Johann Wolfgang Goethe

Faust:
Zweiter
Teil

entstanden 1825-31, veröffentlicht 1832,
uraufgeführt am 4.4.1854 in Hamburg

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f  a  u  s  t    z  w  e  i

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Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Vierter Akt

Fünfter Akt

Erster Akt

Anmutige Gegend

Faust auf blumigen Rasen gebettet, ermüdet, unruhig, schlaf suchend.

(Dämmerung.)

Geisterkreis schwebend bewegt, anmutige kleine Gestalten.

Ariel (Gesang, von Äolsharfen begleitet).

   Wenn der Blüten Frühlingsregen

   Über alle schwebend sinkt,

   Wenn der Felder grüner Segen

   Allen Erdgebornen blinkt,

   Kleiner Elfen Geistergröße

   Eilet, wo sie helfen kann;

   Ob er heilig, ob er böse,

   Jammert sie der Unglücksmann.

Die ihr dies Haupt umschwebt im luft’gen Kreise,

Erzeigt euch hier nach edler Elfen Weise,

Besänftiget des Herzens grimmen Strauß,

Entfernt des Vorwurfs glühend bittre Pfeile,

Sein Innres reinigt von erlebtem Graus.

Vier sind die Pausen nächtiger Weile,

Nun ohne Säumen füllt sie freundlich aus.

Erst senkt sein Haupt aufs kühle Polster nieder,

Dann badet ihn in Tau aus Lethes Flut;

Gelenk sind bald die Krampf erstarrten Glieder,

Wenn er gestärkt dem Tag entgegenruht;

Vollbringt der Elfen schönste Pflicht,

Gebt ihn zurück dem heiligen Licht.

Chor (einzeln, zu zweien und vielen, abwechselnd und gesammelt).

Wenn sich lau die Lüfte füllen

Um den grün umschränkten Plan,

Süße Düfte, Nebelhüllen

Senkt die Dämmerung heran.

Lispelt leise süßen Frieden,

Wiegt das Herz in Kindesruh’;

Und den Augen dieses Müden

Schließt des Tages Pforte zu.

Nacht ist schon herein gesunken,

Schließt sich heilig Stern an Stern,

Große Lichter, kleine Funken

Glitzern nah und glänzen fern;

Glitzern hier, im See sich spiegelnd,

Glänzen droben klarer Nacht,

Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd,

Herrscht des Mondes volle Pracht.

Schon verloschen sind die Stunden,

Hingeschwunden Schmerz und Glück;

Fühl’ es vor! Du wirst gesunden;

Traue neuem Tagesblick.

Täler grünen, Hügel schwellen,

Buschen sich zu Schattenruh’;

Und in schwanken Silberwellen

Wogt die Saat der Ernte zu.

Wunsch um Wünsche zu erlangen,

Schaue nach dem Glanze dort!

Leise bist du nur umfangen,

Schlaf ist Schale, wirf sie fort!

Säume nicht, dich zu erdreisten,

Wenn die Menge zaudernd schweift;

Alles kann der Edle leisten,

Der versteht und rasch ergreift.

(Ungeheures Getöse verkündet das Herannahen der Sonne.)

Ariel.

Horchet! Horcht dem Sturm der Horen!

Tönend wird für Geistesohren

Schon der neue Tag geboren.

Felsentore knarren rasselnd,

Phöbus’ Räder rollen prasselnd,

Welch Getöse bringt das Licht!

Es trommetet, es posaunet,

Auge blinzt und Ohr erstaunet,

Unerhörtes hört sich nicht.

Schlüpfet zu den Blumenkronen,

Tiefer, tiefer, still zu wohnen,

In die Felsen, unters Laub;

Trifft es euch, so seid ihr taub.

Faust.

Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig,

Ätherische Dämmerung milde zu begrüßen;

Du, Erde, warst auch diese Nacht beständig

Und atmest neu erquickt zu meinen Füßen,

Beginnest schon, mit Lust mich zu umgeben,

Du regst und rührst ein kräftiges Beschließen,

Zum höchsten Dasein immerfort zu streben. –

In Dämmerschein liegt schon die Welt erschlossen,

Der Wald ertönt von tausendstimmigem Leben,

Talaus, talein ist Nebelstreif ergossen,

Doch senkt sich Himmelsklarheit in die Tiefen,

Und Zweig und Äste, frisch erquickt, entsprossen

Dem duft’gen Abgrund, wo versenkt sie schliefen;

Auch Farb’ an Farbe klärt sich los vom Grunde,

Wo Blum’ und Blatt von Zitterperle triefen –

Ein Paradies wird um mich her die Runde.

Hinaufgeschaut! – Der Berge Gipfelriesen

Verkünden schon die feierlichste Stunde;

Sie dürfen früh des ewigen Lichts genießen,

Das später sich zu uns hernieder wendet.

Jetzt zu der Alpe grün gesenkten Wiesen

Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet,

Und stufenweis herab ist es gelungen –

Sie tritt hervor! – Und, leider schon geblendet,

Kehr’ ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen.

So ist es also, wenn ein sehnend Hoffen

Dem höchsten Wunsch sich traulich zugerungen,

Erfüllungspforten findet flügeloffen;

Nun aber bricht aus jenen ewigen Gründen

Ein Flammenübermaß, wir stehn betroffen;

Des Lebens Fackel wollten wir entzünden,

Ein Feuermeer umschlingt uns, welch ein Feuer!

Ist’s Lieb’? Ist’s Hass? Die glühend uns umwinden,

Mit Schmerz und Freuden wechselnd ungeheuer,

So dass wir wieder nach der Erde blicken,

Zu bergen uns in jugendlichstem Schleier.

So bleibe denn die Sonne mir im Rücken!

Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend,

Ihn schau’ ich an mit wachsendem Entzücken.

Von Sturz zu Sturzen wälzt er jetzt in tausend,

Dann abertausend Strömen sich ergießend,

Hoch in die Lüfte Schaum an Schäume sausend.

Allein wie herrlich, diesem Sturm ersprießend,

Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer,

Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,

Umher verbreitend duftig kühle Schauer.

Der spiegelt ab das menschliche Bestreben.

Ihm sinne nach, und du begreifst genauer:

Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.

Kaiserliche Pfalz

Saal des Thrones

(Staatsrat in Erwartung des Kaisers. Trompeten.)

Hofgesinde aller Art, prächtig gekleidet, tritt vor.

Der Kaiser gelangt auf den Thron; zu seiner Rechten der Astrolog.

Kaiser.

Ich grüße die Getreuen, Lieben,

Versammelt aus der Näh’ und Weite; –

Den Weisen seh’ ich mir zur Seite,

Allein wo ist der Narr geblieben?

Junker.

Gleich hinter deiner Mantelschleppe

Stürzt’ er zusammen auf der Treppe,

Man trug hinweg das Fettgewicht,

Tot oder trunken? Weiß man nicht.

Zweiter Junker.

Sogleich mit wunderbarer Schnelle

Drängt sich ein andrer an die Stelle.

Gar köstlich ist er aufgeputzt,

Doch fratzenhaft, dass jeder stutzt;

Die Wache hält ihm an der Schwelle

Kreuzweis die Hellebarden vor –

Da ist er doch, der kühne Tor!

Mephistopheles (am Throne kniend).

Was ist verwünscht und stets willkommen?

Was ist ersehnt und stets verjagt?

Was immerfort in Schutz genommen?

Was hart gescholten und verklagt?

Wen darfst du nicht herbei berufen?

Wen höret jeder gern genannt?

Was naht sich deines Thrones Stufen?

Was hat sich selbst hinweg gebannt?

Kaiser.

Für diesmal spare deine Worte!

Hier sind die Rätsel nicht am Orte,

Das ist die Sache dieser Herrn. –

Da löse du! Das hört’ ich gern.

Mein alter Narr ging, fürcht’ ich, weit ins Weite;

Nimm seinen Platz und komm an meine Seite.

(Mephistopheles steigt hinauf und stellt sich zur Linken.)

Gemurmel der Menge.

   Ein neuer Narr – Zu neuer Pein –

   Wo kommt er her? – Wie kam er ein? –

   Der alte fiel – Der hat vertan –

   Es war ein Fass – Nun ist’s ein Span. –

Kaiser.

Und also, ihr Getreuen, Lieben,

Willkommen aus der Näh’ und Ferne!

Ihr sammelt euch mit günstigem Sterne,

Da droben ist uns Glück und Heil geschrieben.

Doch sagt, warum in diesen Tagen,

Wo wir der Sorgen uns entschlagen,

Schönbärte mummenschänzlich tragen

Und Heitres nur genießen wollten,

Warum wir uns ratschlagend quälen sollten?

Doch weil ihr meint, es ging’ nicht anders an,

Geschehen ist’s, so sei’s getan.

Kanzler.

Die höchste Tugend, wie ein Heiligenschein,

Umgibt des Kaisers Haupt; nur er allein

Vermag sie gültig auszuüben:

Gerechtigkeit! – Was alle Menschen lieben,

Was alle fordern, wünschen, schwer entbehren,

Es liegt an ihm, dem Volk es zu gewähren.

Doch ach! Was hilft dem Menschengeist Verstand,

Dem Herzen Güte, Willigkeit der Hand,

Wenn’s fieberhaft durchaus im Staate wütet

Und Übel sich in Übeln überbrütet?

Wer schaut hinab von diesem hohen Raum

Ins weite Reich, ihm scheint’s ein schwerer Traum,

Wo Missgestalt in Missgestalten schaltet,

Das Ungesetz gesetzlich überwaltet

Und eine Welt des Irrtums sich entfaltet.

Der raubt sich Herden, der ein Weib,

Kelch, Kreuz und Leuchter vom Altare,

Berühmt sich dessen manche Jahre

Mit heiler Haut, mit unverletztem Leib.

Jetzt drängen Kläger sich zur Halle,

Der Richter prunkt auf hohem Pfühl,

Indessen wogt in grimmigem Schwalle

Des Aufruhrs wachsendes Gewühl.

Der darf auf Schand’ und Frevel pochen,

Der auf Mitschuldigste sich stützt,

Und: Schuldig! hörst du ausgesprochen,

Wo Unschuld nur sich selber schützt.

So will sich alle Welt zerstückeln,

Vernichtigen, was sich gebührt;

Wie soll sich da der Sinn entwickeln,

Der einzig uns zum Rechten führt?

Zuletzt ein wohlgesinnter Mann

Neigt sich dem Schmeichler, dem Bestecher,

Ein Richter, der nicht strafen kann,

Gesellt sich endlich zum Verbrecher.

Ich malte schwarz, doch dichtern Flor

Zög’ ich dem Bilde lieber vor. (Pause.)

Entschlüsse sind nicht zu vermeiden;

Wenn alle schädigen, alle leiden,

Geht selbst die Majestät zu Raub.

Heermeister.

Wie tobt’s in diesen wilden Tagen!

Ein jeder schlägt und wird erschlagen,

Und fürs Kommando bleibt man taub.

Der Bürger hinter seinen Mauern,

Der Ritter auf dem Felsennest

Verschwuren sich, uns auszudauern,

Und halten ihre Kräfte fest.

Der Mietsoldat wird ungeduldig,

Mit Ungestüm verlangt er seinen Lohn,

Und wären wir ihm nichts mehr schuldig,

Er liefe ganz und gar davon.

Verbiete wer, was alle wollten,

Der hat ins Wespennest gestört;

Das Reich, das sie beschützen sollten,

Es liegt geplündert und verheert.

Man lässt ihr Toben wütend hausen,

Schon ist die halbe Welt vertan;

Es sind noch Könige da draußen,

Doch keiner denkt, es ging’ ihn irgend an.

Schatzmeister.

Wer wird auf Bundsgenossen pochen!

Subsidien, die man uns versprochen,

Wie Röhrenwasser bleiben aus.

Auch, Herr, in deinen weiten Staaten

An wen ist der Besitz geraten?

Wohin man kommt, da hält ein Neuer Haus,

Und unabhängig will er leben,

Zusehen muss man, wie er’s treibt;

Wir haben so viel Rechte hingegeben,

Dass uns auf nichts ein Recht mehr übrig bleibt.

Auch auf Parteien, wie sie heißen,

Ist heutzutage kein Verlass;

Sie mögen schelten oder preisen,

Gleichgültig wurden Lieb’ und Hass.

Die Ghibellinen wie die Guelfen

Verbergen sich, um auszuruhn;

Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?

Ein jeder hat für sich zu tun.

Die Goldespforten sind verrammelt,

Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt,

Und unsre Kassen bleiben leer.

Marschalk.

Welch Unheil muss auch ich erfahren.

Wir wollen alle Tage sparen

Und brauchen alle Tage mehr;

Und täglich wächst mir neue Pein.

Den Köchen tut kein Mangel wehe;

Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rehe,

Welschhühner, Hühner, Gäns’ und Enten,

Die Deputate, sichre Renten,

Sie gehen noch so ziemlich ein.

Jedoch am Ende fehlt’s an Wein.

Wenn sonst im Keller Fass an Fass sich häufte,

Der besten Berg’ und Jahresläufte,

So schlürft unendliches Gesäufte

Der edlen Herrn den letzten Tropfen aus.

Der Stadtrat muss sein Lager auch verzapfen,

Man greift zu Humpen, greift zu Napfen,

Und unterm Tische liegt der Schmaus.

Nun soll ich zahlen, alle lohnen;

Der Jude wird mich nicht verschonen,

Der schafft Antizipationen,

Die speisen Jahr um Jahr voraus.

Die Schweine kommen nicht zu Fette,

Verpfändet ist der Pfühl im Bette,

Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot.

Kaiser (nach einigem Nachdenken zu Mephistopheles).

Sag’, weißt du Narr nicht auch noch eine Not?

Mephistopheles.

Ich? Keineswegs. Den Glanz umher zu schauen,

Dich und die Deinen! – Mangelte Vertrauen,

Wo Majestät unweigerlich gebeut,

Bereite Macht Feindseliges zerstreut?

Wo guter Wille, kräftig durch Verstand,

Und Tätigkeit, vielfältige, zur Hand?

Was könnte da zum Unheil sich vereinen,

Zur Finsternis, wo solche Sterne scheinen?

Gemurmel.

   Das ist ein Schalk – Der’s wohl versteht –

   Er lügt sich ein – Solang es geht –

   Ich weiß schon, was dahinter steckt –

   Und was denn weiter? – Ein Projekt.

Mephistopheles.

Wo fehlt’s nicht irgendwo auf dieser Welt?

Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld.

Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;

Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen.

In Bergesadern, Mauergründen

Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden;

Und fragt ihr mich, wer es zutage schafft:

Begabten Manns Natur- und Geisteskraft.

Kanzler.

Natur und Geist – so spricht man nicht zu Christen.

Deshalb verbrennt man Atheisten,

Weil solche Reden höchst gefährlich sind.

Natur ist Sünde, Geist ist Teufel,

Sie hegen zwischen sich den Zweifel,

Ihr missgestaltet Zwitterkind.

Uns nicht so! – Kaisers alten Landen

Sind zwei Geschlechter nur entstanden,

Sie stützen würdig seinen Thron:

Die Heiligen sind es und die Ritter;

Sie stehen jedem Ungewitter

Und nehmen Kirch’ und Staat zum Lohn.

Dem Pöbelsinn verworrner Geister

Entwickelt sich ein Widerstand:

Die Ketzer sind’s! Die Hexenmeister!

Und sie verderben Stadt und Land.

Die willst du nun mit frechen Scherzen

In diese hohen Kreise schwärzen;

Ihr hegt euch an verderbtem Herzen,

Dem Narren sind sie nah verwandt.

Mephistopheles.

Daran erkenn’ ich den gelehrten Herrn!

Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern,

Was ihr nicht fasst, das fehlt euch ganz und gar,

Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr,

Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht,

Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht.

Kaiser.

Dadurch sind unsre Mängel nicht erledigt,

Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt?

Ich habe satt das ewige Wie und Wenn;

Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff’ es denn.

Mephistopheles.

Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr;

Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer;

Es liegt schon da; doch um es zu erlangen,

Das ist die Kunst, wer weiß es anzufangen?

Bedenkt doch nur: In jenen Schreckensläuften,

Wo Menschenfluten Land und Volk ersäuften,

Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte,

Sein Liebstes da- und dortwohin versteckte.

So war’s von je in mächtiger Römer Zeit,

Und so fortan, bis gestern, ja bis heut.

Das alles liegt im Boden still begraben,

Der Boden ist des Kaisers, der soll’s haben.

Schatzmeister.

Für einen Narren spricht er gar nicht schlecht,

Das ist fürwahr des alten Kaisers Recht.

Kanzler.

Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen:

Es geht nicht zu mit frommen, rechten Dingen.

Marschalk.

Schafft’ er uns nur zu Hof willkommne Gaben,

Ich wollte gern ein bisschen Unrecht haben.

Heermeister.

Der Narr ist klug, verspricht, was jedem frommt;

Fragt der Soldat doch nicht, woher es kommt.

Mephistopheles.

Und glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen –

Hier steht ein Mann! Da, fragt den Astrologen!

In Kreis’ um Kreise kennt er Stund’ und Haus;

So sage denn: Wie sieht’s am Himmel aus?

Gemurmel.

   Zwei Schelme sind’s – Verstehn sich schon –

   Narr und Phantast – So nah dem Thron –

   Ein mattgesungen, alt Gedicht –

   Der Tor bläst ein – Der Weise spricht.

Astrolog (spricht, Mephistopheles bläst ein).

Die Sonne selbst, sie ist ein lautres Gold,

Merkur, der Bote, dient um Gunst und Sold,

Frau Venus hat’s euch allen angetan,

So früh als spät blickt sie euch lieblich an;

Die keusche Luna launet grillenhaft;

Mars, trifft er nicht, so dräut euch seine Kraft;

Und Jupiter bleibt doch der schönste Schein;

Saturn ist groß, dem Auge fern und klein.

Ihn als Metall verehren wir nicht sehr,

An Wert gering, doch im Gewichte schwer.

Ja! Wenn zu Sol sich Luna fein gesellt,

Zum Silber Gold, dann ist es heitre Welt;

Das übrige ist alles zu erlangen:

Paläste, Gärten, Brüstlein, rote Wangen,

Das alles schafft der hoch gelehrte Mann,

Der das vermag, was unser keiner kann.

Kaiser.

Ich höre doppelt, was er spricht,

Und dennoch überzeugt’s mich nicht.

Gemurmel.

   Was soll uns das? – Gedroschner Spaß –

   Kalenderei – Chymisterei –

   Das hört’ ich oft – Und falsch gehofft –

   Und kommt er auch – So ist’s ein Gauch –

Mephistopheles.

Da stehen sie umher und staunen,

Vertrauen nicht dem hohen Fund;

Der eine faselt von Alraunen,

Der andre von dem schwarzen Hund.

Was soll es, dass der eine witzelt,

Ein andrer Zauberei verklagt,

Wenn ihm doch auch einmal die Sohle kitzelt,

Wenn ihm der sichre Schritt versagt.

Ihr alle fühlt geheimes Wirken

Der ewig waltenden Natur,

Und aus den untersten Bezirken

Schmiegt sich herauf lebend’ge Spur.

Wenn es in allen Gliedern zwackt,

Wenn es unheimlich wird am Platz,

Nur gleich entschlossen grabt und hackt,

Da liegt der Spielmann, liegt der Schatz!

Gemurmel.

   Mir liegt’s im Fuß wie Bleigewicht –

   Mir krampft’s im Arme – Das ist Gicht –

   Mir krabbelt’s an der großen Zeh’ –

   Mir tut der ganze Rücken weh –

   Nach solchen Zeichen wäre hier

   Das allerreichste Schatzrevier.

Kaiser.

Nur eilig! Du entschlüpfst nicht wieder,

Erprobe deine Lügenschäume

Und zeig’ uns gleich die edlen Räume.

Ich lege Schwert und Zepter nieder

Und will mit eignen hohen Händen,

Wenn du nicht lügst, das Werk vollenden,

Dich, wenn du lügst, zur Hölle senden!

Mephistopheles.

Den Weg dahin wüsst’ allenfalls zu finden. –

Doch kann ich nicht genug verkünden,

Was überall besitzlos harrend liegt.

Der Bauer, der die Furche pflügt,

Hebt einen Goldtopf mit der Scholle,

Salpeter hofft er von der Leimenwand

Und findet golden-goldne Rolle,

Erschreckt, erfreut in kümmerlicher Hand.

Was für Gewölbe sind zu sprengen,

In welchen Klüften, welchen Gängen

Muss sich der Schatzbewusste drängen,

Zur Nachbarschaft der Unterwelt!

In weiten, altverwahrten Kellern

Von goldnen Humpen, Schüsseln, Tellern

Sieht er sich Reihen aufgestellt;

Pokale stehen aus Rubinen,

Und will er deren sich bedienen,

Daneben liegt uraltes Nass.

Doch – werdet ihr dem Kundigen glauben –

Verfault ist längst das Holz der Dauben,

Der Weinstein schuf dem Wein ein Fass.

Essenzen solcher edlen Weine,

Gold und Juwelen nicht alleine

Umhüllen sich mit Nacht und Graus.

Der Weise forscht hier unverdrossen;

Am Tag erkennen, das sind Possen,

Im Finstern sind Mysterien zu Haus.

Kaiser.

Die lass ich dir! Was will das Düstre frommen?

Hat etwas Wert, es muss zu Tage kommen.

Wer kennt den Schelm in tiefer Nacht genau?

Schwarz sind die Kühe, so die Katzen grau.

Die Töpfe drunten, voll von Goldgewicht –

Zieh deinen Pflug und ackre sie ans Licht.

Mephistopheles.

Nimm Hack’ und Spaten, grabe selber,

Die Bauernarbeit macht dich groß,

Und eine Herde goldner Kälber,

Sie reißen sich vom Boden los.

Dann ohne Zaudern, mit Entzücken

Kannst du dich selbst, wirst die Geliebte schmücken;

Ein leuchtend Farb- und Glanzgestein erhöht

Die Schönheit wie die Majestät.

Kaiser.

Nur gleich, nur gleich! Wie lange soll es währen!

Astrolog (wie oben).

Herr, mäßige solch dringendes Begehren,

Lass erst vorbei das bunte Freudenspiel;

Zerstreutes Wesen führt uns nicht zum Ziel.

Erst müssen wir in Fassung uns versühnen,

Das Untre durch das Obere verdienen.

Wer Gutes will, der sei erst gut;

Wer Freude will, besänftige sein Blut;

Wer Wein verlangt, der keltre reife Trauben;

Wer Wunder hofft, der stärke seinen Glauben.

Kaiser.

So sei die Zeit in Fröhlichkeit vertan!

Und ganz erwünscht kommt Aschermittwoch an.

Indessen feiern wir auf jeden Fall

Nur lustiger das wilde Karneval.

(Trompeten. Exeunt.)

Mephistopheles.

Wie sich Verdienst und Glück verketten,

Das fällt den Toren niemals ein;

Wenn sie den Stein der Weisen hätten,

Der Weise mangelte dem Stein.

Weitläufiger Saal

mit Nebengemächern, verziert und aufgeputzt zur Mummenschanz.

Herold.

Denkt nicht, ihr seid in deutschen Grenzen

Von Teufels-, Narren- und Totentänzen;

Ein heitres Fest erwartet euch.

Der Herr auf seinen Römerzügen

Hat, sich zu Nutz, euch zum Vergnügen,

Die hohen Alpen überstiegen,

Gewonnen sich ein heitres Reich.

Der Kaiser, er, an heiligen Sohlen

Erbat sich erst das Recht zur Macht,

Und als er ging, die Krone sich zu holen,

Hat er uns auch die Kappe mitgebracht.

Nun sind wir alle neu geboren;

Ein jeder weltgewandte Mann

Zieht sie behaglich über Kopf und Ohren;

Sie ähnelt ihn verrückten Toren,

Er ist darunter weise, wie er kann.

Ich sehe schon, wie sie sich scharen,

Sich schwankend sondern, traulich paaren;

Zudringlich schließt sich Chor an Chor.

Herein, hinaus, nur unverdrossen;

Es bleibt doch endlich nach wie vor

Mit ihren hunderttausend Possen

Die Welt ein einzig großer Tor.

Gärtnerinnen (Gesang, begleitet von Mandolinen).

   Euren Beifall zu gewinnen,

   Schmückten wir uns diese Nacht,

   Junge Florentinerinnen,

   Folgten deutschen Hofes Pracht;

   Tragen wir in braunen Locken

   Mancher heitern Blume Zier;

   Seidenfäden, Seidenflocken

   Spielen ihre Rolle hier.

   Denn wir halten es verdienstlich,

   Lobenswürdig ganz und gar,

   Unsere Blumen, glänzend künstlich,

   Blühen fort das ganze Jahr.

   Allerlei gefärbten Schnitzeln

   Ward symmetrisch recht getan;

   Mögt ihr Stück für Stück bewitzeln,

   Doch das Ganze zieht euch an.

   Niedlich sind wir anzuschauen,

   Gärtnerinnen und galant;

   Denn das Naturell der Frauen

   Ist so nah mit Kunst verwandt.

Herold.

   Lasst die reichen Körbe sehen,

   Die ihr auf den Häupten traget,

   Die sich bunt am Arme blähen,

   Jeder wähle, was behaget.

   Eilig, dass in Laub und Gängen

   Sich ein Garten offenbare!

   Würdig sind sie zu umdrängen,

   Krämerinnen wie die Ware.

Gärtnerinnen.

   Feilschet nun am heitern Orte,

   Doch kein Markten finde statt!

   Und mit sinnig kurzem Worte

   Wisse jeder, was er hat.

Olivenzweig mit Früchten.

   Keinen Blumenflor beneid’ ich,

   Allen Widerstreit vermeid’ ich;

   Mir ist’s gegen die Natur:

   Bin ich doch das Mark der Lande

   Und, zum sichern Unterpfande,

   Friedenszeichen jeder Flur.

   Heute, hoff’ ich, soll mir’s glücken,

   Würdig schönes Haupt zu schmücken.

Ährenkranz (golden).

   Ceres’ Gaben, euch zu putzen,

   Werden hold und lieblich stehn:

   Das Erwünschteste dem Nutzen

   Sei als eure Zierde schön.

Phantasiekranz.

   Bunte Blumen, Malven ähnlich,

   Aus dem Moos ein Wunderflor!

   Der Natur ist’s nicht gewöhnlich,

   Doch die Mode bringt’s hervor.

Phantasiestrauß.

   Meinen Namen euch zu sagen,

   Würde Theophrast nicht wagen;

   Und doch hoff’ ich, wo nicht allen,

   Aber mancher zu gefallen,

   Der ich mich wohl eignen möchte,

   Wenn sie mich ins Haar verflöchte,

   Wenn sie sich entschließen könnte,

   Mir am Herzen Platz vergönnte.

Rosenknospen.

   Mögen bunte Phantasien

   Für des Tages Mode blühen,

   Wunderseltsam sein gestaltet,

   Wie Natur sich nie entfaltet;

   Grüne Stiele, goldne Glocken,

   Blickt hervor aus reichen Locken! –

   Doch wir

Rosenknospen.

   halten uns versteckt:

   Glücklich, wer uns frisch entdeckt.

   Wenn der Sommer sich verkündet,

   Rosenknospe sich entzündet,

   Wer mag solches Glück entbehren?

   Das Versprechen, das Gewähren,

   Das beherrscht in Florens Reich

   Blick und Sinn und Herz zugleich.

(Unter grünen Laubgängen putzen die Gärtnerinnen zierlich ihren Kram auf.)

Gärtner (Gesang, begleitet von Theorben).

   Blumen sehet ruhig sprießen,

   Reizend euer Haupt umzieren;

   Früchte wollen nicht verführen,

   Kostend mag man sie genießen.

   Bieten bräunliche Gesichter

   Kirschen, Pfirschen, Königspflaumen,

   Kauft! Denn gegen Zung’ und Gaumen

   Hält sich Auge schlecht als Richter.

   Kommt, von allerreifsten Früchten

   Mit Geschmack und Lust zu speisen!

   Über Rosen lässt sich dichten,

   In die Äpfel muss man beißen.

   Sei’s erlaubt, uns anzupaaren

   Eurem reichen Jugendflor,

   Und wir putzen reifer Waren

   Fülle nachbarlich empor.

   Unter lustigen Gewinden,

   In geschmückter Lauben Bucht,

   Alles ist zugleich zu finden:

   Knospe, Blätter, Blume, Frucht.

(Unter Wechselgesang, begleitet von Gitarren und Theorben, fahren beide Chöre fort ihre Waren stufenweise in die Höhe zu schmücken und auszubieten.)

(Mutter und Tochter.)

Mutter.

   Mädchen, als du kamst ans Licht,

   Schmückt’ ich dich im Häubchen;

   Warst so lieblich von Gesicht

   Und so zart am Leibchen.

   Dachte dich sogleich als Braut,

   Gleich dem Reichsten angetraut,

   Dachte dich als Weibchen.

   Ach! Nun ist schon manches Jahr

   Ungenützt verflogen,

   Der Sponsierer bunte Schar

   Schnell vorbeigezogen;

   Tanztest mit dem einen flink,

   Gabst dem andern feinen Wink

   Mit dem Ellenbogen.

   Welches Fest man auch ersann,

   Ward umsonst begangen,

   Pfänderspiel und dritter Mann

   Wollten nicht verfangen;

   Heute sind die Narren los,

   Liebchen, öffne deinen Schoß,

   Bleibt wohl einer hangen.

(Gespielinnen, jung und schön, gesellen sich hinzu, ein vertrauliches Geplauder wird laut.)

(Fischer und Vogelsteller mit Netzen, Angeln und Leimruten, auch sonstigem Geräte treten auf, mischen sich unter die schönen Kinder. Wechselseitige Versuche, zu gewinnen, zu fangne, zu entgehen und festzuhalten, geben zu den angenehmsten Dialogen Gelegenheit.)

Holzhauer (treten ein, ungestüm und ungeschlachtet).

   Nur Platz! Nur Blöße!

   Wir brauchen Räume,

   Wir fällen Bäume,

   Die krachen, schlagen;

   Und wenn wir tragen,

   Da gibt es Stöße.

   Zu unserm Lobe

   Bringt dies ins reine;

   Denn wirkten Grobe

   Nicht auch im Lande,

   Wie kämen Feine

   Für sich zustande,

   So sehr sie witzten?

   Des seid belehret;

   Denn ihr erfröret,

   Wenn wir nicht schwitzten.

Pulcinelle (täppisch, fast läppisch).

   Ihr seid die Toren,

   Gebückt geboren.

   Wir sind die Klugen,

   Die nie was trugen;

   Denn unsre Kappen,

   Jacken und Lappen

   Sind leicht zu tragen;

   Und mit Behagen

   Wir immer müßig,

   Pantoffelfüßig

   Durch Markt und Haufen

   Einher zu laufen,

   Gaffend zu stehen,

   Uns anzukrähen;

   Auf solche Klänge

   Durch Drang und Menge

   Aalgleich zu schlüpfen,

   Gesamt zu hüpfen,

   Vereint zu toben.

   Ihr mögt uns loben,

   Ihr mögt uns schelten,

   Wir lassen’s gelten.

Parasiten (schmeichelnd-lüstern).

   Ihr wackern Träger

   Und eure Schwäger,

   Die Kohlenbrenner,

   Sind unsre Männer.

   Denn alles Bücken,

   Bejahndes Nicken,

   Gewundne Phrasen,

   Das Doppelblasen,

   Das wärmt und kühlet,

   Wie’s einer fühlet,

   Was könnt’ es frommen?

   Es möchte Feuer

   Selbst ungeheuer

   Vom Himmel kommen,

   Gäb’ es nicht Scheite

   Und Kohlentrachten,

   Die Herdesbreite

   Zur Glut entfachten.

   Da brät’s und prudelt’s,

   Da kocht’s und strudelt’s.

   Der wahre Schmecker,

   Der Tellerlecker,

   Er riecht den Braten,

   Er ahnet Fische;

   Das regt zu Taten

   An Gönners Tische.

Trunkner (unbewuss).

   Sei mir heute nichts zuwider!

   Fühle mich so frank und frei;

   Frische Lust und heitre Lieder,

   Holt’ ich selbst sie doch herbei.

   Und so trink’ ich! Trinke, trinke!

   Stoßet an, ihr! Tinke, Tinke!

   Du dorthinten, komm heran!

   Stoßet an, so ist’s getan.

   Schrie mein Weibchen doch entrüstet,

   Rümpfte diesem bunten Rock,

   Und, wie sehr ich mich gebrüstet,

   Schalt mich einen Maskenstock.

   Doch ich trinke! Trinke, trinke!

   Angeklungen! Tinke, Tinke!

   Maskenstöcke, stoßet an!

   Wenn es klingt, so ist’s getan.

   Saget nicht, dass ich verirrt bin,

   Bin ich doch, wo mir’s behagt.

   Borgt der Wirt nicht, borgt die Wirtin,

   Und am Ende borgt die Magd.

   Immer trink’ ich! Trinke, trinke!

   Auf, ihr andern! Tinke, Tinke!

   Jeder jedem! So fortan!

   Dünkt mich’s doch, es sei getan.

   Wie und wo ich mich vergnüge,

   Mag es immerhin geschehn;

   Lass mich liegen, wo ich liege,

   Denn ich mag nicht länger stehn.

Chor.

   Jeder Bruder trinke, trinke!

   Toastet frisch ein Tinke, Tinke!

   Sitzet fest auf Bank und Span!

   Unterm Tisch dem ist’s getan.

(Der Herold kündigt verschiedene Poeten an, Naturdichter, Hof- und Rittersänger, zärtliche sowie Enthusiasten. Im Gedräng’ von Mitwerbern aller Art lässt keiner den andern zum Vortrag kommen. Einer schleicht mit wenigen Worten vorüber.)

Satiriker.

   Wisst ihr, was mich Poeten

   Erst recht erfreuen sollte?

   Dürft’ ich singen und reden,

   Was niemand hören wollte.

(Die Nacht- und Grabdichter lassen sich entschuldigen, weil sie soeben im interessantesten Gespräch mit einem frisch erstandenen Vampiren begriffen seien, woraus eine neue Dichtart sich vielleicht entwickeln könnte; der Herold muss es gelten lassen und ruft indessen die griechische Mythologie hervor, die selbst in moderner Maske weder Charakter noch Gefälliges verliert.)

(Die Grazien.)

Aglaia.

   Anmut bringen wir ins Leben;

   Leget Anmut in das Geben.

Hegemone.

   Leget Anmut ins Empfangen,

   Lieblich ist’s, den Wunsch erlangen.

Euphrosyne.

   Und in stiller Tage Schranken

   Höchst anmutig sei das Danken.

(Die Parzen.)

Atropos.

   Mich, die Älteste, zum Spinnen

   Hat man diesmal eingeladen;

   Viel zu denken, viel zu sinnen

   Gibt’s beim zarten Lebensfaden.

   Dass er euch gelenk und weich sei,

   Wusst’ ich feinsten Flachs zu sichten;

   Dass er glatt und schlank und gleich sei,

   Wird der kluge Finger schlichten.

   Wolltet ihr bei Lust und Tänzen

   Allzu üppig euch erweisen,

   Denkt an dieses Fadens Grenzen,

   Hütet euch! Er möchte reißen.

Klotho.

   Wisst, in diesen letzten Tagen

   Ward die Schere mir vertraut;

   Denn man war von dem Betragen

   Unsrer Alten nicht erbaut.

   Zerrt unnützeste Gespinste

   Lange sie an Licht und Luft,

   Hoffnung herrlichster Gewinste

   Schleppt sie schneidend zu der Gruft.

   Doch auch ich im Jugendwalten

   Irrte mich schon hundertmal;

   Heute mich im Zaum zu halten,

   Schere steckt im Futteral.

   Und so bin ich gern gebunden,

   Blicke freundlich diesem Ort;

   Ihr in diesen freien Stunden

   Schwärmt nur immer fort und fort.

Lachesis.

   Mir, die ich allein verständig,

   Blieb das Ordnen zugeteilt;

   Meine Weife, stets lebendig,

   Hat noch nie sich übereilt.

   Fäden kommen, Fäden weifen,

   Jeden lenk’ ich seine Bahn,

   Keinen lass’ ich überschweifen,

   Füg’ er sich im Kreis heran.

   Könnt’ ich einmal mich vergessen,

   Wär’ es um die Welt mir bang;

   Stunden zählen, Jahre messen,

   Und der Weber nimmt den Strang.

Herold.

   Die jetzo kommen, werdet ihr nicht kennen,

   Wärt ihr noch so gelehrt in alten Schriften;

   Sie anzusehn, die so viel übel stiften,

   Ihr würdet sie willkommne Gäste nennen.

   Die Furien sind es, niemand wird uns glauben,

   Hübsch, wohl gestaltet, freundlich, jung von Jahren;

   Lasst euch mit ihnen ein, ihr sollt erfahren,

   Wie schlangenhaft verletzen solche Tauben.

   Zwar sind sie tückisch, doch am heutigen Tage,

   Wo jeder Narr sich rühmet seiner Mängel,

   Auch sie verlangen nicht den Ruhm als Engel,

   Bekennen sich als Stadt- und Landesplage.

(Die Furien.)

Alekto.

   Was hilft es euch? Ihr werdet uns vertrauen,

   Denn wir sind hübsch und jung und Schmeichelkätzchen;

   Hat einer unter euch ein Liebeschätzchen,

   Wir werden ihm so lang die Ohren krauen,

   Bis wir ihm sagen dürfen, Aug’ in Auge:

   Dass sie zugleich auch dem und jenem winke,

   Im Kopfe dumm, im Rücken krumm, und hinke

   Und, wenn sie seine Braut ist, gar nichts tauge.

   So wissen wir die Braut auch zu bedrängen:

   Es hat sogar der Freund, vor wenig Wochen,

   Verächtliches von ihr zu der gesprochen! –

   Versöhnt man sich, so bleibt doch etwas hängen.

Megära.

   Das ist nur Spaß! Denn, sind sie erst verbunden,

   Ich nehm’ es auf und weiß in allen Fällen,

   Das schönste Glück durch Grille zu vergällen;

   Der Mensch ist ungleich, ungleich sind die Stunden.

   Und niemand hat Erwünschtes fest in Armen,

   Der sich nicht nach Erwünschterem törig sehnte

   Vom höchsten Glück, woran er sich gewöhnte;

   Die Sonne flieht er, will den Frost erwarmen.

   Mit diesem allen weiß ich zu gebaren

   Und führe her Asmodi, den Getreuen,

   Zu rechter Zeit Unseliges auszustreuen,

   Verderbe so das Menschenvolk in Paaren.

Tisiphone.

   Gift und Dolch statt böser Zungen

   Misch’ ich, schärf’ ich dem Verräter;

   Liebst du andre, früher, später

   Hat Verderben dich durchdrungen.

   Muss der Augenblicke Süßtes

   Sich zu Gischt und Galle wandeln!

   Hier kein Markten, hier kein Handeln –

   Wie er es beging, er büßt es.

   Singe keiner vom Vergeben!

   Felsen klag’ ich meine Sache,

   Echo! horch! Erwidert: Rache!

   Und wer wechselt, soll nicht leben.

Herold.

   Belieb’ es euch, zur Seite wegzuweichen,

   Denn was jetzt kommt, ist nicht von euresgleichen.

   Ihr seht, wie sich ein Berg herangedrängt,

   Mit bunten Teppichen die Weichen stolz behängt,

   Ein Haupt mit langen Zähnen, Schlangenrüssel,

   Geheimnisvoll, doch zeig’ ich euch den Schlüssel.

   Im Nacken sitzt ihm zierlich-zarte Frau,

   Mit feinem Stäbchen lenkt sie ihn genau;

   Die andre, droben stehend, herrlich-hehr,

   Umgibt ein Glanz, der blendet mich zu sehr.

   Zur Seite gehn gekettet edle Frauen,

   Die eine bang, die andre froh zu schauen;

   Die eine wünscht, die andre fühlt sich frei.

   Verkünde jede, wer sie sei.

Furcht.

   Dunstige Fackeln, Lampen, Lichter

   Dämmern durchs verworrne Fest;

   Zwischen diese Truggesichter

   Bannt mich, ach! die Kette fest.

   Fort, ihr lächerlichen Lacher!

   Euer Grinsen gibt Verdacht;

   Alle meine Widersacher

   Drängen mich in dieser Nacht.

   Hier! Ein Freund ist Feind geworden,

   Seine Maske kenn’ ich schon;

   Jener wollte mich ermorden,

   Nun entdeckt schleicht er davon.

   Ach wie gern in jeder Richtung

   Flöh’ ich zu der Welt hinaus;

   Doch von drüben droht Vernichtung,

   Hält mich zwischen Dunst und Graus.

Hoffnung.

   Seid gegrüßt, ihr lieben Schwestern!

   Habt ihr euch schon heut’ und gestern

   In Vermummungen gefallen,

   Weiß ich doch gewiss von allen:

   Morgen wollt ihr euch enthüllen.

   Und wenn wir bei Fackelscheine

   Uns nicht sonderlich behagen,

   Werden wir in heitern Tagen

   Ganz nach unserm eignen Willen

   Bald gesellig, bald alleine

   Frei durch schöne Fluren wandeln,

   Nach Belieben ruhn und handeln

   Und in sorgenfreiem Leben

   Nie entbehren, stets erstreben;

   Überall willkommne Gäste,

   Treten wir getrost hinein:

   Sicherlich, es muss das Beste

   Irgendwo zu finden sein.

Klugheit.

   Zwei der größten Menschenfeinde,

   Furcht und Hoffnung, angekettet,

   Halt’ ich ab von der Gemeinde;

   Platz gemacht! Ihr seid gerettet.

   Den lebendigen Kolossen

   Führ’ ich, seht ihr, turmbeladen,

   Und er wandelt unverdrossen

   Schritt vor Schritt auf steilen Pfaden.

   Droben aber auf der Zinne

   Jene Göttin, mit behenden

   Breiten Flügeln, zum Gewinne

   Allerseits sich hinzuwenden,

   Rings umgibt sie Glanz und Glorie,

   Leuchtend fern nach allen Seiten;

   Und sie nennet sich Viktorie,

   Göttin aller Tätigkeiten.

Zoilo-Thersites.

   Hu! Hu! Da komm’ ich eben recht,

   Ich schelt’ euch allzusammen schlecht!

   Doch was ich mir zum Ziel ersah,

   Ist oben Frau Viktoria.

   Mit ihrem weißen Flügelpaar

   Sie dünkt sich wohl, sie sei ein Aar,

   Und wo sie sich nur hingewandt,

   Gehör’ ihr alles Volk und Land;

   Doch, wo was Rühmliches gelingt,

   Es mich sogleich in Harnisch bringt.

   Das Tiefe hoch, das Hohe tief,

   Das Schiefe grad, das Grade schief,

   Das ganz allein macht mich gesund,

   So will ich’s auf dem Erdenrund.

Herold.

   So treffe dich, du Lumpenhund,

   Des frommen Stabes Meisterstreich!

   Da krümm’ und winde dich sogleich! –

   Wie sich die Doppelzwerggestalt

   So schnell zum eklen Klumpen ballt! –

   – Doch Wunder! – Klumpen wird zum Ei,

   Das bläht sich auf und platzt entzwei.

   Nun fällt ein Zwillingspaar heraus,

   Die Otter und die Fledermaus;

   Die eine fort im Staube kriecht,

   Die andre schwarz zur Decke fliegt.

   Sie eilen draußen zum Verein;

   Da möcht’ ich nicht der dritte sein.

Gemurmel.

   Frisch! Dahinten tanzt man schon –

   Nein! Ich wollt’, ich wär’ davon –

   Fühlst du, wie uns das umflicht,

   Das gespenstische Gezücht? –

   Saust es mir doch übers Haar –

   Ward ich’s doch am Fuß gewahr –

   Keiner ist von uns verletzt –

   Alle doch in Furcht gesetzt –

   Ganz verdorben ist der Spaß –

   Und die Bestien wollten das.

Herold.

Seit mir sind bei Maskeraden

Heroldspflichten aufgeladen,

Wach’ ich ernstlich an der Pforte,

Dass euch hier am lustigen Orte

Nichts Verderbliches erschleiche,

Weder wanke, weder weiche.

Doch ich fürchte, durch die Fenster

Ziehen luftige Gespenster,

Und von Spuk und Zaubereien

Wüsst’ ich euch nicht zu befreien.

Machte sich der Zwerg verdächtig,

Nun! Dort hinten strömt es mächtig.

Die Bedeutung der Gestalten

Möcht’ ich amtsgemäß entfalten.

Aber was nicht zu begreifen,

Wüsst’ ich auch nicht zu erklären;

Helfet alle mich belehren! –

Seht ihr’s durch die Menge schweifen? –

Vierbespannt ein prächtiger Wagen

Wird durch alles durchgetragen;

Doch er teilet nicht die Menge,

Nirgend seh’ ich ein Gedränge.

Farbig glitzert’s in der Ferne,

Irrend leuchten bunte Sterne

Wie von magischer Laterne,

Schnaubt heran mit Sturmgewalt.

Platz gemacht! Mich schaudert’s!

Knabe Wagenlenker.

Halt!

Rosse, hemmet eure Flügel,

Fühlet den gewohnten Zügel,

Meistert euch, wie ich euch meistre,

Rauschet hin, wenn ich begeistre –

Diese Räume lasst uns ehren!

Schaut umher, wie sie sich mehren,

Die Bewundrer, Kreis um Kreise.

Herold auf! Nach deiner Weise,

Ehe wir von euch entfliehen,

Uns zu schildern, uns zu nennen;

Denn wir sind Allegorien,

Und so solltest du uns kennen.

Herold.

Wüsste nicht, dich zu benennen;

Eher könnt’ ich dich beschreiben.

Knabe Lenker.

So probier’s!

Herold.

Man muss gestehn:

Erstlich bist du jung und schön.

Halbwüchsiger Knabe bist du; doch die Frauen,

Sie möchten dich ganz ausgewachsen schauen.

Du scheinest mir ein künftiger Sponsierer,

Recht so von Haus aus ein Verführer.

Knabe Lenker.

Das lässt sich hören! Fahre fort,

Erfinde dir des Rätsels heitres Wort.

Herold.

Der Augen schwarzer Blitz, die Nacht der Locken,

Erheitert von juwelnem Band!

Und welch ein zierliches Gewand

Fließt dir von Schultern zu den Socken,

Mit Purpursaum und Glitzertand!

Man könnte dich ein Mädchen schelten;

Doch würdest du, zu Wohl und Weh

Auch jetzo schon bei Mädchen gelten,

Sie lehrten dich das ABC.

Knabe Lenker.

Und dieser, der als Prachtgebilde

Hier auf dem Wagenthrone prangt?

Herold.

Er scheint ein König, reich und milde,

Wohl dem, der seine Gunst erlangt!

Er hat nichts weiter zu erstreben;

Wo’s irgend fehlte, späht sein Blick,

Und seine reine Lust zu geben

Ist größer als Besitz und Glück.

Knabe Lenker.

Hiebei darfst du nicht stehen bleiben,

Du musst ihn recht genau beschreiben.

Herold.

Das Würdige beschreibt sich nicht.

Doch das gesunde Mondgesicht,

Ein voller Mund, erblühte Wangen,

Die unterm Schmuck des Turbans prangen,

Im Faltenkleid ein reich Behagen!

Was soll ich von dem Anstand sagen?

Als Herrscher scheint er mir bekannt.

Knabe Lenker.

Plutus, des Reichtums Gott genannt:

Derselbe kommt in Prunk daher,

Der hohe Kaiser wünscht ihn sehr.

Herold.

Sag’ von dir selber auch das Was und Wie!

Knabe Lenker.

Bin die Verschwendung, bin die Poesie;

Bin der Poet, der sich vollendet,

Wenn er sein eigenst Gut verschwendet.

Auch ich bin unermesslich reich

Und schätze mich dem Plutus gleich,

Beleb’ und schmück’ ihm Tanz und Schmaus,

Das, was ihm fehlt, das teil’ ich aus.

Herold.

Das Prahlen steht dir gar zu schön,

Doch lass uns deine Künste sehn.

Knabe Lenker.

Hier seht mich nur ein Schnippchen schlagen,

Schon glänzt’s und glitzert’s um den Wagen.

Da springt eine Perlenschnur hervor!

(Immerfort umherschnippend.)

Nehmt goldne Spange für Hals und Ohr;

Auch Kamm und Krönchen ohne Fehl,

In Ringen köstlichstes Juwel;

Auch Flämmchen spend’ ich dann und wann,

Erwartend, wo es zünden kann.

Herold.

Wie greift und hascht die liebe Menge!

Fast kommt der Geber ins Gedränge.

Kleinode schnippt er wie ein Traum,

Und alles hascht im weiten Raum.

Doch da erleb’ ich neue Pfiffe:

Was einer noch so emsig griffe,

Des hat er wirklich schlechten Lohn,

Die Gabe flattert ihm davon.

Es löst sich auf das Perlenband,

Ihm krabbeln Käfer in der Hand;

Er wirft sie weg, der arme Tropf,

Und sie umsummen ihm den Kopf.

Die andern statt solider Dinge

Erhaschen frevle Schmetterlinge.

Wie doch der Schelm so viel verheißt

Und nur verleiht, was golden gleißt!

Knabe Lenker.

Zwar Masken, merk’ ich, weißt du zu verkünden,

Allein der Schale Wesen zu ergründen,

Sind Herolds Hofgeschäfte nicht;

Das fordert schärferes Gesicht.

Doch hüt’ ich mich vor jeder Fehde;

An dich, Gebieter, wend’ ich Frag’ und Rede.

(Zu Plutus gewendet.)

Hast du mir nicht die Windesbraut

Des Viergespannes anvertraut?

Lenk’ ich nicht glücklich, wie du leitest?

Bin ich nicht da, wohin du deutest?

Und wusst’ ich nicht auf kühnen Schwingen

Für dich die Palme zu erringen?

Wie oft ich auch für dich gefochten,

Mir ist es jederzeit geglückt:

Wenn Lorbeer deine Stirne schmückt,

Hab’ ich ihn nicht mit Sinn und Hand geflochten?

Plutus.

Wenn’s nötig ist, dass ich dir Zeugnis leiste,

So sag’ ich gern: Bist Geist von meinem Geiste.

Du handelst stets nach meinem Sinn,

Bist reicher, als ich selber bin.

Ich schätze, deinen Dienst zu lohnen,

Den grünen Zweig vor allen meinen Kronen.

Ein wahres Wort verkünd’ ich allen:

Mein lieber Sohn, an dir hab’ ich Gefallen.

Knabe Lenker (zur Menge).

Die größten Gaben meiner Hand,

Seht! Hab’ ich rings umher gesandt.

Auf dem und jenem Kopfe glüht

Ein Flämmchen, das ich angesprüht;

Von einem zu dem andern hüpft’s,

An diesem hält sich’s, dem entschlüpft’s,

Gar selten aber flammt’s empor,

Und leuchtet rasch in kurzem Flor;

Doch vielen, eh’ man’s noch erkannt,

Verlischt es, traurig ausgebrannt.

Weibergeklatsch.

   Da droben auf dem Viergespann

   Das ist gewiss ein Scharlatan;

   Gekauzt da hintendrauf Hanswurst,

   Doch abgezehrt von Hunger und Durst,

   Wie man ihn niemals noch erblickt;

   Er fühlt wohl nicht, wenn man ihn zwickt.

Der Abgemagerte.

Vom Leibe mir, ekles Weibsgeschlecht!

Ich weiß, dir komm’ ich niemals recht. –

Wie noch die Frau den Herd versah,

Da hieß ich Avaritia;

Da stand es gut um unser Haus:

Nur viel herein und nichts hinaus!

Ich eiferte für Kist’ und Schrein;

Das sollte wohl gar ein Laster sein.

Doch als in allerneusten Jahren

Das Weib nicht mehr gewohnt zu sparen,

Und wie ein jeder böser Zahler

Weit mehr Begierden hat als Taler,

Da bleibt dem Manne viel zu dulden;

Wo er nur hinsieht, da sind Schulden.

Sie wendet’s, kann sie was erspulen,

An ihren Leib, an ihren Buhlen;

Auch speist sie besser, trinkt noch mehr

Mit der Sponsierer leidigem Heer;

Das steigert mir des Goldes Reiz!

Bin männlichen Geschlechts, der Geiz!

Hauptweib.

Mit Drachen mag der Drache geizen;

Ist’s doch am Ende Lug und Trug!

Er kommt, die Männer aufzureizen,

Sie sind schon unbequem genug.

Weiber in Masse.

   Der Strohmann! Reich ihm eine Schlappe!

   Was will das Marterholz uns dräun?

   Wir sollen seine Fratze scheun!

   Die Drachen sind von Holz und Pappe,

   Frisch an und dringt auf ihn hinein!

Herold.

Bei meinem Stabe! Ruh’ gehalten! –

Doch braucht es meiner Hülfe kaum;

Seht, wie die grimmen Ungestalten,

Bewegt im rasch gewonnenen Raum,

Das Doppel-Flügelpaar entfalten.

Entrüstet schütteln sich der Drachen

Umschuppte, Feuer speiende Rachen;

Die Menge flieht, rein ist der Platz.

(Plutus steigt vom Wagen.)

Herold.

Er tritt herab, wie königlich!

Er winkt, die Drachen rühren sich;

Die Kiste haben sie vom Wagen

Mit Gold und Geiz herangetragen,

Sie steht zu seinen Füßen da:

Ein Wunder ist es, wie’s geschah.

Plutus (zum Lenker).

Nun bist du los der allzu lästigen Schwere,

Bist frei und frank, nun frisch zu deiner Sphäre!

Hier ist sie nicht! Verworren, scheckig, wild

Umdrängt uns hier ein fratzenhaft Gebild.

Nur wo du klar ins holde Klare schaust,

Dir angehörst und dir allein vertraust,

Dorthin, wo Schönes, Gutes nur gefällt,

Zur Einsamkeit! – Da schaffe deine Welt.

Knabe Lenker.

So acht’ ich mich als werten Abgesandten,

So lieb’ ich dich als nächsten Anverwandten

Wo du verweilst, ist Fülle; wo ich bin,

Fühlt jeder sich im herrlichsten Gewinn

Auch schwankt er oft im widersinnigen Leben:

Soll er sich dir? Soll er sich mir ergeben?

Die Deinen freilich können müßig ruhn,

Doch wer mir folgt, hat immer was zu tun.

Nicht insgeheim vollführ’ ich meine Taten,

Ich atme nur, und schon bin ich verraten.

So lebe wohl! Du gönnst mir ja mein Glück;

Doch lisple leis’, und gleich bin ich zurück. (Ab, wie er kam.)

Plutus.

Nun ist es Zeit, die Schätze zu entfesseln!

Die Schlösser treff’ ich mit des Herolds Rute.

Es tut sich auf! Schaut her! In ehrnen Kesseln

Entwickelt sich’s und wallt von goldnem Blute,

Zunächst der Schmuck von Kronen, Ketten, Ringen;

Es schwillt und droht, ihn schmelzend zu verschlingen.

Wechselgeschrei der Menge.

   Seht hier, o hin! Wie’s reichlich quillt,

   Die Kiste bis zum Rande füllt. –

   Gefäße, goldne, schmelzen sich,

   Gemünzte Rollen wälzen sich. –

   Dukaten hüpfen wie geprägt,

   O wie mir das den Busen regt –

   Wie schau’ ich alle mein Begehr!

   Da kollern sie am Boden her. –

   Man bietet’s euch, benutzt’s nur gleich

   Und bückt euch nur und werdet reich. –

   Wir andern, rüstig wie der Blitz,

   Wir nehmen den Koffer in Besitz.

Herold.

Was soll’s, ihr Toren? Soll mir das?

Es ist ja nur ein Maskenspaß.

Heut Abend wird nicht mehr begehrt;

Glaubt ihr, man geb’ euch Gold und Wert?

Sind doch für euch in diesem Spiel.

Selbst Rechenpfennige zuviel.

Ihr Täppischen! Ein artiger Schein

Soll gleich die plumpe Wahrheit sein.

Was soll euch Wahrheit? – Dumpfen Wahn

Packt ihr an allen Zipfeln an. –

Vermummter Plutus, Maskenheld,

Schlag dieses Volk mir aus dem Feld.

Plutus.

Dein Stab ist wohl dazu bereit,

Verleih ihn mir auf kurze Zeit. –

Ich tauch’ ihn rasch in Sud und Glut. –

Nun, Masken, seid auf eurer Hut!

Wie’s blitzt und platzt, in Funken sprüht!

Der Stab, schon ist er angeglüht.

Wer sich zu nah herangedrängt,

Ist unbarmherzig gleich versengt. –

Jetzt fang’ ich meinen Umgang an.

Geschrei und Gedräng.

   O weh! Es ist um uns getan. –

   Entfliehe, wer entfliehen kann! –

   Zurück, zurück, du Hintermann!

   Mir sprüht er heiß ins Angesicht. –

   Mich drückt des glühenden Stabs Gewicht –

   Verloren sind wir all’ und all’. –

   Zurück, zurück, du Maskenschwall!

   Zurück, zurück, unsinniger Hauf’! –

   O hätt’ ich Flügel, flög’ ich auf. –

Plutus.

Schon ist der Kreis zurückgedrängt,

Und niemand, glaub’ ich, ist versengt.

Die Menge weicht,

Sie ist verscheucht. –

Doch solcher Ordnung Unterpfand

Zieh’ ich ein unsichtbares Band.

Herold.

Du hast ein herrlich Werk vollbracht,

Wie dank’ ich deiner klugen Macht!

Plutus.

Noch braucht es, edler Freund, Geduld:

Es droht noch mancherlei Tumult.

Geiz.

So kann man doch, wenn es beliebt,

Vergnüglich diesen Kreis beschauen;

Denn immerfort sind vornenan die Frauen,

Wo’s was zu gaffen, was zu naschen gibt.

Noch bin ich nicht so völlig eingerostet!

Ein schönes Weib ist immer schön;

Und heute, weil es mich nichts kostet,

So wollen wir getrost sponsieren gehn.

Doch weil am überfüllten Orte

Nicht jedem Ohr vernehmlich alle Worte,

Versuch’ ich klug und hoff’, es soll mir glücken,

Mich pantomimisch deutlich auszudrücken.

Hand, Fuß, Gebärde reicht mir da nicht hin,

Da muss ich mich um einen Schwank bemühn.

Wie feuchten Ton will ich das Gold behandeln,

Denn dies Metall lässt sich in alles wandeln.

Herold.

Was fängt der an, der magre Tor!

Hat so ein Hungermann Humor?

Er knetet alles Gold zu Teig,

Ihm wird es untern Händen weich;

Wie er es drückt und wie es ballt,

Bleibt’s immer doch nur ungestalt.

Er wendet sich zu den Weibern dort,

Sie schreien alle, möchten fort,

Gebärden sich gar widerwärtig;

Der Schalk erweist sich übelfertig.

Ich fürchte, dass er sich ergötzt,

Wenn er die Sittlichkeit verletzt.

Dazu darf ich nicht schweigsam bleiben,

Gib meinen Stab, ihn zu vertreiben.

Plutus.

Er ahnet nicht, was uns von außen droht;

Lass ihn die Narrenteidung treiben!

Ihm wird kein Raum für seine Possen bleiben;

Gesetz ist mächtig, mächtiger ist die Not.

Getümmel und Gesang.

   Das wilde Heer, es kommt zumal

   Von Bergeshöh’ und Waldestal,

   Unwiderstehlich schreitet’s an:

   Sie feiern ihren großen Pan.

   Sie wissen doch, was keiner weiß,

   Und drängen in den leeren Kreis.

Plutus.

Ich kenn’ euch wohl und euren großen Pan!

Zusammen habt ihr kühnen Schritt getan.

Ich weiß recht gut, was nicht ein jeder weiß,

Und öffne schuldig diesen engen Kreis.

Mag sie ein gut Geschick begleiten!

Das Wunderlichste kann geschehn;

Sie wissen nicht, wohin sie schreiten,

Sie haben sich nicht vorgesehn.

Wildgesang.

   Geputztes Volk du, Flitterschau!

   Sie kommen roh, sie kommen rau,

   In hohem Sprung, in raschem Lauf,

   Sie treten derb und tüchtig auf.

Faunen.

Die Faunenschar

Im lustigen Tanz,

Den Eichenkranz

Im krausen Haar,

Ein feines, zugespitztes Ohr

Dringt an dem Lockenkopf hervor,

Ein stumpfes Näschen, ein breit Gesicht,

Das schadet alles bei Frauen nicht:

Dem Faun, wenn er die Patsche reicht,

Versagt die Schönste den Tanz nicht leicht.

Satyr.

Der Satyr hüpft nun hinterdrein

Mit Ziegenfuß und dürrem Bein,

Ihm sollen sie mager und sehnig sein,

Und gämsenartig auf Bergeshöhn

Belustigt er sich, umher zu sehn.

In Freiheitsluft erquickt alsdann,

Verhöhnt er Kind und Weib und Mann,

Die tief in Tales Dampf und Rauch

Behaglich meinen, sie lebten auch,

Da ihm doch rein und ungestört

Die Welt dort oben allein gehört.

Gnomen.

Da trippelt ein die kleine Schar,

Sie hält nicht gern sich Paar und Paar;

Im moosigen Kleid mit Lämplein hell

Bewegt sich’s durcheinander schnell,

Wo jedes für sich selber schafft,

Wie Leucht-Ameisen wimmelhaft;

Und wuselt emsig hin und her,

Beschäftigt in die Kreuz und Quer.

Den frommen Gütchen nah verwandt,

Als Felschirurgen wohlbekannt;

Die hohen Berge schröpfen wir,

Aus vollen Adern schöpfen wir;

Metalle stürzen wir zu Hauf,

Mit Gruß getrost: Glück auf! Glück auf!

Das ist von Grund aus wohl gemeint:

Wir sind der guten Menschen Freund.

Doch bringen wir das Gold zutag’,

Damit man stehlen und kuppeln mag,

Nicht Eisen fehle dem stolzen Mann,

Der allgemeinen Mord ersann.

Und wer die drei Gebot’ veracht’t,

Sich auch nichts aus den andern macht.

Das alles ist nicht unsre Schuld;

Drum habt so fort, wie wir, Geduld.

Riesen.

Die wilden Männer sind s’ genannt,

Am Harzgebirge wohlbekannt,

Natürlich nackt in aller Kraft;

Sie kommen sämtlich riesenhaft.

Den Fichtenstamm in rechter Hand

Und um den Leib ein wulstig Band,

Den derbsten Schurz von Zweig und Blatt,

Leibwache, wie der Papst nicht hat.

Nymphen im Chor (Sie umschließen den großen Pan).

Auch kommt er an! –

Das All der Welt

Wird vorgestellt

Im großen Pan.

Ihr Heitersten, umgebet ihn,

Im Gaukeltanz umschwebet ihn:

Denn weil er ernst und gut dabei,

So will er, dass man fröhlich sei.

Auch unterm blauen Wölbedach

Verhielt’ er sich beständig wach,

Doch rieseln ihm die Bäche zu,

Und Lüftlein wiegen ihn mild in Ruh.

Und wenn er zu Mittage schläft,

Sich nicht das Blatt am Zweige regt;

Gesunder Pflanzen Balsamduft

Erfüllt die schweigsam stille Luft;

Die Nymphe darf nicht munter sein,

Und wo sie stand, da schläft sie ein.

Wenn unerwartet mit Gewalt

Dann aber seine Stimm’ erschallt,

Wie Blitzes Knattern, Meergebraus,

Dann niemand weiß, wo ein noch aus,

Zerstreut sich tapfres Heer im Feld,

Und im Getümmel bebt der Held.

So Ehre dem, dem Ehre gebührt,

Und Heil ihm, der uns hergeführt!

Deputation der Gnomen (an den großen Pan).

   Wenn das glänzend reiche Gute

   Fadenweis durch Klüfte streicht,

   Nur der klugen Wünschelrute

   Seine Labyrinthe zeigt,

   Wölben wir in dunklen Grüften

   Troglodytisch unser Haus,

   Und an reinen Tageslüften

   Teilst du Schätze gnädig aus.

   Nun entdecken wir hieneben

   Eine Quelle wunderbar,

   Die bequem verspricht zu geben,

   Was kaum zu erreichen war.

   Dies vermagst du zu vollenden,

   Nimm es, Herr, in deine Hut:

   Jeder Schatz in deinen Händen

   Kommt der ganzen Welt zugut.

Plutus (zum Herold).

Wir müssen uns im hohen Sinne fassen

Und, was geschieht, getrost geschehen lassen;

Du bist ja sonst des stärksten Mutes voll.

Nun wird sich gleich ein Gräulichstes eräugnen,

Hartnäckig wird es Welt und Nachwelt leugnen:

Du schreib es treulich in dein Protokoll.

Herold (den Stab anfassend, welchen Plutus in der Hand behält).

Die Zwerge führen den großen Pan

Zur Feuerquelle sacht heran;

Sie siedet auf vom tiefsten Schlund,

Dann sinkt sie wieder hinab zum Grund,

Und finster steht der offne Mund;

Wallt wieder auf in Glut und Sud,

Der große Pan steht wohlgemut,

Freut sich des wundersamen Dings,

Und Perlenschaum sprüht rechts und links.

Wie mag er solchem Wesen traun?

Er bückt sich tief hinein zu schaun. –

Nun aber fällt sein Bart hinein! –

Wer mag das glatte Kinn wohl sein?

Die Hand verbirgt es unserm Blick. –

Nun folgt ein großes Ungeschick:

Der Bart entflammt und fliegt zurück,

Entzündet Kranz und Haupt und Brust,

Zu Leiden wandelt sich die Lust. –

Zu löschen läuft die Schar herbei,

Doch keiner bleibt von Flammen frei,

Und wie es patscht und wie es schlägt,

Wird neues Flammen aufgeregt;

Verflochten in das Element,

Ein ganzer Maskenklump verbrennt.

Was aber hör’ ich wird uns kund

Von Ohr zu Ohr, von Mund zu Mund!

O ewig unglücksel’ge Nacht,

Was hast du uns für Leid gebracht!

Verkünden wird der nächste Tag,

Was niemand willig hören mag;

Doch hör’ ich aller Orten schrein:

„Der Kaiser leidet solche Pein.“

O wäre doch ein andres wahr!

Der Kaiser brennt und seine Schar.

Sie sei verflucht, die ihn verführt,

In harzig Reis sich eingeschnürt,

Zu toben her mit Brüllgesang

Zu allerseitigem Untergang.

O Jugend, Jugend, wirst du nie

Der Freude reines Maß bezirken?

O Hoheit, Hoheit, wirst du nie

Vernünftig wie allmächtig wirken?

Schon geht der Wald in Flammen auf,

Sie züngeln leckend spitz hinauf

Zum Holz verschränkten Deckenband,

Uns droht ein allgemeiner Brand.

Des Jammers Maß ist übervoll,

Ich weiß nicht, wer uns retten soll.

Ein Aschenhaufen einer Nacht

Liegt morgen reiche Kaiserpracht.

Plutus.

Schrecken ist genug verbreitet,

Hilfe sei nun eingeleitet! –

Schlage, heil’gen Stabs Gewalt,

Dass der Boden bebt und schallt!

Du, geräumig weite Luft,

Fülle dich mit kühlem Duft!

Zieht heran, umher zu schweifen,

Nebeldünste, schwangre Streifen,

Deckt ein flammendes Gewühl!

Rieselt, säuselt, Wölkchen, kräuselt,

Schlüpfet wallend, leise dämpfet,

Löschend überall bekämpfet,

Ihr, die lindernden, die feuchten,

Wandelt in ein Wetterleuchten

Solcher eitlen Flamme Spiel! –

Drohen Geister, uns zu schädigen,

Soll sich die Magie betätigen.

Lustgarten

(Morgensonne.)

(Der Kaiser, Hofleute. Faust, Mephistopheles, anständig, nicht auffallend, nach Sitte gekleidet; beide knien.)

Faust.

Verzeihst du, Herr, das Flammengaukelspiel?

Kaiser (zum Aufstehen winkend).

Ich wünsche mir dergleichen Scherze viel. –

Auf einmal sah ich mich in glühnder Sphäre,

Es schien mir fast, als ob ich Pluto wäre.

Aus Nacht und Kohlen lag ein Felsengrund,

Von Flämmchen glühend. Dem und jenem Schlund

Aufwirbelten viel tausend wilde Flammen

Und flackerten in ein Gewölb zusammen.

Zum höchsten Dome züngelt’ es empor,

Der immer ward und immer sich verlor.

Durch fernen Raum gewundner Feuersäulen

Sah ich bewegt der Völker lange Zeilen,

Sie drängten sich im weiten Kreis heran

Und huldigten, wie sie es stets getan.

Vom meinem Hof erkannt’ ich ein und andern,

Ich schien ein Fürst von tausend Salamandern.

Mephistopheles.

Das bist du, Herr! Weil jedes Element

Die Majestät als unbedingt erkennt.

Gehorsam Feuer hast du nun erprobt;

Wirf dich ins Meer, wo es am wildsten tobt,

Und kaum betrittst du perlenreichen Grund,

So bildet wallend sich ein herrlich Rund;

Siehst auf und ab lichtgrüne schwanke Wellen

Mit Purpursaum, zur schönsten Wohnung schwellen

Um dich, den Mittelpunkt. Bei jedem Schritt,

Wohin du gehst, gehn die Paläste mit.

Die Wände selbst erfreuen sich des Lebens,

Pfeilschnellen Wimmlens, Hin- und Widerstrebens.

Meerwunder drängen sich zum neuen milden Schein,

Sie schießen an, und keines darf herein.

Da spielen farbig Gold beschuppte Drachen,

Der Haifisch klafft, du lachst ihm in den Rachen.

Wie sich auch jetzt der Hof um dich entzückt,

Hast du doch nie ein solch Gedräng’ erblickt.

Doch bleibst du nicht vom Lieblichsten geschieden:

Es nahen sich neugierige Nereiden

Der prächt’gen Wohnung in der ew’gen Frische,

Die jüngsten scheu und lüstern wie die Fische,

Die spätern klug. Schon wird es Thetis kund,

Dem zweiten Peleus reicht sie Hand und Mund. –

Den Sitz alsdann auf des Olymps Revier –

Kaiser.

Die luft’gen Räume, die erlass’ ich dir:

Noch früh genug besteigt man jenen Thron.

Mephistopheles.

Und, höchster Herr! Die Erde hast du schon.

Kaiser.

Welch gut Geschick hat dich hieher gebracht,

Unmittelbar aus Tausendeiner Nacht?

Gleichst du an Fruchtbarkeit Scheherazaden,

Versichr’ ich dich der höchsten aller Gnaden.

Sei stets bereit, wenn eure Tageswelt,

Wie’s oft geschieht, mir widerlichst missfällt.

Marschalk (tritt eilig auf).

Durchlauchtigster, ich dacht’ in meinem Leben

Vom schönsten Glück Verkündung nicht zu geben

Als diese, die mich hoch beglückt,

In deiner Gegenwart entzückt:

Rechnung für Rechnung ist berichtigt,

Die Wucherklauen sind beschwichtigt,

Los bin ich solcher Höllenpein;

Im Himmel kann’s nicht heitrer sein.

Heermeister (folgt eilig).

Abschläglich ist der Sold entrichtet,

Das ganze Heer aufs neu’ verpflichtet,

Der Landsknecht fühlt sich frisches Blut,

Und Wirt und Dirnen haben’s gut.

Kaiser.

Wie atmet eure Brust erweitert!

Das faltige Gesicht erheitert!

Wie eilig tretet ihr heran!

Schatzmeister (der sich einfindet).

Befrage diese, die das Werk getan.

Faust.

Dem Kanzler ziemt’s, die Sache vorzutragen.

Kanzler (der langsam herankommt).

Beglückt genug in meinen alten Tagen. –

So hört und schaut das schicksalschwere Blatt,

Das alles Weh in Wohl verwandelt hat.

(Er liest.) „Zu wissen sei es jedem, der’s begehrt:

Der Zettel hier ist tausend Kronen wert.

Ihm liegt gesichert, als gewisses Pfand,

Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland.

Nun ist gesorgt, damit der reiche Schatz,

Sogleich gehoben, diene zum Ersatz.“

Kaiser.

Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug!

Wer fälschte hier des Kaisers Namenszug?

Ist solch Verbrechen ungestraft geblieben?

Schatzmeister.

Erinnre dich! Hast selbst es unterschrieben;

Erst heute Nacht. Du standst als großer Pan,

Der Kanzler sprach mit uns zu dir heran:

„Gewähre dir das hohe Festvergnügen,

Des Volkes Heil, mit wenig Federzügen.“

Du zogst sie rein, dann ward’s in dieser Nacht

Durch Tausendkünstler schnell vertausendfacht.

Damit die Wohltat allen gleich gedeihe,

So stempelten wir gleich die ganze Reihe,

Zehn, Dreißig, Fünfzig, Hundert sind parat.

Ihr denkt euch nicht, wie wohl’s dem Volke tat.

Seht eure Stadt, sonst halb im Tod verschimmelt,

Wie alles lebt und Lust genießend wimmelt!

Obschon dein Name längst die Welt beglückt,

Man hat ihn nie so freundlich angeblickt.

Das Alphabet ist nun erst überzählig,

In diesem Zeichen wird nun jeder selig.

Kaiser.

Und meinen Leuten gilt’s für gutes Gold?

Dem Heer, dem Hofe gnügt’s zu vollem Sold?

So sehr mich’s wundert, muss ich’s gelten lassen.

Marschalk.

Unmöglich wär’s, die Flüchtigen einzufassen;

Mit Blitzeswink zerstreute sich’s im Lauf.

Die Wechslerbänke stehen sperrig auf:

Man honoriert daselbst ein jedes Blatt

Durch Gold und Silber, freilich mit Rabatt.

Nun geht’s von da zum Fleischer, Bäcker, Schenken;

Die halbe Welt scheint nur an Schmaus zu denken,

Wenn sich die andre neu in Kleidern bläht.

Der Krämer schneidet aus, der Schneider näht.

Bei „Hoch dem Kaiser!“, sprudelt’s in den Kellern,

Dort kocht’s und brät’s und klappert mit den Tellern.

Mephistopheles.

Wer die Terrassen einsam abspaziert,

Gewahrt die Schönste, herrlich aufgeziert,

Ein Aug’ verdeckt vom stolzen Pfauenwedel,

Sie schmunzelt uns und blickt nach solcher Schedel;

Und hurtiger als durch Witz und Redekunst

Vermittelt sich die reichste Liebesgunst.

Man wird sich nicht mit Börs’ und Beutel plagen,

Ein Blättchen ist im Busen leicht zu tragen,

Mit Liebesbrieflein paart’s bequem sich hier.

Der Priester trägt’s andächtig im Brevier,

Und der Soldat, um rascher sich zu wenden,

Erleichtert schnell den Gürtel seiner Lenden.

Die Majestät verzeihe, wenn ins kleine

Das hohe Werk ich zu erniedern scheine.

Faust.

Das Übermaß der Schätze, das, erstarrt,

In deinen Landen tief im Boden harrt,

Liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke

Ist solchen Reichtums kümmerlichste Schranke;

Die Phantasie, in ihrem höchsten Flug,

Sie strengt sich an und tut sich nie genug.

Doch fassen Geister, würdig, tief zu schauen,

Zum Grenzenlosen grenzenlos Vertrauen.

Mephistopheles.

Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt,

Ist so bequem, man weiß doch, was man hat;

Man braucht nicht erst zu markten, noch zu tauschen,

Kann sich nach Lust in Lieb’ und Wein berauschen.

Will man Metall, ein Wechsler ist bereit,

Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit.

Pokal und Kette wird verauktioniert,

Und das Papier, sogleich amortisiert,

Beschämt den Zweifler, der uns frech verhöhnt.

Man will nichts anders, ist daran gewöhnt.

So bleibt von nun an allen Kaiserlanden

An Kleinod, Gold, Papier genug vorhanden.

Kaiser.

Das hohe Wohl verdankt euch unser Reich;

Wo möglich sei der Lohn dem Dienste gleich.

Vertraut sei euch des Reiches innrer Boden,

Ihr seid der Schätze würdigste Kustoden.

Ihr kennt den weiten, wohl verwahrten Hort,

Und wenn man gräbt, so sei’s auf euer Wort.

Vereint euch nun, ihr Meister unsres Schatzes,

Erfüllt mit Lust die Würden eures Platzes,

Wo mit der obern sich die Unterwelt,

In Einigkeit beglückt, zusammenstellt.

Schatzmeister.

Soll zwischen uns kein fernster Zwist sich regen,

Ich liebe mir den Zaubrer zum Kollegen.

(Ab mit Faust.)

Kaiser.

Beschenk’ ich nun bei Hofe Mann für Mann,

Gesteh’ er mir, wozu er’s brauchen kann.

Page (empfangend).

Ich lebe lustig, heiter, guter Dinge.

Ein andrer (gleichfalls).

Ich schaffe gleich dem Liebchen Kett’ und Ringe.

Kämmerer (annehmend).

Von nun an trink’ ich doppelt bessre Flasche.

Ein andrer (gleichfalls).

Die Würfel jucken mich schon in der Tasche.

Bannerherr (mit Bedacht).

Mein Schloss und Feld, ich mach’ es schuldenfrei.

Ein andrer (gleichfalls).

Es ist ein Schatz, den leg’ ich Schätzen bei.

Kaiser.

Ich hoffte Lust und Mut zu neuen Taten;

Doch wer euch kennt, der wird euch leicht erraten.

Ich merk’ es wohl: Bei aller Schätze Flor,

Wie ihr gewesen, bleibt ihr nach wie vor.

Narr (hereinkommend).

Ihr spendet Gnaden, gönnt auch mir davon!

Kaiser.

Und lebst du wieder, du vertrinkst sie schon.

Narr.

Die Zauberblätter! Ich versteh’s nicht recht.

Kaiser.

Das glaub’ ich wohl, denn du gebrauchst sie schlecht.

Narr.

Da fallen andere; weiß nicht, was ich tu’.

Kaiser.

Nimm sie nur hin, sie fielen dir ja zu. (Ab.)

Narr.

Fünftausend Kronen wären mir zu Händen!

Mephistopheles.

Zweibeiniger Schlauch, bist wieder auferstanden?

Narr.

Geschieht mir oft, doch nicht so gut als jetzt.

Mephistopheles.

Du freust dich so, dass dich’s in Schweiß versetzt.

Narr.

Da seht nur her, ist das wohl Geldes wert?

Mephistopheles.

Du hast dafür, was Schlund und Bauch begehrt.

Narr.

Und kaufen kann ich Acker, Haus und Vieh?

Mephistopheles.

Versteht sich! Biete nur, das fehlt dir nie.

Narr.

Und Schloss, mit Wald und Jagd und Fischbach?

Mephistopheles.

Traun!

Ich möchte dich gestrengen Herrn wohl schaun!

Narr.

Heut Abend wieg’ ich mich im Grundbesitz! – (Ab.)

Mephistopheles (solus).

Wer zweifelt noch an unsres Narren Witz!

Finstere Galerie

(Faust. Mephistopheles.)

Mephistopheles.

Was ziehst du mich in diese düstern Gänge?

Ist nicht da drinnen Lust genug,

Im dichten, bunten Hofgedränge

Gelegenheit zu Spaß und Trug?

Faust.

Sag’ mir das nicht, du hast’s in alten Tagen

Längst an den Sohlen abgetragen;

Doch jetzt dein Hin- und Widergehn

Ist nur, um mir nicht Wort zu stehn.

Ich aber bin gequält zu tun:

Der Marschalk und der Kämmrer treibt mich nun.

Der Kaiser will, es muss sogleich geschehn,

Will Helena und Paris vor sich sehn;

Das Musterbild der Männer so der Frauen

In deutlichen Gestalten will er schauen.

Geschwind ans Werk! Ich darf mein Wort nicht brechen.

Mephistopheles.

Unsinnig war’s, leichtsinnig zu versprechen.

Faust.

Du hast, Geselle, nicht bedacht,

Wohin uns deine Künste führen;

Erst haben wir ihn reich gemacht,

Nun sollen wir ihn amüsieren.

Mephistopheles.

Du wähnst, es füge sich sogleich;

Hier stehen wir vor steilern Stufen,

Greifst in ein fremdestes Bereich,

Machst frevelhaft am Ende neue Schulden,

Denkst Helenen so leicht hervorzurufen

Wie das Papiergespenst der Gulden. –

Mit Hexen-Fexen, mit Gespenst-Gespinsten,

Kielkröpfigen Zwergen steh’ ich gleich zu Diensten;

Doch Teufels-Liebchen, wenn auch nicht zu schelten,

Sie können nicht für Heroinen gelten.

Faust.

Da haben wir den alten Leierton!

Bei dir gerät man stets ins Ungewisse.

Der Vater bist du aller Hindernisse,

Für jedes Mittel willst du neuen Lohn.

Mit wenig Murmeln, weiß ich, ist’s getan;

Wie man sich umschaut, bringst du sie zur Stelle.

Mephistopheles.

Das Heidenvolk geht mich nichts an,

Es haust in seiner eignen Hölle;

Doch gibt’s ein Mittel.

Faust.

Sprich, und ohne Säumnis!

Mephistopheles.

Ungern entdeck’ ich höheres Geheimnis. –

Göttinnen thronen hehr in Einsamkeit,

Um sie kein Ort, noch weniger eine Zeit;

Von ihnen sprechen ist Verlegenheit.

Die Mütter sind es!

Faust (aufgeschreckt).

Mütter!

Mephistopheles.

Schaudert’s dich?

Faust.

Die Mütter! Mütter! – ’s klingt so wunderlich!

Mephistopheles.

Das ist es auch. Göttinnen, ungekannt

Euch Sterblichen, von uns nicht gern genannt.

Nach ihrer Wohnung magst ins Tiefste schürfen;

Du selbst bist schuld, dass ihrer wir bedürfen.

Faust.

Wohin der Weg?

Mephistopheles.

Kein Weg! Ins Unbetretene,

Nicht zu Betretende; ein Weg ans Unerbetene,

Nicht zu Erbittende. Bist du bereit? –

Nicht Schlösser sind, nicht Riegel weg zu schieben,

Von Einsamkeiten wirst umher getrieben.

Hast du Begriff von Öd’ und Einsamkeit?

Faust.

Du spartest, dächt’ ich, solche Sprüche;

Hier wittert’s nach der Hexenküche,

Nach einer längst vergangnen Zeit.

Musst’ ich nicht mit der Welt verkehren?

Das Leere lernen, Leeres lehren? –

Sprach ich vernünftig, wie ich’s angeschaut,

Erklang der Widerspruch gedoppelt laut;

Musst’ ich sogar vor widerwärtigen Streichen

Zur Einsamkeit, zur Wildernis entweichen

Und, um nicht ganz versäumt, allein zu leben,

Mich doch zuletzt dem Teufel übergeben.

Mephistopheles.

Und hättest du den Ozean durchschwommen,

Das Grenzenlose dort geschaut,

So sähst du dort doch Well’ auf Welle kommen,

Selbst wenn es dir vorm Untergange graut.

Du sähst doch etwas. Sähst wohl in der Grüne

Gestillter Meere streichende Delphine;

Sähst Wolken ziehen, Sonne, Mond und Sterne;

Nichts wirst du sehn in ewig leerer Ferne,

Den Schritt nicht hören, den du tust,

Nichts Festes finden, wo du ruhst.

Faust.

Du sprichst als erster aller Mystagogen,

Die treue Neophyten je betrogen;

Nur umgekehrt. Du sendest mich ins Leere,

Damit ich dort so Kunst als Kraft vermehre;

Behandelst mich, dass ich, wie jene Katze,

Dir die Kastanien aus den Gluten kratze.

Nur immer zu! Wir wollen es ergründen,

In deinem Nichts hoff’ ich das All zu finden.

Mephistopheles.

Ich rühme dich, eh’ du dich von mir trennst,

Und sehe wohl, dass du den Teufel kennst;

Hier diesen Schlüssel nimm.

Faust.

Das kleine Ding!

Mephistopheles.

Erst fass ihn an und schätz’ ihn nicht gering.

Faust.

Er wächst in meiner Hand! Er leuchtet, blitzt!

Mephistopheles.

Merkst du nun bald, was man an ihm besitzt?

Der Schlüssel wird die rechte Stelle wittern,

Folg’ ihm hinab, er führt dich zu den Müttern.

Faust (schaudernd).

Den Müttern! Trifft’s mich immer wie ein Schlag!

Was ist das Wort, das ich nicht hören mag?

Mephistopheles.

Bist du beschränkt, dass neues Wort dich stört?

Willst du nur hören, was du schon gehört?

Dich störe nichts, wie es auch weiter klinge,

Schon längst gewohnt der wunderbarsten Dinge.

Faust.

Doch im Erstarren such’ ich nicht mein Heil,

Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil;

Wie auch die Welt ihm das Gefühl verteure,

Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure.

Mephistopheles.

Versinke denn! Ich könnt’ auch sagen: Steige!

’s ist einerlei. Entfliehe dem Entstandnen

In der Gebilde losgebundne Reiche!

Ergötze dich am längst nicht mehr Vorhandnen;

Wie Wolkenzüge schlingt sich das Getreibe,

Den Schlüssel schwinge, halte sie vom Leibe!

Faust (begeistert).

Wohl! Fest ihn fassend, fühl’ ich neue Stärke,

Die Brust erweitert, hin zum großen Werke.

Mephistopheles.

Ein glühnder Dreifuß tut dir endlich kund,

Du seist im tiefsten, allertiefsten Grund.

Bei seinem Schein wirst du die Mütter sehn,

Die einen sitzen, andre stehn und gehn,

Wie’s eben kommt. Gestaltung, Umgestaltung,

Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung.

Umschwebt von Bildern aller Kreatur,

Sie sehn dich nicht, denn Schemen sehn sie nur.

Da fass’ ein Herz, denn die Gefahr ist groß,

Und gehe grad’ auf jenen Dreifuß los,

Berühr’ ihn mit dem Schlüssel!

Faust (macht eine entschieden gebietende Attitüde mit dem Schlüssel).

Mephistopheles.

So ist’s recht!

Er schließt sich an, er folgt als treuer Knecht;

Gelassen steigst du, dich erhebt das Glück,

Und eh’ sie’s merken, bist mit ihm zurück

Und hast du ihn einmal hierher gebracht,

So rufst du Held und Heldin aus der Nacht,

Der erste, der sich jener Tat erdreistet;

Sie ist getan, und du hast es geleistet.

Dann muss fortan, nach magischem Behandeln

Der Weihrauchsnebel sich in Götter wandeln.

Faust.

Und nun was jetzt?

Mephistopheles.

Dein Wesen strebe nieder;

Versinke stampfend, stampfend steigst du wieder.

Faust (stampft und versinkt).

Mephistopheles.

Wenn ihm der Schlüssel nur zum besten frommt!

Neugierig bin ich, ob er wieder kommt.

Hell erleuchtete Säle

(Kaiser und Fürsten, Hof in Bewegung.)

Kämmerer.

Ihr seid uns noch die Geisterszene schuldig;

Macht Euch daran! Der Herr ist ungeduldig.

Marschalk.

Soeben fragt der Gnädigste darnach;

Ihr! zaudert nicht der Majestät zur Schmach.

Mephistopheles.

Ist mein Kumpan doch deshalb weggegangen;

Er weiß schon, wie es anzufangen,

Und laboriert verschlossen still,

Muss ganz besonders sich befleißen;

Denn wer den Schatz, das Schöne, heben will,

Bedarf der höchsten Kunst, Magie der Weisen.

Marschalk.

Was ihr für Künste braucht, ist einerlei:

Der Kaiser will, dass alles fertig sei.

Blondine (zu Mephistopheles).

Ein Wort, mein Herr! Ihr seht ein klar Gesicht,

Jedoch so ist’s im leidigen Sommer nicht!

Da sprossen hundert bräunlich rote Flecken,

Die zum Verdruss die weiße Haut bedecken.

Ein Mittel!

Mephistopheles.

Schade! So ein leuchtend Schätzchen

Im Mai getupft wie eure Pantherkätzchen.

Nehmt Froschlaich, Krötenzungen, kohobiert,

Im vollsten Mondlicht sorglich destilliert

Und, wenn er abnimmt, reinlich aufgestrichen –

Der Frühling kommt, die Tupfen sind entwichen.

Braune.

Die Menge drängt heran, Euch zu umschranzen.

Ich bitt’ um Mittel! Ein erfrorner Fuß

Verhindert mich am Wandeln wie am Tanzen,

Selbst ungeschickt beweg’ ich mich zum Gruß.

Mephistopheles.

Erlaubet einen Tritt von meinem Fuß.

Braune.

Nun, das geschieht wohl unter Liebesleuten.

Mephistopheles.

Mein Fußtritt, Kind! Hat Größres zu bedeuten.

Zu Gleichem Gleiches, was auch einer litt;

Fuß heilet Fuß, so ist’s mit allen Gliedern.

Heran! Gebt Acht! Ihr sollt es nicht erwidern.

Braune (schreiend).

Weh! Weh! Das brennt! Das war ein harter Tritt

Wie Pferdehuf.

Mephistopheles.

Die Heilung nehmt Ihr mit.

Du kannst nunmehr den Tanz nach Lust verüben,

Bei Tafel schwelgend füßle mit dem Lieben.

Dame (herandrängend).

Lasst mich hindurch! Zu groß sind meine Schmerzen,

Sie wühlen siedend mir im tiefsten Herzen;

Bis gestern sucht’ Er Heil in meinen Blicken,

Er schwatzt mit ihr und wendet mir den Rücken.

Mephistopheles.

Bedenklich ist es, aber höre mich.

An ihn heran musst du dich leise drücken;

Nimm diese Kohle, streich ihm einen Strich

Auf Ärmel, Mantel, Schulter, wie sich’s macht;

Er fühlt im Herzen holden Reuestich.

Die Kohle doch musst du sogleich verschlingen,

Nicht Wein, nicht Wasser an die Lippen bringen;

Er seufzt vor deiner Tür noch heute Nacht.

Dame.

Ist doch kein Gift?

Mephistopheles (entrüstet).

Respekt, wo sich’s gebührt!

Weit müsstet Ihr nach solcher Kohle laufen;

Sie kommt von einem Scheiterhaufen,

Den wir sonst emsiger angeschürt.

Page.

Ich bin verliebt, man hält mich nicht für voll.

Mephistopheles (beiseite).

Ich weiß nicht mehr, wohin ich hören soll.

(Zum Pagen.)

Müsst Euer Glück nicht auf die Jüngste setzen.

Die Angejahrten wissen Euch zu schätzen. –

(Andere drängen sich herzu.)

Schon wieder Neue! Welch ein harter Strauß!

Ich helfe mir zuletzt mit Wahrheit aus;

Der schlechteste Behelf! Die Not ist groß. –

O Mütter, Mütter! Lasst nur Fausten los!

(Umherschauend.)

Die Lichter brennen trübe schon im Saal,

Der ganze Hof bewegt sich auf einmal.

Anständig seh’ ich sie in Folge ziehn

Durch lange Gänge, ferne Galerien.

Nun! Sie versammeln sich im weiten Raum

Des alten Rittersaals, er fasst sie kaum.

Auf breite Wände Teppiche spendiert,

Mit Rüstung Eck’ und Nischen ausgeziert.

Hier braucht es, dächt’ ich, keine Zauberworte;

Die Geister finden sich von selbst zum Orte.

Rittersaal

(Dämmernde Beleuchtung.)

Herold.

Mein alt Geschäft, das Schauspiel anzukünden,

Verkümmert mir der Geister heimlich Walten;

Vergebens wagt man, aus verständigen Gründen

Sich zu erklären das verworrene Schalten.

Die Sessel sind, die Stühle schon zur Hand;

Den Kaiser setzt man grade vor die Wand;

Auf den Tapeten mag er da die Schlachten

Der großen Zeit bequemlichstens betrachten.

Hier sitzt nun alles, Herr und Hof im Runde,

Die Bänke drängen sich im Hintergrunde;

Auch Liebchen hat, in düstern Geisterstunden,

Zur Seite Liebchens lieblich Raum gefunden.

Und so, da alle schicklich Platz genommen,

Sind wir bereit; die Geister mögen kommen!

(Posaunen.)

Astrolog.

Beginne gleich das Drama seinen Lauf,

Der Herr befiehlt’s, ihr Wände tut euch auf!

Nichts hindert mehr, hier ist Magie zur Hand,

Die Tepp’che schwinden, wie gerollt vom Brand;

Die Mauer spaltet sich, sie kehrt sich um,

Ein tief Theater scheint sich aufzustellen,

Geheimnisvoll ein Schein uns zu erhellen,

Und ich besteige das Proszenium.

Mephistopheles (aus dem Souffleurloche auftauchend).

Von hier aus hoff’ ich allgemeine Gunst,

Einbläsereien sind des Teufels Redekunst.

(Zum Astrologen.)

Du kennst den Takt, in dem die Sterne gehn,

Und wirst mein Flüstern meisterlich verstehn.

Astrolog.

Durch Wunderkraft erscheint allhier zur Schau,

Massiv genug, ein alter Tempelbau.

Dem Atlas gleich, der einst den Himmel trug,

Stehn reihenweis der Säulen hier genug;

Sie mögen wohl der Felsenlast genügen,

Da zweie schon ein groß Gebäude trügen.

Architekt.

Das wär’ antik! Ich wüsst’ es nicht zu preisen,

Es sollte plump und überlästig heißen.

Roh nennt man edel, unbehilflich groß.

Schmalpfeiler lieb’ ich, strebend, grenzenlos;

Spitzbögiger Zenit erhebt den Geist;

Solch ein Gebäu erbaut uns allermeist.

Astrolog.

Empfangt mit Ehrfurcht Stern gegönnte Stunden;

Durch magisch Wort sei die Vernunft gebunden;

Dagegen weit heran bewege frei

Sich herrliche verwegne Phantasei.

Mit Augen schaut nun, was ihr kühn begehrt;

Unmöglich ist’s, drum eben glaubenswert.

(Faust steigt auf der andern Seite des Proszeniums herauf.)

Astrolog.

Im Priesterkleid, bekränzt, ein Wundermann,

Der nun vollbringt, was er getrost begann.

Ein Dreifuß steigt mit ihm aus hohler Gruft,

Schon ahn’ ich aus der Schale Weihrauchduft.

Er rüstet sich, das hohe Werk zu segnen;

Es kann fortan nur Glückliches begegnen.

Faust (großartig).

In eurem Namen, Mütter, die ihr thront

Im Grenzenlosen, ewig einsam wohnt,

Und doch gesellig. Euer Haupt umschweben

Des Lebens Bilder, regsam, ohne Leben.

Was einmal war, in allem Glanz und Schein,

Es regt sich dort; denn es will ewig sein.

Und ihr verteilt es, allgewaltige Mächte,

Zum Zelt des Tages, zum Gewölb der Nächte.

Die einen fasst des Lebens holder Lauf,

Die andern sucht der kühne Magier auf;

In reicher Spende lässt er, voll Vertrauen,

Was jeder wünscht, das Wunderwürdige schauen.

Astrolog.

Der glühnde Schlüssel rührt die Schale kaum,

Ein dunstiger Nebel deckt sogleich den Raum;

Er schleicht sich ein, er wogt nach Wolkenart,

Gedehnt, geballt, verschränkt, geteilt, gepaart.

Und nun erkennt ein Geister-Meisterstück!

So wie sie wandeln, machen sie Musik.

Aus luftgen Tönen quillt ein Weißnichtwie,

Indem sie ziehn, wird alles Melodie.

Der Säulenschaft, auch die Triglyphe klingt,

Ich glaube gar, der ganze Tempel singt.

Das Dunstige senkt sich; aus dem leichten Flor

Ein schöner Jüngling tritt im Takt hervor.

Hier schweigt mein Amt, ich brauch’ ihn nicht zu nennen –

Wer sollte nicht den holden Paris kennen!

(Paris hervortretend.)

Dame.

O! Welch ein Glanz aufblühender Jugendkraft!

Zweite.

Wie eine Pfirsche frisch und voller Saft!

Dritte.

Die fein gezognen, süß geschwollnen Lippen!

Vierte.

Du möchtest wohl an solchem Becher nippen?

Fünfte.

Er ist gar hübsch, wenn auch nicht eben fein.

Sechste.

Ein bisschen könnt’ er doch gewandter sein.

Ritter.

Den Schäferknecht glaub’ ich allhier zu spüren,

Vom Prinzen nichts und nichts von Hofmanieren.

Andrer.

Eh nun! Halb nackt ist wohl der Junge schön,

Doch müssten wir ihn erst im Harnisch sehn!

Dame.

Er setzt sich nieder, weichlich, angenehm.

Ritter.

Auf seinem Schoße wär’ Euch wohl bequem?

Andre.

Er lehnt den Arm so zierlich übers Haupt.

Kämmerer.

Die Flegelei! Das find’ ich unerlaubt!

Dame.

Ihr Herren wisst an allem was zu mäkeln.

Derselbe.

In Kaisers Gegenwart sich hinzuräkeln!

Dame.

Er stellt’s nur vor! Er glaubt sich ganz allein.

Derselbe.

Das Schauspiel selbst, hier sollt’ es höflich sein.

Dame.

Sanft hat der Schlaf den Holden übernommen.

Derselbe.

Er schnarcht nun gleich; natürlich ist’s vollkommen!

Junge Dame (entzückt).

Zum Weihrauchsdampf was duftet so gemischt,

Das mir das Herz zum innigsten erfrischt?

Ältere.

Fürwahr! Es dringt ein Hauch tief ins Gemüte,

Er kommt von ihm!

Älteste.

Es ist des Wachstums Blüte,

Im Jüngling als Ambrosia bereitet

Und atmosphärisch ringsumher verbreitet.

(Helena hervortretend.)

Mephistopheles.

Das wär’ sie denn! Vor dieser hätt’ ich Ruh’;

Hübsch ist sie wohl, doch sagt sie mir nicht zu.

Astrolog.

Für mich ist diesmal weiter nichts zu tun,

Als Ehrenmann gesteh’, bekenn’ ich’s nun.

Die Schöne kommt, und hätt’ ich Feuerzungen!

Von Schönheit ward von jeher viel gesungen;

Wem sie erscheint, wird aus sich selbst entrückt,

Wem sie gehörte, ward zu hoch beglückt.

Faust.

Hab’ ich noch Augen? Zeigt sich tief im Sinn

Der Schönheit Quelle reichlichstens ergossen?

Mein Schreckensgang bringt seligsten Gewinn.

Wie war die Welt mir nichtig, unerschlossen!

Was ist sie nun seit meiner Priesterschaft?

Erst wünschenswert, gegründet, dauerhaft!

Verschwinde mir des Lebens Atemkraft,

Wenn ich mich je von dir zurückgewöhne! –

Die Wohlgestalt, die mich voreinst entzückte,

In Zauberspiegelung beglückte,

War nur ein Schaumbild solcher Schöne! –

Du bist’s, der ich die Regung aller Kraft,

Den Inbegriff der Leidenschaft,

Dir Neigung, Lieb’, Anbetung, Wahnsinn zolle.

Mephistopheles (aus dem Kasten).

So fasst Euch doch und fallt nicht aus der Rolle!

Ältere Dame.

Groß, wohl gestaltet, nur der Kopf zu klein.

Jüngere.

Seht nur den Fuß! Wie könnt’ er plumper sein!

Diplomat.

Fürstinnen hab’ ich dieser Art gesehn;

Mich deucht, sie ist vom Kopf zum Fuße schön.

Hofmann.

Sie nähert sich dem Schläfer listig mild.

Dame.

Wie hässlich neben jugendreinem Bild!

Poet.

Von ihrer Schönheit ist er angestrahlt.

Dame.

Endymion und Luna! Wie gemalt!

Derselbe.

Ganz recht! Die Göttin scheint herabzusinken,

Sie neigt sich über, seinen Hauch zu trinken;

Beneidenswert! – Ein Kuss! – Das Maß ist voll.

Duenna.

Vor allen Leuten! Das ist doch zu toll!

Faust.

Furchtbare Gunst dem Knaben! –

Mephistopheles.

Ruhig! Still!

Lass das Gespenst doch machen, was es will.

Hofmann.

Sie schleicht sich weg, leichtfüßig; er erwacht.

Dame.

Sie sieht sich um! Das hab’ ich wohl gedacht.

Hofmann.

Er staunt! Ein Wunder ist’s, was ihm geschieht.

Dame.

Ihr ist kein Wunder, was sie vor sich sieht.

Hofmann.

Mit Anstand kehrt sie sich zu ihm herum.

Dame.

Ich merke schon, sie nimmt ihn in die Lehre;

In solchem Fall sind alle Männer dumm,

Er glaubt wohl auch, dass er der erste wäre.

Ritter.

Lasst mir sie gelten! Majestätisch fein! –

Dame.

Die Buhlerin! Das nenn’ ich doch gemein!

Page.

Ich möchte wohl an seiner Stelle sein!

Hofmann.

Wer würde nicht in solchem Netz gefangen?

Dame.

Das Kleinod ist durch manche Hand gegangen,

Auch die Verguldung ziemlich abgebraucht.

Andre.

Vom zehnten Jahr an hat sie nichts getaugt.

Ritter.

Gelegentlich nimmt jeder sich das Beste;

Ich hielte mich an diese schönen Reste.

Gelehrter.

Ich seh’ sie deutlich, doch gesteh’ ich frei:

Zu zweifeln ist, ob sie die rechte sei.

Die Gegenwart verführt ins Übertriebne,

Ich halte mich vor allem ans Geschriebne.

Da les’ ich denn, sie habe wirklich allen

Graubärten Trojas sonderlich gefallen;

Und wie mich dünkt, vollkommen passt das hier:

Ich bin nicht jung, und doch gefällt sie mir.

Astrolog.

Nicht Knabe mehr! Ein kühner Heldenmann,

Umfasst er sie, die kaum sich wehren kann.

Gestärkten Arms hebt er sie hoch empor,

Entführt er sie wohl gar?

Faust.

Verwegner Tor!

Du wagst! Du hörst nicht! Halt! Das ist zu viel!

Mephistopheles.

Machst du’s doch selbst, das Fratzengeisterspiel!

Astrolog.

Nur noch ein Wort! Nach allem, was geschah,

Nenn’ ich das Stück den Raub der Helena.

Faust.

Was Raub! Bin ich für nichts an dieser Stelle!

Ist dieser Schlüssel nicht in meiner Hand!

Er führte mich, durch Graus und Wog’ und Welle

Der Einsamkeiten her zum festen Stand.

Hier fass’ ich Fuß! Hier sind es Wirklichkeiten,

Von hier aus darf der Geist mit Geistern streiten,

Das Doppelreich, das große, sich bereiten.

So fern sie war, wie kann sie näher sein!

Ich rette sie, und sie ist doppelt mein.

Gewagt! Ihr Mütter! Mütter! Müsst’s gewähren!

Wer sie erkannt, der darf sie nicht entbehren.

Astrolog.

Was tust du, Fauste! Fauste! – Mit Gewalt

Fasst er sie an, schon trübt sich die Gestalt.

Den Schlüssel kehrt er nach dem Jüngling zu,

Berührt ihn! – Weh’ uns, Wehe! Nu! Im Nu!

(Explosion, Faust liegt am Boden. Die Geister gehen in Dunst auf.)

Mephistopheles (der Faust auf die Schulter nimmt).

Da habt ihr’s nun! Mit Narren sich beladen,

Das kommt zuletzt dem Teufel selbst zu Schaden.

(Finsternis, Tumult.)

 
 * 

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