Im 23. Kapitel: Alle einfachen Körper seien durchsichtig.

»Opak, das heißt undurchsichtig, werden alle Körper genannt, die gefärbt sind und das Licht nicht durchlassen. Genau genommen ist eigentlich nichts vollkommen durchsichtig als der leere Raum, indem die meisten Körper, ob sie gleich klar erscheinen, eben weil sie gesehen werden, offenbar etwas von Undurchsichtigkeit an sich haben.«

24. Kapitel: Die Farben seien kein Licht, und woher sie entspringen

»Daß also einige Körper durchsichtig, andre aber opak erscheinen, dieses rührt von nichts anderm als von der Beimischung der Farbe her. Wenn es keine Farben gäbe, so würde alles durchsichtig oder weiß aussehen. Es gibt keinen Körper, er sei flüssig oder fest und dicht, der nicht sogleich durchsichtig würde, sobald man die Farbe von ihm trennt. Daher ist die Meinung derer nicht richtig, welche die Farbe ein modifiziertes Licht nennen, da dem Lichte nichts so entgegen ist als die Farbe. Wenn die Farben Licht in sich hätten, so würden sie auch des Nachts leuchten, welches doch nicht der Fall ist.«

»Ursache und Ursprung der Farben daher kommt allein von dem Feuer oder der Wärme. Wir können dieses daran sehen, daß in kalten Gegenden alles weiß ist, ja selbst die Tiere weiß werden, besonders im Winter. Die Weiße aber ist mehr der Anfang der Farben als Farbe selbst.«

»An heißen Orten hingegen findet sich die ganze Mannigfaltigkeit der Farben. Was auch die Sonne mit ihren günstigen Strahlen bescheint, dieses nimmt sogleich eine angenehme und erfreuliche Färbung an. Findet sich auch in kalten Gegenden manchmal etwas Gefärbtes, so ist es doch nur selten und schwach und deutet mehr auf ein Bestreben einer abnehmenden Natur als ihre Macht und Gewalt an, wie denn ein einziges indisches Vögelchen eine größere Farbenmannigfaltigkeit leistet als das sämtliche Vögelgeschlecht, das norwegische und schwedische Wälder bevölkert. Ebenso verhält sich’s mit den übrigen Tieren, Pflanzen und Blumen; denn in jenen Gegenden findest du nicht einmal die Täler mit leuchtenden und lebhaften Farben geschmückt, man müßte sie denn durch Kunst hervorbringen oder der Boden müßte von einer besondern Beschaffenheit sein. Gelangt man weiter nach Norden, so begegnet einem nichts als Graues und Weißes. Deswegen nehmen wir an: die Ursache der Farben sei das Verbrennen der Körper.«

25. Kapitel: Die Materie der Farben rühre von der Eigenschaft des Schwefels her

»Der Grundstoff der Farben schreibt sich nirgends anders her als von dem Schwefel, der einem jeden Körper beige mischt ist. Nach dem verschiedenen Brennen dieses Elements entstehen auch die verschiedenen Farben: denn der natürliche Schwefel, solange er weder Wärme noch Feuer erfahren hat, ist durchsichtig; wird er aufgelöst, dann nimmt er verschiedene Farben an und verunreinigt die Körper, denen er beigemischt ist. Und zwar erscheint er zuerst grün, dann gelb, sodann rot, dann purpurfarb, und zuletzt wird er schwarz. Ist aller Schwefel erschöpft und verzehrt, dann lösen sich die Körper auf, alle Farbe geht weg und nichts bleibt als eine weiße oder durchsichtige Asche; und so ist die Weiße der Anfang aller Farben und das Schwarze das Ende. Das Weiße ist am wenigsten Farbe; das Schwarze hingegen am meisten. Und nun wollen wir die einzelnen Arten und Stufen der Farbe durchgehen.«

26. Kapitel: Die Ordnung der Farben

»Die erste Farbe daher, wenn man es Farbe nennen kann, ist das Weiße. Dieses tritt zunächst an das Durchsichtige, und da alle Körper von Natur durchsichtig sind, so kommt hier zuerst das Düstre (opacitas) hinzu, und der Körper wird sichtbar bei dem geringsten Lichte, auch wenn der Schwefel nicht schmilzt, den wir jedem Körper zugeschrieben haben. Denn jeder durchsichtige Körper, wenn er zerrieben wird, so daß eine Verschiedenheit der Oberflächen entsteht, erscheint sogleich weiß, und es ist ganz einerlei, ob die Materie fest oder flüssig gewesen. Man verwandle Wasser zu Schaum oder Glas in Pulver, so wird sich die Durchsichtigkeit sogleich in das Weiße verwandeln. Und zwar ist dieses die erste Art des Weißen, und wenn du sie allein betrachtest, so kann man die Weiße nur uneigentlich zu den Farben zählen. Denn wenn du die einzelnen Körperchen und ihre kleinsten Oberflächen besonders ansiehst, so bleibt ihnen die Durchsichtigkeit, und bloß die Stellung, die Lage der Körper betriegt den Anblick.«

»Aber eine andre Art des Weißen gibt es, wenn in einem durchsichtigen Körper durch Einwirkung des Lichtes und der Wärme die zarteren Teile des Schwefels schmelzen und angezündet werden: denn da auf diese Weise die Körper austrocknen und dünner werden, so folgt daraus, daß auch verschiedene neue Oberflächen entstehen; und auf diese Art werden durchsichtige Dinge, auch ehe die Tinktur des Schwefels hinzutritt, weiß. Denn es ist eine allgemeine Regel, daß jeder klein zerstückte Körper weiß werde, und umgekehrt, daß jeder weiße Körper aus kleinen durchsichtigen Teilen bestehe.«

»Zunächst an der Weiße folgen zwei Farben, das blässere Grün und das Gelbe. Ist die Wärme schwach, die das, was schweflicht ist, in den Körpern auflösen soll, so geht das Grüne voraus, welches roher und wäßriger ist als das Gelbe. Verursacht aber die Wärme eine mächtigere Kochung, so tritt sogleich nach dem Weißen ein Gelbes hervor, das reifer ist und feuriger. Folgt aber auf diese Art das Gelbe dem Weißen, so bleibt kein Platz mehr für das Grüne. Denn auch in den Pflanzen wie in andern Körpern, wenn sie grün werden, geht das Grüne dem Gelben voraus.«

»In welcher Ordnung man auch die Farben zählt, so ist die mittlere immer rot. Am mächtigsten ist hier das flammende Rot, und dieses entsteht nicht aus dem Weißen und Schwarzen, sondern es ist dem Schwefel seinen Ursprung schuldig. Und doch lassen sich aus dem Roten, dem Weißen und Schwarzen alle Farben zusammensetzen.«

»Entsteht nämlich eine größere Verbrennung der Körper und des Schwefels, so erscheint die Purpur-und blaue Farbe, deren Mischung bekannt ist. Die Grenze der Farbe jedoch, sowie die letzte Verbrennung ist die Schwärze. Dieses ist die letzte Tinktur des Schwefels und seine letzte Wirkung. Hierauf folgt die Auflösung der Körper. Wenn aber der Schwefel erschöpft und die Feuchtigkeit aufgezehrt ist, so bleibt nichts als die weiße und durchsichtige Asche. Gibst du dieser die Feuchtigkeit und den Halt wieder, so kehren die Körper in ihren ersten Zustand zurück.«

»In denjenigen Flammen, wie sie täglich auf unserm Herde aufsteigen, ist die entgegengesetzte Ordnung der Farben. Denn je dunkler die Tinktur des Schwefels in der Kohle ist, desto reiner und weißer steigt die Flamme auf. Jedoch ist die Flamme, die zuerst aufsteigt, wegen beigemischten Unrats, dunkel und finster; dann wird sie purpurfarb, dann rötet sie sich und wird gelb. Fängt sie an, weiß zu werden, so ist es ein Zeichen, daß Schwefel und brennbare Materien zu Ende gehen.«

»Es gibt aber weder eine völlig schwarze, noch völlig weiße Flamme. Wird sie zu sehr verdunkelt, dann ist es Rauch, nicht Flamme; wird sie zu sehr weiß, so kann sie auch nicht länger bestehen, da ihr der Schwefel ausgeht.«

»Und so glaub’ ich, ist deutlich genug, warum verschiedene Körper, nach der verschiedenen Tinktur des Schwefels, sich auf eine verschiedene Weise gefärbt sehen lassen, und ich hoffe, hier werden mir die Chemiker nicht entgegen sein, die, ob sie gleich, wie überhaupt, also auch von den Farben, sehr verworren und rätselhaft sprechen, doch nicht viel von dem, was wir bisher ausgesprochen, abzuweichen scheinen. «

27. Kapitel: Wie die apparenten Farben erzeugt werden

»Nun ist aber eine andere Frage zu beantworten, welche verwickelter und schwerer ist: woher nämlich die Farben kommen, welche von ihren Körpern gewissermaßen abgesondert sind, welche man die apparenten nennt, wie die Farben des Regenbogens, der Morgenröte und die, welche durch gläserne Prismen sich ausbreiten. Aus dem, was wir gesagt haben, erhellt, wie mich dünkt, genugsam, daß die Flamme jederzeit der Farbe des Schwefels folgt und alle Farben zuläßt, außer dem Schwarzen und dem völlig Weißen. Denn der Schwefel enthält wohl die beiden Farben, aber eigentlich in der Flamme können sie nicht sein. Weiß zwar erscheinen zarte Flämmchen; wenn sie es aber vollkommen wären und nicht noch etwas von anderer Farbe zugemischt hätten, so wären sie durchsichtig und würden kein Licht oder ein sehr schwaches verbreiten. Daß aber eine Flamme schwarz sei, ist gegen die Vernunft und gegen die Sinne.«

»Dieses festgesetzt, fahr’ ich fort: wie die Farbe des Schwefels in der verbrennlichen Materie, so ist auch die Farbe der Flammen, wie aber die Flamme, so ist auch das Licht, das von ihr ausgebreitet wird; da aber die Flamme alle Farben enthält und begreift, so ist notwendig, daß das Licht dieselbe Eigenschaft habe. Deswegen sind auch in dem Licht alle Farben, obgleich nicht immer sichtbar. Denn wie eine mächtige Flamme weiß und einfärbig erscheint, wenn man sie aber durch einen Nebel oder andern dichten Körper sieht, verschiedene Farben annimmt, auf eben diese Weise bekleidet sich das Licht, ob es gleich unsichtbar oder weiß ist, wenn es durch ein gläsernes Prisma oder durch eine feuchte Luft durchgeht, mit verschiedenen Farben.«

»Ob nun gleich in dem reinen Licht keine Farben erscheinen, so sind sie demungeachtet wahrhaft in dem Licht enthalten. Denn wie ein größeres Licht einem geringeren schadet, so verhindert auch ein reines Licht, das verdunkelte Licht zu sehen. Daß aber ein jedes Licht Farben mit sich führe, kann man daraus folgern, daß, wenn man durch eine Glaslinse oder auch nur durch eine Öffnung Licht in eine dunkle Kammer fallen läßt, sich auf einer entferntern Mauer oder Leinwand alle Farben deutlich zeigen, da doch an den Kreuzungspunkten der Strahlen und an den Stellen, die der Linse allzunah sind, keine Farben, sondern das bloße Licht erscheint.«

»Da nun aber das Licht Form und Bild des Feuers ist, welche aus dem Feuer nach allen Seiten hinstrahlen, so sind auch die Farben, die das Licht mitbringt, Formen und Bilder der Farben, welche wahrhaft und auf eine materielle Weise sich in dem Feuer befinden, von dem das Licht umhergesendet wird.«

»Wie aber Flamme und Feuer, je schwächer sie sind, ein desto schwächeres Licht von sich geben, so auch nach Gesetz und Verhältnis der wahren und materialisierten Farbe, die in der Flamme ist, wachsen und nehmen ab die apparenten Farben im Lichte.«

»Und wie nun bei abnehmender Flamme auch das Licht geschwächt wird, so verschwindet auch die apparente Farbe, wenn die wahre Farbe abnimmt. Deswegen wirft das gläserne Prisma bei Nacht oder bei schwachem Lichte keine Farben umher, es gibt keine farbigen Phänomene, die Mondscheinregenbogen sind blaß, nichts erscheint irgend feurig oder von einer andern deutlichen Farbe tingiert.«

»So wie auch keine Flamme vollkommen schwarz oder weiß ist, so sind auch keine apparenten Farben weiß oder schwarz, sondern so wie bei der Flamme, so auch im Lichte sind das Gelbe und Blaue die Grenzen der Farbe.«

»Und hieraus, wenn ich nicht irre, ergibt sich deut lich, was die wahre, permanente und fixe Farbe sei, desgleichen die vergängliche, unstäte, die sie auch apparent nennen. Denn die wahre Farbe ist ein Grad, eine Art der Verbrennung in irgendeinem Körper; die apparente Farbe aber ist ein Bild einer wahren Farbe, das man außer seiner Stelle sieht. Wie man aber auch die wahren Farben mit den apparenten zusammenhalten und vergleichen will, so werden sie sich immer wie Ursache zu Ursache und wie Wirkung zu Wirkung verhalten, und was den fixen Farben begegnet, wird auch den Bildern, welche von denselben erzeugt werden, geschehen. Trifft dieses manchmal nicht vollkommen ein, so ereignet sich’s wegen der Lage und Gestalt der Körper, wodurch die Bilder durchgeführt und fortgepflanzt werden.«

Hier sehen wir also einige Jahre früher, als Newton sich mit diesem Gegenstande beschäftigt, seine Lehre völlig ausgesprochen. Wir streiten hier nicht mit Isaac Vossius, sondern führen seine Meinung nur historisch an. Die Tendenz jener Zeit, den äußeren Bedingungen ihren integrierenden Anteil an der Farbenerscheinung abzusprechen und ihnen nur einen anregenden, entwicklenden Anstoß zuzuschreiben, dagegen alles im Lichte schon im voraus zu synthesieren, zusammenzufassen, zu verstecken und zu verheimlichen, was man künftig aus ihm hervorholen und an den Tag bringen will, spricht sich immer deutlicher aus, bis zuletzt Newton mit seinen Ibilitäten hervortritt, den Reihen schließt und, obgleich nicht ohne Widerspruch, dieser Vorstellungsart den Ausschlag gibt. Wir werden in der Folge noch Gelegenheit haben, anzuzeigen, was noch alles vorausgegangen, um Newtons Lehre den Weg zu bahnen; können aber hier nicht unbemerkt lassen, daß schon Matthäus Pankl, in seinem Compendium Institutionum physicarum, Posoniae 1793, unsern Isaac Vossins für einen Vorläufer Newtons erklärt, indem er sagt: »Den Alten war das Licht das einfachste und gleichartigste Wesen. Zuerst hat Isaac Vossius vermutet, die Mannigfaltigkeit der Farben, die wir an den Körpern wahrnehmen, komme nicht von den Körpern, sondern von Teilchen des Lichts her.«

Franciscus Maria Grimaldi

geboren 1613, gestorben 1663

Er stammte aus einem alten berühmten Geschlechte und zwar von dem Zweige desselben, der zu Bologna blühte. Er scheint seine erste Bildung in den Jesuitenschulen erhalten zu haben; besonders befleißigte er sich der Mathematik und der damals innigst mit ihr verbundenen Naturlehre.

Nachdem er in den Orden getreten, ward er Professor der Mathematik zu Bologna und zeigte sich als einen in seinem Fache sehr geübten Mann, kenntnisreich, scharfsinnig, fleißig, pünktlich, unermüdet. Als einen solchen rühmt ihn Riccioli in der Dedikation seines Almagest und preist ihn als einen treuen Mitarbeiter. Sein Werk, wodurch er uns bekannt, wodurch er überhaupt berühmt geworden, führt den Titel: Physico-Mathesis de Lumine, Coloribus et Iride, Bononiae 1665. Man bemerke, daß auch hier nur des Lichts und nicht des Schattens erwähnt ist, und erwarte, daß Grimaldi sich als ein solcher zeigen werde, der die Farbenerscheinungen aus dem Licht entwickelt.

Hier haben wir nun das dritte Werk in unserm Fache, das sich von einem jesuitischen Ordensgeistlichen herschreibt. Wenn Aguilonius sorgfältig und umständlich, Kircher heiter und weitläuftig ist, so muß man den Verfasser des gegenwärtigen Buchs höchst konsequent nennen. Es ist reich in Absicht auf Erfahrungen und Experimente, ausführlich und methodisch in seiner Behandlung, und man sieht wohl, daß der Verfasser in allen Subtilitäten der Dialektik sehr geübt ist.

Vor allem aber ist zu bemerken, daß Form und Darstellung problematisch, ja ironisch sind, welches einer so ernsten folgerechten Arbeit eine ganz wunderliche Wendung gibt. Galilei hatte sich schon einer ähnlichen Wendung bedient, in den Dialogen, wegen welcher er von den Jesuiten so heftig verfolgt wurde. Hier bedient sich ein Jesuit, nach etwa zwanzig Jahren, desselben Kunstgriffs. Im ersten Buch, das 472 gespaltene Quartseiten stark ist, tut er alles mögliche, um zu zeigen, daß das Licht eine Substanz sei; im zweiten Buch, welches nur 63 gespaltene Seiten enthält, widerlegt er scheinbar seine vorige Meinung und verklausuliert diese Widerlegung aufs neue dergestalt, daß er sie völlig vernichtet. Auch darf man nur die Vorrede des Ganzen und den Schluß des ersten Teils lesen, so fällt seine Absicht schon deutlich genug in die Augen. Bei allen diesen Verwahrungen zaudert er, das Werk herauszugeben, das bei seinem Tode völlig fertig liegt, wie es denn auch drei Jahre nach demselben, und soviel sich bemerken läßt, ohne Verstümmlung erscheint.

Indem er nun das Licht als Substanz behandelt, so finden wir ihn auf dem Wege, auf dem wir Cartesius, De la Chambre und Vossius wandeln sahen, nur betritt er denselben mit mehr Ernst und Sicherheit und zugleich mit mehr Vorsicht und Zartheit. Seine Naturkenntnis überhaupt ist höchst schätzenswert. Erfahrungen und Versuche, diese Gegenstände betreffend, sind vor ihm von keinem so vollständig zusammengebracht worden. Freilich stellt er sie alle zurecht, um seine Erklärungsart zu begründen, doch kann man ihm nachsagen, daß er keine Erfahrung, keinen Versuch entstelle, um ihn seiner Meinung anzupassen.

Das Licht ist ihm also eine Substanz, im physischen Sinne eine Flüssigkeit, die er jedoch aufs äußerste zu verfeinern sucht. Durch Beispiele und Gleichnisse will er uns von der Zartheit eines so subtilen materiellen Wesens, das gleichsam nur wie ein geistiger Aushauch wirkt, überzeugen. Er führt die Lehre vom Magneten zu diesem Zwecke umständlich durch, bringt die Fälle von unendlicher Teilbarkeit der Farbe, äußerster Duktilität der Metalle und dergleichen vor, nimmt den Schall, und was er sonst noch brauchen kann, zu Hülfe, um unsre Kenntnisse durch Erinnerungen auf einen Punkt zu sammeln und unsre Einbildungkraft anzuregen.

Man hatte bisher drei Arten, in welchen sich das Licht verbreite, angenommen: die direkte, refrakte, reflexe, wozu er noch die inflexe hinzusetzt, welche er sogleich in Rücksicht seiner hypothetischen Zwecke die diffrakte nennt.

Jene verschiednen Arten der Lichtfortpflanzung zu erklären und andere dabei vorkommende Phänomene auszulegen, gibt er seiner feinen Flüssigkeit eine verschiedene innere Disposition. Und so wird denn diesem wirksamen Wesen ein Fließen (fluidatio), ein Wogen (undulatio, undatio), ein Regen und Bewegen (agitatio), ein Wälzen (volutatio) zugeschrieben.

Durchsichtigen Körpern wird eine continua porositas zugeeignet, welches eigentlich eine contradictio in adiecto ist, woran sich erkennen läßt, wie leicht man mit Worten das Unmögliche und Ungehörige als ein Mögliches, Verständiges und Verständliches mitteilen könne. Die undurchsichtigen Körper haben auch mannigfaltige wunderliche Oberflächen, die das Licht verschiedentlich zurückwerfen, deshalb er sich denn verteidigen muß, daß seine Lehre mit der Lehre der Atomisten nicht zusammenfalle, welches ihm auch ernst zu sein scheint.

In jenen Poren und Irrgängen, wunderlichen Aus-und Einwegen, Schlupflöchern und andern mannigfaltigen Bestimmungen, müdet sich nun das Licht auf oben beschriebene Weise gewaltig ab und erleidet eine Zerstreuung (dissipatio), Zerbrechung (diffractio), Zerreißung (disscissio) und natürlicherweise auch eine Trennung (separatio); dabei denn auch gelegentlich eine Anhäufung (glomeratio) stattfindet.

Wir bemerken hier im Vorbeigehen, daß einer Zerstreuung des Lichtes schon bei den Griechen erwähnt wird. Dort ist es aber nur ein empirischer naiver Ausdruck, der eine oft vorkommende Erscheinung von hin- und widergeworfenem, geschwächtem Lichte, so gut er kann, bezeichnen soll. Bei Grimaldi hingegen sollen die mannigfaltigen Versuren des Lichtes das Innere dieses zarten unbegreiflichen Wesens aufschließen und uns von seiner Natur dogmatisch belehren.

Die Farben werden also, nach Grimaldi, bei Gelegenheit der Refraktion, Reflexion und Inflexion bemerkt; sie sind das Licht selbst, das nur auf eine besondre Weise für den Sinn des Gesichts fühlbar wird. Doch geht der Verfasser auch wohl so weit, daß er im Licht bestimmte Arten der Farbe annimmt und also die Newtonische Lehre unmittelbar vorbereitet.

Alle Farben sind ihm wahr und entspringen auf einerlei Weise; doch läßt er, um sie erklären zu können, den Unterschied zwischen dauernden und vorübergehenden Farben einstweilen zu, und um jene auch in vorübergehende zu verwandeln, benutzt er auf eine sehr geschickte Weise die Versatilität der chemischen Farben.

Was übrigens den Apparat betrifft, so bedient er sich öfters der kleinen Öffnung im Fensterladen, die sich eigentlich von der die äußern Gegenstände innerlich abbildenden Camera obscura herschreibt. Die prismatischen Phänomene kennt er meistens, wie er denn auch auf die längliche Gestalt des Farbenbildes unsere Aufmerksamkeit hinlenkt. Unter seiner theoretischen Terminologie finden wir auch schon Strahlenbündel. Da ihm manche Erfahrungen und Versuche, die erst später bekannt geworden, in der Reihe seines Vortrags abgehen, so zeigen sich in demselben Lücken und Sprünge und gar manches Unzulängliche, das ihm aber nicht zu Schulden kommt. Den Regenbogen mit seinen Umständen und Bedingungen führt er sorgfältig aus; die Farben desselben weiß er nicht abzuleiten.

Robert Boyle

geboren 1627, gestorben 1691

Die Scheidung zwischen Geist und Körper, Seele und Leib, Gott und Welt war zustande gekommen. Sittenlehre und Religion fanden ihren Vorteil dabei: denn indem der Mensch seine Freiheit behaupten will, muß er sich der Natur entgegensetzen; indem er sich zu Gott zu erheben strebt, muß er sie hinter sich lassen, und in beiden Fällen kann man ihm nicht verdenken, wenn er ihr so wenig als möglich zuschreibt, ja wenn er sie als etwas Feindseliges und Lästiges ansieht. Verfolgt wurden daher solche Männer, die an eine Wiedervereinigung des Getrennten dachten. Als man die teleologische Erklärungsart verbannte, nahm man der Natur den Verstand; man hatte den Mut nicht, ihr Vernunft zuzuschreiben und sie blieb zuletzt geistlos liegen. Was man von ihr verlangte, waren technische, mechanische Dienste, und man fand sie zuletzt auch nur in diesem Sinne faßlich und begreiflich.

Auf diese Weise läßt sich einsehen, wie das zarte, fromme Gemüt eines Robert Boyle sich für die Natur interessieren, sich zeitlebens mit ihr beschäftigen und doch ihr weiter nichts abgewinnen konnte, als daß sie ein Wesen sei, das sich ausdehnen und zusammenziehen, mischen und sondern lasse, dessen Teile, indem sie durch Druck, Stoß gegeneinander arbeiten und sich in die verschiedensten Lagen begeben, auch verschiedene Wirkungen auf unsre Sinne hervorbringen.

In die Farbenlehre war er von der chemischen Seite hereingekommen. Er ist der erste seit Theophrast, der Anstalt macht, eine Sammlung der Phänomene aufzustellen und eine Übersicht zu geben. Er betreibt das Geschäft nur gelegentlich und zaudert, seine Arbeit abzuschließen; zuletzt, als ihm eine Augenkrankheit hinderlich ist, ordnet er seine Erfahrungen, so gut es gehen will, zusammen, in der Form als wenn er das Unvollständige einem jungen Freunde zu weiterer Bearbeitung übergäbe. Dabei möchte er zwar gern von einer Seite das Ansehen haben, als wenn er nur Erfahrungen zusammenstellte, ohne eben dadurch eine Hypothese begründen zu wollen; allein er ist von der andern Seite aufrichtig genug, zu gestehen, daß er sich zur korpuskularen mechanischen Erklärungsart hinneige und mit dieser am weitesten auszulangen glaube. Er bearbeitet daher das Weiße und Schwarze am ausführlichsten, weil freilich bei diesem noch am ersten ein gewisser Mechanismus plausibel werden dürfte. Was aber die eigentlich farbigen Phänomene der Körper, sowie was die apparenten Farben betrifft, bei diesen geht er weniger methodisch zu Werke, stellt aber eine Menge Erfahrungen zusammen, wel che interessant genug sind und nach ihm immer wieder zur Sprache gekommen. Auch haben wir sie, insofern wir es für nötig erachtet, in unserm Entwurfe, nach unserer Weise und Überzeugung aufgeführt.

Der Titel dieses Werkes in der lateinischen Ausgabe, der wir gefolgt sind, ist: Experimenta et considerationes de coloribus seu initium historiae experimentalis de Coloribus a Roberto Boyle. Londini 1665.

Seine ganze Denkart, seine Vorsätze, sein Tun und Leisten wird aus dem fünften Kapitel des ersten Teiles am klärsten und eigentlichsten erkannt, welches wir denn auch übersetzt hier einschalten.

 

Des ersten Teils fünftes Kapitel

I. »Es gibt, wie du weißt, mein Pyrophilus, außer jenen veralteten Meinungen von den Farben, die man schon längst verworfen hat, gar verschiedene Theorien, deren jede zu unserer Zeit von bedeutenden Männern in Schutz genommen wird. 1. Denn die peripatetischen Schulen, ob sie gleich wegen der besonderen Farben unter sich nicht ganz eins sind, kommen doch alle darin überein: die Farben seien einwohnende und wirkliche Eigenschaften, welche das Licht nur offenbare, nicht aber sie hervorzubringen etwas beitrage. 2. Alsdann gibt es unter den Neueren einige, die mit geringer Veränderung die Meinung Platons annehmen, und wie er die Farbe für eine Art Flamme hält, die aus den kleinsten Körperchen bestehe, welche von dem Objekt gleichsam ins Auge geschleudert worden und deren Figur mit den Poren des Auges sich in Übereinstimmung befinde; so lehren sie, die Farbe sei ein innres Licht der helleren Teile des Gegenstandes, welches durch die verschiedenen Mischungen der weniger leuchtenden Teile verdunkelt und verändert worden. 3. Nun gibt es andere, welche einigen der alten Atomisten nachfolgen und die Farbe zwar nicht für eine leuchtende Emanation, aber doch für einen körperlichen Ausfluß halten, der aus dem gefärbten Körper hervortritt. Aber die gelehrteren unter ihnen haben neulich ihre Hypothese verbessert, indem sie anerkannten und hinzufügten: es sei etwas äußeres Licht nötig, um diese Körperchen der Farbe zu reizen und anzuregen und sie zum Auge zu bringen. 4. Eine bedeutendere Meinung der neuern Philosophen ist sodann: die Farben entspringen aus einer Mischung des Lichts und der Finsternis oder vielmehr des Lichts und der Schatten, und diese Meinung ließe sich denn wohl gewissermaßen mit der vorhergehenden vereinigen. 5. Was die Chemiker betrifft, so schreibt die Menge derselben den Ursprung der Farben dem Prinzip des Schwefels in den Körpern zu, ob ich gleich finde, daß einige ihrer Anführer die Farben mehr vom Salz als vom Schwefel herleiten, ja andere sogar von dem dritten Elementarprinzip, dem Merkur. 6. Von des Cartesius Nachfolgern brauch’ ich dir nicht zu sagen, daß sie behaupten, die Empfindung des Lichtes werde von einem Anstoß hervorgebracht, welcher auf die Organe des Sehens von sehr kleinen und festen Kügelchen gewirkt wird, welche durch die Poren der Luft und andrer durchsichtiger Körper durchdringen können. Daraus versuchen sie denn auch, die Verschiedenheit der Farben zu erklären, indem sie die verschiedenen Bewegungen dieser Kügelchen und die Proportion der Bewegung zu der Rotation um ihren Mittelpunkt beachten, wodurch sie nämlich geschickt werden sollen, den optischen Nerven auf mancherlei Weise zu treffen, so daß man dadurch verschiedene Farben gewahr werden könne.«

II. »Außer diesen sechs vornehmsten Hypothesen kann es noch andre geben, mein Pyrophilus, die, obschon weniger bekannt, doch ebenso gut als diese deine Betrachtung verdienen. Erwarte aber nicht, daß ich sie gegenwärtig umständlich durcharbeite, da du den Zweck dieser Blätter und die mir vorgesetzte Kürze kennest. Deswegen will ich nur noch einiges im allgemeinen bemerken, was sich auf den Traktat, den du in Händen hast, besonders bezieht.«

III. »Und zwar gesteh’ ich dir zuerst, daß ich, obgleich die Anhänger der gedachten verschiedenen Hypothesen durch eine jede besonders und ausschließlich die Farben erklären und hiezu weiter keine Beihülfe annehmen wollen, was mich betrifft, zweifle: ob irgendeine dieser Hypothesen, wenn man alle andern ausschließt, der Sache genug tue. Denn mir ist wahrscheinlich, daß man das Weiße und Schwarze durch die bloße Reflexion, ohne Refraktion anzunehmen, erklären könne, wie ich es in nachstehender Abhandlung vom Ursprunge des Schwarzen und Weißen zu leisten gesucht habe. Da ich aber nicht habe finden können, daß durch irgendeine Mischung des Weißen und wahrhaft Schwarzen (denn hier ist nicht von einem Blauschwarz die Rede, welches viele für das echte halten) daß, sage ich, je daraus Blau, Gelb, Rot, geschweige denn die übrigen Farben könnten erzeugt werden; da wir ferner sehen, daß diese Farben durchs Prisma und andre durchsichtige Körper hervorzubringen sind mit Beihülfe der Brechung: so scheint es, man müsse die Brechung auch zu Hülfe nehmen, um einige Farben zu erklären, zu deren Entstehung sie beiträgt, weil sie auf eine oder die andre Weise den Schatten mit dem gebrochenen Lichte verbindet, oder auf eine Art, die wir gegenwärtig nicht abhandeln können. Scheint es nun einigen wahrscheinlich, daß die Poren der Luft und anderer durchsichtiger Körper durchaus mit solchen Kügelchen angefüllt sind, wie die Cartesianer voraussetzen, und daß zugleich die verschiedenen Bewegungsarten dieser Kügelchen in vielen Fällen von Bedeutung sind, um das verschiedene Gewahrwerden der Farbe bei uns zu bewirken, so läßt sich auch ohne diese Kügelchen, die man nicht so leicht beweisen kann, vorauszusetzen, überhaupt mit Wahrscheinlichkeit annehmen: das Auge könne mannigfaltig affiziert werden nicht allein von ganzen Lichtstrahlen, die darauf fallen, und zwar als solchen, sondern auch von der Ordnung derselben und dem Grade der Geschwindigkeit, und daß ich mich kurz fasse, nach der Art und Weise, wie die Teilchen, woraus die einzelnen Strahlen bestehen, zu dem Sinn gelangen, dergestalt daß, welche Figur auch jene kleinen Körper haben, aus denen die Lichtstrahlen bestehen, sie nicht allein durch ihre Geschwindigkeit oder Langsamkeit der Entwicklung oder Rotation im Fortschreiten, sondern noch mehr durch ihre absolute Schnelligkeit, ihre direkte oder wogende Bewegung und andre Zufälligkeiten, welche ihren Stoß aufs Auge begleiten können, geschickt sind, verschiedenartige Eindrücke zu erregen.«

IV. »Zweitens muß ich dich, wegen dieser und ähnlicher Betrachtungen, mein Pyrophilus, bitten, daß du diese kleine Abhandlung ansehest, nicht als eine Dissertation, die geschrieben sei, um eine der vorstehenden Hypothesen ausschließlich vor allen andern zu verteidigen, oder eine neue, welche mein wäre, dafür aufzustellen; sondern als einen Anfang einer Geschichte der Farben, worauf, wenn sie erst durch dich und deine geistreichen Freunde bereichert worden, eine gründliche Theorie könne aufgebaut werden. Weil aber diese Geschichte nicht bloß als Katalog der darin überlieferten Sachen anzusehen ist, sondern auch als ein Apparat zu einer gründlichen und umfassenden Hypothese, hielt ich es der Sache gemäß, so meine ganze Dissertation zu stellen, daß ich sie zu jenem Zweck so brauchbar machte, als es sich wollte tun lassen. Deswegen zweifelte ich nicht, dir zu bezeugen, ich sei geneigt gewesen, sowohl dir die Arbeit zu ersparen, verschiedene unzulängliche Theorien, die dich niemals zu deinem Zweck führen würden, selbst zu erforschen, als überhaupt deine Untersuchungen zu vereinfachen, weshalb ich mir zweierlei zum Augenmerk nahm, einmal daß ich gewisse Versuche aufzeichnete, welche durch Hülfe begleitender Betrachtungen und Erinnerungen dir dienen könnten, die Schwäche und Unzulänglichkeit der gemeinen peripatetischen Lehre und der gegenwärtig mit noch mehr Beifall aufgenommenen Theorie der Chemiker von den Farben einzusehen. Denn da diese beiden Lehren sich festgesetzt haben, und zwar die eine in den meisten Schulen, die andre aber bei den meisten Ärzten und andern gelehrten Männern, deren Leben und Berufsart nicht erlaubt, daß sie die eigentlichsten ersten und einfachsten Naturanfänge gewissenhaft untersuchten, so glaubt’ ich wenig Nützliches zu leisten, wenn ich nicht etwas täte, die Unzulänglichkeit dieser Hypothesen offenbar zu machen. Deswegen ich denn zweitens unter meine Versuche diejenigen in größerer Zahl aufgenommen, welche dir zeigen mögen, daß ich jener Meinung geneigt bin, welche behauptet, die Farbe sei eine Modifikation des Lichtes, wodurch ich dich anlocken wollen, diese Hypothese weiter auszubilden und dahin zu erheben, daß du vermittelst derselben die Erzeugung der besondern Farben erklären könnest, wie ich bemüht gewesen, sie zur Erklärung des Weißen und Schwarzen anzuwenden.«

V. »Zum dritten aber, mein Pyrophilus, ob dieses zwar gegenwärtig die Hypothese ist, die ich vorziehe, so schlage ich sie doch nur im allgemeinen Sinne vor, indem ich nur lehre: die Lichtstrahlen werden von den Körpern, woher sie zurückgeworfen oder gebrochen zum Auge kommen, modifiziert und bringen so jene Empfindung hervor, welche wir Farbe zu nennen pflegen. Ob aber diese Modifikation des Lichts geschehe, indem es mit den Schatten gemischt wird, oder durch ein verschiedenes Verhältnis der Bewegung und Rotation der Kügelchen des Cartesius, oder auf irgendeine andre Weise, dies unterstehe ich mich nicht hier auszumachen. Viel weniger unterstehe ich mich anzugeben, ja ich glaube nicht einmal alles Wissensnötige zu wissen, um dir oder auch mir selbst eine vollkommene Theorie des Sehens und der Farben zu überliefern. Denn erstlich, um dergleichen zu unternehmen, müßte ich zuvor einsehen, was das Licht sei, und wenn es ein Körper ist, und das scheint es wohl oder doch die Bewegung eines Körpers zu sein, aus was für einer Art Körperchen nach Größe und Figur es bestehe, mit welcher Geschwindigkeit sie vorschreiten und sich um ihre Mittelpunkte bewegen; hernach möchte ich die Natur der Brechung erkennen, welche von den geheimsten ist, wenn du sie nicht scheinbar, sondern gründlich erklären willst, die ich nur in der Naturlehre gefunden habe. Dann möchte ich wissen, welche Art und welcher Grad der Vermischung der Finsternis oder der Schatten bei Refraktionen und Reflexionen oder durch beide geschehe, auf den oberflächlichen Teilen der Körper, welche erleuchtet immer nur eine Farbe zeigen, die blaue, gelbe, rote. Dann wünscht’ ich unterrichtet zu sein, warum die Verbindung des Lichtes und Schattens, welche zum Beispiel von dem Häutchen einer reifen Kirsche gewirkt wird eine rote Farbe zeige, nicht aber eine grüne, und das Blatt desselben Baums mehr eine grüne als eine rote Farbe. Zuletzt auch, warum das Licht, das zu solchen Farben modifiziert ist, wenn es nur aus Körperchen besteht, welche gegen die Retina oder das Mark des optischen Nerven bewegt werden, nicht bloß ein Stechen, sondern eine Farbe hervor bringe, da doch die Nadel, wenn sie das Auge verwundet, keine Farbe, sondern einen Schmerz hervorbringen würde. Dies und anderes wünscht’ ich zu wissen, ehe ich glaubte, die wahre und vollkommene Natur der Farben erkannt zu haben. Daher, ob ich gleich durch die Versuche und Betrachtungen, die ich in diesem Büchelchen überliefre, einigermaßen meine Unwissenheit in dieser Sache zu mindern gesucht habe und es für viel besser halte, etwas als gar nichts zu entdecken, so nehme ich mir doch nur vor, durch die Versuche, welche ich darlege, wahrscheinlich zu machen, daß sich einige Farben sehr wohl durch die hier überlieferte Lehre im allgemeinen erklären lassen. Denn so oft ich mich auf eine ins einzelne gehende und genaue Erklärung des Besondern einlassen soll, empfinde ich die große Dunkelheit der Dinge, selbst die nicht ausgenommen, die wir nicht anders zu Gesicht bekommen, als wenn sie erleuchtet werden, und ich stimme Scaligern bei, wenn er von der Natur der Farbe handlend spricht: die Natur verbirgt diese sowie andre Erscheinungen in die tiefste Dunkelheit des menschlichen Unwissens.«

So unverkennbar auch aus dem Vortrage Boyles die Vorliebe, gewisse Farbenphänomene mechanisch zu erklären, erhellt, so bescheiden drückt er sich doch gegen andere Theorien und Hypothesen aus, so sehr empfindet er, daß noch andre Arten von Erklärungen, Ableitungen möglich und zulässig wären; er bekennt, daß noch lange nicht genug vorgearbeitet sei, und läßt uns zuletzt in einem schwankenden zweifelhaften Zustande.

Wenn er nun von einer Seite, durch die vielfachen Erfahrungen, die er gesammlet, sich bei den Naturforschern Ansehen und Dank erwarb, so daß dasjenige, was er mitgeteilt und überliefert, lange Zeit in der Naturlehre Wert und Gültigkeit behielt, in allen Lehrbüchern wiederholt und fortgepflanzt wurde, so war doch von der andern Seite seine Gesinnung viel zu zart, seine Äußerungen zu schwankend, seine Forderungen zu breit, seine Zwecke zu unabsehlich, als daß er nicht hätte durch eine neu eintretende ausschließende Theorie leicht verdrängt werden können, da ein lernbegieriges Publikum am liebsten nach einer Lehre greift, woran es sich festhalten und wodurch es aller weitern Zweifel, alles weitern Nachdenkens bequem überhoben wird.

Hooke

geboren 1635, gestorben 1703

Er ist mehr ein emsiger als ein fleißiger Beobachter und Experimentator zu nennen. Er blickt überall um sich her, und seine unruhige Tätigkeit verbreitet sich über die ganze Naturlehre. Man muß ihm zugestehen, daß er gute Entdeckungen gemacht, Entdecktes glücklich bearbeitet habe; doch ist er kein theoretischer Kopf, nicht einmal ein methodischer.

Die Lehre von Licht und Farben ist ihm manches schuldig. Er beobachtet die brechende Kraft des Eises, bemerkt mit Grimaldi die Ablenkung des Lichtes und tut Vorschläge, wie man die Sonne anschauen könne, ohne geblendet zu werden; richtet eine tragbare Camera obscura zu bequemerer Abzeichnung ein und bemüht sich ums reflektierende Teleskop.

Seine Farbenlehre ist freilich barock. Er nimmt nur zwei Farben an, Blau und Rot; diese sollen durch schiefe oder ungleiche Erschütterung aufs Auge erregt werden. Seitdem Descartes die Lehre von dem Lichte materialisiert und mechanisiert hatte, so können sich die Denker nicht wieder aus diesem Kreise herausfinden: denn diejenigen, welche Licht und Farben nicht materiell nehmen wollen, müssen doch zur mechanischen Erklärung greifen, und so schwankt die Lehre immerfort in einem unfruchtbaren Raume, sie mag sich nach der dynamischen oder atomistischen Seite neigen.

Das Kapitel der Farben, die wir epoptische genannt haben, ist ihm mancherlei schuldig. Er macht auf den Versuch mit den Seifenblasen aufmerksam, auf die farbigen Kreise im russischen Glase und zwischen den aneinandergedruckten Glasplatten. Doch konnte er diese Erscheinungen nicht zusammenbringen noch rubrizieren.

Was von ihm als Sekretär der Londner Sozietät und als Gegner Newtons zu sagen ist, wird künftig beigebracht werden.

Nicolaus Malebranche

geboren 1638, gestorben 1715

Réflexions sur la lumière et les couleurs et la génération du feu par le Père Malebranche. Mémoires de l’Académie royale 1699.

»Die Philosophie hat das Joch der Autorität völlig abgeworfen, und die größten Philosophen überreden uns nur noch durch ihre Gründe. So scharfsinnig auch das System über das Licht von Herrn Descartes sein mag, so hat es doch der Pater Malebranche verlassen, um ein andres aufzustellen, das nach dem System des Tones gebildet ist, und diese Ähnlichkeit selbst kann für die Wahrheit desselben zeugen bei solchen, welchen bekannt ist, wie sehr die Natur, was die allgemeinen Prinzipien betrifft, gleichförmig sei.«

»Man ist überzeugt, daß der Ton hervorgebracht wird durch das Zittern oder Schwingen unmerklicher Teile des klingenden Körpers. Größere oder kleinere Schwingungen, das heißt solche, welche größere oder kleinere Bogen desselben Kreises machen, begeben sich für die Empfindung in gleichen Zeiten, und die Töne, welche sie hervorbringen, können nicht unterschieden sein, als daß sie stärker oder schwächer sind. Die stärkern werden durch die größeren Schwingungen hervorgebracht, die schwachen durch die kleineren. Gesetzt aber, es entstehe zu gleicher Zeit eine größere Anzahl Schwingungen in einem Körper als in einem andern, so werden diejenigen, welche in größerer Zahl entstehen, weil sie gedrängter und sozusagen lebhafter sind, von einer verschiedenen Art sein als die andern. Die Klänge also sind auch der Art nach verschieden, und das ist, was man die Töne nennt. Die schnellsten Vibrationen bringen die hohen Töne hervor und die langsamsten die tiefen. Diese Grundsätze, welche von allen Philosophen angenommen werden, lassen sich leicht auf das Licht und die Farben anwenden. Alle die kleinsten Teile eines leuchtenden Körpers sind in einer sehr schnellen Bewegung, welche von Augenblick zu Augenblick durch sehr lebhafte Erschütterungen die ganze äußerst zarte, bis zum Auge reichende Materie zusammendrückt und in ihr, nach Pater Malebranche, Schwingungen des Drucks hervorbringt. Sind diese Schwingungen größer, so erscheint der Körper leuchtender oder mehr erhellt; sind sie schneller oder langsamer, so ist er von dieser oder jener Farbe; und daher kommt, daß der Grad des Lichtes gewöhnlich nicht die Art der Farben verändert und daß sie bei stärkerer oder schwächerer Beleuchtung immer als dieselben erscheinen, obgleich mehr oder weniger lebhaft. Können nun diese Schwingungen, welche zu gleicher Zeit hervorgebracht werden, aber an Zahl verschieden sind, nach aller möglichen Art von Zahlenverhältnissen verschieden sein, so kann man deutlich erkennen, daß aus dieser unendlichen Verschiedenheit der Verhältnisse auch die Verschiedenheit der Farben entstehen muß und daß die verschiedensten Farben auch aus den verschiedensten und am weitsten von der Gleichheit entfernten Verhältnissen entspringen müssen; zum Beispiel wenn ein gefärbter Körper vier Schwingungen des Drucks auf die zarte Materie hervorbringt, indessen ein andrer nur zwei, so wird er an Farbe davon verschiedener sein, als wenn er nur drei Schwingungen machte.«

»Man hat in der Musik die Verhältnisse der Zahlen bestimmt, welche die verschiedenen Töne hervorbringen; aber es läßt sich nicht hoffen, daß dieses auch bei den Farben gelinge.«

»Die Erfahrung belehrt uns, daß, wenn man einige Zeit die Sonne oder einen andern sehr erleuchteten Gegenstand angesehen und darauf das Auge schließt, man erst Weiß sieht, sodann Gelb, Rot, Blau, endlich Schwarz; daher man denn folgerecht schließen kann, vorausgesetzt, daß diese Ordnung immer dieselbige sei, daß die Farben, welche zuerst erscheinen, durch schnellere Schwingungen hervorgebracht werden, weil die Bewegung, welche auf der Netzhaut durch den leuchtenden Gegenstand gewirkt wird, sich immerfort vermindert.«

»Bei dieser Gelegenheit erzählte Herr Homberg der Akademie eine Erfahrung, die er über die Ordnung und die Folge der verschiedenen Farben gemacht hatte. Er nahm nämlich ein Glas, das von beiden Seiten rauh und deshalb wenig durchsichtig war. Er brachte es vor eine Öffnung und ließ es vom Lichte bescheinen. Indem er nun durch das Glas hindurch sah, konnte er draußen nur die weißen Gegenstände bemerken, keinesweges aber die von einer andern Farbe. Nun polierte er ein wenig das Glas und sah nun das Weiße besser, wobei sich das Gelbe zu zeigen anfing. Je mehr er nun das Glas glättete, wurden die übrigen Farben in folgender Ordnung sichtbar: Gelb, Grün, Rot, Blau und Schwarz.«

»Nach dem System des Herrn Descartes wird das Licht durch die Kügelchen des zweiten Elements fortgepflanzt, welche die zarte Materie des leuchtenden Körpers in grader Linie fortstößt. Was aber die Farben bildet, ist der Umstand, daß diese Kügelchen, außer der direkten Bewegung, bestimmt sind sich zu drehen, und daß aus der verschiedenen Verbindung der direkten und zirkelnden Bewegung die verschiedenen Farben entstehen. Da aber diese Kügelchen nach gedachtem System hart sein müßten, wie kann nun dasselbige Kügelchen zu gleicher Zeit sich auf verschiedene Art herumwälzen, welches doch nötig sein müßte, wenn die verschiedenen Strahlen, welche verschiedene Farben nach dem Auge bringen, sich in einem Punkte kreuzen sollten, ohne sich zu verwirren und zu zerstören, welches sie doch nicht tun, wie uns die Erfahrung lehrt.«

»Deswegen hat der Pater Malebranche an die Stelle dieser harten Kügelchen kleine Wirbel von subtiler Materie gesetzt welche sich leicht zusammendrücken lassen und an ihren verschiedenen Seiten auf verschiedene Weise zusammengedrückt werden können: denn so klein man sie sich auch denkt, so haben sie Teile, denn die Materie ist ins Unendliche teilbar, und die kleinste Sphäre kann sich auf allen Punkten mit der größten, die man sich denken mag, berühren.«

Johann Christoph Sturm

geboren 1635, gestorben 1703

Physica electiva sive hypothetica. Norimbergae 1697.

Die Lehre von den Farben behandelt er wie die übrigen Rubriken. Erst bringt er ohne sonderliche Ordnung und Methode die Phänomene vor, wie sie ihm die Schriftsteller überlieferten; dann die Meinungen der Alten und Neuern, jedoch keineswegs vollständig; zuletzt wählt er sich aus alle dem bisher Gesagten und Theoretisierten dasjenige, womit er sich notdürftig über die Erscheinungen hinaus zu helfen glaubt. Es ist überall nur Druck und Papier und nirgends Natur. Wie sehr wäre zu wünschen gewesen, daß ein geistreicher Mann diese Arbeit übernommen und seinen Nachfolgern durchgreifender vorgearbeitet hätte.

Funccius

De coloribus coeli. Ulmae 1716. Eine frühere Ausgabe von 1705 ist mir nicht zu Gesicht gekommen.

Daß etwas Schattiges zum Lichte oder zum Hellen hinzutreten müsse, damit Farben entstehen können, hatte Kircher sehr umständlich zur Sprache gebracht. Einer seiner Zeitgenossen, Honoratus Fabri, gleichfalls Jesuit, ist von derselben Überzeugung durchdrungen. Er wendet sich aber, um die Sache näher zu bestimmen und die verschiedenen Farben entstehen zu lassen, zu einer quantitativen Erklärung, auf welche Aristoteles schon hingedeutet, und nimmt an, daß vom Weißen das reine gedrängte Licht zurückstrahle, daß Rot aus gleichen Teilen von Licht und Schatten bestehe, Gelb aus zwei Teilen Licht und einem Teil Schatten, Blau aus zwei Teilen Schatten und einem Teile Licht.

Auf demselben Wege geht Funccius, indem er von den atmosphärischen Farben handelt. Unsere Leser, denen bekannt ist, wie sich die meisten farbigen Himmelserscheinungen kürzlich und bequem aus der Lehre von den trüben Mitteln herleiten lassen, möchten sich wohl wundern, wie ein ganzes Büchlein darüber zu schreiben gewesen.

Der Verfasser geht freilich etwas umständlich zu Werke. Erst leitet er, wie seine Vorgänger, die farbigen Erscheinungen von einer Verbindung des Hellen und Dunkeln, von einer Vermählung des Lichts mit dem Schatten, sodann die atmosphärischen von einer Wirkung der Sonne auf Nebel und Wolken her. Allein der notwendige Gegensatz, wodurch an der einen Seite das Gelbe, an der andern das Blaue nahe bis an den Purpur gesteigert werden, war ihm nicht deutlich geworden. Er sah wohl ein, daß vom Gelben bis zum Purpur und rückwärts eine Art von quantitativem Verhältnis stattfinde; aber er wollte auf eben diesem Wege über den Purpur hinaus ins Blaue, um so mehr, als wirklich die Sonne auf der höchsten Stufe der Mäßigung ihres Lichtes durch trübe Dünste eine Art von bläulichem Schein anzunehmen genötigt werden kann. Allein es gelang ihm die Ableitung der schönen Himmelsbläue nicht, und sein ganzes Werk wird dadurch unzulänglich. Er polemisiert mit sich selbst und andern, keineswegs zwecklos und ungeschickt, aber weder stringent noch glücklich.

Da er sich von der quantitativen Steigerung überzeugt hat, so fängt er an, die Farben mit Zahlen und Brüchen auszudrücken, wodurch denn der Vortrag nur krauser wird, ohne daß für die Behandlung selbst der mindeste Gewinn entspränge.

Lazarus Nuguet

Französischer Priester, wahrscheinlich Jesuit, beschäftigte sich überhaupt mit Physik und ließ in das sogenannte Journal de Trevoux April 1705., p. 675 einen Aufsatz über Farben einrücken, den wir übersetzt und mit einigen Anmerkungen begleitet mitteilen. Das Wahre, was er enthält, ist, wie so manches andere, was in diesem Journal Platz gefunden, beiseite gedrängt worden, weil diese in vielen Stücken parteiische Zeitschrift sich einer mächtigern Partei, der akademischen, entgegensetzte.

So wird im Journal des Savans, im Supplement zum Juli 1707, der Beschreibung eines neuen Thermometers gedacht, welche Nuguet 1706 herausgegeben, worin er sich über die Erfindung vielleicht mit allzu großer Selbstgefälligkeit mochte geäußert haben. Man persifliert sein Thermometer, und bei dieser Gelegenheit auch sein Farbensystem, wobei man, um seine etwanigen Verdienste herabzusetzen, ihm die Ehre der Erfindung abspricht und bemerkt, daß Honoratus Fabri schon das Ähnliche behauptet, als wenn es nicht verdienstlich genug wäre, ein richtiges Aperçu aufzufassen, das andre schon gehabt, und das, was sie bis auf einen gewissen Grad gefördert, weiter auszuarbeiten und auf den rechten Punkt hinzuführen. Wir wollen ihn vor allen Dingen selbst hören.

Nuguets Farbensystem

»Um mich einmal gründlich von der wahrhaften Ursache der Farben und von dem, was ihren Unterschied macht, zu unterrichten, glaubte ich nichts Besseres tun zu können, als deshalb die Natur zu befragen, indem ich mit Sorgfalt die vorzüglichsten Veränderungen bemerkte, die sich zeigen, wenn Farben hervortreten und wechseln, damit ich nachher ein System feststellen könnte, das auf gründlichen Untersuchungen ruhte, welche klar und unzweideutig die Wahrheit bezeugten. Und so bemerkte ich«

»Erstlich, daß alle Farben in der Finsternis verschwanden. Daraus war ich berechtigt zu schließen, daß das Licht zu den Farben wesentlich erforderlich sei.«

»Zweitens, daß keine Farben entstehen in einem völlig durchsichtigen Mittel, so sehr es auch erleuchtet sei, eben weil darin nichts zugegen ist als Licht ohne Schatten. Daraus mußte ich schließen, daß der Schatten ebenso wesentlich den Farben sei als das Licht.«

»Drittens bemerkte ich, daß verschiedene Farben entstehen gerade in der Gegend, wo Licht und Schatten sich verschiedentlich vermischen, zum Beispiel wenn die Lichtstrahlen auf irgendeinen dunklen Körper fielen oder durch das dreiseitige Prisma durchgingen. Daher schloß ich sogleich, daß die Farben einzig und allein aus der Vermischung des Lichtes und des Schattens, und ihre Verschiedenheit aus der Verschiedenheit dieser beiden entsprängen.«

»Ferner um zu bestimmen, worin jede Farbe besonders bestehe, so stellte ich mancherlei Versuche an, aus denen man nicht allein erkennt, worin ganz genau jede Urfarbe von allen andern unterschieden ist, sondern die auch zugleich ganz unumstößlich beweisen, daß die Farben nichts anders sind als Schatten und Licht zusammengemischt. Hier sind nun die vorzüglichsten.«

I. »Wenn ich durch ein Brennglas mehrere Lichtstrahlen auf ein schwarzes Tuch versammelte, so bemerkte ich, daß der Ort, wo die Strahlen sich vereinigten, merklich weiß erschien; dagegen aber, wenn ich eine Flasche voll Wasser zwischen ein angezündetes Licht und ein weiß Papier setzte, so erschienen die Stellen des Papiers, wo nur wenig Strahlen zusammenkamen, schwarz. Daraus zieh’ ich die Folge, daß das Weiße aus Lichtstrahlen bestand, die wenig oder gar keinen Schatten enthielten; das Schwarze dagegen aus reinem Schatten oder doch nur mit wenig Licht vermischt; sodann überzeugte ich mich, daß Schwarz und Weiß die erste Materie aller Farben sei, aber daß sie, um eigentlich zu reden, selbst nicht wirkliche Farben seien.«

II. »Wenn man ein Glas roten Wein auf ein weiß Papier setzt und dann eine brennende Kerze dergestalt richtet, daß ihr Licht durch den Wein geht und sich auf irgendeinem Fleck des Papiers endigt, so wird man daselbst ein sehr glänzendes Rot sehen; nähert man aber diesem Rot ein andres brennendes Licht, so wird es merklich gelb. Ebenso verwandelt sich das Rot des prismatischen Farbenbildes, das glänzend und tief an einem schattigen Orte ist, sogleich in Gelb, wenn man das Bild auf einen Fleck fallen läßt, auf den die Strahlen der Sonne unmittelbar auffallen. Daraus konnte ich schließen, daß das Rot mehr Schatten und weniger Licht enthalte denn das Gelbe.«

III. »Wenn man durch einen Brennspiegel mehrere Sonnenstrahlen zusammenzieht und sie auf ein prismatisches Farbenbild wirft, das man vorher in einem mittelmäßig erhellten Zimmer durch ein Prisma sehr glänzend farbig hervorgebracht, so verschwinden diese Farben sogleich; welches ganz deutlich beweist, daß die ursprünglichen Farben notwendigerweise einen gewissen Anteil Schatten mit sich führen, der, wenn er durch die häufig auf diese Farbe versammelten Strahlen zerstreut und aufgehoben wird, sie auch sogleich verschwinden läßt.«

IV. »Nimmt man fünf Blätter Papier von fünf verschiedenen Farben, nämlich ein violettes, blaues, rotes, grünes und gelbes, und man stellt sie übereinander in verschiedenen Reihen an einen Ort, wohin man das prismatische Farbenbild bringen kann; so wird man deutlich sehen, daß das Rote dieses Farbenbildes dunkler und tiefer ist auf dem violetten Papier als auf dem blauen, auf dem blauen mehr als auf dem roten, auf dem roten mehr als auf dem grünen, auf dem grünen mehr als auf dem gelben. Diese Erfahrung, die ich sehr oft mit demselbigen Erfolg wiederholt habe, ist ein überzeugender Beweis, daß das Violette mehr Schatten als das Blaue, das Blaue mehr als das Rote, das Rote mehr als das Grüne, das Grüne mehr als das Gelbe in sich enthalte. Denn eine Farbe verfinstert sich nur nach Maßgabe des Schattens, mit dem sie sich vermischt.«

V. »Hat man acht auf die Art und Weise, wie die Lichtstrahlen durchs Prisma hindurchgehen, auf die Brechungen, welche diese Strahlen erleiden, auf die Schatten, die eine natürliche Folge dieser Brechungen sind, so bemerkt man, daß das Gelbe des prismatischen Farbenbildes mehr Licht und weniger Schatten als alle übrigen Farben enthält, das Grüne mehr Licht und weniger Schatten als das Blaue, das Blaue mehr Licht und weniger Schatten als das Violette, das Violette mehr Schatten und weniger Licht als alle übrigen Farben des Prismas. Denn die Erfahrung hatte mich gelehrt, daß das Rote und Violette von beiden Seiten durch Strahlen hervorgebracht wurde, die unmittelbar von Schatten umgeben waren, verursacht durch Brechungen, welche diese Strahlen beim Durchgang durchs Prisma erlitten hatten; mit dem einzigen Unterschied, daß diejenigen Strahlen, welche das Violette verursachten, durch die Brechung sich dem Schatten näherten, an den sie anstießen, anstatt daß diejenigen, die das Rote bildeten, sich durch die Brechung vom Schatten entfernten, der sie unmittelbar umgab. Daher schloß ich, a) daß die Strahlen, welche das Violette hervorbringen, mehr Schatten enthalten als diejenigen, die das Rote bilden, weil diese sich durch die Wirkung der Refraktion vom Schatten entfernen, der sie umgab, anstatt daß sich die andern dem Schatten annäherten, der ihnen unmittelbar nach der Brechung nahe lag. Ich folgerte, b) daß das Gelbe weniger Schatten enthalte als das Rote, das Blaue weniger als das Violette; c) daß das Grüne, das nur ein Gemisch des Gelben und Blauen ist, weniger Schatten enthalte als das Blaue und mehr als das Gelbe; d) endlich, daß das Violette mehr Schatten enthalte als keine andre Farbe, weil es durch Strahlen gebildet war, die sich der Brechung gemäß gegen den Schatten bewegten, der ihnen unmittelbar begegnete. Diese kurze und natürliche Erklärung der prismatischen Farben ist augenscheinlich bekräftigt durch folgenden Versuch, der so angenehm als leicht auszuführen ist.«

VI. »Um diesen Versuch zu machen, wählte ich die Zeit, als die Sonne auf Häuser traf, die dem Fenster einer ziemlich dunklen Kammer, wo ich mich damals befand, entgegenstanden, dergestalt, daß die zurückgeworfenen Sonnenstrahlen die eine Seite des Fensters bedeutender erhellten als die andre. Auf einen Tisch, der nicht weit von der Öffnung stand, legte ich sodann ein weißes Papier, worauf das Licht der zwei Zurückstrahlungen fiel. Nachdem ich das Fenster geschlossen hatte, erhob ich meine Hand ein wenig über das Papier, um auf beiden Seiten Schatten zu erregen, und sogleich bemerkte ich auf dem Papier vier deutliche Farben: Gelb, Blau, Grün und Violett. Das Gelbe erschien jedesmal an der Stelle, wo das stärkste Licht sich mit dem schwächsten Schatten verband, das heißt auf der Seite der stärksten Widerstrahlung; das Blau dagegen zeigte sich nur an der Stelle, wo das schwächste Licht sich mit dem stärksten Schatten vereinigte, das heißt an der Seite der geringsten Widerstrahlung; das Violette zeigte sich immer an der Stelle, wo die Schatten der zwei Widerstrahlungen zusammenliefen; und das Grüne entstand durch die Vermischung des Gelben und Blauen. Alle diese Farben entstanden nur aus den verschiedenen Vermischungen von Licht und Schatten, wie es offenbar ist, und sie verschwanden sogleich, nachdem die Sonne aufgehört hatte, auf die Häuser zu leuchten, die dem Zimmer, wo ich den Versuch machte, entgegenstunden, obgleich sonst der Tag noch sehr hell war. Um nun aufs neue dieselben Farben wieder darzustellen, ohne daß man Zurückstrahlungen der Sonne von ungleicher Kraft nötig hätte, nahm ich ein angezündetes Licht und ein Buch in Quart, das mir Schatten auf das Papier gäbe, um verschiedene Mischungen des Tageslichts und seines Schattens mit dem Kerzenlicht und dessen Schatten hervorzubringen: denn ich vermutete, daß auch hier sich Farben zeigen müßten, welches mir vollkommen gelang. Denn das Tageslicht und der Schatten des Kerzenlichtes bildeten Blau durch ihr Zusammentreffen; der Schatten des Tageslichts und das Licht der Kerze brachten das Gelbe hervor, und wenn man sodann das Gelbe mit dem Blauen verband, welches sehr leicht war, so entstand ein sehr deutlich Grün.«

»Diese drei letzten Versuche beweisen ganz klar: einmal, daß die Farben in nichts anderem bestehen als in Mischung von Licht und Schatten und ihre Verschiedenheit in der Verschiedenheit der Mischungen, die man machen kann; sodann, daß das Violette von den andern ursprünglichen Farben sich dadurch unterscheidet, daß es mehr Schatten hat als die übrigen; das Gelbe, daß es weniger Schatten hat als die andern; das Grüne, daß es mehr Schatten hat als das Gelbe und weniger als alle übrigen; das Rote, daß es mehr Schatten enthält als Gelb und Grün, weniger als Blau und Violett; das Blaue zuletzt, daß es weniger Schatten enthält als das Violette und mehr als die übrigen ursprünglichen Farben. Und weil in diesen drei Versuchen dieselbigen Farben immer entsprangen durch dieselbigen Mischungen von Schatten und Licht, und da sie sogleich verschwanden, wenn jene beiden aufgehoben waren, so sehen wir darin eine überzeugende Probe von der Wahrheit des vorgeschlagenen Systems.«

»Und da man in diesem System eine sichre Ursache der Natur der Farben überhaupt und einer jeden ursprünglichen besonders angeben kann, so ist es unnötig, zu unbekannten Ursachen seine Zuflucht zu nehmen, wie zum Beispiel die stärkeren oder schwächeren Schwingungen einer subtilen Materie oder die verschiedenen Umdrehungen der kugelartigen Materie, welches bloße Fiktionen des Geistes sind, die keinen Grund in der Natur haben und deren Existenz weder vom Pater Malebranche, dem Erfinder der ersten, noch von Descartes, dem Erfinder der andern, ist dargetan worden.«

»Aus allem Vorhergesagten folgt also, daß alle Farben aus Gelb und Blau zusammengesetzt sind: denn das Grüne ist nur eine Vermischung von Gelb und Blau, wie denn gelbes und blaues Glas aufeinander gelegt ein Grünes hervorbringt; das Rote ist nur ein Gelb mit Schatten gemischt, wie es früher bewiesen worden; das Violette ist nur eine Mischung von vielem Blau mit wenig Rot, wie man erfahren kann, wenn man mehrere blaue Gläser und ein rotes zusammenlegt. Weil aber das Blau selbst nur eine Mischung von Schatten und wenigem Licht, das Gelbe eine Mischung von vielem Licht und wenigem Schatten ist, wie wir oben gezeigt haben, so ist offenbar, daß alle Farben ursprünglich von dem Schwarzen und Weißen herkommen, oder was einerlei ist, von Licht und Schatten.«

»Weil man aber das Wort Farbe in verschiedenem Sinne nimmt, so betrachten wir, um alle Zweideutigkeit zu vermeiden, die Farben unter vier verschiedenen Bedingungen, nämlich im gefärbten Gegenstande, im durchsichtigen Mittel, im Sehorgan und in der Seele.«

»Die Farben in dem gefärbten Gegenstande sind nach dem aufgestellten System alles dasjenige, was Gelegenheit gibt, daß sich auf erforderliche Weise Licht und Schatten zu Farben verbinden, es mögen nun die Körper, welche zu solchen Vermischungen Gelegenheit geben, durchsichtig oder undurchsichtig sein.«

»Die Farben, betrachtet in dem Mittel, wodurch sie zu uns gelangen, bestehen auch in Verbindung des Schattens und des Lichtes, oder welches dasselbe ist, in den verschiedenen Entfernungen der Lichtstrahlen bezüglich untereinander.«

»Die Farben von der Seite des Organs sind nichts anders als eine Erschütterung von mehr oder weniger Nervenfasern, die sich in der Proportion voneinander entfernen, wie die Entfernung der Lichtstrahlen untereinander war, welche die Retina erschütterten.«

»Endlich die Farben in Bezug auf die Seele bestehen in verschiedenen Perzeptionen der Seele, welche verursacht werden durch die Erschütterungen von mehr oder weniger Nervenfasern des Auges.«

»Dieses vorausgesetzt, so läßt sich nach unserm System gar leicht von einer Erfahrung Rechenschaft geben, welche der Pater Malebranche vorbringt, um das seinige zu bestärken, das auf nichts als auf die Analogie der Farbe mit den Tönen gegründet ist. Diese Erfahrung besteht darin, daß wenn jemand, nachdem er in die Sonne gesehen und also der optische Nerve stark erschüttert worden, sodann die Augen schließt oder sich an einen dunklen Ort begibt, ihm in einer Folge verschiedene Farben erscheinen, erst Weiß, dann Gelb und so fort Rot, Blau und Schwarz. Denn die Erschütterungen, welche auf verschiedene Fasern des optischen Nerven erregt worden, endigen nach und nach, eine nach der andern, und so wird der optische Nerv immer in weniger Teilen erschüttert sein, je mehr Zeit verflossen ist, als man die Augen zugedrückt hat; und darin besteht die Folge und die Abwechselung der Farben, die man alsdann sieht. Ich weiß nicht, wie der Pater Malebranche dieses Beispiel anführen mochte, um die Verschiedenheit der Farben durch Analogie mit den Tönen zu erklären. Denn ein Ton bleibt immer derselbe, auf derselben Violinsaite, ob er gleich immer unmerklich schwächer wird.«

»Zum Schlusse will ich hier zu bemerken nicht unterlassen, daß die Erfahrung welche, Boyle vom nephritischen Holze erzählt und welche Herr Pourchot gleichfalls wiederholt, sehr unsicher, dabei aber nicht so selten sei, als diese Philosophen glauben.«

»Die Erfahrung besteht darin, daß man eine Nacht über eine gewisse Portion nephritischen Holzes, mit reinem Brunnenwasser übergossen, stehen läßt und mit diesem Aufgusse sodann ein rundes gläsernes Gefäß anfüllt. Dieses Gefäß soll, nach dem Bericht obgedachter beider Beobachter, gelb erscheinen, wenn es sich zwischen dem Auge des Betrachters und dem äußern Lichte befindet; blau hingegen, wenn das Auge zwischen das Licht und die Flasche gebracht wird. Ich habe diesen Versuch öfters und fast auf alle mögliche Weise gemacht, ohne auch nur irgendetwas zu bemerken, was dem Blauen sich einigermaßen näherte. Wohl zeigte sich das Wasser gelb, aber auch Stroh würde es gelb machen, wenn man davon eine Infusion bereitete. Herr Polinière, Doktor der Arzneikunst, hat mich versichert, daß er diesen Versuch gleichfalls ohne den mindesten Erfolg vorgenommen habe. Aber wenn er auch richtig wäre, so wäre es nichts Außerordentliches: denn gewisse kleine gläserne Geschirre, deren man sich bedient, um Konfitüren hineinzutun, haben alle jene Eigenschaften, welche die Herren Boyle und Pourchot ihrem nephritischen Holze zuschreiben. Vielleicht kamen diese verschiedenen Farben, die sie in ihrem Aufgusse wollen gesehen haben, bloß von der Flasche, welche vielleicht ein Glas von der Art war, wie ich eben erwähnte; welches denn ein bedeutender Irrtum sein würde.«

Betrachtungen über vorstehende Abhandlung

Wenn der denkende Geschichtsforscher mit Betrübnis bemerken muß, daß Wahrheit so wenig als Glück einen dauerhaften Sitz auf der Erde gewinnen können, da dieses mit manchem Unheil, jene mit manchem Irrtum beständig abzuwechseln hat, so ist es ihm desto erfreulicher zu sehen, wenn die Wahrheit auch in Zeiten, wo sie nicht durchdringen kann, nur gleichsam eine Protestation einlegt, um ihre Rechte wo nicht zu behaupten, doch zu verwahren.

Mit dieser vergnüglichen Empfindung lesen wir vorstehende Schrift, die wir den Freunden der Wissenschaft nicht genug empfehlen können. Sie ist verfaßt von einem unbekannten, unbedeutenden französischen Geistlichen, der zu derselben Zeit den echten Fundamenten der Farbenlehre ganz nahe tritt und seine Überzeugungen einfach und naiv ausspricht, als eben Newton von allem Glanze des Ruhms umgeben seine Optik bekannt macht, um mit dem wunderlichsten aller Irrtümer ein ganzes Jahrhundert zu stempeln.

Ein solcher Vorgang ist keinesweges wunderbar: denn außerordentliche Menschen üben eine solche Gewalt aus, daß sie ganz bequem ihre zufälligen Irrtümer fortpflanzen, indes weniger begabte und beglückte keine Mittel finden, ihren wohleingesehenen Wahrheiten Raum zu machen.

Da sich Nuguet jedoch dem reinen Wahren nur anzunähern vermag, da ihm eine vollkommene Einsicht abgeht, da er hie und da in Schwanken und Irren gerät, so bedarf man gegen ihn einer durchgehenden Nachsicht. Hier muß man einen Schritt weiter gehen, hier ihn supplieren, hier ihn rektifizieren. Indem wir diese unterhaltende und übende Bemühung unsern Lesern überlassen, machen wir nur auf einige Hauptmomente aufmerksam.

In seinem fünften Punkte bemerkt er ganz richtig, daß im prismatischen Bilde Gelb und Blau mehr dem Lichte, Rot und Violett mehr dem Schatten angehören; daß das Rote sich von dem Schatten entfernt, daß das Violette sich gegen den Schatten bewegt, der ihm unmittelbar begegnet. Freilich entsteht, nach unsrer gegenwärtigen Einsicht, das Rote, weil sich ein trübes Doppelbild über das Licht, das Violette, weil sich ein trübes Doppelbild über das Dunkle bewegt, und so sprechen wir die nächste Ursache dieser Farbenerscheinung aus; aber wir müssen doch Nuguet zugestehen, daß ihm die notwendige Bedingung der Erscheinung vorgeschwebt, daß er auf dasjenige, was dabei vorgeht, besser als einer seiner Vorgänger aufgemerkt.

Sein sechster Punkt enthält die sämtlichen Elemente der farbigen Schatten. Hier ist ihm nicht aufgegangen, was dabei physiologisch ist; auch hat er nicht einmal die zufälligen Erscheinungen, welche ihm durch die seiner Camera obscura gegenüberstehenden Häuser geboten worden, genugsam in wiederholbare Versuche verwandelt.

Wenn ihm ferner der Versuch mit dem nephritischen Holze nicht gelingen wollen, so scheint uns die Ursach darin zu liegen, daß er kein echtes erhalten können. Denn ebenso ist es uns auch ergangen, ob wir uns gleich aus vielen Apotheken ein sogenanntes nephritisches Holz angeschafft haben. An dem Versuche, den Kircher und nach ihm andre so deutlich beschreiben, hat man keine Ursache zu zweifeln; allein darin hat Nuguet völlig Recht, daß er auf mehr als eine Art an festen und flüssigen Mitteln zu wiederholen ist: man darf ihnen nur, auf eine oder die andre Weise, eine reine Trübe mitteilen, wie wir in unserm Entwurfe umständlich angezeigt haben.

Nachdem wir nun am Ende des siebzehnten Jahrhunderts noch ganz unerwartet ein erfreuliches Wahre hervorblicken sehen, bereiten wir uns zu einem verdrießlichen Durchwandern jener Irrgänge, aus welchen die Naturforscher des achtzehnten Jahrhunderts sich heraus zu finden weder vermochten noch geneigt waren.

Nachtrag kurzer Notizen

Daniel Sennert. Epitome naturalis scientiae. Vitebergae 1633. Seite 567 definiert er die Farbe nach Aristoteles und ist in dieser Materie sehr kurz und beschränkt.

Johann Sperling. Institutiones physicae. Vitebergae 1639. streitet p. 562 gegen Zabarella, das Licht und die Farbe seien nicht eins.

Johann Amos Comenius. Physicae ad Lumen divinum reformatae synopsis. Amstel. 1643. Ist mir unbekannt, ob etwas von Farben darin stehe.

Marin Mersenne. Cogitata physico-mathematica. Paris 1644. Er fertigt p. 485 die Farben auf anderthalb Seiten ab, gewissermaßen im Aristotelischen Sinne.

Sebastian Basson. Philosophiae naturalis adversus Aristotelem Lib. XII. Amstel. 1649. p. 530. 554. 555. Visio fit per radiorum ocularium (dadurch werden vom Auge ausgehende Strahlen verstanden) qui corporei sunt, factam ab objecto repercussionem. Haec repercussio varia est, inde generantur varii colores. Dies ist die Summe seiner Abhandlung.

Pater Scheiner. In seinem Werke Oculus Lib. III. Part. 2. c. II. »Deshalb erscheint in konvexen Gläsern am Rand ein gewisses Gedränge von leuchtenden Ringen, Regenbogen und dergleichen. Diese rändliche Verwirrung schreibt sich von den Seitenstrahlen her, die sich in die Hornhaut und in die Feuchtigkeiten des Auges bösartig auf alle mögliche Weise eindrängen.«

Hamberger. Dissertatio de opticis oculorum vitiis. Diejenigen Erscheinungen, die wir nunmehr als physiologische, gesetzmäßige erkennen, nennt er im Gegensatz der vitiorum stabilium, die er eigentlich behandelt, vitia fugitiva, magis et citius transeuntia. Die Ordnung der abklingenden Farben gibt er folgendermaßen an: colore virescente, rubente, mox purpureo, tandem violaceo.

Barrow. Er setzt die Farbenerscheinung lect. 12, sub finem in constipata et rara seu segnius concitata luce.

Johannes Faber in seinem Werke Panchymicus Buch III. Cap. XII, p. 388, schreibt folgendermaßen: »Mercurius, Schwefel und Salz sind die innersten Wurzelanfänge der Dinge, welche durch mannigfaltige Kochung und Verarbeitung in verschiedenen Unterlagen gar besondere Eigenschaften annehmen. Deswegen leitet der Schwefel, der die innere materielle und hervorbringende Ursache aller Farben ist, durch seine einfache Kochung alle Farben ab. Wenn er roh und unvollkommen oder schwächlich seine Kochung vollbringt, so verschafft er die grüne und weiße Farbe; kocht er aber vollkommen in vollkommen reinen Anfängen, so bringt er die rote Farbe und die feurige zum Vorschein; kocht er unvollkommen in reinen Anfängen, dann wird das Gelbe, Grüne, Weiße, nach den verschiedenen Graden der unvollkommenen Kochung, hervorgeführt und ans Licht gebracht. Wirkt er aber sehr unvollkommen, in unreinen Anfängen, so bringt er die schwarze Farbe hervor und andre, die man auf die Schwärze beziehen kann.«

Johann Baptista du Hamel. Philosophia vetus et nova, pag. 729. »Wenn man Kupferfeile mit Harngeist auflöst, so wird die blaue Farbe der Tinktur sogleich aufgehoben, wenn man Vitriolöl zugießet. Aber salzige und schwefelige Liquoren, wenn sie die Teile, die erst zerstreut waren, in eins zusammenbringen, erzeugen neue Farben; welches auch alle Niederschläge und tausend Versuche beweisen.«

Philipp Ludwig Bömer. Physica positiva. Helmstaedt 1704. p. 120. »Color nihil aliud est quam radiorum modificatio vel diversus motus, quo corpus coloratum radios recipit et ad oculos remittit.«

Übergang zur Geschichte des Kolorits

Nachdem wir uns bisher im Theoretischen wie auf Wogen von einer Seite zur andern geworfen gesehen, so läßt sich erwarten, daß uns im Praktischen gleichfalls keine vollkommene Sicherheit begegnen werde. Denn obgleich der Praktiker vorzüglich vor dem Theoretiker als ganzer Mensch handelt und bei der Tat immer durch äußere Bedingungen mehr auf den rechten Weg genötigt wird, so kommt doch dabei ebensoviel Hinderliches als Förderliches vor, und wenn auch irgendjemand durch Genie, Talent, Geschmack etwas Außerordentliches leistet, so kann der Grund hievon weder als Maxime noch als Handgriff so leicht überliefert werden.

Maler und Färber sind zwar durchaus den Philosophen und Naturforschern in Absicht auf Farbenlehre im achtzehnten Jahrhundert weit vorgeschritten; doch konnten sie sich allein aus der Verworrenheit und Inkonsequenz nicht helfen. Die Geschichte des Kolorits seit Wiederherstellung der Kunst, welche wir an dieser Stelle einschalten, wird hierüber das Besondere anschaulich machen. Um den Vortrag nicht zu unterbrechen, findet sich diese Geschichte bis auf den heutigen Tag durchgeführt, wobei vorauszusehen ist, daß die herrschende Theorie dem Künstler keine Hülfe leisten konnte, weil sie die dem Maler zum Gegensatze des Lichtes so nötigen Bedingungen, die Begrenzung und den Schatten, aus der Farbenlehre verbannt hatte.

Geschichte des Kolorits seit Wiederherstellung der Kunst

[verfaßt von Heinrich Meyer]

Ob der Florentiner Cimabue oder Guido von Siena, ob der Pisaner Berlingheri oder irgendein anderer aus dem dreizehnten Jahrhundert der erste gewesen, der seine Augen wieder auf die Natur gewendet, dieselbe nachzuahmen sich bemüht und dadurch den in der Irre schlafenden Genius der Kunst wieder geweckt und auf den rechten Weg geführt, in diesen Streit, der schon manche Feder abgenutzt, lassen wir uns nicht ein; genug für unsern gegenwärtigen Endzweck, daß Cimabue in jener ersten Zeit der neuern Kunst, wenn auch nicht vor allen andern die Bahn gebrochen, doch wenigstens die bedeutendsten Fortschritte gemacht. Vorzüglich ist er uns merkwürdig, weil sein Kolorit, oder besser zu sagen, seine Farben, wiewohl noch im Licht weiß, in den Schatten braun und schmutzig, doch im ganzen betrachtet unstreitig etwas freundlicher sind, heller und munterer, als wir sie bei seinen übrigen Zeitgenossen gewahr werden.

Durch Cimabues Schüler, den großen Giotto, erhielt die Kunst wichtige Verbesserungen. Das Kolorit in seinen besten Werken unterscheidet sich von dem seines Meisters vorteilhaft durch wärmere Fleischtinten. Die Schatten oder vielmehr die dunklen Partien sind zwar fast ebenso schwach, aber etwas weniger schmutzig und fallen zuweilen ins Grauliche.

Unter Simon Memmi, Thaddäus Gaddi und andern sonst berühmten Schülern des Giotto gewann das Kolorit nichts, als daß es in einigen Arbeiten des erwähnten Gaddi kräftiger mit besser auseinandergesetzten Farben erscheint. Giottino, der etwas später als die Genannten auftrat, brachte mehr Übereinstimmung ins Ganze, bediente sich blühenderer Tinten und verstand bereits, dieselben nach Erfordernis des Gegenstandes abzuwechseln. Vornehmlich sind die Schattenpartien durch ihn kräftiger geworden, haben auch etwas mehr Wahrheit erhalten als in den Werken der früheren Meister der Fall ist.

Durch den Lorenzo di Bicci erhielt das Kolorit abermals Verbesserungen. Dieser Künstler liebte das Helle und Muntere der Farben und wußte die Massen der Lokaltinten rein aufzutragen und zart abzuwechseln, so daß man in einigen noch übrigen Arbeiten von ihm Gewänder von derselben Farbe wahrnimmt, welche mit vollkommen befriedigender Kunst nur um eine zarte Nuance voneinander unterschieden sind, und nichtsdestoweniger deutlich sich abheben, wodurch der Künstler ebensowohl Ruhe als eine harmonische Mannigfaltigkeit in seine Werke gebracht hat. Er mag daher wohl unter die guten Koloristen gerechnet werden und ist unstreitig der beste seines Zeitalters. Er lebte wahrscheinlich von 1350 bis 1427.

Masolino da Panicale, anfänglich ein plastischer Künstler, bereicherte die Malerei, wozu er überging, durch bessere Beobachtung von Licht und Schatten, wodurch ihm denn zuerst die richtige Darstellung verkürzter Glieder gelang. Und da er sich überhaupt größerer Schattenpartien bediente, als vorher gebräuchlich war, so erhielt auch sein Kolorit im ganzen dadurch mehr Sättigung. Nach wenigen Überbleibseln seiner Werke zu urteilen, scheinen die beleuchteten Stellen jedoch etwas zu weiß geraten; die beschatteten hingegen fallen zu sehr ins Rotbraune.

Bei Masolinos Schüler, dem vortrefflichen Masaccio, sind die Fleischtinten etwas wahrhafter, und er wußte das Kolorit mit Meisterschaft zur Bedeutung, zur Verstärkung des Ausdrucks seiner Figuren anzuwenden. Helle und dunkle Massen sind sehr wohl unterschieden, ruhig und breit gehalten, wodurch die Farbe überhaupt angenehmer wird. Die Schatten aber fallen auch bei ihm zu sehr ins Rotbraune.

Mit lieblichen zarten Tinten malte der selige Fra Giovanni da Fiesole seine frommen Bilder. Wir finden in denselben zuerst eine allgemeine, im Ganzen herrschende Übereinstimmung. Sie scheint indessen nicht sowohl aus Überlegung entsprossen, oder mit Bewußtsein hervorgebracht, sondern aus der Naturanlage, dem Hang dieses liebenswürdigen Malers zum Lieblichen, Sanften, herzurühren.

Noch etwas blühender und lebhafter sind die Gemälde seines Schülers Gentile da Fabriano, und schon mehr Kraft wußte Fra Filippo Lippi den seinigen mitzuteilen. Doch hatten sie alle drei die von Masolino und Masaccio eingeführten rötlichen Schatten beibehalten. Beim Fra Giovanni da Fiesole trifft man dieselben am stetigsten an. Gentile daFabriano ist überhaupt etwas gemäßigter darin. Fra Filippo Lippi hat sie in vielen Bildern beinah übertrieben rot gemacht. In andern, welche überhaupt kräftiger und vielleicht spätre Arbeiten sind, ist er zwar mehr grau, aber auch etwas schmutzig in den Schattenpartien.

Die Erfindung der Ölfarben, oder wenn man einem unfruchtbaren Streit ausweichen und lieber sagen will, die bessere Anwendung derselben durch Johann van Eyck, hat auf das Kolorit sehr bedeutenden Einfluß. Der Natur dieser Farben und der Behandlungsweise, welche sie zulassen, gemäß wurde nun alles nach und nach weichlicher, mehr vertrieben, gesättigter. Vornehmlich erhielten die Schattenpartien mehr Kraft, Durchsichtigkeit, Anmut und Leben. Die Folge hievon war, daß mehr Schatten in den Gemälden angewendet wurden, woraus endlich der düstre Charakter entsprang, der bei einem großen Teile der Werke neuerer Maler der vorherrschende ist.

Van Eyck mag bereits vor 1450 Gemälde in Ölfarbe verfertigt haben. Was uns unter seinem Namen vor Augen kam, ist mit Fleiß und Treue der Natur nachgeahmt zeigt aber übrigens keine Eigenschaften, welche für eine wesentliche und unmittelbar durch den genannten Künstler bewirkte Verbesserung der Kunst zu kolorieren gelten könnten. Nicht anders ist es auch mit den Arbeiten der damals berühmten deutschen Maler, des Martin Schön [Schongauer]und Michael Wolgemuth, beschaffen.

Haben wir bisher unter den vorzüglichen Beförderern des Kolorits keine andre als bloß toskanische Meister zu nennen gehabt, weil die neuere Malerei in Toskana und vornehmlich zu Florenz ihren frühsten Sitz faßte, so treten nunmehr auch venezianische Künstler in die Schranken. Diese oder die von ihnen gestiftete Schule hat um so größeren Einfluß auf unsere Geschichte, als sie das Kolorit zu ihrer Hauptangelegenheit gemacht und unstreitig die allervollkommensten Meister dieses Fachs aus ihr hervorgegangen sind.

Daß einige der späteren Arbeiten des Bartolomeo Vivarino in Ölfarben gemalt sind, ist zwar wahrscheinlich, doch können wir solches nicht mit vollkommner Zuverlässigkeit behaupten. Verschiedene vorzügliche Bilder von ihm sind zwischen 1470 und 1480 gemalt, und auf alle Fälle gehört er unter die besten Meister im Kolorit. Seine Tinten sind von anmutiger Klarheit, und man bemerkt im allgemeinen schon die schöne Eigentümlichkeit der venezianischen Malerschule in ihrer ersten Entstehung.

Giovanni Bellini tat noch etwas mehr Blüte und Kraft hinzu und war unter den Malern des strengeren älteren Stils unstreitig der beste Kolorist.

Werfen wir nun abermals einen Blick auf die florentinische Malerschule, so sehen wir dort, vom Andrea Verrocchio unterrichtet, den Pietro Perugino hervorgehen, der zwar ebenfalls dem alten strengen Stil noch anhing, aber mit blühenderen, zarteren Farben malte als irgendeiner seiner Vorgänger. Wir dürfen ihn jedoch, da seine Schattenfarben in Ölgemälden grünlich grau und in Arbeiten al Fresco rötlich sind, nur im beschränkten Sinne und bezüglich auf seine Schule, seine nächste Umgebung, nicht aber im allgemeinen als einen Verbesserer des Kolorits aufführen, weil der erwähnte Johann Bellini, sein Zeitgenosse, ja wahrscheinlich noch um einige Jahre älter als er, ihm in der Tat überlegen und näher zur Wahrheit gelangt ist.

Durch Leonardo da Vinci, der ebenfalls aus der Schule des Andrea Verrocchio hervorging, erhielt das Kolorit mittelbar eine höchst bedeutende Verbesserung. Dieser große Künstler beobachtete nämlich Licht und Schatten mit weit mehr Genauigkeit als zuvor geschehen war. Er malte zwar mit wenig freundlichem, etwas hefenartigen Kolorit; aber seine Werke zeigten nun durch zart angegebene Mitteltinten die Rundung der Teile, richtiges Vor- und Zurücktreten derselben und eine große, noch nie gesehene Kraft in den Schatten.

Hieraus entstand nun in nächster Folge das mächtige Kolorit des Fra Bartolomeo di San Marco, und die venezianische Schule blieb nicht zurück. Giorgio Barbarelli da Castel Franco, genannt Giorgione, ein Zögling des Giovan Bellini, bediente sich bei ebenso kräftigen Schatten noch glühenderer Tinten und hatte es so weit gebracht, daß für den gleich auf ihn folgenden, von demselben Lehrer unterrichteten Tiziano Vecelli kaum noch ein kleiner Schritt zu tun übrig blieb, um sich zur höchsten uns bekannten Vortrefflichkeit des Kolorits zu erheben.

Obgleich Raffael von Urbino und Andrea del Sarto bewundernswürdige Werke geliefert, jener besonders Namen und Ruhm des ersten aller neueren Maler mit Recht verdient, und alle beide ein treffliches Kolorit besessen, so war doch diese Seite nicht die glänzendste ihrer Kunst, und beide sind von ihren oben erwähnten Zeitgenossen, Giorgione und Tizian, übertroffen worden.

Ohngefähr dasselbe kann man auch von Albrecht Dürer, von Holbein und Lukas Cranach sagen. Dürern gelangen zwar zuweilen die hellen Tinten des Fleisches sehr wohl; allein die Schatten sind gewöhnlich schwach oder fallen ins Grünliche, wenn er sie kräftig machen wollte. Holbein ahmte die Farben der Naturgegenstände sehr treu nach. Er ist zarter in den Tinten als Dürer, weiß den Pinsel gewandter zu führen, und die Bestimmtheit artet selten bei ihm in Härte aus. Lukas Cranach war noch ein besserer und vielleicht der beste unter den ultramontanen Koloristen. Einige seiner Arbeiten würden, die Beleuchtung abgerechnet, auf welche er nicht acht hatte, in Hinsicht auf Wahrheit und Blüte der Fleischtinten selbst neben Tizian bestehen. Es ist aber auch wahrscheinlich, daß Cranach Tizians Arbeiten studiert, ja vielleicht mit dem Meister selbst persönlichen Umgang gepflogen habe.

Eine Eigenschaft desjenigen Teils der Malerei, dessen Geschichte wir hier zu bearbeiten übernommen, ist bisher noch nicht berührt worden, wir meinen die Harmonie der Farben. Zwar wird solche unter dem allgemeinen Begriff des Kolorits gewöhnlich mit gefaßt, kann aber auch als abgesondert von demselben gedacht werden. Die Harmonie also, für sich allein betrachtet, besteht im schicklichen zweckmäßigen Nebeneinander- und Gegeneinandersetzen der Farben; Kolorit hingegen, im strengen und eingeschränkten Sinne, bedeutet nur die künstliche Mischung derselben und die treue Darstellung der Natur.

Auf die Wahrheit ihrer Farbenmischung nun hatten die Meister der venezianischen Malerschule ihr Hauptaugenmerk gerichtet und darin angezeigtermaßen einen sehr hohen Grad erreicht; ja Tizian ist vielleicht in diesem Stück für vollkommen und unübertrefflich zu halten. Mit der Harmonie der Farben fanden sie sich hingegen leicht ab, und wenn unsre diesfallsigen Beobachtungen gegründet sind, so bestanden die Regeln, welche sie sich darüber gemacht hatten, ohngefähr aus Folgendem.

Erfahrung lehrt, daß das Rote als Farbe das Auge am mächtigsten reizt, daß vornehmlich der Lack oder Purpur, höchst gesättigt, warm und milde, den Begriff von Pracht und Würdigkeit zu erregen und zugleich die Fleischtinten hervorzuheben geschickt ist. Diese Farbe wurde also ihrer angeführten Eigenschaften wegen häufig, jedoch mit der Vorsicht gebraucht, daß sie in der Mitte des Bildes erscheint, oder hüben und drüben, oder auch in weitläuftigen Kompositionen dergestalt ausgeteilt, daß das Gleichgewicht erhalten wird.

Nächst dem Purpurrot, welches fast immer in voller Kraft und rein erscheint, sieht man die gelbe Farbe in allen Abstufungen, vom hellsten Gelb bis zum Dunkelbraunen häufig gebraucht. Sie reizt zwar das Auge ungleich weniger als Rot, ist aber warm und steht in Verwandtschaft mit den Fleischtinten sowie mit dem Purpur, dahingegen Grün und Blau als Gegensätze von Rot und Gelb betrachtet und daher nur sparsam, der Mannigfaltigkeit wegen und zur Belebung der übrigen angewendet wurden.

In allen Gemälden der besten Meister aus der venezianischen Schule glauben wir ein Übergewicht der aktiven Farben wahrgenommen zu haben. Daher kommt das Warme und Ruhige im Ganzen. Das Auge wird zwar nicht durch buntes regelloses Farbengewirre unangenehm erschüttert, aber auch nicht vermittelst des harmonischen heitern Spiels des gesamten Farbenkreises erfreulich berührt.

Die großen venezianischen Meister des Kolorits haben fast ohne Ausnahme die Regel beobachtet, sich ungemischter ganzer Farben zu den Gewändern zu bedienen, damit die gemischten Tinten des Fleisches besser gehoben werden, jene hingegen als Massen von entschiedener Farbe deutlicher in die Augen fallen sollten. Changeante Gewänder findet man daher nie oder nur als höchst seltene Ausnahmen. Sogar das Violette scheint als eine gemischte Farbe betrachtet und nicht eben beliebt gewesen zu sein.

Tizian hat vor den übrigen oft weißes Gewand oder Leinenzeug angebracht und solches vorzüglich gut gemalt. In Hinsicht auf Harmonie der Farben war dabei sein Zweck, die zarten Fleischtinten seiner nackten weiblichen Figuren vorteilhaft zu heben und blühender erscheinen zu lassen. Ja er hatte sich’s wie zum Gesetz gemacht, wo immer möglich zwischen lichtes Fleisch und farbiges Gewand etwas Weiß anzubringen.

Aus dem Vorhergehenden hat sich gezeigt, zu welchen Eigenschaften das Kolorit durch die Bemühungen der größten Meister aus der venezianischen Schule gelangt war. In der Karnation sind sie nie übertroffen, ja nicht einmal erreicht worden; aber der allgemeine Begriff von Kolorit, so wie wir oben denselben mit leichten Zügen entworfen, wurde durch die Werke des Antonio Allegri von Correggio noch mehr erweitert.

Er malte zwar mit ausnehmend zarten blühenden Tinten, konnte aber doch im Licht weder die Wahrheit des Tizian noch die Glut des Giorgione erreichen. Sein hauptsächlichstes Studium ging auf die Beleuchtung, auf Darstellen und zweckmäßiges Anwenden derselben zum gefälligen Effekt, zuweilen sogar zur hohen Bedeutung in seinen Werken. Bei keinem Maler findet man daher so sanfte Übergänge vom Licht zum Schatten, so reingehaltene Massen, so durchsichtige klare Schattenpartien, keiner hat die Widerscheine so genau beobachtet, und ferner scheint er uns der erste gewesen zu sein, welcher auf die Harmonie des Ganzen durch künstliches Nebeneinanderstellen und Entgegensetzen der Farben gedacht hat. Das Farbenspiel ist daher in seinen Werken mannigfaltiger, lebhafter und fröhlicher als in den tizianischen, und dieses ist die Erweiterung, welche das Kolorit dem Correggio schuldig geworden. Er wird mit Recht für das Haupt, für den Stifter der lombardischen Malerschule angesehen, und diese Schule, indem ihre Künstler alle mehr oder weniger den Correggio zum Muster genommen, zeichnete sich in dem größten Teil ihrer Werke durch kräftige Schatten und Farben aus. Sie waren dunkler aber auch gesättigter, mehr harmonisch und von auffallenderer Wirkung als die florentinischen; nicht so wahr und warm in ihren Fleischtinten wie die Venezianer. Man bediente sich der gelben und Purpurfarbe weniger, hingegen der blauen Farbe mehr zu Gewändern, besonders in den Figuren des vordersten Grundes, wodurch die Bilder überhaupt einen Charakter von Ernst, das Kolorit von großer Kräftigkeit erhalten. So sind zum Beispiel die Gemälde des Parmegianino, eines der vorzüglichsten Maler der lombardischen Schule und anfänglichen Nachahmers des Correggio, beschaffen.

Die heitere angenehme Manier, deren sich Friedrich Barocci von Urbino bediente, ist mehr für eine Abirrung als für eine Erweiterung der Kunst in Absicht auf das Kolorit zu betrachten. Dieser Meister pflegt alle Farben in den Gewändern gerne hoch, im reinsten glänzendsten Zustand anzuwenden. Im Fleisch sind die Lichter gewöhnlich etwas zu gelb, die Mitteltinten zu blau, das Rot scheint mehr Schminke als natürliche Röte; seine Schattenfarben sind schön klar, die Massen von Hell und Dunkel, einzeln genommen, zwar groß, deutlich, nicht unterbrochen; Licht und Schatten aber, besonders in weitläuftigen Kompositionen, etwas zu sehr zerstückelt, wodurch die Ruhe des Ganzen leidet. Manche Bilder von diesem Meister sind daher buntfleckig. In den besten sucht er sich mit einem über das Ganze verbreiteten gelblichen Tone zu helfen, und wenn wir nicht irren, so ist Barocci der erste, der dieses Hülfsmittel angewendet hat, welches, wie wir im Verfolg sehen werden, später öfters gebraucht worden, um die Harmonie der Farben zu ersetzen.

Jacopo Bassano, Tintoret und Paul Veronese, Häupter der venezianischen Schule, folgten der von Giorgione und Tizian eingeführten Weise, zwar nicht als knechtische Nachahmer, doch unterschied sich ihr Kolorit auch nicht als eigentümlich, sondern es muß dasselbe als Nuancierung des allgemeinen Charakters, wodurch die venezianische Schule sich von den übrigen unterscheidet, angesehen werden. Bassano bediente sich, besonders in Gewändern, häufiger der auflasierten Farben. In den Gemälden des Paul Veronese wird das heiterste Farbenspiel wahrgenommen, und Tintoret hat vor anderen seiner Landsleute kräftige Schatten angewandt.

Nachdem die florentinische Schule einige Zeit den sogenannten manierierten Stil mit unnatürlichen übertriebenen Formen, mattem, vernachlässigten, unangenehmen Kolorit geübt hatte, so traten aus derselben bald wieder verschiedene Künstler auf den Weg der Natur und bemühten sich, vornehmlich dem Kolorit bessere Eigenschaften zu erwerben. Jacopo Chimenti da Empoli malte seine besten Bilder mit großer Kraft und sehr warmer Farbe. Ludwig Cardi, genannt Cigoli, erhielt den Beinamen des florentinischen Correggio, weil er in der Tat kräftig, mit klaren Schatten und überhaupt gutem Ton des Kolorits arbeitete. Doch die florentinische Schule verehrt den Cristofano Allori als ihren vorzüglichsten Koloristen. Seine Bilder sind kräftig, ungemein blühend und angenehm; wovon der halbnackte Jüngling, im berühmten Gemälde dieses Künstlers, das den heiligen Julianus vorstellt, und sonst im Palast Pitti und jetzt zu Paris befindlich, ein Zeugnis geben mag. Denn man möchte von diesem Körper, wie von jenem griechischen sagen: er sei mit Rosen genährt.

Doch ungefähr um eben diese Zeit schien die Malerei ihren vornehmsten Sitz in Bologna nehmen zu wollen: denn es lebten daselbst die drei Carracci, Künstler von ewig dauerndem Ruhm. Sie selbst zwar haben von seiten des Kolorits die Kunst weder erweitert, noch darin einen auffallend sich unterscheidenden Charakter behauptet; hingegen werden künftig verschiedene, aus ihrer berühmten Schule hervorgegangene Künstler genannt werden, welche denkwürdige Neuerungen eingeführt haben.

Michelangelo Merighi von Caravaggio unterwarf seine Kunst unbedingt der Natur und stellte edle und unedle Formen mit gleicher scheinbarer Treue dar, untereinander, ohne weitere Wahl, wie sie ihm vorkamen. Den Farben gab er eine bisher noch nie gesehene Stärke. Seine meisten Gemälde haben mehr Schatten als Licht, indem er dieses als sehr hoch einfallend anzunehmen pflegte, und als ob die Szene an einem dunklen, von einem einzigen Strahl erleuchteten Ort wäre. Die gemeine Wahrheit dieser Darstellungen, die auffallende große Wirkung ihrer Beleuchtung und das gewaltige Kolorit erwarben sich lebhaften Beifall und manche Nachahmer. Unter diesen bemerken wir vor andern den Joseph Ribera, genant Spagnoletto, der mit ebenso gewaltigen Schatten, mit nicht weniger Geist und Lebhaftigkeit und mit noch wahrhafteren Lokaltinten gemalt, dessen Figuren aber ebenfalls meistenteils aus der gemeinen Natur aufgegriffen sind, und obwohl in sich selbst charakteristisch, doch gewöhnlich niedriger und gemeiner, als es des Künstlers Vorhaben und Zweck erfordert hätte.

Francesco Barbieri von Cento, Guercino genannt, wiewohl aus der Carraccischen Schule, folgte doch der von Caravaggio eingeführten Weise. Indessen sind seine Gestalten, seine Darstellungen überhaupt, ja wir dürfen sagen, seine Gesinnungen edler. Eine rührende Naivetät ziert nicht selten seine kraft- und effektvollen Werke. Das Kolorit besonders betreffend ist Guercino überhaupt, wenn nicht wahrhafter, doch zarter und gefälliger als Caravaggio, und weil sein Geschmack gebildeter war, so erscheinen seine besten Werke farbenreicher und dem Auge angenehmer.

Auch der große Guido Reni bediente sich in seinen frühern Gemälden höchst kräftiger großer Schattenpartien und bekleidete solche im Licht mit noch zarteren und helleren Fleischtinten als Guercino. Daher kann man seine in diesem kräftigen Geschmack des Kolorits behandelten Bilder als höchste Gipfel desselben betrachten. Als nun Guido in der Folge zu einer jener dunklen, kräftigen ganz entgegengesetzten, hellen Art zu malen überging, wo die Gegenstände gleichsam im offnen Raume und vollen Licht dargestellt sind, so wurde durch ihn die Kunst zu kolorieren, wenn schon nicht im wesentlichen verbessert, doch erweitert. Die herrschenden silbergrauen Mitteltinten sind zuerst von diesem Künstler eingeführt worden. Francesco Albani, der Zeitgenosse des Guido, mit ihm aus einer Schule hervorgegangen, malte ebenso heiter in offnem Lichte, mit lieblicher blühenden Tinten als sonst irgendein anderer Künstler der bolognesischen Malerschule aufzuweisen hat.

Des Domenichino größtes Verdienst lag nicht auf der Seite des Kolorits, und wir haben also seiner als eines der größten Künstler hier bloß im Vorbeigehen zu gedenken. In Fresco malte er heiter, die Schattenfarben spielen etwas ins Grünliche, bilden aber nicht so große vorwaltende Partien wie bei Guercino und andern.

Hier ist es Zeit, uns zur niederländischen Malerschule zu wenden, welche in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts eben in schöner Blüte stand, und das Kolorit zu einem ihrer Hauptzwecke gemacht hatte. Rubens und van Dyck glänzen unter den Koloristen der ersten Reihe; mit ihnen Rembrandt, ein großer Meister im Kolorit und noch größerer im künstlichen Gebrauch des Lichtes und des durch Widerscheine unterbrochnen Schattens. David Teniers, Adrian von Ostade, Gerard Douw [Gerrit Dou], Metsu, Terborch und nebst ihnen noch viele andre sind als Koloristen berühmt.

Die Eigenschaft aber, wodurch sich die niederländische Malerschule hinsichtlich auf das Kolorit von den andern im allgemeinen unterscheidet, oder vielmehr worin sie andern vorgegangen, ist der Ton, nicht derjenige, den die Kunstsprache Lokalton oder Ton der Tinten heißt: denn wiewohl viele niederländische Künstler auch in diesem Punkte vortrefflich waren, sind ihnen die Venezianer doch darin überlegen gewesen; sondern wir verstehen hier die eine, im Ganzen eines Bildes vorherrschende Farbe, eingemischt oder als Lasur übergezogen, so daß die Darstellung dem Auge wie durch das Medium eines gefärbten Glases erscheint.

Dieser Art, eine gefällige Übereinstimmung der Farben zu bewirken, scheint sich, wie oben gedacht worden, Friedrich Barocci zuerst bedient zu haben; aber sie ist bei den Niederländern nachher weiter ausgebildet und häufiger gebraucht worden.

Zu eben der Zeit war auch die französische Schule im Zustand ihres höchsten Flors; inzwischen gibt sie für unsre gegenwärtige Betrachtung nur geringe Ausbeute, weil kein Künstler derselben sich im Kolorit besonders hervorgetan. Das Fach der Landschaft verehrt zwar in Claude Lorrain seinen größten Meister, und vorzüglich ist das Kolorit desselben im höchsten Grade heiter, zart und wahrhaft; allein die Landschaftsmalerei läßt dem Koloristen, vermöge ihrer Natur, weniger Freiheit und Spielraum, als im historischen Fach der Fall ist.

Von spanischen Malern sind dem Schreiber dieser Nachrichten nur Velasquez und Murillo aus eigener Anschauung einzelner Werke bekannt. Beide scheinen in Hinsicht auf das Kolorit unter die vorzüglichsten Meister ihrer Zeit zu gehören. Vom Velasquez behauptete Mengs: derselbe stehe, in betreff des Scheins von Luft und Ablösung eines Gegenstandes vom andern, selbst dem Rembrandt nicht nach. Wir aber haben nur Bildnisse von ihm gesehen, welche sich durch kühnen Pinsel und wahre, warme Fleischtinten vorteilhaft auszeichnen. Murillo malte, wie sich aus verschiedenen Bildern von ihm, welche sich in deutschen Galerien befinden, ergibt, Gegenstände aus dem gemeinen Leben anmutig, mit kräftigem, der Natur angemessenen Kolorit; allein es finden sich auch religiöse Darstellungen, wo seine Farbe noch wärmer und den besten venezianischen Malern nachgeahmt scheint.

Wir wenden uns nun wieder nach Italien, woselbst Pietro Berettini von Cortona zu Rom, unter Papst Urban dem Achten und einigen folgenden Päpsten, viele große Werke in Ölfarben und al Fresco ausgeführt. Unerschöpflich reich in Erfindungen behandelte er seine Bilder mit einem zwar sehr flüchtigen, aber angenehmen Pinsel und wußte das Kolorit sowohl als die Beleuchtung nach Erfordernis des Gegenstandes bald heiter und fröhlich, bald ernst und sehr kräftig zu halten. Warum er uns aber bei unsern gegenwärtigen Betrachtungen vorzüglich merkwürdig sein muß, ist die Austeilung der Farben zum Behuf allgemeiner Harmonie; und wir getrauen uns zu behaupten, daß Berettini hierin der größte Meister gewesen.

Schon oben bemerkten wir, wie die vornehmsten Maler der venezianischen Schule die Energie der roten Farbe erkannt, solche in ungefähr gleichen Massen durch ihre Bilder ausgeteilt und ihr verhältnismäßig viel Gelb zugesellt, woraus eine harmonische, obgleich streng genommen etwas monotone Wirkung entsprang. Correggio besaß ein zartes und lebhaftes Gefühl für die Harmonie der Farben; dieses leitete ihn oft richtig, doch scheint er die Regeln, worauf Harmonie sich gründet, nicht erforscht zu haben, deswegen er sich zuweilen durch Mischungen zu helfen sucht. Auch wurde durch schöne Beleuchtung, milde Übergänge, vortreffliche Mäßigung und Abstufung des Lichtes, oder was man sonst Haltung zu nennen pflegt, jener Mangel gleichsam zugedeckt und unmerklich gemacht. Den Malern der niederländischen Schule ist sehr wahrscheinlich ebenso wenig Gründliches vom Harmoniespiel der Farben bekannt gewesen, und sie setzten an dessen Stelle, wie erwähnt worden, den Ton. Daß sie die Wirkung der Farben, das Maß ihrer Energie, Freundschaft und Abneigung, noch weniger als die Venezianer eingesehen, erhellet fast unwidersprechlich aus einem großen schönen Gemälde des van Dyck in der Tribüne der florentinischen Galerie, wo derselbe eine unzulängliche Harmonie durch willkürlichen Gebrauch von Licht und Schatten zu erzwecken suchte, so nämlich, daß mehr oder weniger Hell und Dunkel an die Stellen gesetzt ist, wo der beabsichtigte Endzweck durch Anwendung schicklicher Farben besser und sicherer erreicht worden wäre.

Bei Pietro von Cortona hingegen nimmt man, da wo er es für zuträglich fand, ein fröhliches mannigfaltiges Farbenspiel wahr. Nach Erfordernis wußte er aber auch das Ganze gehörig zu mäßigen, niederzuhalten und gleichsam ins Düstre oder Traurige herabzustimmen. Immer sind indessen verwandte befreundete Farben, die sich wechselseitig heben, nebeneinander gesetzt, und widerwärtige Kontraste finden sich niemals in seinen Werken. Die ganze neuere Kunst hat kein Gemälde aufzuweisen, worin die Austeilung der Farben eine so gefällige Wirkung täte, als dieses Meisters Altarbild bei den Kapuzinern zu Rom, den Paulus darstellend, der sein Gesicht wieder empfängt, oder das weitläuftige Deckengemälde im Barberinischen Palast. Ob er auch übrigens von dem Wert und der Wirkung einer jeden Farbe allein und im Verhältnis zu den andern, von ihrer wechselseitigen Verwandtschaft oder Abneigung, von den Regeln, nach welchen sie durch Übergang und Gegensatz zu gebrauchen sind, ob er von diesem allen wissenschaftlich unterrichtet gewesen und mit klarem Bewußtsein gehandelt, oder sich bloß seinem richtigen Gefühl überlassen und durch praktische Ausbildung einer vorzüglich glücklichen Naturanlage so viel zu leisten vermocht, sind wir nicht imstande mit völliger Zuverlässigkeit zu entscheiden. Am wahrscheinlichsten ist es, daß er zwar nach einigen Regeln gehandelt, die aber nicht überall ausgereicht, und daß er alsdann das übrige nach Gefühl und Gutdünken hinzugefügt habe: denn sein Verfahren in Absicht der Verteilung der Farben hat sich nur auf eine sehr unvollkommene Weise auf die Schüler fortgepflanzt.

Der vorzüglichste unter ihnen, Ciro Ferri, zeigt zwar im Allgemeinen seiner Manier Ähnlichkeit mit dem Geschmack seines Meisters; doch in besonderer Hinsicht auf Harmonie der Farben verdient keines seiner Werke als Muster angeführt zu werden.

Andrea Sacchi lebte ungefähr zu gleicher Zeit mit Pietro von Cortona, und seine Arbeiten werden sogar wegen eines sanften Scheins und wegen Übereinstimmung geschätzt und gelobt. Dieses Lob jedoch scheint uns weniger im wirklich Harmonischen der Farbenanwendung oder Austeilung als vielmehr in der Einförmigkeit und zuweilen in der Anwendung des Tons begründet zu sein, und uns gibt Sacchi zu keinen weitern Bemerkungen Anlaß.

Sacchis berühmter Schüler Carlo Maratti hat in sei nen Bildern zuweilen kräftige gesättigte Farben gebraucht, ist aber alsdann gewöhnlich unruhig geworden. In andern, besonders von seiner spätern Zeit, brachte er hellere Mischungen an, konnte aber dabei das Matte nicht vermeiden.

Der Neapolitaner Luca Giordano ist in seinen bessern Werken ein guter Kolorist. Seine Fleischtinten sind heiter und blühend; wo indessen bei ihm das Ganze in harmonischer Übereinstimmung ist, rührt solche vom Ton, nicht aber von künstlicher Verteilung der Farben her.

Zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts hat auch selbst in Italien ein verderbter Geschmack sich über die Kunst verbreitet. Piazzetta, Corrado und Solimena waren Männer von guten Talenten, aber sie wendeten sie nur an, um von der gaffenden Menge Lob einzuernten, keineswegs aber zum Vergnügen vernünftiger, gebildeter Menschen. Ihre Werke sind reich, mit kühnem Pinsel behandelt, aber voll wilden Getümmels. Solimena als der berühmteste ist der am wenigsten erfreuliche; oft grau und kalt, oft von grellen unangenehmen Gegensätzen heller und dunkler Farben, und wenn er beinahe in allen Teilen der Kunst Blößen gegeben, so geschah es doch vorzüglich im Kolorit und der Harmonie der Farben, wo er Geschmack und Regeln am frechsten beleidigte.

Romanelli, Cignani, Franceschini, Luti und andre haben vielleicht weniger geirrt, doch finden wir unnötig, etwas weiter von ihnen zu sagen, weil keiner derselben sich auf eine bedeutende Art ausgezeichnet.

In Frankreich blühte vornehmlich die Bildnismalerei. Rigaud und Largillière wurden als große Meister dieses Faches angesehen, indessen mußten sie sich nach den grellen, rauschenden Farben bequemen, welche die Mode ihrer Zeit erforderte; doch würden sie auch, vermöge der allgemeinen Richtung des Geschmacks ihrer Schule, bei völliger Freiheit, in betreff der Harmonie der Farben, wahrscheinlich nur wenig geleistet haben: wie wir an Coypel, Watteau, Lancret, Restout und vielen andern wahrnehmen. Jouvenet, von Anlagen einer der achtungswertesten Künstler der französischen Schule, hat in den Gemälden, welche wir von ihm gesehen, bloß die Übereinstimmung, welche ein gelber Ton und sein schmelzender Pinsel gewähren können.

Die schöne Zeit der niederländischen Schule war bereits vorübergegangen. Sie bietet uns nichts Bemerkenswertes für diese unsre Betrachtungen.

In Deutschland folgten die Bildnismaler teils der Manier des Rigaud und Largillière, teils arbeiteten sie, wie Kupetzky und andre, mit dunklerer Beleuchtung und Farbe und haben überhaupt wenig Anmut. Unter den Geschichtsmalern waren Daniel Gran und Holzer die vorzüglichsten, von deren größern wohlerhaltenen Werken Schreiber dieser Nachrichten keine anschauliche Kenntnis hat; allein er vermutet, sie werden, was die Harmonie der Farben betrifft, ihren übrigen Zeitgenossen wenig überlegen sein, zumal Gran, welcher unter Carl Maratti und Solimena studiert hatte. Auf diese folgte nun C. W. E. Dietrich, geboren 1712, welcher eigentlich Mißbrauch von bunten Farben gemacht, ausgenommen da, wo er die Manier niederländischer Maler nachgeahmt und vermittelst des Tons Übereinstimmung erzielt hat.

Friedrich Oeser, wenige Jahre später geboren als Dietrich, war allerdings ein Künstler von großen Talenten, und man kann ihm eine Neigung zum Übereinstimmenden nicht ableugnen; doch hat er solches nicht durch kunstmäßige Verteilung der Farben, sondern durch Dämpfung ihres natürlichen Glanzes zu erreichen gesucht, so daß die Harmonie seiner Bilder eigentlich aus dem schwachen Kolorit derselben entspringt.

Bald nach Oeser trat sodann Mengs auf und erwarb sich unsterblichen Ruhm, indem durch sein Bemühen und Beispiel die Malerei überhaupt zu größerem Ernst, einem strengeren reineren Stil, besonders in der Zeichnung, zurückgeführt wurde. Sein Kolorit, vorzüglich in Frescogemälden, ist schön und warm. Er bediente sich überhaupt gern der lebhaften, hohen, glänzenden Farben; indessen haben wir weder am Parnaß in der Villa Albani, noch im Manuskriptenzimmer der vatikanischen Bibliothek eine kunstmäßige Verteilung der Farben nach Regeln bemerken können. Im Deckenstück der Kirche Sant’ Eusebio, dem frühsten öffentlichen Werke des Künstlers in Rom, hat er die gefällige Übereinstimmung des Ganzen durch gelben Ton zu bewirken gesucht, der auch an diesem Orte und Gegenstand schicklich angebracht ist.

Die Schüler und Nachahmer von Mengs, Knoller, Unterberger, der jüngere Conca und andre haben sich sämtlich heller Farben in ihren Werken beflissen; aber keiner derselben hat in diesem Teil der Kunst einige Vorschritte gemacht oder sich um Erforschung der wahren Regeln bemüht. Alle sind, wo sie sich nicht durch gelben Ton halten, entweder bunt und unruhig oder frostig und unfreundlich geworden, wie solches besonders dem Schwager von Mengs, Maron, in historischen Darstellungen mit Ölfarben fast immer begegnet ist.

Angelika Kauffmann folgte in Hinsicht auf das Kolorit ebenfalls der von Mengs eingeführten Weise und liebte neben frischen Fleischtinten die Anwendung heller fröhlicher Farben. Ihr schönes Talent, ihre natürliche Neigung zum Gefälligen, Milden, Sanften hat sie indes vor allem Übermaß behütet; daher sind ihre Bilder auch durchgängig munter und erfreulich, wenn schon die Harmonie der Farben durch sie nicht in völliger Ausübung erschien, so daß wir ihr keine Musterhaftigkeit in diesem Stück zugestehen können.

Pompeo Battoni galt von der Mitte des vergangenen Jahrhunderts an bis zu seinem Tode, welcher um 1790 erfolgte, für den besten italienischen Maler und wurde, solange Mengs lebte, als der Nebenbuhler desselben um den höchsten Ruhm in der Kunst betrachtet. Er war noch dem sogenannten akademischen Stil, der sich unter Sacchi und Maratti gebildet hatte, zugetan, und nach den Bedingungen desselben ist zum Beispiel sein großes Gemälde vom Fall Simons des Zauberers unstreitig ein sehr verdienstliches Werk. Das Kolorit ist kräftig, sehr lebhaft, aber in Hinsicht auf Harmonie der Farben kann weder diesem noch einem andern von Battonis Werken einiger Wert beigelegt werden. Je figurenreicher sie sind, je weniger Befriedigung gewähren sie dem Auge. Das gedachte große Gemälde zeigt bloß ein unruhiges Gewirre willkürlich zusammengestellter bunter Farben.

Hier haben wir wie billig auch der Maler aus England mit wenigem zu gedenken. Reynolds gehört allerdings zu den besten Bildnismalern des abgelaufenen Jahrhunderts, und West hat im historischen Fach, nach Maßgabe des Zustandes der Kunst im allgemeinen, lobenswürdige Werke geliefert. Aus einzelnen Werken von beschränktem Raum und Darstellung dieser beiden vorzüglichsten Künstler ihrer Nation wissen wir, daß jener ein sehr kräftiges Kolorit besaß und hauptsächlich die Wirkung von Licht und Schatten zum Zweck hatte; dieser malte im guten Ton des Kolorits, aber überhaupt schwächer. Was beide in Hinsicht harmonischer Farbenverteilung geleistet haben, können wir aus Mangel anschaulicher Kenntnis der größern Arbeiten dieser Künstler nicht sagen.

Heinrich Füßli, Schweizer von Geburt, der aber in England lebt und sich für England gebildet hat, ein bekannter und berühmter Maler von Schreckenszenen, bedient sich, dem Charakter seiner Darstellung gemäß, eines kräftigen, oft sogar düstern Kolorits und gesättigter ernster Farben. Unter die vorzüglichen Koloristen mag er zwar nicht gerechnet werden; doch pflegt er auch den Regeln des Kolorits sowie der guten Harmonie nicht zuwider zu handeln.

Nachdem unter den französischen Malern die süßliche, lüsterne, fade Manier des Boucher und die sentimentale des Greuze vorübergegangen war, so wurden durch den noch lebenden David ernstere Gegenstände und nach Erfordernis derselben auch edlere Formen eingeführt. In Ansehung Lichtes und Schattens war es ihm um große wirksame Partien, so wie im Kolorit um Gegensätze der gewaltigsten Farben vornehmlich zu tun. Die stille Übereinstimmung fröhlicher, verwandter und zum Teil gemäßigter Farben scheint überhaupt nicht zu den Zwecken dieses Kunstgeschmacks zu gehören, der sowohl in Frankreich in der neuern Zeit fast allgemein angenommen ist, als auch unter den bessern Künstlern in Italien sich verbreitet, sogar in Deutschland Nachahmer gefunden und bis jetzt fortgedauert hat. Doch ist vielleicht eben die Zeit gekommen, wo man sich dessen zu entwöhnen anfängt. Es sollen nämlich in Rom vor kurzem, durch einen emporstrebenden jungen Maler, Bilder mit heitern Gründen und gemäßigten, zarten, der Wahrheit ähnlichen Tinten des Fleisches verfertigt worden sein, welche, da sie Aufsehen erregt, wohl nicht ohne Nachahmung bleiben werden. Und so steht zu hoffen, daß die Künstler, wenn sie zu einem Kolorit zurückkehren, welches nicht durch Gegensätze gewaltsam zu rühren, sondern die Anmut schöner Formen, zarter Gestalten, durch gefälligen Reiz von seiner Seite zu erhöhen beabsichtigt, auch bald das Bedürfnis harmonischer Nebeneinanderstellung der Farben fühlen und sich des Studiums dieses Teiles der Kunst gehörigermaßen befleißigen werden.

 
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Sämtliche Werke
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