Akt III.
(Augsburg. Ein Garten.)
Zwei Nürnberger Kaufleute.
Erster Kaufmann.
Hier wollen wir stehn, denn da muss der Kaiser vorbei. Er kommt eben den langen Gang herauf.
Zweiter Kaufmann.
Wer ist bei ihm?
Erster Kaufmann.
Adelbert von Weislingen.
Zweiter Kaufmann.
Bambergs Freund! Das ist gut.
Erster Kaufmann.
Wir wollen einen Fußfall tun, und ich will reden.
Zweiter Kaufmann.
Wohl, da kommen sie.
Kaiser. Weislingen.
Erster Kaufmann.
Er sieht verdrießlich aus.
Kaiser.
Ich bin unmutig, Weislingen, und wenn ich auf mein vergangenes Leben zurücksehe, möchte’ ich verzagt werden. So viel halbe, so viel verunglückte Unternehmungen! Und das alles, weil kein Fürst im Reich so klein ist, dem nicht mehr an seinen Grillen gelegen wäre als an meinen Gedanken.
Die Kaufleute werfen sich ihm zu Füßen.
Kaufmann.
Allerdurchlauchtigster! Großmächtigster!
Kaiser.
Wer seid Ihr? Was gibt’s?
Kaufmann.
Arme Kaufleute von Nürnberg, Eurer Majestät Knechte, und flehen um Hilfe. Götz von Berlichingen und Hans von Selbitz haben unser dreißig, die von der Frankfurter Messe kamen, im Bambergischen Geleite niedergeworfen und Messe kamen, im Bambergischen Geleite niedergeworfen und beraubt; wir bitten Eure Kaiserliche Majestät um Hilfe, um Beistand , sonst sind wir alle verdorbene Leute, genötigt unser Brot zu betteln.
Kaiser.
Heiliger Gott! Heiliger Gott! Was ist das! Der eine hat nur eine Hand, der andere nur ein Bein; wenn sie denn erst zwei Hände hätten und zwei Beine, was wolltet ihr dann tun?
Kaufmann.
Wir bitten Eure Majestät untertänigst, auf unsere bedrängten Umstände ein mitleidiges Auge zu werfen.
Kaiser.
Wie geht’s zu! Wenn ein Kaufmann einen Pfeffersack verliert, soll man das ganze Reich aufmahnen; und wenn Händel vorhanden sind, daran Kaiserlicher Majestät und dem Reich viel gelegen ist, dass es Königreich, Fürstentum, Herzogtum und anders betrifft, so kann Euch kein Mensch zusammenbringen.
Weislingen.
Ihr kommt zur ungelegnen Zeit. Geht und verweilt einige Tage hier.
Kaufleute.
Wir empfehlen uns zu Gnaden. (Ab.)
Kaiser.
Wieder neue Händel. Sie wachsen nach wie die Köpfe der Hydra.
Weislingen.
Und sind nicht auszurotten als mit Feuer und Schwert und einer mutigen Unternehmung.
Kaiser.
Glaubt Ihr?
Weislingen.
Ich halte nichts für tunlicher, wenn Eure Majestät und die Fürsten sich über andern unbedeutenden Zwist vereinigen könnten. Es ist mit nichten ganz Deutschland, das über Beunruhigung klagt. Franken und Schwaben allein glimmt noch von den Resten des innerlichen, verderblichen Bürgerkriegs. Und auch da sind viele der Edeln und Freien, die sich nach Ruhe sehnen. Hätten wir einmal diesen Sickingen, Selbitz – Berlichingen auf die Seite geschafft, das übrige würde bald von sich selbst zerfallen. Denn sie sind’s, deren Geist die aufrührische Menge belebt.
Kaiser.
Ich möchte die Leute gerne schonen, sie sind tapfer und edel. Wenn ich Krieg führte, müssten sie mit mir zu Felde.
Weislingen.
Es wäre zu wünschen, dass sie von jeher gelernt hätten ihrer Pflicht zu gehorchen. Und dann wär’ es höchst gefährlich, ihre aufrührischen Unternehmungen durch Ehrenstellen zu belohnen. Denn eben diese kaiserliche Mild’ und Gnade ist’s, die sie bisher so ungeheuer missbrauchten, und ihr Anhang, der sein Vertrauen und Hoffnung darauf setzt, wird nicht ehe zu bändigen sein, bis wir sie ganz vor den Augen der Welt zunichte gemacht und ihnen alle Hoffnung jemals wieder emporzukommen völlig abgeschnitten haben.
Kaiser.
Ihr ratet also zur Strenge?
Weislingen.
Ich sehe kein ander Mittel, den Schwindelgeist, der ganze Landschaften ergreift, zu bannen. Hören wir nicht schon hier und da die bittersten Klagen der Edeln, dass ihre Untertanen, ihre Leibeignen sich gegen sie auflehnen und mit ihnen rechten, ihnen die hergebrachte Oberherrschaft zu schmälern drohen, so dass die gefährlichsten Folgen zu fürchten sind?
Kaiser.
Jetzt wär’ eine schöne Gelegenheit wider den Berlichingen und Selbitz; nur wollt’ ich nicht, dass ihnen was zuleid’ geschehe. Gefangen möchte’ ich sie haben, und dann müssten sie Urfehde schwören, auf ihren Schlössern ruhig zu bleiben, und nicht aus ihrem Bann zu gehen. Bei der nächsten Session will ich’s vortragen.
Weislingen.
Ein freudiger, beistimmender Zuruf wird Eurer Majestät das Ende der Rede ersparen. (Ab.)
(Jagsthausen.)
Sickingen. Berlichingen.
Sickingen.
Ja, ich komme Eure edle Schwester um ihr Herz und ihre Hand zu bitten.
Götz.
So wollt’ ich, Ihr wärt eher kommen. Ich muss Euch sagen: Weislingen hat während seiner Gefangenschaft ihre Liebe gewonnen, um sie angehalten, und ich sagt’ sie ihm zu. Ich hab’ ihn losgelassen, den Vogel, und er verachtet die gütige Hand, die ihm in der Not Futter reichte. Er schwirrt herum, weiß Gott auf welcher Hecke seine Nahrung zu suchen.
Sickingen.
Ist das so?
Götz.
Wie ich sage.
Sickingen.
Er hat ein doppeltes Band zerrissen. Wohl Euch, dass Ihr mit dem Verräter nicht näher verwandt worden.
Götz.
Sie sitzt, das arme Mädchen, verjammert und verbetet ihr Leben.
Sickingen.
Wir wollen sie singen machen.
Götz.
Wie! Entschließt Ihr Euch, eine Verlassne zu heiraten?
Sickingen.
Es macht euch beiden Ehre, von ihm betrogen worden zu sein. Soll darum das arme Mädchen in ein Kloster gehen, weil der erste Mann, den sie kannte, ein Nichtswürdiger war? Nein doch! Ich bleibe darauf, sie soll Königin von meinen Schlössern werden.
Götz.
Ich sage Euch, sie war nicht gleichgültig gegen ihn.
Sickingen.
Traust Du mir nicht zu, dass ich den Schatten eines Elenden sollte verjagen können? Lass uns zu ihr. (Ab.)
(Lager der Reichsexekution.)
Hauptmann. Offiziere.
Hauptmann.
Wir müssen behutsam gehen und unsere Leute so viel möglich schonen. Auch ist unsere gemessene Ordre, ihn in die Enge zu treiben und lebendig gefangen zu nehmen. Es wird schwer halten, denn wer mag sich an ihn machen?
Erster Offizier.
Freilich! Und er wird sich wehren wie ein wildes Schwein. Überhaupt hat er uns sein Leben lang nichts zu Leid’ getan, und jeder wird’s von sich schieben, Kaiser und Reich zu gefallen Arm und Bein daran zu setzen.
Zweiter Offizier.
Es wäre eine Schande, wenn wir ihn nicht kriegen. Wenn ich ihn nur einmal beim Lippen habe, er soll nicht los kommen.
Erster Offizier.
Fasst ihn nur nicht mit Zähnen, er möchte Euch die Kinnbacken ausziehen. Guter junger Herr, dergleichen Leut’ packen sich nicht wie ein flüchtiger Dieb.
Zweiter Offizier.
Wollen sehen.
Hauptmann.
Unsern Brief muss er nun haben. Wir wollen nicht säumen und einen Trupp ausschicken, der ihn beobachten soll.
Zweiter Offizier.
Lasst mich ihn führen.
Hauptmann.
Ihr seid der Gegen unkundig.
Zweiter Offizier.
Ich hab’ einen Knecht, der hier geboren und erzogen ist.
Hauptmann.
Ich bin’s zufrieden. (Ab.)
(Jagsthausen.)
Sickingen.
Sickingen.
Es geht alles nach Wunsch. Sie war etwas bestürzt über meinen Antrag und sah mich vom Kopf bis auf die Füße an. Ich wette sie verglich mich mit ihrem Weißfisch. Gott sei Dank, dass ich mich stellen darf. Sie antwortete wenig und durcheinander; desto besser! Es mag eine Zeit kochen. Bei Mädchen, die durch Liebesunglück gebeizt sind, wird ein Heiratsvorschlag bald gar.
Götz kommt.
Sickingen.
Was bringt Ihr, Schwager?
Götz.
In die Acht erklärt.
Sickingen.
Was?
Götz.
Da lest den erbaulichen Brief. Der Kaiser hat Exekution gegen mich verordnet, die mein Fleisch den Vögeln unter dem Himmel und den Tieren auf dem Felde zu fressen vorschneiden soll.
Sickingen.
Erst sollen sie dran. Just zur gelegenen Zeit bin ich hier.
Götz.
Nein, Sickingen, Ihr sollt fort. Das hieße Eure großen Anschläge im Keim zertreten, wenn Ihr zu so ungelegner Zeit des Reichs Feind werden wolltet. Auch mir könnt Ihr weit mehr nutzen, wenn Ihr neutral zu sein scheint. Der Kaiser liebt Euch, und das Schlimmste, das mir begegnen kann, ist gefangen zu werden; dann braucht Euer Vorwort und reißt mich aus einem Elend, in das unzeitige Hilfe uns beide stürzen könnte. Denn was wär’s? Jetzo geht der Zug gegen mich; erfahren sie, Du bist bei mir, so schicken sie mehr, und wir sind um nichts gebessert. Der Kaiser sitzt an der Quelle, und ich wär schon jetzt unwiederbringlich verloren, wenn man Tapferkeit so geschwind einblasen könnte, als man einen Haufen zusammen blasen kann.
Sickingen.
Doch kann ich heimlich ein zwanzig Reiter zu Euch stoßen lassen.
Götz.
Gut. Ich hab’ schon Georg nach dem Selbitz geschickt und meine Knechte in der Nachbarschaft herum. Lieber Schwager, wenn meine Leute beisammen sind, es wird ein Häufchen sein, dergleichen wenig Fürsten beisammen gesehen haben.
Sickingen.
Ihr werdet gegen die Menge wenig sein.
Götz.
Ein Wolf ist einer ganzen Herde Schafe zu viel.
Sickingen.
Wenn sie aber einen guten Hirten haben?
Götz.
Sorg Du. Es sind lauter Mietlinge. Und dann kann der beste Ritter nichts machen, wenn er nicht Herr von seinen Handlungen ist. So kamen sie mir auch einmal, wie ich dem Pfalzgrafen zugesagt hatte, gegen Konrad Schotten zu dienen; da legt’ er mir einen Zettel aus der Kanzlei vor, wie ich reiten und mich halten sollt’. Da warf ich den Räten das Papier wieder dar, und sagt’: Ich wüsst’ nicht darnach zu handeln, ich weiß nicht, was mir begegnen mag, das steht nicht im Zettel, ich muss die Augen selbst auftun und sehn, was ich zu schaffen hab’.
Sickingen.
Glück zu, Bruder! Ich will gleich fort und Dir schicken, was ich in der Eil zusammentreiben kann.
Götz.
Komm noch zu den Frauen, ich ließ sie beisammen. Ich wollte, dass Du ihr Wort hättest, ehe Du gingst. Dann schick mir die Reiter und komm heimlich wieder sie abzuholen, denn mein Schloss, fürcht’ ich, wird bald kein Aufenthalt für Weiber mehr sein.
Sickingen.
Wollen das Beste hoffen. (Ab.)
(Bamberg. Adelheids Zimmer.)
Adelheid. Franz.
Adelheid.
So sind die beiden Exekutionen schon aufgebrochen?
Franz.
Ja, und mein Herr hat die Freude gegen Eure Feinde zu ziehen. Ich wollte gleich mit, so gern ich zu Euch gehe. Auch will ich jetzt wieder fort, um bald mit fröhlicher Botschaft wiederzukehren. Mein Herr hat mir’s erlaubt.
Adelheid.
Wie steht’s mit ihm?
Franz.
Er ist munter. Mir befahl er Eure Hand zu küssen.
Adelheid.
Da – Deine Lippen sind warm.
Franz (vor sich, auf die Brust deutend).
Hier ist’s noch wärmer! (Laut.) Gnädige Frau, Eure Diener sind die glücklichsten Menschen unter der Sonne.
Adelheid.
Wer führt gegen Berlichingen?
Franz.
Der von Sirau. Lebt wohl, beste gnädige Frau! Ich will wieder fort. Vergesst mich nicht.
Adelheid.
Du musst was essen, trinken und rasten.
Franz.
Wozu das? Ich hab’ Euch ja gesehen. Ich bin nicht müd noch hungrig.
Adelheid.
Ich kenne Deine Treu.
Franz.
Ach gnädige Frau!
Adelheid.
Du hältst’s nicht aus, beruhige Dich und nimm was zu Dir.
Franz.
Eure Sorgfalt für einen armen Jungen! (Ab.)
Adelheid.
Die Tränen stehen ihm in den Augen. Ich lieb’ ihn von Herzen. So wahr und warm hat noch niemand an mir gehangen. (Ab.)
(Jagsthausen.)
Götz. Georg.
Georg.
Er will selbst mit Euch sprechen. Ich kenn’ ihn nicht. Es ist ein stattlicher Mann, mit schwarzen feurigen Augen.
Götz.
Bring’ ihn herein.
Lerse kommt.
Götz.
Gott grüß’ Euch. Was bringt Ihr?
Lerse.
Mich selbst, das ist nicht viel, doch alles, was es ist, biet’ ich Euch an.
Götz.
Ihr seid mir willkommen, doppelt willkommen, ein braver Mann, und zu dieser Zeit, da ich nicht hoffe, neue Freunde zu gewinnen, eher den Verlust der alten stündlich fürchtete. Gebt mir Euern Namen.
Lerse.
Franz Lerse.
Götz.
Ich danke Euch, Franz, dass Ihr mich mit einem braven Mann bekannt macht.
Lerse.
Ich machte Euch schon einmal mit mir bekannt, aber damals danktet Ihr mir nicht dafür.
Götz.
Ich erinnere mich Eurer nicht.
Lerse.
Es wäre mir leid. Wisst Ihr noch, wie Ihr um des Pfalzgrafen willen Konrad Schotten Feind wart, und nach Hassfurt auf die Fastnacht rieten wolltet?
Götz.
Wohl weiß ich es.
Lerse.
Wisst Ihr, wie Ihr unterwegs bei einem Dorf fünfundzwanzig Reitern entgegenkamt?
Götz.
Richtig. Ich hielt sie anfangs nur für zwölfe und teilt’ meinen Haufen, waren unser sechzehn, und hielt am Dorf hinter der Scheuer, in willens sie sollten bei mir vorbeiziehen. Dann wollt’ ich ihnen nachrucken, wie ich’s mit dem andern Haufen abgeredt hatte.
Lerse.
Aber wir sahen Euch und zogen auf eine Höhe am Dorf. Ihr zogt herbei und hieltet unten. Wie wir sahen, Ihr wolltet nicht heraufkommen, ritten wir hinab.
Götz.
Da sah ich erst, dass ich mit der Hand in die Kohlen geschlagen hatte. Fünfundzwanzig gegen acht! Da galt’s kein Feiern. Erhard Truchses durchstach mir einen Knecht, dafür rannt’ ich ihn vom Pferd. Hätten sie sich alle gehalten wie er und ein Knecht, es wäre mein und meines kleinen Häufchens übel gewahrt gewesen.
Lerse.
Der Knecht, wovon Ihr sagtet –
Götz.
Es war der bravste, den ich gesehen habe. Er setzte mir heiß zu. Wenn ich dachte, ich hätt’ ihn von mir gebracht, wollte mit andern zu schaffen haben, war er wieder an mir und schlug feindlich zu. Er hieb mir auch durch den Panzerärmel hindurch, dass es ein wenig gefleischt hatte.
Lerse.
Habt Ihr’s ihm verziehen?
Götz.
Er gefiel mir mehr als zu wohl.
Lerse.
Nun so hoff’ ich, dass Ihr mit mir zufrieden sein werdet. Ich hab’ mein Probstück an Euch selbst abgelegt.
Götz.
Bist Du’s? O willkommen, willkommen! Kannst Du sagen, Maximilian, Du hast unter Deinen Dienern einen so geworben!
Lerse.
Mich wundert, dass Ihr nicht eh’ auf mich gefallen seid.
Götz.
Wie sollte mir einkommen, dass der mir seine Dienste anbieten würde, der auf das feindseligste mich zu überwältigen trachtete?
Lerse.
Eben das, Herr! Von Jugend auf dien’ ich als Reitersknecht und hab’s mit manchem Ritter aufgenommen. Da wir auf Euch stießen, freut’ ich mich. Ich kannte Euern Namen und da lernt’ ich Euch kennen. Ihr wisst, ich hielt nicht stand. Ihr saht, es war nicht Furcht, denn ich kam wieder. Kurz ich lernt’ Euch kennen und von Stund an beschloss sich Euch zu dienen.
Götz.
Wie lange wollt Ihr bei mir aushalten?
Lerse.
Auf ein Jahr. Ohne Entgelt.
Götz.
Nein, Ihr sollt gehalten werden wie ein anderer, und drüber, wie der, der mir bei Remlin zu schaffen machte.
Georg.
Hans von Selbitz lässt Euch grüßen. Morgen ist er hier mit fünfzig Mann.
Götz.
Wohl.
Georg.
Es zeiht am Kocher ein Trupp Reichsvölker herunter, ohne Zweifel Euch zu beobachten.
Götz.
Wie viel?
Georg.
Ihrer fünfzig.
Götz.
Nicht mehr! Komm, Lerse, wir wollen sie zusammenschmeißen, wenn Selbitz kommt, dass er schon ein Stück Arbeit getan findet.
Lerse.
Das soll eine reichliche Vorlese werden.
Götz.
Zu Pferd! (Ab.)
(Wald an einem Morast.)
Zwei Reichsknechte begegnen einander.
Erster Knecht.
Was machst Du hier?
Zweiter Knecht.
Ich hab’ Urlaub gebeten, meine Notdurft zu verrichten. Seit dem blinden Lärmen gestern abends ist mir’s in die Gedärme geschlagen, dass ich alle Augenblicke vom Pferd muss.
Erster Knecht.
Hält der Trupp hier in der Nähe?
Zweiter Knecht.
Wohl eine Stunde den Wald hinauf.
Erster Knecht.
Wie verläufst Du Dich denn hierher?
Zweiter Knecht.
Ich bitt Dich, verrat mich nicht. Ich will aufs nächste Dorf und sehen, ob ich nit mit warmen Überschlägen meinem Übel abhelfen kann. Wo kommst Du her?
Erster Knecht.
Vom nächsten Dorf. Ich hab’ unserm Offizier Wein und Brot geholt.
Zweiter Knecht.
So, er tut sich was zugut vor unserm Angesicht, und wir sollen fasten! Schön Exempel!
Erster Knecht.
Komm mit zurück, Schurke.
Zweiter Knecht.
Wär’ ich ein Narr! Es sind noch viele unterm Haufen, die gern fasteten, wenn sie so weit davon wären als ich.
Erster Knecht.
Hörst Du! Pferde!
Zweiter Knecht.
O weh!
Erster Knecht.
Ich klettere auf den Baum.
Zweiter Knecht.
Ich steck mich ins Rohr.
Götz, Lerse, Georg, Knechte zu Pferde.
Götz.
Hier am Teich weg und linker Hand in den Wald, so kommen wir ihnen in Rücken.
Sie ziehen vorbei.
Erster Knecht (steigt vom Baum).
Da ist nicht gut sein. Michel! Er antwortet nicht? Michel, sie sind fort! (Er geht nach dem Sumpf.) Michel! O weh er ist versunken. Michel! Er hört mich nicht, er ist erstickt. Bist doch krepiert, Du Memme. – Wir sind geschlagen. Feinde, überall Feinde!
Götz, Georg zu Pferde.
Götz.
Halt Kerl, oder Du bist des Todes!
Knecht.
Schönt meines Lebens!
Götz.
Dein Schwert! Georg, führ’ ihn zu den andern Gefangenen, die Lerse dort unten am Wald hat. Ich muss ihren flüchtigen Führer erreichen. (Ab.)
Knecht.
Was ist aus unserm Ritter geworden, der uns führte?
Georg.
Unterst zu oberst stürzt’ ihn mein Herr vom Pferd, dass der Federbusch im Kot stak. Seine Reiter huben ihn aufs Pferd und fort, wie besessen. (Ab.)
(Lager.)
Hauptmann. Erster Ritter.
Erster Ritter.
Sie fliehen von weitem dem Lager zu.
Hauptmann.
Er wird ihnen an den Fersen sein. Lasst ein fünfzig ausrücken bis an die Mühle; wenn er sich zu weit verliert, erwischt Ihr ihn vielleicht. (Ritter ab.)
Zweiter Ritter, geführt.
Hauptmann.
Wie geht’s, junger Herr? Habt Ihr ein paar Zinken abgerennt?
Ritter.
Dass Dich die Pest! Das stärkste Geweih wäre gesplittert wie Glas. Du Teufel! Er rannt’ auf mich los, es war mir, als wenn mich der Donner in die Erd’ hinein schlüg.
Hauptmann.
Dankt Gott, dass Ihr noch davongekommen seid.
Ritter.
Es ist nichts zu danken, ein paar Rippen sind entzwei. Wo ist der Feldscher? (Ab.)
(Jagsthausen.)
Götz. Selbitz.
Götz.
Was sagst Du zu der Achtserklärung, Selbitz?
Selbitz.
Es ist ein Streich von Weislingen.
Götz.
Meinst Du!
Selbitz.
Ich meine nicht, ich weiß.
Götz.
Woher?
Selbitz.
Er war auf dem Reichstag, sag’ ich Dir, er war um den Kaiser.
Götz.
Wohl, so machen wir ihm wieder einen Anschlag zunichte.
Selbitz.
Hoff’s.
Götz.
Wir wollen fort! Und soll die Hasenjagd angehn
(Lager.)
Hauptmann. Ritter.
Hauptmann.
Dabei kommt nichts heraus, ihr Herrn. Er schlägt uns einen Haufen nach dem andern, und was nicht umkommt und gefangen wird, das läuft in Gottes Namen lieber nach der Türkei als ins Lager zurück. So werden wir alle Tag schwächer. Wir müssen einmal für allemal ihm zu Leib gehen, und das mit Ernst. Ich will selbst dabei sein, und er soll sehn, mit wem er zu tun hat.
Ritter.
Wir sind’s all zufrieden. Nur ist er der Landsart so kundig, weiß alle Gänge und Schliche im Gebirg, dass er so wenig zu fangen ist wie eine Maus auf dem Kornboden.
Hauptmann.
Wollen ihn schon kriegen. Erst auf Jagsthausen zu. Mag er wollen oder nicht, er muss herbei sein Schloss zu verteidigen.
Ritter.
Soll unser ganzer Hauf marschieren?
Hauptmann.
Freilich! Wisst Ihr, dass wir schon um hundert geschmolzen sind?
Ritter.
Drum geschwind, eh der ganze Eisklumpen auftaut. Es macht warm in der Nähe, und wir stehn da wie Butter an der Sonne. (Ab.)
(Gebirg und Wald.)
Götz. Selbitz. Trupp.
Götz.
Sie kommen mit hellem Hauf. Es war hohe Zeit, dass Sickingens Reiter zu uns stießen.
Selbitz.
Wir wollen uns teilen. Ich will linker Hand um die Höhe ziehen.
Götz.
Gut. Und Du, Franz, führe mir die fünfzig rechts durch den Wald hinauf. Sie kommen über die Heide, ich will gegen ihnen halten. Georg, Du bleibst um mich. Und wenn ihr seht, dass sie mich angreifen, so fallt ungesäumt in die Seiten. Wir wollen sie patschen. Sie denken nicht, dass wir ihnen die Spitze bieten können. (Ab.)
(Heide, auf der einen Seite eine Höhe, auf der andern Wald.)
Hauptmann. Exekutionszug.
Hauptmann.
Er hält auf der Heide! Das ist impertinent. Er soll’s büßen. Was! Den Strom nicht zu fürchten, der auf ihn losbraust?
Ritter.
Ich wollt nicht, dass Ihr an der Spitze rittet. Er hat das Ansehn, als ob er den Ersten, der ihn anstoßen möchte, umgekehrt in die Erde pflanzen wollte. Reitet hinterdrein.
Hauptmann.
Nicht gern.
Ritter.
Ich bitt’ Euch. Ihr seid noch der Knoten von diesem Bündel Haselruten. Löst ihn auf, so knickt er sie Euch einzeln wie Riedgras.
Hauptmann.
Trompeter, blas’! Und ihr blast ihn weg. (Ab.)
Selbitz hinter der Höhe hervor im Galopp.
Selbitz.
Mir nach! Sie sollen zu ihren Händen rufen: Multipliziert Euch. (Ab.)
Lerse aus dem Wald.
Lerse.
Götzen zu Hilf’! Er ist fast umringt. Braver Selbitz, Du hast schon Luft gemacht. Wir wollen die Heide mit ihren Distelköpfen besäen. (Vorbei. Getümmel.)
(Eine Höhe mit einem Wartturm.)
Selbitz, verwundet. Knechte.
Selbitz.
Legt mich hierher und kehrt zu Götzen.
Erster Knecht.
Lasst uns bleiben, Herr, Ihr braucht unser.
Selbitz.
Steig’ einer auf die Warte und seh’, wie’s geht.
Erster Knecht.
Wie will ich hinaufkommen?
Zweiter Knecht.
Steig’ auf meine Schultern, da kannst Du die Lücke reichen und Dir bis zur Öffnung hinauf helfen.
Erster Knecht (steigt hinauf)
Ach, Herr!
Selbitz.
Was siehst Du?
Erster Knecht.
Eure Reiter fliehen. Der Höhe zu.
Selbitz.
Höllische Schurken! Ich wollt’, sie stünden und ich hätt’ eine Kugel vorm Kopf. Reit’ einer hin, und fluch’ und wetter sie zurück. (Knecht ab.) Siehst Du Götzen?
Knecht.
Die drei schwarzen Federn seh’ ich mitten im Getümmel.
Selbitz.
Schwimm, braver Schwimmer. Ich liege hier!
Knecht.
Ein weißer Federbusch, wer ist das?
Selbitz.
Der Hauptmann.
Knecht.
Götz drängt sich an ihn – Bau! Er stürzt.
Selbitz.
Der Hauptmann?
Knecht.
Ja, Herr.
Selbitz
Wohl! Wohl!
Knecht.
Weh! Weh! Götzen seh’ ich nicht mehr.
Selbitz.
So stirb, Selbitz!
Knecht.
Ein fürchterlich Gedräng, wo er stund. Georgs blauer Busch verschwindet auch.
Selbitz.
Komm herunter. Siehst Du Lersen nicht?
Knecht.
Nichts. Es geht alles drunter und drüber.
Selbitz.
Nichts mehr. Komm! Wie halten sich Sickingens Reiter?
Knecht.
Gut. – Da flieht einer nach dem Wald. Noch einer! Ein ganzer Trupp! Götz ist hin.
Selbitz.
Komm herab.
Knecht.
Ich kann nicht. – Wohl! Wohl! Ich sehe Götzen! Ich sehe Georgen!
Selbitz.
Zu Pferd?
Knecht.
Hoch zu Pferd! Sieg! Sieg! Sie fliehn.
Selbitz
Die Reichstruppen?
Knecht.
Die Fahne mitten drin, Götz hintendrein. Sie zerstreuen sich. Götz erreicht den Fähndrich – Er hat die Fahn’ – Er hält. Eine Handvoll Menschen um ihn herum. Mein Kamerad erreicht ihn – Sie ziehn herauf.
Götz. Georg. Lerse. Ein Trupp.
Selbitz.
Glück zu! Götz. Sieg! Sieg!
Götz (steigt vom Pferd).
Teuer! Teuer! Du bist verwundet, Selbitz?
Selbitz.
Du lebst und siegst! Ich habe wenig getan. Und meine Hunde von Reitern! Wie bist Du davongekommen?
Götz.
Diesmal galt’s! Und hier Georgen dank’ ich das Leben und hier Lersen dank’ ich’s. Ich warf den Hauptmann vom Gaul. Sie stachen mein Pferd nieder und drangen auf mich ein. Georg hieb sich zu mir und sprang ab, ich wie der Blitz auf seinen Gaul, wie der Donner saß er auch wieder. Wie kamst Du zum Pferd?
Georg.
Einem, der nach Euch hieb, stieß ich meinen Dolch in die Gedärme, wie sich sein Harnisch in die Höhe zog. Er stürzt’ und ich half Euch von einem Feind und mir zu einem Pferd.
Götz.
Nun staken wir, bis sich Franz zu uns herein schlug, und da mähten wir von innen heraus.
Lerse.
Die Hunde, die ich führte, sollten von außen hineinmähen, bis sich unsere Sensen begegnet hätten. Aber sie flohen wie Reichsknechte.
Götz.
Es floh Freund und Feind. Nur Du kleiner Hauf hieltest mir den Rücken frei. Ich hatte mit den Kerls vor mir gnug zu tun. Der Fall ihres Hauptmanns half mir sie schütteln, und sie flohen. Ich habe ihre Fahne und wenig Gefangene.
Selbitz.
Der Hauptmann ist Euch entwischt?
Götz.
Sie hatten ihn inzwischen gerettet. Kommt, Kinder, kommt! – Selbitz! – Macht eine Bahre aus Ästen; – Du kannst nicht aufs Pferd. Kommt in mein Schloss. Sie sind zerstreut. Aber unser sind wenig, und ich weiß nicht, ob sie Truppen nachzuschicken haben. Ich will Euch bewirten, meine Freunde. Ein Glas Wein schmeckt auf so einen Strauß.
(Lager.)
Hauptmann.
Hauptmann.
Ich möcht’ Euch alle mit eigner Hand umbringen! Was, fortlaufen! Er hatte keine Handvoll Leute mehr! Fortzulaufen, vor einem Mann! Es wird’s niemand glauben, als wer über uns zu lachen Lust hat. – Reit herum, ihr, und ihr, und ihr. Wo ihr von unsern zerstreuten Knechten findt, bringt sie zurück oder stecht sie nieder. Wir müssen diese Scharten auswetzen, und wenn die Klingen drüber zugrunde gehen sollten.
(Jagsthausen.)
Götz. Lerse. Georg.
Götz.
Wir dürfen keinen Augenblick säumen! Arme Jungen, ich darf Euch keine Rast gönnen. Jagt geschwind herum und sucht noch Reiter aufzutreiben. Bestellt sie alle nach Weilern, da sind sie am sichersten. Wenn wir zögern, so ziehen sie mir vors Schloss. (Die zwei ab.) Ich muss einen auf Kundschaft ausjagen. Es fängt an heiß zu werden, und wenn es nur noch brave Kerls wären! Aber so ist’s die Menge. (Ab.)
Sickingen. Maria.
Maria.
Ich bitte Euch, lieber Sickingen, geht nicht von meinem Bruder! Seine Reiter, Selbitzens, Eure, sind zerstreut. Er ist allein, Selbitz ist verwundet auf sein Schloss gebracht, und ich fürchte alles.
Sickingen.
Seid ruhig, ich gehe nicht weg.
Götz kommt.
Götz.
Kommt in die Kirch’, der Pater wartet. Ihr sollt mir in einer Viertelstund’ ein Paar sein.
Sickingen.
Lasst mich hier.
Götz.
In die Kirch’ sollt Ihr jetzt.
Sickingen.
Gern – und darnach?
Götz.
Darnach sollt Ihr Eurer Wege gehen.
Sickingen.
Götz!
Götz.
Wollt Ihr nicht in die Kirche?
Sickingen.
Kommt, kommt.
(Lager.)
Hauptmann. Ritter.
Hauptmann.
Wie viel sind’s in allem?
Ritter.
Hundertundfünfzig.
Hauptmann.
Von Vierhunderten! Das ist arg. Jetzt gleich auf und grad gegen Jagsthausen zu, eh er sich wieder erholt und sich uns wieder in Weg stellt.
(Jagsthausen.)
Götz. Elisabeth. Maria. Sickingen.
Götz.
Gott segne Euch, geb’ Euch glückliche Tage und behalte die, die er Euch abzieht, für Eure Kinder.
Elisabeth.
Und die lass’ er sein, wie ihr seid: Rechtschaffen! Und dann lasst sie werden, was sie wollen.
Sickingen.
Ich dank’ Euch. Und dank’ Euch, Maria. Ich führte Euch an den Altar, und Ihr sollt mich zur Glückseligkeit führen.
Maria.
Wir wollen zusammen eine Pilgrimschaft nach diesem fremden gelobten Land antreten.
Götz.
Glück auf die Reise!
Maria.
So ist’s nicht gemeint, wir verlassen Euch nicht.
Götz.
Ihr sollt, Schwester.
Maria.
Du bist sehr unbarmherzig, Bruder.
Götz.
Und Ihr zärtlicher als vorsehend.
Georg kommt.
Georg (heimlich).
Ich kann niemand auftreiben. Ein einziger war geneigt; darnach veränderte er sich und wollte nicht.
Götz.
Gut, Georg. Das Glück fängt an launisch mit mir zu werden. Ich ahnt’ es. Sickingen, ich bitt’ Euch, geht noch diesen Abend. Beredet Marie. Sie ist Eure Frau. Lasst sie’s fühlen. Wenn Weiber quer in unsere Unternehmungen treten, ist unser Feind im freien Feld sichrer als sonst in der Burg.
Knecht kommt.
Knecht (leise).
Herr, das Reichsfähnlein ist auf dem Marsch, grad hieher, sehr schnell.
Götz.
Ich hab’ sie mit Rutenstreichen geweckt! Wie viel sind ihrer?
Knecht.
Ungefähr zweihundert. Sie können nicht zwei Stunden mehr von hier sein.
Götz.
Noch überm Fluss?
Knecht.
Ja, Herr.
Götz.
Wenn ich nur fünfzig Mann hätte, sie sollten mir nicht herüber. Hast Du Lersen nicht gesehen?
Knecht.
Nein, Herr.
Götz.
Biet’ allen, sie sollen sich bereit halten. – Es muss geschieden sein, meine Lieben. Weine, meine gute Marie, es werden Augenblicke kommen, wo Du Dich freuen wirst. Es ist besser, Du weinst an Deinem Hochzeitstag, als dass übergroße Freude der Vorbote künftigen Elends wäre. Lebt wohl, Marie. Lebt wohl, Bruder.
Maria.
Ich kann nicht von Euch, Schwester. Lieber Bruder, lass uns. Achtest Du meinen Mann so wenig, dass Du in dieser Extremität seine Hilfe verschmähst?
Götz.
Ja, es ist weit mit mir gekommen. Vielleicht bin ich meinem Sturz nahe. Ihr beginnt heut zu leben und ihr sollt Euch von meinem Schicksal trennen. Ich hab’ Eure Pferde zu satteln befohlen. Ihr müsst gleich fort.
Maria.
Bruder! Bruder!
Elisabeth (zu Sickingen).
Gebt ihm nach! Geht!
Sickingen.
Liebe Marie, lasst uns gehen.
Maria.
Du auch? Mein Herz wird brechen.
Götz.
So bleib denn. In wenigen Stunden wird meine Burg umringt sein.
Maria.
Weh! Weh!
Götz.
Wir werden uns verteidigen, so gut wir können.
Maria.
Mutter Gottes, hab’ Erbarmen mit uns!
Götz.
Und am Ende werden wir sterben oder uns ergeben. – Du wirst Deinen edeln Mann mit mir in ein Schicksal geweint haben.
Maria.
Du marterst mich.
Götz.
Bleib! Bleib! Wir werden zusammen gefangen werden. Sickingen, Du wirst mit mir in die Grube fallen! Ich hoffte, Du solltest mir heraushelfen.
Maria.
Wir wollen fort. Schwester, Schwester!
Götz.
Bringt sie in Sicherheit und dann erinnert Euch meiner.
Sickingen.
Ich will ihr Bett nicht besteigen, bis ich Euch außer Gefahr weiß.
Götz.
Schwester – liebe Schwester! (Er küsst sie.)
Sickingen.
Fort, fort!
Götz.
Noch einen Augenblick – Ich seh’ Euch wieder. Tröstet Euch. Wir sehn uns wieder.
Sickingen, Maria ab.
Götz.
Ich trieb sie, und da sie geht, möchte’ ich sie halten. Elisabeth, Du bleibst bei mir!
Elisabeth.
Bis in den Tod. (Ab.)
Götz.
Wen Gott lieb hat, dem geb’ er so eine Frau!
Georg kommt.
Georg.
Sie sind in der Nähe, ich habe sie vom Turm gesehen. Die Sonne ging auf und ich sah ihre Piken blinken. Wie ich sie sah, wollt mir’s nicht bänger werden, als einer Katze vor einer Armee Mäuse. Zwar wir spielen die Ratten.
Götz.
Seht nach den Torriegeln. Verrammelt’s inwendig für ’n Narren halten, und ihre Tapferkeit sollen sie mir an ihren eigenen Nägeln verkäuen. (Trompeter von außen.) Aha! Ein rotröckiger Schurke, der uns die Frage vorlegen wird, ob wir Hundsfötter sein wollen. (Er geht ans Fenster.) Was soll’s? (Man hört in der Ferne reden.)
Götz (in seinen Bart).
Einen Strick um Deinen Hals.
Trompeter redet fort.
Götz (antwortet).
Mich ergeben! Auf Gnad und Ungnad! Mit wem redet Ihr! Bin ich ein Räuber! Sag Deinem Hauptmann: Vor Ihro Kaiserliche Majestät hab’ ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag’s ihm, er kann mich – – (Schmeißt das Fenster zu.)
(Belagerung. Küche.)
Elisabeth. Götz zu ihr.
Götz.
Du hast viel Arbeit, arme Frau.
Elisabeth.
Ich wollt’, ich hätte sie lang’. Wir werden schwerlich aushalten können.
Götz.
Wir hatten nicht Zeit, uns zu versehen.
Elisabeth.
Und die vielen Leute, die ihr zeither gespeist habt. Mit dem Wein sind wir auch schon auf der Neige.
Götz.
Wenn wir nur auf einen gewissen Punkt halten, dass sie Kapitulation vorschlagen. Wir tun ihnen brav Abbruch. Sie schießen den ganzen Tag und verwunden unsere Mauern und knicken unsere Scheiben. Lerse ist ein braver Kerl. Er schleicht mit seiner Büchse herum. Wo sich einer zu nahe wagt, blaff liegt er.
Knecht.
Kohlen, gnädige Frau.
Götz.
Was gibt’s.
Knecht.
Die Kugeln sind alle, wir wollen neue gießen.
Götz.
Wie steht ’s Pulver?
Knecht.
So ziemlich. Wir sparen unsere Schüsse wohl aus.
(Saal.)
Lerse mit einer Kugelform. Knecht mit Kohlen.
Lerse.
Stell’ sie daher, und seht, wo ihr im Haus Blei kriegt. Inzwischen will ich hier zugreifen. (Hebt ein Fenster aus und schlägt die Scheiben ein.) Alle Vorteile gelten. – So geht’s in der Welt, weiß kein Mensch, was aus den Dingen werden kann. Der Glaser, der die Scheiben fasste, dachte gewiss nicht, dass das Blei einem seiner Urenkel garstiges Kopfweh machen könnte! Und da mich mein Vater zeugte, dachte er nicht, welcher Vogel unter dem Himmel, welcher Wurm auf der Erde mich fressen möchte.
Georg kommt mit einer Dachrinne.
Georg.
Da hast Du Blei. Wenn Du nur mit der Hälfte triffst, so entgeht keiner, der Ihro Majestät ansagen kann: Herr, wir haben schlecht bestanden.
Lerse (haut davon).
Ein brav Stück.
Georg.
Der Regen mag sich einen andern Weg suchen! Ich bin nicht bang davor; ein braver Reiter und ein rechter Regen mangeln nie eines Pfads.
Lerse (Er gießt).
Halt den Löffel. (Er geht ans Fenster.) Da zeiht so ein Reichsknappe mit der Büchse herum. Sie denken, wir haben uns verschossen. Er soll die Kugel versuchen, warm wie sie aus der Pfanne kommt. (Er lädt.)
Georg (lehnt den Löffel an).
Lass mich sehn.
Lerse (schießt).
Da liegt der Spatz.
Georg.
Der schoss vorhin nach mir, (sie gießen) wie ich zum Dachfenster hinausstieg und die Rinne holen wollte. Er traf eine Taube, die nicht weit von mir saß, sie stürzt’ in die Rinne. Ich dankt’ ihm für den Braten und stieg mit der doppelten Beute wieder herein.
Lerse.
Nun wollen wir wohl laden und im ganzen Schloss herumgehen, unser Mittagessen verdienen.
Götz kommt.
Götz.
Bleib, Lerse! Ich habe mit Dir zu reden! Dich, Georg, will ich nicht von der Jagd abhalten. (Georg ab.)
Götz.
Sie entbieten mir einen Vertrag.
Lerse.
Ich will zu ihnen hinaus und hören, was es soll.
Götz.
Es wird sein: Ich soll mich auf Bedingungen in ritterlich Gefängnis stellen.
Lerse.
Das ist nichts. Wie wär’s, wenn sie uns freien Abzug eingestünden, da Ihr doch von Sickingen keinen Entsatz erwartet? Wir vergrüben Geld und Silber, wo sie’s mit keiner Wünschelrute finden sollten, überließen ihnen das Schloss und kämen mit Manier davon.
Götz.
Sie lassen uns nicht.
Lerse.
Es kommt auf eine Prob’ an. Wir wollen um sicher Geleit rufen und ich will hinaus. (Ab.)
(Saal.)
Götz, Elisabeth, Georg, Knechte bei Tisch.
Götz.
So bringt uns die Gefahr zusammen. Lasst’s Euch schmecken, meine Freunde! Vergesst das Trinken nicht. Die Flasche ist leer. Noch eine, liebe Frau. (Elisabeth zuckt die Achsel.) Ist keine mehr da?
Elisabeth (leise).
Noch eine. Ich hab’ sie für Dich beiseite gesetzt.
Götz.
Nicht doch, Liebe! Gib sie heraus. Sie brauchen Stärkung, nicht ich. Es ist ja meine Sache.
Elisabeth.
Holt sie draußen im Schrank!
Götz.
Es ist die letzte. Und mir ist’s, als ob wir nicht zu sparen Ursach hätten. Ich bin lange nicht so vergnügt gewesen. (Er schenkt ein.) Es lebe der Kaiser!
Alle.
Er lebe.
Götz.
Das soll unser vorletztes Wort sein, wenn wir sterben! Ich lieb’ ihn, denn wir haben einerlei Schicksal. Und ich bin noch glücklicher als er. Er muss den Reichsständen die Mäuse fangen, inzwischen die Ratten seine Besitztümer annagen. Ich weiß, er wünscht sich manchmal lieber tot, als länger die Seele eines so krüppligen Körpers zu sein. (Er schenkt ein.) Es geht just noch einmal herum. Und wenn unser Blut anfängt auf die Neige zu gehen, wie der Wein in dieser Flasche erst schwach, dann tropfenweise rinnt, (er tröpfelt das letzte in sein Glas) was soll unser letztes Wort sein?
Georg.
Es lebe die Freiheit!
Götz.
Es lebe die Freiheit!
Alle.
Es lebe die Freiheit!
Götz.
Und wenn die uns überlebt, können wir ruhig sterben. Denn wir sehen im Geist unsere Enkel glücklich und die Kaiser unsrer Enkel glücklich. Wenn die Diener der Fürsten so edel und frei dienen wie ihr mir, wenn die Fürsten dem Kaiser dienen, wie ich ihm dienen möchte –
Georg.
Da müsst’s viel anders werden.
Götz.
So viel nicht, als es scheinen möchte. Hab’ ich nicht unter den Fürsten treffliche Menschen gekannt, und sollte das Geschlecht ausgestorben sein? Gute Menschen, die in sich und ihren Untertanen glücklich waren. Die einen edeln, freien Nachbarn sich leiden konnten und ihn weder fürchteten noch beneideten; denen das Herz aufging, wenn sie viel ihresgleichen bei sich zu Tisch sahen und nicht erst die Ritter zu Hofschranzen umzuschaffen brauchten, um mit ihnen zu leben.
Georg.
Habt Ihr solche Herrn gekannt?
Götz.
Wohl. Ich erinnere mich zeitlebens, wie der Landgraf von Hanau eine Jagd gab, und die Fürsten und Herrn, die zugegen waren, unter freiem Himmel speisten, und das Landvolk all herbeilief, sie zu sehen. Das war keine Maskerade, die er sich selbst zu Ehren angestellt hatte. Aber die vollen, runden Köpfe der Burschen und Mädel, die roten Backen alle, und die wohlhäbigen Männer und stattlichen greise, und alles fröhliche Gesichter, und wie sie teil nahmen an der Herrlichkeit ihres Herrn, der auf Gottes Boden unter ihnen sich ergötzte!
Georg.
Das war ein Herr, vollkommen wir Ihr.
Götz.
Sollten wir nicht hoffen, dass mehr solcher Fürsten auf einmal herrschen können? Dass Verehrung des Kaisers, Fried’ und Freundschaft der Nachbarn, und Lieb der Untertanen der kostbarste Familienschatz sein wird, der auf Enkel und Urenkel erbt? Jeder würde das Seinige erhalten und in sich selbst vermehren, statt dass sie jetzo nicht zuzunehmen glauben, wenn sie nicht andere verderben.
Georg.
Würden wir hernach auch reiten?
Götz.
Wollte Gott, es gäbe keine unruhige Köpfe in ganz Deutschland! Wir würden noch immer zu tun genug finden. Wir wollten die Gebirge von Wölfen säubern, wollten unserm ruhig ackernden Nachbar einen braten aus dem Wald holen und dafür die Suppe mit ihm essen. Wär’ uns das nicht genug, wir wollten uns mit unsern Brüdern, wie Cherubim mit flammenden Schwertern, vor die Grenzen des Reichs gegen die Wölfe die Türken, gegen die Füchse die Franzosen lagern, und zugleich unsers teuren Kaisers sehr ausgesetzte Länder und die Ruhe des Reichs beschützen. Das wäre ein Leben! Georg! Wenn man seine Haut für die allgemeine Glückseligkeit dran setzte. (Georg springt auf.) Wo willst Du hin?
Georg.
Ach ich vergaß, dass wir eingesperrt sind – und der Kaiser hat uns eingesperrt – und unsere Haut davon zu bringen, setzen wir unsere Haut dran?
Götz.
Sei guten Muts.
Lerse kommt.
Lerse.
Freiheit! Freiheit! Das sind schlechte Menschen, unschlüssige, bedächtige Esel. Ihr sollt abziehen, mit Gewehr, Pferden und Rüstung. Proviant sollt Ihr dahinten lassen.
Götz.
Sie werden sich kein Zahnweh dran kauen.
Lerse (heimlich).
Habt Ihr das Silber versteckt?
Götz.
Nein! Frau, geh mit Franzen, er hat Dir was zu sagen.
(Schlosshof.)
Georg im Stall, singt.
Es fing ein Knab ein Vögelein,
Hm! Hm!
Da lacht er in den Käfig ’nein,
Hm! Hm!
So! So!
Hm! Hm!
Der freut sich traun so läppisch,
Hm! Hm!
Und griff hinein so täppisch,
Hm! Hm!
So! So!
Hm! Hm!
Da flog das Meislein auf ein Haus,
Hm! Hm!
Und lacht den dummen Buben aus,
Hm! Hm!
So! So!
Hm! Hm!
Götz.
Wie steht’s?
Georg (führt sein Pferd heraus).
Sie sind gesattelt.
Götz.
Du bist fix.
Georg.
Wie der Vogel aus dem Käfig.
Alle die Belagerten.
Götz.
Ihr habt Eure Büchsen? Nicht doch! Geht hinauf und nehmt die besten aus dem Rüstschrank, es geht in einem hin. Wir wollen vorausreiten.
Georg.
Hm! Hm!
So! So!
Hm! Hm! (Ab.)
(Saal.)
Zwei Knechte am Rüstschrank.
Erster Knecht.
Ich nehm’ die.
Zweiter Knecht.
Ich die. Da ist noch eine schönere.
Erster Knecht.
Nicht doch! Mach, dass Du fort kommst.
Zweiter Knecht.
Horch!
Erster Knecht (springt aus Fenster).
Hilf heiliger Gott! Sie ermorden unsern Herrn. Er fliegt vom Pferd! Georg stürzt!
Zweiter Knecht.
Wo retten wir uns! An der Mauer den Nussbaum hinunter ins Feld. (Ab.)
Erster Knecht.
Franz hält sich noch, ich will zu ihm. Wenn sie sterben, mag ich nicht leben. (Ab.)
Akt IV.
(Wirtshaus zu Heilbronn.)
Götz
Götz.
Ich komme mir vor wie der böse Geist, den der Kapuziner in einen Sack beschwur. Ich arbeite mich ab und furchte mir nichts. Die Meineidigen!
Elisabeth kommt.
Götz.
Was für Nachrichten, Elisabeth, von meinen lieben Getreuen?
Elisabeth.
Nichts Gewisses. Einige sind erstochen, einige liegen im Turm. Es konnte oder wollte niemand mir sie näher bezeichnen.
Götz.
Ist das Belohnung der Treue? Des kindlichen Gehorsams? – auf dass Dir’s wohl gehe, und Du lange lebest auf Erden!
Elisabeth.
Lieber Mann, schilt unsern himmlischen Vater nicht. Sie haben ihren Lohn, er ward mit ihnen geboren, ein freies, edles Herz. Lass sie gefangen sein, sie sind frei! Gib auf die deputierten Räte acht, die großen, goldnen Ketten stehen ihnen zu Gesicht –
Götz.
Wie dem Schwein das Halsband. Ich möchte Georgen und Franzen geschlossen sehn!
Elisabeth.
Es wäre ein Anblick, um Engel weinen zu machen.
Götz.
Ich wollt’ nicht weinen. Ich wollte die Zähne zusammenbeißen und an meinem Grimm kauen. In Ketten meine Augäpfel! Ihr lieben Jungen, hättet ihr mich nicht geliebt! – Ich würde mich nicht satt an ihnen sehen können. – Im Namen des Kaisers ihr Wort nicht zu halten!
Elisabeth.
Entschlagt Euch dieser Gedanken. Bedenkt, dass Ihr vor den Räten erscheinen sollt. Ihr sied nicht gestellt, ihnen wohl zu begegnen, und ich fürchte alles.
Götz.
Was wollen sie mir anhaben?
Elisabeth.
Der Gerichtsbote!
Götz.
Esel der Gerechtigkeit! Schleppt ihre Säcke zur Mühle und ihren Kehrig aufs Feld. Was gibt’s?
Gerichtsdiener kommt.
Gerichtsdiener.
Die Herrn Kommissarii sind auf dem Rathaus versammelt und schicken nach Euch.
Götz.
Ich komme.
Gerichtsdiener.
Ich werde Euch begleiten.
Götz.
Viel Ehre.
Elisabeth.
Mäßigt Euch.
Götz.
Sei außer Sorgen. (Ab.)
(Rathaus.)
Kaiserliche Räte. Hauptmann. Ratsherrn von Heilbronn.
Ratsherr.
Wir haben auf Euern Befehl die stärksten und tapfersten Bürger versammelt, sie warten hier in der Nähe auf Euern Wink, um sich Berlichingens zu bemeistern.
Erster Rat.
Wir werden Ihro Kaiserlichen Majestät Eure Bereitwilligkeit, Ihrem höchsten Befehl zu gehorchen, mit vielem Vergnügen zu rühmen wissen. – Es sind Handwerker?
Ratsherr.
Schmiede, Weinschröter, Zimmerleute, Männer mit geübten Fäusten und hier wohl beschlagen. (Auf die Brust deutend.)
Rat.
Wohl
Gerichtsdiener kommt.
Gerichtsdiener.
Götz von Berlichingen wartet vor der Tür.
Rat.
Lasst ihn herein.
Götz kommt.
Götz.
Gott grüß’ Euch, Ihr Herrn, was wollt Ihr mit mir?
Rat.
Zuerst, dass Ihr bedenkt: Wo Ihr seid, und vor wem.
Götz.
Bei meinem Eid, ich verkenn’ Euch nicht, meine Herrn.
Rat.
Ihr tut Eure Schuldigkeit.
Götz.
Von ganzem Herzen.
Rat.
Setzt Euch.
Götz.
Da unten hin? Ich kann stehn. Das Stühlchen riecht so nach armen Sündern, wie überhaupt die ganze Stube.
Rat.
So steht!
Götz.
Zur Sache, wenn’s gefällig ist.
Rat.
Wir werden in der Ordnung verfahren.
Götz.
Bin’s wohl zufrieden, wollt’, es wär’ von jeher geschehen.
Rat.
Ihr wisst, wie Ihr auf Gnad und Ungnad in unsere Hände kamt.
Götz.
Was gebt ihr mir, wenn ich’s vergesse?
Rat.
Wenn ich Euch Bescheidenheit geben könnte, würd’ ich Eure Sache gut machen.
Götz.
Gut machen! Wenn Ihr das könntet! Dazu gehört freilich mehr als zum Verderben.
Schreiber.
Soll ich das alles protokollieren?
Rat.
Was zur Handlung gehört.
Götz.
Meintwegen dürft ihr’s drucken lassen.
Rat.
Ihr wart in der Gewalt des Kaisers, dessen väterliche Gnade an den Platz der majestätischen Gerechtigkeit trat, Euch anstatt eines Kerkers Heilbronn, eine seiner geliebten Städte, zum Aufenthalt anwies. Ihr verspracht mit einem Eid, Euch, wie es einem Ritter geziemt, zu stellen, und das Weitere demütig zu erwarten.
Götz.
Wohl, und ich bin hier und warte.
Rat.
Und wir sind hier, Euch Ihro Kaiserlichen Majestät Gnade und Huld zu verkündigen. Sie verzeiht Euch Eure Übertretungen, spricht Euch von der Acht und aller wohlverdienten Strafe los, welches Ihr mit untertänigem Dank erkennen, und dagegen die Urfehde abschwören werdet, welche Euch hiermit vorgelesen werden soll.
Götz.
Ich bin Ihro Majestät treuer Knecht wie immer. Noch ein Wort, eh ihr weiter geht: Meine Leute, wo sind die? Was soll mit ihnen werden?
Rat.
Das geht Euch nichts an.
Götz.
So wende der Kaiser sein Angesicht von Euch, wenn Ihr in Not steckt! Sie waren meine Gesellen und sind’s. Wo habt Ihr sie hingebracht?
Rat.
Wir sind Euch davon keine Rechnung schuldig.
Götz.
Ah! Ich dachte nicht, dass Ihr nicht einmal zu dem verbunden seid, was Ihr versprecht, geschweige –
Rat.
Unsere Kommission ist, Euch die Urfehde vorzulegen. Unterwerft Euch dem Kaiser und Ihr werdet einen Weg finden, um Euer Gesellen Leben und Freiheit zu flehen.
Götz.
Euern Zettel.
Rat.
Schreiber, lest!
Schreiber.
Ich Götz von Berlichingen bekenne öffentlich durch diesen Brief: Dass, da ich mich neulich gegen Kaiser und Reich rebellischerweise aufgelehnt –
Götz.
Das ist nicht wahr. Ich bin kein Rebell, habe gegen Ihro Kaiserliche Majestät nichts verbrochen, und das Reich geht mich nichts an.
Rat.
Mäßigt Euch und hört weiter.
Götz.
Ich will nichts weiter hören. Tret’ einer auf und zeuge! Hab’ ich wider den Kaiser, wider das Haus Österreich nur einen Schritt getan? Hab’ ich nicht von jeher durch alle Handlungen gewiesen, dass ich besser als einer fühle, was Deutschland seinem Regenten schuldig ist? Und besonders was die Kleinen, die Ritter und Freien ihrem Kaiser schuldig sind? Ich müsste ein Schurke sein, wenn ich mich könnte bereden lassen, das zu unterschreiben.
Rat.
Und doch haben wir gemessene Ordre, Euch in der Güte zu überreden oder im Entstehungsfall Euch in den Turm zu werfen.
Götz.
In Turm! Mich!
Rat.
Und daselbst könnt Ihr Euer Schicksal von der Gerechtigkeit erwarten, wenn Ihr es nicht aus den Händen der Gnade empfangen wollt.
Götz.
In Turm! Ihr missbraucht die Kaiserliche Gewalt. In Turm! Das ist sein Befehl nicht. Was! Mir erst, die Verräter! Eine Falle zu stellen und ihren Eid, ihr ritterlich Wort zum Speck drin aufzuhängen! Mir dann ritterlich Gefängnis zusagen und die Zusage wieder brechen.
Rat.
Einem Räuber sind wir keine Treue schuldig.
Götz.
Trügst Du nicht das Ebenbild des Kaisers, das ich in dem gesudelsten Konterfei verehre, Du solltest mir den Räuber fressen oder dran erwürgen! Ich bin in einer ehrlichen Fehd’ begriffen. Du könntest Gott danken und Dich vor der Welt groß machen, wenn Du in Deinem Leben eine so edle Tat getan hättest, wie die ist, um welcher willen ich gefangen sitze.
Rat winkt dem Ratsherrn, der zieht die Schelle.
Götz.
Nicht um des leidigen Gewinsts willen, nicht um Land und Leute unbewehrten Kleinen wegzukapern, bin ich ausgezogen. Meinen Jungen zu befreien und mich meiner Haut zu wehren! Seht ihr was Unrechts dran? Kaiser und Reich hätten unsere Not nicht in ihrem Kopfkissen gefühlt. Ich habe Gott sei Dank noch eine Hand, und habe wohlgetan sie zu brauchen.
Bürger treten herein, Stangen in der Hand, Wehren an der Seite.
Götz.
Was soll das?
Rat.
Ihr wollt nicht hören. Fangt ihn!
Götz.
Ist das die Meinung? Wer kein ungrischer Ochs ist, komm’ mir nicht zu nah! Er soll von dieser meiner rechten eisernen Hand eine solche Ohrfeige kriegen, die ihm Kopfweh, Zahnweh und alles Weh der Erden aus dem Grund kurieren soll. (Sie machen sich an ihn, er schlägt den einen zu Boden und reißt einem andern die Wehre von der Seite, sie weichen.) Kommt! Kommt! Es wäre mir angenehm, den Tapfersten unter Euch kennen zu lernen.
Rat.
Gebt Euch.
Götz.
Mit dem Schwert in der Hand! Wisst ihr, dass es jetzt nur an mir läge, mich durch alle diese Hasenjäger durchzuschlagen und das weite Feld zu gewinnen? Aber ich will Euch lehren, wie man Wort hält. Versprecht mir ritterlich Gefängnis, und ich gebe mein Schwert weg und bin wie vorher Euer Gefangener.
Rat.
Mit dem Schwert in der Hand wollt Ihr mit dem Kaiser rechten?
Götz.
Behüte Gott! Nur mit Euch und Eurer edlen Kompanie. – Ihr könnt nach Hause gehen, gute Leute. Für die Versäumnis kriegt ihr nichts, und zu holen ist hier nichts als Beulen.
Rat.
Greift ihn. Gibt Euch Eure Liebe zu euerm Kaiser nicht mehr Mut?
Götz.
Nicht mehr, als ihnen der Kaiser Pflaster gibt, die Wunden zu heilen, die sich ihr Mut holen könnte.
Gerichtsdiener kommt.
Gerichtsdiener.
Eben ruft der Türmer: Es zeiht ein Trupp von mehr als Zweihunderten nach der Stadt zu. Unversehens sind sie hinter der Weinhöhe hervorgedrungen und drohen usnern Mauern.
Ratsherr.
Weh uns! Was ist das?
Wache kommt.
Wache.
Franz von Sickingen hält vor dem Schlag und lässt Euch sagen: Er habe gehört, wie unwürdig man an seinem Schwager bundbrüchig geworden sei, wie die Herrn von Heilbronn allen Vorschub täten. Er verlange Rechenschaft, sonst wolle er binnen einer Stunde die Stadt an vier Ecken anzünden und sie der Plünderung preisgeben.
Götz.
Braver Schwager!
Rat.
Tretet ab, Götz! – Was ist zu tun?
Ratsherr.
Habt Mitleiden mit uns und unserer Bürgerschaft! Sickingen ist unbändig in seinem Zorn, er ist Mann, es zu halten.
Rat.
Sollen wir uns und dem Kaiser die Gerechtsame vergeben?
Hauptmann.
Wenn wir nur Leute hätten, sie zu halten. So aber könnten wir umkommen, und die Sache wäre nur desto schlimmer. Wir gewinnen im Nachgeben.
Ratsherr.
Wir wollen Götzen ansprechen, für uns ein gut Wort einzulegen. Mir ist’s, als wenn ich die Stadt schon in Flammen sähe.
Rat.
Lässt Götzen herein.
Götz.
Was soll’s?
Rat.
Du würdest wohl tun, Deinen Schwager von seinem rebellischen Vorhaben abzumahnen. Anstatt Dich vom Verderben zu retten, stürzt er Dich tiefer hinein, indem er sich zu Deinem Fall gesellt.
Götz (sieht Elisabeth an der Tür, heimlich zu ihr).
Geh hin! Sag ihm: Er soll unverzüglich hereinbrechen, soll hierher kommen, nur der Stadt kein Leids tun. Wenn sich die Schurken hier widersetzen, soll er Gewalt brauchen. Es liegt mir nichts dran umzukommen, wenn sie nur alle mit erstochen werden.
(Ein großer Saal auf dem Rathaus.)
Sickingen. Götz.
Das ganze Rathaus ist mit Sickingens Reitern besetzt.
Götz.
Das war Hilfe vom Himmel! Wie kommst Du so erwünscht und unvermutet, Schwager?
Sickingen.
Ohne Zauberei. Ich hatte zwei, drei Boten ausgeschickt zu hören, wie Dir’s ginge? Auf die Nachricht von ihrem Meineid macht’ ich mich auf den Weg. Nun haben wir sie.
Götz.
Ich verlange nichts als ritterliche Haft.
Sickingen.
Du bist zu ehrlich. Dich nicht einmal des Vorteils zu bedienen, den der Rechtschaffene über den Meineidigen hat! Sie sitzen im Unrecht, wir wollen ihnen keine Kissen unterlegen. Sie haben die Befehle des Kaisers schändlich missbraucht. Und wie ich Ihro Majestät kenne, darfst Du sicher auf mehr dringen. Es ist zu wenig.
Götz.
Ich bin von jeher mit wenigem zufrieden gewesen.
Sickingen.
Und bist von jeher zu kurz gekommen. Meine Meinung ist: Sie sollen Deine Knechte aus dem Gefängnis und Dich zusamt ihnen auf Deinen Eid nach Deiner Burg ziehen lassen. Du magst versprechen, nicht aus Deiner Terminei zu gehen, und wirst immer besser sein als hier.
Götz.
Sie werden sagen: Meine Güter seien dem Kaiser heimgefallen.
Sickingen.
So sagen wir: Du wolltest zur Miete drin wohnen, bis sie Dir der Kaiser wieder zu Lehn gäbe. Lass sie sich wenden wie Aale in der Reuse, sie sollen uns nicht entschlüpfen. Sie werden von Kaiserlicher Majestät reden, von ihrem Auftrag. Das kann uns einerlei sein. Ich kenne den Kaiser auch und gelte was bei ihm. Er hat immer gewünscht, Dich unter seinem Heer zu haben. Du wirst nicht lang’ auf Deinem Schloss sitzen, so wirst Du aufgerufen werden.
Götz.
Wollte Gott bald, eh ich ’s Fechten verlerne.
Sickingen.
Der Mut verlernt sich nicht, wie er sich nicht lernt. Sorge für nichts! Wenn Deine Sachen in der Ordnung sind, geh’ ich nach Hof, denn meine Unternehmung fängt an reif zu werden. Günstige Aspekten deuten mir: Brich auf! Es ist mir nichts übrig, als die Gesinnung des Kaisers zu sondieren. Trier und Pfalz vermuten eher des Himmels Einfall, als dass ich ihnen übern Kopf kommen werde. Und ich will kommen wie ein Hagelwetter! Und wenn wir unser Schicksal machen könne, so sollst Du blad der Schwager eines Kurfürsten sein. Ich hoffe auf Deine Faust bei dieser Unternehmung.
Götz (besieht seine Hand).
O! Das deutete der Traum, den ich hatte, als ich Tags drauf Marien an Weislingen versprach. Er sagte mir Treu zu und heilt meine rechte Hand so fest, dass sie aus den Armschienen ging, wie abgebrochen. Ach! Ich bin in diesem Augenblick wehrloser, al sich war, da sie mir abgeschossen wurde. Weislingen! Weislingen.
Sickingen.
Vergiss einen Verräter. Wir wollen seine Anschläge vernichten, sein Ansehn untergraben, und Gewissen und Schande sollen ihn zu Tode fressen. Ich seh’, ich seh’ im Geist meine Feinde, Deine Feinde niedergestürzt. Götz, nur noch ein halb Jahr!
Götz.
Deine Seele fliegt hoch. Ich weiß nicht, seit einiger Zeit wollen sich in der meinigen keine fröhliche Aussichten eröffnen. – Ich war schon mehr im Unglück, schon einmal gefangen, und so wie mir’s jetzt ist, war mir’s niemals.
Sickingen.
Glück macht Mut. Kommt zu den Perücken! Sie haben lang’ genug den Vortrag gehabt, lass uns einmal die Müh übernehmen. (Ab.)
(Adelheids Schloss)
Adelheid. Weislingen.
Adelheid.
Das ist verhasst!
Weislingen.
Ich hab’ die Zähne zusammengebissen. Ein so schöner Anschlag, so glücklich vollführt, und am Ende ihn auf sein Schloss zu lassen! Der verdammte Sickingen!
Adelheid.
Sie hätten’s nicht tun sollen.
Weislingen.
Sie saßen fest. Was konnten sie machen? Sickingen drohte mit Feuer und Schwert, der hochmütige, jähzornige Mann! Ich hass’ ihn. Sein Ansehn nimmt zu wie ein Strom, der nur einmal ein paar Bäche gefressen hat, die übrigen folgen von selbst.
Adelheid.
Hatten sie keinen Kaiser?
Weislingen.
Liebe Frau! Er ist nur der Schatten davon, er wird alt und missmutig. Wie er hörte, was geschehen war, und ich nebst den übrigen Regimentsräten eiferte, sagte er: Lasst ihnen Ruh! Ich kann dem alten Götz wohl das Plätzchen gönnen, und wenn er da still ist, was habt ihr über ihn zu klagen? Wir redeten vom Wohl des Staats. O! Sagt’ er: Hätt’ ich von jeher Räte gehabt, die meinen unruhigen Geist mehr auf das Glück einzelner Menschen gewiesen hätten!
Adelheid.
Er verliert den Geist eines Regenten.
Weislingen.
Wir zogen auf Sickingen los. – Er ist mein treuer Deiner, sagt’ er. Hat er’s nicht auf meinen Befehl getan, so tat er doch besser meinen Willen als meine Bevollmächtigten, und ich kann’s gut heißen, vor oder nach.
Adelheid.
Man möchte sich zerreißen.
Weislingen.
Ich habe deswegen noch nicht alle Hoffnung aufgegeben. Er ist auf sein ritterlich Wort auf sein Schloss gelassen, sich da still zu halten. Das ist ihm unmöglich. Wir wollen bald eine Ursach wider ihn haben.
Adelheid.
Und desto eher, da wir hoffen können, der Kaiser werde bald aus der Welt gehen und Karl, sein trefflicher Nachfolger, majestätischere Gesinnungen verspricht.
Weislingen.
Karl? Er ist noch weder gewählt noch gekrönt.
Adelheid.
Wer wünscht und hofft es nicht.
Weislingen.
Du hast einen großen Begriff von seinen Eigenschaften. Fast sollte man denken, du sähest sie mit andern Augen.
Adelheid.
Du beleidigst mich, Weislingen. Kennst Du mich für das?
Weislingen.
Ich sagte nichts Dich zu beleidigen. Aber schweigen kann ich nicht dazu. Karls ungewöhnliche Aufmerksamkeit für Dich beunruhigt mich.
Adelheid.
Und mein Betragen?
Weislingen.
Du bist ein Weib. Ihr hasst keinen, der Euch hofiert.
Adelheid.
Aber Ihr?
Weislingen.
Er frisst mir am Herzen, der fürchterliche Gedanke! Adelheid!
Adelheid.
Kann ich Deine Torheit kurieren.
Weislingen.
Wenn Du wolltest! Du könntest Dich vom Hof entfernen.
Adelheid.
Sage Mittel und Art. Bist Du nicht bei Hofe? Soll ich Dich lassen und meine Freunde, um auf meinem Schloss mich mit den Uhus zu unterhalten? Nein, Weislingen, daraus wird nichts. Beruhige Dich, Du weißt, wie ich Dich liebe.
Weislingen.
Der heilige Anker in diesem Sturm, solang der Strick nicht reißt. (Ab.)
Adelheid.
Fängst Du’s so an! Das fehlte noch. Die Unternehmungen meines Busens sind zu groß, als dass Du ihnen im Wege stehen solltest. Karl! Großer, trefflicher Mann, und Kaiser dereinst! Und sollte er der einzige sein unter den Männern, dem der Besitz meiner Gunst nicht schmeichelte? Weislingen, denke nicht mich zu hindern, sonst musst Du in den Boden, mein Weg geht über Dich hin.
Franz kommt mit einem Brief.
Franz.
Hier, gnädige Frau.
Adelheid.
Gab Dir Karl ihn selbst?
Franz.
Ja.
Adelheid.
Was hast Du? Du siehst so kummervoll.
Franz.
Es ist Euer Wille, dass ich mich totschmachten soll; in den Jahren der Hoffnung macht Ihr mich verzweifeln.
Adelheid.
Er dauert mich – und wie wenig kostet’s mich, ihn glücklich zu machen! Sei guten Muts, Junge. Ich fühle Deine Lieb’ und Treu’ und werde nie unerkenntlich sein.
Franz (beklemmt).
Wenn Ihr das fähig wärt, ich müsste vergehn. Mein Gott, ich habe keinen Blutstropfen in mir, d er nicht Euer wäre, keinen Sinn, als Euch zu lieben und zu tun, was Euch gefällt!
Adelheid.
Lieber Junge.
Franz.
Ihr schmeichelt mir. (In Tränen ausbrechend.) Wenn diese Ergebenheit nichts mehr verdient, als andere sich vorgezogen zu sehn, als Eure Gedanken alle nach dem Karl gerichtet zu sehn –
Adelheid.
Du weißt nicht, was Du willst, noch weniger, was Du redst.
Franz (vor Verdruss und Zorn mit dem Fuß stampfend).
Ich will auch nicht mehr. Will nicht mehr den Unterhändler abgeben.
Adelheid.
Franz! Du vergisst Dich.
Franz.
Mich aufzuopfern! Meinen lieben Herrn!
Adelheid.
Geh mir aus dem Gesicht.
Franz.
Gnädige Frau!
Adelheid.
Geh, entdecke Deinen leiben Herrn mein Geheimnis. Ich war die Närrin, Dich für was zu halten, das Du nicht bist.
Franz.
Liebe, gnädige Frau, Ihr wisst, dass ich Euch liebe.
Adelheid.
Und Du warst mein Freund, meinem Herzen so nahe. Geh, verrat mich!
Franz.
Eher wollt’ ich mir das Herz aus dem Leibe reißen! Verzeiht mir, gnädige Frau. Mein Herz ist zu voll, meine Sinnen halten’s nicht aus.
Adelheid.
Lieber, warmer Junge! (Sie fasst ihn bei den Händen, zeiht ihn zu sich, und ihre Küsse begegnen einander. Er fällt ihr weinend um den Hals.)
Adelheid.
Lass mich!
Franz (erstickend in Tränen an ihrem Hals).
Gott! Gott!
Adelheid.
Lass mich, die Mauern sind Verräter. Lass mich. (Sie macht sich los.) Wanke nicht von Deiner Lieb’ und Treu’, und der schönste Lohn soll Dir werden. (Ab.)
Franz.
Der schönste Lohn! Nur bis dahin lass mich leben! Ich wollte meinen Vater ermorden, der mir diesen Platz streitig machte.
Götz an einem Tisch. Elisabeth bei ihm mit der Arbeit. Es steht ein Licht auf dem Tisch und Schreibzeug.
Götz.
Der Müßiggang will mir gar nicht schmecken, und meine Beschränkung wird mir von Tag zu Tag enger. Ich wollt’, ich könnt’ schlafen oder mir nur einbilden, die Ruhe sei was Angenehmes.
Elisabeth.
So schreib doch Deine Geschichte aus, die Du angefangen hast. Gib Deinen Freunden ein Zeugnis in die Hand, Deine Feinde zu beschämen; verschaff’ einer edlen Nachkommenschaft die Freude, Dich nicht zu verkennen.
Götz.
Ach! Schreiben ist geschäftiger Müßiggang, es kommt mir sauer an. Indem ich schreibe, was ich getan habe, ärger’ ich mich über den Verlust der Zeit, in der ich etwas tun könnte.
Elisabeth (nimmt die Schrift).
Sei nicht wunderlich. Du bist eben an Deiner ersten Gefangenschaft in Heilbronn.
Götz.
Das war mir von jeher ein fataler Ort.
Elisabeth (liest).
„Da waren selbst einige von den Bündischen, die zu mir sagten: Ich habe törig getan, mich meinen ärgsten Feinden zu stellen, da ich doch vermuten konnte, sie würden nicht glimpflich mit mir umgehn; da antwortet’ ich:“ Nun was antwortetest Du? Schreibe weiter.
Götz.
Ich sagte: Setz’ ich so oft meine Haut an anderer Gut und Geld, sollt’ ich sie nicht an mein Wort setzen?
Elisabeth.
Diesen Ruf hast Du.
Götz.
Den sollen sie mir nicht nehmen! Sie haben mir alles genommen, Gut, Freiheit –
Elisabeth.
Es fällt in die Zeiten, wie ich die von Miltenberg und Singlingen in der Wirtstube fand, die mich nicht kannten. Da hatt’ ich eine Freude, als wenn ich einen Sohn geboren hätte. Sie rühmten Dich untereinander und sagten: Er ist das Muster eines Ritters, tapfer und edel in seiner Freiheit und gelassen und treu im Unglück.
Götz.
Sie sollen mir einen stellen, dem ich mein Wort gebrochen! Und Gott weiß, dass ich mehr geschwitzt hab’, meinem Nächsten zu dienen als mir, dass ich um den Namen eines tapfern und treuen Ritters gearbeitet habe, nicht um hohe Reichtümer und Rang zu gewinnen. Und Gott sei Dank, worum ich warb, ist mir worden.
Lerse. Georg mit Wildbret.
Götz.
Glück zu, brave Jäger!
Georg.
Das sind wir aus braven Reitern geworden. Aus Stiefeln machen sich leicht Pantoffeln.
Lerse.
Die Jagd ist doch immer was und eine Art von Krieg.
Georg.
Wenn man nur hierzulande nicht immer mit Reichsknechten zu tun hätte. Wisst Ihr, gnädiger Herr, wie Ihr uns prophezeitet: Wenn sich die Welt umkehrte, würden wir Jäger werden. Da sind wir’s ohne das.
Götz.
Es kommt auf eins hinaus, wir sind aus unserm Kreise gerückt.
Georg.
Es sind bedenkliche Zeiten. Schon seit acht Tagen lässt sich ein fürchterlicher Komet sehen, und ganz Deutschland ist in Angst, es bedeute den Tod des Kaisers, der sehr krank ist.
Götz.
Sehr krank! Unsere Bahn geht zu Ende.
Lerse.
Und hier in der Nähe gibt’s noch schrecklichere Veränderungen. Die Bauern haben einen entsetzlichen aufstand erregt.
Götz.
Wo?
Lerse.
Im Herzen von Schwaben. Sie sengen, brennen und morden. Ich fürchte, sie verheeren das ganze Land.
Georg.
Einen fürchterlichen Krieg gibt’s. Es sind schon an die hundert Ortschaften aufgestanden, und täglich mehr. Der Sturmwind neulich hat ganze Wälder ausgerissen, und kurz darauf hat man in der Gegend, wo der Aufstand begonnen, zwei feurige Schwerter kreuzweis in der Luft gesehn.
Götz.
Da leiden von meinen guten Herrn und Freunden gewiss unschuldig mit!
Georg.
Schade, dass wir nicht rieten dürfen!
Akt V.
(Bauernkrieg.)
Tumult in einem Dorf und Plünderung.
Weiber und Alte mit Kindern und Gepäck. Flucht.
Alter.
Fort! Fort! Dass wir den Mordhunden entgehen.
Weib.
Heiliger Gott, wie blutrot der Himmel ist, die untergehende Sonne blutrot!
Mutter.
Das bedeutet Feuer.
Weib.
Mein Mann! Mein Mann!
Alter.
Fort! Fort! In Wald! (Ziehen vorbei.)
Link (Anführer)
Link.
Was sich widersetzt, niedergestochen! Das Dorf ist unser. Dass von Früchten nichts umkommt, nichts zurückbleibt. Plündert rein aus und schnell. Wir zünden gleich an.
Metzler vom Hügel herunter gelaufen.
Metzler.
Wie geht’s Euch, Link?
Link.
Drunter und drüber, siehst Du, Du kommst zum Kehraus. Woher?
Metzler.
Von Weinsberg. Da war ein Fest.
Link.
Wie?
Metzler.
Wir haben sie zusammen gestochen, dass eine Lust war.
Link.
Wen alles?
Metzler.
Dietrich von Weiler tanzte vor. Der Fratz! Wir waren mit hellem, wütigem Hauf herum, und er oben aufm Kirchturm wollt’ gütlich mit uns handeln. Paff! Schoss ihn einer vorn Kopf. Wir hinauf wie Wetter, und zum Fenster herunter mit dem Kerl.
Link.
Ah!
Metzler (zu den Bauern).
Ihr Hund’, soll ich Euch Bein’ machen! Wie sie haudern und trenteln, die Esel.
Link.
Brennt an! Sie mögen drin braten! Fort! Fahrt zu, ihr Schlingel.
Metzler.
Darnach führten wir heraus den Helfenstein, den Eltershofen, an die dreizehn von Adel, zusammen auf achtzig. Herausgeführt auf die Ebne gegen Heilbronn. Das war ein Jubilieren und ein Tumultuieren von den Unsrigen, wie die lange Reih’ arme reiche Sünder daher zog, einander anstarrten, und Erd’ und Himmel! Umringt waren sie, ehe sie sich’s versahen, und alle mit Spießen niedergestochen.
Link.
Dass ich nicht dabei war!
Metzler.
Hab mein Tag so kein Gaudium gehabt.
Link.
Fahrt zu! Heraus!
Bauer.
Alles ist leer.
Link.
So brennt an allen Ecken.
Metzler.
Wird ein hübsch Feuerchen geben. Siehst Du, wie die Kerls übereinander purzelten und quiekten wie die Frösche! Es lief mir so warm übers Herz wie ein Glas Branntwein. Da war ein Rixinger, wenn der Kerl sonst auf die Jagd ritt, mit dem Federbusch und weiten Naslöchern, und uns vor sich hertrieb mit den Hunden und wie die Hunde. Ich hatt’ ihn die Zeit nicht gesehen, sein Fratzengesicht fiel mir recht auf. Hasch! Den Spieß ihm zwischen die Rippen, da lag er, streckt’ alle vier über seine Gesellen. Wie die Hasen beim Treibjagen zuckten die Kerls übereinander.
Link.
Raucht schon brav.
Metzler.
Dort hinten brennt’s. Lass uns mit der Beute gelassen zu dem großen Haufen ziehen.
Link.
Wo hält er?
Metzler.
Von Heilbronn hierher zu. Sie sind um einen Hauptmann verlegen, vor dem alles Volk Respekt hätt’. Denn wir sind doch nur ihresgleichen, das fühlen sie und werden schwierig.
Link.
Wen meinen sie?
Metzler.
Max Stumpf oder Götz von Berlichingen.
Link.
Das wär’ gut, gäb’ auch der Sache einen Schein, wenn’s der Götz tät’. Er hat immer für einen rechtschaffnen Ritter gegolten. Auf! Auf! Wir ziehen nach Heilbronn zu! Ruft’s herum.
Metzler.
Das Feuer leucht uns noch eine gute Strecke. Hast Du den großen Kometen gesehen?
Link.
Ja. Das ist ein grausam erschrecklich Zeichen! Wenn wir die Nacht durch ziehen, können wir ihn recht sehn. Er geht gegen eins auf.
Metzler.
Und bleibt nur fünf Viertelstunden. Wie ein gebogner Arm mit einem Schwert sieht er aus, so blutgelbrot.
Link.
Hast Du die drei Stern gesehen an des Schwerts Spitze und Seite?
Metzler.
Und der breite, wolkenfärbige Streif, mit tausend und tausend Striemen wie Spieß’, und dazwischen wie kleine Schwerter.
Link.
Mir hat’s gegraust. Wie das alles so bleichrot, und darunter viel feurige, helle Flammen, und dazwischen die grausamen Gesichter mit rauchen Häuptern und Bärten!
Metzler.
Hast Du die auch gesehen? Und das zwitzert alles so durcheinander, als läg’s in einem blutigen Meere, und arbeitet durcheinander, dass einem die Sinne vergehn!
Link.
Auf! Auf! (Ab.)
(Feld.)
Man sieht in der Ferne zwei Dörfer brennen und ein Kloster.
Kohl. Wild. Max Stumpf. Haufen.
Max Stumpf.
Ihr könnt nicht verlangen, dass ich euer Hauptmann sein soll. Für mich und Euch wär’s nichts nütze. Ich bin Pfalzgräfischer Diener. Wie sollt’ ich gegen meinen Herrn führen? Ihr würdet immer wähnen, ich tät nicht von Herzen.
Kohl.
Wussten wohl, Du würdest Entschuldigung finden.
Götz, Lerse, Georg kommen.
Götz.
Was wollt ihr mit mir?
Kohl.
Ihr sollt unser Hauptmann sein.
Götz.
Soll ich mein ritterlich Wort dem Kaiser brechen und aus meinem Bann gehen?
Wild.
Das ist keine Entschuldigung.
Götz.
Und wenn ich ganz frei wäre, und ihr wollt handeln wie bei Weinsberg an den edeln und Herrn und so forthausen, wie ringsherum das Land brennt und blutet, und ich sollt’ Euch behilflich sein zu Euerm schändlichen, rasenden Wesen – eher sollt Ihr mich totschlagen wie einen wütigen Hund, als dass ich euer Haupt würde!
Kohl.
Wäre das nicht geschehen, es geschähe vielleicht nimmermehr.
Stumpf.
Das war eben das Unglück, dass sie keinen Führer hatten, den sie geehrt, und der ihrer Wut Einhalt tun können. Nimm die Hauptmannschaft an, ich bitte Dich, Götz. Die Fürsten werden dir Dank wissen, ganz Deutschland. Es wird zum besten und Frommen aller sein. Menschen und Länder werden geschont werden.
Götz.
Warum übernimmst Du’s nicht?
Stumpf.
Ich hab’ mich von ihnen losgesagt.
Kohl.
Wir haben nicht Sattelhenkens Zeit, und langer, unnötiger Diskurse. Kurz und gut. Götz, sei unser Hauptmann, oder sieh zu Deinem Schloss und Deiner Haut. Und hiermit zwei Stunden Bedenkzeit. Bewacht ihn.
Götz.
Was braucht’s das! Ich bin so gut entschlossen – jetzt als darnach. Warum seid ihr ausgezogen? Eure Rechte und Freiheiten wiederzuerlangen? Was wütet ihr und verderbt das Land! Wollt ihr abstehen von allen Übeltaten und handeln als wackere Leute, die wissen, was sie wollen, so will ich Euch behilflich sein zu Euern Forderungen und auf acht Tag’ Euer Hauptmann sein.
Wild.
Was geschehen ist, ist in der ersten Hitz geschehen, und bracht’s Deiner nicht, uns künftig zu hindern.
Kohl.
Auf ein Vierteljahr wenigstens musst Du uns zusagen.
Stumpf.
Macht vier Wochen, damit könnt ihr beide zufrieden sein.
Götz.
Meintwegen.
Kohl.
Eure Hand!
Götz.
Und gelobt mir, den Vertrag, den ihr mit mir gemacht, schriftlich an alle Haufen zu senden, ihm bei Strafe streng nachzukommen.
Wild.
Nun ja! Soll geschehen.
Götz.
So verbind’ ich mich Euch auf vier Wochen.
Stumpf.
Glück zu! Was Du tust, schon’ unsern gnädigen Herrn den Pfalzgrafen.
Kohl (leise).
Bewacht ihn. Dass niemand mit ihm rede außer Eurer Gegenwart.
Götz.
Lerse! Kehr zu meiner Frau. Steh ihr bei. Sie soll bald Nachricht von mir haben.
Götz, Stumpf, Georg, Lerse, einige Bauern ab.
Metzler.
Was hören wir von einem Vertrag? Was soll der Vertrag?
Link.
Es ist schändlich, so einen Vertrag einzugehen.
Kohl.
Wir wissen so gut, was wir wollen, als ihr, und haben zu tun und zu lassen.
Wild.
Das Rasen und Brennen und Morden musste doch einmal aufhören, heut oder morgen; so haben wir noch einen braven Hauptmann dazu gewonnen.
Metzler.
Was aufhören! Du Verräter! Warum sind wir da? Uns an unsern Feinden zu rächen, uns empor zu helfen! – Das hat Euch ein Fürstenknecht geraten.
Kohl.
Komm, Wild, er ist wie ein Vieh. (Ab.)
Metzler.
Geht nur! Wird Euch kein Haufen zustehen. Die Schurken! Link, wir wollen die andern aufhetzen, Miltenberg dort drüben anzünden, und wenn’s Händel setzt wegen des Vertrags, schlagen wir den Verträgern zusammen die Köpf’ ab.
Link.
Wir haben doch den großen Haufen auf unsrer Seite.
(Berg und Tal. Eine Mühle in der Tiefe.)
Ein Trupp Reiter. Weislingen kommt aus der Mühle mit Franzen und einem Boten.
Weislingen.
Mein Pferd! – Ihr habt’s den andern Herrn auch angesagt?
Bote.
Wenigstens sieben Fähnlein werden mit Euch eintreffen, im Wald hinter Miltenberg. Die Bauern zeihen unten herum. Überall sind Boten ausgeschickt, der ganze Bund wird in kurzem beisammen sein. Fehlen kann’s nicht; man sagt, es sei Zwist unter ihnen.
Weislingen.
Desto besser! – Franz!
Franz.
Gnädiger Herr.
Weislingen.
Richt’ es pünktlich aus. Ich bind’ es Dir auf Deine Seele. Gib ihr den Brief. Sie soll vom Hof auf mein Schloss! Sogleich! Du sollst sie abreisen sehn, und mir’s dann melden.
Franz.
Soll geschehen, wie Ihr befehlt.
Weislingen.
Sag’ ihr, sie soll wollen. (Zum Boten.) Führt uns nun den nächsten und besten Weg.
Bote.
Wir müssen umziehen. Die Wasser sind von den entsetzlichen Regen alle ausgetreten.
(Jagsthausen.)
Elisabeth. Lerse.
Lerse.
Tröstet Euch, gnädige Frau!
Elisabeth.
Ach Lerse, die Tränen stunden ihm in den Augen, wie er Abschied von mir nahm. Es ist grausam, grausam!
Lerse.
Er wird zurückkehren.
Elisabeth.
Es ist nicht das. Wenn er auszog, rühmlichen Sieg zu erwerben, da war mir’s nicht weh ums Herz. Ich freute mich auf seine Rückkunft, vor der mir jetzt bang ist.
Lerse.
Ein so edler Mann –
Elisabeth.
Nenn’ ihn nicht so, das macht neu Elend. Die Bösewichter! Sie drohten, ihn zu ermorden und sein Schloss anzuzünden. – Wenn er wiederkommen wird – ich seh’ ihn finster, finster. Seine Feinde werden lügenhafte Klagartikel schmieden, und er wird nicht sagen können: Nein!
Lerse.
Er wird und kann.
Elisabeth.
Er hat seinen Bann gebrochen. Sag Nein!
Lerse.
Nein! Er wurde gezwungen. Wo ist der Grund ihn zu verdammen?
Elisabeth.
Die Bosheit sucht keine Gründe, nur Ursachen. Er hat sich zu Rebellen, Missetätern, Mördern gesellt, ist an ihrer Spitze gezogen. Sage Nein!
Lerse.
Lasst ab, Euch zuquälen und mich. Haben sie ihm nicht feierlich zugesagt, keine Tathandlung mehr zu unternehmen, wie die bei Weinsberg? Hört’ ich sie nicht selbst halbreuig sagen: Wenn’s nicht geschehen wär’, geschäh’s vielleicht nie? Müssten nicht Fürsten und Herrn ihm Dank wissen, wenn er freiwillig Führer eines unbändigen Volks geworden wäre, um ihrer Raserei Einhalt zu tun und so viel Menschen und Besitztümer zu schonen?
Elisabeth.
Du bist ein liebevoller Advokat. – Wenn sie ihn gefangen nähmen, als Rebell behandelten, und sein graues Haupt – Lerse, ich möchte von Sinnen kommen.
Lerse.
Sende ihrem Körper Schlaf, lieber Vater der Menschen, wenn Du ihrer Seele keinen Trost geben willst!
Elisabeth.
Georg hat versprochen, Nachricht zu bringen. Er wird auch nicht dürfen, wie er will. Sie sind ärger als gefangen. Ich weiß, man bewacht sie wie Feinde. Der gute Georg! Er wollte nicht von seinem Herrn weichen.
Lerse.
Das Herz blutete mir, wie er mich von sich schickte. Wenn Ihr nicht meiner Hilfe bedürftet, alle Gefahren des schmählichsten Todes sollten mich nicht von ihm getrennt haben.
Elisabeth.
Ich weiß nicht, wo Sickingen ist. Wenn ich nur Marien einen Boten schicken könnte.
Lerse.
Schreibt nur, ich will dafür sorgen. (Ab.)
(Bei einem Dorf.)
Götz. Georg.
Götz.
Geschwind zu Pferde, Georg! Ich sehe Miltenberg brennen. Halten sie so den Vertrag! Reit’ hin, sag’ ihnen die Meinung. Die Mordbrenner! Ich sage mich von ihnen los. Sie sollen einen Zigeuner zum Hauptmann machen, nicht mich. Geschwind, Georg. (Georg ab.) Wollt’ ich wäre tausend Meilen davon und läg’ im tiefsten Turm, der in der Türkei steht. Könnt’ ich mit Ehren von ihnen kommen! Ich fahr’ ihnen alle Tag durch den sinn, sag’ ihnen die bittersten Wahrheiten, dass sie mein müde werden und mich erlassen sollen.
Ein Unbekannter.
Unbekannter.
Gott grüß’ Euch, sehr edler Herr.
Götz.
Gott dank’ Euch. Was bringt Ihr? Euern Namen?
Unbekannter.
Der tut nichts zur Sache. Ich komme, Euch zu sagen, dass Euer Kopf in Gefahr ist. Die Anführer sind müde sich von euch so harte Worte geben zu lassen, haben beschlossen, Euch aus dem Weg zu räumen. Mäßigt Euch oder seht zu entwischen, und Gott geleit’ Euch. (Ab.)
Götz.
Auf diese Art Dein Leben zu lassen, Götz, und so zu enden! Es sei drum! So ist mein Tod der Welt das sicherste Zeichen, dass ich nichts Gemeines mit den Hunden gehabt habe.
Einige Bauern.
Erster Bauer.
Herr, Herr! Sie sind geschlagen, sie sind gefangen.
Götz.
Wer?
Zweiter Bauer.
Die Miltenberg verbrannt haben. Es zog sich ein Bündischer Trupp hinter dem Berg hervor und überfiel sie auf einmal.
Götz.
Sie erwartet ihr Lohn. – O Georg! Georg! – Sie haben ihn mit den Bösewichtern gefangen – Mein Georg! Mein Georg! –
Anführer kommen.
Link.
Auf, Herr Hauptmann, auf! Es ist nicht Säumens Zeit. Der Feind ist in der Nähe und mächtig.
Götz.
Wer verbrannte Miltenberg?
Metzler.
Wenn Ihr Umstände machen wollt, so wird man Euch weisen, wie man keine macht.
Kohl.
Sorgt für unsere Haut und eure. Auf! Auf!
Götz (zu Metzler).
Drohst Du mir? Du Nichtswürdiger! Glaubst Du, dass Du mir fürchterlicher bist, weil des Grafen von Helfenstein Blut an Deinen Kleidern klebt?
Metzler.
Berlichingen!
Götz.
Du darfst meinen Namen nennen, und meine Kinder werden sich dessen nicht schämen.
Metzler.
Mit Dir feigem Kerl! Fürstendiener.
Götz haut ihn über den Kopf, dass er stürzt. Die andern treten dazwischen.
Kohl.
Ihr seid rasend. Der Feind bricht auf allen Seiten ’rein und ihr hadert!
Link.
Auf! Auf! (Tumult und Schlacht.)
Weislingen. Reiter.
Weislingen.
Nach! Nach! Sie fliehen. Lasst Euch Regen und Nacht nicht abhalten. Götz ist unter ihnen, hör’ ich. Wendet Fleiß an, dass ihr ihn erwischt. Er ist schwer verwundet, sagen die Unsrigen. (Die Reiter ab.) Und wenn ich Dich habe! – Es ist noch Gnade, wenn wir heimlich im Gefängnis Dein Todesurteil vollstrecken. – So verlischt er vor dem Andenken der Menschen, und Du kannst freier atmen, törichtes Herz. (Ab.)
(Nacht, im wilden Wald. Zigeunerlager.)
Zigeunermutter am Feuer.
Mutter.
Flick das Strohdach über der Grube, Tochter, gibt hint Nacht noch Regen genug.
Knab kommt.
Knab.
Ein Hamster, Mutter. Da! Zwei Feldmäus.
Mutter.
Will sie Dir abziehen und braten, und sollst eine Kapp haben von den Fellchen. – Du blutst?
Knab.
Hamster hat mich bissen.
Mutter.
Hol mir dürr Holz, dass das Feuer loh brennt, wenn Dein Vater kommt, wird nass sein durch und durch.
Andre Zigeunerin, ein Kind auf dem Rücken.
Erste Zigeunerin.
Hast Du brav geheischen?
Zweite Zigeunerin.
Wenig genug. Das Land ist voll Tumult herum, dass man seins Lebens nicht sicher ist. Brennen zwei Dörfer lichterloh.
Erste Zigeunerin.
Ist das dort drunten Brand, der Schein? Seh’ ihm schon lang’ zu. Man ist der Feuerzeichen am Himmel zeither so gewohnt worden.
Zigeunerhauptmann, drei Gesellen kommen.
Hauptmann.
Hört ihr den wilden Jäger?
Erster Zigeuner.
Er zieht grad über uns hin.
Hauptmann.
Wie die Hunde bellen! Wau! Wau!
Zweiter Zigeuner.
Die Peitschen knallen.
Dritter Zigeuner.
Die Jäger jauchzen holla ho!
Mutter.
Bringt ja des Teufels sein Gepäck.
Hauptmann.
Haben im Trüben gefischt. Die Bauern rauben selbst, ist’s uns wohl vergönnt.
Zweite Zigeunerin.
Was hast Du, Wolf?
Wolf.
Einen Hasen, da, und einen Hahn, ein’n Bratspieß, ein Bündel Leinwand, drei Kochlöffel und ein’n Pferdzaum.
Sticks.
Ein’ wullen Deck hab’ ich, ein Paar Stiefeln, und Zunder und Schwefel.
Mutter.
Ist alles pudelnass, wollen’s trocknen, gebt her.
Hauptmann.
Horch, ein Pferd! Geht! Seht was ist.
Götz zu Pferd.
Götz.
Gott sei Dank! Dort seh’ ich Feuer, sind Zigeuner. Meine Wunden verbluten, die Feinde hinterher. Heiliger Gott, Du endigst grässlich mit mir!
Hauptmann.
Ist’s Friede, dass Du kommst?
Götz.
Ich flehe Hilfe von Euch. Meine Wunden ermatten mich. Helft mir vom Pferd!
Hauptmann.
Helf’ ihm! Ein edler Mann, an Gestalt und Wort.
Wolf (leise).
Es ist Götz von Berlichingen.
Hauptmann.
Seid willkommen! Alles ist Euer, was wir haben.
Götz.
Dank’ Euch.
Hauptmann.
Kommt in mein Zelt.
(Hauptmanns Zelt.)
Hauptmann. Götz.
Hauptmann.
Ruft der Mutter, sie soll Blutwurzel bringen und Pflaster.
Götz legt den Harnisch ab.
Hauptmann.
Hier ist mein Feiertagswams.
Götz.
Gott lohn’s
Mutter verbindt ihn.
Hauptmann.
Ist mir herzlich leib Euch zu haben.
Götz.
Kennt Ihr mich?
Hauptmann.
Wer sollte Euch nicht kennen! Götz, unser Leben und Blut lassen wir vor Euch.
Schricks
Schricks.
Kommen durch den Wald Reiter. Sind Bündische.
Hauptmann.
Eure Verfolger! Sie sollen nit bis zu Euch kommen! Auf, Schricks! Biete den andern! Wir kennen die Schliche besser als sie, wir schießen sie nieder, eh sie uns gewahr werden. (Ab.)
Götz (allein).
O Kaiser! Kaiser! Räuber beschützen Deine Kinder. (Man hört scharf schießen.) Die wilden Kerls, starr und treu!
Zigeunerin.
Zigeunerin.
Rettet Euch! Die Feinde überwältigen.
Götz.
Wo ist mein Pferd?
Zigeunerin.
Hier bei.
Götz (gürtet sich, und sitzt auf ohne Harnisch).
Zum letzten Mal sollen sie meinen Arm fühlen. Ich bin so schwach noch nicht. (Ab.)
Zigeunerin.
Er sprengt zu den Unsrigen. (Flucht.)
Wolf.
Fort, fort! Alles verloren. Unser Hauptmann erschossen. Götz gefangen. (Geheul der Weiber und Flucht.)
(Adelheids Schlafzimmer.)
Adelheid mit einem Brief.
Adelheid.
Er, oder ich! Der Übermütige! Mir drohen! – Wir wollen Dir zuvorkommen. Was schleicht durch den Saal? (Es klopft.) Wer ist draußen?
Franz leise.
Franz.
Macht mir auf, gnädige Frau.
Adelheid.
Franz! Er verdient wohl, dass ich ihm aufmache. (Sie lässt ihn ein.)
Franz (fällt ihr um den Hals).
Liebe, gnädige Frau.
Adelheid.
Unverschämter! Wenn Dich jemand gehört hätte.
Franz.
O es schläft alles, alles!
Adelheid.
Was willst Du?
Franz.
Mich lässt’s nicht ruhen. Die Drohungen meines Herrn, Euer Schicksal, mein Herz.
Adelheid.
Er war sehr zornig, als Du Abschied nahmst?
Franz.
Als ich ihn nie gesehen. Auf ihre Güter soll sie, sagt’ er, sie soll wollen.
Adelheid.
Und wir folgen?
Franz.
Ich weiß nichts, gnädige Frau.
Adelheid.
Betrogener, törichter Junge, Du siehst nicht, wo das hinaus will. Hier weiß er mich in Sicherheit. Denn lange steht’s ihm schon nach meiner Freiheit. Er will mich auf seine Güter. Dort hat er Gewalt, mich zu behandeln, wie sein Hass ihm eingibt.
Franz.
Er soll nicht!
Adelheid.
Wirst Du ihn hindern?
Franz.
Er soll nicht!
Adelheid.
Ich seh mein ganzes Elend voraus. Von seinem Schloss wird er mich mit Gewalt reißen, wird mich in ein Kloster sperren.
Franz.
Hölle und Tod!
Adelheid.
Wirst Du mich retten?
Franz.
Eh alles! Alles!
Adelheid (die weinend ihn umhalst).
Franz, ach uns zu retten!
Franz.
Er soll nieder, ich will ihm den Fuß auf den Nacken setzen.
Adelheid.
Keine Wut. Du sollst einen Brief an ihn haben, voll Demut, dass ich gehorche. Und dieses Fläschchen gieß ihm unter das Getränk.
Franz.
Gebt. Ihr sollt frei sein!
Adelheid.
Frei! Wenn Du nicht mehr zitternd auf Deinen Zehen zu mir schleichen wirst – nicht mehr ich ängstlich zu Dir sage: Brich auf, Franz, der Morgen kommt.
(Heilbronn, vorm Turm.)
Elisabeth. Lerse.
Lerse.
Gott nehm das Elend von Euch, gnädige Frau. Marie ist hier.
Elisabeth.
Gott sei Dank! Lerse, wir sind in entsetzliches Elend versunken. Da ist’s nun, wie mir alles ahnte! Gefangen, als Meuter, Missetäter in den tiefsten Turm geworfen –
Lerse.
Ich weiß alles.
Elisabeth.
Weislingen?
Lerse.
Man hat mit unerhörten Exekutionen verfahren. Metzler ist lebendig verbrannt, zu Hunderten gerädert, gespießt, geköpft, geviertelt. Das Land umher gleicht einer Metzge, wo Menschenfleisch wohlfeil ist.
Elisabeth.
Weislingen Kommissar! O Gott! Ein Strahl von Hoffnung. Marie soll mir zu ihm, er kann ihr nichts abschlagen. Er hatte immer ein weiches Herz, und wenn er sie sehen wird, die er so leibte, die so elend durch ihn ist – Wo ist sie?
Lerse.
Noch im Wirtshaus.
Elisabeth.
Führe mich zu ihr. Sie muss gleich fort. Ich fürchte alles.
(Weislingens Schloss)
Weislingen
Weislingen.
Ich bin so krank, so schwach. Alle meine Gebeine sind hohl. Ein elendes Fieber hat das Mark ausgefressen. Keine Ruh und Rast, weder Tag noch Nacht. Im halben Schlummer giftige Träume. Die vorige Nacht begegnete ich Götzen im Wald. Er zog sein Schwert und forderte mich heraus. Ich fasste nach meinem, die Hand versagte mir. Da stieß er’s in die Scheide, sah mich verächtlich an und ging hinter mich. – Er ist gefangen und ich zittre vor ihm. Elender Mensch! Dein Wort hat ihn zum Tod verurteilt, und Du bebst vor seiner Traumgestalt wie ein Missetäter! – Und soll er sterben? – Götz! Götz! – Wir Menschen führen uns nicht selbst; bösen Geistern ist Macht über uns gelassen, dass sie ihren höllischen Mutwillen an unserm Verderben üben. (Er setzt sich.) – Matt! Matt! Wie sind meine Nägel so blau! – Ein kalter, kalter, verzehrender Schweiß lähmt mir jedes Glied. Es dreht mir alles vorm Gesicht. Könnt’ ich schlafen. Ach –
Maria tritt auf.
Weislingen.
Jesus Marie! – Lass mir Ruh! Lass mir Ruh! – Die Gestalt fehlte noch! Sie stirbt, Marie stirbt und zeigt sich mir an. – Verlass mich, seliger Geist, ich bin elend genug.
Maria.
Weislingen, ich bin kein Geist. Ich bin Marie.
Weislingen.
Das ist ihre Stimme.
Maria.
Ich komme meines Bruders Leben von Dir zu erflehen. Er ist unschuldig, so strafbar er scheint.
Weislingen.
Still, Marie! Du Engel des Himmels bringst die Qualen der Hölle mit Dir. Rede nicht fort.
Maria.
Und mein Bruder soll sterben? Weislingen, es ist entsetzlich, dass ich Dir zu sagen brauche: Er ist unschuldig; dass ich jammern muss, Dich von dem abscheulichsten Mord zurückzuhalten. Deine Seele ist bis in ihre innersten Tiefen von feindseligen Mächten besessen. Das ist Adelbert!
Weislingen.
Du siehst, der verzehrende Atem des Todes hat mich angehaucht, meine Kraft sinkt nach dem Grab. Ich stürbe als ein Elender, und Du kommst, mich in Verzweiflung zu stürzen. Wenn ich reden könnte, Dein höchster Hass würde in Mitleid und Jammer zerschmelzen. O! Marie! Marie!
Maria.
Weislingen, mein Bruder verkrankt im Gefängnis. Seinen schweren Wunden, sein Alter. Und wenn Du fähig wärst sein graues Haupt – Weislingen, wir würden verzweifeln.
Weislingen.
Genug. (Er zieht die Schelle.)
Franz in äußerster Bewegung.
Franz.
Gnädiger Herr.
Weislingen.
Die Papiere dort, Franz!
Franz bringt sie.
Weislingen (reißt ein Packet auf und zeigt Marie ein Papier).
Hier ist Deines Bruders Todesurteil unterschrieben.
Maria.
Gott im Himmel!
Weislingen.
Und so zerreiß’ ich’s! Er lebt. Aber kann ich wieder schaffen, was ich zerstört habe? Meine nicht so, Franz! Guter Junge, Dir geht mein Elend tief zu Herzen.
Franz wirft sich vor ihm nieder und fasst seine Knie.
Maria (vor sich).
Er ist sehr krank. Sein Anblick zerreißt mir das Herz. Wie liebt’ ich ihn! Und nun ich ihm nahe, fühl’ ich wie lebhaft.
Weislingen.
Franz, steh auf und lass das Weinen! Ich kann wieder aufkommen. Hoffnung ist bei den Lebenden.
Franz.
Ihr werdet nicht. Ihr müsst sterben.
Weislingen.
Ich muss?
Franz (außer sich).
Gift! Gift! Von Euerm Weib! – Ich! Ich! (Er rennt davon.)
Weislingen.
Marie, geh ihm nach. Er verzweifelt. (Maria ab.) Gift von meinem Weib! Weh! Weh! Ich fühl’s. Marter und Tod!
Maria (inwendig).
Hilfe! Hilfe!
Weislingen (will aufstehn).
Gott, vermag ich das nicht!
Maria (kommt).
Er ist hin. Zum Saalfenster hinaus stürzt’ er wütend in den Main hinunter.
Weislingen.
Ihm ist wohl. – Dein Bruder ist außer Gefahr. Die übrigen Kommissarien, Seckendorf besonders, sind seine Freunde. Ritterlich Gefängnis werden sie ihm auf sein Wort gleich gewähren. Leb wohl, Maria, und geh.
Maria.
Ich will bei Dir bleiben, armer Verlassner.
Weislingen.
Wohl verlassen und arm! Du bist ein furchtbarer Rächer, Gott! – Mein Weib –
Maria.
Entschlage Dich dieser Gedanken. Kehre Dein Herz zu dem Barmherzigen.
Weislingen.
Geh, liebe Seele, überlass mich meinem Elend. – Entsetzlich! Auch Deine Gegenwart, Marie, der letzte Trost, ist Qual.
Maria (vor sich).
Stärke mich, o Gott! Meine Seele erliegt mit der seinigen.
Weislingen.
Weh! Weh! Gift von meinem Weib! – Mein Franz verführt durch die Abscheuliche! Wie sie wartet, horcht auf den Boten, der ihr die Nachricht bringe: Er ist tot. Und Du, Marie! Marie, warum bist Du gekommen, dass Du jede schlafende Erinnerung meiner Sünden wecktest! Verlass mich! Verlass mich, dass ich sterbe.
Maria.
Lass mich bleiben. Du bist allein. Denk, ich sei Deine Wärterin. Vergiss alles. Vergesse Dir Gott so alles, wie ich Dir alles vergesse.
Weislingen.
Du Seele voll Liebe, bete für mich, bete für mich! Mein Herz ist verschlossen.
Maria.
Er wird sich Deiner erbarmen. – Du bist matt.
Weislingen.
Ich sterbe, sterbe und kann nicht ersterben. Und in dem fürchterlichen Streit des Lebens und Todes sind die Qualen der Hölle.
Maria.
Erbarmer, erbarme Dich seiner! Nur einen Blick Deiner Liebe an sein Herz, dass es sich zum Trost öffne, und sein Geist Hoffnung, Lebenshoffnung in den Tod hinüberbringe!
(In einem finstern engen Gewölbe.)
Die Richter des heimlichen Gerichts. Alle vermummt.
Ältester.
Richter des heimlichen Gerichts, schwurt auf Strang und Schwert unsträflich zu sein, zu richten im Verborgenen, zu strafen im Verborgenen Gott gleich! Sind Eure Herzen rein und Eure Hände, hebt die Arme empor, ruft über die Missetäter: Wehe! Wehe!
Alle.
Wehe! Wehe!
Ältester.
Rufer, beginne das Gericht!
Rufer.
Ich Rufer rufe die Klag’ gegen den Missetäter. Des Herz rein ist, dessen Händ’ rein sind, zu schwören auf Strang und Schwert, der Klage bei Strang und Schwert! Klage! Klage!
Kläger (tritt vor).
Mein Herz ist rein von Missetat, meine Hände von unschuldigem Blut. Verzeih mir Gott böse Gedanken und hemme den Weg zum Willen! Ich hebe meine Hand auf und klage! Klage! Klage!
Ältester.
Wen klagst Du an?
Kläger.
Klage an auf Strang und Schwert Adelheid von Weislingen. Sie hat Ehebruchs sich schuldig gemacht, ihren Mann vergiftet durch ihren Knaben. Der Knab hat sich selbst gerichtet, der Mann ist tot.
Ältester.
Schwörst Du zu dem Gott der Wahrheit, dass Du Wahrheit klagst?
Kläger.
Ich schwöre.
Ältester.
Würd’ es falsch befunden, deutst Du Deinen Hals der Strafe des Mords und des Ehebruchs?
Kläger.
Ich biete.
Ältester.
Eure Stimmen. (Sie reden heimlich zu ihm.)
Kläger.
Richter des heimlichen Gerichts, was ist Euer Urteil über Adelheid von Weislingen, bezüchtigt des Ehebruchs und Mords?
Ältester.
Sterben soll sie! Sterben des bittern, doppelten Todes. Mit Strang und Dolch büßen doppelt doppelte Missetat. Streckt Eure Hände empor, und ruft Weh über sie! Weh! Weh! In die Hände des Rächers.
Alle.
Weh! Weh! Weh!
Ältester.
Rächer! Rächer, tritt auf.
Rächer tritt vor.
Ältester.
Fass hier Strang und Schwert, sie zu tilgen von dem Angesicht des Himmels, binnen acht Tage Zeit. Wo Du sie findest, nieder mit ihr in Staub! – Richter, die ihr richtet im Verborgenen und straft im Verborgenen Gott gleich, bewahrt Euer Herz von Missetat und Eure Hände vor unschuldigem Blut.
(Hof einer Herberge.)
Maria. Lerse.
Maria.
Die Pferde haben genug gerastet. Wir wollen fort, Lerse.
Lerse.
Ruht doch bis an Morgen. Die Nacht ist gar zu unfreundlich.
Maria.
Lerse, ich habe keine Ruhe, bis ich meinen Bruder, gesehen habe. Lass uns fort. Das Wetter hellt sich aus, wir haben einen schönen Tag zu gewarten.
Lerse.
Wie Ihr befehlt.
(Heilbronn, im Turm.)
Götz, Elisabeth
Elisabeth.
Ich bitte Dich, lieber Mann, rede mit mir. Dein Stillschweigen ängstet mich. Du verglühst in Dir selbst. Komm, lass uns nach Deinen Wunden sehen. Sie bessern sich um vieles. In der mutlosen Finsternis erkenn’ ich Dich nicht mehr.
Götz.
Suchtest Du den Götz? Der ist lang’ hin. Sie haben mich nach und nach verstümmelt, meine Hand, meine Freiheit, Güter und guten Namen. Mein Kopf, was ist an dem? – Was hört Ihr von Georg? Ist Lerse nach Georg?
Elisabeth.
Ja, Lieber! Richtet Euch auf, es kann sich vieles wenden.
Götz.
Wen Gott niederschlägt, der richtet sich selbst nicht auf. Ich weiß am besten, was auf meinen Schultern liegt. Unglück bin ich gewohnt zu dulden. Und jetzt ist’s nicht Weislingen allein, nicht die Bauern allein, nicht der Tod des Kaisers und meine Wunden – Es ist alles zusammen. Meine Stunde ist kommen. Ich hoffte, sie sollte sein wie mein Leben. Sein Wille geschehe.
Elisabeth.
Willst Du nicht was essen?
Götz.
Nichts, meine Frau. Sieh, wie die Sonne draußen scheint.
Elisabeth.
Ein schöner Frühlingstag.
Götz.
Meine Liebe, wenn Du den Wächter bereden könntest, mich in sein klein Gärtchen zu lassen auf eine halbe Stunde, dass ich der lieben Sonne genösse, des heitern Himmels und der reinen Luft.
Elisabeth.
Gleich! Und er wird’s wohl tun.
(Gärtchen am Turm.)
Maria, Lerse.
Maria.
Geh hinein und sieh, wie’s steht.
Lerse ab.
Elisabeth, Wächter.
Elisabeth.
Gott vergelt’ Euch die Lieb’ und Treu’ an meinem Herrn. (Wächter ab.) Maria, was bringst Du?
Maria.
Meines Bruders Sicherheit. Ach, aber mein Herz ist zerrissen. Weislingen ist tot, vergiftet von seinem Weib. Mein Mann ist in Gefahr. Die Fürsten werden ihm zu mächtig, man sagt, er sei eingeschlossen und belagert.
Elisabeth.
Glaubt dem Gerücht nicht. Und lasst Götz nichts merken.
Maria.
Wie steht’s um ihn?
Elisabeth.
Ich fürchtete, er würde Deine Rückkunft nicht erleben. Die Hand des Herrn liegt schwer auf ihm. Und Georg ist tot.
Maria.
Georg! Der goldne Junge!
Elisabeth.
Als die Nichtswürdigen Miltenberg verbrannten, sandte ihn sein Herr, ihnen Einhalt zu tun. Da fiel ein Trupp Bündischer auf sie los. – Georg! Hätten sie sich alle gehalten wie er, sie hätten alle das gute Gewissen haben müssen. Viel wurden erstochen, und Georg mit. Er starb einen Reiterstod.
Maria.
Weiß es Götz?
Elisabeth.
Wir verbergen’s vor ihm. Er fragt mich zehnmal des Tags und schickt mich zehnmal des Tags, zu forschen, was Georg macht. Ich fürchte, seinem Herzen diesen letzten Stoß zu geben.
Maria.
O Gott, was sind die Hoffnungen dieser Erden!
Götz. Lerse. Wächter.
Götz.
Allmächtiger Gott! Wie wohl ist’s einem unter Deinem Himmel! Wie frei! – Die Bäume treiben Knospen und alle Welt hofft. Lebt wohl, meine Lieben; meine Wurzeln sind abgehauen, meine Kraft sinkt nach dem Grab.
Elisabeth.
Darf ich Lersen nach Deinem Sohn ins Kloster schicken, dass Du ihn noch einmal sehst und segnest?
Götz.
Lass ihn, er ist heiliger als ich, er braucht meinen Segen nicht. – An unserm Hochzeitstag, Elisabeth, ahnte mir’s nicht, dass ich so sterben würde. – Mein alter Vater segnete uns, und eine Nachkommenschaft von edeln tapfern Söhnen quoll aus seinem Gebet. – Du hast ihn nicht erhört, und ich bin der Letzte. – Lerse, Dein Angesicht freut mich in der Stunde des Todes mehr als im mutigsten Gefecht. Damals führte mein Geist den eurigen. Jetzt hältst Du mich aufrecht. Ach, dass ich Georg noch einmal sähe, mich an seinem Blick wärmte! – Ihr seht zur Erden und weit – Er ist tot – Georg ist to – Stirb, Götz – Du hast Dich selbst überlebt, die Edeln überlebt. – Wie starb er? – Ach fingen sie ihn unter den Mordbrennern, und er ist hingerichtet?
Elisabeth.
Nein, er wurde bei Miltenberg erstochen. Er wehrte sich wie ein Löw’ um seine Freiheit.
Götz.
Gott sei Dank! – Er war der beste Junge unter der Sonne und tapfer. – Löse meine Seele nun. – Arme Frau! Ich lasse Dich in einer verderbten Welt. Lerse, verlass sie nicht. – Schließt Eure Herzen sorgfältiger als Eure Tore. Es kommen die Zeiten des Betrugs, es ist ihm Freiheit gegeben. Die Nichtswürdigen werden regieren mit List, und der Edle wird in ihre Netze fallen. Marie, gebe Dir Gott Deinen Mann wieder. Möge er nicht so tief fallen, als er hoch gestiegen ist! Selbitz starb, und der gute Kaiser, und mein Georg. – Gebt mir einen Trunk Wasser. – Himmlische Luft – Freiheit! Freiheit! (Er stirbt.)
Elisabeth.
Nur droben, droben bei Dir. Die Welt ist ein Gefängnis.
Maria.
Edler Mann! Edler Mann! Wehe dem Jahrhundert, das Dich von sich stieß!
Lerse.
Wehe der Nachkommenschaft, die Dich verkennt!