurück erhalten. Die Absendung aber möchte ich ja mit dem zurückkehrenden Boten bewerkstelligen. Da ich mich mit diesen Untersuchungen sobald nicht abzugeben hoffte, entschloß ich mich, das gerechte Verlangen sogleich zu erfüllen. Schon hatte ich den Kasten hervorgenommen, um ihn dem Boten zu übergeben, als mir einfiel, ich wolle doch noch geschwind durch ein Prisma sehen, was ich seit meiner frühsten Jugend nicht getan hatte. Ich erinnerte mich wohl, daß alles bunt erschien, auf welche Weise jedoch, war mir nicht mehr gegenwärtig. Eben befand ich mich in einem völlig geweißten Zimmer; ich erwartete, als ich das Prisma vor die Augen nahm, eingedenk der Newtonischen Theorie, die ganze weiße Wand nach verschiedenen Stufen gefärbt, das von da ins Auge zurückkehrende Licht in so viel farbige Lichter zersplittert zu sehen.

Aber wie verwundert war ich, als die durchs Prisma angeschaute weiße Wand nach wie vor weiß blieb, daß nur da, wo ein Dunkles dran stieß, sich eine mehr oder weniger entschiedene Farbe zeigte, daß zuletzt die Fensterstäbe am allerlebhaftesten farbig erschienen, indessen am lichtgrauen Himmel draußen keine Spur von Färbung zu sehen war. Es bedurfte keiner langen Überlegung, so erkannte ich, daß eine Grenze notwendig sei, um Farben hervorzubringen, und ich sprach wie durch einen Instinkt sogleich vor mich laut aus, daß die Newtonische Lehre falsch sei. Nun war an keine Zurücksendung der Prismen mehr zu denken. Durch mancherlei Überredungen und Gefälligkeiten suchte ich den Eigentümer zu beruhigen, welches mir auch gelang. Ich vereinfachte nunmehr die mir in Zimmern und im Freien durchs Prisma vorkommenden zufälligen Phänomene und erhob sie, indem ich mich bloß schwarzer und weißer Tafeln bediente, zu bequemen Versuchen.

Die beiden sich immer einander entgegengesetzten Ränder, die Verbreiterung derselben, das Übereinandergreifen über einen hellen Streif und das dadurch entstehende Grün, wie die Entstehung des Roten beim Übereinandergreifen über einen dunklen Streif, alles entwickelte sich vor mir nach und nach. Auf einen schwarzen Grund hatte ich eine weiße Scheibe gebracht, welche in einer gewissen Entfernung durchs Prisma angesehen, das bekannte Spektrum vorstellte und vollkommen den Newtonischen Hauptversuch in der Camera obscura vertrat. Eine schwarze Scheibe auf hellem Grund machte aber auch ein farbiges und gewissermaßen noch prächtigeres Gespenst. Wenn sich dort das Licht in so vielerlei Farben auflöst, sagte ich zu mit selbst: so müßte ja hier auch die Finsternis als in Farben aufgelöst angesehen werden.

Der Apparat meiner Tafeln war sorgfältig und reinlich zusammengeschafft, vereinfacht soviel wie möglich und so ein gerichtet, daß man die sämtlichen Phänomene in einer gewissen Ordnung dabei betrachten konnte. Ich wußte mir im stillen nicht wenig mit meiner Entdeckung, denn sie schien sich an manches bisher von mir Erfahrne und Geglaubte anzuschließen. Der Gegensatz von warmen und kalten Farben der Maler zeigte sich hier in abgesonderten blauen und gelben Rändern. Das Blaue erschien gleichsam als Schleier des Schwarzen, wie sich das Gelbe als ein Schleier des Weißen bewies. Ein Helles mußte über das Dunkle, ein Dunkles über das Helle geführt werden, wenn die Erscheinung eintreten sollte: denn keine perpendikulare Grenze war gefärbt. Das alles schloß sich an dasjenige an, was ich in der Kunst von Licht und Schatten und in der Natur von apparenten Farben gehört und gesehen hatte. Doch stand alles dieses mir ohne Zusammenhang vor der Seele und keinesweges so entschieden, wie ich es hier ausspreche.

Da ich in solchen Dingen gar keine Erfahrung hatte und mir kein Weg bekannt war, auf dem ich hätte sicher fortwandeln können, so ersuchte ich einen benachbarten Physiker, die Resultate dieser Vorrichtungen zu prüfen. Ich hatte ihn vorher bemerken lassen, daß sie mir Zweifel in Absicht auf die Newtonische Theorie erregt hätten, und hoffte sicher, daß der erste Blick auch in ihm die Überzeugung, von der ich ergriffen war, aufregen würde. Allein wie verwundert war ich, als er zwar die Erscheinungen in der Ordnung, wie sie ihm vorgeführt wurden, mit Gefälligkeit und Beifall aufnahm, aber zugleich versicherte, daß diese Phänomene bekannt und aus der Newtonischen Theorie vollkommen erklärt seien. Diese Farben gehörten keinesweges der Grenze, sondern dem Licht ganz allein an; die Grenze sei nur Gelegenheit, daß in dem einen Fall die weniger refrangiblen, im andern die mehr refrangiblen Strahlen zum Vorschein kämen. Das Weiße in der Mitte sei aber noch ein zusammengesetztes, durch Brechung nicht separiertes Licht, das aus einer ganz eigenen Vereinigung farbiger, aber stufenweise übereinandergeschobener Lichter entspringe; welches alles bei Newton selbst und in den nach seinem Sinn verfaßten Büchern umständlich zu lesen sei.

Ich mochte dagegen nun einwenden, was ich wollte, daß nämlich das Violette nicht refrangibler sei als das Gelbe, sondern nur, wie dieses in das Helle, so jenes in das Dunkle hineinstrahle; ich mochte anführen, daß bei wachsender Breite der Säume das Weiße so wenig als das Schwarze in Farben zerlegt, sondern in dem einen Falle nur durch einzusammengesetztes Grün, in dem andern durch ein zusammengesetztes Rot zugedeckt werde; kurz, ich mochte mich mit meinen Versuchen und Überzeugungen gebärden, wie ich wollte: immer vernahm ich nur das erste Credo und mußte mir sagen lassen, daß die Versuche in der dunklen Kammer weit mehr geeignet seien, die wahre Ansicht der Phänomene zu verschaffen.

Ich war nunmehr auf mich selbst zurückgewiesen; doch konnte ich es nicht ganz lassen und setzte noch einigemale an, aber mit ebenso wenig Glück, und ich wurde in nichts gefördert. Man sah die Phänomene gern; die Ununterrichteten amüsierten sich damit, die Unterrichteten sprachen von Brechung und Brechbarkeit und glaubten sich dadurch von aller weitern Prüfung loszuzählen. Nachdem ich nun diese in der Folge von mir subjektiv genannten Versuche ins Unendliche, ja Unnötige vervielfältigte, Weiß, Schwarz, Grau, Bunt in allen Verhältnissen an- und übereinander auf Tafeln gebracht hatte, wobei immer nur das erste simple Phänomen, bloß anders bedingt, erschien, so setzte ich nun auch die Prismen in die Sonne und richtete die Camera obscura mit schwarz ausgeschlagenen Wänden so genau und finster als möglich ein. Das Foramen exiguum selbst wurde sorgfältig angebracht. Allein diese beschränkten Ta schenspieler-Bedingungen hatten keine Gewalt mehr über mich. Alles, was die subjektiven Versuche mir leisteten, wollte ich auch durch die objektiven darstellen. Die Kleinheit der Prismen stand mir im Wege. Ich ließ ein größeres aus Spiegelscheiben zusammensetzen, durch welches ich nun, vermittelst vorgeschobener ausgeschnittener Pappen, alles dasjenige hervorzubringen suchte, was auf meinen Tafeln gesehen wurde, wenn man sie durchs Prisma betrachtete.

Die Sache lag mir am Herzen, sie beschäftigte mich; aber ich fand mich in einem neuen unabsehlichen Felde, welches zu durchmessen ich mich nicht geeignet fühlte. Ich sah mich überall nach Teilnehmern um; ich hätte gern meinen Apparat, meine Bemerkungen, meine Vermutungen, meine Überzeugungen einem andern übergeben, wenn ich nur irgend hätte hoffen können, sie fruchtbar zu sehen.

All mein dringendes Mitteilen war vergebens. Die Folgen der französischen Revolution hatten alle Gemüter aufgeregt und in jedem Privatmann den Regierungsdünkel erweckt. Die Physiker, verbunden mit den Chemikern, waren mit den Gasarten und mit dem Galvanismus beschäftigt. Überall fand ich Unglauben an meinen Beruf zu dieser Sache; überall eine Art von Abneigung gegen meine Bemühungen, die sich, je gelehrter und kenntnisreicher die Männer waren, immer mehr als unfreundlicher Widerwille zu äußern pflegte.

Höchst undankbar würde ich hingegen sein, wenn ich hier nicht diejenigen nennen wollte, die mich durch Neigung und Zutrauen förderten. Der Herzog von Weimar, dem ich von jeher alle Bedingungen eines tätigen und frohen Lebens schuldig geworden, vergönnte mir auch diesmal den Raum, die Muße, die Bequemlichkeit zu diesem neuen Vorhaben. Der Herzog Ernst von Gotha eröffnete mir sein physikalisches Kabinett, wodurch ich die Versuche zu vermannigfaltigen und ins Größere zu führen instand gesetzt wurde. Der Prinz August von Gotha verehrte mir aus England verschriebene köstliche, sowohl einfache als zusammengesetzte, achromatische Prismen. Der Fürst Primas, damals in Erfurt, schenkte meinen ersten und allen folgenden Versuchen eine ununterbrochene Aufmerksamkeit, ja er begnadigte einen umständlichen Aufsatz mit durchgehenden Randbemerkungen von eigner Hand, den ich noch als eine höchst schätzbare Erinnerung unter meinen Papieren verwahre.

Unter den Gelehrten, die mir von ihrer Seite Beistand leisteten, zähle ich Anatomen, Chemiker, Literatoren, Philosophen wie Loder, Sömmering, Göttling, Wolf, Forster, Schelling; hingegen keinen Physiker.

Mit Lichtenberg korrespondierte ich eine Zeitlang und sendete ihm ein paar auf Gestellen bewegliche Schirme, woran die sämtlichen subjektiven Erscheinungen auf eine bequeme Weise dargestellt werden konnten, ingleichen einige Aufsätze, freilich noch roh und ungeschlacht genug. Eine Zeitlang antwortete er mir; als ich aber zuletzt dringender ward und das ekelhafte Newtonische Weiß mit Gewalt verfolgte, brach er ab über diese Dinge zu schreiben und zu antworten; ja er hatte nicht einmal die Freundlichkeit, ungeachtet eines so guten Verhältnisses, meiner Beiträge in der letzten Ausgabe seines Erxlebens zu erwähnen. So war ich denn wieder auf meinen eigenen Weg gewiesen.

Ein entschiedenes Aperçu ist wie eine inokulierte Krankheit anzusehen: man wird sie nicht los, bis sie durchgekämpft ist. Schon längst hatte ich angefangen, über die Sache nachzulesen. Die Nachbeterei der Kompendien war mir bald zuwider und ihre beschränkte Einförmigkeit gar zu auffallend. Ich ging nun an die Newtonische Optik, auf die sich doch zuletzt jedermann bezog, und freute mich, das Kaptiose, Falsche seines ersten Experiments mir schon durch meine Tafeln anschaulich gemacht zu haben und mir das ganze Rätsel bequem auflösen zu können. Nachdem ich diese Vorposten glücklich überwältigt, drang ich tiefer in das Buch, wiederholte die Experimente, entwickelte und ordnete sie und fand sehr bald, daß der ganze Fehler darauf beruhe, daß ein kompliziertes Phänomen zum Grunde gelegt und das Einfachere aus dem Zusammengesetzten erklärt werden sollte. Manche Zeit und manche Sorgfalt jedoch bedurfte es, um die Irrgänge alle zu durchwandern, in welche Newton seine Nachfolger zu verwirren beliebt hat. Hierzu waren mir die Lectiones opticae höchst behülflich, indem diese einfacher, mit mehr Aufrichtigkeit und eigener Überzeugung des Verfassers geschrieben sind. Die Resultate dieser Bemühungen enthält mein Polemischer Teil.

Wenn ich nun auf diese Weise das Grundlose der Newtonischen Lehre, besonders nach genauer Einsicht in das Phänomen der Achromasie, vollkommen erkannte, so half mir zu einem neuen theoretischen Weg jenes erste Gewahrwerden, daß ein entschiedenes Auseinandertreten, Gegensetzen, Verteilen, Differenzieren, oder wie man es nennen wollte, bei den prismatischen Farbenerscheinungen statthabe, welches ich mir kurz und gut unter der Formel der Polarität zusammenfaßte, von der ich überzeugt war, daß sie auch bei den übrigen Farben-Phänomenen durchgeführt werden könne.

Was mir inzwischen als Privatmann nicht gelingen mochte: bei irgend jemand Teilnahme zu erregen, der sich zu meinen Untersuchungen gesellt, meine Überzeugungen aufgenommen und darnach fortgearbeitet hätte, – das wollte ich nun als Autor versuchen; ich wollte die Frage an das größere Publikum bringen. Ich stellte daher die notwendigsten Bilder zusammen, die man bei den subjektiven Versuchen zum Grunde legen mußte. Sie waren schwarz und weiß, damit sie als Apparat dienen, damit sie jedermann sogleich durchs Prisma beschauen könnte. Andere waren bunt, um zu zeigen, wie diese schwarzen und weißen Bilder durchs Prisma verändert würden. Die Nähe einer Kartenfabrik veranlaßte mich, das Format von Spielkarten zu wählen, und indem ich Versuche beschrieb und gleich die Gelegenheit, sie anzustellen, gab, glaubte ich das Erforderliche getan zu haben, um in irgendeinem Geiste das Aperçu hervorzurufen, das in dem meinigen so lebendig gewirkt hatte.

Allein ich kannte damals, ob ich gleich alt genug war, die Beschränktheit der wissenschaftlichen Gilden noch nicht, diesen Handwerkssinn, der wohl etwas erhalten und fortpflanzen, aber nichts fördern kann, und es waren drei Punkte, die für mich schädlich wirkten. Erstlich hatte ich mein kleines Heft: Beiträge zur Optik, betitelt. Hätte ich Chromatik gesagt, so wäre es unverfänglicher gewesen; denn da die Optik zum größten Teil mathematisch ist, so konnte und wollte niemand begreifen, wie einer, der keine Ansprüche an Meßkunst machte, in der Optik wirken könne. Zweitens hatte ich, zwar nur ganz leise, angedeutet, daß ich die Newtonische Theorie nicht zulänglich hielte, die vorgetragenen Phänomene zu erklären. Hierdurch regte ich die ganze Schule gegen mich auf, und nun verwunderte man sich erst höchlich, wie jemand, ohne höhere Einsicht in die Mathematik, wagen könne, Newton zu widersprechen. Denn daß eine Physik unabhängig von der Mathematik existiere, davon schien man keinen Begriff mehr zu haben. Die uralte Wahrheit, daß der Mathematiker, sobald er in das Feld der Erfahrung tritt, so gut wie jeder andere dem Irrtum unterworfen sei, wollte niemand in diesem Falle anerkennen. In gelehrten Zeitungen, Journalen, Wörterbüchern und Kompendien sah man stolzmitleidig auf mich herab, und keiner von der Gilde trug Bedenken, den Unsinn nochmals abdrucken zu lassen, den man nun fast hundert Jahre als Glaubensbekenntnis wiederholte. Mit mehr oder weniger dünkelhafter Selbstgefälligkeit betrugen sich Gren in Halle, die Gothaischen gelehrten Zeitungen, die Allgemeine Jenaische Literaturzeitung, Gehler und besonders Fischer, in ihren physikalischen Wörterbüchern. Die Göttingischen gelehrten Anzeigen, ihrer Aufschrift getreu, zeigten meine Bemühungen auf eine Weise an, um sie sogleich auf ewig vergessen zu machen.

Ich gab, ohne mich hierdurch weiter rühren zu lassen, das zweite Stück meiner Beiträge heraus, welches die subjektiven Versuche mit bunten Papieren enthält, die mir um so wichtiger waren, als dadurch für jeden, der nur einigermaßen in die Sache hätte sehen wollen, der erste Versuch der Newtonischen Optik vollkommen enthüllt und dem Baum die Axt an die Wurzel gelegt wurde. Ich fügte die Abbildung des großes Wasserprismas hinzu, die ich auch wieder unter die Tafeln des gegenwärtigen Werkes aufgenommen habe. Es geschah damals, weil ich zu den objektiven Versuchen übergehen und die Natur aus der dunklen Kammer und von den winzigen Prismen zu befreien dachte.

Da ich in dem Wahn stand, denen, die sich mit Naturwissenschaften abgeben, sei es um die Phänomene zu tun, so gesellte ich, wie zum ersten Stücke meiner Beiträge ein Paket Karten, so zum zweiten eine Foliotafel, auf welcher alle Fälle von hellen, dunkeln und farbigen Flächen und Bildern dergestalt angebracht waren, daß man sie nur vor sich hinstellen, durch ein Prisma betrachten durfte, um alles, wovon in dem Hefte die Rede war, sogleich gewahr zu werden. Allein diese Vorsorge war gerade der Sache hinderlich und der dritte Fehler, den ich beging. Denn diese Tafel, viel mehr noch als die Karten, war unbequem zu packen und zu versenden, so daß selbst einige aufmerksam gewordne Liebhaber sich beklagten, die Beiträge nebst dem Apparat durch den Buchhandel nicht erhalten zu können.

Ich selbst war zu andern Lebensweisen, Sorgen und Zerstreuungen hingerissen. Feldzüge, Reisen, Aufenthalt an fremden Orten nahmen mir den größten Teil mehrerer Jahre weg; dennoch hielten mich die einmal angefangenen Betrachtungen, das einmal übernommene Geschäft, denn zum Geschäft war diese Beschäftigung geworden, auch selbst in den bewegtesten und zerstreutesten Momenten fest; ja ich fand Gelegenheit, in der freien Welt Phänomene zu bemerken, die meine Einsicht vermehrten und meine Ansicht erweiterten.

Nachdem ich lange genug in der Breite der Phänomene herumgetastet und mancherlei Versuche gemacht hatte, sie zu schematisieren und zu ordnen, fand ich mich am meisten gefördert, als ich die Gesetzmäßigkeit der physiologischen Erscheinungen, die Bedeutsamkeit der durch trübe Mittel hervorgebrachten, und endlich die versatile Beständigkeit der chemischen Wirkungen und Gegenwirkungen erkennen lernte. Hiernach bestimmte sich die Einteilung, der ich, weil ich sie als die beste befunden, stets treu geblieben. Nun ließ sich ohne Methode die Menge von Erfahrungen weder sondern noch verbinden; es wurden daher theoretische Erklärungsarten rege, und ich machte meinen Weg durch manche hypothetische Irrtümer und Einseitigkeiten. Doch ließ ich den überall sich wieder zeigenden Gegensatz, die einmal ausgesprochne Polarität nicht fahren, und zwar um so weniger, als ich mich durch solche Grundsätze imstand fühlte, die Farbenlehre an manches Benachbarte anzuschließen und mit manchem Entfernten in Reihe zu stellen. Auf diese Weise ist der gegenwärtige Entwurf einer Farbenlehre entstanden.

Nichts war natürlicher, als daß ich aufsuchte, was uns über diese Materie in Schriften überliefert worden, und es von den ältesten Zeiten bis zu den unsrigen nach und nach auszog und sammelte. Durch eigene Aufmerksamkeit, durch guten Willen und Teilnahme mancher Freunde kamen mir auch die seltnern Bücher in die Hände; doch nirgends bin ich auf einmal soviel gefördert worden als in Göttingen durch den mit großer Liberalität und tätiger Beihülfe gestatteten Gebrauch der unschätzbaren Büchersammlung. So häufte sich allmählich eine große Masse von Abschriften und Exzerpten, aus denen die Materialien zur Geschichte der Farbenlehre redigiert worden und wovon noch manches zu weiterer Bearbeitung zurückliegt.

Und so war ich, ohne es beinahe selbst bemerkt zu haben, in ein fremdes Feld gelangt, indem ich von der Poesie zur bildenden Kunst, von dieser zur Naturforschung überging, und dasjenige, was nur Hülfsmittel sein sollte, mich nunmehr als Zweck anreizte. Aber als ich lange genug in diesen fremden Regionen verweilt hatte, fand ich den glücklichen Rückweg zur Kunst durch die physiologischen Farben und durch die sittliche und ästhetische Wirkung derselben überhaupt.

Ein Freund, Heinrich Meyer, dem ich schon früher in Rom manche Belehrung schuldig geworden, unterließ nicht, nach seiner Rückkehr, zu dem einmal vorgesetzten Zweck, den er selbst wohl ins Auge gefaßt hatte, mitzuwirken. Nach angestellten Erfahrungen, nach entwickelten Grundsätzen machte er manchen Versuch gefärbter Zeichnungen, um dasjenige mehr ins Licht zu setzen und wenigstens für uns selbst gewisser zu machen, was gegen das Ende meines Entwurfs über Farbengebung mitgeteilt wird. In den Propyläen versäumten wir nicht, auf manches hinzudeuten, und wer das dort Gesagte mit dem nunmehr umständlicher Ausgeführten vergleichen will, dem wird der innige Zusammenhang nicht entgehen.

Höchst bedeutend aber ward für das ganze Unternehmen die fortgesetzte Bemühung des gedachten Freundes, der sowohl bei wiederholter Reise nach Italien, als auch sonst bei anhaltender Betrachtung von Gemälden die Geschichte des Kolorits zum vorzüglichen Augenmerk behielt und dieselbige entwarf, wie wir sie in zwei Abteilungen unsern Lesern vorgelegt haben: die ältere, welche hypothetisch genannt wird, weil sie, ohne genugsame Beispiele, mehr aus der Natur des Menschen und der Kunst als aus der Erfahrung zu entwickeln war; die neuere, welche auf Dokumenten beruht, die noch von jedermann betrachtet und beurteilt werden können.

Indem ich mich nun auf diese Weise dem Ende meines auf richtigen Bekenntnisses nähere, so werde ich durch einen Vorwurf angehalten, den ich mir mache, daß ich unter jenen vortrefflichen Männern, die mich geistig gefördert, meinen unersetzlichen Schiller nicht genannt habe. Dort aber empfand ich eine Art von Scheu, dem besonderen Denkmal, welches ich unserer Freundschaft schuldig bin, durch ein voreiliges Gedenken Abbruch zu tun. Nun will ich aber doch, in Betrachtung menschlicher Zufälligkeiten, aufs kürzeste bekennen, wie er an meinem Bestreben lebhaften Anteil genommen, sich mit den Phänomenen bekannt zu machen gesucht, ja sogar mit einigen Vorrichtungen umgeben, um sich an denselben vergnüglich zu belehren. Durch die große Natürlichkeit seines Genies ergriff er nicht nur schnell die Hauptpunkte, worauf es ankam; sondern wenn ich manchmal auf meinem beschaulichen Wege zögerte, nötigte er mich durch seine reflektierende Kraft, vorwärtszueilen, und riß mich gleichsam an das Ziel, wohin ich strebte. Und so wünsche ich nur, daß mir das Besondere dieser Verhältnisse, die mich noch in der Erinnerung glücklich machen, bald auszusprechen vergönnt sein möge.

Aber alle diese Fortschritte wären durch die ungeheuren Ereignisse dieser letzten Jahre noch kurz vor dem Ziel aufgehalten und eine öffentliche Mitteilung unmöglich geworden, hätte nicht unsere verehrteste Herzogin, mitten unter dem Drang und Sturm gewaltsamer Umgebungen, auch mich in meinem Kreise nicht allein gesichert und beruhigt, sondern zugleich aufs höchste aufgemuntert, indem sie einer Experimentaldarstellung der sämtlichen, sich nach meiner Einsicht nunmehr glücklich aneinanderschließenden Naturerscheinungen beizuwohnen und eine aufmerksame Versammlung durch ihre Gegenwart zu konzentrieren und zu beleben geruhte. Hierdurch allein wurde ich in den Stand gesetzt, alles Äußere zu vergessen und mir dasjenige lebhaft zu vergegenwärtigen, was bald einem größern Publikum mitgeteilt werden sollte. Und so sei denn auch hier am Schlusse, wie schon am Anfange geschehen, die durch ihren Einfluß glücklich vollbrachte Arbeit dieser nicht genug zu verehrenden Fürstin dankbar gewidmet.

 
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Sämtliche Werke
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1DRAMEN.htm
101laune.htm
102mitschuldigen.htm
103goetz.htm
103goetz2.htm
104fastnachtsspiel.htm
105jahrmarktsfest.htm
106hanswurst.htm
129satyros.htm
107goetterhelden.htm
108clavigo.htm
109egmont.htm
110erwin.htm
126claudine.htm
111geschwister.htm
112stella.htm
113triumph.htm
114proserpina.htm
115iphigenie.htm
116torquato.htm
117faustfr.htm
118grosscophta.htm
119buergergeneral.htm
128aufgeregten.htm
127epimenides.htm
120fausti.htm
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121mahomet.htm
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