Alchimisten

Auf eben diesem Wege gingen die Alchimisten fort und mußten sich, weil darunter wenig originelle Geister, hingegen viele Nachahmer sich befanden, immer tiefer zur Geheimniskrämerei ihre Zuflucht nehmen, deren Dunkelheiten aus dem vorigen Jahrhundert herübergekommen waren. Daher die Monotonie aller dieser Schriften.

Betrachtet man die Alchimie überhaupt, so findet man an ihr dieselbe Entstehung, wie wir oben bei anderer Art Aberglauben bemerkt haben. Es ist der Mißbrauch des Echten und Wahren, ein Sprung von der Idee, vom Möglichen, zur Wirklichkeit, eine falsche Anwendung echter Gefühle, ein lügenhaftes Zusagen, wodurch unsern liebsten Hoffnungen und Wünschen geschmeichelt wird.

Hat man jene drei erhabenen, untereinander im innigsten Bezug stehenden Ideen, Gott, Tugend und Unsterblichkeit, die höchsten Forderungen der Vernunft genannt, so gibt es offenbar drei ihnen entsprechende Forderungen der höheren Sinnlichkeit, Gold, Gesundheit und langes Leben. Gold ist so unbedingt mächtig auf der Erde, wie wir uns Gott im Weltall denken. Gesundheit und Tauglichkeit fallen zusammen. Wir wünschen einen gesunden Geist in einem gesunden Körper. Und das lange Leben tritt an die Stelle der Unsterblichkeit. Wenn es nun edel ist, jene drei hohen Ideen in sich zu erregen und für die Ewigkeit zu kultivieren, so wäre es doch auch gar zu wünschenswert, sich ihrer irdischen Repräsentanten für die Zeit zu bemächtigen. Ja diese Wünsche müssen leidenschaftlich in der menschlichen Natur gleichsam wüten und können nur durch die höchste Bildung ins Gleichgewicht gebracht werden. Was wir auf solche Weise wünschen, halten wir gern für möglich; wir suchen es auf alle Weise, und derjenige, der es uns zu liefern verspricht, wird unbedingt begünstigt.

Daß sich hierbei die Einbildungskraft sogleich tätig erzeige, läßt sich erwarten. Jene drei obersten Erfordernisse zur höchsten irdischen Glückseligkeit scheinen so nahe verwandt, daß man ganz natürlich findet, sie auch durch ein einziges Mittel erreichen zu können. Es führt zu sehr angenehmen Betrachtungen, wenn man den poetischen Teil der Alchimie, wie wir ihn wohl nennen dürfen, mit freiem Geiste behandelt. Wir finden ein aus allgemeinen Begriffen entspringendes, auf einen gehörigen Naturgrund aufgebautes Märchen.

Etwas Materielles muß es sein, aber die erste allgemeine Materie, eine jungfräuliche Erde. Wie diese zu finden, wie sie zu bearbeiten, dieses ist die ewige Ausführung alchimischer Schriften, die mit einem unerträglichen Einerlei, wie ein anhaltendes Glockengeläute, mehr zum Wahnsinn als zur Andacht hindrängen.

Eine Materie soll es sein, ein Unorganisiertes, das durch eine der organischen ähnliche Behandlung veredelt wird. Hier ist ein Ei, ein Sperma, Mann und Weib, Vierzig Wochen, und so entspringt zugleich der Stein der Weisen, das Universalrezipe und der allzeit fertige Kassier.

Die Farbenerscheinungen, welche diese Operation begleiten, und die uns eigentlich hier am meisten interessieren müssen, geben zu keiner bedeutenden Bemerkung Anlaß. Das Weiße, das Schwarze, das Rote und das Bunte, das bei chemischen Versuchen vorkommt, scheint vorzüglich die Aufmerksamkeit gefesselt zu haben.

Sie legten jedoch in alle diese Beobachtungen keine Folge, und die Lehre der chemischen Farben erhielt durch sie keine Erweiterung, wie doch hätte geschehen können und sollen. Denn da ihre Operationen sämtlich auf Übergänge, Metaschematismen und Verwandlungen hindeuteten und man dabei eine jede, auch die geringste, Veränderung des bearbeiteten Körpers zu beachten Ursache hatte, so wäre zum Beispiel jene höchst bedeutende Wirkung der Farbennatur, die Steigerung, am ersten zu bemerken und, wenn auch nur irrig, als Hoffnungsgrund der geheimnisvollen Arbeit anzusehen gewesen. Wir erinnern uns jedoch nicht, etwas darauf Bezügliches gefunden zu haben.

Übrigens mag ein Musterstück, wie sie ihr Geschäft überhaupt, besonders aber die Farbenerscheinung behandelt, in der Übersetzung hier Platz finden.

Calid, ein fabelhafter König von Ägypten, unterhält sich mit einem palästinischen Einsiedler Morienus, um über das große Werk des wunderbaren Steins belehrt zu werden. Der König: Von der Natur und dem Wesen jenes großen Werkes hast du mir genug eröffnet, nun würdige mich auch, mir dessen Farbe zu offenbaren. Dabei möchte ich aber weder Allegorie noch Gleichnisse hören. Morienus: Es war die Art der Weisen, daß sie ihr Assos von dem Stein und mit dem Stein immer verfertigten. Dieses aber geschah, ehe sie damit etwas anders färbten. Assos ist ein arabischer Ausdruck und könnte lateinisch Alaun verdolmetscht werden. O guter König, dir sei genug, was ich hier vorbringe. Laß uns zu ältern Zeugnissen zurückkehren, und verlangst du ein Beispiel, so nimm die Worte Datin des Philosophen wohl auf, denn er sagt: Unser Lato, ob er gleich zuerst rot ist, so ist er doch unnütz; wird er aber nach der Röte ins Weiße verwandelt, so hat er großen Wert. Deswegen spricht Datin zum Euthices: O Euthices, dieses wird alles fest und wahrhaft bleiben; denn so haben die Weisen davon gesprochen: Die Schwärze haben wir weggenommen, und nun mit dem Salz Anatron, das ist Salpeter, und Almizadir, dessen Eigenschaft kalt und trocken ist, halten wir die Weiße fest. Deswegen geben wir ihm den Namen Borreza, welches arabisch Tinkar heißt. Das Wort aber Datin des Philosophen wird durch Hermes Wort bestätigt. Hermes aber sagt: Zuerst ist die Schwärze, nachher mit dem Salz Anatron folgt die Weiße. Zuerst war es rot und zuletzt weiß, und so wird alle Schwärze weggenommen und sodann in ein helles leuchtendes Rot verwandelt. Maria sagt gleichfalls: Wenn Laton mit Alzebric, das heißt mit Schwefel, verbrennt und das Weichliche drauf gegossen wird, so daß dessen Hitze aufgehoben werde, dann wird die Dunkelheit und Schwärze davon weggenommen und derselbe in das reinste Gold verwandelt. Nicht weniger sagt Datin der Philosoph: Wenn du aber Laton mit Schwefel verbrennst und das Weichliche wiederholt auf ihn gießest, so wird seine Natur aus dem Guten ins Bessere mit Hülfe Gottes gewendet. Auch ein anderer sagt: Wenn der reine Laton so lange gekocht wird, bis er wie Fischaugen glänzt, so ist seine Nützlichkeit zu erwarten. Dann sollst du wissen, daß er zu seiner Natur und zu seiner Farbe zurückkehrt. Ein anderer sagt gleichfalls: Je mehr etwas gewaschen wird, desto klarer und besser erscheint es. Wird er nicht abgewaschen, so wird er nicht rein erscheinen, noch zu seiner Farbe zurückkehren. Desgleichen sagt Maria: Nichts ist, was vom Lato die Dunkelheit noch die Farbe wegnehmen könne, aber Azoc ist gleichsam seine Decke, nämlich zuerst, wenn er gekocht wird: denn er färbt ihn und macht ihn weiß; dann aber beherrscht Lato den Azoc, macht ihn zu Wein, das ist rot.

Wie sehr der König Calid durch diese Unterhaltung sich erbaut und aufgeklärt gefunden habe, überlassen wir unsern Lesern selbst zu beurteilen.

Zwischenbetrachtung

Wir befinden uns nunmehr auf dem Punkte, wo die Scheidung der ältern und neuern Zeit immer bedeutender wird. Ein gewisser Bezug aufs Altertum geht noch immer ununterbrochen und mächtig fort; doch finden wir von nun an mehrere Menschen, die sich auf ihre eigenen Kräfte verlassen.

Man sagt von dem menschlichen Herzen, es sei ein trotzig und verzagtes Wesen. Von dem menschlichen Geiste darf man wohl Ähnliches prädizieren. Er ist ungeduldig und anmaßlich und zugleich unsicher und zaghaft. Er strebt nach Erfahrung und in ihr nach einer erweiterten reinern Tätigkeit, und dann bebt er wieder davor zurück, und zwar nicht mit Unrecht. Wie er vorschreitet, fühlt er immer mehr, wie er bedingt sei, daß er verlieren müsse, indem er gewinnt: denn ans Wahre wie ans Falsche sind notwendige Bedingungen des Daseins gebunden.

Daher wehrt man sich im Wissenschaftlichen so lange als nur möglich für das Hergebrachte, und es entstehen heftige langwierige Streitigkeiten, theoretische sowohl als praktische Retardationen. Hievon geben uns das fünfzehnte und sechzehnte Jahrhundert die lebhaftesten Beispiele. Die Welt ist kaum durch Entdeckung neuer Länder unmäßig in die Länge aus gedehnt, so muß sie sich schon in sich selbst als rund abschließen. Kaum deutet die Magnetnadel nach entschiednen Weltgegenden, so beobachtet man, daß sie sich ebenso entschieden zur Erde nieder neigt.

Im Sittlichen gehen ähnliche große Wirkungen und Gegenwirkungen vor. Das Schießpulver ist kaum erfunden, so verliert sich die persönliche Tapferkeit aus der Welt oder nimmt wenigstens eine andre Richtung. Das tüchtige Vertrauen auf seine Faust und Gott löst sich auf in die blindeste Ergebenheit unter ein unausweichlich bestimmendes, unwiderruflich gebietendes Schicksal. Kaum wird durch Buchdruckerei Kultur allgemeiner verbreitet, so macht sich schon die Zensur nötig, um dasjenige einzuengen, was bisher in einem natürlich beschränkten Kreise frei gewesen war.

Doch unter allen Entdeckungen und Überzeugungen möchte nichts eine größere Wirkung auf den menschlichen Geist hervorgebracht haben, als die Lehre des Kopernikus. Kaum war die Welt als rund anerkannt und in sich selbst abgeschlossen, so sollte sie auf das ungeheure Vorrecht Verzicht tun, der Mittelpunkt des Weltalls zu sein. Vielleicht ist noch nie eine größere Forderung an die Menschheit geschehen: denn was ging nicht alles durch diese Anerkennung in Dunst und Rauch auf: ein zweites Paradies, eine Welt der Unschuld, Dichtkunst und Frömmigkeit, das Zeugnis der Sinne, die Überzeugung eines poetisch- religiösen Glaubens; kein Wunder, daß man dies alles nicht wollte fahren lassen, daß man sich auf alle Weise einer solchen Lehre entgegensetzte, die denjenigen, der sie annahm, zu einer bisher unbekannten, ja ungeahneten Denkfreiheit und Großheit der Gesinnungen berechtigte und aufforderte.

Wir fügen noch zwei Bemerkungen hinzu, die uns in der Geschichte der Wissenschaften überhaupt und der Farbenlehre besonders, leitend und nützlich sein können.

In jedem Jahrhundert, ja in jedem Jahrzehend werden tüchtige Entdeckungen gemacht, geschehen unerwartete Begebenheiten, treten vorzügliche Menschen auf, welche neue Ansichten verbreiten. Weil aber solche Ereignisse sich gewöhnlich nur auf partielle Gegenstände beziehen, so wird die ganze Masse der Menschen und ihre Aufmerksamkeit dahin geleitet. Dergleichen mehr oder weniger ausschließliche Beschäftigungen ziehen ein solches Zeitalter von allem übrigen ab, so daß man weder an das Wichtige denkt, was schon da gewesen, noch an das, was noch zu tun sei, bis denn endlich das begünstigte Partikulare genugsam durchgearbeitet in den allgemeinen Kreis des Bekannten mit eintritt und nunmehr still fortwirkt, ohne ein besonderes lebhaftes Interesse weiter zu erregen.

Alles ist in der Natur aufs innigste verknüpft und verbunden, und selbst was in der Natur getrennt ist, mag der Mensch gern zusammenbringen und zusammenhalten. Daher kommt es, daß gewisse einzelne Naturerscheinungen schwer vom übrigen abzulösen sind und nicht leicht durch Vorsatz didaktisch abgelöst werden.

Mit der Farbenlehre war dieses besonders der Fall. Die Farbe ist eine Zugabe zu allen Erscheinungen, und obgleich immer eine wesentliche, doch oft scheinbar eine zufällige. Deshalb konnte es kaum jemand beigehen, sie an und für sich zu betrachten und besonders zu behandeln. Auch geschieht dieses von uns beinahe zum erstenmal, indem alle früheren Bearbeitungen nur gelegentlich geschahen und von der Seite des Brauchbaren oder Widerwärtigen, des einzelnen oder eminenten Vorkommens, oder sonst eingeleitet worden.

Diese beiden Umstände werden wir also nicht aus dem Auge verlieren und bei den verschiednen Epochen anzeigen, womit die Naturforscher besonders beschäftigt gewesen, wie auch bei welchem eigenen Anlaß die Farbe wieder zur Sprache kommt.

Bernhardinus Telesius

geboren 1508, gestorben 1588

Durch die Buchdruckerei wurden mehrere Schriften der Alten verbreitet. Aristoteles und Plato fesselten nicht allein die Aufmerksamkeit; auch andere Meinungen und theoretische Gesinnungen wurden bekannt, und ein guter Kopf konnte sich die eine oder die andre zur Nachfolge wählen, je nachdem sie ihm seiner Denkweise gemäß schien. Dennoch hatte Autorität im allgemeinen so großes Gewicht, daß man kaum etwas zu behaupten unternahm, was nicht früher von einem Alten schon geäußert worden; wobei man jedoch zu bemerken nicht unterlassen kann, daß sie den abgeschlossenen Kreis menschlicher Vorstellungsarten völlig, wenngleich oft nur flüchtig und genialisch, durchlaufen hatten, so daß der Neuere, indem er sie näher kennen lernt, seine geglaubte Originalität oft beschämt sieht.

Daß die Elemente, wonach Aristoteles und die Seinigen die Anfänge der Dinge darstellen und einteilen wollen, empirischen, und wenn man will, poetischen Ursprungs seien, war einem frei aufblickenden Geiste nicht schwer zu entdecken. Telesius fühlte, daß man, um zu Anfängen zu gelangen, ins Einfachere gehen müsse. Er setzt daher die Materie voraus und stellt sie unter den Einfluß von zwei empfindbaren aber ungreiflichen Prinzipien, der Wärme und der Kälte. Was er hiebei frühern Überlieferungen schuldig, lassen wir unausgemacht.

Genug, er faßte jene geheimnisvolle Systole und Diastole, aus der sich alle Erscheinungen entwickeln, gleichfalls unter einer empirischen Form auf, die aber doch, weil sie sehr allgemein ist und die Begriffe von Ausdehnung und Zusammenziehung, von Solideszenz und Liqueszenz hinter sich hat, sehr fruchtbar ist und eine höchst mannigfaltige Anwendung leidet.

Wie Bernhardinus dieses geleistet und wie er denn doch zuletzt empfunden, daß sich nicht alle Erscheinungen unter seiner Formel aussprechen lassen, ob sie gleich überall hindeutet, davon belehrt uns die Geschichte der Philosophie eines weitern. Was aber für uns höchst merkwürdig ist, er hat ein Büchelchen De colorum generatione geschrieben, das 1570 zu Neapel in Quart herauskam. Wir haben es leider nie zu sehen Gelegenheit gehabt und wissen nur so viel, daß er die Farben gleichfalls sämtlich aus den Prinzipien der Wärme und Kälte ableitet. Da auch unsre Ableitung derselben auf einem Gegensatz beruht, so würde es interessant sein zu sehen, wie er sich benommen und inwiefern sich schon eine Annäherung an das, was wir für wahr halten, bei ihm zeige. Wir wünschen dieses um so mehr zu erfahren, als im achtzehnten Jahrhundert Westfeld mit dem Gedanken hervortritt, daß die Farbe, wenn sie auch nicht der Wärme zuzuschreiben sei, doch wenigstens mit derselben und ihren Modifikationen in genauer Verwandtschaft stehe.

Hieronymus Cardanus

geboren 1501, gestorben 1576

Cardan gehört unter diejenigen Menschen, mit denen die Nachwelt nie fertig wird, über die sie sich nicht leicht im Urteil vereinigt. Bei großen angebornen Vorzügen konnte er sich doch nicht zu einer gleichmäßigen Bildung erheben; es blieb immer etwas Wildes und Verworrenes in seinen Studien, seinem Charakter und ganzen Wesen zurück. Man mag übrigens an ihm noch so vieles Tadelnswerte finden, so muß er doch des großen Lobes teilhaft werden, daß es ihm sowohl um die äußern Dinge, als um sich selbst Ernst und zwar recht bitterer Ernst gewesen, weshalb denn auch seine Behandlung sowohl der Gegenstände als des Lebens bis an sein Ende leidenschaftlich und heftig war. Er kannte sein eigenes Naturell bis auf einen gewissen Grad, doch konnte er bis ins höchste Alter nicht darüber Herr werden. Gar oft haben wir bei ihm, seiner Umgebung und seinem Bestreben, an Cellini denken müssen, um so mehr, als beide gleichzeitig gelebt. Auch die Biographien oder Konfessionen beider, wie man sie wohl nennen kann, treffen darin zusammen, daß die Verfasser, obschon mit Mißbilligung, doch auch zugleich mit einigem Behagen von ihren Fehlern sprechen und in ihre Reue sich immer eine Art von Selbstgefälligkeit über das Vollbrachte mit einmischt. Erinnern wir uns hiebei noch eines jüngern Zeitgenossen, des Michael Montaigne, der mit einer unschätzbar heitern Wendung seine persönlichen Eigenheiten sowie die Wunderlichkeiten der Menschen überhaupt zum besten gibt, so findet man die Bemerkung vielleicht nicht unbedeutend, daß dasjenige, was bisher nur im Beichtstuhl als Geheimnis dem Priester ängstlich vertraut wurde, nun mit einer Art von kühnem Zutrauen der ganzen Welt vorgelegt ward. Eine Vergleichung der sogenannten Konfessionen aller Zeiten würde in diesem Sinne gewiß schöne Resultate geben. So scheinen uns die Bekenntnisse, deren wir erwähnten, gewissermaßen auf den Protestantismus hinzudeuten.

Wie Cardan die Farben behandelt, ist nicht ohne Originalität. Man sieht, er beobachtet sie und die Bedingungen, unter welchen sie entspringen. Doch tat er es nur im Vorübergehen, ohne sich ein eigenes Geschäft daraus zu machen, deshalb er auch allzuwenig leistet und Scaligern Gelegenheit gibt, sich über Flüchtigkeit und Übereilung zu beklagen.

Erst führt er die Namen der vornehmsten und gewöhnlichsten Farben auf und erklärt ihre Bedeutung; dann wendet er sich gegen das Theoretische, wobei man zwar eine gute Intention sieht, ohne daß jedoch die Behandlung zulänglich wäre und dem Gegenstand genug täte. Bei Erörterung der Frage; auf wie mancherlei Weise die Farben entspringen, gelangt er zu keiner glücklichen Einteilung. So hilft er sich auch an einigen bedeutenden Punkten, die er gewahr wird, mehr vorbei als drüber hinaus, und weil seine ersten Bestimmungen nicht umfassend sind, so wird er genötigt, Ausnahmen zu machen, ja das Gesagte wieder zurückzunehmen.

Es wäre leicht, die wenigen Spalten zu übersetzen, die Cardan dieser Materie widmet, aber schwer, ihre Mängel kürzlich anzudeuten, und zu weitläuftig, das Fehlende zu supplieren. Eigentlich Falsches findet sich nichts darin; inwiefern er das Rechte geahndet, werden diejenigen, welche unsern Entwurf der Farbenlehre wohl inne haben, künftig, wenn es sie interessiert, ohne große Mühe entwickeln.

Schließlich haben wir zu bemerken, daß bei Cardan eine naivere Art, die Wissenschaften zu behandeln, hervortritt. Er betrachtet sie überall in Verbindung mit sich selbst, seiner Persönlichkeit, seinem Lebensgange, und so spricht aus seinen Werken eine Natürlichkeit und Lebendigkeit, die uns anzieht, anregt, erfrischt und in Tätigkeit setzt. Es ist nicht der Doktor im langen Kleide, der uns vom Katheder herab belehrt; es ist der Mensch, der umherwandelt, aufmerkt, erstaunt, von Freude und Schmerz ergriffen wird und uns davon eine leidenschaftliche Mitteilung aufdringt. Nennt man ihn vorzüglich unter den Erneuerern der Wissenschaften, so hat ihm dieser sein angedeuteter Charakter so sehr als seine Bemühungen zu dieser Ehrenstelle verholfen.

Johann Baptist Porta

Wenn gleich Porta für unser Fach wenig geleistet, so können wir ihn doch, wenn wir im Zusammenhange der Naturwissenschaften einigermaßen bleiben wollen, nicht übergehen. Wir haben vielmehr Ursache, uns länger bei ihm aufzuhalten, weil er uns Gelegenheit gibt, einiges, was wir schon berührt, umständlicher auszuführen.

Er ist hauptsächlich bekannt durch sein Buch von der natürlichen Magie. Der Ursprung dieser Art von halbgeheimer Wissenschaft liegt in den ältesten Zeiten. Ein solches Wissen, eine solche Kunst war dem Aberglauben, von dem wir schon früher gehandelt, unentbehrlich. Es gibt so manches Wünschenswerte, möglich Scheinende; durch eine kleine Verwechselung machen wir es zu einem erreichbaren Wirklichen. Denn obgleich die Tätigkeiten, in denen das Leben der Welt sich äußert, begrenzt und alle Spezifikationen hartnäckig und zäh sind, so läßt sich doch die Grenze keiner Tätigkeit genau bestimmen, und die Spezifikationen finden wir auch biegsam und wandelbar.

Die natürliche Magie hofft mit demjenigen, was wir für tätig erkennen, weiter als billig ist zu wirken, und mit dem, was spezifiziert vor uns liegt, mehr als tunlich ist zu schalten. Und warum sollten wir nicht hoffen, daß ein solches Unternehmen gelingen könne? Metaschematismen und Metamorphosen gehen vor unsern Augen vor, ohne daß sie von uns begriffen werden; mehrere und andere lassen sich vermuten und erwarten, wie ihrer denn auch täglich neue entdeckt und bemerkt werden. Es gibt so viele Bezüge der spezifizierten Wesen untereinander, die wahrhaft und doch wunderbar genug sind, wie zum Beispiel der Metalle beim Galvanism. Tun wir einen Blick auf die Bezüge der spezifizierten organischen Wesen, so sind diese von unendlicher Mannigfaltigkeit und oft erstaunenswürdig seltsam. Man erinnere sich, im gröberen Sinne, an Ausdünstungen, Geruch; im zarteren, an Bezüge der körperlichen Form, des Blickes, der Stimme. Man gedenke der Gewalt des Wollens, der Intentionen, der Wünsche, des Gebetes. Was für unendliche und unerforschliche Sympathien, Antipathien, Idiosynkrasien überkreuzen sich nicht! Wie manches wird jahrelang als ein wundersamer einzelner Fall bemerkt, was zuletzt als ein allgemeiner durchgehendes Naturgesetz erscheint. Schon lange war es den Besitzern alter Schlösser verdrießlich, daß die bleiernen und kupfernen Dachrinnen, da wo sie auf den eisernen Haken auflagen, vom Rost früher aufgezehrt wurden als an allen andern Stellen; jetzt wissen wir die Ursache und wie auf eine ganz natürliche Weise zu helfen ist. Hätte früher jemand bemerkt, daß ein zwischengeschobenes Stöckchen Holz die ganze Wirkung aufhebe, so hätte er vielleicht diesem besondern Holze die Wirkung zugeschrieben und als ein Haus mittel bekannt gemacht.

Wenn uns nun die fortschreitende Naturbetrachtung und Naturkenntnis, indem sie uns etwas Verborgenes entdecken, auf etwas noch Verborgeneres aufmerksam machen; wenn erhöhte Kunst, verfeinerte Künstlichkeit das Unmögliche in etwas Gemeines verwandeln; wenn der Taschenspieler täglich mehr alles Glaubwürdige und Begreifliche vor unsern Augen zuschanden macht, werden wir dadurch nicht immerfort schwebend erhalten, so daß uns Erwartung, Hoffnung, Glaube und Wahn immer natürlicher, bequemer und behaglicher bleiben müssen als Zweifelsucht, Unglaube und starres hochmütiges Ableugnen.

Die Anlässe zur Magie überhaupt finden wir bei allen Völkern und in allen Zeiten. Je beschränkter der Erkenntniskreis, je dringender das Bedürfnis, je höher das Ahndungsvermögen, je froher das poetische Talent, desto mehr Elemente entspringen dem Menschen, jene wunderbare, unzusammenhängende, nur durch ein geistiges Band zu verknüpfende Kunst wünschenswert zu machen.

Betrachten wir die natürliche Magie, insofern sie sich absondern läßt; so finden wir, daß schon die Alten viele solche einzelne Bemerkungen und Rezepte aufbewahrt hatten. Die mittlere Zeit nahm sie auf und erweiterte den Vorrat nach allen Seiten. Albert der Große, besonders seine Schule, sodann die Alchimisten wirkten immer weiter fort. Roger Baco, zu seinen Ehren sei es gesagt, ist bei allem Wunderbaren, womit er sich beschäftigt, bei allem Seltsamen, das er verspricht, fast gänzlich frei von Aberglauben; denn sein Vorahnden zukünftiger Möglichkeiten ruht auf einem sichern Fundament, so wie sein köstliches Büchelchen De mirabili potestate artis et naturae gegen das Wüste, Absurde des Wahnes ganz eigentlich gerichtet ist, nicht mit jener negierenden erkältenden Manier der Neuern, sondern mit einem Glauben erregenden heiteren Hinweisen auf echte Kunst und Naturkraft.

So hatte sich manches bis zu Portas Zeiten fortgepflanzt, doch lagen die Kenntnisse zerstreut. Sie waren mehr im Gedächtnisse bewahrt als geschrieben, und selbst dauerte es eine Zeitlang, bis die Buchdruckerkunst durch alle Fächer des Wissens durchwirkte und das Wissenswerte durchaus zur Sprache förderte.

Porta gibt sein Buch De magia naturali im Jahr 1560 heraus, eben als er das fünfzehnte seines Alters erreicht hatte. Dieses Büchelchen mit beständiger Rücksicht auf jene Zeit und auf einen so jugendlichen Verfasser zu lesen, ist höchst interessant. Man sieht dessen Bildung in der Platonischen Schule, heitere mannigfaltige Kenntnisse, doch die entschiedene Neigung zum Wahn, zum Seltsamen und Unerreichbaren.

Er wendet nun sein übriges Leben an, diese Bemühungen fortzusetzen. Er versäumt nicht zu studieren, Versuche anzustellen, Reisen zu machen; einer gelehrten Gesellschaft, die er in Neapel in seinem Hause errichtet, verdankt er Beihülfe und Mitwirkung. Besonders hat er sich auch der Gunst des Kardinals von Este zu rühmen.

Nach fünfunddreißig Jahren gibt er das Buch zum zweitenmale heraus, da uns denn die Vergleichung beider Ausgaben einen schönen Blick verschafft, wie in dieser Zeit das Jahrhundert und er selbst zugenommen.

Zwar von den abenteuerlichen Forderungen, Vorschlägen und Rezepten ist noch immer mehr oder weniger die Rede; doch sieht man hie und da, wo das gar zu Abgeschmackte überliefert wird, den klugen Mann, der sich eine Hintertüre offen läßt.

Was die Farben betrifft, so werden sie nur beiläufig angeführt, wenn verschieden gefärbte Blumen hervorgebracht, falsche Edelsteine verfertigt und die Tugenden natürlicher Edelsteine gerühmt werden sollen.

Übrigens bemerkt man wohl, daß in diesen fünfunddreißig Jahren die chemischen Kenntnisse sehr gewachsen, und was die physischen betrifft, besonders die Eigenschaften des Magnets viel genauer bekannt geworden sind.

Ungern verlassen wir einen Mann, von dem noch vieles zu sagen wäre: denn eine genauere Beachtung dessen, womit er sich beschäftigt, würde der Geschichte der Wissenschaften höchst förderlich sein. Will man ihn auch nicht für einen solchen Geist erkennen, der fähig gewesen wäre, die Wissenschaften in irgendeinem Sinne zur Einheit heranzurufen, so muß man ihn doch als einen lebhaften geistreichen Sammler gelten lassen. Mit unermüdlicher unruhiger Tätigkeit durchforscht er das Feld der Erfahrung; seine Aufmerksamkeit reicht überall hin, seine Sammlerlust kommt nirgends unbefriedigt zurück. Nähme man seine sämtlichen Schriften zusammen, das physiognomische Werk und die Verheimlichungskunst, und was sonst noch von ihm übrig ist, so würden wir in ihm das ganze Jahrhundert abgespiegelt erblicken.

Baco von Verulam

Von den Schriften eines bedeutenden Mannes geben wir gewöhnlich nur insofern Rechenschaft, als sie auf uns gewirkt, unsre Ausbildung entweder gefördert, oder auch sich derselben entgegengesetzt haben. Nach solchen an uns selbst gemachten Erfahrungen beurteilen wir unsre Vorgänger, und aus diesem Gesichtspunkte möchte auch wohl dasjenige zu betrachten sein, was wir, indem das sechzehnte Jahrhundert sich schließt und das siebzehnte anfängt, über einen bewundernswürdigen Geist mitzuteilen uns erkühnen.

Was Baco von Verulam uns hinterlassen, kann man in zwei Teile sondern. Der erste ist der historische, meistens mißbilligende, die bisherigen Mängel aufdeckende, die Lücken anzeigende, das Verfahren der Vorgänger scheltende Teil. Den zweiten würden wir den belehrenden nennen, den didaktisch dogmatischen, zu neuen Tagewerken aufrufenden, aufregenden, verheißenden Teil.

Beide Teile haben für uns etwas Erfreuliches und etwas Unerfreuliches, das wir folgendermaßen näher bezeichnen. Im historischen ist erfreulich die Einsicht in das, was schon da gewesen und vorgekommen, besonders aber die große Klarheit, womit die wissenschaftlichen Stockungen und Retardationen vorgeführt sind; erfreulich das Erkennen jener Vorurteile, welche die Menschen im einzelnen und im ganzen abhalten, vorwärts zu schreiten. Höchst unerfreulich dagegen die Unempfindlichkeit gegen Verdienste der Vorgänger, gegen die Würde des Altertums. Denn wie kann man mit Gelassenheit anhören, wenn er die Werke des Aristoteles und Plato leichten Tafeln vergleicht, die eben, weil sie aus keiner tüchtigen gehaltvollen Masse bestünden, auf der Zeitflut gar wohl zu uns herüber geschwemmt werden können. Im zweiten Teil sind unerfreulich seine Forderungen, die alle nur nach der Breite gehen, seine Methode, die nicht konstruktiv ist, sich nicht in sich selbst abschließt, nicht einmal auf ein Ziel hinweist, sondern zum Vereinzeln Anlaß gibt. Höchst erfreulich hingegen ist sein Aufregen, Aufmuntern und Verheißen.

Aus dem Erfreulichen ist sein Ruf entstanden: denn wer läßt sich nicht gern die Mängel vergangener Zeiten vorerzählen? Wer vertraut nicht auf sich selbst, wer hofft nicht auf die Nachwelt? Das Unerfreuliche dagegen wird zwar von Einsichtsvolleren bemerkt, aber wie billig geschont und verziehen.

Aus dieser Betrachtung getrauen wir uns das Rätsel aufzulösen, daß Baco so viel von sich reden machen konnte, ohne zu wirken, ja daß seine Wirkung mehr schädlich als nützlich gewesen. Denn da seine Methode, insofern man ihm eine zuschreiben kann, höchst peinlich ist, so entstand weder um ihn noch um seinen Nachlaß eine Schule. Es mußten und konnten also wieder vorzügliche Menschen auftreten, die ihr Zeitalter zu konsequenteren Naturansichten emporhoben und alle Wissens- und Fassenslustigen um sich versammelten.

Da er übrigens die Menschen an die Erfahrung hinwies, so gerieten die sich selbst überlassenen ins Weite, in eine grenzenlose Empirie; sie empfanden dabei eine solche Methodenscheu, daß sie Unordnung und Wust als das wahre Element ansahen, in welchem das Wissen einzig gedeihen könne. Es sei uns erlaubt, nach unserer Art das Gesagte in einem Gleichnis zu wiederholen.

Baco gleicht einem Manne, der die Unregelmäßigkeit, Unzulänglichkeit, Baufälligkeit eines alten Gebäudes recht wohl einsieht und solche den Bewohnern deutlich zu machen weiß. Er rät ihnen, es zu verlassen, Grund und Boden, Materialien und alles Zubehör zu verschmähen, einen andern Bauplatz zu suchen und ein neues Gebäude zu errichten. Er ist ein trefflicher Redner und Überreder; er rüttelt an einigen Mauern, sie fallen ein, und die Bewohner sind genötigt, teilweise auszuziehen. Er deutet auf neue Plätze; man fängt an zu ebnen, und doch ist es überall zu enge. Er legt neue Risse vor, sie sind nicht deutlich, nicht einladend. Hauptsächlich aber spricht er von neuen unbekannten Materialien, und nun ist der Welt gedient. Die Menge zerstreut sich nach allen Himmelsgegenden und bringt unendlich einzelnes zurück, indessen zu Hause neue Plane, neue Tätigkeiten, Ansiedelungen die Bürger beschäftigen und die Aufmerksamkeit verschlingen.

Mit allem diesem und durch alles dieses bleiben die Baconischen Schriften ein großer Schatz für die Nachwelt, besonders wenn der Mann nicht mehr unmittelbar, sondern historisch auf uns wirken wird, welches nun bald möglich sein sollte, da sich zwischen ihn und uns schon einige Jahrhunderte gestellt haben.

Daß diese gegen Überlieferung und Autorität anstürmenden Gesinnungen Bacons schon zu seiner Zeit Widerstand gefunden haben, läßt sich denken. Auch ist eine im Namen des Altertums und der bisherigen Kultur eingelegte Protestation eines trefflichen gelehrten Mannes übriggeblieben, die wir sowohl wegen ihrer Mäßigung als wegen ihrer Derbheit teilweise übersetzen und einschalten.

Der Ritter Bodley, der einen Teil seines Lebens an diplomatische Geschäfte gewendet hatte, sich sodann zurückzog, und indem er sich den Wissenschaften widmete, eine große Bibliothek zusammenbrachte, die noch jetzt zu Oxford aufbewahrt wird, war ein Freund Bacons und erhielt von diesem den Aufsatz Cogitata et visa, der einem Gelehrten und Altertumsforscher keineswegs erfreulich sein konnte. Ein Brief Bodleys, bei dieser Gelegenheit geschrieben, ist uns übrig, aus welchem folgende Stellen hier Platz finden mögen.

»Soll ich aufrichtig sein, so muß ich offen bezeugen, daß ich unter diejenigen gehöre, welche unsre Künste und Wissenschaften für fester gegründet halten, als du gern zugeben möchtest.«

»Wenn wir uns deinem Rate folgsam bezeigen und die allgemeinen Begriffe, die dem Menschen eingeboren sind, ablegen, alles was wir geleistet auslöschen, und im Handeln und Denken Kinder werden, damit wir ins Reich der Natur eingehen dürfen, wie wir unter gleichen Bedingungen, nach biblischer Vorschrift, ins Himmelreich gelangen sollen, so ist nach meiner Überzeugung nichts gewisser, als daß wir uns jählings in eine Barbarei verlieren, aus der wir nach vielen Jahrhunderten, um nichts an theoretischen Hülfsmitteln reicher als jetzt, hervortauchen werden. Ja wohl würden wir eine zweite Kindheit antreten, wenn wir zur tabula rasa geworden, und nach ausgetilgter Spur früherer Grundsätze, die Anfänge einer neuen Welt wieder hervorzulocken unternähmen. Und wenn wir aus dem, was geschieht, aus dem, was uns die Sinne bringen, erst wieder so viel zusammenklauben sollten, als im Verstande zu einem allgemeinen Begriff hinreichend wäre, nach jenem Waidspruch; im Verstande sei nichts was nicht vorher in den Sinnen gewesen, so ist mir wenigstens wahrscheinlich, daß wenn man, nach Umwälzung eines Platonischen Jahres, die Wissenschaft untersuchen wollte, sie weit geringer erfunden werden möchte, als sie gegenwärtig besteht.«

»Wenn du uns eine herrlichere Lehre versprichst, als sie jetzt unter uns blühet, die wir von Erfahrungen hernehmen sollen, indem wir die Verborgenheiten der Natur erforschen und eröffnen, um im einzelnen recht gewiß zu werden, so will das weiter nichts heißen, als daß du die Menschen dazu anreizest, wozu sie ihr innerer Trieb auch ohne äußre Anmahnung hinführt. Denn es ist natürlich, daß unzählige Menschen in allen Teilen der Welt sich befinden, welche den Weg, auf den du deutest, betreten, und zwar mit lebhaftem und dringendem Fleiß. Denn allen ist das Verlangen zu wissen eingeboren, so daß man ihren Eifer gar nicht anzufachen noch zu reizen braucht, ebenso wenig als man nötig hat, der Wassersucht nachzuhelfen, welche den Körper ohnehin übermäßig aufschwellt.«

»Ich glaube nicht, daß sich derjenige betrügt, welcher überzeugt ist, daß alle Wissenschaften, wie sie jetzt öffentlich gelehrt werden, jederzeit vorhanden gewesen, nicht aber an allen Orten in gleichem Maß, noch an einem Ort in gleicher Zahl, sondern nach dem Geiste der Zeit, auf mancherlei Weise verändert, bald belebt und blühend, bald unaufgeregt und auf eine finstre und rohe Weise mitgeteilt.«

»Haben also durch alle Jahrhunderte in allen Künsten und Wissenschaften die Menschen sich fleißig bearbeitet und geübt, sind sie zu Erkenntnissen gelangt, ebenso wie zu unsrer Zeit, obgleich auf eine veränderliche und schwankende Weise, wie es Zeit, Ort und Gelegenheit erlauben mochten, wie könnten wir nun dir Beifall geben und unsre Wissenschaft verwerfen als zweifelhaft und ungewiß? Sollten wir unsre Axiome, Maximen und allgemeine Behauptungen abtun, die wir von unsern Vorfahren erhalten und welche durch die scharfsinnigsten Menschen aller Zeiten sind gebilligt worden, und nun erst erwarten, daß eine Art und Weise ersonnen werde, welche uns, die wir indes wieder zu Abcschützen geworden, durch die Umwegskrümmungen der besondern Erfahrungen zur Erkenntnis gründlich aufgestellter allgemeiner Sätze hinführen, damit sodann wieder neue Grundfesten der Künste und Wissenschaften gelegt würden: was dürfte von allem diesem das Ende sein, als daß wir entblößt von den Kenntnissen, die wir besitzen, ermüdet durch die im Zirkel wiederkehrenden Arbeiten, dahin gelangen, wo wir ausgegangen sind, glücklich genug, wenn wir nur in den vorigen Zustand wieder zurückversetzt werden. Mich deucht, so viele Bemühungen voriger Jahrhunderte könnten uns gleich jetzt eines Bessern überzeugen und uns wohl getrost machen, als am Ziel stehend, endlich zu verharren.«

»Doch man glaube nicht, daß ich stolz das verwerfe, was durch neue Erfindungen den Wissenschaften für eine Vermehrung zuwächst: denn jenes Bemühen ist edel und mit großem Lob zu erkennen; auch bringt es jedesmal Frucht und Nutzen in der Gegenwart. Niemals hat der Welt ein großer Haufe solcher Menschen gefehlt, welche sich bemühen Neues aufzufinden und auszudenken; aber unsere Begriffe und Grundsätze sind immer sowohl von solchen, als von den höchsten Gelehrten dankbar aufgenommen worden.«

Nicht leicht können sich Meinungen so schnurstracks entgegen stehen, als hier die Baconische und Bodleyische, und wir möchten uns zu keiner von beiden ausschließlich bekennen. Führt uns jene in eine unabsehbare Weite, so will uns diese zu sehr beschränken. Denn wie von der einen Seite die Erfahrung grenzenlos ist, weil immer noch ein Neues entdeckt werden kann, so sind es die Maximen auch, indem sie nicht erstarren, die Fähigkeit nicht verlieren müssen, sich selbst auszudehnen, um mehreres zu umfassen, ja sich in einer höhern Ansicht aufzuzehren und zu verlieren.

Denn wahrscheinlich versteht hier Bodley nicht etwa die subjektiven Axiome, welche durch eine fortschreitende Zeit weniger Veränderung erleiden, als solche, welche aus der Betrachtung der Natur entspringen und sich auf die Natur beziehen. Und da ist es denn nicht zu leugnen, daß dergleichen Grundsätze der ältern Schulen, besonders in Verbindung mit religiösen Überzeugungen, dem Fortschritt wahrer Naturansichten sehr unbequem im Wege standen. Auch ist es interessant zu bemerken, was eigentlich einem Manne wie Baco, der selbst wohl unterrichtet, gelehrt und nach älterem Herkommen kultiviert war, besonders hinderlich geschienen, daß er sich gedrungen gefühlt, auf eine so zerstörende Weise zu verfahren, und wie man im Sprüchworte sagt, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Revolutionäre Gesinnungen werden bei einzelnen Menschen mehr durch einzelne Anlässe als durch allgemeine Zustände erzeugt, und so sind uns in Bacons Schriften einige solcher Axiome begegnet, die er mit besonderm Verdrusse immer wieder aufsucht und verfolgt; zum Beispiel die Lehre von den Endursachen, die ihm höchlich zuwider ist.

In der Denkweise Bacons findet sich übrigens manches, was auf den Weltmann hindeutet. Eben diese Forderung einer grenzenlosen Erfahrung, das Verkennen, ja Verneinen gegenwärtiger Verdienste, das Dringen auf Werktätigkeit hat er mit denjenigen gemein, die im Wirken auf eine große Masse und im Beherrschen und Benutzen ihrer Gegenwirkung das Leben zubringen.

Wenn Baco ungerecht gegen die Vergangenheit war, so ließ ihm sein immer vorstrebender Geist auch eine ruhige Schätzung der Mitwelt nicht zu. Wir wollen hier nur Gilberts erwähnen, dessen Bemühungen um den Magneten dem Kanzler Bacon bekannt sein konnten und waren: denn er erwähnt Gilberts selbst mit Lob in seinen Schriften. Aber wie wichtig die Gegenstände, Magnetismus und Elektrizität seien, schien Baco nicht zu fassen, dem in der Breite der Erscheinung alles gleich war. Denn ob er schon selbst immer darauf hindeutet, man solle die Partikularien nur deswegen sammeln, damit man aus ihnen wählen, sie ordnen und endlich zu Universalien gelangen könne, so behalten doch bei ihm die einzelnen Fälle zu viele Rechte, und ehe man durch Induktion, selbst diejenige, die er anpreist, zur Vereinfachung und zum Abschluß gelangen kann, geht das Leben weg und die Kräfte verzehren sich. Wer nicht gewahr werden kann, daß ein Fall oft Tausende wert ist, und sie alle in sich schließt, wer nicht das zu fassen und zu ehren imstande ist, was wir Urphänomene genannt haben, der wird weder sich noch andern jemals etwas zur Freude und zum Nutzen fördern können. Man sehe die Fragen an, die Baco aufwirft, und die Vorschläge zu Untersuchungen im einzelnen; man bedenke seinen Traktat von den Winden in diesem Sinne und frage sich, ob man auf diesem Wege an irgendein Ziel zu gelangen hoffen könne.

Auch halten wir es für einen großen Fehler Bacons, daß er die mechanischen Bemühungen der Handwerker und Fabrikanten zu sehr verachtete. Handwerker und Künstler, die einen beschränkten Kreis zeitlebens durcharbeiten, deren Existenz vom Gelingen irgendeines Vorsatzes abhängt, solche werden weit eher vom Partikularen zum Universalen gelangen als der Philosoph auf Baconischem Wege. Sie werden vom Pfuschen zum Versuchen, vom Versuch zur Vorschrift, und was noch mehr ist, zum gewissen Handgriff vorschreiten, und nicht allein reden sondern tun und durch das Tun das Mögliche darstellen; ja sie werden es darstellen müssen, wenn sie es sogar leugnen sollten, wie der außerordentliche Fall sich bei Entdeckung der achromatischen Fernröhre gefunden hat.

Technischen und artistischen abgeschlossenen Tätigkeitskreisen sind die Wissenschaften mehr schuldig als hervorgehoben wird, weil man auf jene treu fleißige Menschen oft nur als auf werkzeugliche Tätler hinabsieht. Hätte jemand zu Ende des sechzehnten Jahrhunderts sich in die Werkstätten der Färber und Maler begeben und nur alles redlich und konsequent aufgezeichnet, was er dort gefunden, so hätten wir einen weit vollständigeren und methodischeren Beitrag zu unserm gegenwärtigen Zweck, als er uns durch Beantwortung tausend Baconischer Fragen nicht hätte werden können.

Damit man aber nicht denke, daß dieses nur ein frommer Wunsch oder eine Forderung ins Blaue sei, so wollen wir unsers Landsmannes Georg Agricola gedenken, der schon in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts in Absicht auf das Bergwesen dasjenige geleistet, was wir für unser Fach hätten wünschen mögen. Er hatte freilich das Glück, in ein abgeschlossenes, schon seit geraumer Zeit behandeltes, in sich höchst mannigfaltiges und doch immer auf einen Zweck hingeleitetes Natur- und Kunstwesen einzutreten. Gebirge, aufgeschlossen durch Bergbau, bedeutende Naturprodukte, roh aufgesucht, gewältigt, behandelt, bearbeitet, gesondert, gereinigt und menschlichen Zwecken unterworfen: dieses war es, was ihn als einen Dritten, denn er lebte im Gebirg als Bergarzt, höchlich interessierte, indem er selbst eine tüchtige und wohl um sich her schauende Natur war, dabei Kenner des Altertums, gebildet durch die alten Sprachen, sich bequem und anmutig darin ausdrückend. So bewundern wir ihn noch jetzt in seinen Werken, welche den ganzen Kreis des alten und neuen Bergbaus, alter und neuer Erz- und Steinkunde umfassen und uns als ein köstliches Geschenk vorliegen. Er war 1494 geboren und starb 1555, lebte also in der höchsten und schönsten Zeit der neu hervorbrechenden, aber auch sogleich ihren höchsten Gipfel erreichenden Kunst und Literatur. Wir erinnern uns nicht, daß Baco des Agricola gedenke, auch nicht, daß er das, was wir an diesem Manne so höchlich schätzen, an andern zu würdigen gewußt habe.

Ein Blick auf die Umstände, unter welchen beide Männer gelebt, gibt zu einer heitern Vergleichung Anlaß. Der mittelländische Deutsche findet sich eingeladen, in dem abgeschlossenen Kreise des Bergwesens zu verweilen, sich zu konzentrieren und ein beschränktes Ganzes wissenschaftlich auszubilden. Baco als ein meerumgebener Insulaner, Glied einer Nation, die sich mit der ganzen Welt im Rapport sah, wird durch die äußern Umstände bewogen, ins Breite und Unendliche zu gehen und das unsicherste aller Naturphänomene, die Winde, als Hauptaugenmerk zu fassen, weil Winde den Schiffahrern von so großer Bedeutung sind.

Daß die Weltgeschichte von Zeit zu Zeit umgeschrieben werden müsse, darüber ist in unsern Tagen wohl kein Zweifel übrig geblieben. Eine solche Notwendigkeit entsteht aber nicht etwa daher, weil viel Geschehenes nachentdeckt worden, sondern weil neue Ansichten gegeben werden, weil der Genosse einer fortschreitenden Zeit auf Standpunkte geführt wird, von welchen sich das Vergangene auf eine neue Weise überschauen und beurteilen läßt. Ebenso ist es in den Wissenschaften. Nicht allein die Entdeckung von bisher unbekannten Naturverhältnissen und Gegenständen, sondern auch die abwechselnden vorschreitenden Gesinnungen und Meinungen verändern sehr vieles und sind wert, von Zeit zu Zeit beachtet zu werden. Besonders würde sichs nötig machen, das vergangene achtzehnte Jahrhundert in diesem Sinne zu kontrollieren. Bei seinen großen Verdiensten hegte und pflegte es manche Mängel und tat den vorhergehenden Jahrhunderten, besonders den weniger ausgebildeten, gar mannigfaltiges Unrecht. Man kann es in diesem Sinne wohl das selbstkluge nennen, indem es sich auf eine gewisse klare Verständigkeit sehr viel einbildete und alles nach einem einmal gegebenen Maßstabe abzumessen sich gewöhnte. Zweifelsucht und entscheidendes Absprechen wechselten mit einander ab, um eine und dieselbe Wirkung hervorzubringen: eine dünkelhafte Selbstgenügsamkeit und ein Ablehnen alles dessen, was sich nicht sogleich erreichen noch überschauen ließ.

Wo findet sich Ehrfurcht für hohe unerreichbare Forderungen? Wo das Gefühl für einen in unergründliche Tiefe sich senkenden Ernst? Wie selten ist die Nachsicht gegen kühnes mißlungenes Bestreben! wie selten die Geduld gegen den langsam Werdenden! Ob hierin der lebhafte Franzose oder der trockne Deutsche mehr gefehlt, und inwiefern beide wechselseitig zu diesem weit verbreiteten Tone beigetragen, ist hier der Ort nicht zu untersuchen. Man schlage diejenigen Werke, Hefte, Blätter nach, in welchen kürzere oder längere Notizen von dem Leben gelehrter Männer, ihrem Charakter und Schriften gegeben sind; man durchsuche Dictionnaire, Bibliotheken, Nekrologen, und selten wird sich finden, daß eine problematische Natur mit Gründlichkeit und Billigkeit dargestellt worden. Man kommt zwar den wackern Personen früherer Zeiten darin zu Hülfe, daß man sie vom Verdacht der Zauberei zu befreien sucht; aber nun täte es gleich wieder not, daß man sich auf eine andre Weise ihrer annähme und sie aus den Händen solcher Exorzisten abermals befreite, welche, um die Gespenster zu vertreiben, sichs zur heiligen Pflicht machen, den Geist selbst zu verjagen.

Wir haben bei Gelegenheit, als von einigen verdienten Männern, Roger Baco, Cardan, Porta, als von Alchimie und Aberglauben die Rede war, auf unsere Überzeugungen hingedeutet, und dies mit so mehr Zuversicht, als das neunzehnte Jahrhundert auf dem Wege ist, gedachten Fehler des vorangegangenen wiedergutzumachen, wenn es nur nicht in den entgegengesetzten sich zu verlieren das Schicksal hat.

Was von Wiederbelebung der Malerkunst an die großen Meister für das Kolorit stufenweise geleistet, bringen wir zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts nach, da sich denn der ganze Gang, den dieser Teil der Kunst genommen, auf einmal wird überschauen lassen.

Und sollten wir nun nochmals einen Blick auf das sechzehnte Jahrhundert zurückwerfen, so würden wir seine beiden Hälften voneinander deutlich unterschieden finden. In der ersten zeigt sich eine hohe Bildung, die aus Gründlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Gebundenheit und Ernst hervortritt. Sie ruht auf der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. Was in dieser geboren und erzogen ward, glänzt nunmehr in seinem ganzen Wert, in seiner vollen Würde, und die Welt erlebt nicht leicht wieder eine solche Erscheinung. Hier zeigt sich zwar ein Konflikt zwischen Autorität und Selbsttätigkeit, aber noch mit einem gewissen Maße. Beide sind noch nicht voneinander getrennt, beide wirken aufeinander, tragen und erheben sich.

In der zweiten Hälfte wird das Streben der Individuen nach Freiheit schon viel stärker. Schon ist es jedem bequem, sich an dem Entstandenen zu bilden, das Gewonnene zu genießen, die freigemachten Räume zu durchlaufen; die Abneigung vor Autorität wird immer stärker, und wie einmal in der Religion protestiert worden, so wird durchaus und auch in den Wissenschaften protestiert, so daß Baco von Verulam zuletzt wagen darf, mit dem Schwamm über alles hinzufahren, was bisher auf die Tafel der Menschheit verzeichnet worden war.

 
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Fünfte Abteilung: Siebzehntes Jahrhundert

Wir haben den Baco von Verulam am Ende des vorigen Jahrhunderts besprochen, dessen Leben noch in den vierten Teil des gegenwärtigen herüberdauert und dessen eigentlich wissenschaftliche Bemühungen an das Ende seiner Laufbahn fallen. Doch hat sich der in seinen Schriften aufbewahrte, gegen die Autorität anstrebende, protestierende, rovolutionäre Sinn im vorigen Jahrhundert bereits entwickelt und zeigt sich nur bei Baco, bezüglich auf Naturwissenschaften, in seiner höchsten Energie.

Wie nun eben diese Wissenschaften durch andre bedeutende Menschen nunmehr eine entgegengesetzte Richtung nehmen, ist die Aufgabe zu zeigen, wenn wir einiges uns bei dieser Gelegenheit Entgegentretende vorher mitgeteilt haben.

Allgemeine Betrachtungen

Wenn die Frage: welcher Zeit der Mensch eigentlich angehöre? gewissermaßen wunderlich und müßig scheint, so regt sie doch ganz eigene Betrachtungen auf, die uns interessieren und unterhalten können.

Das Leben jedes bedeutenden Menschen, das nicht durch einen frühen Tod abgebrochen wird, läßt sich in drei Epochen teilen, in die der ersten Bildung, in die des eigentümlichen Strebens und in die des Gelangens zum Ziele, zur Vollendung.

Meistens kann man nur von der ersten sagen, daß die Zeit Ehre von ihr habe: denn erstlich deutet der Wert eines Menschen auf die Natur und Kraft der in seiner Geburtsepoche Zeugenden; das Geschlecht, aus dem er stammt, manifestiert sich in ihm öfters mehr als durch sich selbst, und das Jahr der Geburt eines jeden enthält in diesem Sinne eigentlich das wahre Nativitäts-Prognostikon mehr in dem Zusammentreffen irdischer Dinge als im Aufeinanderwirken himmlischer Gestirne.

Sodann wird das Kind gewöhnlich mit Freundlichkeit aufgenommen, gepflegt, und jedermann erfreut sich dessen, was es verspricht. Jeder Vater, jeder Lehrer sucht die Anlagen nach seinen Einsichten und Fähigkeiten bestens zu entwickeln, und wenigstens ist es der gute Wille, der alle die Umgebungen des Knaben belebt. Sein Fleiß wird gepriesen, seine Fortschritte werden belohnt, der größte Eifer wird in ihm erregt und ihm zugleich die törige Hoffnung vorgespiegelt, daß das immer stufenweise so fortgehn werde.

Allein er wird den Irrtum nur allzubald gewahr: denn sobald die Welt den einzelnen Strebenden erblickt, sobald erschallt ein allgemeiner Aufruf, sich ihm zu widersetzen. Alle Vor- und Mitwerber sind höchlich bemüht, ihn mit Schranken und Grenzen zu umbauen, ihn auf jede Weise zu retardieren, ihn ungeduldig, verdrießlich zu machen und ihn nicht allein von außen, sondern auch von innen zum Stocken zu bringen.

Diese Epoche ist also gewöhnlich die des Konflikts, und man kann niemals sagen, daß diese Zeit Ehre von einem Manne habe. Die Ehre gehört ihm selbst an und zwar ihm allein und den wenigen, die ihn begünstigen und mit ihm halten.

Sind nun diese Widerstände überwunden, ist dieses Streben gelungen, das Angefangene vollbracht, so läßt sich’s denn die Welt zuletzt wohl auch gefallen; aber auch dieses gereicht ihr keineswegs zur Ehre. Die Vorwerber sind abgetreten, den Mitwerbern ist es nicht besser gegangen, und sie haben vielleicht doch auch ihre Zwecke erreicht und sind beruhigt; die Nachwerber sind nun an ihrer Reihe der Lehre, des Rats, der Hülfe bedürftig, und so schließt sich der Kreis, oder vielmehr so dreht sich das Rad abermals, um seine immer erneuerte wunderliche Linie zu beschreiben.

Man sieht hieraus, daß es ganz allein von dem Geschichtschreiber abhange, wie er einen Mann einordnen, wann er seiner gedenken will. So viel ist aber gewiß, wenn man bei biographischen Betrachtungen, bei Bearbeitung einzelner Lebensgeschichten, ein solches Schema vor Augen hat und die unendlichen Abweichungen von demselben zu bemerken weiß, so wird man, wie an einem guten Leitfaden, sich durch die labyrinthischen Schicksale manches Menschenlebens hindurch finden.

Galileo Galilei

geboren 1564, gestorben 1642

Wir nennen diesen Namen mehr, um unsere Blätter damit zu zieren, als weil sich der vorzügliche Mann mit unserm Fache beschäftigt.

Schien durch die Verulamische Zerstreuungsmethode die Naturwissenschaft auf ewig zersplittert, so ward sie durch Galilei sogleich wieder zur Sammlung gebracht; er führte die Naturlehre wieder in den Menschen zurück und zeigte schon in früher Jugend, daß dem Genie ein Fall für tausend gelte, indem er sich aus schwingenden Kirchenlampen die Lehre des Pendels und des Falles der Körper entwickelte. Alles kommt in der Wissenschaft auf das an, was man ein Aperçu nennt, auf ein Gewahrwerden dessen, was eigentlich den Erscheinungen zum Grunde liegt. Und ein solches Gewahrwerden ist bis ins Unendliche fruchtbar.

Galilei bildete sich unter günstigen Umständen und genoß die erste Zeit seines Lebens des wünschenswertesten Glückes. Er kam wie ein tüchtiger Schnitter zur reichlichsten Ernte und säumte nicht bei seinem Tagewerk. Die Fernröhre hatten einen neuen Himmel aufgetan. Viele neue Eigenschaften der Naturwesen, die uns mehr oder weniger sichtbar und greiflich umgeben, wurden entdeckt, und nach allen Seiten zu konnte der heitere mächtige Geist Eroberungen machen. Und so ist der größte Teil seines Lebens eine Reihe von herrlichen glänzenden Wirkungen.

Leider trübt sich der Himmel für ihn gegen das Ende. Er wird ein Opfer jenes edlen Strebens, mit welchem der Mensch seine Überzeugungen andern mitzuteilen gedrängt wird. Man pflegt zu sagen, des Menschen Wille sei sein Himmelreich; noch mehr findet er aber seine Seligkeit in seinen Meinungen, im Erkannten und Anerkannten. Vom großen Sinne des Kopernikanischen Systems durchdrungen, enthält sich Galilei nicht, diese von der Kirche, von der Schule verworfne Lehre, wenigstens indirekt, zu bestätigen und auszubreiten, und beschließt sein Leben in einem traurigen Halbmärtyrertum.

Was das Licht betrifft, so ist er geneigt es als etwas gewissermaßen Materielles, Mitteilbares anzusehen: eine Vorstellungsart, zu der ihm die an dem bononischen Stein gemachte Erfahrung Anlaß gibt. Sich über die Farbe zu erklären, lehnt er ab, und es ist nichts natürlicher, als daß er, geschaffen sich in die Tiefen der Natur zu senken, er, dessen angebornes eindringendes Genie durch mathematische Kultur ins Unglaubliche geschärft worden war, zu der oberflächlichen, wechselnden, nicht zu haschenden, leicht verschwindenden Farbe wenig Anmutung haben konnte.

Johann Kepler

geboren 1571, gestorben 1630

Wenn man Keplers Lebensgeschichte mit demjenigen, was er geworden und geleistet, zusammenhält, so gerät man in ein frohes Erstaunen, indem man sich überzeugt, daß der wahre Genius alle Hindernisse überwindet. Der Anfang und das Ende seines Lebens werden durch Familienverhältnisse verkümmert, seine mittlere Zeit fällt in die unruhigste Epoche, und doch dringt sein glückliches Naturell durch. Die ernstesten Gegenstände behandelt er mit Heiterkeit und ein verwickeltes mühsames Geschäft mit Bequemlichkeit.

Gibt er schriftlich Rechenschaft von seinem Tun, von seinen Einsichten, so ist es, als wenn es nur gelegentlich, im Vorbeigehen geschähe, und doch findet er immer die Methode, die von Grund aus anspricht. Andern sei es überlassen, seine Verdienste anzuerkennen und zu rühmen, welche außer unserm Gesichtskreise liegen; aber uns ziemt es, sein herrliches Gemüt zu bemerken, das überall auf das freudigste durchblickt. Wie verehrt er seinen Meister und Vorgesetzten Tycho! Wie schätzt er die Verdienste dieses Mannes, der sich dem ganzen Himmel gewachsen fühlte, insofern er sich durch die Sinne fassen und durch Instrumente bezwingen ließ. Wie weiß er diesen seinen Lehrer und Vorgänger auch nach dem Tode gegen unfreundliche Angriffe zu verteidigen! Wie gründlich und anmutig beschreibt er, was an dem astronomischen Baue schon geleistet, was gegründet, was aufgeführt, was noch zu tun und zu schmücken sei! Und wie arbeitet er sein ganzes Leben unverrückt an der Vollendung!

Indes war Tycho bei allen seinen Verdiensten doch einer von den beschränkten Köpfen, die sich mit der Natur gewissermaßen im Widerspruch fühlen und deswegen das komplizierte Paradoxe mehr als das einfache Wahre lieben und sich am Irrtum freuen, weil er ihnen Gelegenheit gibt, ihren Scharfsinn zu zeigen, da derjenige, der das Wahre anerkennt, nur Gott und die Natur, nicht aber sich selbst zu ehren scheint, und von dieser letzten Art war Kepler. Jedes klare Verdienst klärt ihn selbst auf; durch freie Beistimmung eilt er es sich zuzueignen. Wie gern spricht er von Kopernikus! Wie fleißig deutet er auf das einzig schöne Aperçu, was uns die Geschichte noch ganz allein erfreulich machen kann, daß die echten Menschen aller Zeiten einander voraus verkünden, aufeinander hinweisen, einander vorarbeiten. Wie umständlich und genau zeigt Kepler, daß Euklides kopernikisiere!

Ebenso verhält er sich zu seinen Zeitgenossen. Dem Johann Baptist Porta erteilt er die anmutigsten Lobsprüche, den herzlichsten Dank für die Entdeckung der Camera obscura, für die dadurch auf einmal erweiterte Einsicht in die Gesetze des Sehens.

Wie sein Sinn, so sein Ausdruck. Geübt im Griechischen und Lateinischen fehlt es ihm an keiner Kenntnis des Altertums, des gründlichen sowohl als des schönen, und er weiß sich nach Belieben auszudrücken. Manchmal läßt er sich zu Unwissenden, ja zu Dummen herab; manchmal sucht er wenigstens allgemein verständlich zu werden. Bei Erzählung von natürlichen Ereignissen ist er klar und deutlich; bald aber, wenn er wirken, wenn er lebhaftere Eindrücke, entschiedenere Teilnahme hervorbringen will, dann fehlt es ihm nicht an Gleichnissen, Anspielungen und klassischen Stellen.

Da er die Sprache völlig in seiner Gewalt hat, so wagt er gelegentlich kühne seltsame Ausdrücke, aber nur dann, wenn der Gegenstand ihm unerreichbar scheint. So verfährt er bei Gelegenheit der Farbe, die er nur im Vorbeigehen behandelt, weil sie ihm, dem alles Maß und Zahl ist, von keiner Bedeutung sein kann. Er bedient sich so wunderbarer Worte, um ihrer Natur einigermaßen beizukommen, daß wir sie nicht zu übersetzen wagen, sondern im Original hier einschalten: Color est lux in potentia, lux sepulta in pellucidi materia si iam extra visionem consideretur; et diversi gradus in dispositione materiae, caussâ raritatis et densitatis, seu pellucidi et tenebrarum; diversi item gradus luculae, quae materiae est concreta, efficiunt discrimina colorum. Die Auslegung davon läßt sich vielleicht eher in einer andern Sprache wiedergeben; sie ist folgende:

»Denn da die Farben, welche man im Regenbogen sieht, von derselben Art sind wie die der Körper, so müssen sie auch einen gleichen Ursprung haben; jene aber entspringen nur aus den angeführten Ursachen. Denn wie das Auge seinen Platz verläßt, so verändert sich auch die Farbe, und zwar entspringen sie alle an der Grenze des Lichts und des Schattens; woraus erhellet, daß sie aus einer Schwächung des Lichtes und aus einem Überzug der wäßrigen Materie entstehen. Deswegen werden auch die Farben der Körper auf gleiche Weise entspringen, und es wird nur der Unterschied zwischen ihnen sein, daß bei dem Regenbogen das Licht hinzutretend ist, bei den Farben aber eingeboren, auf die Weise, wie in den Teilen vieler Tiere sich Lichter wirklich befinden. Wie nun die Möglichkeit der Wärme im Ingwer von der wirklichen Wärme im Feuer unterschieden ist, so scheint auch das Licht in der gefärbten Materie vom Licht in der Sonne verschieden zu sein. Denn dasjenige ist nur der Fähigkeit nach da, was sich nicht mitteilt, sondern innerhalb der Grenzen seines Gegenstandes gehalten wird, wie das Licht, das in den Farben verborgen ist, solange sie nicht von der Sonne erleuchtet werden. Doch kann man nicht wissen, ob die Farben nicht in tiefer Nacht ihre Lichtlein umherstreuen.«

»Freilich hat dieser Gegenstand die Köpfe der scharfsinnigsten Philosophen auf mancherlei Weise in Übung gesetzt, und wir finden uns gegenwärtig weder im Falle noch imstande, seine Dunkelheit zu enthüllen. Wolltest du mir aber den Einwurf machen, die Finsternis sei eine Privation und könne deshalb niemals etwas Positives, niemals eine aktive Eigenschaft werden, welche nämlich zu strahlen und sich auf den Wänden abzubilden vermöchte, so erwähne ich der Kälte dagegen, welche auch eine reine Privation ist und doch, bezüglich auf die Materie, als wirksame Eigenschaft erscheint.«

Das übrige werden diejenigen, welche bei der Sache interessiert sind, bei ihm selbst nachsehen; nur bemerken wir noch, daß ihm verschiedene Hauptpunkte, die wir in der Rubrik von den physiologischen Farben behandelt haben, nicht unbekannt gewesen; daß nämlich helle und dunkle Bilder von gleichem Maß dem Auge als verschieden groß erscheinen, daß das Bild im Auge eine Dauer habe, daß lebhafte Lichteindrücke farbig abklingen. Erwähnt er auch nur beiläufig dergleichen Erscheinungen, so bemerkt man mit Vergnügen, wie lebendig alles mit seinem Hauptgeschäft zusammenhängt, wie innig er alles, was ihm begegnet, auf sich zu beziehen weiß.

Willebrord Snellius

geboren 1591, gestorben 1626

Nach Erfindung der Fernröhre drängte sich alles, um an ihrer Verbesserung zu arbeiten. Die Gesetze der Refraktion, die man vorher nur empirisch und mühsam zu bestimmen wußte, wurden immer genauer untersucht; man kam immer mehr in Übung, höhere mathematische Formeln auf Naturerscheinungen anzuwenden, und so näherte sich Snellius dem gegenwärtig allgemein bekannten Gesetze der Refraktion, ob er es gleich noch nicht unter dem Verhältnis der Sinus des Einfalls- und Brechungswinkels aussprach.

Dieses in allen Lehrbüchern vorgetragene Gesetz brauchen wir hier nicht umständlicher auszuführen; doch machen wir zwei Bemerkungen, die sich näher auf die Gegenstände unserer Behandlung beziehen.

Snellius gründete seine Messungen und Berechnungen nicht auf den objektiven Versuch, da man nämlich das Licht durch das Mittel hindurchfallen läßt, wobei das, was man Brechung nennt, zum Vorschein kommt, sondern auf den subjektiven, dessen Wirkung wir die Hebung genannt haben, weil ein durch das Mittel gesehener Gegenstand uns entgegenzutreten scheint. Er schreibt daher ganz richtig dem perpendikularen Strahl (wenn es doch einmal Strahl sein soll) die vollkommene Hebung zu, wie man denn bei jedem vollkommen perpendikularen Aufschauen auf einen gläsernen Kubus ganz bequem erfahren kann, daß die darunterliegende Fläche dem Auge vollkommen entgegentritt.

Da man aber in der Folge sich bloß an den objektiven Versuch hielt, als der das Phänomen nur einseitig, das Verhältnis der Sinus aber am besten ausdrückt, so fing man an zu leugnen, daß der perpendikulare Strahl verändert werde, weil man diese Verändrung unter der Form der Brechung nicht gewahr wird und kein Verhältnis der Sinus dabei statthaben kann.

Schon Huyghens, durch den die Entdeckung des Snellius eigentlich bekannt wurde, protestiert gegen die Veränderung des perpendikularen Strahls und führt seine sämtlichen Nachfolger in Irrtum. Denn man kann ganz allein von der Wirkung der Mittel auf Licht und beleuchtete Gegenstände sich einen Begriff machen, wenn man beide Fälle, den objektiven und subjektiven, den Fall des Brechens und Hebens, das wechselseitige Verhältnis des dichten Mittels zum dünnen, des dünnen zum dichten, zugleich faßt und eins durch das andere ergänzt und erklärt. Worüber wir an seinem Orte das Notwendigste gesagt haben (S. 72, Nr. 187/8).

Die andere Betrachtung, die wir hier nicht übergehen dürfen, ist die, daß man die Gesetze der Brechung entdeckt und der Farben, die doch eigentlich durch sie manifestiert werden sollen, gar nicht gedenkt, welches ganz in der Ordnung war. Denn in parallelen Mitteln, welche man zu jenem Grundversuch der Brechung und Hebung benutzt, läßt sich die Farbenerscheinung zwar an der Grenze von Licht und Schatten deutlich sehen, aber so unbedeutend, daß man über sie recht wohl hinausgehen konnte. Wir wiederholen hier, was wir schon früher urgiert (S. 74, Nr. 195 /6): Gäbe es eine wirklich verschiedene Brechbarkeit, so müßte sie sich bei Brechung jeder Art manifestieren. Aber diese Lehre ist, wie wir bereits gesehen haben und noch künftig sehen werden, nicht auf einen einfachen natürlichen Fall, sondern auf einen künstlich zusammengesetzten gebaut, und sie kann daher nur demjenigen wahr vorkommen, der sich in einer solchen gemachten Verwirrung gefallen mag; jedem hingegen muß sie falsch erscheinen, der aus dem Freien kommt oder ins Freie gelangt.

Was sonst von Snellius und seiner Lehre zu sagen ist, findet sich in allen Schriften, die von dieser Materie handeln.

Vorstehendes war geschrieben, als uns zufälligerweise bekannt wurde, Isaac Vossius, von welchem späterhin noch die Rede sein wird, sei gleichfalls der Überzeugung gewesen, daß dasjenige, was man Refraktion zu nennen pflegt, auch im Perpendikel wirke. Er hatte die drei optischen Bücher des Willebrord Snellius im Manuskripte gelesen und sich dessen Ansichten zu eigen gemacht. Dabei erzählt er, daß er zu Brüssel vor der Königin von Schweden diese seine Meinung vorgetragen, jedoch einen allgemeinen Widerspruch gefunden; ja man habe ihm vorgeworfen, daß er gegen die ersten Grundsätze sündige. Nachdem aber die Gesellschaft durch den Augenschein überzeugt worden, so habe man die Sache in einen Wortstreit gespielt und gesagt: incidi quidem radium, non tamen frangi. Er führt darauf aus den Werken des Snellius eine Demonstration des subjektiven Versuchs an, wodurch die stufenweise Hebung ins klare gesetzt wird.

Antonius de Dominis

umgekommen 1624

De radiis visus et lucis in vitris perspectivis et iride tractatus Marci Antonii de Dominis, per Ioannem Bartolum in lucem editus Venetiis 1611.

Durch dieses Werk von nicht großem Umfange ist der Verfasser unter den Naturforschern berühmt geworden, und zwar mit Recht: denn man erkennt hier die Arbeit eines unterrichteten, in mathematischen und physischen Dingen wohlgeübten Mannes, und was mehr ist, eines originellen Beobachters. Hier wird ein Auszug an der rechten Stelle sein.

Das Werk enthält im ersten Kapitel die erste öffentliche Bekanntmachung der Theorie der Ferngläser. Nachdem sodann der Verfasser verschiedene allgemeine mathematische und physische Grundsätze vorausgeschickt, welche das Licht und das Sehen betreffen, kommt er zu Ende des dritten Kapitels auf der neunten Seite zu den Farben, welche bei der Refraktion erscheinen, und äußert sich darüber folgendermaßen.

»Außer den eigenen Farben der Körper, welche in den Körpern selbst verharren, sie mögen nun aus welcher Ursache sie wollen entspringen und entstehen, gibt es in der Natur einige wechselbare und veränderliche Farben, welche man emphatische und erscheinende nennt und welche ich die glänzenden zu nennen pflege. Daß diese Farben aus dem Lichte entspringen, daran habe ich keinen Zweifel, ja sie sind nichts anders als das Licht selbst: denn wenn in einem Körper reines Licht sich befindet, wie in den Sternen und dem Feuer, und er verliert aus irgendeiner Ursache sein Funkeln, so wird uns ein solcher Körper weiß. Mischt man dem Licht irgendetwas Dunkles hinzu, wodurch jedoch das ganze Licht nicht verhindert oder ausgelöscht wird, so entstehen die Farben dazwischen. Denn deshalb wird unser Feuer rot, weil es Rauch bei sich führt, der es verdunkelt. Deshalb auch röten sich Sonn’ und Gestirne nah am Horizont, weil die dazwischen tretenden Dünste solche verdunkeln. Und solcher mittleren Farben können wir eigentlich drei zählen. Die erste Beimischung des Dunkeln, welche das Weiße einigermaßen verdunkelt, macht das Licht rot: und die rote Farbe ist die leuchtendste der Mittelfarben zwischen den beiden Enden, dem Weißen und Schwarzen, wie man es deutlich in dem länglichen dreikantigen Glase sieht. Der Sonnenstrahl nämlich, der das Glas bei dem Winkel durchdringt, wo die geringste Dicke ist und also auch die geringste Dunkelheit, tritt hochrot heraus; zunächst folgt das Grün bei zunehmender Dicke; endlich das Violette bei noch größerer Dicke: und so nimmt nach Verhältnis der Stärke des Glases auch die Verdunklung zu oder ab.«

»Eine etwas mehrere Dunkelheit bringt, wie gesagt, das Grüne hervor. Wächst die Dunkelheit, so wird die Farbe blau oder violett, welche die dunkelste ist aus allen Mittelfarben. Wächst nun die Dunkelheit noch mehr, so löscht sie das ganze Licht aus und die Schwärze bleibt, obgleich die Schwärze mehr eine Beraubung des Lichts als eine wirkliche Farbe ist; deswegen auch das Auge die Finsternis selbst und sehr schwarze Körper für eins hält. Die übrigen Farben aber sind aus diesen zusammengesetzt.«

»Die Dunkelheit aber verwandelt das Licht in eine glänzende Farbe, nicht allein wenn sie sich mit dem leuchtenden Körper selbst vermischt, wie es beim Feuer geschieht, sondern auch wenn sie zwischen das Licht und das Auge gebracht wird, dergestalt, daß das Licht, wenn es durch einen etwas dunklen Körper, dessen Durchsichtigkeit nicht ganz aufgehoben ist, durchgeht, notwendig gefärbt wird, und so gefärbt, nicht allein vom Auge, sondern auch oft von jedem andern Körper, farbig aufgenommen wird. So erscheint uns die Sonne beim Auf- und Untergang rot, nicht weiß wie im Mittage, und so wird das Licht, wenn es durch ein Glas von ungleicher Dicke, jedoch von bedeutender Masse, wie jene dreikantigen Prismen sind, oder durch ein gläsernes, mit Wasser gefülltes Gefäß, oder durch ein gefärbtes Glas hindurch geht, gefärbt. Daher werden auch die fernliegenden Berge unter einer blauen Farbe gesehen. Denn die große Ferne verdunkelt, wegen der Menge des Mittels und durch das einigermaßen Körperliche des Dunkeln, alle Lichter, die nicht so mächtig sind als das der Sonne, verdunkelt auch die erleuchteten Gegenstände und macht sie blau. So scheint uns gleichfalls der Ferne wegen das Licht des Himmels blau. Was aber eine gar zu schwache Farbe hat, wird auch wohl schwarz.«

Diejenigen unsrer Leser, welche den Entwurf unserer Farbenlehre wohl inne haben, werden selbst beurteilen, inwiefern der Verfasser sich der Wahrheit genähert, inwiefern noch manches Hindernis einer reinen Einsicht in die Dinge ihm entgegen gestanden. Merkwürdig ist, daß er im prismatischen Bild nur drei Farben gesehen, welches andeutet, daß er auch ein sehr kleines Bild gehabt und es verhältnismäßig sehr weit von dem Ausfallen aus dem Prisma aufgefangen, wie er denn auch das Weiße zwischen den beiden Rändern nicht bemerkt. Das übrige wissen wir nun aus der Lehre vom Trüben weit besser zu entwickeln.

Hierauf trägt er im vierten Kapitel noch verschiedene mathematische Propositionen vor, die ihm zu seiner Deduktion nötig scheinen. Endlich gelangt er zu einem runden durchsichtigen Körper und zeigt, erstlich, wie von demselben das auffallende Licht zurückgeworfen werde, und nun geht er seinem Ziele entgegen, indem er auf der dreizehnten und vierzehnten Seite umständlich anzeigt, was auf der innern hintern konkaven Fläche des runden durchsichtigen Körpers, welche wie ein Hohlspiegel wirkt, vorgehe. Er fügt eine Figur hinzu, welche, wenn man sie recht versteht, das Phänomen in seinem Umfange und seiner Komplikation, wo nicht vollständig darstellt, jedoch sich demselben weit mehr nähert als diejenigen einfacheren Figuren, welche Descartes teils aus ihm genommen, teils nach ihm gebildet. Übrigens wird sich in der Folge zeigen, daß eben dasjenige, was auf dem Grunde des durchsichtigen Körpers vorgeht, mit Linearzeichnung keinesweges dargestellt werden kann. Bei der Figur des De Dominis tritt überdies noch ein sonderbarer Fall ein, daß gerade diese sehr komplizierte Hauptfigur, die wegen ihrer Wichtigkeit viermal im Buche vorkommt, durch die Ungeschicklichkeit des Holzschneiders in ihren Hauptpunkten undeutlich und wahrscheinlich deshalb für die Nachfolger des Verfassers unbrauchbar geworden. Wir haben sie nach seiner Beschreibung wiederhergestellt und werden sie unter unsern Tafeln beibringen, wie wir denn jetzt seine Erklärung derselben, worin das Verdienstliche seiner Beobachtung und Entdeckung ruht, übersetzt mitteilen.

»Jener sphärische durchsichtige Körper, solid oder ausgefüllt, außerdem daß er von seiner erhöhten Oberfläche die Strahlen gedachtermaßen zurückwirft, bewirkt noch einen andern Widerschein des Lichtes, der mit einiger Refraktion verbunden ist: denn der Lichtstrahl aus dem Mittelpunkte des leuchtenden Körpers b dringt ungebrochen gerade bis nach v durchs Zentrum a, da er perpendikular ist; die Strahlen aber bc und bd werden in c und d gebrochen, nach der Perpendikulare zu, und dringen gleichfalls nach dem Grunde g und weiter nach v; daselbst bringen sie viel Licht zusammen, vereint mit den inneren Strahlen br und bo, welche an den Punkten r und o gebrochen nach g gelangen, auf dem Hohlgrunde der Kugel a; welches auch die übrigen Strahlen tun, welche von b her auf die ganze erhöhte Fläche von c bis d fallen.«

»Aber indessen dringen nicht nur die gebrochnen und um den Grund g versammelten Strahlen zum Teil hindurch und vereinigen sich in v, wo sie Feuer anzünden können, sondern sie werden auch großenteils, gleichfalls mit verstärktem Licht wegen ihrer Versammlung, vom Grunde g zurückgeworfen, welcher Grund g dieses vervielfältigte Licht, nach dem Gesetz der Widerscheine aus einer Hohlkugel, auf mancherlei Weise zurückwirft. Wobei zu bedenken ist, daß einige Abänderung stattfindet, weil die Zurückwerfung nach den eben erwähnten Brechungen geschieht und weil nicht allein die auf die Kugel a, aus dem Mittelpunkte des leuchtenden Körpers b, fallenden Strahlen, sondern auch unzählige andre von dem großen und leuchtenden Körper, wie die Sonne ist, alle nämlich, die aus t und p, ingleichen von dem ganzen Umfange t q p hervortreten, zurückgeworfen werden. Welche Abweichung aber hier mit Demonstration zu beweisen nicht die Mühe lohnte.«

»Genug daß ich durch die deutlichsten Versuche gefunden habe, sowohl in Schalen, welche mit Wasser gefüllt worden, als auch in Glaskugeln gleichfalls gefüllt, welche ich zu diesem Endzwecke verfertigen lassen, daß aus dem Grunde g, welcher der Sonne gerade entgegenstehet, außer der Refraktion, welche nach v zu geschieht, eine doppelte Reflexion geschehe: einmal gleich gegen die Seite f und e im Zirkel; sodann aber gegen die Sonne, nächst gegen die Perpendikulare b a, nach dem vordern Teile h und i, gleichfalls im Zirkel, und durch eine einzige unteilbare Linie, sondern durch mehrere nach allen Seiten hin mit einiger Breite (wie in der ersten Reflexion gf gn gm; in der andern aber gi gk gl); welche Breite teils entspringt aus den Brechungen, welche innerhalb der Kugel geschehen, wodurch mehrere Strahlen versammlet werden, zum Teil aus der großen Breite des leuchtenden Körpers p q t, wie wir kurz vorher gesagt.«

Da wir uns genötigt sehen, in der Folge dem Regenbogen einen besondern Aufsatz zu widmen, um zu zeigen, daß bei diesem Meteor nichts anderes vorgehe als das, was wir in unserm Entwurf von den Farben, welche bei Gelegenheit der Refraktion entstehen, umständlich ausgeführt haben, so muß das bisher Mitgeteilte als Material zu jenem Behuf ruhen und liegen bleiben; nur bemerken wir, daß dasjenige, was im Tropfen vorgeht, keinesweges durch eine Linearzeichnung, welche nur Grundrisse und Durchschnitte geben kann, sondern durch eine perspektivische darzustellen ist, wie unser De Dominis zuletzt selbst andeutet in den Worten: »und nicht durch eine einzige unteilbare Linie, sondern durch mehrere nach allen Seiten hin mit einiger Breite«. Wir geben nunmehr von seinem weitern Verfahren Rechenschaft.

Vom fünften Kapitel bis zum neunten einschließlich handelt er von den Fernröhren und dem, was sich darauf bezieht. Im zehnten von den vorzüglichsten Meinungen über den Regenbogen. Er trägt die Gesinnungen des Albertus Magnus aus dessen drittem Buch der Meteore und dessen vierzehntem Kapitel, die des Cardanus aus dem vierten Buch De subtilitate, des Aristoteles aus den Meteoren vor. Alle nehmen an, daß die Farben aus einer Schwächung der Lichtstrahlen entstehen, welche nach jenen beiden durch die Masse der Dünste, nach letzterem durch mehr oder minder starke Reflexion der sich vom Perpendikel mehr oder weniger entfernenden Strahlen bewirkt werde. Vitellio hält sich nahe an den Aristoteles, wie auch Piccoluomini.

Im elften Kapitel werden die vorgemeldeten Meinungen über die Farben bearbeitet und widerlegt. Im zwölften ausgeführt, woher die runde Gestalt des Regenbogens komme. Im dreizehnten der wahre Ursprung des Regenbogens völlig erklärt: es werden nämlich Tropfen erfordert und durch eine Figur gezeigt, wie das Sonnenlicht aus dem Grunde des Tropfens nach dem Auge reflektiert werde. Hierauf wendet er sich zu den Farben und erklärt sie nach seiner sechsten und siebenten Proposition im dritten Kapitel, die wir oben übersetzt haben, wonach die Farben in ihrer Lebhaftigkeit vom Roten durchs Grüne bis zum Blauen abnehmen sollen. Hier wird sodann die Hauptfigur wiederholt und daraus, daß der Strahl gf nach der Reflexion durch eine geringere Glasmasse durchgehe als die Strahlen gm und gn, die Farbenabstufung derselben dargetan. Zur Ursache der Breite des Regenbogens gibt er jene Breite der farbigen Reflexion an, die er schon oben nach der Erfahrung dargelegt.

Das vierzehnte Kapitel beschäftigt sich mit dem äußern Regenbogen und mit Erzählung und Widerlegung verschiedener Meinungen darüber. Im fünfzehnten Kapitel jedoch sucht er denselben zu erklären. Er gebraucht hiezu wieder die Hauptfigur, leitet den zweiten Regenbogen von den Strahlen gi gk gl ab und die verschiedene Färbung derselben von der mehr oder minder starken Reflexion. Man sieht also, daß er sich hier dem Aristoteles nähert, wie bei Erklärung der Farben des ersten Regenbogens dem Albertus Magnus und dem Cardan.

Das sechzehnte Kapitel sammelt einige Korollarien aus dem schon Gesagten. Das siebzehnte trägt noch einige Fragen über den Regenbogen vor und beantwortet sie. Im achtzehnten wird abgehandelt, wie der Regenbogen mit den Höfen, Wettergallen und Nebensonnen übereintreffe und wie er von ihnen verschieden sei. In diesen drei Kapiteln, den letzten der Abhandlung, steht noch manches Gute, das nachgesehen und genutzt zu werden verdient.

Franciscus Aguilonius

geboren 1567, gestorben 1617

Er war Jesuit zu Brüssel und gab 1613 seine Optik in Folio heraus zu Antwerpen. Ihr sollten noch die Dioptrik und Katoptrik folgen, welches durch seinen Tod, der 1617, als er fünfzig Jahr alt war, erfolgte, verhindert wurde.

Man sieht seinem Werke die Ruhe des Klosters an, die bei einer Arbeit bis ins einzelnste zu gehen erlaubt; man sieht die Bedächtlichkeit eines Lehrers, der nichts zurücklassen will. Daher ist das Werk ausführlich, umständlich, ja überflüssig durchgearbeitet. Betrachtet man es aber als einen Diskurs, als einen Vortrag, so ist es, besonders stellenweise, angenehm und unterhaltend, und weil es uns mit Klarheit und Genauigkeit in frühere Zeiten zurückführt, auf manche Weise belehrend.

Hier steht die Autorität noch in ihrer völligen Würde: die griechischen Urväter der Schulen, ihre Nachfolger und Kommentatoren, die neueren Lichter und Forscher, ihre Lehre, ihre Kontroversen, bei welchen ein oder der andre Teil durch Gründe begünstiget wird. Indessen kann man nicht leugnen, daß der Verfasser, indem er seinem Nachfolger nichts zu tun übrig lassen möchte, im Theoretischen sich bis ins Kleinliche und im Praktischen bis in die Künstelei verliert, wobei wir ihn jedoch immer als einen ernsten und tüchtigen Mann zu schätzen haben.

Was die Farbe und das damit zunächst Verwandte betrifft, so ist ihm das vom Plato sich herschreibende und von uns so oft urgierte Disgregieren und Colligieren des Auges, jenes erste durch das Licht und das Weiße, dieses letztere durch Finsternis und das Schwarze, wohl bekannt und merkwürdig, doch mehr im pathologischen Sinne, insofern das Helle das Auge blendet, das Finstere ihm auf eine negative Weise schadet. Der reine physiologische Sinn dieser Erscheinung mag ihm nicht aufgegangen sein, worüber wir uns um so weniger wundern werden, als Hamberger solche der gesunden Natur gemäße, zum reinen Sehen unumgänglich notwendige Bedingungen gleichfalls für krankhaft und für vitia fugitiva erklärt hat.

Das Weiße und Schwarze nun setzt er an die beiden Enden, dazwischen in eine Reihe Gelb, Rot und Blau, und hat also fünf Farben auf einer Linie, welches ein ganz hübsches Schema gibt, indem das Gelbe zunächst an dem Weißen, das Blaue an dem Schwarzen und das Rote in der Mitte steht, welche sämtlich miteinander durch Halbzirkel verbunden sind, wodurch die Mittelfarben angedeutet werden.

Daß nach den verschiedenen Erscheinungsarten die Farben eingeteilt werden müssen, kommt bei ihm auf eine entschiedenere Weise als bisher zur Sprache. Er teilt sie in wahre, apparente und intentionelle Farben. Da nun die intentionellen, wie wir nachher sehen werden, keinen richtigen Einteilungsgrund hinter sich haben, die physiologischen aber fehlen, so quält er sich ab, die verschiedenen Erscheinungsfälle unter diese Rubriken zu bringen.

Die wahren Farben werden den Eigenschaften der Körper zugeschrieben, die apparenten für unerklärlich, ja als ein göttliches Geheimnis angesehen und doch gewissermaßen wieder als zufällig betrachtet. Er bedient sich dabei eines sehr artigen und unübersetzlichen Ausdrucks: penduli in medio diaphano oberrant, ceu extemporaneae quaedam Lucis affectiones.

Die Hauptfragen, wie sie Aristoteles schon berührt, kommen zur Sprache, und gegen Plato wird polemisiert. Was überhaupt hievon und sonst noch brauchbar ist, haben wir am gehörigen Orte eingeschaltet. Daß jede Farbe ihre eigene Wirkung aufs Gesicht habe, wird behauptet und ausgeführt; doch gleichfalls mehr pathologisch als physiologisch.

Intentionelle Farben

Da wir der intentionellen Farben in unserm Entwurf nicht besonders gedacht haben und dieser Ausdruck in den Schriftstellern, vorzüglich auch in dem gegenwärtigen, vorkommt, so ist unsre Pflicht, wenigstens historisch dieser Terminologie zu gedenken und anzuzeigen, wie sie mit den übrigen Lehren und Gesinnungen jener Zeit zusammenhängt. Man verzeihe uns, wenn wir, der Deutlichkeit wegen, etwas weit auszuholen scheinen.

Die Poesie hat in Absicht auf Gleichnisreden und uneigentlichen Ausdruck sehr große Vorteile vor allen übrigen Sprachweisen, denn sie kann sich eines jeden Bildes, eines jeden Verhältnisses nach ihrer Art und Bequemlichkeit bedienen. Sie vergleicht Geistiges mit Körperlichem und umgekehrt; den Gedanken mit dem Blitz, den Blitz mit dem Gedanken, und dadurch wird das Wechselleben der Weltgegenstände am besten ausgedrückt. Die Philosophie auf ihren höchsten Punkten bedarf auch uneigentlicher Ausdrücke und Gleichnisreden, wie die von uns oft erwähnte, getadelte und in Schutz genommene Symbolik bezeugt.

Nur leiden die philosophischen Schulen, wie uns die Geschichte belehrt, meistenteils daran, daß sie, nach Art und Weise ihrer Stifter und Hauptlehrer, meist nur einseitige Symbole brauchen, um das Ganze auszudrücken und zu beherrschen, und besonders die einen durchaus das Körperliche durch geistige Symbole, die andern das Geistige durch körperliche Symbole bezeichnen wollen. Auf diese Weise werden die Gegenstände niemals durchdrungen; es entsteht vielmehr eine Entzweiung in dem, was vorgestellt und bezeichnet werden soll, und also auch eine Diskrepanz in denen, die davon handeln, woraus alsbald ein Widerwille auf beiden Seiten entspringt und ein Parteisinn sich befestigt.

Wenn man von intentionellen Farben spricht, so ist es eigentlich eine Gleichnisrede, daß man den Farben wegen ihrer Zartheit und Wirkung eine geistige Natur zuschreibt, ihnen einen Willen, eine Absicht unterlegt.

Wer dieses fassen mag, der wird diese Vorstellungsart anmutig und geistreich finden und sich daran, wie etwa an einem poetischen Gleichnisse, ergetzen. Doch wir müssen diese Denkart, diesen Ausdruck bis zu ihrer Quelle verfolgen.

Man erinnere sich, was wir oben von der Lehre des Roger Baco mitgeteilt, die wir bei ihm aufgegriffen haben, weil sie uns da zunächst im Wege lag, ob sie sich gleich von weit früheren Zeiten herschreibt: daß sich nämlich jede Tugend, jede Kraft, jede Tüchtigkeit, alles dem man ein Wesen, ein Dasein zuschreiben kann, ins Unendliche vervielfältigt und zwar dadurch, daß immerfort Gleichbilder, Gleichnisse, Abbildungen als zweite Selbstheiten von ihm ausgehen, dergestalt daß diese Abbilder sich wieder darstellen, wirksam werden, und indem sie immer fort und fort reflektieren, diese Welt der Erscheinungen ausmachen. Nun liegt zwischen der wirkenden Tugend und zwischen dem gewirkten Abbild ein Drittes in der Mitte, das aus der Wirklichkeit des ersten und aus der Möglichkeit des zweiten zusammengesetzt scheint. Für dieses Dritte, was zugleich ist und nicht ist, was zugleich wirkt und unwirksam bleiben kann, was zugleich das allerhöchste Schaffende und in demselben Augenblicke ein vollkommenes Nichts ist, hat man kein schicklicheres Gleichnis finden können als das menschliche Wollen, welches alle jene Widersprüche in sich vereinigt. Und so hat man auch den wirksamen Naturgegenständen, besonders denjenigen, die uns als tätige Bilder zu erscheinen pflegen, dem Lichte so wie dem Erleuchteten, welche beide nach allen Orten hin sich zu äußern bestimmt sind, ein Wollen, eine Intention gegeben und daher das Abbild (species), insofern es noch nicht zur Erscheinung kommt, intentionell genannt, indem es, wie das menschliche Wollen, eine Realität, eine Notwendigkeit, eine ungeheure Tugend und Wirksamkeit mit sich führt, ohne daß man noch etwas davon gewahr würde. Vielleicht sind ein paar sinnliche Beispiele nicht überflüssig.

Es befinde sich eine Person in einem großen von rohen Mauern umgrenzten Saal, ihre Gestalt hat die Intention, oder wie wir uns in unserm Entwurfe mit einem gleichfalls sittlichen Gleichnis ausgedrückt haben, das Recht sich an allen Wänden abzuspiegeln; allein die Bedingung der Glätte fehlt. Denn das ist der Unterschied der ursprünglichen Tugenden von den abgebildeten, daß jene unbedingt wirken, diese aber Bedingnissen unterworfen sind. Man gebe hier die Bedingung der Glätte zu, man poliere die Wand mit Gipsmörtel oder behänge sie mit Spiegeln, und die Gestalt der Persönlichkeit wird ins Tausendfältige vermehrt erscheinen.

Man gebe nun dieser Persönlichkeit etwa noch einen eitlen Sinn, ein leidenschaftliches Verlangen, sich abgespiegelt zurückkehren zu sehen, so würde man mit einem heiteren Gleichnisse die intentionellen Bilder auch eitle Bilder nennen können.

Noch ein andres Beispiel gebe endlich der Sache völlig den Ausschlag. Man mache sich auf den Weg zu irgendeinem Ziele, es stehe uns nun vor den Augen oder bloß vor den Gedanken, so ist zwischen dem Ziel und dem Vorsatz etwas das beide enthält, nämlich die Tat, das Fortschreiten.

Dieses Fortschreiten ist so gut als das Ziel: denn dieses wird gewiß erreicht, wenn der Entschluß fest und die Bedingungen zulänglich sind; und doch kann man dieses Fortschreiten immer nur intentionell nennen, weil der Wanderer noch immer so gut vor dem letzten Schritt als vor dem ersten paralysiert werden kann.

Intentionelle Farben, intentionelle Mischungen derselben sind also solche, die innerhalb des Durchsichtigen der Bedingung sich zu manifestieren entbehren. Die Bedingung aber, worunter jede Farbe nur erscheinen kann, ist eine doppelte: sie muß entweder ein Helles vor sich und ein Dunkles hinter sich, oder ein Dunkles vor sich und ein Helles hinter sich haben, wie von uns anderwärts umständlich ausgeführt worden. Doch stehe hier noch ein Beispiel, um dem Gesagten die möglichste Deutlichkeit zu geben.

Das Sonnenlicht falle in ein reines Zimmer zu den offnen Fenstern herein, und man wird in der Luft, in dem Durchsichtigen, den Weg des Lichtes nicht bemerken; man errege Staub und sogleich ist der Weg, den es nimmt, bezeichnet. Dasselbe gilt von den apparenten Farben, welche ein so gewaltsames Licht hinter sich haben. Das prismatische Bild wird sich auf seinem Wege vom Fenster bis zur Tafel kaum auszeichnen; man errege Staub und besonders von weißem Puder, so wird man es vom Austritt aus dem Prisma bis zur Tafel begleiten können: denn die Intention sich abzubilden wird jeden Augenblick erfüllt, ebenso als wenn ich einer Kolonne Soldaten entgegen und alsdann gerade durch sie hindurch ginge, wo mit jedem Manne der Zweck, das Regiment zu erreichen, erfüllt und, wenn wir so sagen dürfen, ricochetiert wird. Und so schließen wir mit einem sinnlichen Gleichnis, nachdem wir etwas, das nicht in die Sinne fallen kann, durch eine übersinnliche Gleichnisrede begreiflich zu machen gesucht haben.

Wie man nun zu sagen pflegt, daß jedes Gleichnis hinke, welches eigentlich nur so viel heißen will, daß es nicht identisch mit dem Verglichenen zusammenfalle, so muß eben dieses sogleich bemerkt werden, wenn man ein Gleichnis zu lange und zu umständlich durchführt, da die Unähnlichkeiten, welche durch den Glanz des Witzes verborgen wurden, nach und nach in einer traurigen, ja sogar abgeschmackten Realität zum Vorschein kommen. So ergeht es daher den Philosophen oft auf diese Weise, die nicht bemerken, daß sie mit einer Gleichnisrede anfangen und im Durch-und Ausführen derselben immer mehr ins Hinken geraten. So ging es auch mit den intentionellen Bildern (speciebus); anstatt daß man zufrieden gewesen wäre, durch ein geistiges Gleichnis diese unfaßlichen Wesen aus dem Reiche der Sinnlichkeit in ein geistigeres herübergespielt zu haben, so wollte man sie auf ihrem Wege haschen, sie sollten sein oder nicht sein, je nachdem man sich zu einer oder der andern Vorstellung geneigt fühlte, und der durch eine geistreiche Terminologie schon geschlichtete Streit ging wieder von vorn an. Diejenigen, welche realer gesinnt waren, worunter auch Aguilonius gehört, behaupteten: die Farben der Körper seien ruhig, müßig, träge; das Licht rege sie an, entreiße sie dem Körper, führe sie mit sich fort und streue sie umher, und so war man wieder bei der Erklärungsart des Epikur, die Lukrez so anmutig ausdrückt:

Häufig bemerket man das an den rötlichen, blauen, und gelben

Teppichen, welche gespannt hoch über das weite Theater

Wogend schweben, allda verbreitet an Masten und Balken.

Denn der Versammlung unteren Raum, den sämtlichen Schauplatz,

Sitze der Väter Mütter, der Götter erhabene Bilder,

Tünchen sie an, sie zwingend in ihrem Gefärbe zu schwanken.

Und sind enger umher des Theaters Wände verschlossen,

Dann lacht fröhlicher noch vom ergossenen Reize der Umfang,

Wenn genauer zusammengefaßt der Schimmer des Tags ist.

Lassen die Tücher demnach von der obersten Fläche die Schminke

Fahren; wie sollte denn nicht ein zartes Gebilde der Dinge

Jedes entlassen, da, ähnlicher Art, sie jedes vom Rand schießt?

Renatus Cartesius

geboren 1596, gestorben 1650

Das Leben dieses vorzüglichen Mannes wie auch seine Lehre wird kaum begreiflich, wenn man sich ihn nicht immer zugleich als französischen Edelmann denkt. Die Vorteile seiner Geburt kommen ihm von Jugend auf zustatten, selbst in den Schulen, wo er den ersten guten Unterricht im Lateinischen, Griechischen und in der Mathematik erhält. Wie er ins Leben tritt, zeigt sich die Fazilität in mathematischen Kombinationen bei ihm theoretisch und wissenschaftlich, wie sie sich bei andern im Spielgeist äußert.

Als Hof-, Welt- und Kriegsmann bildet er seinen geselligen sittlichen Charakter aufs höchste aus. In Absicht auf Betragen erinnere man sich, daß er Zeitgenosse, Freund und Korrespondent des hyperbolisch-komplimentösen Balzac war, den er in Briefen und Antworten auf eine geistreiche Weise gleichsam parodiert. Außerordentlich zart behandelt er seine Mitlebenden, Freunde, Studiengenossen, ja sogar seine Gegner. Reizbar und voll Ehrgefühl entweicht er allen Gelegenheiten, sich zu kompromittieren; er verharrt im hergebrachten Schicklichen und weiß zugleich seine Eigentümlichkeit auszubilden, zu erhalten und durchzuführen. Daher seine Ergebenheit unter die Aussprüche der Kirche, sein Zaudern, als Schriftsteller hervorzutreten, seine Ängstlichkeit bei den Schicksalen Galileis, sein Suchen der Einsamkeit und zugleich seine ununterbrochne Geselligkeit durch Briefe.

Seine Avantagen als Edelmann nutzt er in jüngern und mittlern Jahren; er besucht alle Hof-, Staats-, Kirchen- und Kriegsfeste; eine Vermählung, eine Krönung, ein Jubiläum, eine Belagerung kann ihn zu einer weiten Reise bewegen; er scheut weder Mühe noch Aufwand noch Gefahr, um nur alles mit Augen zu sehen, um mit seinesgleichen, die sich jedoch in ganz anderm Sinne in der Welt herumtummeln, an den merkwürdigsten Ereignissen seiner Zeit ehrenvoll teilzunehmen.

Wie man nun dieses Aufsuchen einer unendlichen Empirie an ihm verulamisch nennen könnte, so zeigt sich an dem stets wiederholten Versuch der Rückkehr in sich selbst, in der Ausbildung seiner Originalität und Produktionskraft ein glückliches Gegengewicht. Er wird müde, mathematische Probleme aufzugeben und aufzulösen, weil er sieht, daß dabei nichts herauskommt; er wendet sich gegen die Natur und gibt sich im einzelnen viele Mühe; doch mochte ihm als Naturforscher manches entgegenstehen. Er scheint nicht ruhig und liebevoll an den Gegenständen zu verweilen, um ihnen etwas abzugewinnen; er greift sie als auflösbare Probleme mit einiger Hast an und kommt meistenteils von der Seite des kompliziertesten Phänomens in die Sache.

Dann scheint es ihm auch an Einbildungskraft und an Erhebung zu fehlen. Er findet keine geistigen lebendigen Symbole, um sich und andern schwer auszusprechende Erscheinungen anzunähern. Er bedient sich, um das Unfaßliche, ja das Unbegreifliche zu erklären, der krudesten sinnlichen Gleichnisse. So sind seine verschiedenen Materien, seine Wirbel, seine Schrauben, Haken und Zacken niederziehend für den Geist, und wenn dergleichen Vorstellungsarten mit Beifall aufgenommen wurden, so zeigt sich daraus, daß eben das Roheste, Ungeschickteste der Menge das Gemäßeste bleibt.

In dieser Art ist denn auch seine Lehre von den Farben. Das Mittlere seiner Elemente besteht aus Lichtkügelchen, deren direkte gemessene Bewegung nach einer gewissen Geschwindigkeit wirkt. Bewegen sich die Kügelchen rotierend, aber nicht geschwinder als die gradlinigen, so entsteht die Empfindung von Gelb. Eine schnellere Bewegung derselben bringt Rot hervor, und eine langsamere als die der gradlinigen Blau. Schon früher hatte man der mehrern Stärke des Stoßes aufs Auge die Verschiedenheit der Farben zugeschrieben.

Cartesius’ Verdienste um den Regenbogen sind nicht zu leugnen. Aber auch hier, wie in andern Fällen, ist er gegen seine Vorgänger nicht dankbar. Er will nun ein für allemal ganz original sein; er lehnt nicht allein die lästige Autorität ab, sondern auch die förderliche. Solche Geister, ohne es beinahe selbst gewahr zu werden, verleugnen, was sie von ihren Vorgängern gelernt und was sie von ihren Mitlebenden genutzt. So verschweigt er den Antonius De Dominis, der zuerst die Glaskugel angewendet, um die ganze Erscheinung des Regenbogens innerhalb des Tropfens zu beschränken, auch den innern Regenbogen sehr gut erklärt hat.

Descartes hingegen hat ein bedeutendes Verdienst um den äußern Regenbogen. Es gehörte schon Aufmerksamkeit dazu, die zweite Reflexion zu bemerken, wodurch er hervorgebracht wird, so wie sein mathematisches Talent dazu nötig war, um die Winkel zu berichtigen, unter denen das Phänomen ins Auge kommt.

Die Linearzeichnungen jedoch, welche er, um den Vorgang deutlich zu machen, aussinnt, stellen keineswegs die Sache dar, sondern deuten sie nur an. Diese Figuren sind ein abstraktes kompendiöses Sapienti sat, belehren aber nicht über das Phänomen, indem sie die Erscheinung auf einfache Strahlen zurückführen, da doch eigentlich Sonnenbilder im Grunde des Tropfens verengt, zusammengeführt und übereinander verschränkt werden. Und so konnten diese Cartesischen, einzelne Strahlen vorstellenden Linien der Newtonischen Erklärung des Regenbogens günstig zum Grunde liegen.

Der Regenbogen als anerkannter Refraktionsfall führt ihn zu den prismatischen einfacheren Versuchen. Er hat ein Prisma von 30 bis 40 Graden, legt es auf ein durchlöchert Holz und läßt die Sonne hindurchscheinen; das ganze kolorierte Spektrum erblickt er bei kleiner Öffnung: weil aber sein Prisma von wenig Graden ist, so kann er leicht, bei vergrößerter Öffnung, den weißen Raum in der Mitte bemerken.

Hierdurch gelangt er zu der Haupteinsicht, daß eine Beschränkung nötig sei, um die prismatischen Farben hervorzubringen. Zugleich sieht er ein, daß weder die Ründe der Kugel noch die Reflexion zur Hervorbringung der Farbenerscheinung beitrage, weil beides beim Prisma nicht stattfindet und die Farbe doch mächtig erscheint. Nun sucht er auch im Regenbogen jene nötige Beschränkung und glaubt sie in der Grenze der Kugel, in dem dahinter ruhenden Dunkel anzutreffen, wo sie denn freilich, wie wir künftig zeigen werden, nicht zu suchen ist.

Athanasius Kircher

geboren 1601, gestorben 1680

Er gibt in dem Jahre 1646 sein Werk Ars magna lucis et umbrae heraus. Der Titel sowie das Motto Sicut tenebrae eius ita et lumen eius, verkündigen die glückliche Hauptmaxime des Buches. Zum erstenmal wird deutlich und umständlich ausgeführt, daß Licht, Schatten und Farbe als die Elemente des Sehens zu betrachten, wie denn auch die Farben als Ausgeburten jener beiden ersten dargestellt sind.

Nachdem er Licht und Schatten im allgemeinen behandelt, gelangt er im dritten Teile des ersten Buches an die Farbe, dessen Vorrede wir übersetzt einschalten.

Vorrede

»Es ist gewiß, daß in dem Umfange unseres Erdkreises kein dergestalt durchsichtiger Körper sich befinde, der nicht einige Dunkelheit mit sich führe. Daraus folgt, daß wenn kein dunkler Körper in der Welt wäre, weder eine Rückstrahlung des Lichtes, noch in den verschiedenen Mitteln eine Brechung desselben, und auch keine Farbe sichtbar sein würde, als jene erste, die zugleich im Lichte mit geschaffen ist. Hebt man aber die Farbe auf, so wird zugleich alles Sehen aufgehoben, da alles Sichtbare nur vermöge der gefärbten Oberfläche gesehen wird; ja der leuchtende Körper der Sonne könnte nicht einmal gesehen werden, wenn er nicht dunkel wäre, dergestalt daß er unserem Sehen widerstünde; woraus unwidersprechlich folgt, daß kein Licht ohne Schatten und kein Schatten ohne Licht auf irgendeine Weise sein könne. Ja der ganze Schmuck der Welt ist aus Licht und Schatten dergestalt bereitet, daß, wenn man eins von beiden wegnähme, die Welt nicht mehr Kosmos heißen, noch die verwundernswürdige Schönheit der Natur auf irgendeine Weise dem Gesicht sich darstellen könnte. Denn alles, was sichtlich in der Welt ist, ist es nur durch ein schattiges Licht oder einen lichten Schatten. Da also die Farbe die Eigenschaft eines dunklen Körpers ist, oder wie einige sagen, ein beschattetes Licht, des Lichts und des Schattens echte Ausgeburt, so haben wir hier davon zu handlen, auf daß die größte Zierde der irdischen Welt und wieviel Wundersames dadurch bewirkt werden kann, dem Leser bekannt werde.«

Erstes Kapitel. Unser Verfasser möchte, um sich sogleich ein recht methodisches Ansehn zu geben, eine Definition vorausschicken und wird nicht gewahr, daß man eigentlich ein Werk schreiben muß, um zur Definition zu kommen. Auch ist hier weiter nichts geleistet, als daß dasjenige angeführt und wiederholt wird, wie die Griechen sich über diesen Gegenstand auszudrücken pflegten.

Zweites Kapitel. Von der vielfachen Mannigfaltigkeit der Farben. Er hält sich hiebei an das Schema des Aguilonius, das er mit einiger Veränderung benutzt. Er behauptet, alle Farben seien wahr, worin er in gewissem Sinne recht hat, will von den andern Einteilungen nichts wissen, worin er didaktisch unrecht hat. Genug, er gründet sich darauf, daß jede Farbe, sie möge an Körpern oder sonst erscheinen, eine wahre entschiedene Ursache hinter sich habe.

Drittes Kapitel. Chromatismus der Luft. Er handelt von den Farben des Himmels und des Meeres und bringt verschiedene ältere Meinungen über die Bläue der Luft vor. Wir übersetzen die Stelle, welche seine eigenen Gedanken enthält, um den Leser urteilen zu lassen, wie nahe er an der echten Erklärungsart gewesen. Denn er fühlt die Bedeutsamkeit des nicht völlig Durchsichtigen, wodurch wir ja zunächst auf die Trübe hingeleitet werden.

Warum der Himmel blau erscheint

»Zuvörderst muß man wissen, daß unser Gesicht nichts sehen könne, als was eine Farbe hat. Weil aber das Gesicht nicht immer auf dunkle Körper oder Körper von gefärbter Oberfläche gerichtet ist, sondern auch sich in den unendlichen Luftraum und in die himmlischen durchsichtigen Fernen, welche keine Düsternheit haben, verliert, wie wenn wir den heiteren Himmel und entfernte hohe Gebirgsgipfel betrachten; so war, damit eine solche Handlung nicht ihres Zweckes beraubt werde und sich im Grenzenlosen verliere, die Natur schuldig, jenem durchsichtigen unendlichen Mittel eine gewisse Farbe zu verleihen, auf daß der Blick eine Grenze fände, nicht aber in Finsternis und Nichts ausliefe. Eine solche Farbe nun konnte weder Weiß, Gelb noch Rot sein, indem diese, als dem Licht benachbart und verwandt, einen unterliegenden Gegenstand verlangen, um gesehen werden zu können. Denn was nahe ist, vergleicht sich dem Lichte, und das Fernste der Finsternis. Deswegen auch helle Farben, wenn man sie in einem bestimmten Raum gewahr wird, desto mehr zum Schatten und zur Finsternis sich neigen, je mehr sie sich vom Lichte oder der Sehkraft entfernen. Der Blick jedoch, der in jene unendliche ätherische Räume dringt, sollte zuletzt begrenzt werden und war sowohl wegen der unendlichen Ferne als wegen der unendlichen Vermannigfaltigung der Luftschichten nur durch Finsternis zu begrenzen, eine schwarze Farbe aber wollte sich weder für die Augen, noch für die Welt schicken; deswegen beriet sich die Natur aufs weiseste, und zwischen den lichten Farben, dem Weißen, Gelben und Roten und dem eigentlich Finstern fand sich eine Mittelfarbe, nämlich die blaue, die aus einer ungleichen Mischung des Lichtes und der Finsternis bestand. Durch diese nun, wie durch einen höchst angenehmen Schatten, sollte der Blick begrenzt sein, daß er vom Hellen nicht so sehr zerstreut, vom Finstern nicht zu sehr zusammengezogen oder von dem Roten entzündet würde, und so stellte die Natur das Blaue dazwischen, zunächst an der Finsternis, so daß das Auge, ohne verletzt zu werden, die erfreulichen Himmelsräume durch ihre Vorsehung mit Vergnügen und Bewunderung betrachten kann.«

Die Naivetät, womit Kircher um die Sache herumgeht, ist merkwürdig genug. Man könnte sie komisch nennen, wenn man nicht dabei ein treues Bestreben wahrnähme. Und ist er es doch nicht allein, sind doch bis auf den heutigen Tag noch Menschen, denen die Vorstellungsart der Endursachen gefällt, weil sie wirklich etwas Geistiges hat und als eine Art von Anthropomorphism angesehen werden kann. Dem Aufmerksameren freilich wird nicht entgehen, daß man der Natur nichts abgewinnen kann, wenn man ihr, die bloß notwendig handelt, einen Vorsatz unterschiebt und ihren Resultaten ein zweckmäßiges Ansehen verleihen möchte.

Viertes Kapitel. Chromatismus der Brechung. Die Farben des Prismas erklärt er wie Antonius De Dominis dadurch, daß die hellsten Farben beim Durchgang durch die schwächste Seite des Glases, die dunkelsten beim Durchgang durch die stärksten Seiten des Glases entstehen.

Die Erfahrung mit dem nephritischen Holze trägt er weitläuftig vor.

Fünftes Kapitel. Chromatismus der Metalle, Gefärbtheit durchsichtiger Steine, der Salze, der Metallkalke.

Sechstes Kapitel. Chromatismus der Pflanzen. Besonders wird gefragt: wie man Pflanzen färben könne.

Siebentes Kapitel. Chromatismus der Tiere. Er bringt zur Sprache, warum Pferde nicht grün und blau sein können; warum die vierfüßigen Tiere nicht goldfarben aussehen, warum hingegen die Vögel und Insekten alle Arten von Farben annehmen. Auf welche Fragen durchaus er, wie man wohl erwarten kann, keine befriedigende Antwort gibt. Von den Farben des Chamäleons werden eigene Erfahrungen beigebracht.

Achtes Kapitel. Vom Urteil nach Farben, und zwar zuerst von den Farben des Himmels, der Wolken; Beurteilung der Steine, Pflanzen und Tiere nach den Farben. Hiezu werden Regeln gegeben. Beurteilung der Menschen, ihre Komplexion und sonstige Eigenschaften betreffend, nach den verschiedenen Farben der Haut, der Augen, der Haare. Der Farben des Urins wird gedacht, wobei zu bemerken ist, daß bei Gelegenheit des Urins die Farben schon früher zur Sprache gekommen, und wenn wir nicht irren, ein Büchlein De urinis der Abhandlung des Theophrast über die Farben bei einer früheren Edition hinzugefügt ist.

Kircher hat bei dem vielen, was er unternommen und geliefert, in der Geschichte der Wissenschaften doch einen sehr zweideutigen Ruf. Es ist hier der Ort nicht, seine Apologie zu übernehmen; aber so viel ist gewiß: die Naturwissenschaft kommt uns durch ihn fröhlicher und heiterer entgegen als bei keinem seiner Vorgänger. Sie ist aus der Studierstube, vom Katheder in ein bequemes wohlausgestattetes Kloster gebracht, unter Geistliche, die mit aller Welt in Verbindung stehen, auf alle Welt wirken, die Menschen belehren, aber auch unterhalten und ergetzen wollen.

Wenn Kircher auch wenig Probleme auflöst, so bringt er sie doch zur Sprache und betastet sie auf seine Weise. Er hat eine leichte Fassungskraft, Bequemlichkeit und Heiterkeit in der Mitteilung, und wenn er sich aus gewissen technischen Späßen, Perspektiv- und Sonnenuhr-Zeichnungen gar nicht loswinden kann, so steht die Bemerkung hier am Platze, daß, wie jenes im vorigen Jahrhundert bemerkliche höhere Streben nachläßt, wie man mit den Eigenschaften der Natur bekannter wird, wie die Technik zunimmt, man nun das Ende von Spielereien und Künsteleien gar nicht finden, sich durch Wiederholung und mannigfaltige Anwendung eben derselben Erscheinung, eben desselben Gesetzes, niemals ersättigen kann; wodurch zwar die Kenntnis verbreitet, die Ausübung erleichtert, Wissen und Tun aber zuletzt geistlos wird. Witz und Klugheit arbeiten indessen jenen Forderungen des Wunderbaren entgegen und machen die Taschenspielerei vollkommner.

Wir wollen hier noch zum Schlusse des Pater Bonacursius gedenken, der mit Kirchern auf die Dauer des Bildeindrucks im Auge aufmerksam ward. Zufälligerweise war es das Fensterkreuz, das sie von jener merkwürdigen physiologischen Erscheinung belehrte, und es ist ihnen als Geistlichen nicht zu verargen, daß sie zuerst der Heiligkeit dieser mathematischen Figur eine solche Wunderwirkung zuschreiben. Übrigens ist dies einer von den wenigen Fällen, wo eine Art von Aberglaube sich zur Betrachtung der Farbenerscheinung gesellt hat.

Marcus Marci

geboren 1595, gestorben 1667

Die großen Wirkungen, welche Kepler und Tycho de Brahe, in Verbindung mit Galilei, im südlichen Deutschland hervorgebracht, konnten nicht ohne Folge bleiben, und es läßt sich bemerken, daß in den kaiserlichen Staaten, sowohl bei einzelnen Menschen als ganzen Gesellschaften, dieser erste kräftige Anstoß immer fortwirkt.

Marcus Marci, etliche und zwanzig Jahre jünger als Kepler, ob er sich gleich vorzüglich auf Sprachen gelegt hatte, scheint auch durch jenen mathematisch-astronomischen Geist angeregt worden zu sein. Er war zu Landskron geboren und zuletzt Professor in Prag. Bei allen seinen Verdiensten, die von seinen gleichzeitigen Landsleuten höchlich geschätzt wurden, fehlte es ihm doch eigentlich, soviel wir ihn beurteilen können, an Klarheit und durchdringendem Sinn. Sein Werk, das uns hier besonders angeht, Thaumantias, Liber de arcu coelesti, deque colorum apparentium natura, ortu et causis, zeugt von dem Ernst, Fleiß und Beharrlichkeit des Verfassers; aber es hat im ganzen etwas Trübseliges. Er ist mit den Alten noch im Streit, mit den Neuern nicht einig, und kann die Angelegenheit, mit der er sich eigentlich beschäftigt, nicht in die Enge bringen; welches freilich eine schwere Aufgabe ist, da sie nach allen Seiten hindeutet.

Einsicht in die Natur kann man ihm nicht absprechen; er kennt die prismatischen Versuche sehr genau; die dabei vorkommende farblose Refraktion, die Färbung sowohl in objektiven als subjektiven Fällen hat er vollständig durchgearbeitet: es mangelt ihm aber an Sonderungsgabe und Ordnungsgeist. Sein Vortrag ist unbequem, und wenn man auch begreift, wie er auf seinem Weg zum Zweck zu gelangen glaubte, so ist es doch ängstlich, ihm zu folgen.

Bald stellt er fremde Sätze auf, mit denen er streitet, bald seine eigenen, denen er gleichfalls opponiert, sodann aber sie wieder rechtfertigt, dergestalt daß nichts auseinander tritt, vielmehr eins über das andre hingeschoben wird.

Die prismatischen Farben entstehen ihm aus einer Kondensation des Lichts; er streitet gegen die, welche den Schatten zu einer notwendigen Bedingung dieser Erscheinung machen, und muß doch bei subjektiven Versuchen sepimenta und interstitia umbrosa verlangen und hinzufügen: cuius ratio est, quod species lucis aut color se mediam infert inter umbrosa intervalla. Auch ist zu bemerken, daß wir bei ihm schon eine diverse Refraktion finden.

So wie in Methode und Vortrag, also auch in Sprache und Stil ist er Keplern entgegengesetzt. Wenn man bei diesem mit Lust Materien abgehandelt sieht, die man nicht kennt, und ihn zu verstehen glaubt; so wird bei jenem dasjenige, was man sehr gut versteht, wovon wir die genaueste Kenntnis haben, durch eine düstre Behandlung verworren, trüb, ja man darf sagen ausgelöscht. Um sich hiervon zu überzeugen, lese derjenige, dem die subjektiven prismatischen Versuche vollkommen bekannt sind, die Art, wie der Verfasser das Phänomen erklärt S. 184.

De la Chambre

geboren 1594, gestorben 1669

La Lumière, par le Sieur De la Chambre, Conseiller du Roy en Ses Conseils, et son Médecin ordinaire. Paris 1657.

Kircher hatte ausgesprochen, daß die Farben Kinder des Lichts und des Schattens seien; Cartesius hatte bemerkt, daß zum Erscheinen der prismatischen Farben eine Beschränkung mitwirken müsse: man war also von zwei Seiten her auf dem Wege, das Rechte zu treffen, indem man jenen dem Licht entgegengesetzten Bedingungen ihren integrierenden und konstituierenden Anteil an der Farbenerscheinung zugestand.

Man warf sich jedoch bald wieder auf die entgegengesetzte Seite und suchte alles in das Licht hineinzulegen, was man hernach wieder aus ihm herausdemonstrieren wollte. Der einfache Titel des Buchs La Lumière, im Gegensatz mit dem Kircherischen, ist recht charakteristisch. Es ist dabei darauf angesehen, alles dem Lichte zuzuschieben, ihm alles zuzuschreiben, um nachher alles wieder von ihm zu fordern.

Diese Gesinnung nahm immer mehr überhand, je mehr man sich dem Aristoteles entgegenstellte, der das Licht als ein Akzidens, als etwas, das einer bekannten oder verborgenen Substanz begegnen kann, angesehen hatte. Nun wurde man immer geneigter, das Licht wegen seiner ungeheuern Wirkungen nicht als etwas Abgeleitetes anzusehen; man schrieb ihm vielmehr eine Substanz zu, man sah es als etwas Ursprüngliches, für sich Bestehendes, Unabhängiges, Unbedingtes an; doch mußte diese Substanz, um zu erscheinen, sich materiieren, materiell werden, Materie werden, sich körperlich und endlich als Körper darstellen, als gemeiner Körper, der nun Teile aller Art enthalten, auf das verschiedenste und wunderlichste gemischt, und ungeachtet seiner anscheinenden Einfalt als ein heterogenes Wesen angesehen werden konnte. Dies ist der Gang, den von nun an die Theorie nimmt und die wir in der Newtonischen Lehre auf ihrem höchsten Punkte finden.

Jene frühere Erklärungsart aber, die wir durch Kirchern umständlicher kennen gelernt, geht neben der neuern bis zu Ende des Jahrhunderts immer parallel fort, bildet sich immer mehr und mehr aus und tritt noch einmal zuletzt ganz deutlich in Nuguet hervor, wird aber von der Newtonischen völlig verdrängt, nachdem sie vorher durch Boyle beiseitegeschoben war.

De la Chambre selbst erscheint uns als ein Mann von sehr schwachen Kräften: es ist weder Tiefe in sei nen Konzeptionen, noch Scharfsinn in seinen Kontroversen. Er nimmt vier Arten Licht in der Natur an; die erste sei das innere, radikale, gewissen Körpern wesentliche, das Licht der Sonne, der Sterne, des Feuers; das andre ein äußeres, abgeleitetes, vorübergehendes, das Licht der von jenen Körpern erleuchteten Gegenstände. Nun gibt es, nach seiner Lehre, noch andre Lichter, die vermindert und geschwächt sind und nur einige Teile jener Vollkommenheit besitzen, das sind die Farben. Man sieht also, daß von einer Seite eine Bedingung zugegeben werden muß, die das Licht schwächt, und daß man von der andern wieder dem Lichte eine Eigenschaft zuschreibt, gleichsam ohne Bedingung geschwächt sein zu können. Wir wollen übrigens dem Verfasser in seiner Deduktion folgen.

Erster Artikel. Daß das äußre Licht von derselben Art sei wie das radikale. Nachdem er Wirkung und Ursache getrennt, welche in der Natur völlig zusammenfallen, so muß er sie hier wieder verknüpfen und also seine Einteilung gewissermaßen wieder aufheben.

Zweiter Artikel. Daß die apparenten Farben nichts anders als das Licht selbst seien. Auch hier muß er das Mittel, wodurch das Licht durchgeht, als Bedingung voraussetzen; diese Bedingung soll aber nichts als eine Schwächung hervorbringen.

Dritter Artikel. Das Licht vermische sich nicht mit der Dunkelheit (obscurité). Es ist ja aber auch nicht von der Dunkelheit die Rede, sondern von dem Schatten, mit welchem das Licht sich auf manche Weise verbinden, und der unter gewissen Umständen zur Bedingung werden kann, daß Farben erscheinen, so wie bei den Doppelbildern schattengleiche Halbbilder entstehen, welche eben in den Fall kommen können farbig zu sein. Alles übrige schon oft Gesagte wollen wir hier nicht wiederholen.

Vierter Artikel. Das Licht vermische sich nicht mit dem Düstern (opacité). Bei dem prismatischen Falle, wovon er spricht, mag er zwar in gewissem Sinne recht haben: denn die Farben entstehen nicht aus dem einigermaßen Düstern des Prismas, sondern an dem zugleich gewirkten Doppelbilde. Hat man aber die Lehre vom Trüben recht inne, so sieht man, wie das, was man allenfalls auch düster nennen könnte, nämlich das nicht vollkommen Durchsichtige, das Licht bedingen kann, farbig zu erscheinen.

Fünfter Artikel. Daß das Licht, indem es sich in Farbe verwandelt, seine Natur nicht verändere. Hier wiederholt er nur die Behauptung: die Farben seien bloß geschwächte Lichter.

Sechster Artikel. Welche Art von Schwächung das Licht in Farbe verwandle. Durch ein Gleichnis, vom Ton hergenommen, unterscheidet er zwei Arten der Schwächung des Lichtes: die erste vergleicht er einem Ton, der durch die Entfernung geschwächt wird, und das ist nun seine dritte Art Licht; die zweite vergleicht er einem Ton, der von der Tiefe zur Höhe übergeht und durch diese Veränderung schwächer wird, dieses ist nun seine vierte Art Licht, nämlich die Farbe. Die erste Art möchte man eine quantitative und die zweite eine qualitative nennen, und dem Verfasser eine Annährung an das Rechte nicht ableugnen. Am Ende, nachdem er die Sache weitläuftig auseinander gesetzt, zieht er den Schluß, daß die Farben nur geschwächte Lichter sein können, weil sie nicht mehr die Lebhaftigkeit haben, welche das Licht besaß, woraus sie entspringen. Wir geben gern zu, daß die Farben als geschwächte Lichter angesehen werden können, die aber nicht aus dem Licht entspringen, sondern an dem Licht gewirkt werden.

Siebenter Artikel. Daß die apparenten und die fixen Farben beide von einerlei Art seien. Daß die sämtlichen Farben, die physiologischen apparenten und fixen, untereinander in der größten Verwandtschaft stehen, wäre Torheit zu leugnen. Wir selbst haben diese Verwandtschaft in unserm Entwurfe abzuleiten und, wo es nicht möglich war, sie ganz durchzuführen, sie wenigstens anzudeuten gesucht.

Achter Artikel. Daß die fixen Farben nicht vom Sonnenlichte herkommen. Er streitet hier gegen diejenigen, welche die Oberfläche der Körper aus verschieden gestalteten Teilchen zusammensetzen und von diesen das Licht verschiedenfarbig zurückstrahlen lassen. Da wir den fixen Farben einen chemischen Ursprung zugestehen und eine gleiche Realität wie andern chemischen Phänomenen, so können wir den Argumenten des Verfassers beitreten. Uns ist Lackmus in der Finsternis so gut gelbrot als der zugemischte Essig sauer, ebenso gut blaurot als das dazugemischte Alkali fade. Man könnte, um es hier im Vorbeigehen zu sagen, die Farben der Finsternis auch intentionell nennen: sie haben die Intention ebenso gut, zu erscheinen und zu wirken, als ein Gefangner im Gefängnis, frei zu sein und umher zu gehen.

Neunter Artikel. Daß die Farben keine Flammen seien. Dieses ist gegen den Plato gerichtet, der indessen, wenn man seine Rede gleichnisweise nehmen will, der Sache nahe genug kommt; denn der Verfasser muß ja im

Zehnten Artikel behaupten: daß die fixen Farben innerliche Lichter der Körper seien. Was hier zur Sprache kommt, drückt sich viel besser aus durch die später von Delaval hauptsächlich urgierte notwendige Bedingung zum Erscheinen der fixen Farben, daß sie nämlich einen hellen Grund hinter sich haben müssen, bis zu dem das auffallende Licht hindurchdringt, durch die Farbe zum Auge zurückkehrt, sich mit ihr gleichsam tingiert und auf solche Weise spezifisch fortwirkt. Das gleiche geschieht beim Durchscheinen eines ursprünglich farblosen Lichtes durch transparente farbige Körper oder Flächen. Wie nun aber dies zugehe, daß die den Körpern angehörigen Lichter durch das radikale Licht aufgeweckt werden, darüber verspricht uns der Verfasser in seinem Kapitel von der Wirkung des Lichtes zu belehren, wohin wir ihm jedoch zu folgen nicht ratsam finden. Wir bemerken nur noch, daß er in seinem

Elften Artikel nun die vier verschiedenen Lichter fertig hat, nämlich das Licht, das den leuchtenden Körpern angehört, dasjenige, was sie von sich abschicken, das Licht, das in den fixen Farben sich befindet, und das, was von diesen als Wirkung, Gleichnis, Gleichartiges, Spezies, espèce abgesendet wird. Dadurch erhält er also zwei vollkommene und völlig radikale, den Körpern eigene, sowie zwei geschwächte und verminderte äußerliche und vorübergehende Lichter.

Auf diesem Wege glaubt er nun dem Licht oder den Lichtern, ihrem Wesen und Eigenschaften näher zu dringen, und schreitet nun im zweiten Kapitel des ersten Buchs zur eigentlichen Abhandlung. Da jedoch das, was uns interessiert, nämlich seine Gesinnung über Farbe, in dem ersten Kapitel des ersten Buchs völlig ausgesprochen ist, so glauben wir ihm nicht weiter folgen zu müssen, um so weniger, als wir schon den Gewinn, den wir von der ganzen Abhandlung haben könnten, nach dem bisher Gesagten zu schätzen imstande sind.

Isaac Vossius

geboren 1618, gestorben 1689

Sohn und Bruder vorzüglicher Gelehrten und für die Wissenschaften tätiger Mensch. Frühe wird er in alten Sprachen und den damit verbundenen Kenntnissen unterrichtet. In ihm entwickelt sich eine leidenschaftliche Liebhaberei zu Manuskripten. Er bestimmt sich zum Herausgeber alter Autoren und beschäftigt sich vorzüglich mit geographischen und astronomischen Werken. Hier mag er empfinden, wie notwendig zu Bearbeitung derselben Sachkenntnisse gefordert werden; und so nähert er sich der Physik und Mathematik. Weite Reisen befördern seine Naturanschauung.

Wie hoch man seine eigenen Arbeiten in diesem Fache anzuschlagen habe, wollen wir nicht entscheiden. Sie zeugen von einem hellen Verstand und ernsten Willen. Man findet darin originelle Vorstellungsarten, welche uns Freude machen, wenn sie auch mit den unsrigen nicht übereinstimmen. Seine Zeitgenossen, meist Descartes’ Schüler, sind übel mit ihm zufrieden und lassen ihn nicht gelten.

Uns interessiert hier vorzüglich sein Werk De lucis natura et proprietate. Amstelodami 1662; wozu er später einen polemischen Nachtrag herausgegeben. Wie er über die Farben gedacht, lassen wir ihn selbst vortragen.

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