Gesetz der Trübe

Freunde, flieht die dunkle Kammer,

Wo man euch das Licht verzwickt,

Und mit kümmerlichstem Jammer

Sich verschrobnen Bildern bückt.

Abergläubische Verehrer

Gab’s die Jahre her genug;

In den Köpfen eurer Leerer

Laßt Gespenst und Wahn und Trug.

Wenn der Blick an heitern Tagen

Sich zur Himmelsbläue lenkt,

Beim Siroc der Sonnenwagen

Purpurroth sich niedersenkt,

Da gebt der Natur die Ehre,

Froh, an Aug’ und Herz gesund,

Und erkennt der Farbenlehre

Allgemeinen ewigen Grund.

 
 * 

Angedenken

Angedenken an das Gute

Hält uns immer frisch bei Muthe.

Angedenken an das Schöne

Ist das Heil der Erdensöhne.

Angedenken an das Liebe,

Glücklich! wenn’s lebendig bliebe.

Angedenken an das Eine

Bleibt das Beste, was ich meine.

 
 * 

Gegenwart

Alles kündet dich an!

Erscheinet die herrliche Sonne,

Folgst du, so hoff ich es, bald.

Trittst du im Garten hervor,

So bist du die Rose der Rosen,

Lilie der Lilien zugleich.

Wenn du im Tanze dich regst,

So regen sich alle Gestirne

Mit dir und um dich umher.

Nacht! und so wär es denn Nacht!

Nun überscheinst du des Mondes

Lieblichen, ladenden Glanz.

Ladend und lieblich bist du,

Und Blumen, Mond und Gestirne

Huldigen, Sonne, nur dir.

Sonne! so sei du auch mir

Die Schöpferin herrlicher Tage;

Leben und Ewigkeit ists.

 
 * 

Der Totentanz

Der Türmer, der schaut zu mitten der Nacht

Hinab auf die Gräber in Lage;

Der Mond, der hat alles ins Helle gebracht:

Der Kirchhof, er liegt wie am Tage.

Da regt sich ein Grab und ein anderes dann:

Sie kommen hervor, ein Weib da, ein Mann,

in weißen und schleppenden Hemden.

Das reckt nun, es will sich ergötzen sogleich,

Die Knöchel zur Runde, zum Kranze,

So arm und so jung und so alt und so reich;

Doch hindern die Schleppen am Tanze.

Und weil nun die Scham hier nun nicht weiter gebeut,

Sie schütteln sich alle: da liegen zerstreut

Die Hemdlein über den Hügeln.

Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein,

Gebärden da gibt es, vertrackte;

Dann klippert’s und klappert’s mitunter hinein,

Als schlüg’ man die Hölzlein zum Takte.

Das kommt nun dem Türmer so lächerlich vor;

Da raunt ihm der Schalk, der Versucher, ins Ohr:

Geh! hole dir einen der Laken.

Getan wie gedacht! und er flüchtet sich schnell

Nun hinter geheiligte Türen.

Der Mond, und noch immer er scheinet so hell

Zum Tanz, den sie schauderlich führen.

Doch endlich verlieret sich dieser und der,

Schleicht eins nach dem andern gekleidet einher,

Und husch! ist es unter dem Rasen.

Nur einer, der trippelt und stolpert zuletzt

Und tappet und grapst an den Grüften;

Doch hat kein Geselle so schwer ihn verletzt,

Er wittert das Tuch in den Lüften.

Er rüttelt die Turmtür, sie schlägt ihn zurück,

Geziert und gesegnet, dem Türmer zum Glück:

Sie blinkt von metallenen Kreuzen.

Das Hemd muß er haben, da rastet er nicht,

Da gilt auch kein langes Besinnen,

Den gotischen Zierat ergreift nun der Wicht

Und klettert von Zinnen zu Zinnen.

Nun ist’s um den armen, den Türmer getan!

Es ruckt sich von Schnörkel zu Schnörkel hinan,

Langbeinigen Spinnen vergleichbar.

Der Türmer erbleichet, der Türmer erbebt,

Gern gäb’ er ihn wieder, den Laken.

Da häkelt – jetzt hat er am längsten gelebt –

Den Zipfel ein eiserner Zacken.

Schon trübet der Mond sich verschwindenden Scheins,

Die Glocke, sie donnert ein mächtiges Eins,

Und unten zerschellt das Gerippe.

 
 * 

Vergebliche Mühe

Willst du der getreue Eckart sein

Und Jedermann vor Schaden warnen,

’s ist auch eine Rolle, sie trägt nichts ein:

Sie laufen dennoch nach den Garnen.

 
 * 

Nähe des Geliebten

Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer

Vom Meere strahlt;

Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer

In Quellen malt.

Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege

Der Staub sich hebt;

In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege

Der Wandrer bebt.

Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen

Die Welle steigt.

Im stillen Haine geh ich oft zu lauschen,

Wenn alles schweigt.

Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne,

Du bist mir nah!

Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne.

O wärst du da!

 
 * 

Typus

Es ist nichts in der Haut,

Was nicht im Knochen ist.

Vor schlechtem Gebilde Jedem graut,

Das ein Augenschmerz ihm ist.

Was freut denn Jeden. Blühen zu sehn,

Das von innen schon gut gestaltet:

Außen mag’s in Glätte, mag in Farben gehn,

Es ist ihm schon voran gewaltet.

 
 * 

Vor Gericht

Von wem ich es habe, das sag’ ich euch nicht,

Das Kind in meinem Leib.–

Pfui! speit ihr aus: die Hure da!–

Bin doch ein ehrlich Weib.

Mit wem ich mich traute, das sag’ ich euch nicht.

Mein Schatz ist lieb und gut,

Trägt er eine goldene Kett’ am Hals,

Trägt er einen strohernen Hut.

Soll Spott und Hohn getragen sein,

Trag’ ich allein den Hohn.

Ich kenn’ ihn wohl, er kennt mich wohl,

Und Gott weiß auch davon.

Herr Pfarrer und Herr Amtmann ihr,

Ich bitte, laßt mich in Ruh!

Es ist mein Kind, es bleibt mein Kind,

Ihr gebt mir ja nichts dazu.

 
 * 

Gedichte sind gemalte Fensterscheiben

Gedichte sind gemalte Fensterscheiben!

Sieht man vom Markt in die Kirche hinein,

da ist alles dunkel und düster;

und so sieht’s auch der Herr Philister:

Der mag denn wohl verdrießlich sein

und lebenslang verdrießlich bleiben.

Kommt aber nur einmal herein!

Begrüßt die heilige Kapelle;

da ist’s auf einmal farbig helle,

Geschieht’ und Zierat glänzt in Schnelle,

bedeutend wirkt ein edler Schein;

dies wird euch Kindern Gottes taugen,

erbaut euch und ergetzt die Augen!

 
 * 

Im Sommer

Wie Feld und Au

So blinkend im Thau!

Wie perlenschwer

Die Pflanzen umher!

Wie durch’s Gebüsch

Die Winde so frisch!

Wie laut im hellen Sonnenstrahl

Die süßen Vöglein allzumal!

Ach, aber da,

Wo Liebchen ich sah,

Im Kämmerlein,

So nieder und klein,

So rings bedeckt,

Der Sonne versteckt,

Wo blieb die Erde weit und breit

Mit aller ihrer Herrlichkeit!

 
 * 

Mit den Wanderjahren

Die Wanderjahre sind nun angetreten,

Und jeder Schritt des Wandrers ist bedenklich.

Zwar pflegt er nicht zu singen und zu beten;

Doch wendet er, sobald der Pfad verfänglich,

Den ernsten Blick, wo Nebel ihn umtrüben,

In’s eigne Herz und in das Herz der Lieben.

Und so heb’ ich alte Schätze,

Wunderlichst in diesem Falle;

Wenn sie nicht zum Golde setze,

Sind’s doch immerfort Metalle.

Man kann schmelzen, man kann scheiden,

Wird gediegen, läßt sich wägen;

Möge mancher Freund mit Freuden

Sich’s nach seinem Bilde prägen.

Wüßte kaum genau zu sagen,

Ob ich es noch selber bin;

Will man mich im Ganzen fragen,

Sag’ ich: Ja, so ist mein Sinn!

Ist ein Sinn, der uns zuweilen

Bald beängstet, bald ergetzt,

Und in so viel tausend Zeilen

Wieder sich in’s Gleiche setzt.

 
 * 

Deutscher Parnaß

Unter diesen

Lorbeerbüschen,

Auf den Wiesen,

An den frischen

Wasserfällen,

Meines Lebens zu genießen,

Gab Apoll dem heitern Knaben;

Und so haben

Mich im Stillen,

Nach des Gottes hohem Willen,

Hehre Musen auferzogen,

Aus den hellen

Silberquellen

Des Parnassus mich erquicket,

Und das keusche reine Siegel

Auf die Lippen mir gedrücket.

Und die Nachtigall umkreiset

Mich mit dem bescheidnen Flügel.

Hier in Büschen, dort auf Bäumen

Ruft sie die verwandte Menge,

Und die himmlischen Gesänge

Lehren mich von Liebe träumen.

Und im Herzen wächs’t die Fülle

Der gesellig edlen Triebe,

Nährt sich Freundschaft, keimet Liebe,

Und Apoll belebt die Stille

Seiner Thäler, seiner Höhen.

Süße, laue Lüfte wehen.

Alle, denen er gewogen,

Werden mächtig angezogen,

Und ein Edler folgt dem andern.

Dieser kommt mit munterm Wesen

Und mit offnem, heitrem Blicke;

Diesen seh’ ich ernster wandeln;

Und ein Andrer, kaum genesen,

Ruft die alte Kraft zurücke;

Denn ihm drang durch Mark und Leben

Die verderblich holde Flamme,

Und was Amor ihm entwendet,

Kann Apoll nur wiedergeben:

Ruh’ und Lust und Harmonien

Und ein kräftig rein Bestreben.

Auf, ihr Brüder!

Ehrt die Lieder!

Sie sind gleich den guten Thaten.

Wer kann besser als der Sänger

Dem verirrten Freunde rathen?

Wirke gut, so wirkst du länger,

Als es Menschen sonst vermögen.

Ja, ich höre sie von weiten;

Ja, sie greifen in die Saiten;

Mit gewalt’gen Götterschlägen

Rufen sie zu Recht und Pflichten

Und bewegen,

Wie sie singen, wie sie dichten,

Zum erhabensten Geschäfte,

Zu der Bildung aller Kräfte.

Auch die holdem Phantasien

Blühen

Rings umher auf allen Zweigen,

Die sich balde,

Wie im holden Zauberwalde,

Voller goldnen Früchte beugen.

Was wir fühlen, was wir schauen

In dem Land der höchsten Wonne,

Dieser Boden, diese Sonne,

Locket auch die besten Frauen.

Und der Hauch der lieben Musen

Weckt des Mädchens zarten Busen,

Stimmt die Kehle zum Gesange,

Und mit schöngefärbter Wange

Singet sie schon würd’ge Lieder,

Setzt sich zu den Schwestern nieder

Und es singt die schöne Kette

Zart und zärter um die Wette.

Doch die Eine

Geht alleine

Bei den Buchen,

Unter Linden,

Dort zu suchen,

Dort zu finden,

Was im stillen Morgenhaine

Amor schalkisch ihr entwendet:

Ihres Herzens holde Stille,

Ihres Busens erste Fülle.

Und sie träget in die grünen

Schattenwälder,

Was die Männer nicht verdienen,

Ihre lieblichen Gefühle;

Scheuet nicht des Tages Schwüle,

Achtet nicht des Abends Kühle

Und verliert sich in die Felder.

Stört sie nicht auf ihren Wegen!

Muse, geh’ ihr still entgegen!

Doch was hör’ ich? Welch ein Schall

Ueberbraus’t den Wasserfall?

Sauset heftig durch den Hain?

Welch ein Lärmen, welches Schrei’n?

Ist es möglich, seh’ ich recht?

Ein verwegenes Geschlecht

Dringt in’s Heiligthum herein.

Hier hervor

Strömt ein Chor!

Liebeswuth,

Weinesgluth

Ras’t im Blick,

Sträubt das Haar!

Und die Schaar,

Mann und Weib –

Tigerfell

Schlägt umher –

Ohne Scheu

Zeigt den Leib.

Und Metall,

Rauher Schall

Grellt in’s Ohr.

Wer sie hört,

Wird gestört.

Hier hervor

Drängt das Chor;

Alles flieht,

Wer sie sieht.

Ach, die Büsche sind geknickt!

Ach, die Blumen sind erstickt

Von den Sohlen dieser Brut!

Wer begegnet ihrer Wuth?

Brüder, laßt uns Alles wagen!

Eure reine Wange glüht.

Phöbus hilft sie uns verjagen,

Wenn er unsre Schmerzen sieht;

Und uns Waffen

Zu verschaffen,

Schüttert er des Berges Wipfel,

Und vom Gipfel

Prasseln Steine

Durch die Haine.

Brüder, faßt sie mächtig auf!

Schloßenregen

Ströme dieser Brut entgegen,

Und vertreib’ aus unsern milden

Himmelreinen Lustgefilden

Diese Fremden, diese Wilden!

Doch was seh’ ich?

Ist es möglich?

Unerträglich

Fährt es mir durch alle Glieder,

Und die Hand

Sinket von dem Schwunge nieder.

Ist es möglich?

Keine Fremden!

Unsre Brüder

Zeigen ihnen selbst die Wege!

O die Frechen!

Wie sie mit den Klapperblechen

Selbst voraus im Tacte ziehn!

Gute Brüder, laßt uns fliehn!

Doch ein Wort zu den Verwegnen!

Ja, ein Wort soll euch begegnen,

Kräftig wie ein Donnerschlag.

Worte sind des Dichters Waffen;

Will der Gott sich Recht verschaffen,

Folgen seine Pfeile nach.

War es möglich, eure hohe

Götterwürde

Zu vergessen! Ist der rohe,

Schwere Thyrsus keine Bürde

Für die Hand auf zarten Saiten

Nur gewöhnet hinzugleiten?

Aus den klaren Wasserfällen,

Aus den zarten Rieselwellen

Tränket ihr

Gar Silen’s abscheulich Thier?

Dort entweiht es Aganippen

Mit den rohen, breiten Lippen,

Stampft mit ungeschickten Füßen,

Bis die Wellen trübe fließen.

O wie möcht’ ich gern mich täuschen,

Aber Schmerzen fühlt das Ohr;

Aus den keuschen

Heil’gen Schatten

Dringt verhaßter Ton hervor.

Wild Gelächter

Statt der Liebe süßem Wahn!

Weiberhasser und Verächter

Stimmen ein Triumphlied an.

Nachtigall und Turtel fliehen

Das so keusch erwärmte Nest,

Und in wüthendem Erglühen

Hält der Faun die Nymphe fest.

Hier wird ein Gewand zerrissen,

Dem Genusse folgt der Spott,

Und zu ihren frechen Küssen

Leuchtet mit Verdruß der Gott.

Ja, ich sehe schon von weiten

Wolkenzug und Dunst und Rauch.

Nicht die Leier nur hat Saiten,

Saiten hat der Bogen auch.

Selbst den Busen des Verehrers

Schüttert das gewalt’ge Nahn;

Denn die Flamme des Verheerers

Kündet ihn von weiten an.

O, vernehmt noch meine Stimme,

Meiner Liebe Bruderwort!

Fliehet vor des Gottes Grimme,

Eilt aus unsrer Grenze fort!

Daß sie wieder heilig werde,

Lenkt hinweg den wilden Zug!

Vielen Boden hat die Erde

Und unheiligen genug.

Uns umleuchten reine Sterne,

Hier nur hat das Edle Werth.

Doch wenn ihr aus rauher Ferne

Wieder einst zu uns begehrt,

Wenn euch nichts so sehr beglücket,

Als was ihr bei uns erprobt,

Euch nicht mehr ein Spiel entzücket,

Das die Schranken übertobt;

Kommt als gute Pilger wieder,

Steiget froh den Berg heran;

Tiefgefühlte Reuelieder

Künden uns die Brüder an,

Und ein neuer Kranz umwindet

Eure Schläfe feierlich.

Wenn sich der Verirrte findet,

Freuen alle Götter sich.

Schneller noch als Lethe’s Fluthen

Um der Todten stilles Haus,

Löscht der Liebe Kelch den Guten

Jedes Fehls Erinn’rung aus.

Alles eilet euch entgegen,

Und ihr kommt verklärt heran,

Und mau fleht um euren Segen:

Ihr gehört uns doppelt an!

 
 * 

Atmosphäre

»Die Welt, sie ist so groß und breit,

Der Himmel auch so hehr und weit;

Ich muß das Alles mit Augen fassen,

Will sich aber nicht recht denken lassen.«

Dich im Unendlichen zu finden,

Mußt unterscheiden und dann verbinden.

Drum danket mein beflügelt Lied

Dem Manne, der Wolken unterschied.

 
 * 

Groß ist die Diana der Epheser

Apostelgeschichte 19, 39

Zu Ephesus ein Goldschmied saß

In seiner Werkstatt, pochte,

So gut er konnt, ohn Unterlaß,

So zierlich ers vermochte.

Als Knab und Jüngling kniet er schon

Im Tempel vor der Göttin Thron

Und hatte den Gürtel unter den Brüsten,

Worin so manche Tiere nisten,

Zu Hause treulich nachgefeilt,

Wie’s ihm der Vater zugeteilt;

Und leitete sein kunstreich Streben

In frommer Wirkung durch das Leben.

Da hört er denn auf einmal laut

Eines Gassenvolkes Windesbraut,

Als gäbs einen Gott so im Gehirn,

Da! hinter des Menschen alberner Stirn,

Der sei viel herrlicher als das Wesen,

An dem wir die Breite der Gottheit lesen.

Der alte Künstler horcht nur auf,

Läßt seinen Knaben auf den Markt den Lauf,

Feilt immer fort an Hirschen und Tieren,

Die seiner Gottheit Kniee zieren,

Und hofft, es könnte das Glück ihm walten,

Ihr Angesicht würdig zu gestalten.

Wills aber einer anders halten,

So mag er nach Belieben schalten;

Nur soll er nicht das Handwerk schänden,

Sonst wird er schlecht und schmählich enden.

 
 * 

Kriegserklärung

Wenn ich doch so schön wär

Wie die Mädchen auf dem Land!

Sie tragen gelbe Hüte

Mit rosenrotem Band.

Glauben, daß man schön sei,

Dächt ich, ist erlaubt.

In der Stadt, ach! ich hab es

Dem Junker geglaubt.

Nun im Frühling, ach! ists

Um die Freuden getan;

Ihn ziehen die Dirnen,

Die ländlichen, an.

Und die Taill und den Schlepp

Verändr ich zur Stund;

Das Leibchen ist länger,

Das Röckchen ist rund.

Trage gelblichen Hut

Und ein Mieder wie Schnee,

Und sichle mit andern

Den blühenden Klee.

Spürt er unter dem Chor

Etwas Zierliches aus,

Der lüsterne Knabe,

Er winkt mir ins Haus.

Ich begleit ihn verschämt,

Und er kennt mich noch nicht,

Er kneipt mir die Wangen

Und sieht mein Gesicht.

Die Städterin droht

Euch Dirnen den Krieg,

Und doppelte Reize

Behaupten den Sieg.

 
 * 

An die Entfernte

So hab ich wirklich dich verloren?

Bist du, o Schöne, mir entflohn?

Noch klingt in den gewohnten Ohren

Ein jedes Wort, ein jeder Ton.

So wie des Wandrers Blick am Morgen

Vergebens in die Lüfte dringt,

Wenn in dem blauen Raum verborgen

Hoch über ihm die Lerche singt;

So dringet ängstlich hin und wieder

Durch Feld und Busch und Wald mein Blick;

Dich rufen alle meine Lieder;

O komm, Geliebte, mir zurück!

 
 * 

Neugriechisch-Epirotische Heldenlieder

I.

Sind Gefilde Türkisch worden,

Sonst Besitz der Albanesen;

Stergios ist noch am Leben,

Keines Pascha’s achtet er.

Und so lang es schneit hier oben,

Beugen wir den Türken nicht.

Setzet eure Vorhut dahin,

Wo die Wölfe nistend hecken!

Sei der Sklave Stadtbewohner;

Stadtbezirk ist unsern Braven

Wüster Felsen Klippenspalte.

Eh’ als mit den Türken leben,

Lieber mit den wilden Thieren!

II.

Schwarzes Fahrzeug theilt die Welle

Nächst der Küste von Kassandra,

Ueber ihm die schwarzen Segel,

Ueber ihnen Himmelsbläue.

Kommt ein Türkenschiff entgegen,

Scharlachwimpel wehen glänzend.

»Streich die Segel unverzüglich,

Nieder laß die Segel du!«

Nein, ich streiche nicht die Segel,

Nimmer laß’ ich sie herab.

Droht ihr doch, als wär’ ich Bräutchen,

Bräutchen, das zu schrecken ist.

Jannis bin ich, Sohn des Stathas,

Eidam des Bukovalas.

Frisch Gesellen, frisch zur Arbeit!

Auf zum Vordertheil des Schiffes!

Türkenblut ist zu vergießen,

Schont nicht der Ungläubigen. –

Und mit einer klugen Wendung

Beut das Türkenschiff die Spitze;

Jannis aber schwingt hinauf sich,

Mit dem Säbel in der Faust;

Das Gebälke trieft vom Blute

Und geröthet sind die Wellen.

Allah! Allah! schrein um Gnade

Die Ungläubigen auf den Knieen.

Traurig Leben, ruft der Sieger,

Bleibe den Besiegten nun!

III.

Beuge, Liakos, dem Pascha,

Beuge dem Vezire dich.

Warst du vormals Armatole,

Landgebieter wirst du nun.

»Bleibt nur Liakos am Leben,

Wird er nie ein Beugender.

Nur sein Schwert ist ihm der Pascha,

Ist Vezir das Schießgewehr.«

Ali Pascha, das vernehmend,

Zürnt dem Unwillkommenen,

Schreibt die Briefe, die Befehle;

So bestimmt er, was zu thun:

Veli Guekas, eile kräftig

Durch die Städte, durch das Land,

Bring mir Liakos zur Stelle,

Lebend sei er, oder todt!

Guekas streift nun durch die Gegend,

Auf die Kämpfer macht er Jagd.

Forscht sie aus und überrascht sie,

An der Vorhut ist er schon.

Kontogiakupis, der schreit nun

Von des Bollwerks hohem Stand:

Herzhaft, Kinder mein! zur Arbeit,

Kinder mein, zum Streit hervor!

Liakos erscheint behende,

Hält in Zähnen fest das Schwert.

Tag und Nacht ward nun geschlagen,

Tage drei, der Nächte drei.

Albaneserinnen weinen,

Schwarz in Trauerkleid gehüllt;

Veli Guekas kehrt nur wieder,

Hingewürgt im eignen Blut.

IV.

Welch Getöse? wo entsteht es?

Welch gewaltiges Erschüttern?

Sind es Stiere vor dem Schlachtbeil,

Wild Gethier im grimmen Kampfe?

Nein! Bukovalas, zum Kriege

Fünfzehnhundert Kämpfer führend,

Streitet zwischen Kerasovon

Und dem großen Stadtbezirk.

Flintenschüsse, wie des Regens,

Kugeln, wie der Schloßen Schlag! –

Blondes Mädchen ruft herunter

Von dem Ueberpforten-Fenster:

Halte Janny das Gefecht an,

Dieses Laden, dieses Schießen!

Laß den Staub hernieder sinken,

Laß den Pulverdunst verwehen,

Und so zählet eure Krieger,

Daß ihr wisset, wer verloren!

Dreimal zählte man die Türken,

Und vierhundert Todte lagen,

Und wie man die Kämpfer zählte,

Dreie nur verblichen da.

V.

Ausgeherrschet hat die Sonne,

Zu dem Führer kommt die Menge:

Auf, Gesellen, schöpfet Wasser,

Theilt euch in das Abendbrod!

Lamprakos du aber, Neffe,

Setze dich an meine Seite;

Trage künftig diese Waffen!

Du nun bist der Kapitan.

Und ihr andern braven Krieger,

Fasset den verwaisten Säbel,

Hauet grüne Fichtenzweige,

Flechtet sie zum Lager mir;

Führt den Beichtiger zur Stelle,

Daß ich ihm bekennen möge,

Ihm enthülle, welchen Thaten

Ich mein Leben zugekehrt.

Dreißig Jahr bin Armatole,

Zwanzig Jahr ein Kämpfer schon;

Nun will mich der Tod erschleichen,

Das ich wohl zufrieden bin.

Frisch nun mir das Grab bereitet,

Daß es hoch sei und geräumig,

Aufrecht, daß ich fechten könne,

Könne laden die Pistolen.

Rechts will ich ein Fenster offen,

Daß die Schwalbe Frühling künde,

Daß die Nachtigall vom Maien

Allerlieblichstes berichte.

VI.

Der Olympos, der Kissavos,

Die zwei Berge haderten;

Da entgegnend sprach Olympos

Also zu dem Kissavos:

»Nicht erhebe dich, Kissave,

Türken- du Getretener.

Bin ich doch der Greis Olympos,

Den die ganze Welt vernahm.

Zwei und sechzig Gipfel zähl’ ich

Und zweitausend Quellen klar;

Jeder Brunn hat seinen Wimpel,

Seinen Kämpfer jeder Zweig.

Auf den höchsten Gipfel hat sich

Mir ein Adler aufgesetzt,

Faßt in seinen mächt’gen Klauen

Eines Helden blutend Haupt.«

»Sage, Haupt! wie ist’s ergangen?

Fielest du verbrecherisch?«

Speise, Vogel, meine Jugend,

Meine Mannheit speise nur!

Ellenlänger wächst dein Flügel,

Deine Klaue spannenlang.

Bei Louron, in Xeromeron

Lebt’ ich in dem Kriegerstand,

So in Chasia, auf’m Olympos

Kämpft’ ich bis in’s zwölfte Jahr.

Sechzig Aga’s ich erschlug sie,

Ihr Gefild verbrannt’ ich dann;

Die ich sonst noch niederstreckte

Türken, Albaneser auch,

Sind zu viele, gar zu viele,

Daß ich sie nicht zählen mag.

Nun ist meine Reihe kommen,

Im Gefechte fiel ich brav.

VII.
Charon.

Die Bergeshöhn warum so schwarz?

Woher die Wolkenwoge?

Ist es der Sturm, der droben kämpft,

Der Regen, Gipfel peitschend?

Nicht ist’s der Sturm, der droben kämpft,

Nicht Regen, Gipfel peitschend;

Nein Charon ist’s, er saus’t einher,

Entführet die Verblichnen;

Die Jungen treibt er vor sich hin,

Schleppt hinter sich die Alten;

Die Jüngsten aber, Säuglinge,

In Reih’ gehenkt am Sattel.

Da riefen ihm die Greise zu,

Die Jünglinge sie knieten:

»O Charon, halt! halt am Geheg’,

Halt an beim kühlen Brunnen!

Die Alten da erquicken sich,

Die Jugend schleudert Steine,

Die Knaben zart zerstreuen sich

Und pflücken bunte Blümchen.«

Nicht am Gehege halt’ ich still,

Ich halte nicht am Brunnen;

Zu schöpfen kommen Weiber an,

Erkennen ihre Kinder.

Die Männer auch erkennen sie,

Das Trennen wird unmöglich.

 
 * 

So ist der Held, der mir gefällt

Flieh, Täubchen, flieh! er ist nicht hie!

Der dich an dem schönsten Frühlingsmorgen

Fand im Wäldchen, wo du dich verborgen.

Flieh, Täubchen, flieh! er ist nicht hie!

Böser Laurer Füße rasten nie.

Horch! Flötenklang, Liebesgesang

Wallt auf Lüftchen her zu Liebchens Ohre,

Find’t im zarten Herzen offne Thore.

Horch! Flötenklang! Liebesgesang!

Horch! – es wird der süßen Liebe zu bang.

Hoch ist sein Schritt, fest ist sein Tritt,

Schwarzes Haar auf runder Stirne webet,

Auf den Wangen ew’ger Frühling lebet.

Hoch ist sein Schritt, fest ist sein Tritt,

Edler Deutschen Füße schreiten mit.

Wonn’ ist die Brust, keusch seine Lust;

Schwarze Augen unter runden Bogen

Sind mit zarten Falten schön umzogen.

Wonn’ ist die Brust, keusch seine Lust;

Gleich beim Anblick du ihn lieben mußt.

Roth ist sein Mund, der mich verwund’t,

Auf den Lippen träufeln Morgendüfte.

Auf den Lippen säuseln kühle Lüfte.

Roth ist sein Mund, der mich verwund’t,

Nur ein Blick von ihm macht mich gesund.

Treu ist sein Blut, stark ist sein Muth;

Schutz und Stärke wohnt in weichen Armen,

Auf dem Antlitz edeles Erbarmen.

Treu ist sein Blut, stark ist sein Muth;

Selig! wer in seinen Armen ruht.

 
 * 

Brief aus Leipzig

(Ich lebe hier wie – wie – ich weiß selbst nicht recht wie.

Doch so ungefähr)

So wie ein Vogel, der auf einem Ast

Im schönsten Wald sich, Freiheit atmend, wiegt,

Der ungestört die sanfte Luft genießt,

Mit seinen Fittichen von Baum zu Baum,

Von Busch auf Busch sich singend hinzuschwingen.

 
 * 

Amyntas

Nikias, trefflicher Mann, du Arzt des Leibs und der Seele!

Krank, ich bin es fürwahr; aber dein Mittel ist hart.

Ach, mir schwanden die Kräfte dahin, dem Rate zu folgen;

Ja, und es scheinet der Freund schon mir ein Gegner zu sein.

Widerlegen kann ich dich nicht; ich sage mir alles,

Sage das härtere Wort, das du verschweigest, mir auch.

Aber, ach! das Wasser entstürzt der Steile des Felsens

Rasch, und die Welle des Bachs halten Gesänge nicht auf.

Rast nicht unaufhaltsam der Sturm? und wälzet die Sonne

Sich, von dem Gipfel des Tags, nicht in die Wellen hinab?

Und so spricht mir rings die Natur: Auch du bist, Amyntas,

Unter das strenge Gesetz ehrner Gewalten gebeugt.

Runzle die Stirne nicht tiefer, mein Freund, und höre gefällig,

Was mich gestern ein Baum, dort an dem Bache, gelehrt.

Wenig Äpfel trägt er mir nur, der sonst so beladne;

Sieh, der Efeu ist schuld, der ihn gewaltig umgibt.

Und ich faßte das Messer, das krummgebogene, scharfe,

Trennte schneidend, und riß Ranke nach Ranken herab;

Aber ich schauderte gleich, als, tief erseufzend und kläglich,

Aus den, Wipfeln zu mir lispelnde Klage sich goß:

O verletze mich nicht! den treuen Gartengenossen,

Dem du als Knabe, so früh, manche Genüsse verdankst.

O verletze mich nicht! du reißest mit diesem Geflechte,

Das du gewaltig zerstörst, grausam das Leben mir aus.

Hab ich nicht selbst sie genährt, und sanft sie herauf mir erzogen?

Ist wie mein eigenes Laub nicht mir das ihre verwandt?

Soll ich nicht lieben die Pflanze, die, meiner einzig bedürftig,

Still mit begieriger Kraft mir um die Seite sich schlingt?

Tausend Ranken wurzelten an, mit tausend und tausend

Fasern senket sie fest mir in das Leben sich ein.

Nahrung nimmt sie von mir; was ich bedürfte, genießt sie.

Und so saugt sie das Mark, sauget die Seele mir aus.

Nur vergebens nähr ich mich noch; die gewaltige Wurzel

Sendet lebendigen Safts, ach! nur die Hälfte hinauf.

Denn der gefährliche Gast, der geliebteste, maßet behende

Unterweges die Kraft herbstlicher Früchte sich an.

Nichts gelangt zur Krone hinauf; die äußersten Wipfel

Dorren, es dorret der Ast über dem Bache schon hin.

Ja, die Verräterin ists! sie schmeichelt mir Leben und Güter,

Schmeichelt die strebende Kraft, schmeichelt die Hoffnung mir ab.

Sie nur fühl ich, nur sie, die umschlingende, freue der Fesseln,

Freue des tötenden Schmucks fremder Umlaubung mich nur.

Halte das Messer zurück! O Nikias, schone den Armen,

Der sich in liebender Lust, willig gezwungen, verzehrt!

Süß ist jede Verschwendung; o laß mich der schönsten genießen!

Wer sich der Liebe vertraut, hält er sein Leben zu Rat?

 
 * 

Warnung

Wecke den Amor nicht auf! Noch schläft der liebliche Knabe;

Geh, vollbring’ dein Geschäft, wie es der Tag dir gebeut!

So der Zeit bedienet sich klug die sorgliche Mutter,

Wenn ihr Knäbchen entschläft; denn es erwacht nur zu bald.

 
 * 

Stratus

Wenn von dem stillen Wasserspiegel-Plan

Ein Nebel hebt den flachen Teppich an,

Der Mond, dem Wallen des Erscheins vereint,

Als ein Gespenst Gespenster bildend scheint,

Dann sind wir Alle, das gestehn wir nur,

Erquickt’, erfreute Kinder, o Natur!

Dann hebt sich’s wohl am Berge, sammelnd breit

An Streife Streifen; so umdüstert’s weit

Die Mittelhöhe, Beidem gleich geneigt,

Ob’s fallend wässert oder luftig steigt.

 
 * 

Cumulus

Und wenn darauf zu höhrer Atmosphäre

Der tüchtige Gehalt berufen wäre,

Steht Wolke hoch, zum Herrlichsten geballt,

Verkündet, festgebildet, Machtgewalt,

Und, was ihr fürchtet und auch wohl erlebt,

Wie’s oben drohet, so es unten bebt.

 
 * 

Cirrus

Doch immer höher steigt der edle Drang!

Erlösung ist ein himmlisch leichter Zwang.

Ein Aufgehäuftes, flockig löst sich’s auf,

Wie Schäflein trippelnd, leicht gekämmt zu Hauf.

So fließt zuletzt, was unten leicht entstand,

Dem Vater oben still in Schooß und Hand.

 
 * 

Nimbus

Nun laßt auch niederwärts, durch Erdgewalt

Herabgezogen, was sich hoch geballt,

In Donnerwettern wüthend sich ergehn,

Heerschaaren gleich entrollen und verwehn. –

Der Erde thätigleidendes Geschick!

Doch mit dem Bilde hebet euren Blick!

Die Rede geht herab, denn sie beschreibt;

Der Geist will aufwärts, wo er ewig bleibt.

 
 * 

Keins von allen

Wenn du dich selber machst zum Knecht,

Bedauert dich niemand, gehts dir schlecht.

Machst du dich aber selbst zum Herrn,

Die Leute sehn es auch nicht gern;

Und bleibst du redlich, wie du bist,

So sagen sie, daß nichts an dir ist.

 
 * 

Der Musensohn

Durch Feld und Wald zu schweifen,

Mein Liedchen wegzupfeifen,

So gehts von Ort zu Ort!

Und nach dem Takte reget,

Und nach dem Maß beweget

Sich alles an mir fort.

Ich kann sie kaum erwarten,

Die erste Blum im Garten,

Die erste Blüt am Baum.

Sie grüßen meine Lieder,

Und kommt der Winter wieder,

Sing ich noch jenen Traum.

Ich sing ihn in der Weite,

Auf Eises Läng und Breite,

Da blüht der Winter schön,!

Auch diese Blüte schwindet,

Und neue Freude findet

Sich auf bebauten Höhn.

Denn wie ich bei der Linde

Das junge Völkchen finde,

Sogleich erreg ich sie.

Der stumpfe Bursche bläht sich,

Das steife Mädchen dreht sich

Nach meiner Melodie.

Ihr gebt den Sohlen Flügel

Und treibt durch Tal und Hügel

Den Liebling weit von Haus.

Ihr lieben holden Musen,

Wann ruh ich ihr am Busen

Auch endlich wieder aus?

 
 * 

Mai

Leichte Silberwolken schweben

Durch die erst erwärmten Lüfte,

Mild, von Schimmer sanft umgeben,

Blickt die Sonne durch die Düfte.

Leise wallt und drängt die Welle

Sich am reichen Ufer hin;

Und wie reingewaschen helle,

Schwankend hin und her und hin,

Spiegelt sich das junge Grün.

Still ist Luft und Lüftchen stille;

Was bewegt mir das Gezweige?

Schwüle Liebe dieser Fülle,

Von den Bäumen durchs Gesträuche.

Nun der Blick auf einmal helle,

Sieh! der Bübchen Flatterschar,

Das bewegt und regt so schnelle,

Wie der Morgen sie gebar,

Flügelhaft sich Paar und Paar.

Fangen an, das Dach zu flechten –

Wer bedürfte dieser Hütte? –

Und wie Zimmrer, die gerechten,

Bank und Tischchen in der Mitte!

Und so bin ich noch verwundert,

Sonne sinkt, ich fühl es kaum;

Und nun führen aber hundert

Mir das Liebchen in den Raum,

Tag und Abend, welch ein Traum!

 
 * 

Entoptische Farben

Laß dir von den Spiegeleien

Unsrer Physiker erzählen,

Die am Phänomen sich freuen,

Mehr sich mit Gedanken quälen.

Spiegel hüben, Spiegel drüben,

Doppelstellung, auserlesen;

Und dazwischen ruht im Trüben

Als Kristall das Erdewesen.

Dieses zeigt, wenn jene blicken,

Allerschönste Farbenspiele;

Dämmerlicht, das beide schicken,

Offenbart sich dem Gefühle.

Schwarz wie Kreuze wirst du sehen,

Pfauenaugen kann man finden;

Tag und Abendlicht vergehen,

Bis zusammen beide schwinden.

Und der Name wird ein Zeichen,

Tief ist der Kristall durchdrungen:

Aug in Auge sieht dergleichen

Wundersame Spiegelungen.

Laß den Makrokosmus gelten,

Seine spenstischen Gestalten!

Da die lieben, kleinen Welten

Wirklich Herrlichstes enthalten.

 
 * 

An Lida

Den Einzigen, Lida, welchen du lieben kannst,

Forderst du ganz für dich, und mit Recht.

Auch ist er einzig dein.

Denn seit ich von dir bin,

Scheint mir des schnellstens Lebens

Lärmende Bewegung

Nur ein leichter Flor, durch den ich deine Gestalt

Immerfort wie in Wolken erblicke:

Sie leuchtet mir freundlich und treu,

Wie durch des Nordlichts bewegliche Strahlen

Ewige Sterne schimmern.

 
 * 

Das Veilchen

Ein Veilchen auf der Wiese stand,

Gebückt in sich und unbekannt;

Es war ein herzigs Veilchen.

Da kam eine junge Schäferin

Mit leichtem Schritt und munterm Sinn

Daher, daher,

Die Wiese her, und sang.

Ach! denkt das Veilchen, wär’ ich nur

Die schönste Blume der Natur,

Ach, nur ein kleines Weilchen,

Bis mich das Liebchen abgepflückt

Und an dem Busen matt gedrückt!

Ach nur, ach nur

Ein Viertelstündchen lang!

Ach! aber ach! das Mädchen kam

Und nicht in acht das Veilchen nahm;

Ertrat das arme Veilchen.

Es sank und starb und freut’ sich noch:

Und sterb’ ich denn, so sterb’ ich doch

Durch sie, durch sie,

Zu ihren Füßen doch.

 
 * 

Früchte bringt das Leben

Früchte bringet das Leben dem Mann; doch hangen sie selten

Rot und lustig am Zweig, wie uns ein Apfel begrüßt.

 
 * 

Finnisches Lied

Käm’ der liebe Wohlbekannte,

Völlig so wie er geschieden;

Kuß erkläng’ an seinen Lippen,

Hätt’ auch Wolfsblut sie geröthet;

Ihm den Handschlag gäb’ ich, wären

Seine Fingerspitzen Schlangen.

Wind! o hättest du Verständniß,

Wort’ um Worte trügst du wechselnd,

Sollt’ auch Einiges verhallen,

Zwischen zwei entfernten Liebchen.

Gern entbehrt’ ich gute Bissen,

Priesters Tafelfleisch vergäß’ ich,

Eher als dem Freund entsagen,

Den ich Sommers rasch bezwungen,

Winters langer Weis’ bezähmte.

 
 * 

Bildung

»Von wem auf Lebens- und Wissensbahne

Wardst du genährt und befestet?

Zu fragen sind wir beauftragt.«

Ich habe niemals danach gefragt:

Von welchen Schnepfen und Fasanen,

Capaunen und Welschenhahnen

Ich mein Bäuchelchen gemästet.

So bei Pythagoras, bei den Besten,

Saß ich unter zufriednen Gästen;

Ihr Frohmahl hab’ ich unverdrossen

Niemals bestohlen, immer genossen.

 
 * 

Pilgers Morgenlied

An Lila

Morgennebel, Lila,

Hüllen deinen Turn um.

Soll ich ihn zum

Letztenmal nicht sehn!

Doch mir schweben

Tausend Bilder

Seliger Erinnerung

Heilig warm ums Herz.

Wie er so stand,

Zeuge meiner Wonne,

Als zum erstenmal

Du dem Fremdling

Ängstlich liebevoll

Begegnetest,

Und mit einemmal

Ewge Flammen

In die Seel ihm warfst.

Zische, Nord,

Tausend-schlangen-züngig

Mir ums Haupt!

Beugen sollst dus nicht!

Beugen magst du

Kindscher Zweige Haupt,

Von der Sonne

Muttergegenwart geschieden.

Allgegenwärtge Liebe!

Durchglühst mich,

Beutst dem Wetter die Stirn,

Gefahren die Brust,

Hast mir gegossen

Ins früh welkende Herz

Doppeltes Leben,

Freude, zu leben,

Und Mut.

 
 * 

Das Wiedersehn

Er:

Süße Freundin, noch Einen, nur Einen Kuß noch gewähre

Diesen Lippen! Warum bist du mir heute so karg?

Gestern blühte wie heute der Baum, wir wechselten Küsse

Tausendfältig; dem Schwarm Bienen verglichst du sie ja,

Wie sie den Blüten sich nahn und saugen, schweben und wieder

Saugen, und lieblicher Ton süßen Genusses erschallt.

Alle noch üben das holde Geschäft. Und wäre der Frühling

Uns vorübergeflohn, eh sich die Blüte zerstreut?

Sie:

Träume, lieblicher Freund, nur immer! rede von Gestern!

Gerne hör ich dich an, drücke dich redlich ans Herz.

Gestern, sagst du? – Es war, ich weiß, ein köstliches Gestern;

Worte verklangen im Wort, Küsse verdrängten den Kuß.

Schmerzlich wars, zu scheiden am Abende, traurig die lange

Nacht von gestern auf heut, die den Getrennten gebot.

Doch der Morgen kehret zurück. Ach, daß mir indessen

Zehnmal, leider! der Baum Blüten und Früchte gebracht!

 
 * 

Jahr aus, Jahr ein

Ohne Schrittschuh und Schellengeläut

Ist der Januar ein böses Heut.

Ohne Fastnachtstanz und Mummenspiel

Ist am Februar auch nicht viel.

Willst du den März nicht ganz verlieren,

So laß nicht in April dich führen.

Den ersten April mußt überstehn,

Dann kann dir manches Gut’s geschehn.

Und weiterhin im Mai, wenn’s glückt,

Hat dich wieder ein Mädchen berückt.

Und das beschäftigt dich so sehr,

Zählst Tage, Wochen und Monde nicht mehr.

 
 * 

Die Geheimnisse

Ein Fragment

Ein wunderbares Lied ist euch bereitet;

Vernehmt es gern, und jeden ruft herbei!

Durch Berg’ und Täler ist der Weg geleitet:

Hier ist der Blick beschränkt, dort wieder frei,

Und wenn der Pfad sacht in die Büsche gleitet,

So denket nicht, daß es ein Irrtum sei;

Wir wollen doch, wenn wir genug geglommen,

Zur redeten Zeit dem Ziele näher kommen.

Doch glaube keiner, daß mit allem Sinnen

Das ganze Lied er je enträtseln werde:

Gar viele müssen vieles hier gewinnen,

Gar manche Blüten bringt die Mutter Erde;

Der eine flieht mit düsterm Blick von hinnen,

Der andre weilt mit fröhlicher Gebärde:

Ein jeder soll nach seiner Lust genießen,

Für manchen Wandrer soll die Quelle fließen.

Ermüdet von des Tages langer Reise,

Die auf erhabnen Antrieb er getan,

An einem Stab nach frommer Wandrer Weise

Kam Bruder Markus, außer Steg und Bahn,

Verlangend nach geringem Trank und Speise,

In einem Tal am seinen Abend an,

Voll Hoffnung, in den waldbewachsnen Gründen

Ein gastfrei Dach für diese Nacht zu finden.

Am steilen Berge, der nun vor ihm stehet,

Glaubt er die Spuren eines Wegs zu sehn,

Er folgt dem Pfade, der in Krümmen gehet,

Und muß sich steigend um die Felsen drehn;

Bald sieht er sich hoch übers Tal erhöhet,

Die Sonne scheint ihm wieder freundlich schön,

Und bald sieht er mit innigem Vergnügen

Den Gipfel nah vor seinen Augen liegen.

Und neben hin die Sonne, die im Neigen

Noch prachtvoll zwischen dunkeln Wolken thront;

Er sammelt Kraft, die Höhe zu ersteigen,

Dort hofft er seine Mühe bald belohnt.

Nun, spricht er zu sich selbst, nun muß sich zeigen,

Ob etwas Menschlichs in der Nähe wohnt!

Er steigt und horcht und ist wie neugeboren:

Ein Glockenklang erschallt in seinen Ohren.

Und wie er nun den Gipfel ganz erstiegen,

Sieht er ein nahes, sanft geschwungnes Tal.

Sein stilles Auge leuchtet von Vergnügen,

Denn vor dem Walde sieht er auf einmal

In grüner Au ein schön Gebäude liegen,

Soeben triffts der letzte Sonnenstrahl:

Er eilt durch Wiesen, die der Tau befeuchtet,

Dem Kloster zu, das ihm entgegen leuchtet.

Schon sieht er dicht sich vor dem stillen Orte,

Der seinen Geist mit Ruh und Hoffnung füllt,

Und auf dem Bogen der geschloßnen Pforte

Erblickt er ein geheimnisvolles Bild.

Er steht und sinnt und lispelt leise Worte

Der Andacht, die in seinem Herzen quillt,

Er steht und sinnt: Was hat das zu bedeuten?

Die Sonne sinkt; und es verklingt das Läuten!

Das Zeichen sieht er prächtig aufgerichtet,

Das aller Welt zu Trost und Hoffnung steht,

Zu dem viel tausend Geister sich verpflichtet,

Zu dem viel tausend Herzen warm gefleht,

Das die Gewalt des bittern Tods vernichtet,

Das in so mancher Siegesfahne weht:

Ein Labequell durchdringt die matten Glieder,

Er sieht das Kreuz, und schlägt die Augen nieder.

Er fühlet neu, was dort für Heil entsprungen,

Den Glauben fühlt er einer halben Welt;

Doch von ganz neuem Sinn wird er durchdrungen,

Wie sich das Bild ihm hier vor Augen stellt:

Es steht das Kreuz mit Rosen dicht umschlungen.

Wer hat dem Kreuze Rosen zugesellt?

Es schwillt der Kranz, um recht von allen Seiten

Das schroffe Holz mit Weichheit zu begleiten.

Und leichte Silber-Himmelswolken schweben,

Mit Kreuz und Rosen sich empor zu schwingen,

Und aus der Mitte quillt ein heilig Leben

Dreifacher Strahlen, die aus einem Punkte dringen;

Von keinen Worten ist das Bild umgeben,

Die dem Geheimnis Sinn und Klarheit bringen.

Im Dämmerschein, der immer tiefer grauet,

Steht er und sinnt und fühlet sich erbauet.

Er klopft zuletzt, als schon die hohen Sterne

Ihr helles Auge zu ihm niederwenden.

Das Tor geht auf, und man empfängt ihn gerne

Mit offnen Armen, mit bereiten Händen.

Er sagt, woher er sei, von welcher Ferne

Ihn die Befehle höhrer Wesen senden.

Man horcht und staunt. Wie man den Unbekannten

Als Gast geehrt, ehrt man nun den Gesandten.

Ein jeder drängt sich zu, um auch zu hören,

Und ist bewegt von heimlicher Gewalt,

Kein Odem wagt den seltnen Gast zu stören,

Da jedes Wort im Herzen widerhallt.

Was er erzählet, wirkt wie tiefe Lehren

Der Weisheit, die von Kinderlippen schallt:

An Offenheit, an Unschuld der Gebärde

Scheint er ein Mensch von einer andern Erde.

Willkommen, ruft zuletzt ein Greis, willkommen,

Wenn deine Sendung Trost und Hoffnung trägt!

Du siehst uns an; wir alle stehn beklommen,

Obgleich dein Anblick unsere Seele regt:

Das schönste Glück, ach! wird uns weggenommen,

Von Sorgen sind wir und von Furcht bewegt.

Zur wichtgen Stunde nehmen unsre Mauern

Dich Fremden auf, um auch mit uns zu trauern:

Denn, ach, der Mann, der alle hier verbündet,

Den wir als Vater, Freund und Führer kennen,

Der Licht und Mut dem Leben angezündet,

In wenig Zeit wird er sich von uns trennen;

Er hat es erst vor kurzem selbst verkündet.

Doch will er weder Art noch Stunde nennen:

Und so ist uns sein ganz gewisses Scheiden

Geheimnisvoll und voller bittrer Leiden.

Du siehest alle hier mit grauen Haaren,

Wie die Natur uns selbst zur Ruhe wies:

Wir nahmen keinen auf, den, jung an Jahren,

Sein Herz zu früh der Welt entsagen hieß.

Nachdem wir Lebens Lust und Last erfahren,

Der Wind nicht mehr in unsre Segel blies,

War uns erlaubt, mit Ehren hier zu landen,

Getrost, daß wir den sichern Hafen fanden.

Dem edlen Manne, der uns hergeleitet,

Wohnt Friede Gottes in der Brust;

Ich hab ihn auf des Lebens Pfad begleitet

Und bin mir alter Zeiten wohl bewußt;

Die Stunden, da er einsam sich bereitet,

Verkünden uns den nahenden Verlust.

Was ist der Mensch, warum kann er sein Leben

Umsonst, und nicht für einen Bessern geben?

Dies wäre nun mein einziges Verlangen!

Warum muß ich des Wunsches mich entschlagen?

Wie viele sind schon vor mir hingegangen!

Nur ihn muß ich am bittersten beklagen.

Wie hätt er sonst so freundlich dich empfangen!

Allein er hat das Haus uns übertragen,

Zwar keinen noch zum Folger sich ernennet,

Doch lebt er schon im Geist von uns getrennet.

Und kommt nur täglich eine kleine Stunde,

Erzählet, und ist mehr als sonst gerührt:

Wir hören dann aus seinem eignen Munde,

Wie wunderbar die Vorsicht ihn geführt;

Wir merken auf, damit die sichre Kunde

Im kleinsten auch die Nachwelt nicht verliert;

Auch sorgen wir, daß einer fleißig schreibe,

Und sein Gedächtnis rein und wahrhaft bleibe.

Zwar vieles wollt ich lieber selbst erzählen,

Als ich jetzt nur zu hören stille bin;

Der kleinste Umstand sollte mir nicht fehlen,

Noch hab ich alles lebhaft in dem Sinn;

Ich höre zu und kann es kaum verhehlen

Daß ich nicht stets damit zufrieden bin:

Sprech ich einmal von allen diesen Dingen,

Sie sollen prächtiger aus meinem Munde klingen.

Als dritter Mann erzählt ich mehr und freier,

Wie ihn ein Geist der Mutter früh verhieß,

Und wie ein Stern bei seiner Taufe Feier

Sich glänzender am Abend-Himmel wies,

Und wie mit weiten Fittichen ein Geier

Im Hofe sich bei Tauben niederließ,

Nicht grimmig stoßend und, wie sonst, zu schaden:

Er schien sie sanft zur Einigkeit zu laden.

Dann hat er uns bescheidentlich verschwiegen,

Wie er als Kind die Otter überwand,

Die er um seiner Schwester Arm sich schmiegen,

Um die entschlafne fest gewunden fand:

Die Amme floh und ließ den Säugling liegen,

Er drosselte den Wurm mit sichrer Hand;

Die Mutter kam und sah mit Freudebeben

Des Sohnes Taten und der Tochter Leben.

Und so verschwieg er auch, daß eine Quelle

Vor seinem Schwert aus trocknem Felsen sprang,

Stark wie ein Bach, sich mit bewegter Welle

Den Berg hinab bis in die Tiefe schlang;

Noch quillt sie fort so rasch, so silberhelle,

Als sie zuerst sich ihm entgegendrang,

Und die Gefährten, die das Wunder schauten,

Den heißen Durst zu stillen kaum getrauten.

Wenn einen Menschen die Natur erhoben,

Es ist kein Wunder, wenn ihm viel gelingt;

Man muß in ihm die Macht des Schöpfers loben,

Der schwachen Ton zu solcher Ehre bringt.

Doch wenn ein Mann von allen Lebensproben

Die sauerste besteht, sich selbst bezwingt,

Dann kann man ihn mit Freuden andern zeigen

Und sagen: Das ist er, das ist sein eigen!

Denn alle Kraft dringt vorwärts in die Weite,

Zu leben und zu wirken hier und dort;

Dagegen engt und hemmt von jeder Seite

Der Strom der Welt und reißt uns mit sich fort.

In diesem innern Sturm und äußern Streite

Vernimmt der Geist ein schwer verstanden Wort:

Von der Gewalt, die alle Wesen bindet,

Befreit der Mensch sich, der sich überwindet.

Wie frühe war es, daß sein Herz ihn lehrte,

Was ich bei ihm kaum Tugend nennen darf:

Daß er des Vaters strenges Wort verehrte

Und willig war, wenn jener rauh und scharf

Der Jugend freie Zeit mit Dienst beschwerte,

Dem sich der Sohn mit Freuden unterwarf,

Wie, elternlos und irrend, wohl ein Knabe

Aus Not es tut um eine kleine Gabe.

Die Streiter mußt er in das Feld begleiten,

Zuerst zu Fuß bei Sturm und Sonnenschein,

Die Pferde warten und den Tisch bereiten

Und jedem alten Krieger dienstbar sein.

Gern und geschwind lief er zu allen Zeiten

Bei Tag und Nacht als Bote durch den Hain;

Und so gewohnt, für andre nur zu leben,

Schien Mühe nur ihm Fröhlichkeit zu geben.

Wie er im Streit mit kühnem, munterm Wesen

Die Pfeile las, die er am Boden fand,

Eilt’ er hernach, die Kräuter selbst zu lesen,

Mit denen er Verwundete verband;

Was er berührte, mußte gleich genesen,

Es freute sich der Kranke seiner Hand.

Wer wollt ihn nicht mit Fröhlichkeit betrachten!

Und nur der Vater schien nicht sein zu achten.

Leicht, wie ein segelnd Schiff, das keine Schwere

Der Ladung fühlt und eilt von Port zu Port,

Trug er die Last der elterlichen Lehre:

Gehorsam war ihr erst- und letztes Wort.

Und wie den Knaben Lust, den Jüngling Ehre,

So zog ihn nur der fremde Wille fort;

Der Vater sann umsonst auf neue Proben,

Und wenn er fordern wollte, mußt er loben.

Zuletzt gab sich auch dieser überwunden,

Bekannte tätig seines Sohnes Wert;

Die Rauhigkeit des Alten war verschwunden,

Er schenkt’ auf einmal ihm ein köstlich Pferd;

Der Jüngling ward vom kleinen Dienst entbunden,

Er führte statt des kurzen Dolchs ein Schwert:

Und so trat er geprüft in einen Orden,

Zu dem er durch Geburt berechtigt worden.

So könnt ich dir noch tagelang berichten,

Was jeden Hörer in Erstaunen setzt;

Sein Leben wird den köstlichsten Geschichten

Gewiß dereinst von Enkeln gleichgesetzt;

Was dem Gemüt in Fabeln und Gedichten

Unglaublich scheint und es doch hoch ergetzt,

Vernimmt es hier und mag sich gern bequemen,

Zwiefach erfreut, für wahr es anzunehmen.

Und fragst du mich, wie der Erwählte heiße,

Den sich das Aug der Vorsicht ausersah,

Den ich zwar oft, doch nie genugsam preise,

An dem so viel Unglaubliches geschah?

Humanus heißt der Heilige, der Weise,

Der beste Mann, den ich mit Augen sah;

Und sein Geschlecht, wie es die Fürsten nennen,

Sollst du zugleich mit seinen Ahnen kennen. –

Der Alte sprachs und hätte mehr gesprochen,

Denn er war ganz der Wunderdinge voll,

Und wir ergetzen uns noch manche Wochen

An allem, was er uns erzählen soll;

Doch eben ward sein Reden unterbrochen,

Als gegen seinen Gast das Herz am stärksten quoll.

Die andern Brüder gingen bald und kamen,

Bis sie das Wort ihm von dem Munde nahmen.

Und da nun Markus nach genoßnem Male

Dem Herrn und seinen Wirten sich geneigt,

Erbat er sich noch eine reine Schale

Voll Wasser, und auch die ward ihm gereicht.

Dann führten sie ihn zu dem großen Saale,

Worin sich ihm ein seltner Anblick zeigt.

Was er dort sah, soll nicht verborgen bleiben,

Ich will es auch gewissenhaft beschreiben.

Kein Schmuck war hier, die Augen zu verblenden,

Ein kühnes Kreuzgewölbe stieg empor,

Und dreizehn Stühle sah er an den Wänden

Umher geordnet, wie im frommen Chor,

Gar zierlich ausgeschnitzt von klugen Händen;

Es stand ein kleiner Pult an jedem vor.

Man fühlte hier der Andacht sich ergeben,

Und Lebensruh und ein gesellig Leben.

Zu Häupten sah er dreizehn Schilde bangen,

Denn jedem Stuhl war eines zugezählt;

Sie schienen hier nicht ahnenstolz zu prangen,

Ein jeder schien bedeutend und gewählt.

Und Bruder Markus brannte vor Verlangen,

Zu wissen, was so manches Bild verhehlt;

Im mittelsten erblickt er jenes Zeichen

Zum zweitenmal, ein Kreuz mit Rosenzweigen.

Die Seele kann sich hier gar vieles bilden,

Ein Gegenstand zieht von dem andern fort;

Und Helme hängen über manchen Schilden,

Auch Schwert und Lanze sieht man hier und dort;

Die Waffen, wie man sie von Schlachtgefilden

Auflesen kann, verzieren diesen Ort:

Hier Fahnen und Gewehre fremder Lande

Und, seh ich recht, auch Ketten dort und Bande!

Ein jeder sinkt vor seinem Stuhle nieder,

Schlägt auf die Brust, in still Gebet gekehrt;

Von ihren Lippen tönen kurze Lieder,

In denen sich andächtig Freude nährt;

Dann segnen sich die treu verbundnen Brüder

Zum kurzen Schlaf, den Phantasie nicht stört;

Nur Markus bleibt, indem die andern gehen,

Mit einigen im Saale schauend stehen.

So müd er ist, wünscht er noch fort zu wachen,

Denn kräftig reizt ihn manch und manches Bild:

Hier sieht er einen feuerfarbnen Drachen,

Der seinen Durst in wilden Flammen stillt;

Hier einen Arm in eines Bären Rachen,

Von dem das Blut in heißen Strömen quillt;

Die beiden Schilder hingen, gleicher Weite,

Beim Rosenkranz zur recht- und linken Seite.

Du kommst hierher auf wunderbaren Pfaden,

Spricht ihn der Alte wieder freundlich an;

Laß diese Bilder dich zu bleiben laden,

Bis du erfährst, was mancher Held getan;

Was hier verborgen, ist nicht zu erraten,

Man zeige denn es dir vertraulich an.

Du ahnest wohl, wie manches hier gelitten,

Gelebt, verloren ward, und was erstritten.

Doch glaube nicht, daß nur von alten Zeiten

Der Greis erzählt, hier geht noch manches vor;

Das, was du siehst, will mehr und mehr bedeuten;

Ein Teppich deckt es bald und bald ein Flor.

Geliebt es dir, so magst du dich bereiten:

Du kamst, o Freund, nur erst durchs erste Tor;

Im Vorhof bist du freundlich aufgenommen,

Und scheinst mir wert, ins Innerste zu kommen.

Nach kurzem Schlaf in einer stillen Zelle

Weckt unsern Freund ein dumpfer Glockenton,

Er rafft sich auf mit unverdroßner Schnelle,

Dem Ruf der Andacht folgt der Himmelssohn.

Geschwind bekleidet, eilt er nach der Schwelle,

Es eilt sein Herz voraus zur Kirche schon,

Gehorsam, ruhig, durch Gebet beflügelt;

Er klinkt am Schloß, und findet es verriegelt.

Und wie er horcht, so wird in gleichen Zeiten

Dreimal ein Schlag auf hohles Erz erneut,

Nicht Schlag der Uhr und auch nicht Glockenläuten,

Ein Flötenton mischt sich von Zeit zu Zeit;

Der Schall, der seltsam ist und schwer zu deuten,

Bewegt sich so, daß er das Herz erfreut,

Einladend ernst, als wenn sich mit Gesängen

Zufriedne Paare durcheinander schlängen.

Er eilt ans Fenster, dort vielleicht zu schauen,

Was ihn verwirrt und wunderbar ergreift;

Er sieht den Tag im fernen Osten grauen,

Den Horizont mit leichtem Duft gestreift.

Und – soll er wirklich seinen Augen trauen? –

Ein seltsam Licht, das durch den Garten schweift:

Drei Jünglinge mit Fackeln in den Händen

Sieht er sich eilend durch die Gänge wenden.

Er sieht genau die weißen Kleider glänzen,

Die ihnen knapp und wohl am Leibe stehn,

Ihr lockig Haupt kann er mit Blumenkränzen,

Mit Rosen ihren Gurt umwunden sehn;

Es scheint, als kämen sie von nächtgen Tänzen,

Von froher Mühe recht erquickt und schön.

Sie eilen nun und löschen, wie die Sterne,

Die Fackeln aus und schwinden in die Ferne.

 
 * 

Lug oder Trug

Darf man das Volk betrügen?

Ich sage nein!

Doch willst du sie belügen,

So mach’ es nur nicht fein.

 
 * 

Nationalversammlung

Auf der recht- und linken Seite,

Auf dem Berg und in der Mitten,

Sitzen, stehen sie zum Streite,

All’ einander ungelitten.

Wenn du dich an’s Ganze wendest,

Und votirest, wie du sinnest,

Merke, welchen du entfremdest,

Fühle, wen du dir gewinnest.

 
 * 

Mignon

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,

Im dunklen Laub die Goldorangen glühn,

Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,

Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?

Kennst du es wohl?

Dahin, dahin

Möcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn!

Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach.

Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,

Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:

Was hat man dir, du armes Kind, getan?–

Kennst du es wohl?

Dahin, dahin

Möcht ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn!

Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?

Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg.

In Hoehlen wohnt der Drachen alte Brut.

Es stuerzt der Fels und über ihn die Flut.

Kennst du ihn wohl?

Dahin, dahin

Geht unser Weg.

O Vater, lass uns ziehn!

 
 * 

Auf Miedings Tod

Welch ein Getümmel füllt Thaliens Haus?

Welch ein geschäftig Volk eilt ein und aus?

Von hohlen Brettern tönt des Hammers Schlag.

Der Sonntag feiert nicht, die Nacht wird Tag.

Was die Erfindung still und zart ersann,

Beschäftigt laut den rohen Zimmermann.

Ich sehe Hauenschild gedankenvoll;

Ists Türk, ists Heide, den er kleiden soll?

Und Schumann froh, als wär er schon bezahlt,

Weil er einmal mit ganzen Farben malt.

Ich sehe Thielens leicht bewegten Schritt,

Der lustger wird, je mehr er euch verschnitt.

Der Jude Elkan läuft mit manchem Rest,

Und diese Gärung deutet auf ein Fest.

Allein, wie viele hab ich hererzählt,

Und nenn ihn nicht, den Mann, der nie gefehlt,

Der sinnreich schnell, mit schmerzbeladner Brust,

Den Lattenbau zu fügen wohl gewußt,

Das Brettgerüst, das, nicht von ihm belebt,

Wie ein Skelett an toten Drähten schwebt.

Wo ist er? sagt! – Ihm war die Kunst so lieb,

Daß Kolik nicht, nicht Husten ihn vertrieb.

»Er liegt so krank, so schlimm es nie noch war!«

Ach, Freunde! Weh! Ich fühle die Gefahr;

Hält Krankheit ihn zurück, so ist es Not,

Er ist nicht krank, nein, Kinder, er ist tot!

Wie Mieding tot? erschallt bis unters Dach

Das hohle Haus, vom Echo kehrt ein Ach!

Die Arbeit stockt, die Hand wird jedem schwer,

Der Leim wird kalt, die Farbe fließt nicht mehr;

Ein jeder steht betäubt an seinem Ort,

Und nur der Mittwoch treibt die Arbeit fort.

Ja, Mieding tot! O scharret sein Gebein

Nicht undankbar wie manchen andern ein!

Laßt seinen Sarg eröffnet, tretet her,

Klagt jedem Bürger, der gelebt wie er,

Und laßt am Rand des Grabes, wo wir stehn,

Die Schmerzen in Betrachtung übergehn.

O Weimar! dir fiel ein besonder Los!

Wie Bethlehem in Juda, klein und groß.

Bald wegen Geist und Witz beruft dich weit

Europens Mund, bald wegen Albernheit.

Der stille Weise schaut und sieht geschwind,

Wie zwei Extreme nah verschwistert sind.

Eröffne du, die du besondre Lust

Am Guten hast, der Rührung deine Brust!

Und du, o Muse, rufe weit und laut

Den Namen aus, der heut uns still erbaut!

Wie manchen, wert und unwert, hielt mit Glück

Die sanfte Hand von ewger Nacht zurück;

O laß auch Miedings Namen nicht vergehn!

Laß ihn stets neu am Horizonte stehn!

Nenn ihn der Welt, die kriegrisch oder fein

Dem Schicksal dient und glaubt ihr Herr zu sein,

Dem Rad der Zeit vergebens widerstrebt,

Verwirrt, beschäftigt und betäubt sich dreht;

Wo jeder, mit sich selbst genug geplagt,

So selten nach dem nächsten Nachbar fragt,

Doch gern im Geist nach fernen Zonen eilt

Und Glück und Übel mit dem Fremden teilt.

Verkünde laut und sag es überall:

Wo Einer fiel, sah jeder seinen Fall!

Du, Staatsmann, tritt herbei! Hier liegt der Mann,

Der, so wie du, ein schwer Geschäft begann;

Mit Lust zum Werke mehr als zum Gewinn

Schob er ein leicht Gerüst mit leichtem Sinn,

Den Wunderbau, der äußerlich entzückt,

Indes der Zaubrer sich im Winkel drückt.

Er wars, der säumend manchen Tag verlor,

So sehr ihn Autor und Akteur beschwor;

Und dann zuletzt, wenn es zum Treffen ging,

Des Stückes Glück an schwache Fäden hing.

Wie oft trat nicht die Herrschaft schon herein!

Es ward gepocht, die Symphonie fiel ein,

Daß er noch kletterte, die Stangen trug,

Die Seile zog und manchen Nagel schlug.

Oft glückt’s ihm, kühn betrog er die Gefahr;

Doch auch ein Bock macht’ ihm kein graues Haar.

Wer preist genug des Mannes kluge Hand,

Wenn er aus Draht elastsche Federn wand,

Vielfältge Pappen auf die Lättchen schlug,

Die Rolle fügte, die den Wagen trug;

Von Zindel, Blech, gefärbt Papier und Glas,

Dem Ausgang lächelnd, rings umgeben saß?

So, treu dem unermüdlichen Beruf,

War ers, der Held und Schäfer leicht erschuf.

Was alles zarte, schöne Seelen rührt,

Ward treu von ihm, nachahmend, ausgeführt:

Des Rasens Grün, des Wassers Silberfall,

Der Vögel Sang, des Donners lauter Knall,

Der Laube Schatten und des Mondes Licht –

Ja, selbst ein Ungeheur erschreckt ihn nicht.

Wie die Natur manch widerwärtge Kraft

Verbindend zwingt, und streitend Körper schafft:

So zwang er jedes Handwerk, jeden Fleiß;

Des Dichters Welt entstand auf sein Geheiß.

Und, so verdient, gewährt die Muse nur

Den Namen ihm – Direktor der Natur.

Wer faßt nach ihm, voll Kühnheit und Verstand,

Die vielen Zügel mit der Einen Hand?

Hier, wo sich jeder seines Weges treibt,

Wo ein Faktotum unentbehrlich bleibt;

Wo selbst der Dichter, heimlich voll Verdruß,

Im Fall der Not die Lichter putzen muß.

O sorget nicht! Gar viele regt sein Tod!

Sein Witz ist nicht zu erben, doch sein Brot;

Und, ungleich ihm, denkt mancher Ehrenmann:

Verdien ichs nicht, wenn ichs nur essen kann.

Was stutzt ihr? Seht den schlecht verzierten Sarg,

Auch das Gefolg scheint euch gering und karg;

Wie! ruft ihr, wer so künstlich und so fein,

So wirksam war, muß reich gestorben sein!

Warum versagt man ihm den Trauerglanz,

Den äußern Anstand letzter Ehre ganz?

Nicht so geschwind! Das Glück macht alles gleich,

Den Faulen und den Tätgen, Arm und Reich.

Zum Gütersammeln war er nicht der Mann;

Der Tag verzehrte, was der Tag gewann.

Bedauert ihn, der, schaffend bis ans Grab,

Was künstlich war, und nicht was Vorteil gab,

In Hoffnung täglich weniger erwarb,

Vertröstet lebte und vertröstet starb.

Nun laßt die Glocken tönen, und zuletzt

Werd er mit lauter Trauer beigesetzt!

Wer ists, der ihm ein Lob zu Grabe bringt,

Eh noch die Erde rollt, das Chor verklingt?

Ihr Schwestern, die ihr bald auf Thespis Karrn,

Geschleppt von Eseln und umschrien von Narrn,

Vor Hunger kaum, vor Schande nie bewahrt,

Von Dorf zu Dorf, euch feilzubieten, fahrt;

Bald wieder, durch der Menschen Gunst beglückt,

In Herrlichkeit der Welt die Welt entzückt;

Die Mädchen eurer Art sind selten karg,

Kommt, gebt die schönsten Kränze diesem Sarg!

Vereinet hier teilnehmend euer Leid,

Zahlt, was ihr ihm, was ihr uns schuldig seid!

Als euren Tempel grause Glut verheert,

Ward ihr von uns drum weniger geehrt?

Wieviel Altäre stiegen vor euch auf!

Wie manches Rauchwerk brachte man euch drauf!

An wieviel Plätzen lag, vor euch gebückt,

Ein schwer befriedigt Publikum entzückt!

In engen Hütten und im reichen Saal,

An Höhen Ettersburgs, in Tiefurts Tal,

Im leichten Zelt, auf Teppichen der Pracht,

Und unter dem Gewölb der hohen Nacht

Erschient ihr, die ihr vielgestaltet seid,

Im Reitrock bald und bald im Galakleid.

Auch das Gefolg, das um euch sich ergießt,

Dem der Geschmack die Türen ekel schließt,

Das leichte, tolle, scheckige Geschlecht,

Es kam zuhauf, und immer kam es recht.

An weiße Wand bringt dort der Zauberstab

Ein Schattenvolk aus mythologschem Grab.

Im Possenspiel regt sich die alte Zeit,

Gutherzig, doch mit Ungezogenheit.

Was Gallier und Brite sich erdacht,

Ward, wohlverdeutscht, hier Deutschen vorgebracht;

Und oftmals liehen Wärme, Leben, Glanz

Dem armen Dialog – Gesang und Tanz.

Des Karnevals zerstreuter Flitterwelt

Ward sinnreich Spiel und Handlung zugesellt.

Dramatisch selbst erschienen hergesandt

Drei Könige aus fernem Morgenland;

Und sittsam bracht auf reinlichem Altar

Dianens Priesterin ihr Opfer dar.

Nun ehr uns auch in dieser Trauerzeit!

Gebt uns ein Zeichen! denn ihr seid nicht weit.

Ihr Freunde, Platz! Weicht einen kleinen Schritt!

Seht, wer da kommt und festlich näher tritt!

Sie ist es selbst – die Gute fehlt uns nie –

Wir sind erhört, die Musen senden sie.

Ihr kennt sie wohl; sie ists, die stets gefällt:

Als eine Blume zeigt sie sich der Welt,

Zum Muster wuchs das schöne Bild empor,

Vollendet nun, sie ists und stellt sich vor.

Es gönnten ihr die Musen jede Gunst.

Und die Natur erschuf in ihr die Kunst.

So häuft sie willig jeden Reiz auf sich,

Und selbst dein Name ziert, Corona, dich.

Sie tritt herbei. Seht sie gefällig stehn!

Nur absichtslos, doch wie mit Absicht schön.

Und hocherstaunt seht ihr in ihr vereint

Ein Ideal, das Künstlern nur erscheint.

Anständig führt die leis erhobne Hand

Den schönsten Kranz, umknüpft von Trauerband.

Der Rose frohes, volles Angesicht,

Das treue Veilchen, der Narzisse Licht,

Vielfältger Nelken, eitler Tulpen Pracht,

Von Mädchenhand geschickt hervorgebracht,

Durchschlungen von der Myrte sanfter Zier,

Vereint die Kunst zum Trauerschmucke hier;

Und durch den schwarzen, leichtgeknüpften Flor

Sticht eine Lorbeerspitze still hervor.

Es schweigt das Volk. Mit Augen voller Glanz

Wirft sie ins Grab den wohlverdienten Kranz.

Sie öffnet ihren Mund, und lieblich fließt

Der weiche Ton, der sich ums Herz ergießt.

Sie spricht: Den Dank für das, was du getan,

Geduldet, nimm, du Abgeschiedner, an!

Der Gute, wie der Böse, müht sich viel,

Und beide bleiben weit von ihrem Ziel.

Dir gab ein Gott in holder, steter Kraft

Zu deiner Kunst die ewge Leidenschaft.

Sie wars, die dich zur bösen Zeit erhielt,

Mit der du krank, als wie ein Kind, gespielt

Die auf den blassen Mund ein Lächeln rief,

In deren Arm dein müdes Haupt entschlief!

Ein jeder, dem Natur ein Gleiches gab,

Besuche pilgernd dein bescheiden Grab!

Fest steh dein Sarg in wohlgegönnter Ruh;

Mit lockrer Erde deckt ihn leise zu,

Und sanfter als des Lebens liege dann

Auf dir des Grabes Bürde, guter Mann!

 
 * 

Adler und Taube

Ein Adlersjüngling hob die Flügel

Nach Raub aus;

Ihn traf des Jägers Pfeil und schnitt

Der rechten Schwinge Spannkraft ab.

Er stürzt’ hinab in einen Myrtenhain,

Fraß seinen Schmerz drei Tage lang,

Und zuckt’ an Qual

Drei lange, lange Nächte lang;

Zuletzt heilt’ ihn

Allgegenwärtger Balsam

Allheilender Natur.

Er schleicht aus dem Gebüsch hervor

Und reckt die Flügel – ach!

Die Schwingkraft weggeschnitten –

Hebt sich mühsam kaum

Vom Boden weg

Unwürdgem Raubbedürfnis nach,

Und ruht tieftrauernd

Auf dem niedern Fels am Bach;

Er blickt zur Eich hinauf,

Hinauf zum Himmel,

Und eine Träne füllt sein hohes Aug.

Da kommt mutwillig durch die Myrtenäste

Dahergerauscht ein Taubenpaar,

Läßt sich herab und wandelt nickend

Über goldnen Sand am Bach,

Und ruckt einander an;

Ihr rötlich Auge buhlt umher,

Erblickt den Innigtrauernden.

Der Tauber schwingt neugiergesellig sich

Zum nahen Busch und blickt

Mit Selbstgefälligkeit ihn freundlich an.

Du trauerst, liebelt er;

Sei guten Muts, Freund!

Hast du zur ruhigen Glückseligkeit

Nicht alles hier?

Kannst du dich nicht des goldnen Zweiges freun,

Der vor des Tages Glut dich schützt?

Kannst du der Abendsonne Schein

Auf weichem Moos am Bache nicht

Die Brust entgegenheben?

Du wandelst durch der Blumen frischen Tau,

Pflückst aus dem Überfluß

Des Waldgebüsches dir

Gelegne Speise, letzest

Den leichten Durst am Silberquell –

O Freund, das wahre Glück

Ist die Genügsamkeit,

Und die Genügsamkeit

Hat überall genug.

O Weise! sprach der Adler, und tief ernst

Versinkt er tiefer in sich selbst,

O Weisheit! Du redst wie eine Taube!

 
 * 

Wehmut

Ihr verblühet, süße Rosen,

Meine Liebe trug euch nicht;

Blühet, ach! dem Hoffnungslosen,

Dem der Gram die Seele bricht.

Jener Tage denk’ ich trauernd,

Als ich, Engel, an dir hing,

Auf das erste Knöspchen lauernd,

Früh zu meinem Garten ging;

Alle Blüten, alle Früchte

Noch zu deinen Füßen trug,

Und vor deinem Angesichte

Hoffnung in dem Herzen schlug.

Ihr verblühet, süße Rosen,

Meine Liebe trug euch nicht;

Blühet, ach! dem Hoffnungslosen,

Dem der Gram die Seele bricht.

 
 * 

Eins wies andre

Die Welt ist wie ein Sardellen-Salat;

Er schmeckt uns früh, er schmeckt uns spat.

 
 * 

Versuchung

Reichte die schädliche Frucht einst Mutter Eva dem Gatten,

Ach! vom thörichten Biß kränkelt das ganze Geschlecht.

Nun vom heiligen Leibe, der Seelen speiset und heilet,

Kostest du, Lydia, fromm, liebliches, büßendes Kind!

Darum schick’ ich dir eilig die Frucht voll irdischer Süße,

Daß der Himmel dich nicht deinem Geliebten entzieh’.

 
 * 

Frech und froh

Liebesqual verschmäht mein Herz,

Sanften Jammer, süßen Schmerz;

Nur vom Tücht’gen will ich wissen,

Heißem Aeuglen, derben Küssen.

Sei ein armer Hund erfrischt

Von der Lust, mit Pein gemischt!

Mädchen, gieb der frischen Brust

Nichts von Pein und alle Lust.

 
 * 

Der Misanthrop

A.

Erst sitzt er eine Weile,

Die Stirn von Wolken frei;

Auf einmal kommt in Eile

Sein ganz Gesicht der Eule

Verzerrtem Ernste bei.

B.

Sie fragen, was das sei?

Lieb oder Langeweile?

C.

Ach, sie sinds alle zwei.

 
 * 

Abwege

Künstler, wird’s im Innern steif,

Das ist nicht erfreulich;

Auch der vagen Züge Schweif

Ist uns ganz abscheulich;

Kommst du aber auf die Spur

Daß du’s nicht getroffen,

Zu der wahren Kunstnatur

Steht der Pfad schon offen.

 
 * 

An Charlotte von Stein

Ach, wie bist du mir,

Wie bin ich dir geblieben!

Nein, an der Wahrheit

Verzweifl ich nicht mehr.

Ach, wenn du da bist,

Fühl ich, ich soll dich nicht lieben;

Ach, wenn du fern bist,

Fühl ich, ich lieb dich so sehr.

 
 * 

Urworte, orphisch

Δαιμον, Dämon

Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,

Die Sonne stand zum Gruße der Planeten,

Bist alsobald und fort und fort gediehen

Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.

So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen,

So sagten schon Sibyllen, so Propheten;

Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt

Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.

Τυχη, das Zufällige

Die strenge Grenze doch umgeht gefällig

Ein Wandelndes, das mit und um uns wandelt;

Nicht einsam bleibst du, bildest dich gesellig,

Und handelst wohl so, wie ein andrer handelt:

Im Leben ists bald hin-, bald widerfällig,

Es ist ein Tand und wird so durchgetandelt.

Schon hat sich still der Jahre Kreis geründet,

Die Lampe harrt der Flamme, die entzündet.

Ερως, Liebe

Die bleibt nicht aus! – Er stürzt vom Himmel nieder,

Wohin er sich aus alter Öde schwang,

Er schwebt heran auf luftigem Gefieder

Um Stirn und Brust den Frühlingstag entlang,

Scheint jetzt zu fliehn, vom Fliehen kehrt er wieder:

Da wird ein Wohl im Weh, so süß und bang.

Gar manches Herz verschwebt im Allgemeinen,

Doch widmet sich das edelste dem Einen.

Αναγκη, Nötigung

Da ists denn wieder, wie die Sterne wollten:

Bedingung und Gesetz; und aller Wille

Ist nur ein Wollen, weil wir eben sollten,

Und vor dem Willen schweigt die Willkür stille;

Das Liebste wird vom Herzen weggescholten,

Dem harten Muß bequemt sich Will und Grille.

So sind wir scheinfrei denn, nach manchen Jahren

Nur enger dran, als wir am Anfang waren.

Ελπις, Hoffnung

Doch solcher Grenze, solcher ehrnen Mauer

Höchst widerwärtge Pforte wird entriegelt,

Sie stehe nur mit alter Felsendauer!

Ein Wesen regt sich leicht und ungezügelt:

Aus Wolkendecke, Nebel, Regenschauer

Erhebt sie uns, mit ihr, durch sie beflügelt,

Ihr kennt sie wohl, sie schwärmt durch alle Zonen –

Ein Flügelschlag – und hinter uns Äonen!

 
 * 

Kunst und Alterthum

»Was ist denn Kunst und Alterthum,

Was Alterthum und Kunst?«

Genug, das Eine hat den Ruhm,

Das Andre hat die Gunst.

 
 * 

Nativität

Der Deutsche ist gelehrt,

Wenn er sein Deutsch versteht;

Doch bleib’ ihm unverwehrt,

Wenn er nach außen geht.

Er komme dann zurück,

Gewiß um viel gelehrter;

Doch ist’s ein großes Glück,

Wenn nicht um viel verkehrter.

 
 * 

Hochzeitlied

Wir singen und sagen vom Grafen so gern,

Der hier in dem Schlosse gehauset,

Da, wo ihr den Enkel des seligen Herrn,

Den heute vermählten, beschmauset.

Nun hatte sich jener im heiligen Krieg

Zu Ehren gestritten durch mannigen Sieg,

Und als er zu Hause vom Rösselein stieg,

Da fand er sein Schlösselein oben,

Doch Diener und Habe zerstoben.

Da bist du nun, Gräflein, da bist du zu Haus,

Das Heimische findest du schlimmer!

Zum Fenster da ziehen die Winde hinaus,

Sie kommen durch alle die Zimmer.

Was wäre zu tun in der herbstlichen Nacht?

So hab’ ich doch manche noch schlimmer vollbracht,

Der Morgen hat alles wohl besser gemacht.

Drum rasch bei der mondlichen Helle

Ins Bett, in das Stroh, ins Gestelle!

Und als er im willigen Schlummer so lag,

Bewegt es sich unter dem Bette.

Die Ratte, die raschle, so lange sie mag!

Ja, wenn sie ein Bröselein hätte!

Doch siehe! da stehet ein winziger Wicht,

Ein Zwerglein so zierlich mit Ampelen-Licht,

Mit Redner-Gebärden und Sprecher-Gewicht

Zum Fuß des ermüdeten Grafen,

Der, schläft er nicht, möcht’ er doch schlafen.

Wir haben uns Feste hier oben erlaubt,

Seitdem du die Zimmer verlassen,

Und weil wir dich weit in der Ferne geglaubt,

So dachten wir eben zu prassen.

Und wenn du vergönnest und wenn dir nicht graut,

So schmausen die Zwerge behaglich und laut

Zu Ehren der reichen, der niedliche Braut.

Der Graf im Behagen des Traumes:

Bedienet euch immer des Raumes!

Da kommen drei Reiter, sie reiten hervor,

Die unter dem Bette gehalten;

Dann folget ein singendes, klingendes Chor

Possierlicher kleiner Gestalten;

Und Wagen auf Wagen mit allem Gerät,

Daß einem so Hören als Sehen vergeht,

Wie’s nur in den Schlössern der Könige steht;

Zuletzt auf vergoldetem Wagen

Die Braut und die Gäste getragen.

So rennet nun alles in vollem Galopp

Und kürt sich im Saale sein Plätzchen;

Zum Drehen und Walzen und lustigen Hopp

Erkieset sich jeder ein Schätzchen.

Da pfeift es und geigt es und klinget und klirrt,

Da ringelt’s und schleift es und rauschet und wirrt,

Da pispert’s und knistert’s und flüstert’s und schwirrt.

Das Gräflein, es blicket hinüber,

Es dünkt ihn, als läg’ er im Fieber.

Nun dappelt’s und rappelt’s und klappert’s im Saal

Von Bänken und Stühlen und Tischen,

Da will nun ein jeder am festliche Mahl

Sich neben dem Liebchen erfrischen;

Sie tragen die Würste, die Schinken so klein

Und Braten und Fisch und Geflügel herein;

Es kreiset beständig der köstliche Wein;

Das toset und koset so lange,

Verschwindet zuletzt mit Gesange.

Und sollen wir singen, was weiter geschehn,

So schweige das Toben und Tosen.

Denn was er so artig im kleinen gesehn,

Erfuhr er, genoß er im großen.

Trompeten und klingender, singender Schall

Und Wagen und Reiter und bräutlicher Schwall,

Sie kommen und zeigen und neigen sich all,

Unzählige, selige Leute.

So ging es und geht es noch heute.

 
 * 

Ballade

Herein, o du Guter! du Alter, herein!

Hier unten im Saale, da sind wir allein,

Wir wollen die Pforte verschließen.

Die Mutter, sie betet; der Vater im Hain

Ist gangen, die Wölfe zu schießen.

O sing uns ein Märchen, o sing es uns oft,

Daß ich und der Bruder es lerne;

Wir haben schon längst einen Sänger gehofft –

Die Kinder, sie hören es gerne.

Im nächtlichen Schrecken, im feindlichen Graus

Verläßt er das hohe, das herrliche Haus,

Die Schätze, die hat er vergraben.

Der Graf nun so eilig zum Pförtchen hinaus,

Was mag er im Arme denn haben?

Was birget er unter dem Mantel geschwind?

Was trägt er so rasch in die Ferne?

Ein Töchterchen ist es, da schläft nun das Kind –

Die Kinder, sie hören es gerne.

Nun hellt sich der Morgen, die Welt ist so weit,

In Tälern und Wäldern die Wohnung bereit,

In Dörfern erquickt man den Sänger.

So schreitet und heischt er undenkliche Zeit,

Der Bart wächst ihm länger und länger;

Doch wächst in dem Arme das liebliche Kind,

Wie unter dem glücklichsten Sterne,

Geschützt in dem Mantel vor Regen und Wind –

Die Kinder, sie hören es gerne.

Und immer sind weiter die Jahre gerückt,

Der Mantel entfärbt sich, der Mantel zerstückt,

Er könnte sie länger nicht fassen.

Der Vater, er schaut sie, wie ist er beglückt!

Er kann sich für Freude nicht lassen;

So schön und so edel erscheint sie zugleich,

Entsprossen aus tüchtigem Kerne,

Wie macht sie den Vater, den teuren, so reich –

Die Kinder, sie hören es gerne.

Da reitet ein fürstlicher Ritter heran,

Sie recket die Hand aus, der Gabe zu nahn;

Almosen will er nicht geben.

Er fasset das Händchen so kräftiglich an:

Die will ich, so ruft er, aufs Leben!

Erkennst du, erwidert der Alte, den Schatz,

Erhebst du zur Fürstin sie gerne;

Sie sei dir verlobet auf grünendem Platz –

Die Kinder, sie hören es gerne.

Sie segnet der Priester am heiligen Ort;

Mit Lust und mit Unlust ziehet sie fort,

Sie möchte vom Vater nicht scheiden.

Der Alte, er wandelt nun hier und bald dort,

Er träget in Freuden sein Leiden.

So hab ich mir Jahre die Tochter gedacht,

Die Enkelein wohl in der Ferne;

Sie segn ich bei Tage, sie segn ich bei Nacht –

Die Kinder, sie hören es gerne.

Er segnet die Kinder; da polterts am Tor,

Der Vater, da ist er! Sie springen hervor.

Sie können den Alten nicht bergen –

Was lockst du die Kinder! du Bettler! du Tor!

Ergreift ihn, ihr eisernen Schergen!

Zum tiefsten Verließ den Verwegenen fort!

Die Mutter vernimmts in der Ferne,

Sie eilet, sie bittet mit schmeichelndem Wort –

Die Kinder, sie hören es gerne.

Die Schergen, sie lassen den Würdigen stehn,

Und Mutter und Kinder, sie bitten so schön;

Der fürstliche Stolze verbeißet

Die grimmige Wut, ihn entrüstet das Flehn,

Bis endlich sein Schweigen zerreißet:

Du niedrige Brut! du vom Bettlergeschlecht!

Verfinsterung fürstlicher Sterne!

Ihr bringt mir Verderben! Geschieht mir doch recht. –

Die Kinder, sie hörens nicht gerne.

Noch stehet der Alte mit herrlichem Blick,

Die eisernen Schergen, sie treten zurück,

Es wächst nur das Toben und Wüten.

Schon lange verflucht ich mein ehliches Glück,

Da sind nun die Früchte der Blüten!

Man leugnete stets, und man leugnet mit Recht,

Daß je sich der Adel erlerne;

Die Bettlerin zeuget mir Bettlergeschlecht –

Die Kinder, sie hörens nicht gerne.

Und wenn euch der Gatte, der Vater verstößt,

Die heiligsten Bande verwegentlich löst,

So kommt zu dem Vater, dem Ahnen!

Der Bettler vermag, so ergraut und entblößt,

Euch herrliche Wege zu bahnen.

Die Burg, die ist meine! Du hast sie geraubt,

Mich trieb dein Geschlecht in die Ferne;

Wohl bin ich mit köstlichen Siegeln beglaubt! –

Die Kinder, sie hören es gerne.

Rechtmäßiger König, er kehret zurück,

Den Treuen verleiht er entwendetes Glück,

Ich löse die Siegel der Schätze. –

So rufet der Alte mit freundlichem Blick:

Euch künd ich die milden Gesetze.

Erhole dich, Sohn! Es entwickelt sich gut,

Heut einen sich selige Sterne;

Die Fürstin, sie zeugte dir fürstliches Blut –

Die Kinder, sie hören es gerne.

 
 * 

Das Göttliche

Edel sei der Mensch,

Hilfreich und gut!

Denn das allein

Unterscheidet ihn

Von allen Wesen,

Die wir kennen.

Heil den unbekannten

Höhern Wesen,

Die wir ahnen!

Ihnen gleiche der Mensch!

Sein Beispiel lehr uns

Jene glauben.

Denn unfühlend

Ist die Natur:

Es leuchtet die Sonne

Über Bös und Gute,

Und dem Verbrecher

Glänzen wie dem Besten

Der Mond und die Sterne.

Wind und Ströme,

Donner und Hagel

Rauschen ihren Weg

Und ergreifen

Vorüber eilend

Einen um den andern.

Auch so das Glück

Tappt unter die Menge,

Faßt bald des Knaben

Lockige Unschuld,

Bald auch den kahlen

Schuldigen Scheitel.

Nach ewigen, ehrnen,

Großen Gesetzen

Müssen wir alle

Unsreres Daseins

Kreise vollenden.

Nur allein der Mensch

Vermag das Unmögliche:

Er unterscheidet,

Wählet und richtet;

Er kann dem Augenblick

Dauer verleihen.

Er allein darf

Den Guten lohnen,

Den Bösen strafen,

Heilen und retten,

Alles Irrende, Schweifende

Nützlich verbinden.

Und wir verehren

Die Unsterblichen,

Als wären sie Menschen,

Täten im großen,

Was der Beste im kleinen

Tut oder möchte.

Der edle Mensch

Sei hilfreich und gut!

Unermüdet schaff er

Das Nützliche, Rechte,

Sei uns ein Vorbild

Jener geahneten Wesen!

 
 * 

Rezensent

Da hatt ich einen Kerl zu Gast,

Der war mir eben nicht zur Last;

Ich hatt just mein gewöhnlich Essen,

Hat sich der Kerl plumpsatt gefressen,

Zum Nachttisch, was ich gespeichert hatt.

Und kaum ist mir der Kerl so satt,

Tut ihn der Teufel zum Nachbar führen,

Über mein Essen zu räsonieren:

»Die Supp hätt können gewürzter sein,

Der Braten brauner, firner der Wein.«

Der Tausendsackerment!

Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent.

 
 * 

Anbetung

Anbete du das Feuer hundert Jahr,

Dann fall hinein, dich frißts mit Haut und Haar.

 
 * 

Weissagungen des Bakis

Seltsam ist Propheten Lied,

Doppelt seltsam, was geschieht.

1.

Wahnsinn ruft man dem Calchas, und Wahnsinn ruft man Cassandren,

Eh’ man nach Ilion zog, wenn man von Ilion kommt.

Wer kann hören das Morgen und Uebermorgen? Nicht Einer!

Denn was gestern und eh’gestern gesprochen – wer hört’s?

2.

Lang und schmal ist ein Weg. Sobald du ihn gehest, so wird er

Breiter; aber du ziehst Schlangengewinde dir nach.

Bist du an’s Ende gekommen, so werde der schreckliche Knoten

Dir zur Blume, und du gieb sie dem Ganzen dahin.

3.

Nicht Zukünftiges nur verkündet Bakis, auch jetzt noch

Still Verborgenes zeigt er als ein Kundiger an.

Wünschelruthen sind hier, sie zeigen am Stamm nicht die Schätze,

Nur in der füllenden Hand regt sich das magische Reis.

4.

Wenn sich der Hals des Schwanes verkürzt und mit Menschengesichte

Sich der prophetische Gast über den Spiegel bestrebt;

Läßt den silbernen Schleier die Schöne dem Nachen entfallen,

Ziehen dem Schwimmenden gleich goldene Ströme sich nach.

5.

Zweie seh’ ich! den Großen! ich seh’ den Größern! Die Beiden

Reiben mit feindlicher Kraft Einer den Andern sich auf.

Hier ist Felsen und Land und dort sind Felsen und Wellen!

Welcher der Größere sei, redet die Parze nur aus.

6.

Kommt ein wandernder Fürst auf kalter Schwelle zu schlafen,

Schlinge Ceres den Kranz stille verflechtend um ihn;

Dann verstummen die Hunde; es wird ein Geier ihn wecken,

Und ein thätiges Volk freut sich des neuen Geschicks.

7.

Sieben gehn verhüllt, und Sieben mit offnem Gesichte.

Jene fürchtet das Volk, fürchten die Großen der Welt;

Aber die Andern sind’s, die Verräther! von Keinem erforschet;

Denn ihr eigen Gesicht birget als Maske den Schalk.

8.

Gestern war es noch nicht, und weder heute noch morgen

Wird es, und jeder verspricht Nachbarn und Freunden es schon;

Ja, er verspricht es den Feinden. So edel gehn wir in’s Neue

Säclum hinüber, und leer bleibet die Hand und der Mund.

9.

Mäuse laufen zusammen auf offnem Markte; der Wandrer

Kommt auf hölzernem Fuß vierfach und klappernd heran.

Fliegen die Tauben der Saat in gleichem Momente vorüber:

Dann ist, Tola, das Glück unter der Erde dir hold.

10.

Einsam schmückt sich zu Hause mit Gold und Seide die Jungfrau;

Nicht vom Spielgel belehrt, fühlt sie das schickliche Kleid.

Tritt sie hervor, so gleicht sie der Magd; nur Einer von Allen

Kennt sie; es zeiget sein Aug’ ihr das vollendete Bild.

11.

Ja, vom Jupiter rollt ihr, mächtig strömende Fluthen,

Ueber Ufer und Damm, Felder und Gärten mit fort.

Einen seh’ ich! Er sitzt und harfenirt der Verwüstung;

Aber der reißende Strom nimmt auch die Lieder hinweg.

12.

Mächtig bist du! gebildet zugleich, und Alles verneigt sich,

Wenn du mit herrlichem Zug über den Markt dich bewegst.

Endlich ist er vorüber. Da lispelt fragend ein Jeder:

War denn Gerechtigkeit auch in der Tugenden Zug?

13.

Mauern seh’ ich gestürzt, und Mauern seh’ ich errichtet,

Hier Gefangene, dort auch der Gefangenen viel.

Ist vielleicht nur die Welt ein großer Kerker? und frei ist

Wohl der Tolle, der sich Ketten zu Kränzen erkiest.

14.

aß mich ruhen, ich schlafe. –»Ich aber wache.« – Mit nichten!–

»Träumst du?« – Ich werde geliebt! –»Freilich, du redest im Traum!« –

Wachender, sage, was hast du? – »Da sieh nur alle die Schätze!« –

Sehen soll ich? Ein Schatz, wird er mit Augen gesehn?

15.

Schlüssel liegen im Buche zerstreut, das Räthsel zu lösen:

Denn der prophetische Geist ruft den Verständigen an.

Jene nenn’ ich die Klügsten, die leicht sich vom Tage belehren

Lassen; es bringt wohl der Tag Räthsel und Lösung zugleich.

16.

Auch Vergangenes zeigt euch Bakis; denn selbst das Vergangne

Ruht, verblendete Welt, oft als ein Räthsel vor dir.

Wer das Vergangene kennte, der wüßte das Künftige; Beides

Schließt an Heute sich rein als ein Vollendetes an.

17.

Thun die Himmel sich auf und regnen, so träufelt das Wasser

Ueber Felsen und Gras, Mauern und Bäume zugleich.

Kehret die Sonne zurück, so verdampfet vom Steine die Wohlthat:

Nur das Lebendige hält Gabe der Göttlichen fest.

18.

Sag’, was zählst du? – »Ich zähle, damit ich die Zehne begreife,

Dann ein anderes Zehn, Hundert und Tausend hernach.« –

Näher kommst du dazu, sobald du mir folgest. – »Und wie denn?« –

Sage zur Zehne: Sei Zehn! Dann sind die Tausende dein.

19.

Hast du die Welle gesehen die über das Ufer einher schlug?

Siehe die zweite, sie kommt! rollet sich sprühend schon aus!

Gleich erhebt sich die dritte! Fürwahr, du erwartest vergebens,

Daß die letzte sich heut ruhig zu Füßen dir legt.

20.

Einem möcht’ ich gefallen! so denkt das Mädchen; den Zweiten

Find’ ich edel und gut, aber er reizet mich nicht.

Wäre der Dritte gewiß, so wäre mir dieser der Liebste.

Ach, daß der Unbestand immer das Lieblichste bleibt!

21.

Blaß erscheinest du mir, und todt dem Auge. Wie rufst du

Aus der innern Kraft heiliges Leben empor?

»Wär’ ich dem Auge vollendet, so könntest du ruhig genießen;

Nur der Mangel erhebt über dich selbst dich hinweg.«

22.

Zweimal färbt sich das Haar; zuerst aus dem Blonden in’s Braune,

Bis das Braune sodann silbergediegen sich zeigt.

Halb errathe das Räthsel! so ist die andere Hälfte

Völlig dir zu Gebot, daß du die erste bezwingst.

23.

Was erschrickst du? –»Hinweg, hinweg mit diesen Gespenstern!

Zeige die Blume mir doch, zeig’ mir ein Menschengesicht!«

Ja, nun seh’ ich die Blumen, ich sehe die Menschengesichter. –

Aber ich sehe dich nun selbst als betrognes Gespenst.

24.

Einer rollet daher; es stehen ruhig die Neune:

Nach vollendetem Lauf liegen die Viere gestreckt.

Helden finden es schön, gewaltsam treffend zu wirken;

Denn es vermag nur ein Gott Kegel und Kugel zu sein.

25.

Wie viel Aepfel verlangst du für diese Blüthen? – »Ein Tausend;

Denn der Blüthen sind wohl zwanzig der Tausende hier.

Und von Zwanzig nur Einen, das find’ ich billig.« – Du bist schon

Glücklich, wenn du dereinst Einen von Tausend behältst.

26.

Sprich, wie werd’ ich die Sperlinge los? so sagte der Gärtner:

Und die Raupen dazu, ferner das Käfergeschlecht.

Maulwurf, Erdfloh, Wespe, die Würmer, das Teufelsgezüchte? –

»Laß sie nur Alle, so frißt Einer den Anderen auf.«

27.

Klingeln hör’ ich: es sind die lustigen Schlittengeläute.

Wie sich die Thorheit doch selbst in der Kälte noch rührt!

»Klingeln hörst du? Mich däucht, es ist die eigene Kappe,

Die sich am Ofen dir leis’ um die Ohren bewegt.«

28.

Seht den Vogel! er fliegt von einem Baume zum andern,

Nascht mit geschäftigem Pick unter den Früchten umher.

Frag’ ihn, er plappert auch wohl, und wird dir offen versichern,

Daß er der hehren Natur herrliche Tiefen erpickt.

29.

Eines kenn’ ich verehrt, ja angebetet zu Fuße;

Auf die Scheitel gestellt, wird es von Jedem verflucht.

Eines kenn’ ich, und fest bedruckt es zufrieden die Lippe;

Doch in dem zweiten Moment ist es der Abscheu der Welt.

30.

Dieses ist es, das Höchste, zu gleicher Zeit das Gemeinste:

Nun das Schönste, sogleich auch das Abscheulichste nun.

Nur im Schlürfen genieße du das, und koste nicht tiefer;

Unter dem reizenden Schaum sinket die Neige zu Grund.

31.

Ein beweglicher Körper erfreut mich, ewig gewendet

Erst nach Norden, und dann ernst nach der Tiefe hinab.

Doch ein andrer gefällt mir nicht so; er gehorchet den Winden

Und sein ganzes Talent lös’t sich in Bücklingen auf.

32.

Ewig wird er euch sein der Eine, der sich in Viele

Theilt, und Einer jedoch ewig der Einzige bleibt.

Findet in Einem die Vielen, empfindet die Vielen, wie Einen;

Und ihr hab den Beginn, habet das Ende der Kunst.

 
 * 

Kriegsglück

Verwünschter weiß ich nichts im Krieg,

Als nicht blessirt zu sein.

Man geht getrost von Sieg zu Sieg

Gefahrgewohnt hinein;

Hat abgepackt und aufgepackt

Und weiter nichts ereilt,

Als daß man auf dem Marsch sich plackt,

Im Lager langeweilt.

Dann geht das Cantoniren an,

Dem Bauer eine Last,

Verdrießlich jedem Edelmann,

Und Bürgern gar verhaßt.

Sei höflich, man bedient dich schlecht.

Den Grobian zur Noth;

Und nimmt man selbst am Wirthe Recht,

Ißt man Profoßen-Brod.

Wenn endlich die Kanone brummt,

Und knattert ’s klein Gewehr,

Trompet’ und Trab und Trommel summt,

Da geht’s wohl lustig her;

Und wie nun das Gefecht befiehlt,

Man weichet, man erneut’s,

Man retirirt, man avancirt –

Und immer ohne Kreuz.

Nun endlich pfeift Musketen-Blei

Und trifft, will’s Gott, das Bein,

Und nun ist alle Noth vorbei,

Man schleppt uns gleich hinein

Zum Städtchen, das der Sieger deckt,

Wohin man grimmig kam;

Die Frauen, die man erst erschreckt,

Sind liebenswürdig zahm.

Da thut sich Herz und Keller los,

Die Küche darf nicht ruhn;

Auf weicher Betten Flaumen-Schooß

Kann man sich gütlich thun.

Der kleine Flügelbube hupft,

Die Wirthin rastet nie,

Sogar das Hemdchen wird zerzupft,

Das nenn’ ich doch Charpie!

Hat Eine sich den Helden nun

Beinah herangepflegt,

So kann die Nachbarin nicht ruhn,

Die ihn gesellig hegt.

Ein Drittes kommt wohl emsiglich,

Am Ende fehlet Keins,

Und in der Mitte sieht er sich

Des sämmtlichen Vereins.

Der König hört von guter Hand,

Man sei voll Kampfes-Lust;

Da kömmt behende Kreuz und Band

Und zieret Rock und Brust.

Sagt, ob’s für einen Martismann

Wohl etwas Beßres giebt!

Und unter Thränen scheidet man

Geehrt so wie geliebt.

 
 * 

Panacee

»Sprich! wie du dich immer und immer erneust?«

Kannst’s auch, wenn du immer am Großen dich freust.

Das Große bleibt frisch, erwärmend, belebend;

Im Kleinlichen fröstelt der Kleinliche bebend.

 
 * 

Anliegen

O schönes Mädchen du,

Du mit dem schwarzen Haar,

Die du ans Fenster trittst,

Auf dem Balkone stehst!

Und stehst du wohl umsonst?

O stündest du für mich

Und zögst die Klinke los,

Wie glücklich wär ich da!

Wie schnell spräng ich hinauf!

 
 * 

Der neue Copernicus

Art’ges Häuschen hab’ ich klein,

Und darin verstecket,

Bin ich vor der Sonne Schein

Gar bequem bedecket.

Denn da giebt es Schalterlein,

Federchen und Lädchen,

Finde mich so wohl allein

Als mit hübschen Mädchen.

Denn, o Wunder! mir zur Lust

Regen sich die Wälder,

Näher kommen meiner Brust

Die entfernten Felder.

Und so tanzen auch vorbei

Die bewachsenen Berge,

Fehlet nur das Lustgeschrei

Aufgeregter Zwerge.

Doch so gänzlich still und stumm

Rennt es mir vorüber,

Meistens grad und oft auch krumm,

Und so ist mir’s lieber.

Wenn ich’s recht betrachten will

Und es ernst gewahre,

Steht vielleicht das Alles still

Und ich selber fahre.

 
 * 

Der Müllerin Verrat

Woher der Freund so früh und schnelle,

Da kaum der Tag im Osten graut?

Hat er sich in der Waldkapelle,

So kalt und frisch es ist, erbaut?

Es starret ihm der Bach entgegen;

Mag er mit Willen barfuß gehen?

Was flucht er seinen Morgensegen

Durch die beschneiten wilden Höhen?

Ach, wohl! Er kommt vom warmen Bette,

Wo er sich andern Spaß versprach;

Und wenn er nicht den Mantel hätte,

Wie schrecklich wäre seine Schmach!

Es hat ihn jener Schalk betrogen

Und ihm den Bündel abgepackt;

Der arme Freund ist ausgezogen

Und fast wie Adam bloß und nackt.

Warum auch schlich er diese Wege

Nach einem solchen Äpfelpaar,

Das freilich schön im Mühlgehege

So wie im Paradiese war.

Er wird den Scherz nicht leicht erneuen,

Er drückte schnell sich aus dem Haus

Und bricht auf einmal nun im Freien

In bittre laute Klagen aus:

„Ich las in ihren Feuerblicken

Nicht eine Silbe von Verrat;

Sie schien mit mir sich zu entzücken,

Und sann auf solche schwarze Tat!

Konnt’ ich in ihren Armen träumen,

Wie meuchlerisch der Busen schlug?

Sie hieß den holden Amor säumen,

Und günstig war er uns genug.

„Sich meiner Liebe zu erfreuen!

Der Nacht, die nie ein Ende nahm!

Und erst die Mutter anzuschreien,

Nun eben als der Morgen kam!

Da drang ein Dutzend Anverwandten

Herein, ein wahrer Menschenstrom;

Da kamen Vettern, guckten Tanten,

Es kam ein Bruder und ein Ohm.

„Das war ein Toben, war ein Wüten!

Ein jeder schien ein andres Tier.

Sie forderten des Mädchens Blüten

Mit schrecklichem Geschrei von mir. –

Was dringt ihr alle wie von Sinnen

Auf den unschuld’gen Jüngling ein?

Denn solche Schtäze zu gewinnen,

Da muß man viel behender sein.

„Weiß Amor seinem schönen Spiele

doch immer zeitig nachzugehn;

Er läßt fürwahr nicht in der Mühle

Die Blumen sechzehn Jahre stehn. –

Sie raubten nun das Kleiderbündel

Und wollten auch den Mantel noch.

Wie nur so viel verflucht Gesindel

Im engen Hause sich verkroch!

„Nun sprang ich auf und tobt’ und fluchte,

Gewiß, durch alle durchzugehn.

Ich sah noch einmal die Verruchte,

Und ach! sie war noch immer schön.

Sie alle wichen meinem Grimme;

Es flog noch manches wilde Wort,

Da macht’ ich mich mit Donnerstimme

Noch endlich aus der Höhle fort.

„Man soll euch Mädchen auf dem Lande,

Wie Mädchen aus den Städten, fliehn.

So lasset doch den Fraun von Stande

Die Lust, die Diener auszuziehn!

Doch seid ihr auch von den Geübten

Und kennt ihr keine zarte Pflicht,

So ändert immer die Geliebten,

Doch sie verraten müßt ihr nicht.“

So singt er in der Winterstunde,

Wo nicht ein armes Hälmchen grünt.

Ich lache seiner tiefen Wunde,

Denn wirklich ist sie wohlverdient.

So geh’ es jedem, der am Tage

Sein edles Liebchen frech betrügt

Und nachts, mit allzukühner Wage,

Zu Amors falscher Mühle kriecht.

 
 * 

Wonne der Wehmut

Trocknet nicht, trocknet nicht,

Tränen der ewigen Liebe!

Ach, nur dem halbgetrockneten Auge

Wie öde, wie tot die Welt ihm erscheint!

Trocknet nicht, trocknet nicht,

Tränen unglücklicher Liebe!

 
 * 

Trauerloge

An dem öden Strand des Lebens

Wo sich Dün auf Düne häuft,

Wo der Sturm im Finstern träuft,

Setze dir ein Ziel des Strebens.

Unter schon verloschnen Siegeln

Tausend Väter hingestreckt,

Ach! von neuen frischen Hügeln

Freund an Freunden überdeckt.

Hast du so dich abgefunden,

Werde Nacht und Äther klar,

Und der ewgen Sterne Schar

Deute dir belebte Stunden,

Wo du hier mit Ungetrübten,

Treulich wirkend, gern verweilst

Und auch treulich den geliebten

Ewigen entgegeneilst.

 
 * 

Sorge

Kehre nicht in diesem Kreise

Neu und immer neu zurück!

Laß, o laß mir meine Weise,

Gönn’, o gönne mir mein Glück!

Soll ich fliehen? Soll ich’s fassen?

Nun, gezweifelt ist genug.

Willst du mich nicht glücklich lassen,

Sorge, nun so mach’ mich klug!

 
 * 

Physiognomische Reisen

Die Physiognomisten.

Sollt’ es wahr sein, was uns der rohe Wandrer verkündet,

Daß die Menschengestalt von allen sichtlichen Dingen

Ganz allein uns lüge, daß wir, was edel und albern,

Was beschränkt und groß, im Angesichte zu suchen,

Eitele Thoren sind, betrogne, betrügende Thoren?

Ach! wir sind auf den dunkelen Pfad des verworrenen Lebens

Wieder zurückgescheucht, der Schimmer zu Nächten verfinstert.

 
 * 

Der Dichter

Hebet eure zweifelnden Stirnen empor, ihr Geliebten!

Und verdient nicht den Irrthum, hört nicht bald Diesen, bald Jenen!

Habet ihr eurer Meister vergessen? Auf! kehret zum Pindus,

Fraget dorten die Neune, der Grazien nächste Verwandte!

Ihnen allein ist gegeben, der edlen stillen Betrachtung

Vorzustehn. Ergebet euch gern der heiligen Lehre,

Merket bescheiden leise Worte. Ich darf euch versprechen:

Anders sagen die Musen und anders sagt es Musäus.

 
 * 

Scheintodt

Weint, Mädchen, hier bei Amors Grabe; hier

Sank er von nichts, von ungefähr darnieder.

Doch ist er wirklich todt? Ich schwöre nicht dafür:

Ein Nichts, ein Ohngefähr erweckt ihn öfters wieder.

 
 * 

Fuchs und Kranich

Zwei Personen, ganz verschieden,

Luden sich bei mir zu Tafel,

Diesmal lebten sie in Frieden,

Fuchs und Kranich, sagt die Fabel.

Beiden macht’ ich was zurechte,

Rupfte gleich die jüngsten Tauben;

Weil er von Schakals Geschlechte,

Legt’ ich bei geschwollne Trauben;

Langgehäls’tes Glasgefäße

Setzt’ ich ungesäumt dagegen,

Wo sich klar im Elemente

Gold- und Silberfischlein regen.

Hättet ihr den Fuchs gesehen

Auf der flachen Schüssel hausen,

Neidisch müßtet ihr gestehen:

Welch ein Appetit zum Schmausen!

Wenn der Vogel, ganz bedächtig,

Sich auf Einem Fuße wiegte,

Hals und Schnabel, zart und schmächtig,

Zierlich nach den Fischlein schmiegte.

Dankend freuten sie beim Wandern

Sich der Tauben, sich der Fischchen;

Jeder spottete des Andern

Als genährt am Katzentischchen.

Willst nicht Salz und Schmalz verlieren,

Mußt, gemäß den Urgeschichten,

Wenn die Leute willst gastiren,

Dich nach Schnauz und Schnabel richten.

 
 * 

Iphigenie

Du hast Wolken, gnädige Retterin,

Einzuhüllen unschuldig Verfolgte,

Und auf Winden dem ehrnen Geschick sie

Aus den Armen, über das Meer,

Über der Erde weiteste Strecken,

Und wohin es dir gut dünkt, zu tragen.

Weise bist du und siehest das Künftige;

Nicht vorüber ist dir das Vergangne,

Und dein Blick ruht über den Deinen,

Wie dein Licht, das Leben der Nächte,

Über der Erde ruhet und waltet.

O enthalte vom Blut meine Hände!

Nimmer bringt es Segen und Ruhe;

Und die Gestalt des zufällig Ermordeten

Wird auf des traurig-unwilligen Mörders

Böse Stunden lauern und schrecken.

Denn die Unsterblichen lieben der Menschen

Weit verbreitete gute Geschlechter,

Und sie fristen das flüchtige Leben

Gerne dem Sterblichen, wollen ihm gerne

Ihres eigenen, ewigen Himmels

Mitgenießendes fröhliches Anschaun

Eine Weile gönnen und lassen.

 
 * 

Räthsel

Die besten Freunde, die wir haben,

Sie kommen nur mit Schmerzen an,

Und was sie uns für Weh gethan,

Ist fast so groß als ihre Gaben.

Und wenn sie wieder Abschied nehmen,

Muß man zu Schmerzen sich bequemen.

 
 * 

Drei Oden

an meinen Freund Behrisch.

Erste.

Verpflanze den schönen Baum,

Gärtner! er jammert mich;

Glücklicheres Erdreich

Verdiente der Stamm.

Noch hat seiner Natur Kraft

Der Erde aussaugendem Geize,

Der Luft verderbender Fäulniß,

Ein Gegengift, widerstanden.

Sieh! wie er im Frühling

Lichtgrüne Blätter schlägt;

Ihr Orangenduft

Ist dem Geschmeiße Gift.

Der Raupe tückischer Zahn

Wird stumpf an ihnen,

Es blinkt ihr Silberglanz

Im Sonnenscheine.

Von seinen Zweigen

Wünscht das Mädchen

Im Brautkranze;

Früchte hoffen Jünglinge.

Aber sieh! der Herbst kommt,

Da geht die Raupe,

Klagt der listigen Spinne

Des Baums Unverwelklichkeit.

Schwebend zieht sich

Von ihrer Taxuswohnung

Die Prachtfeindin herüber

Zum wohlthätigen Baum,

Und kann nicht schaden,

Aber die Vielkünstliche

Ueberzieht mit grauem Ekel

Die Silberblätter.

Sieht triumphirend,

Wie das Mädchen schauernd,

Der Jüngling jammernd

Vorübergeht.

Verpflanze den schönen Baum,

Gärtner! er jammert mich.

Baum, danke dem Gärtner,

Der dich verpflanzt!

Zweite.

Du gehst! Ich murre. –

Geh! laß mich murren.

Ehrlicher Mann,

Fliehe dieses Land!

Todte Sümpfe,

Dampfende Octobernebel

Verweben ihre Ausflüsse

Hier unzertrennlich.

Gebärort

Schädlicher Insecten,

Mörderhöhle

Ihrer Bosheit!

Am schilfigten Ufer

Liegt die wollüstige

Flammengezüngte Schlange,

Gestreichelt vom Sonnenstrahl.

Fliehe sanfte Nachtgänge

In der Mondendämmerung,

Dort halten zuckende Kröten

Zusammenkünfte auf Kreuzwegen.

Schaden sie nicht,

Werden sie schrecken. –

Ehrlicher Mann,

Fliehe dieses Land!

Dritte.

Sei gefühllos!

Ein leichtbewegtes Herz

Ist ein elend Gut

Auf der wankenden Erde.

Behrisch! des Frühlings Lächeln

Erheitre deine Stirne nie;

Nie trübt sie dann mit Verdruß

Des Winters stürmischer Ernst.

Lehne dich nie an des Mädchens

Sorgenverwiegende Brust,

Nie auf des Freundes

Elendtragenden Arm.

Schon versammelt,

Von seiner Klippenwarte,

Der Neid auf dich

Den ganzen luchsgleichen Blick,

Dehnt die Klauen,

Stürzt, und schlägt

Hinterlistig sie

Dir in die Schultern.

Stark sind die magern Arme

Wie Pantherarme,

Er schüttelt dich

Und reißt dich los.

Tod ist Trennung!

Dreifacher Tod

Trennung ohne Hoffnung

Wiederzusehn.

Gerne verließest du

Dieses gehaßte Land,

Hielte dich nicht Freundschaft

Mit Blumenfesseln an mir.

Zerreiß sie! Ich klage nicht.

Kein edler Freund

Hält den Mitgefangnen,

Der fliehen kann, zurück.

Der Gedanke

Von des Freundes Freiheit

Ist ihm Freiheit

Im Kerker.

Du gehst, ich bleibe.

Aber schon drehen

Des letzten Jahres Flügelspeichen

Sich um die rauchende Achse.

Ich zähle die Schläge

Des donnernden Rads,

Segne den letzten,

Da springen die Riegel, frei bin ich wie du!

 
 * 

Euphrosyne

Auch von des höchsten Gebirgs beeisten zackigen Gipfeln

Schwindet Purpur und Glanz scheidender Sonne hinweg.

Lange verhüllt schont Nacht das Tal und die Pfade des Wandrers,

Der, am tosenden Strom, auf zu der Hütte sich sehnt,

Zu dem Ziele des Tags, der stillen hirtlichen Wohnung;

Und der göttliche Schlaf eilet gefällig voraus,

Dieser holde Geselle des Reisenden. Daß er auch heute

Segnend kränze das Haupt mir mit dem heiligen Mohn!

Aber was leuchtet mir dort vom Felsen leuchtend herüber

Und erhellet den Duft schäumender Ströme so hold?

Strahlt die Sonne vielleicht durch heimliche Spalten und Klüfte?

Denn kein irdischer Glanz ist es, der wandelnde, dort.

Näher wälzt sich die Wolke, sie glüht. Ich staune dem Wunder!

Wird der rosige Strahl nicht ein bewegtes Gebild?

Welche Göttin nahet sich mir? und welche der Musen

Suchet den treuen Freund, selbst in dem grausen Geklüft?

Schöne Göttin! enthülle dich mir, und täusche verschwindend,

Nicht den begeisterten Sinn, nicht das gerührte Gemüt.

Nenne, wenn du es darfst vor einem Sterblichen, deinen

Göttlichen Namen; wo nicht: rege bedeutend mich auf,

Daß ich fühle, welche du seist von den ewigen Töchtern

Zeus’, und der Dichter sogleich preise dich würdig im Lied.

»Kennst du mich, Guter, nicht mehr? Und käme diese Gestalt dir,

Die du doch sonst geliebt, schon als ein fremdes Gebild?

Zwar der Erde gehör ich nicht mehr, und trauernd entschwang sich

Schon der schaudernde Geist jugendlich frohem Genuß;

Aber ich hoffte mein Bild noch fest in des Freundes Erinnrung

Eingeschrieben, und noch schön durch die Liebe verklärt.

Ja, schon sagt mir gerührt dein Blick, mir sagt es die Träne:

Euphrosyne, sie ist noch von dem Freunde gekannt.

Sieh, die Scheidende zieht durch Wald und grauses Gebirge,

Sucht den wandernden Mann, ach! in der Ferne noch auf;

Sucht den Lehrer, den Freund, den Vater, blicket noch einmal

Nach dem leichten Gerüst irdischer Freuden zurück.

Laß mich der Tage gedenken, da mich, das Kind, du dem Spiele,

Jener täuschenden Kunst reizender Musen geweiht.

Laß mich der Stunde gedenken und jedes kleineren Umstands;

Ach, wer ruft nicht so gern Unwiederbringliches an!

Jenes süße Gedränge der leichtesten irdischen Tage,

Ach, wer schätzt ihn genug, diesen vereilenden Wert!

Klein erscheinst es nun, doch ach! nicht kleinlich dem Herzen;

Macht die Liebe, die Kunst jegliches Kleine doch groß.

Denkst du der Stunde noch wohl, wie auf dem Brettergerüste

Du mich der höheren Kunst ernstere Stufen geführt?

Knabe schien ich, ein rührendes Kind, du nanntest mich Arthur,

Und belebtest in mir britisches Dichter-Gebild,

Drohtest mit grimmiger Glut den armen Augen und wandtest

Selbst den tränenden Blick, innig getäuschet, hinweg.

Ach, da warst du so hold und schütztest ein trauriges Leben,

Das die verwegene Flucht endlich dem Knaben entriß.

Freundlich faßtest du mich, den Zerschmetterten, trugst mich von dannen,

Und ich heuchelte lang, dir an dem Busen, den Tod.

Endlich schlug die Augen ich auf, und sah dich, in ernste

Stille Betrachtung versenkt, über den Liebling geneigt.

Kindlich strebt ich empor und küßte die Hände dir dankbar,

Reichte zum reinen Kuß dir den gefälligen Mund,

Fragte: Warum, mein Vater, so ernst? und hab ich gefehlet,

O! so zeige mir an, wie mir das Beßre gelingt.

Keine Mühe verdrießt mich bei dir, und alles und jedes

Wiederhol ich so gern, wenn du mich leitest und lehrst.

Aber du faßtest mich stark und drücktest mich fester im Arme,

Und es schauderte mir tief in dem Busen das Herz.

Nein, mein liebliches Kind, so riefst du, alles und jedes,

Wie du es heute gezeigt, zeig es auch morgen der Stadt.

Rühre sie alle, wie mich du gerührt, und es fließen zum Beifall

Dir von dem trockensten Aug herrliche Tränen herab.

Aber am tiefsten trafst du doch mich, den Freund, der im Arm dich

Hält, den selber der Schein früherer Leiche geschreckt.

Ach, Natur, wie sicher und groß in allem erscheinst du!

Himmel und Erde befolgt ewiges, festes Gesetz:

Jahre folgen auf Jahre, dem Frühling reichet der Sommer,

Und dem reichlichen Herbst traulich der Winter die Hand.

Felsen stehen gegründet, es stürzt sich das ewige Wasser

Aus der bewölkten Kluft schäumend und brausend hinab.

Fichten grünen so fort, und selbst die entlaubten Gebüsche

Hegen, im Winter schon, heimliche Knospen, am Zweig.

Alles entsteht und vergeht nach Gesetz; doch über des Menschen

Leben, dem köstlichen Schatz, herrscht ein schwankendes Los.

Nicht dem blühenden nickt der willig scheidende Vater,

Seinem trefflichen Sohn, freundlich vom Rande der Gruft;

Nicht der Jüngere schließt dem Älteren immer das Auge,

Das sich willig gesenkt, kräftig dem Schwächeren zu.

Öfter, ach! verkehrt das Geschick die Ordnung der Tage:

Hilflos klaget ein Greis Kinder und Enkel umsonst,

Steht, ein beschädigter Stamm, dem rings zerschmetterte Zweige

Um die Seiten umher strömende Schloßen gestreckt.

Und so, liebliches Kind, durchdrang mich die tiefe Betrachtung,

Als du, zur Leiche verstellt, über die Arme mir hingst;

Aber freudig seh ich dich mir in dem Glanze der Jugend,

Vielgeliebtes Geschöpf, wieder am Herzen belebt.

Springe fröhlich dahin, verstellter Knabe! Das Mädchen

Wächst zur Freude der Welt, mir zum Entzücken heran.

Immer strebe so fort, und deine natürlichen Gaben

Bilde, bei jeglichem Schritt steigenden Lebens, die Kunst.

Sei mir lange zur Lust, und eh mein Auge sich schließet,

Wünsch ich dein schönes Talent glücklich vollendet zu sehn. –

Also sprachst du, und nie vergaß ich der wichtigen Stunde!

Deutend entwickelt ich mich an dem erhabenen Wort.

O wie sprach ich so gerne zum Volk die rührenden Reden,

Die du, voller Gehalt, kindlichen Lippen vertraut!

O wie bildet ich mich an deinen Augen, und suchte

Dich im tiefen Gedräng staunender Hörer heraus!

Doch dort wirst du nun sein, und stehn, und nimmer bewegt sich

Euphrosyne hervor, dir zu erheitern den Blick.

Du vernimmst sie nicht mehr, die Töne des wachsenden Zöglings,

Die du zu liebendem Schmerz frühe, so frühe! gestimmt.

Andere kommen und gehn; es werden dir andre gefallen,

Selbst dem großen Talent drängt sich ein größeres nach.

Aber du, vergesse mich nicht! Wenn eine dir jemals

Sich im verworrnen Geschäft heiter entgegen bewegt,

Deinem Winke sich fügt, an deinem Lächeln sich freuet

Und am Platze sich nur, den du bestimmtest, gefällt,

Wenn sie Mühe nicht spart noch Fleiß, wenn tätig der Kräfte,

Selbst bis zur Pforte des Grabs, freudiges Opfer sie bringt –

Guter! dann gedenkest du mein, und rufest auch spät noch:

Euphrosyne, sie ist wieder erstanden vor mir!

Vieles sagt ich noch gern; doch ach! die Scheidende weilt nicht,

Wie sie wollte; mich führt streng ein gebietender Gott.

Lebe wohl! schon zieht michs dahin in schwankendem Eilen.

Einen Wunsch nur vernimm, freundlich gewähre mir ihn:

Laß nicht ungerühmt mich zu den Schatten hinabgehn!

Nur die Muse gewährt einiges Leben dem Tod.

Denn gestaltlos schweben umher in Persephoneias

Reiche, massenweis, Schatten vom Namen getrennt;

Wen der Dichter aber gerühmt, der wandelt, gestaltet,

Einzeln, gesellet dem Chor aller Heroen sich zu.

Freudig tret ich einher, von deinem Liede verkündet,

Und der Göttin Blick weilet gefällig auf mir.

Mild empfängt sie mich dann, und nennt mich; es winken die hohen

Göttlichen Frauen mich an, immer die nächsten am Thron.

Penelopeia redet zu mir, die treuste der Weiber,

Auch Euadne, gelehnt auf den geliebten Gemahl.

Jüngere nahen sich dann, zu früh herunter gesandte,

Und beklagen mit mir unser gemeines Geschick.

Wenn Antigone kommt, die schwesterlichste der Seelen,

Und Polyxena, trüb noch von dem bräutlichen Tod,

Seh ich als Schwestern sie an und trete würdig zu ihnen;

Denn der tragischen Kunst holde Geschöpfe sind sie.

Bildete doch ein Dichter auch mich; und seine Gesänge,

Ja, sie vollenden an mir, was mir das Leben versagt.« –

Also sprach sie, und noch bewegte der liebliche Mund sich,

Weiter zu reden; allein schwirrend versagte der Ton,

Denn aus dem Purpurgewölk, dem schwebenden, immer bewegten,

Trat der herrliche Gott Hermes gelassen hervor;

Mild erhob er den Stab und deutete: wallend verschlangen

Wachsende Wolken, im Zug, beide Gestalten vor mir.

Tiefer liegt die Nacht um mich her; die stürzenden Wasser

Brausen gewaltiger nun neben dem schlüpfrigen Pfad.

Unbezwingliche Trauer befällt mich, entkräftender Jammer,

Und ein moosiger Fels stützet den Sinkenden nur.

Wehmut reißt durch die Seiten der Brust, die nächtlichen Tränen

Fließen; und über dem Wald kündet der Morgen sich an.

 
 * 

Klaggesang

von der edeln Frauen des Asan Aga.
Aus dem Morlackischen.

Was ist Weißes dort am grünen Walde?

Ist es Schnee wohl, oder sind es Schwäne?

Wär’ es Schnee, er wäre weggeschmolzen;

Wären’s Schwäne, wären weggeflogen.

Ist kein Schnee nicht, es sind keine Schwäne,

’s ist der Glanz der Zelten Asan Aga;

Niederliegt er drin an seiner Wunde.

Ihn besucht die Mutter und die Schwester;

Schamhaft säumt sein Weib, zu ihm zu kommen.

Als nun seine Wunde linder wurde,

Ließ er seinem treuen Weibe sagen:

»Harre mein nicht mehr an meinem Hofe,

»Nicht am Hofe und nicht bei den Meinen.«

Als die Frau dies harte Wort vernommen,

Stand die Treue starr und voller Schmerzen,

Hört der Pferde Stampfen vor der Thüre,

Und es däucht ihr, Asan käm’, ihr Gatte,

Springt zum Thurme, sich herab zu stürzen.

Aengstlich folgen ihr zwei liebe Töchter,

Rufen nach ihr, weinend bittre Thränen:

»Sind nicht unsers Vaters Asan Rosse,

»Ist dein Bruder Pintorowich kommen!«

Und es kehret die Gemahlin Asan’s,

Schlingt die Arme jammernd um den Bruder:

»Sieh die Schmach, o Bruder, deiner Schwester!

»Mich verstoßen, Mutter dieser Fünfe!«

Schweigt der Bruder, ziehet aus der Tasche,

Eingehüllet in hochrothe Seide,

Ausgefertiget den Brief der Scheidung,

Daß sie kehre zu der Mutter Wohnung,

Frei sich einem Andern zu ergeben.

Als die Frau den Trauer-Scheidbrief sahe,

Küßte sie der beiden Knaben Stirne,

Küßt’ die Wangen ihrer beiden Mädchen

Aber ach! vom Säugling in der Wiege

Kann sie sich im bittern Schmerz nicht reißen!

Reißt sie los der ungestüme Bruder.

Hebt sie auf das muntre Roß behende,

Und so eilt er mit der bangen Frauen

Grad’ nach seines Vaters hoher Wohnung.

Kurze Zeit war’s, noch nicht sieben Tage;

Kurze Zeit g’nug; von viel großen Herren

Unsre Frau in ihrer Wittwentrauer,

Unsre Frau zum Weib begehret wurde.

Und der größte war Imoski’s Cadi,

Und die Frau bat weinend ihren Bruder:

»Ich beschwöre dich bei deinem Leben,

»Gieb mich keinem Andern mehr zur Frauen,

»Daß das Wiedersehen meiner lieben,

»Armen Kinder mir das Herz nicht breche!«

Ihre Reden achtet nicht der Bruder,

Fest, Imoski’s Cadi sie zu trauen.

Doch die Gute bittet ihn unendlich:

Schicke wenigstens ein Blatt, o Bruder,

Mit den Worten zu Imoski’s Cadi:

»Dich begrüßt die junge Wittib freundlich,

»Und läßt durch dies Blatt dich höchlich bitten,

»Daß, wenn dich die Suaten herbegleiten,

»Du mir einen langen Schleier bringest,

»Daß ich mich vor Asan’s Haus verhülle,

»Meine lieben Waisen nicht erblicke.«

Kaum ersah der Cadi dieses Schreiben,

Als er seine Suaten alle sammelt,

Und zum Wege nach der Braut sich rüstet,

Mit den Schleier, den sie heischte, tragend.

Glücklich kamen sie zur Fürstin Hause,

Glücklich sie mit ihr vom Hause wieder.

Aber als sie Asan’s Wohnung nah’ten,

Sah’n die Kinder oben ab die Mutter,

Riefen: »Komm zu deiner Halle wieder!

»Iß das Abendbrod mit deinen Kindern!«

Traurig hört’ es die Gemahlin Asan’s,

Kehrete sich zu der Suaten Fürsten:

»Laß doch, laß die Suaten und die Pferde

»Halten wenig vor der lieben Thüre,

»Daß ich meine Kleinen noch beschenke.«

Und sie hielten vor der lieben Thüre.

Und den armen Kindern gab sie Gaben;

Gab den Knaben goldgestickte Stiefel,

Gab den Mädchen lange, reiche Kleider,

Und dem Säugling, hülflos in der Wiege,

Gab sie für die Zukunft auch ein Röckchen.

Das beiseit sah Vater Asan Aga,

Rief gar traurig seinen lieben Kindern:

»Kehrt zu mir, ihr lieben, armen Kleinen.

»Eurer Mutter Brust ist Eisen worden,

»Fest verschlossen, kann nicht Mitleid fühlen.«

Wie das hörte die Gemahlin Asan’s,

Stürzt’ sie bleich, den Boden schütternd, nieder.

Und die Seel’ entfloh dem bangen Busen,

Als sie ihre Kinder vor sich fliehn sah.

 
 * 

Beherzigung

Feiger Gedanken

Bängliches Schwanken,

Weibisches Zagen,

Aengstliches Klagen

Wendet kein Elend,

Macht dich nicht frei.

Allen Gewalten

Zum Trutz sich erhalten,

Nimmer sich beugen,

Kräftig sich zeigen,

Rufet die Arme

Der Götter herbei.

 
 * 

Künstlerlied

Zu erfinden, zu beschließen,

Bleibe, Künstler, oft allein,

Deines Wirkens zu genießen,

Eile freudig zum Verein!

Dort im Ganzen schau, erfahre

Deinen eignen Lebenslauf,

Und die Thaten mancher Jahre

Gehn dir in dem Nachbar auf.

Der Gedanke, das Entwerfen,

Die Gestalten, ihr Bezug,

Eines wird das Andre schärfen,

Und am Ende sei’s genug!

Wohl erfunden, klug ersonnen,

Schön gebildet, zart vollbracht,

So von jeher hat gewonnen

Künstler kunstreich seine Macht.

Wie Natur im Vielgebilde

Einen Gott nur offenbart,

So im weiten Kunstgefilde

Webt ein Sinn der ew’gen Art;

Dieses ist der Sinn der Wahrheit,

Der sich nur mit Schönem schmückt

Und getrost der höchsten Klarheit

Hellsten Tags entgegenblickt.

Wie beherzt in Reim und Prose

Redner, Dichter sich ergehn,

Soll des Lebens heitre Rose

Frisch auf Malertafel stehn,

Mit Geschwistern reich umgeben,

Mit des Herbstes Frucht umlegt,

Daß sie von geheimem Leben

Offenbaren Sinn erregt.

Tausendfach und schön entfließe

Form aus Formen deiner Hand,

Und im Menschenbild genieße,

Daß ein Gott sich hergewandt.

Welch ein Werkzeug ihr gebrauchet,

Stellet euch als Brüder dar;

Und gesangweis flammt und rauchet

Opfersäule vom Altar.

 
 * 

An die Großeltern Textor

bei dem erfreulichen Anbruche des 1757. Jahres

Erhabner Groß-Papa! Ein Neues Jahr erscheint,

Drum muß ich meine Pflicht und Schuldigkeit entrichten,

Die Ehrfurcht heißt mich hier aus reinem Herzen dichten,

So schlecht es aber ist, so gut ist es gemeint.

Gott, der die Zeit erneut, erneure auch Ihr Glück,

Und kröne Sie dies Jahr mit stetem Wohlergehen;

Ihr Wohlsein müsse lang so fest wie Zedern stehen,

Ihr Tun begleite stets ein günstiges Geschick;

Ihr Haus sei wie bisher des Segens Sammelplatz,

Und lasse Sie noch spät Möninens Ruder führen,

Gesundheit müsse Sie bis an Ihr Ende zieren,

Denn diese ist gewiß der allergrößte Schatz.

Erhabne Groß-Mama! Des Jahres erster Tag

Erweckt in meiner Brust ein zärtliches Empfinden,

Und heißt mich ebenfalls Sie jetzo anzubinden

Mit Versen, die vielleicht kein Kenner lesen mag;

Indessen hören Sie die schlechten Zeilen an,

Indem sie wie mein Wunsch aus wahrer Liebe fließen.

Der Segen müsse sich heut über Sie ergießen,

Der Höchste schütze Sie, wie Er bisher getan.

Er wolle Ihnen stets, was Sie sich wünschen, geben,

Und lasse Sie noch oft ein neues Jahr erleben.

Dies sind die Erstlinge, die Sie anheut empfangen,

Die Feder wird hinfort mehr Fertigkeit erlangen.

 
 * 

Der neue Amadis

Als ich noch ein Knabe war,

Sperrte man mich ein;

Und so saß ich manches Jahr

Ueber mir allein,

Wie in Mutterleib.

Doch du warst mein Zeitvertreib,

Goldne Phantasie.

Und ich ward ein warmer Held,

Wie der Prinz Pipi,

Und durchzog die Welt.

Baute manch krystallen Schloß,

Und zerstört’ es auch,

Warf mein blinkendes Geschoß

Drachen durch den Bauch;

Ja, ich war ein Mann!

Ritterlich befreit’ ich dann

Die Prinzessin Fisch;

Sie war gar zu obligeant,

Führte mich zu Tisch,

Und ich war galant.

Und ihr Kuß war Götterbrod,

Glühend wie der Wein.

Ach! ich liebte fast mich todt!

Rings mit Sonnenschein

War sie emaillirt.

Ach! wer hat sie mir entführt?

Hielt kein Zauberband

Sie zurück vom schnellen Fliehn?

Sagt, wo ist ihr Land?

Wo der Weg dahin?

 
 * 

Amor als Landschaftsmaler

Saß ich früh auf einer Felsenspitze,

Sah mit starren Augen in den Nebel;

Wie ein grau grundiertes Tuch gespannet,

Deckt’ er alles in die Breit und Höhe.

Stellt’ ein Knabe sich mir an die Seite,

Sagte: lieber Freund, wie magst du starrend

Auf das leere Tuch gelassen schauen?

Hast du denn zum Malen und zum Bilden

Alle Lust auf ewig wohl verloren?

Sah ich an das Kind, und dachte heimlich:

Will das Bübchen doch den Meister machen!

Willst du immer trüb und müßig bleiben,

Sprach der Knabe, kann nichts Kluges werden;

Sieh, ich will dir gleich ein Bildchen malen,

Dich ein hübsches Bildchen malen lehren.

Und er richtete den Zeigefinger,

Der so rötlich war wie eine Rose,

Nach dem weiten ausgespannten Teppich,

Fing mit seinem Finger an, zu zeichnen.

Oben malt’ er eine schöne Sonne,

Die mir in die Augen mächtig glänzte,

Und den Saum der Wolken macht’ er golden,

Ließ die Strahlen durch die Wolken dringen;

Malte dann die zarten leichten Wipfel

Frisch erquickter Bäume, zog die Hügel,

Einen nach dem andern, frei dahinter;

Unten ließ ers nicht an Wasser fehlen,

Zeichnete den Fluß so ganz natürlich,

Daß er schien im Sonnenstrahl zu glitzern,

Daß er schien am hohen Rand zu rauschen.

Ach, da standen Blumen an dem Flusse,

Und da waren Farben auf der Wiese,

Gold und Schmelz und Purpur und ein Grünes,

Alles wie Smaragd und wie Karfunkel!

Hell und rein lasiert er drauf den Himmel

Und die blauen Berge fern und ferner,

Daß ich, ganz entzückt und neugeboren,

Bald den Maler, bald das Bild beschaute.

Hab ich doch, so sagt’ er, dir bewiesen,

Daß ich dieses Handwerk gut verstehe;

Doch es ist das Schwerste noch zurücke.

Zeichnete darnach mit spitzem Finger

Und mit großer Sorgfalt an dem Wäldchen,

Grad ans Ende, wo die Sonne kräftig

Von dem hellen Boden widerglänzte,

Zeichnete das allerliebste Mädchen,

Wohlgebildet, zierlich angekleidet,

Frische Wangen unter braunen Haaren,

Und die Wangen waren von der Farbe

Wie das Fingerchen, das sie gebildet.

O du Knabe! rief ich, welch ein Meister

Hat in seine Schule dich genommen,

Daß du so geschwind und so natürlich

Alles klug beginnst und gut vollendest?

Da ich noch so rede, sieh, da rühret

Sich ein Windchen und bewegt die Gipfel,

Kräuselt alle Wellen auf dem Flusse,

Füllt den Schleier des vollkommnen Mädchens

Und, was mich Erstaunten mehr erstaunte,

Fängt das Mädchen an, den Fuß zu rühren,

Geht zu kommen, nähert sich dem Orte,

Wo ich mit dem losen Lehrer sitze.

Da nun alles, alles sich bewegte,

Bäume, Fluß und Blumen und der Schleier

Und der zarte Fuß der Allerschönsten,

Glaubt ihr wohl, ich sei auf meinem Felsen

Wie ein Felsen still und fest geblieben?

 
 * 

Bilde, Künstler

Bilde, Künstler! Rede nicht!

Nur ein Hauch sei dein Gedicht.

 
 * 

Mailied

Zwischen Weizen und Korn,

Zwischen Hecken und Dorn,

Zwischen Bäumen und Gras,

Wo gehts Liebchen?

Sag mir das!

Fand mein Holdchen

Nicht daheim;

Muß das Goldchen

Draußen sein.

Grünt und blühet

Schön der Mai,

Liebchen ziehet

Froh und frei.

An dem Felsen beim Fluß,

Wo sie reichte den Kuß,

Jenen ersten im Gras,

Seh ich etwas!

Ist sie das?

 
 * 

Das Opfer, das die Liebe bringt

Das Opfer, das die Liebe bringt,

Es ist das teuerste von allen;

Doch wer sein Eigenstes bezwingt,

Dem ist das schönste Los gefallen.

 
 * 

Mailied

Wie herrlich leuchtet

Mir die Natur!

Wie glänzt die Sonne!

Wie lacht die Flur!

Es dringen Blüten

Aus jedem Zweig

Und tausend Stimmen

Aus dem Gesträuch,

Und Freud und Wonne

Aus jeder Brust.

O Erd, o Sonne!

O Glück, o Lust!

O Lieb, o Liebe,

So golden schön,

Wie Morgenwolken

Auf jenen Höhn!

Du segnest herrlich

Das frische Feld,

Im Blütendampfe

Die volle Welt.

O Mädchen, Mädchen,

Wie lieb ich dich!

Wie blickt dein Auge!

Wie liebst du mich!

So liebt die Lerche

Gesang und Luft,

Und Morgenblumen

Den Himmelsduft.

Wie ich dich liebe

Mit warmem Blut,

Die du mir Jugend

Und Freud und Mut

Zu neuen Liedern

Und Tänzen gibst.

Sei ewig glücklich,

Wie du mich liebst!

 
 * 

An Charlotte von Stein

Was mir in Kopf und Herzen stritt

Seit manchen lieben Jahren!

Was ich da träumend jauchzt und litt,

Muß wachend nun erfahren.

 
 * 

Erinnerung

Willst du immer weiter schweifen?

Sieh, das Gute liegt so nah,

Lerne nur das Glück ergreifen,

Denn das Glück ist immer da.

 
 * 

Nähe

Wie du mir oft, geliebtes Kind,

Ich weiß nicht wie, so fremde bist!

Wenn wir im Schwarm der vielen Menschen sind,

Das schlägt mir alle Freude nieder.

Doch ja, wenn alles still und finster um uns ist,

Erkenn ich dich an deinen Küssen wieder.

 
 * 

Glück und Traum

Du hast uns oft im Traum gesehen

Zusammen zum Altare gehen,

Und dich als Frau, und mich als Mann.

Oft nahm ich wachend deinem Munde,

In einer unbewachten Stunde,

So viel man Küsse nehmen kann.

Das reinste Glück, das wir empfunden,

Die Wollust mancher reichen Stunden

Floh wie die Zeit mit dem Genuß.

Was hilft es mir, daß ich genieße?

Wie Träume fliehn die wärmsten Küsse,

Und alle Freude wie ein Kuß.

 
 * 

An Kestner

Wenn einst, nach überstandnen Lebens Müh und Schmerzen,

Das Glück dir Ruh und Wonnetage gibt,

Vergiß nicht den, der – ach! von ganzem Herzen

Dich und mit dir geliebt.

 
 * 

Wär nicht das Auge sonnenhaft

Wär nicht das Auge sonnenhaft,

Die Sonne könnt es nie erblicken;

Läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft,

Wie könnt uns Göttliches entzücken?

 
 * 

Mode-Römerinnen

Diese Federn, weiß’ und schwarze,

Die ihr auf den Häuptern traget,

Holde Herzensköniginnen,

Eure Schönheit mehren sie.

Ihr erscheinet unsern Augen

So viel aufgeputzte Lerchen,

So viel Pfauen, die stolzirend

Auf der Wies’ in Freiheit gehn.

Prächtig war’s am Carnevale,

In der Oper euch zu sehen,

Wie erhabne Sultaninnen,

Wie des Moguls Herrscherin.

Nur wer in den hintern Bänken

Nichts vom Schauspiel sehen konnte,

Zog die unbescheidnen Federn

Sotto voce weidlich durch.

Diese schöne fremde Sitte

Kam aus England nicht herüber,

Nicht aus Frankreich, nicht aus Spanien,

Nicht aus Persien noch Catay.

Unter unsre Römerinnen,

Schnell sich vom Olympus stürzend,

Brachte sie der Götterbote,

Der geflügelte Mercur.

Er erzählte, daß da droben

Jede Göttin ihre Locken

Hoch und breit mit Federn zieret,

Wenn sie sich verschönern will.

Daß Minerva, die bescheidne,

Jungferlich und blau von Augen,

Diese Mode mitzumachen

Ihren armen Kauz gerupft.

Daß der Liebe schöne Mutter

Selbst ihr Taubenpaar entfiedert,

Ja die Federn von dem Helme

Ihrem Kriegesgott entwandt.

Und daß sich die hohe, stolze

Juno, Jupiters Gemahlin,

Von dem Schweife ihres Pfauen

Einen Federbusch gemacht.

Billig reizt euch das Verlangen,

Holde Töchter unsrer Tiber,

Mit den Federn in den Locken

Götterfrauen gleich zu sein.

Aber hinter jener Ulme

Seh’ ich einen Satyr lauschen,

Der euch in’s Gesichte lachend

Unterm Ziegenbarte knurrt,

Und euch zuruft: »Liebe Damen!

Diese Federn, die ihr traget,

Fliegen freilich; doch ihr flieget

Mit dem Hirnchen weiter um.

Sind nicht bunte Pfauenfedern,

Nicht die Federn weißer Tauben,

Sind die Federn der Verehrer,

Die ihr jeden Tag berupft.«

Unverschämter Satyr, schließe

Deine tückisch bittre Lippe!

Unsre schönen Römerinnen

Sind so tugendreich als schön.

Jetzt noch wallt in ihrem Busen

Der Lucretia alt Geblüte,

Und ihr Herz und ihre Seele

Sind voll Zärtlichkeit und Treu’.

Dornburg, im Sept. 1828.

Früh, wenn Thal, Gebirg und Garten

Nebelschleiern sich enthüllen,

Und dem sehnlichsten Erwarten

Blumenkelche bunt sich füllen;

Wenn der Aether, Wolken tragend,

Mit dem klaren Tage streitet,

Und ein Ostwind, sie verjagend,

Blaue Sonnenbahn bereitet:

Dankst du dann, am Blick dich weidend,

Reiner Brust der Großen, Holden,

Wird die Sonne, röthlich scheidend,

Rings den Horizont vergolden.

Und wenn mich am Tag die Ferne

Blauer Berge sehnlich zieht,

Nachts das Uebermaaß der Sterne

Prächtig mir zu Häupten glüht,

Alle Tag’ und alle Nächte

Rühm’ ich so des Menschen Loos;

Denkt er ewig sich in’s Rechte,

Ist er ewig schön und groß!

 
 * 

Wandrers Nachtlied

Der du von dem Himmel bist,

Alles Leid und Schmerzen stillest,

Den, der doppelt elend ist,

Doppelt mit Erquickung füllest,

Ach, ich bin des Treibens müde!

Was soll all der Schmerz und Lust?

Süßer Friede,

Komm, ach komm in meine Brust!

 
 * 

Willkommen und Abschied

Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!

Es war getan fast eh gedacht.

Der Abend wiegte schon die Erde,

Und an den Bergen hing die Nacht;

Schon stand im Nebelkleid die Eiche,

Ein aufgetürmter Riese, da,

Wo Finsternis aus dem Gesträuche

Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel

Sah kläglich aus dem Duft hervor,

Die Winde schwangen leise Flügel,

Umsausten schauerlich mein Ohr;

Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,

Doch frisch und fröhlich war mein Mut:

In meinen Adern welches Feuer!

In meinem Herzen welche Glut!

Dich sah ich, und die milde Freude

Floß von dem süßen Blick auf mich;

Ganz war mein Herz an deiner Seite

Und jeder Atemzug für dich.

Ein rosenfarbnes Frühlingswetter

Umgab das liebliche Gesicht,

Und Zärtlichkeit für mich – ihr Götter!

Ich hofft es, ich verdient es nicht!

Doch ach, schon mit der Morgensonne

Verengt der Abschied mir das Herz:

In deinen Küssen welche Wonne!

In deinem Auge welcher Schmerz!

Ich ging, du standst und sahst zur Erden,

Und sahst mir nach mit nassem Blick:

Und doch, welch Glück, geliebt zu werden!

Und lieben, Götter, welch ein Glück!

 
 * 

Die Freuden

Es flattert um die Quelle

Die wechselnde Libelle,

Mich freut sie lange schon;

Bald dunkel und bald helle,

Wie das Chamäleon,

Bald rot, bald blau,

Bald blau, bald grün.

O daß ich in der Nähe

Doch ihre Farben sähe!

Sie schwirrt und schwebet, rastet nie!

Doch still, sie setzt sich an die Weiden.

Da hab ich sie! Da hab ich sie!

Und nun betracht ich sie genau,

Und seh ein traurig dunkles Blau –

So geht es dir, Zergliedrer deiner Freuden!

 
 * 

Ganymed

Wie im Morgenglanze

Du rings mich anglühst,

Frühling, Geliebter!

Mit tausendfacher Liebeswonne

Sich an mein Herz drängt

Deiner ewigen Wärme

Heilig Gefühl,

Unendliche Schöne!

Daß ich dich fassen möcht

In diesen Arm!

Ach, an deinem Busen

Lieg ich, schmachte,

Und deine Blumen, dein Gras

Drängen sich an mein Herz.

Du kühlst den brennenden

Durst meines Busens,

Lieblicher Morgenwind!

Ruft drein die Nachtigall

Liebend nach mir aus dem Nebeltal.

Ich komm, ich komme!

Wohin? Ach, wohin?

Hinauf! Hinauf strebts.

Es schweben die Wolken

Abwärts, die Wolken

Neigen sich der sehnenden Liebe.

Mir! Mir!

In eurem Schoße

Aufwärts!

Umfangend umfangen!

Aufwärts an deinen Busen,

Alliebender Vater!

 
 * 

Landschaft

Das alles sieht so lustig aus,

So wohl gewaschen das Bauernhaus,

So morgenthaulich Gras und Baum,

So herrlich blau der Berge Saum!

Seht nur das Wölkchen, wie es spielt

Und sich im reinen Aether kühlt!

Fände sich ein Niederländer hier,

Er nähme wahrlich gleich Quartier,

Und was er sieht und was er malt,

Wird hundert Jahre nachgezahlt.

Wie kommt dir denn das Alles vor?

Es glänzt als wie durch Silberflor,

Durchscheinend ist’s, es steht ein Licht

Dahinter, lieblichstes Gesicht.

Durch solcher holden Lampe Schein

Wird Alles klar und überrein,

Was sonst ein garstig Ungefähr,

Tagtäglich, ein Gemeines wär’. –

Fehlt’s dir an Geist und Kunstgebühr,

Die Liebe weiß schon Rath dafür.

 
 * 

Die Originalen

Ich trat in meine Gartenthür,

Drei Freunde kamen, auch wohl vier.

Ich bat sie höflich zu mir ein

Und sagte: sie sollten willkommen sein;

Da in der Mitte, im heitern Saal,

Stünd’ grade ein hübsches Frühstücksmahl.

Wollt’ jedem der Garten wohl gefallen,

Darin nach seiner Art zu wallen.

Der Eine schlich in dichte Lauben,

Der Andre kletterte nach Trauben,

Sein Bruder nach hohen Aepfeln schielt’,

Die er für ganz vortrefflich hielt.

Ich sagte: die stünden alle frisch

Zusammen drinn auf rundem Tisch,

Und wären ihnen gar schön empfohlen.

Sie aber wollten sie selber holen;

Auch war der Letzte, wie eine Maus,

Fort! wohl zur Hinterthür hinaus.

Ich aber ging zum Saal hinein,

Verzehrte mein Frühstück ganz allein.

 
 * 

Brautnacht

Im Schlafgemach, entfernt vom Feste,

Sitzt Amor dir getreu und bebt,

Daß nicht die List muthwill’ger Gäste

Des Brautbetts Frieden untergräbt.

Es blinkt mit mystisch heil’gem Schimmer

Vor ihm der Flammen blasses Gold;

Ein Weihrauchswirbel füllt das Zimmer,

Damit ihr recht genießen sollt.

Wie schlägt dein Herz beim Schlag der Stunde,

Der deiner Gäste Lärm verjagt;

Wie glühst du nach dem schönen Munde,

Der bald verstummt und nichts versagt.

Du eilst, um alles zu vollenden,

Mit ihr in’s Heiligthum hinein;

Das Feuer in des Wächters Händen

Wird wie ein Nachtlicht still und klein.

Wie bebt vor deiner Küsse Menge

Ihr Busen und ihr voll Gesicht;

Zum Zittern wird nur ihre Strenge,

Denn deine Kühnheit wird zur Pflicht.

Schnell hilft dir Amor sie entkleiden,

Und ist nicht halb so schnell als du;

Dann hält er schalkhaft und bescheiden

Sich fest die beiden Augen zu.

 
 * 

Künstlers Abendlied

Ach, daß die innre Schöpfungskraft

Durch meinen Sinn erschölle!

Daß eine Bildung voller Saft

Aus meinen Fingern quölle!

Ich zittre nur, ich stottre nur,

Und kann es doch nicht lassen;

Und fühl, ich kenne dich, Natur,

Und so muß ich dich fassen.

Bedenk ich dann, wie manches Jahr

Sich schon mein Sinn erschließet,

Wie er, wo dürre Heide war,

Nun Freudenquell genießet;

Wie sehn ich mich, Natur, nach dir,

Dich treu und lieb zu fühlen!

Ein lustger Springbrunn wirst du mir

Aus tausend Röhren spielen.

Wirst alle meine Kräfte mir

In meinem Sinn erheitern

Und dieses enge Dasein hier

Zur Ewigkeit erweitern.

 
 * 

Hochländisch

Matt und beschwerlich,

Wandernd ermüdigt,

Klimmt er gefährlich,

Nimmer befriedigt;

Felsen ersteigt er,

Wie es die Kraft erlaubt,

Endlich erreicht er

Gipfel und Bergeshaupt.

Hat er mühselig

Also den Tag vollbracht,

Nun wär’ es thörig,

Hätt’ er darauf noch Acht.

Froh ist’s unsäglich

Sitzendem hier,

Athmend behäglich

An Geishirtens Thür’.

Speis’ ich und trinke nun,

Wie es vorhanden,

Sonne, sie sinket nun

Allen den Landen;

Schmeckt’s doch heut Abend

Niemand wie mir,

Sitzend mich labend

An Geishirtens Thür’.

 
 * 

Vielrath

Spricht man mit Jedermann,

Da hört man Keinen,

Stets wird ein andrer Mann

Auch anders meinen.

Was wäre Rath sodann

Vor unsern Ohren?

Kennst du nicht Mann für Mann,

Du bist verloren.

 
 * 

Aus einem Stammbuch von 1604

Hoffnung beschwingt Gedanken, Liebe Hoffnung.

In klarster Nacht hinauf zu Cynthien, Liebe!

Und sprich: Wie sie sich oben umgestaltet,

So auf der Erde schwindet, wächs’t mein Glück.

Und wispere sanftbescheiden ihr an’s Ohr,

Wie Zweifel oft das Haupt hing, Treue thränte.

Und ihr Gedanken, mißzutraun geneigt,

Beschilt euch die Geliebte dessenthalb,

So sagt: ihr wechselt zwar, doch ändert nicht,

Wie sie dieselbe bleibt und immer wechselt.

Untrauen tritt in’s Herz, vergiftet’s nicht;

Denn Lieb’ ist süßer, von Verdacht gewürzt.

Wenn sie verdrießlich dann das Aug’ umwölkt,

Des Himmels Kläre widerwärtig schwärzt,

Dann Seufzerwinde scheucht die Wolken weg,

Thränt nieder sie in Regen aufzulösen.

Gedanke, Hoffnung, Liebe bleibt nur dort,

Bis Cynthia scheint, wie sie mir sonst gethan.

 
 * 

Epilog zu Schillers Glocke

(Aufgeführt am 10. 8. 1805, erneut am 10. 5. 1815)

Freude dieser Stadt bedeute,

Friede sei ihr erst Geläute!

Und so geschahs! Dem friedenreichen Klange

Bewegte sich das Land, und segenbar

Ein frisches Glück erschien: im Hochgesange

Begrüßten wir das junge Fürstenpaar;

Im Vollgefühl, in lebensregem Drange

Vermischte sich die tätge Völkerschar,

Und festlich ward an die geschmückten Stufen

Die Huldigung der Künste vorgerufen.

Da hör ich schreckhaft mitternächtges Läuten,

Das dumpf und schwer die Trauertöne schwellt.

Ists möglich? Soll es unsern Freund bedeuten,

An den sich jeder Wunsch geklammert hält?

Den Lebenswürdgen soll der Tod erbeuten?

Ach! wie verwirrt solch ein Verlust die Welt!

Ach! was zerstört ein solcher Riß den Seinen!

Nun weint die Welt, und sollten wir nicht weinen?

Denn er war unser! Wie bequem gesellig

Den hohen Mann der gute Tag gezeigt,

Wie bald sein Ernst, anschließend, wohlgefällig,

Zur Wechselrede heiter sich geneigt,

Bald raschgewandt, geistreich und sicherstellig

Der Lebensplane tiefen Sinn erzeugt

Und fruchtbar sich in Rat und Tat ergossen:

Das haben wir erfahren und ergossen.

Denn er war unser! Mag das stolze Wort

Den lauten Schmerz gewaltig übertönen!

Er mochte sich bei uns, im sichern Port,

Nach wildem Sturm zum Dauernden gewöhnen.

Indessen schritt sein Geist gewaltig fort

Ins Ewige des Wahren, Guten, Schönen,

Und hinter ihm, im wesenlosen Scheine,

Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.

Nun schmückt’ er sich die schöne Gartenzinne,

Von wannen er der Sterne Wort vernahm,

Das dem gleich ewgen, gleich lebendgen Sinne

Geheimnisvoll und klar entgegenkam.

Dort, sich und uns zu köstlichem Gewinne,

Verwechselt er die Zeiten wundersam,

Begegnet’ so, im Würdigsten beschäftigt,

Der Dämmerung, der Nacht, die uns entkräftigt.

Ihm schwollen der Geschichte Flut auf Fluten,

Verspülend, was getadelt, was gelobt,

Der Erdbeherrscher wilde Heeresgluten,

Die in der Welt sich grimmig ausgetobt,

Im niedrig Schrecklichsten, im höchsten Guten

Nach ihrem Wesen deutlich durchgeprobt. –

Nun sank der Mond, und zu erneuter Wonne

Vom klaren Berg herüber stieg die Sonne.

Nun glühte seine Wange rot und röter

Von jener Jugend, die uns nie entfliegt,

Von jenem Mut, der, früher oder später,

Den Widerstand der stumpfen Welt besiegt,

Von jenem Glauben, der sich, stets erhöhter,

Bald kühn hervordrängt, bald geduldig schmiegt,

Damit das Gute wirke, wachse, fromme,

Damit der Tag dem Edlen endlich komme.

Doch hat er, so geübt, so vollgehaltig,

Dies bretterne Gerüste nicht verschmäht;

Hier schildert er das Schicksal, das gewaltig

Von Tag zu Nacht die Erdenachse dreht,

Und manches tiefe Werk hat, reichgestaltig,

Den Wert der Kunst, des Künstlers Wert erhöht.

Er wendete die Blüte höchsten Strebens,

Das Leben selbst, an dieses Bild des Lebens.

Ihr kanntet ihn, wie er mit Riesenschritte

Den Kreis des Wollens, des Vollbringens maß,

Durch Zeit und Land, der Völker Sinn und Sitte,

Das dunkle Buch mit heiterm Blicke las;

Doch wie er atemlos in unsrer Mitte

In Leiden bangte, kümmerlich genas,

Das haben wir in traurig schönen Jahren,

Denn er war unser, leidend miterfahren.

Ihn, wenn er vom zerrüttenden Gewühle

Des bittern Schmerzes wieder aufgeblickt,

Ihn haben wir dem lästigen Gefühle

Der Gegenwart, der stockenden, entrückt,

Mit guter Kunst und ausgesuchtem Spiele

Den neubelebten edlen Sinn erquickt

Und noch am Abend vor den letzten Sonnen

Ein holdes Lächeln glücklich abgewonnen.

Er hatte früh das strenge Wort gelesen,

Dem Leiden war er, war dem Tod vertraut.

So schied er nun, wie er so oft genesen;

Nun schreckt uns das, wofür uns längst gegraut.

Doch schon erblicket sein verklärtes Wesen

Sich hier verklärt, wenn es herniederschaut.

Was Mitwelt sonst an ihm beklagt, getadelt,

Es hats der Tod, es hats die Zeit geadelt.

Auch manche Geister, die mit ihm gerungen,

Sein groß Verdienst unwillig anerkannt,

Sie fühlen sich von seiner Kraft durchdrungen,

In seinem Kreise willig festgebannt:

Zum Höchsten hat er sich emporgeschwungen,

Mit allem, was wir schätzen, eng verwandt.

So feiert ihn! Denn was dem Mann das Leben

Nur halb erteilt, soll ganz die Nachwelt geben.

*

So bleibt er uns, der vor so manchen Jahren –

Schon zehne sinds! – von uns sich weggekehrt!

Wir haben alle segensreich erfahren,

Die Welt verdank ihm, was er sie gelehrt;

Schon längst verbreitet sichs in ganze Scharen,

Das Eigenste, was ihm allein gehört.

Er glänzt uns vor, wie ein Komet entschwindend,

Unendlich Licht mit seinem Licht verbindend.

 
 * 

Einschränkung

Ich weiß nicht, was mir hier gefällt,

In dieser engen, kleinen Welt

Mit holdem Zauberband mich hält?

Vergeß ich doch, vergeß ich gern,

Wie seltsam mich das Schicksal leitet;

Und ach, ich fühle, nah und fern

Ist mir noch manches zubereitet.

O wäre doch das rechte Maß getroffen!

Was bleibt mir nun, als eingehüllt,

Von holder Lebenskraft erfüllt,

In stiller Gegenwart die Zukunft zu erhoffen!

 
 * 

Den Guten

Laßt euch einen Gott begeisten,

Euch beschränket nur mein Sagen.

Was ihr könnt, ihr werdet’s leisten,

Aber müßt mich nur nicht fragen.

 
 * 

Das Lied der Parzen

Es fürchte die Götter

Das Menschengeschlecht,

Sie halten die Herrschaft

In ewigen Händen

Und können sie brauchen,

Wie’s ihnen gefällt.

Der fürchte sie doppelt,

Den je sie erheben!

Auf Klippen und Wolken

Sind Stühle bereitet

Um goldene Tische.

Erhebet ein Zwist sich,

So stürzen die Gäste

Geschmäht und geschändet

In nächtliche Tiefen

Und harren vergebens,

Im Finstern gebunden,

Gerechten Gerichtes.

Sie aber, sie bleiben

In ewigen Festen

An goldenen Tischen.

Sie schreiten vom Berge

Zu Bergen hinüber;

Aus Schlünden der Tiefe

Dampft ihnen der Atem

Erstickter Titanen,

Gleich Opfergerüchen,

Ein leichtes Gewölke.

Es wenden die Herrscher

Ihr segnendes Auge

Von ganzen Geschlechtern

Und meiden, im Enkel

Die ehmals geliebten

Still redenden Züge

Des Ahnherrn zu sehn.

So sangen die Parzen;

Es horcht der Verbannte

In nächtlichen Höhlen,

Der Alte, die Lieder,

Denkt Kinder und Enkel

Und schüttelt das Haupt.

 
 * 

Süße Sorgen

Weichet, Sorgen, von mir! – Doch ach! den sterblichen Menschen

Lässet die Sorge nicht los, eh’ ihn das Leben verläßt.

Soll es einmal denn sein, so kommt ihr, Sorgen der Liebe,

Treibt die Geschwister hinaus, nehmt und behauptet mein Herz!

 
 * 

Nachgefühl

Wenn die Reben wieder blühen,

Rühret sich der Wein im Fasse;

Wenn, die Rosen wieder glühen,

Weiß ich nicht, wie mir geschieht.

Tränen rinnen von den Wangen,

Was ich tue, was ich lasse;

Nur ein unbestimmt Verlangen

Fühl ich, das die Brust durchglüht.

Und zuletzt muß ich mir sagen,

Wenn ich mich bedenk und fasse,

Daß in solchen schönen Tagen

Doris einst für mich geglüht.

 
 * 

Philomele

Dich hat Amor gewiß, o Sängerin, fütternd erzogen;

Kindisch reichte der Gott dir mit dem Pfeile die Kost.

So, durchdrungen von Gift die harmlos athmende Kehle,

Trifft mit der Liebe Gewalt nun Philomele das Herz.

 
 * 

Am Flusse

Verfließet, vielgeliebte Lieder,

Zum Meere der Vergessenheit!

Kein Knabe sing’ entzückt euch wieder,

Kein Mädchen in der Blüthenzeit.

Ihr sanget nur von meiner Lieben;

Nun spricht sie meiner Treue Hohn.

Ihr war’t in’s Wasser eingeschrieben;

So fließt denn auch mit ihm davon.

 
 * 

Den Besten

Die Abgeschiednen betracht’ ich gern,

Stünd’ ihr Verdienst auch noch so fern;

Doch mit den edlen lebendigen Neuen

Mag ich wetteifernd mich lieber freuen.

 
 * 

Töne, Lied, aus weiter Ferne

Töne, Lied, aus weiter Ferne,

Säusle heimlich nächster Nähe,

So der Freude, so dem Wehe!

Blinken doch auch so die Sterne.

Alles Gute wirkt geschwinder;

Alte Kinder, junge Kinder

Hörens immer gerne.

 
 * 

Hauspark

Liebe Mutter, die Gespielen

Sagen mir schon manche Zeit,

Daß ich besser sollte fühlen,

Was Natur im Freien beut.

Bin ich hinter diesen Mauern,

Diesen Hecken, diesem Bux,

Wollen sie mich nur bedauern,

Neben diesem alten Jux.

Solche schroffe, grüne Wände,

Ließen sie nicht länger stehn;

Kann man doch von Einem Ende

Gleich bis an das andre sehn.

Von der Scheere fallen Blätter,

Fallen Blüthen, welch ein Schmerz!

Asmus, unser lieber Vetter,

Nennt es puren Schneiderscherz.

Stehn die Pappeln doch so prächtig

Um des Nachbars Gartenhaus;

Und bei uns, wie niederträchtig

Nehmen sich die Zwiebeln aus!

Wollt ihr nicht den Wunsch erfüllen –

Ich bescheide mich ja wohl!

Heuer nur, um Gotteswillen,

Liebe Mutter, keinen Kohl!

 
 * 

Vermächtnis

Kein Wesen kann zu nichts zerfallen!

Das Ewge regt sich fort in allen,

Am Sein erhalte dich beglückt!

Das Sein ist ewig: denn Gesetze

Bewahren die lebendgen Schätze,

Aus welchen sich das All geschmückt.

Das Wahre war schon längst gefunden,

Hat edle Geisterschaft verbunden;

Das alte Wahre, faß es an!

Verdank es, Erdensohn, dem Weisen,

Der ihr, die Sonne zu umkreisen,

Und dem Geschwister wies die Bahn,

Sofort nun wende dich nach innen:

Das Zentrum findest du da drinnen,

Woran kein Edler zweifeln mag.

Wirst keine Regel da vermissen:

Denn das selbständige Gewissen

Ist Sonne deinem Sittentag.

Den Sinnen hast du dann zu trauen,

Kein Falsches lassen sie dich schauen,

Wenn dein Verstand dich wach erhält.

Mit frischem Blick bemerke freudig

Und wandle sicher wie geschmeidig,

Durch Auen reichbegabter Welt.

Genieße mäßig Füll und Segen;

Vernunft sei überall zugegen,

Wo Leben sich des Lebens freut.

Dann ist Vergangenheit beständig,

Das Künftige voraus lebendige

Der Augenblick ist Ewigkeit.

Und war es endlich dir gelungen,

Und bist du vom Gefühl durchdrungen:

Was fruchtbar ist, allein ist wahr –

Du prüfst das allgemeine Walten,

Es wird nach seiner Weise schalten,

Geselle dich zur kleinsten Schar.

Und wie von alters her, im stillen,

Ein Liebewerk nach eignem Willen

Der Philosoph, der Dichter schuf,

So wirst du schönste Gunst erzielen:

Denn edlen Seelen vorzufühlen

Ist wünschenswertester Beruf.

 
 * 

Grundbedingung

Sprichst du von Natur und Kunst,

Habe beide stets vor Augen;

Denn was will die Rede taugen

Ohne Gegenwart und Gunst!

Eh’ du von der Liebe sprichst,

Laß sie erst im Herzen leben,

Eines holden Angesichts

Phosphorglanz dir Feuer geben!

 
 * 

Monolog des Liebhabers

Was nutzt die glühende Natur

Vor deinen Augen dir,

Was nutzt dir das Gebildete

Der Kunst rings um dich her,

Wenn liebevolle Schöpfungskraft

Nicht deine Seele füllt,

Und in den Fingerspitzen dir

Nicht wieder bildend wird?

 
 * 

Feldlager

1790.

Grün ist der Boden der Wohnung, die Sonne scheint durch die Wände,

Und das Vögelchen singt über dem leinenen Dach;

Kriegerisch reiten wir aus, besteigen Silesiens Höhen,

Schauen mit gierigem Blick vorwärts nach Böhmen hinein;

Aber es zeigt sich kein Feind – und keine Feindin; o bringe,

Wenn uns Mavors betrügt, bring’ uns, Cupido, den Krieg!

 
 * 

Prometheus

Bedecke deinen Himmel, Zeus,

Mit Wolkendunst!

Und übe, Knaben gleich,

Der Disteln köpft,

An Eichen dich und Bergeshöhn!

Mußt mir meine Erde

Doch lassen stehn,

Und meine Hütte,

Die du nicht gebaut,

Und meinen Herd,

Um dessen Glut

Du mich beneidest.

Ich kenne nichts Ärmeres

Unter der Sonn als euch Götter.

Ihr nähret kümmerlich

Von Opfersteuern

Und Gebetshauch

Eure Majestät

Und darbtet, wären

Nicht Kinder und Bettler

Hoffnungsvolle Toren.

Da ich ein Kind war,

Nicht wußte, wo aus, wo ein,

Kehrte mein verirrtes Aug

Zur Sonne, als wenn drüber wär

Ein Ohr zu hören meine Klage,

Ein Herz wie meins,

Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir wider

Der Titanen Übermut?

Wer rettete vom Tode mich,

Von Sklaverei?

Hast du’s nicht alles selbst vollendet,

Heilig glühend Herz?

Und glühtest, jung und gut,

Betrogen, Rettungsdank

Dem Schlafenden dadroben?

Ich dich ehren? Wofür?

Hast du die Schmerzen gelindert

Je des Beladenen?

Hast du die Tränen gestillet

Je des Geängsteten?

Hat nicht mich zum Manne geschmiedet

Die allmächtige Zeit

Und das ewige Schicksal,

Meine Herren und deine?

Wähntest du etwa,

Ich sollte das Leben hassen,

In Wüsten fliehn,

Weil nicht alle Knabenmorgen–

Blütenträume reiften?

Hier sitz ich, forme Menschen

Nach meinem Bilde,

Ein Geschlecht, das mir gleich sei,

Zu leiden, weinen,

Genießen und zu freuen sich,

Und dein nicht zu achten,

Wie ich.

 
 * 

Die Jahre

Die Jahre sind allerliebste Leut:

Sie brachten gestern, sie bringen heut,

Und so verbringen wir Jüngern eben

Das allerliebste Schlaraffen-Leben.

Und dann fällts den Jahren auf einmal ein,

Nicht mehr, wie sonst, bequem zu sein;

Wollen nicht mehr schenken, wollen nicht mehr borgen;

Sie nehmen heute, sie nehmen morgen.

 
 * 

Égalité

Das Größte will man nicht erreichen,

Man beneidet nur Seinesgleichen;

Der schlimmste Neidhart ist in der Welt,

Der Jeden für Seines-Gleichen hält.

 
 * 

Bei Betrachtung von Schillers Schädel

Im ernsten Beinhaus wars, wo ich beschaute,

Wie Schädel Schädeln angeordnet paßten;

Die alte Zeit gedacht ich, die ergraute.

Sie stehn in Reih geklemmt, die sonst sich haßten,

Und derbe Knochen, die sich tödlich schlugen,

Sie liegen kreuzweis, zahm allhier zu rasten.

Entrenkte Schulterblätter! was sie trugen,

Fragt niemand mehr, und zierlich tätge Glieder,

Die Hand, der Fuß, zerstreut aus Lebensfugen.

Ihr Müden also lagt vergebens nieder,

Nicht Ruh im Grabe ließ man euch, vertrieben

Seid ihr herauf zum lichten Tage wieder,

Und niemand kann die dürre Schale lieben,

Welch herrlich edlen Kern sie auch bewahrte,

Doch mir Adepten war die Schrift geschrieben,

Die heilgen Sinn nicht jedem offenbarte,

Als ich inmitten solcher starren Menge

Unschätzbar herrlich ein Gebild gewahrte,

Daß in des Raumes Moderkält und Enge

Ich frei und wärmefühlend mich erquickte,

Als ob ein Lebensquell dem Tod entspränge,

Wie mich geheimnisvoll die Form entzückte!

Die gottgedachte Spur, die sich erhalten!

Ein Blick, der mich an jenes Meer entrückte,

Das flutend strömt gesteigerte Gestalten.

Geheim Gefäß! Orakelsprüche spendend,

Wie bin ich wert, dich in der Hand zu halten?

Dich höchsten Schatz aus Moder fromm entwendend

Und in die freie Luft, zu freiem Sinnen,

Zum Sonnenlicht andächtig hin mich wendend.

Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen,

Als daß sich Gott-Natur ihm offenbare?

Wie sie das Feste läßt zu Geist verrinnen,

Wie sie das Geisterzeugte fest bewahre.

 
 * 

Sag ichs euch, geliebte Bäume

Sag ichs euch, geliebte Bäume?

Die ich ahndevoll gepflanzt,

Als die wunderbarsten Träume

Morgenrötlich mich umtanzt.

Ach, ihr wißt es, wie ich liebe,

Die so schön mich wiederliebt,

Die den reinsten meiner Triebe

Mir noch reiner wiedergibt.

Wachset wie aus meinem Herzen,

Treibet in die Luft hinein,

Denn ich grub viel Freud und Schmerzen

Unter eure Wurzeln ein.

Bringet Schatten, traget Früchte,

Neue Freude jeden Tag;

Nur daß ich sie dichte, dichte,

Dicht bei ihr genießen mag.

 
 * 

Schadenfreude

In des Papillons Gestalt

Flattr’ ich, nach den letzten Zügen,

Zu den vielgeliebten Stellen,

Zeugen himmlischer Vergnügen,

Ueber Wiesen, an die Quellen,

Um den Hügel, durch den Wald.

Ich belausch’ ein zärtlich Paar;

Von des schönen Mädchens Haupte,

Aus den Kränzen schau’ ich nieder;

Alles, was der Tod mir raubte,

Seh’ ich hier im Bilde wieder,

Bin so glücklich wie ich war.

Sie umarmt ihn lächelnd stumm,

Und sein Mund genießt der Stunde,

Die ihm güt’ge Götter senden;

Hüpft vom Busen zu dem Munde,

Von dem Munde zu den Händen,

Und ich hüpf’ um ihn herum.

Und sie sieht mich Schmetterling.

Zitternd vor des Freunds Verlangen

Springt sie auf, da flieg’ ich ferne.

»Liebster, komm, ihn einzufangen!

Komm! ich hätt’ es gar zu gerne,

Gern das kleine bunte Ding!«

 
 * 

Das garstige Gesicht

Wenn einen würdigen Biedermann,

Pastoren oder Ratsherrn lobesan,

Die Wittib läßt in Kupfer stechen

Und drunter ein Verslein radebrechen,

Da heißts: Seht hier mit Kopf und Ohren

Den Herrn, Ehrwürdig, Wohlgeboren!

Seht seine Augen und seine Stirn;

Aber sein verständig Gehirn,

So manch Verdienst ums gemeine Wesen,

Könnt ihr ihm nicht an der Nase lesen.

So, liebe Lotte! heißts auch hier:

Ich schicke da mein Bildnis dir.

Magst wohl die ernste Stirne sehen,

Der Augen Glut, der Locken Wehen;

’s ist ungefähr das garstge Gesicht –

Aber meine Liebe siehst du nicht.

 
 * 

Der Wandrer

Wandrer

Gott segne dich, junge Frau,

Und den saugenden Knaben

An deiner Brust!

Laß mich an der Felsenwand hier,

In des Ulmbaums Schatten,

Meine Bürde werfen,

Neben dir ausruhn.

Frau

Welch Gewerbe treibt dich

Durch des Tages Hitze

Den staubigen Pfad her?

Bringst du Waren aus der Stadt

Im Land herum?

Lächelst, Fremdling,

Über meine Frage?

Wandrer

Keine Waren bring ich aus der Stadt,

Kühl wird nun der Abend;

Zeige mir den Brunnen,

Draus du trinkest,

Liebes junges Weib!

Frau

Hier den Felsenpfad hinauf.

Geh voran! Durchs Gebüsche

Geht der Pfad nach der Hütte,

Drin ich wohne,

Zu dem Brunnen,

Den ich trinke.

Wandrer

Spuren ordnender Menschenhand

Zwischen dem Gesträuch!

Diese Steine hast du nicht gefügt,

Reichhinstreuende Natur!

Frau

Weiter hinauf!

Wandrer

Von dem Moos gedeckt ein Architrav!

Ich erkenne dich, bildender Geist!

Hast dein Siegel in den Stein geprägt.

Frau

Weiter, Fremdling!

Wandrer

Eine Inschrift, über die ich trete!

Nicht zu lesen!

Weggewandelt seid ihr,

Tief gegrabne Worte,

Die ihr eures Meisters Andacht

Tausend Enkeln zeigen solltet.

Frau

Staunest, Fremdling,

Diese Stein’ an?

Droben sind der Steine viel

Um meine Hütte.

Wandrer

Droben?

Frau

Gleich zur Linken

Durchs Gebüsch hinan;

Hier.

Wandrer

Ihr Musen und Grazien!

Frau

Das ist meine Hütte.

Wandrer

Eines Tempels Trümmer!

Frau

Hier zur Seit hinab

Quillt der Brunnen,

Den ich trinke.

Wandrer

Glühend webst du

Über deinem Grabe,

Genius! Über dir

Ist zusammengestürzt

Dein Meisterstück,

O du Unsterblicher!

Frau

Wart, ich hole das Gefäß

Dir zum Trinken.

Wandrer

Efeu hat deine schlanke

Götterbildung umkleidet.

Wie du emporstrebst

Aus dem Schutte,

Säulenpaar!

Und du, einsame Schwester dort,

Wie ihr

Düstres Moos auf dem heiligen Haupt

Majestätisch trauernd herabschaut

Auf die zertrümmerten

Zu euren Füßen,

Eure Geschwister!

In des Brombeergesträuches Schatten

Deckt sie Schutt und Erde,

Und hohes Gras wankt drüber hin.

Schätzest du so, Natur,

Deines Meisterstücks Meisterstück?

Unempfindlich zertrümmerst du

Dein Heiligtum?

Säest Disteln drein?

Frau

Wie der Knabe schläft!

Willst du in der Hütte ruhn,

Fremdling? Willst du hier

Lieber in dem Freien bleiben?

Es ist kühl! Nimm den Knaben,

Daß ich Wasser schöpfen gehe.

Schlafe, Lieber! Schlaf!

Wandrer

Süß ist deine Ruh!

Wie’s, in himmlischer Gesundheit

Schwimmend, ruhig atmet!

Du, geboren über Resten

Heiliger Vergangenheit,

Ruh ihr Geist auf dir!

Welchen der umschwebt,

Wird in Götterselbstgefühl

Jedes Tags genießen.

Voller Keim, blüh auf,

Des glänzenden Frühlings

Herrlicher Schmuck,

Und leuchte vor deinen Gesellen!

Und welkt die Blütenhülle weg,

Dann steig aus deinem Busen

Die volle Frucht

Und reife der Sonne entgegen!

Frau

Gesegne’s Gott! – Und schläft er noch?

Ich habe nichts zum frischen Trunk

Als ein Stück Brot, das ich dir bieten kann.

Wandrer

Ich danke dir.

Wie herrlich alles blüht umher

Und grünt!

Frau

Mein Mann wird bald

Nach Hause sein

Vom Feld. O bleibe, bleibe, Mann!

Und iß mit uns das Abendbrot.

Wandrer

Ihr wohnet hier?

Frau

Da, zwischen dem Gemäuer her.

Die Hütte baute noch mein Vater

Aus Ziegeln und des Schuttes Steinen.

Hier wohnen wir.

Er gab mich einem Ackersmann

Und starb in unsern Armen. –

Hast du geschlafen, liebes Herz?

Wie er munter ist und spielen will!

Du Schelm!

Wandrer

Natur! Du ewig keimende,

Schaffst jeden zum Genuß des Lebens,

Hast deine Kinder alle mütterlich

Mit Erbteil abgestattet, einer Hütte.

Hoch baut die Schwalbe an das Gesims,

Unfühlend, welchen Zierat

Sie verklebt;

Die Raub umspinnt den goldnen Zweig

Zum Winterhaus für ihre Brut;

Und du flickst zwischen der Vergangenheit

Erhabne Trümmer

Für deine Bedürfniss’

Eine Hütte, o Mensch,

Genießest über Gräbern! –

Leb wohl, du glücklich Weib!

Frau

Du willst nicht bleiben?

Wandrer

Gott erhalt euch,

Segn euern Knaben!

Frau

Glück auf den Weg!

Wandrer

Wohin führt mich der Pfad

Dort übern Berg?

Frau

Nach Cuma.

Wandrer

Wie weit ists hin?

Frau

Drei Meilen gut.

Wandrer

Leb wohl!

O leite meinen Gang, Natur!

Den Fremdlings-Reisetritt,

Den über Gräber

Heiliger Vergangenheit

Ich wandle.

Leit ihn zum Schutzort,

Vorm Nord gedeckt,

Und wo dem Mittagsstrahl

Ein Pappelwäldchen wehrt.

Und kehr ich dann

Am Abend heim

Zur Hütte,

Vergoldet vom letzten Sonnenstrahl,

Laß mich empfangen solch ein Weib

Den Knaben auf dem Arm!

 
 * 

Glück der Entfernung

Trinkt o Jüngling! heil’ges Glücke

Taglang aus der Liebsten Blicke;

Abends gaukl’ ihr Bild dich ein.

Kein Verliebter hab’ es besser;

Doch das Glück bleibt immer größer,

Fern von der Geliebten sein.

Ew’ge Kräfte, Zeit und Ferne,

Heimlich wie die Kraft der Sterne,

Wiegen dieses Blut zur Ruh.

Mein Gefühl wird stets erweichter;

Doch mein Herz wird täglich leichter

Und mein Glück nimmt immer zu.

Nirgends kann ich sie vergessen,

Und doch kann ich ruhig essen,

Heiter ist mein Geist und frei;

Und unmerkliche Bethörung

Macht die Liebe zur Verehrung,

Die Begier zur Schwärmerei.

Aufgezogen durch die Sonne

Schwimmt im Hauch äther’scher Wonne

So das leichtste Wölkchen nie,

Wie mein Herz in Ruh und Freude.

Frei von Furcht, zu groß zum Neide,

Lieb’ ich, ewig lieb’ ich sie!

 
 * 

Jägers Abendlied

Im Felde schleich ich still und wild,

Gespannt mein Feuerrohr.

Da schwebt so licht dein liebes Bild,

Dein süßes Bild mir vor.

Du wandelst jetzt wohl still und mild

Durch Feld und liebes Tal,

Und ach, mein schnell verrauschend Bild,

Stellt sich dirs nicht einmal?

Des Menschen, der die Welt durchstreift

Voll Unmut und Verdruß,

Nach Osten und nach Westen schweift,

Weil er dich lassen muß.

Mir ist es, denk ich nur an dich,

Als in den Mond zu sehn;

Ein stiller Friede kommt auf mich,

Weiß nicht, wie mir geschehn.

 
 * 

Verschiedene Drohung

Einst ging ich meinem Mädchen nach

Tief in den Wald hinein,

Und fiel ihr um den Hals, und »Ach!«

Droht sie, »ich werde schrein.«

Da rief ich trotzig: Ha! ich will

Den tödten, der uns stört! –

»Still!« lispelt sie, »Geliebter, still!

Daß ja dich niemand hört.«

 
 * 

An Gotter

Schicke dir hier den alten Götzen,

Magst ihn zu deinen Heilgen setzen

Oder magst ihn in die Zahl

Der Ungeblätterten stellen zumal.

Habs geschrieben in guter Zeit,

Tags, Abends und Nachts Herrlichkeit,

Und find nicht halb die Freud so mehr,

Da nun gedruckt ist ein großes Heer.

Find, daß es wie mit den Kindern ist,

Da doch wohl immer die schönste Frist

Bleibt, wenn man in der schönen Nacht

Sie hat der lieben Frau gemacht.

Das andre geht dann seinen Gang,

Und Rechnen, Wehn und Tauf und Sang.

Mögt euch nun auch ergötzen dran.

So habt ihr doppelt wohlgetan.

Magst, wie ich höre, dann allda

Agieren, tragieren Komödia

Vor Stadt und Land und Hof und Herrn,

Die sähn das Schattenspiel wohl gern.

So such dir denn in deinem Haus

Einen rechten tüchtigen Bengel aus

Und gib ihm die Roll von meinem Götz,

In Panzer, Blechhaub und Geschwätz.

Dann nimm den Weisling vor dich hin,

In Pumphos, Kragen und stolzem Kinn,

Und Spada wohl nach Spanier Art,

Und Weitnaslöchern, Stützleinbart,

Und sei ein Falscher an den Frauen,

Laß dich zuletzt vergiftet schauen.

Und bring, da hast du meinen Dank,

Mich vor die Weiblein ohn Gestank.

Mußt alle garstgen Worte lindern,

Aus Scheißkerl Schurken, aus Arsch mach Hintern

Und gleich’ das alles so fortan,

Wie dus wohl ehmals schon getan.

 
 * 

Schlußpoetik

Sage, Muse, sag’ dem Dichter,

Wie er denn es machen soll?

Denn der wunderlichsten Richter

Ist die liebe Welt so voll.

Immer hab’ ich doch den rechten,

Klaren Weg im Lied gezeigt,

Immer war es doch den schlechten,

Düstren Pfaden abgeneigt.

Aber was die Herren wollten,

Ward mir niemals ganz bekannt;

Wenn sie wüßten, was sie sollten,

Wär’ es auch wohl bald genannt.

»Willst du dir ein Maaß bereiten;

Schaue, was den Edlen mißt,

Was ihn auch entstellt zu Zeiten,

Wenn der Leichtsinn sich vergißt.

Solch ein Inhalt deiner Sänge,

Der erbauet, der gefällt,

Und, im wüstesten Gedränge,

Dankt’s die stille bessere Welt.

Frage nicht nach anderm Titel,

Reinem Willen bleibt sein Recht!

Und die Schurken laß dem Büttel,

Und die Narren dem Geschlecht.«

 
 * 

Sämtliche Werke
titlepage.htm
inhalt.htm
1DRAMEN.htm
101laune.htm
102mitschuldigen.htm
103goetz.htm
103goetz2.htm
104fastnachtsspiel.htm
105jahrmarktsfest.htm
106hanswurst.htm
129satyros.htm
107goetterhelden.htm
108clavigo.htm
109egmont.htm
110erwin.htm
126claudine.htm
111geschwister.htm
112stella.htm
113triumph.htm
114proserpina.htm
115iphigenie.htm
116torquato.htm
117faustfr.htm
118grosscophta.htm
119buergergeneral.htm
128aufgeregten.htm
127epimenides.htm
120fausti.htm
120fausti2.htm
121mahomet.htm
122natuerliche.htm
123pandora.htm
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125prometheus.htm
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