Johann Wolfgang Goethe

West-
Östlicher
Divan

entstanden 1814-19, veröffentlicht 1819

Moganni Nameh: Buch des Sängers

Zwanzig Jahre ließ ich gehn

Und genoß, was mir beschieden;

Eine Reihe völlig schön

Wie die Zeit der Barmekiden.

Hegire

Nord und West und Süd zersplittern,

Throne bersten, Reiche zittern:

Flüchte du, im reinen Osten

Patriarchenluft zu kosten,

Unter Lieben, Trinken, Singen

Soll dich Chisers Quell verjüngen.

Dort im Reinen und im Rechten

Will ich menschlichen Geschlechten

In des Ursprungs Tiefe dringen,

Wo sie noch von Gott empfingen

Himmelslehr’ in Erdesprachen

Und sich nicht den Kopf zerbrachen.

Wo sie Väter hoch verehrten,

Jeden fremden Dienst verwehrten;

Will mich freun der Jugendschranke:

Glaube weit, eng der Gedanke,

Wie das Wort so wichtig dort war,

Weil es ein gesprochen Wort war.

Will mich unter Hirten mischen,

An Oasen mich erfrischen,

Wenn mit Karawanen wandle,

Shawl, Kaffee und Moschus handle;

Jeden Pfad will ich betreten

Von der Wüste zu den Städten.

Bösen Felsweg auf und nieder

Trösten, Hafis, deine Lieder,

Wenn der Führer mit Entzücken

Von des Maultiers hohem Rücken

Singt, die Sterne zu erwecken

Und die Räuber zu erschrecken.

Will in Bädern und in Schenken,

Heilger Hafis, dein gedenken,

Wenn den Schleier Liebchen lüftet,

Schüttelnd Ambralocken düftet.

Ja, des Dichters Liebesflüstern

Mache selbst die Huris lüstern.

Wolltet ihr ihm dies beneiden

Oder etwa gar verleiden,

Wisset nur, daß Dichterworte

Um des Paradieses Pforte

Immer leise klopfend schweben,

Sich erbittend ewges Leben.

Segenspfänder

Talisman in Karneol,

Gläubgen bringt er Glück und Wohl;

Steht er gar auf Onyx’ Grunde,

Küß ihn, mit geweihtem Munde!

Alles Übel treibt er fort,

Schützet dich und schützt den Ort:

Wenn das eingegrabne Wort

Allahs Namen rein verkündet,

Dich zu Lieb und Tat entzündet.

Und besonders werden Frauen

Sich am Talisman erbauen.

Amulette sind dergleichen

Auf Papier geschriebne Zeichen;

Doch man ist nicht im Gedränge

Wie auf edlen Steines Enge

Und vergönnt ist frommen Seelen,

Längre Verse hier zu wählen.

Männer hängen die Papiere

Gläubig um als Skapuliere.

Die Inschrift aber hat nichts hinter sich,

Sie ist sie selbst und muß dir alles sagen,

Was hintendrein mit redlichem Behagen

Du gerne sagst: Ich sag’ es! Ich!

Doch Abraxas bring ich selten!

Hier soll meist das Fratzenhafte,

Das ein düstrer Wahnsinn schaffte,

Für das Allerhöchste gelten.

Sag’ ich euch absurde Dinge,

Denkt, daß ich Abraxas bringe.

Ein Siegelring ist schwer zu zeichnen;

Den höchsten Sinn im engsten Raum;

Doch weißt du hier ein Echtes anzueignen,

Gegraben steht das Wort, du denkst es kaum.

Freisinn

Laßt mich nur auf meinem Sattel gelten!

Bleibt in euren Hütten, euren Zelten!

Und ich reite froh in alle Ferne,

Über meiner Mütze nur die Sterne.

*

Er hat euch die Gestirne gesetzt

Als Leiter zu Land und See,

Damit ihr euch daran ergetzt,

Stets blickend in die Höh’.

Talismane

Gottes ist der Orient!

Gottes ist der Occident!

Nord- und südliches Gelände

Ruht im Frieden seiner Hände!

Er, der einzige Gerechte,

Will für jedermann das Rechte.

Sei von seinen hundert Namen

Dieser hochgelobet! Amen.

Mich verwirren will das Irren,

Doch du weißt mich zu entwirren.

Wenn ich handle, wenn ich dichte,

Gib du meinem Weg die Richte!

Ob ich Ird’sches denk’ und sinne,

Das gereicht zu höherem Gewinne.

Mit dem Staube nicht der Geist zerstoben,

Dringet, in sich selbst gedrängt, nach oben.

*

Im Atemholen sind zweierlei Gnaden:

Die Luft einziehn, sich ihrer entladen.

Jenes bedrängt, dieses erfrischt;

So wunderbar ist das Leben gemischt.

Du danke Gott, wenn er dich preßt,

Und dank ihm, wenn er dich wieder entläßt!

Vier Gnaden

Daß Araber an ihrem Teil

Die Weite froh durchziehen,

Hat Allah zu gemeinem Heil

Der Gnaden vier verliehen.

Den Turban erst, der besser schmückt

Als alle Kaiserkronen;

Ein Zelt, daß man vom Orte rückt,

Um überall zu wohnen;

Ein Schwert, das tüchtiger beschützt

Als Fels und hohe Mauern;

Ein Liedchen, das gefällt und nützt,

Worauf die Mädchen lauern.

Und Blumen sing ich ungestört

Von ihrem Shawl herunter;

Sie weiß recht wohl, was ihr gehört,

Und bleibt mir hold und munter,

Und Blum und Früchte weiß ich euch

Gar zierlich aufzutischen;

Wollt ihr Moralien zugleich,

So geb ich von den frischen.

Geständnis

Was ist schwer zu verbergen? Das Feuer!

Denn bei Tage verrät’s der Rauch,

Bei Nacht die Flamme, das Ungeheuer.

Ferner ist schwer zu verbergen auch

Die Liebe: noch so stille gehegt,

Sie doch gar leicht aus den Augen schlägt.

Am schwersten zu bergen ist ein Gedicht:

Man stellt es untern Scheffel nicht.

Hat es der Dichter frisch gesungen,

So ist er ganz davon durchdrungen;

Hat er es zierlich nett geschrieben,

Will er, die ganze Welt soll’s lieben.

Er liest es jedem froh und laut,

Ob es uns quält, ob es erbaut.

Elemente

Aus wie vielen Elementen

Soll ein echtes Lied sich nähren,

Daß es Laien gern empfinden,

Meister es mit Freuden hören?

Liebe sei vor allen Dingen

Unser Thema, wenn wir singen;

Kann sie gar das Lied durchdringen,

Wird’s um desto besser klingen.

Dann muß Klang der Gläser tönen

Und Rubin des Weins erglänzen:

Denn für Liebende, für Trinker

Winkt man mit den schönsten Kränzen.

Waffenklang wird auch gefodert,

Daß auch die Drommete schmettre;

Daß, wenn Glück zu Flammen lodert,

Sich im Sieg der Held vergöttre.

Dann zuletzt ist unerläßlich,

Daß der Dichter manches hasse;

Was unleidlich ist und häßlich,

Nicht wie Schönes leben lasse.

Weiß der Sänger, dieser Viere

Urgewalt’gen Stoff zu mischen,

Hafis gleich wird er die Völker

Ewig freuen und erfrischen.

Erschaffen und Beleben

Hans Adam war ein Erdenkloß,

Den Gott zum Menschen machte,

Doch bracht’ er aus der Mutter Schoß

Noch vieles Ungeschlachte.

Die Elohim zur Nas’ hinein

Den besten Geist ihm bliesen,

Nun schien er schon was mehr zu sein

Denn er fing an zu niesen.

Doch mit Gebein und Glied und Kopf

Blieb er ein halber Klumpen,

Bis endlich Noah für den Tropf

Das Wahre fand – den Humpen.

Der Klumpe fühlt sogleich den Schwung,

Sobald er sich benetzet,

So wie der Teig durch Säuerung

Sich in Bewegung setzet.

So, Hafis, mag dein holder Sang,

Dein heiliges Exempel

Uns führen bei der Gläser Klang

Zu unsres Schöpfers Tempel.

Phänomen

Wenn zu der Regenwand

Phöbus sich gattet,

Gleich steht ein Bogenrand

Farbig beschattet.

Im Nebel gleichen Kreis

Seh ich gezogen,

Zwar ist der Bogen weiß,

Doch Himmelsbogen.

So sollst du, muntrer Greis,

Dich nicht betrüben:

Sind gleich die Haare weiß,

Doch wirst du lieben.

Liebliches

Was doch Buntes dort verbindet

Mir den Himmel mit der Höhe?

Morgennebelung verblindet

Mir des Blickes scharfe Sehe.

Sind es Zelte des Wesires,

Die er lieben Frauen baute?

Sind es Teppiche des Festes,

Weil er sich der Liebsten traute?

Rot und weiß, gemischt, gesprenkelt

Wüßt ich Schönres nicht zu schauen.

Doch wie, Hafis, kommt dein Schiras

Auf des Nordens trübe Gauen?

Ja, es sind die bunten Mohne,

Die sich nachbarlich erstrecken

Und dem Kriegesgott zu Hohne

Felder streifweis freundlich decken.

Möge stets so der Gescheute

Nutzend Blumenzierde pflegen

Und ein Sonnenschein wie heute

Klären sie auf meinen Wegen!

Zwiespalt

Wenn links am Baches Rand

Cupido flötet,

Im Felde rechter Hand

Mavors drommetet,

Da wird dorthin das Ohr

Lieblich gezogen,

Doch um des Liedes Flor

Durch Lärm betrogen.

Nun flötet’s immer voll

Im Kriegestunder,

Ich werde rasend, toll –

Ist das ein Wunder?

Fort wächst der Flötenton,

Schall der Posaunen,

Ich irre, rase schon –

Ist das zu staunen?

Im Gegenwärtigen Vergangnes

Ros’ und Lilie morgentaulich

Blüht im Garten meiner Nähe;

Hintenan, bebuscht und traulich,

Steigt der Felsen in die Höhe;

Und mit hohem Wald umzogen

Und mit Ritterschloß gekrönet,

Lenkt sich hin des Gipfels Bogen,

Bis er sich dem Tal versöhnet.

Und da duftet’s wie vor Alters,

Da wir noch von Liebe litten

Und die Saiten meines Psalters

Mit dem Morgenstrahl sich stritten;

Wo das Jagdlied aus den Büschen

Fülle runden Tons enthauchte,

Anzufeuern, zu erfrischen,

Wie’s der Busen wollt und brauchte.

Nun die Wälder ewig sprossen,

So ermutigt euch mit diesen:

Was ihr sonst für euch genossen,

Läßt in andern sich genießen.

Niemand wird uns dann beschreien,

Daß wir’s uns alleine gönnen;

Nun in allen Lebensreihen

Müsset ihr genießen können.

Und mit diesem Lied und Wendung

Sind wir wieder bei Hafisen,

Denn es ziemt, des Tags Vollendung

Mit Genießern zu genießen.

Lied und Gebilde

Mag der Grieche seinen Ton

Zu Gestalten drücken,

An der eignen Hände Sohn

Steigern sein Entzücken.

Aber uns ist wonnereich,

In den Euphrat greifen

Und im flüss’gen Element

Hin und wieder schweifen.

Löscht ich so der Seele Brand,

Lied, es wird erschallen:

Schöpft des Dichters reine Hand,

Wasser wird sich ballen.

Dreistigkeit

Worauf kommt es überall an,

Daß der Mensch gesundet?

Jeder höret gern den Schall an,

Der zum Ton sich rundet.

Alles weg, was deinen Lauf stört!

Nur kein düster Streben!

Eh’ er singt und eh’ er aufhört,

Muß der Dichter leben.

Und so mag des Lebens Erzklang

Durch die Seele dröhnen!

Fühlt der Dichter sich das Herz bang,

Wird sich selbst versöhnen.

Derb und tüchtig

Dichten ist ein Übermut,

Niemand schelte mich!

Habt getrost ein warmes Blut

Froh und frei wie ich.

Sollte jeder Stunde Pein

Bitter schmecken mir,

Würd ich auch bescheiden sein

Und noch mehr als ihr.

Denn Bescheidenheit ist fein,

Wenn das Mädchen blüht,

Sie will zart geworben sein,

Die den Rohen flieht.

Auch ist gut Bescheidenheit,

Spricht ein weiser Mann,

Der von Zeit und Ewigkeit

Mich belehren kann.

Dichten ist ein Übermut!

Treib es gern allein.

Freund’ und Frauen, frisch von Blut,

Kommt nur auch herein!

Mönchlein ohne Kapp und Kutt,

Schwatz nicht auf mich ein!

Zwar du machest mich kaputt,

Nicht bescheiden, nein!

Deiner Phrasen leeres Was

Treibet mich davon,

Abgeschliffen hab ich das

An den Sohlen schon.

Wenn des Dichters Mühle geht,

Halte sie nicht ein:

Denn wer einmal uns versteht,

Wird uns auch verzeihn.

All-Leben

Staub ist eins der Elemente,

Das du gar geschickt bezwingest,

Hafis, wenn zu Liebchens Ehren

Du ein zierlich Liedchen singest.

Denn der Staub auf ihrer Schwelle

Ist dem Teppich vorzuziehen,

Dessen goldgewirkte Blumen

Mahmuds Günstlinge beknieen.

Treibt der Wind von ihrer Pforte

Wolken Staubs behend vorüber,

Mehr als Moschus sind die Düfte

Und als Rosenöl dir lieber.

Staub, den hab ich längst entbehret

In dem stets umhüllten Norden,

Aber in dem heißen Süden

Ist er mir genugsam worden.

Doch schon längst, daß liebe Pforten

Mir auf ihren Angeln schwiegen!

Heile mich, Gewitterregen,

Laß mich, daß es grunelt, riechen!

Wenn jetzt alle Donner rollen

Und der ganze Himmel leuchtet,

Wird der wilde Staub des Windes

Nach dem Boden hingefeuchtet.

Und sogleich entspring ein Leben,

Schwillt ein heilig heimlich Wirken,

Und es grunelt und es grünet

In den irdischen Bezirken.

Selige Sehnsucht

Sagt es niemand, nur den Weisen,

Weil die Menge gleich verhöhnet:

Das Lebendige will ich preisen,

Das nach Flammentod sich sehnet.

In der Liebesnächte Kühlung,

Die dich zeugte, wo du zeugtest,

Überfällt dich fremde Fühlung,

Wenn die stille Kerze leuchtet.

Nicht mehr bleibest du umfangen

In der Finsternis Beschattung,

Und dich reißet neu Verlangen

Auf zu höherer Begattung.

Keine Ferne macht dich schwierig,

Kommst geflogen und gebannt,

Und zuletzt, des Lichts begierig,

Bist du Schmetterling verbrannt.

Und so lang du das nicht hast,

Dieses: Stirb und werde!

Bist du nur ein trüber Gast

Auf der dunklen Erde.

*

Tut ein Schilf sich doch hervor,

Welten zu versüßen!

Möge meinem Schreiberohr

Liebliches entfließen!

 
 * 

Hafis Nameh: Buch Hafis

Sei das Wort die Braut genannt,

Bräutigam der Geist;

Diese Hochzeit hat gekannt,

Wer Hafisen preist.

Beiname

Dichter

Mohammed Schemseddin, sage,

Warum hat dein Volk, das hehre,

Hafis dich genannt?

Hafis

    Ich ehre,

Ich erwidre deine Frage.

Weil in glücklichem Gedächtnis

Des Korans geweiht Vermächtnis

Unverändert ich verwahre,

Und damit so fromm gebare,

Des gemeinen Tages Schlechtnis

Weder mich noch die berühret,

Die Propheten-Wort und Samen

Schätzen, wie es sich gebühret –

Darum gab man mir den Namen.

Dichter

Hafis, drum, so will mir scheinen,

Möcht ich dir nicht gerne weichen:

Denn, wenn wir wie andre meinen,

Werden wir den andern gleichen.

Und so gleich ich dir vollkommen,

Der ich unsrer heil’gen Bücher

Herrlich Bild an mich genommen,

Wie auf jenes Tuch der Tücher

Sich des Herren Bildnis drückte,

Mich in stiller Brust erquickte

Trotz Verneinung, Hindrung, Raubens

Mit dem heitern Bild des Glaubens.

Anklage

Wißt ihr denn, auf wen die Teufel lauern

In der Wüste, zwischen Fels und Mauern?

Und wie sie den Augenblick erpassen,

Nach der Hölle sie entführend fassen?

Lügner sind es und der Bösewicht,

Der Poete, warum scheut er nicht,

Sich mit solchen Leuten einzulassen!

Weiß denn der, mit wem er geht und wandelt,

Er, der immer nur im Wahnsinn handelt?

Grenzenlos, von eigensinnigem Lieben,

Wird er in die Öde fortgetrieben,

Seiner Klagen Reim’, in Sand geschrieben,

Sind vom Winde gleich verjagt;

Er versteht nicht, was er sagt,

Was er sagt, wird er nicht halten.

Doch sein Lied, man läßt es immer walten,

Da es doch dem Koran widerspricht.

Lehret nun, ihr des Gesetzes Kenner,

Weisheit-fromme, hochgelahrte Männer,

Treuer Mosleminen feste Pflicht.

Hafis insbesondre schaffet Ärgernisse,

Mirza sprengt den Geist ins Ungewisse:

Saget, was man tun und lassen müsse!

Fetwa

Hafis’ Dichterzüge, sie bezeichnen

Ausgemachte Wahrheit unauslöschlich;

Aber hie und da auch Kleinigkeiten

Außerhalb der Grenze des Gesetzes.

Willst du sicher gehn, so mußt du wissen

Schlangengift und Theriah zu sondern –

Doch der reinen Wollust edler Handlung

Sich mit frohem Mut zu überlassen

Und vor solcher, der nur ew’ge Pein folgt,

Mit besonnenem Sinn sich zu verwahren,

Ist gewiß das Beste, um nicht zu fehlen.

Dieses schrieb der arme Ebusuud,

Gott verzeih’ ihm seine Sünden alle!

Der Deutsche dankt

Heilger Ebusuud, hast’s getroffen!

Solche Heil’ge wünschet sich der Dichter:

Denn gerade jene Kleinigkeiten

Außerhalb der Grenze des Gesetzes

Sind das Erbteil, wo er übermütig,

Selbst im Kummer lustig, sich beweget.

Schlangengift und Theriak muß

Ihm das eine wie das andre scheinen.

Töten wird nicht jenes, dies nicht heilen:

Denn das wahre Leben ist des Handelns

Ewge Unschuld, die sich so erweiset,

Daß sie niemand schadet als sich selber.

Und so kann der alte Dichter hoffen,

Daß die Huris ihn im Paradiese

Als verklärten Jüngling wohl empfangen.

Heiliger Ebusuud, hast’s getroffen!

Fetwa

Der Mufti las des Misri Gedichte,

Eins nach dem andern, alle zusammen,

Und wohlbedächtig warf sie in die Flammen.

Das schöngeschriebne Buch, es ging zunichte.

»Verbrannt sei jeder«, sprach der hohe Richter,

»Wer spricht und glaubt wie Misri – er allein

Sei ausgenommen von des Feuers Pein:

Denn Allah gab die Gabe jedem Dichter.

Mißbraucht er sie im Wandel seiner Sünden,

So seh er zu, mit Gott sich abzufinden.«

Unbegrenzt

Daß du nicht enden kannst, das macht dich groß,

Und daß du nie beginnst, das ist dein Los.

Dein Lied ist drehend wie das Sterngewölbe,

Anfang und Ende immerfort dasselbe,

Und, was die Mitte bringt, ist offenbar

Das, was zu Ende bleibt und Anfangs war.

Du bist der Freuden echte Dichterquelle

Und ungezählt entfließt dir Well’ auf Welle.

Zum Küssen stets bereiter Mund,

Ein Brustgesang, der lieblich fließet,

Zum Trinken stets gereizter Schlund,

Ein gutes Herz, das sich ergießet.

Und mag die ganze Welt versinken,

Hafis mit dir, mit dir allein

Will ich wetteifern! Lust und Pein

Sei uns, den Zwillingen, gemein!

Wie du zu lieben und zu trinken,

Das soll mein Stolz, mein Leben sein.

Nun töne Lied mit eignem Feuer!

Denn du bist älter, du bist neuer.

Nachbildung

In deine Reimart hoff ich mich zu finden,

Das Wiederholen soll mir auch gefallen,

Erst werd ich Sinn, sodann auch Worte finden;

Zum zweitenmal soll mir kein Klang erschallen,

Er müßte denn besondern Sinn begründen,

Wie du’s vermagst, Begünstigter vor allen!

Denn wie ein Funke fähig, zu entzünden

Die Kaiserstadt, wenn Flammen grimmig wallen,

Sich winderzeugend glühn von eignen Winden,

Er, schon erloschen, schwand zu Sternenhallen:

So schlang’s von dir sich fort mit ew’gen Gluten,

Ein deutsches Herz von frischem zu ermuten.

*

Zugemeßne Rhythmen reizen freilich,

Das Talent erfreut sich wohl darin,

Doch wie schnelle widern sie abscheulich,

Hohle Masken ohne Blut und Sinn.

Selbst der Geist erscheint sich nicht erfreulich,

Wenn er nicht, auf neue Form bedacht,

Jener toten Form ein Ende macht.

Offenbar Geheimnis

Sie haben dich, heiliger Hafis,

Die mystische Zunge genannt

Und haben, die Wortgelehrten,

Den Wert des Worts nicht erkannt.

Mystisch heißest du ihnen,

Weil sie Närrisches bei dir denken

Und ihren unlautern Wein

In deinem Namen verschenken.

Du aber bist mystisch rein,

Weil sie dich nicht verstehn,

Der du, ohne fromm zu sein, selig bist!

Das wollen sie dir nicht zugestehn.

Wink

Und doch haben sie recht, die ich schelte:

Denn, daß ein Wort nicht einfach gelte,

Das müßte sich wohl von selbst verstehn.

Das Wort ist ein Fächer! Zwischen den Stäben

Blicken ein paar schöne Augen hervor,

Der Fächer ist nur ein lieblicher Flor,

Er verdeckt mir zwar das Gesicht,

Aber das Mädchen verbirgt er nicht,

Weil das Schönste, was sie besitzt,

Das Auge, mir ins Auge blitzt.

An Hafis

Was alle wollen, weißt du schon

Und hast es wohl verstanden:

Denn Sehnsucht hält, von Staub zu Thron

Uns all in strengen Banden.

Es tut so weh, so wohl hernach,

Wer sträubte sich dagegen?

Und wenn den Hals der eine brach,

Der andre bleibt verwegen.

Verzeihe, Meister, wie du weißt,

Daß ich mich oft vermesse,

Wenn sie das Auge nach sich reißt,

Die wandelnde Cypresse.

Wie Wurzelfasern schleicht ihr Fuß

Und buhlet mit dem Boden,

Wie leicht Gewölk verschmilzt ihr Gruß,

Wie Ost-Gekos’ ihr Oden.

Das alles drängt uns ahndevoll,

Wo Lock an Locke kräuselt,

In brauner Fülle ringelnd schwoll,

Sodann im Winde säuselt.

Nun öffnet sich die Stirne klar,

Dein Herz damit zu glätten,

Vernimmst ein Lied so froh und wahr,

Den Geist darin zu betten.

Und wenn die Lippen sich dabei

Aufs niedlichste bewegen,

Sie machen dich auf einmal frei,

In Fesseln dich zu legen.

Der Atem will nicht mehr zurück,

Die Seel zur Seele fliehend,

Gerüche winden sich durchs Glück

Unsichtbar wolkig ziehend.

Doch wenn es allgewaltig brennt,

Dann greifst du nach der Schale:

Der Schenke läuft, der Schenke kömmt

Zum erst- und zweiten Male.

Sein Auge blitzt, sein Herz erbebt,

Er hofft auf deine Lehren,

Dich, wenn der Wein den Geist erhebt,

Im höchsten Sinn zu hören.

Ihm öffnet sich der Welten Raum,

Im Innern Heil und Orden,

Es schwillt die Brust, es bräunt der Flaum,

Er ist ein Jüngling worden.

Und wenn dir kein Geheimnis blieb,

Was Herz und Welt enthalte,

Dem Denker winkst du treu und lieb,

Daß sich der Sinn entfalte.

Auch daß vom Throne Fürstenhort

Sich nicht für uns verliere.

Gibst du dem Schah ein gutes Wort

Und gibst es dem Wesire.

Das alles kennst und singst du heut

Und singst es morgen eben:

So trägt uns freundlich dein Geleit

Durchs rauhe, milde Leben.

 
 * 

Ushk Nameh: Buch der Liebe

Sage mir,

Was mein Herz begehrt?

»Mein Herz ist bei dir,

Halt es wert!«

Musterbilder

Hör und bewahre

Sechs Liebespaare!

Wortbild entzündet, Liebe schürt zu:

Rustan und Rodawu.

Unbekannte sind sich nah:

Jussuph und Suleika.

Liebe, nicht Liebesgewinn:

Ferhad und Schirin.

Nur für einander da:

Medschnun und Leila.

Liebend im Alter sah

Dschemil auf Boteinah.

Süße Liebeslaune:

Salomo und die Braune!

Hast du sie wohl vermerkt?

Bist im Lieben gestärkt.

Noch ein Paar

Ja, Lieben ist ein groß Verdienst!

Wer findet schöneren Gewinst? –

Du wirst nicht mächtig, wirst nicht reich,

Jedoch den größten Helden gleich.

Man wird so gut wie vom Propheten

Von Wamik und von Asra reden. –

Nicht reden wird man, wird sie nennen:

Die Namen müssen alle kennen.

Was sie getan, was sie geübt,

Das weiß kein Mensch! Daß sie geliebt,

Das wissen wir. Genug gesagt,

Wenn man nach Wamik und Asra fragt!

Lesebuch

Wunderlichstes Buch der Bücher

Ist das Buch der Liebe.

Aufmerksam hab ich’s gelesen:

Wenig Blätter Freuden,

Ganze Hefte Leiden;

Einen Abschnitt macht die Trennung.

Wiedersehn! ein klein Kapitel,

Fragmentarisch. Bände Kummers,

Mit Erklärungen verlängert,

Endlos, ohne Maß.

O Nisami! – doch am Ende

Hast den rechten Weg gefunden:

Unauflösliches, wer löst es?

Liebende, sich wiederfindend.

Ja, die Augen waren’s

Ja, die Augen waren’s, ja, der Mund,

Die mir blickten, die mich küßten.

Hüfte schmal, der Leib so rund,

Wie zu Paradieses Lüsten!

War sie da? Wo ist sie hin?

Ja, sie war’s, sie hat’s gegeben,

Hat gegeben sich im Fliehn

Und gefesselt all mein Leben.

Gewarnt

Auch in Locken hab ich mich

Gar zu gern verfangen.

Und so, Hafis, wär’s wie dir

Deinem Freund ergangen.

Aber Zöpfe flechten sie,

Nun aus langen Haaren;

Unterm Helme fechten sie,

Wie wir wohl erfahren.

Wer sich aber wohl besann,

Läßt sich so nicht zwingen:

Schwere Ketten fürchtet man,

Rennt in leichte Schlingen.

Versunken

Voll Locken kraus ein Haupt so rund!

Und darf ich dann in solchen reichen Haaren

Mit vollen Händen hin und wider fahren,

Da fühl ich mich von Herzensgrund gesund.

Und küß ich Stirne, Bogen, Auge, Mund,

Dann bin ich frisch und immer wieder wund.

Der fünfgezackte Kamm, wo sollt er stocken?

Er kehrt schon wieder zu den Locken.

Das Ohr versagt sich nicht dem Spiel,

Hier ist nicht Fleisch, hier ist nicht Haut,

So zart zum Scherz, so liebeviel!

Doch wie man auf dem Köpfchen kraut,

Man wird in solchen reichen Haaren

Für ewig auf und nieder fahren.

So hast du, Hafis, auch getan,

Wir fangen es von vornen an.

Bedenklich

Soll ich von Smaragden reden,

Die dein Finger niedlich zeigt?

Manchmal ist ein Wort von nöten,

Oft ist’s besser, daß man schweigt.

Also sag ich, daß die Farbe

Grün und augerquicklich sei!

Sage nicht, daß Schmerz und Narbe

Zu befürchten nah dabei!

Immerhin! du magst es lesen!

Warum übst du solche Macht!

»So gefährlich ist dein Wesen

Als erquicklich der Smaragd.«

Liebchen, ach! im starren Bande

Zwängen sich die freien Lieder,

Die im reinen Himmelslande

Munter flogen hin und wider.

Allem ist die Zeit verderblich,

Sie erhalten sich allein!

Jede Zeile soll unsterblich,

Ewig wie die Liebe sein.

Schlechter Trost

Mitternachts weint und schluchzt ich,

Weil ich dein entbehrte.

Da kamen Nachtgespenster

Und ich schämte mich.

»Nachtgespenster«, sagt ich,

»Schluchzend und weinend

Findet ihr mich, dem ihr sonst

Schlafende vorüberzogt.

Große Güter vermiß ich.

Denkt nicht schlimmer von mir,

Den ihr sonst weise nanntet,

Großes Übel betrifft ihn!« –

Und die Nachtgespenster

Mit langen Gesichtern

Zogen vorbei,

Ob ich weise oder törig,

Völlig unbekümmert.

Genügsam

»Wie irrig wähntest du,

Aus Liebe gehöre das Mädchen dir zu.

Das könnte mich nun garnicht freuen,

Sie versteht sich auf Schmeicheleien.«

Dichter

Ich bin zufrieden, daß ich’s habe!

Mir diene zur Entschuldigung:

Liebe ist freiwillige Gabe,

Schmeichelei Huldigung.

Gruß

O wie selig ward mir!

Im Lande wandl ich,

Wo Hudhud über den Weg läuft.

Des alten Meeres Muscheln

Im Stein sucht ich, die versteinten;

Hudhud lief einher,

Die Krone entfaltend,

Stolzierte, neckischer Art,

Über das Tote scherzend

Der Lebendge.

»Hudhud«, sagt ich, »fürwahr!

Ein schöner Vogel bist du.

Eile doch, Wiedehopf!

Eile, der Geliebten

Zu verkünden, daß ich ihr

Ewig angehöre.

Hast du doch auch

Zwischen Salomo

Und Sabas Königin

Ehemals den Kuppler gemacht!«

Ergebung

»Du vergehst und bist so freundlich,

Verzehrst dich und singst so schön?«

Dichter

Die Liebe behandelt mich feindlich!

Da will ich gern gestehn:

Ich singe mit schwerem Herzen.

Sieh doch einmal die Kerzen!

Sie leuchten, indem sie vergehn.

*

Eine Stelle sucht der Liebe Schmerz,

Wo es recht wüst und einsam wäre;

Da fand er denn mein ödes Herz

Und nistete sich in das leere.

Unvermeidlich

Wer kann gebieten den Vögeln,

Still zu sein auf der Flur?

Und wer verbieten zu zappeln

Den Schafen unter der Schur?

Stell ich mich wohl ungebärdig,

Wenn mir die Wolle kraust?

Nein! die Ungebärden entzwingt mir

Der Scherer, der mich zerzaust.

Wer will mir wehren, zu singen

Nach Lust zum Himmel hinan,

Den Wolken zu vertrauen,

Wie lieb sie mir’s angetan?

Geheimes

Über meines Liebchens Äugeln

Stehn verwundert alle Leute,

Ich, der Wissende, dagegen

Weiß recht gut, was das bedeute.

Denn es heißt: ich liebe diesen,

Und nicht etwa den und jenen,

Lasset nur, ihr guten Leute,

Euer Wundern, euer Sehnen!

Ja, mit ungeheuren Mächten

Blicket sie wohl in die Runde,

Doch sie sucht nur zu verkünden

Ihm die nächste süße Stunde.

Geheimstes

»Wir sind emsig, nachzuspüren,

Wir, die Anekdotenjäger,

Wer dein Liebchen sei und ob du

Nicht auch habest viele Schwäger.

Denn daß du verliebt bist, sehn wir,

Mögen dir es gerne gönnen;

Doch, daß Liebchen so dich liebe,

Werden wir nicht glauben können.«

Ungehindert, liebe Herren,

Sucht sie auf! Nur hört das eine:

Ihr erschrecket, wenn sie dasteht;

Ist sie fort, ihr kos’t dem Scheine.

Wißt ihr, wie Schehâb-eddin

Sich auf Arafat entmantelt,

Niemand haltet ihr für törig,

Der in seinem Sinne handelt.

Wenn vor deines Kaisers Throne

Oder vor der Vielgeliebten

Je dein Name wird gesprochen,

Sei es dir zu höchstem Lohne.

Darum war’s der höchste Jammer,

Als einst Medschnun sterbend wollte,

Daß vor Leila seinen Namen

Man forthin nicht nennen sollte.

 
 * 

Tefkir Nameh: Buch der Betrachtungen

Höre den Rat, den die Leier tönt!

Doch er nutzet nur, wenn du fähig bist.

Das glücklichste Wort, es wird verhöhnt,

Wenn der Hörer ein Schiefohr ist.

»Was tönt denn die Leier?« Sie tönet laut:

Die schönste, das ist nicht die beste Braut;

Doch wenn wir dich unter uns zählen sollen,

So mußt du das Schönste, das Beste wollen.

Fünf Dinge

Fünf Dinge bringen fünfe nicht hervor,

Du, dieser Lehre öffne du dein Ohr:

Der stolzen Brust wird Freundschaft nicht entsprossen;

Unhöflich sind der Niedrigkeit Genossen;

Ein Bösewicht gelangt zu keiner Größe;

Der Neidische erbarmt sich nicht der Blöße;

Der Lügner hofft vergeblich Treu und Glauben –

Das halte fest und niemand laß dir’s rauben!

Fünf andere

Was verkürzt mir die Zeit?

Tätigkeit!

Was macht sie unerträglich lang?

Müßiggang!

Was bringt in Schulden?

Harren und Dulden!

Was macht Gewinnen?

Nicht lange besinnen!

Was bringt zu Ehren?

Sich wehren!

Lieblich ist des Mädchens Blick

Lieblich ist des Mädchens Blick, der winket;

Trinkers Blick ist lieblich, eh er trinket,

Gruß des Herren, der befehlen konnte,

Sonnenschein im Herbst, der sich besonnte.

Lieblicher als alles dieses habe

Stets vor Augen, wie sich kleiner Gabe

Dürftge Hand so hübsch entgegendränget,

Zierlich dankbar, was du reichst, empfänget.

Welch ein Blick! ein Gruß! ein sprechend Streben!

Schau es recht und du wirst immer geben.

Und was im Pend-Nameh steht

Und was im Pend-Nameh steht,

Ist dir aus der Brust geschrieben:

Jeden, dem du selber gibst,

Wirst du wie dich selber lieben.

Reiche froh den Pfennig hin,

Häufe nicht ein Goldvermächtnis,

Eile freudig vorzuziehn

Gegenwart vor dem Gedächtnis.

Reitest du bei einem Schmied vorbei

Reitest du bei einem Schmied vorbei,

Weißt du nicht, wann er dein Pferd beschlägt;

Siehst du eine Hütte im Felde frei,

Weißt nicht, ob sie dir ein Liebchen hegt;

Einem Jüngling begegnest du, schön und kühn,

Er überwindet dich künftig oder du ihn.

Am sichersten kannst du vom Rebstock sagen,

Er werde für dich was Gutes tragen.

So bist du denn der Welt empfohlen,

Das übrige will ich nicht wiederholen.

Den Gruß des Unbekannten ehre ja!

Den Gruß des Unbekannten ehre ja!

Er sei dir wert als alten Freundes Gruß.

Nach wenig Worten sagt ihr Lebewohl!

Zum Osten du, er westwärts, Pfad an Pfad –

Kreuzt euer Weg nach vielen Jahren drauf

Sich unerwartet, ruft ihr freudig aus:

»Er ist es! ja, da war’s!« als hätte nicht

So manche Tagefahrt zu Land und See,

So manche Sonnenkehr sich drein gelegt.

Nun tauschet War um Ware, teilt Gewinn!

Ein alt Vertrauen wirke neuen Bund –

Der erste Gruß ist viele tausend wert,

Drum grüße freundlich jeden, der begrüßt!

Haben sie von deinen Fehlen

Haben sie von deinen Fehlen

Immer viel erzählt

Und für wahr sie zu erzählen,

Vielfach sich gequält.

Hätten sie von deinem Guten

Freundlich dir erzählt,

Mit verständig treuen Winken,

Wie man Beßres wählt:

O gewiß! das Allerbeste

Blieb mir nicht verhehlt,

Das fürwahr nur wenig Gäste

In der Klause zählt.

Nun als Schüler mich, zu kommen

Endlich auserwählt,

Lehret mich der Buße Frommen,

Wenn der Mensch gefehlt.

Märkte reizen dich zum Kauf

Märkte reizen dich zum Kauf;

Doch das Wissen blähet auf.

Wer im Stillen um sich schaut,

Lernet, wie die Lieb erbaut.

Bist du Tag und Nacht beflissen,

Viel zu hören, viel zu wissen,

Horch an einer andern Türe,

Wie zu wissen sich gebühre.

Soll das Rechte zu dir ein,

Fühl in Gott was Rechts zu sein:

Wer von reiner Lieb entbrannt,

Wird vom lieben Gott erkannt.

Wie ich so ehrlich war

Wie ich so ehrlich war,

Hab ich gefehlt,

Und habe Jahre lang

Mich durchgequält.

Ich galt und galt auch nicht.

Was sollt es heißen?

Nun wollt ich Schelm sein,

Tät mich befleißen;

Das wollt mir garnicht ein,

Mußt mich zerreißen.

Da dacht ich: Ehrlich sein

Ist doch das Beste;

War es nur kümmerlich,

So steht es feste.

Frage nicht, durch welche Pforte

Frage nicht, durch welche Pforte

Du in Gottes Stadt gekommen,

Sondern bleib am stillen Orte,

Wo du einmal Platz genommen.

Schaue dann umher nach Weisen

Und nach Mächtgen, die befehlen;

Jene werden unterweisen,

Diese Tat und Kräfte stählen.

Wenn du nützlich und gelassen

So dem Staate treu geblieben,

Wisse! niemand wird dich hassen,

Und dich werden viele lieben.

Und der Fürst erkennt die Treue,

Sie erhält die Tat lebendig;

Dann bewährt sich auch das Neue

Nächst dem Alten erst beständig.

Woher ich kam?

Woher ich kam? Es ist noch eine Frage;

Mein Weg hierher, der ist mir kaum bewußt,

Heut nun und hier am himmelfrohen Tage

Begegnen sich, wie Freunde, Schmerz und Lust.

O süßes Glück, wenn beide sich vereinen!

Einsam, wer möchte lachen, möchte weinen?

Es geht eins nach dem andern hin

Es geht eins nach dem andern hin,

Und auch wohl vor dem andern;

Drum laßt uns rasch und brav und kühn

Die Lebenswege wandern.

Es hält dich auf, mit Seitenblick

Der Blumen viel zu lesen;

Doch hält nichts grimmiger zurück,

Als wenn du falsch gewesen.

Behandelt die Frauen mit Nachsicht

Behandelt die Frauen mit Nachsicht!

Aus krummer Rippe ward sie erschaffen;

Gott konnte sie nicht ganz grade machen.

Willst du sie biegen, sie bricht;

Läßt du sie ruhig, sie wird noch krümmer:

Du guter Adam, was ist denn schlimmer? –

Behandelt die Frauen mit Nachsicht:

Es ist nicht gut, daß euch eine Rippe bricht.

Das Leben ist ein schlechter Spaß

Das Leben ist ein schlechter Spaß:

Dem fehlt’s an Dies, dem fehlt’s an Das,

Der will nicht wenig, der zu viel,

Und Kann und Glück kommt auch ins Spiel.

Und hat sich’s Unglück drein gelegt,

Jeder, wie er nicht wollte, trägt.

Bis endlich Erben mit Behagen

Herrn Kannicht-Willnicht weiter tragen.

Das Leben ist ein Gänsespiel

Das Leben ist ein Gänsespiel:

Je mehr man vorwärts gehet,

Je früher kommt man an das Ziel,

Wo niemand gerne stehet.

Man sagt, die Gänse wären dumm,

O, glaubt mir nicht den Leuten:

Denn eine sieht einmal sich ’rum,

Mich rückwärts zu bedeuten.

Ganz anders ist’s in dieser Welt,

Wo alles vorwärts drücket:

Wenn einer stolpert oder fällt,

Keine Seele rückwärts blicket.

Die Jahre nahmen dir

»Die Jahre nahmen dir, du sagst, so vieles:

Die eigentliche Lust des Sinnespieles;

Erinnerung des allerliebsten Tandes

Von gestern, weit- und breiten Landes

Durchschweifen frommt nicht mehr; selbst nicht von oben

Der Ehren anerkannte Zier, das Loben,

Erfreulich sonst. Aus eignem Tun Behagen

Quillt nicht mehr auf, dir fehlt ein dreistes Wagen!

Nun wüßt ich nicht, was dir Besondres bliebe!«

Mir bleibt genug! Es bleibt Idee und Liebe!

Vor den Wissenden sich stellen

Vor den Wissenden sich stellen,

Sicher ist’s in allen Fällen!

Wenn du lange dich gequälet,

Weiß er gleich, wo dir es fehlet.

Auch auf Beifall darfst du hoffen;

Denn er weiß, wo du’s getroffen.

Freigebiger wird betrogen

Freigebiger wird betrogen,

Geizhafter ausgesogen

Verständiger irrgeleitet,

Vernünftiger leer geweitet,

Der Harte wird umgangen,

Der Gimpel wird gefangen.

Beherrsche diese Lüge,

Betrogener, betrüge!

Wer befehlen kann, wird loben

Wer befehlen kann, wird loben,

Und er wird auch wieder schelten,

Und das muß dir, treuer Diener,

Eines wie das andre gelten.

Denn er lobt wohl das Geringe,

Schilt auch, wo er sollte loben:

Aber bleibst du guter Dinge,

Wird er dich zuletzt erproben.

Und so haltet’s auch, ihr Hohen,

Gegen Gott wie der Geringe:

Tut und leidet, wie sich’s findet,

Bleibt nur immer guter Dinge!

An Schah Sedschan und seinesgleichen

Durch allen Schall und Klang

Der Transoxanen

Erkühnt sich unser Sang

Auf deine Bahnen!

Uns ist für garnichts bang,

In dir lebendig,

Dein Leben daure lang,

Dein Reich beständig!

Höchste Gunst

Ungezähmt, so wie ich war,

Hab ich einen Herrn gefunden

Und, gezähmt nach manchem Jahr,

Eine Herrin auch gefunden.

Da sie Prüfung nicht gespart,

Haben sie mich treu gefunden

Und mit Sorgfalt mich bewahrt

Als den Schatz, den sie gefunden.

Niemand diente zweien Herrn,

Der dabei sein Glück gefunden:

Herr und Herrin sehn es gern,

Daß sie beide mich gefunden,

Und mir leuchtet Glück und Stern,

Da ich beide sie gefunden.

Ferdusi spricht

O Welt! wie schamlos und boshaft du bist!

Du nährst und erzieltest und tötest zugleich.

Nur wer von Allah begünstigt ist,

Der nährt sich, erzieht sich, lebendig und reich.

Was heißt denn Reichtum?

Was heißt denn Reichtum? – Eine wärmende Sonne,

Genießt sie der Bettler, wie wir sie genießen!

Es möge doch keinen der Reichen verdrießen

Des Bettlers im Eigensinn selige Wonne!

Dschelal-eddin Rumi spricht

Verweilst du in der Welt, sie flieht als Traum,

Du reisest, ein Geschick bestimmt den Raum;

Nicht Hitze, Kälte nicht vermagst du festzuhalten,

Und was dir blüht, sogleich wird es veralten.

Suleika spricht

Der Spiegel sagt mir: ich bin schön

Ihr sagt: zu altern, sei auch mein Geschick.

Vor Gott muß alles ewig stehn;

In mir liebt ihn für diesen Augenblick!

 
 * 

Rendsch Nameh: Buch des Unmuts

Wo hast du das genommen?

»Wo hast du das genommen?

Wie konnt es zu dir kommen?

Wie aus dem Lebensplunder

Erwarbst du diesen Zunder,

Der Funken letzte Gluten

Von frischem zu ermuten?«

Euch mög’ es nicht bedünkeln,

Es sei gemeines Fünkeln:

Auf ungemeßner Ferne,

Im Ozean der Sterne,

Mich hatt ich nicht verloren;

Ich war wie neu geboren.

Von weißer Schafe Wogen

Die Hügel überzogen,

Umsorgt von ernsten Hirten,

Die gern und schmal bewirten,

So ruhig-liebe Leute,

Daß jeder mich erfreute.

In schauerlichen Nächten,

Bedrohet von Gefechten,

Das Stöhnen der Kamele

Durchdrang das Ohr, die Seele,

Und derer, die sie führen,

Einbildung und Stolzieren.

Und immer ging es weiter

Und immer ward es breiter,

Und unser ganzes Ziehen,

Es schien ein ewig Fliehen.

Blau, hinter Wüst und Heere,

Der Streif erlogner Meere.

Keinen Reimer wird man finden

Keinen Reimer wird man finden,

Der sich nicht den besten hielte,

Keinen Fiedler, der nicht lieber

Eigne Melodien spielte.

Und ich konnte sie nicht tadeln;

Wenn wir andern Ehre geben,

Müssen wir uns selbst entadeln.

Lebt man denn, wenn andre leben?

Und so fand ich’s denn auch juste

In gewissen Antichambern,

Wo man nicht zu sondern wußte

Mäusedreck von Koriandern.

Das Gewesne wollte hassen

Solche rüstge neue Besen,

Diese dann, nicht gelten lassen,

Was sonst Besen war gewesen.

Und wo sich die Völker trennen,

Gegenseitig im Verachten,

Keins von beiden wird bekennen,

Daß sie nach demselben trachten.

Und das grobe Selbstempfinden

Haben Leute hart gescholten,

Die am wenigsten verwinden,

Wenn die andern was gegolten.

Befindet sich einer heiter und gut

Befindet sich einer heiter und gut,

Gleich will ihn der Nachbar peingen;

Solang der Tüchtige lebt und tut,

Möchten sie ihn gerne steingen.

Ist er hinterher aber tot,

Gleich sammeln sie große Spenden,

Zu Ehren seiner Lebensnot

Ein Denkmal zu vollenden.

Doch ihren Vorteil sollte dann

Die Menge wohl ermessen:

Gescheiter wär’s, den guten Mann

Auf immerdar vergessen.

Übermacht, ihr könnt es spüren

Übermacht, ihr könnt es spüren,

Ist nicht aus der Welt zu bannen;

Mir gefällt zu konvergieren

Mit Gescheiten, mit Tyrannen.

Da die dummen Eingeengten

Immerfort am stärksten pochten,

Und die Halben, die Beschränkten

Gar zu gern uns unterjochten,

Hab ich mich für frei erkläret

Von den Narren, von den Weisen;

Diese bleiben ungestöret,

Jene möchten sich zerreißen;

Denken, in Gewalt und Liebe

Müßten wir zuletzt uns gatten,

Machen mir die Sonne trübe

Und erhitzen mir den Schatten.

Hafis auch und Ulrich Hutten

Mußten ganz bestimmt sich rüsten

Gegen braun und blaue Kutten:

Meine gehn wie andre Christen.

»Aber nenn uns doch die Feinde!«

Niemand soll sie unterscheiden;

Denn ich hab in der Gemeinde

Schon genug daran zu leiden.

Wenn du auf dem Guten ruhst

Wenn du auf dem Guten ruhst,

Nimmer werd ich’s tadeln;

Wenn du gar das Gute tust,

Sieh, das soll dich adeln!

Hast du aber deinen Zaun

Um dein Gut gezogen,

Leb ich frei und lebe traun

Keineswegs betrogen.

Denn die Menschen, sie sind gut,

Würden besser bleiben,

Sollte nicht, wie’s einer tut,

Auch der andre treiben.

Auf dem Weg, da ist’s ein Wort,

Niemand wird’s verdammen:

»Wollen wir an einen Ort,

Nun wir gehn zusammen!«

Vieles wird sich da und hie

Uns entgegenstellen:

In der Liebe mag man nie

Helfer und Gesellen;

Geld und Ehre hätte man

Gern allein zur Spende;

Und der Wein, der treue Mann,

Der entzweit am Ende.

Hat doch über solches Zeug

Hafis auch gesprochen,

Über manchen dummen Streich

Sich den Kopf zerbrochen;

Und ich seh nicht, was es frommt,

Aus der Welt zu laufen,

Magst du, wenn das Schlimmste kommt,

Auch einmal dich raufen!

Als wenn das auf Namen ruhte

Als wenn das auf Namen ruhte,

Was sich schweigend nur entfaltet!

Lieb ich doch das schöne Gute,

Wie es sich aus Gott gestaltet!

Jemand lieb ich, das ist nötig.

Niemand haß ich; soll ich hassen,

Auch dazu bin ich erbötig,

Hasse gleich in ganzen Massen.

Willst sie aber näher kennen?

Sieh aufs Rechte, sieh aufs Schlechte:

Was sie ganz fürtrefflich nennen,

Ist wahrscheinlich nicht das Rechte.

Denn das Rechte zu ergreifen,

Muß man aus dem Grunde leben,

Und salbadrisch auszuschweifen,

Dünket mich ein seicht Bestreben.

Wohl, Herr Knitterer, er kann sich

Mit Zersplitterer vereinen,

Und Verwitterer alsdann sich

Allenfalls der Beste scheinen!

Daß nur immer in Erneuung

Jeder täglich Neues höre,

Und zugleich auch die Zerstreuung

Jeden in sich selbst zerstöre!

Dies der Landsmann wünscht und liebet

Mag er Deutsch, mag Teutsch sich schreiben,

Liedchen aber heimlich piepet:

Also war es und wird bleiben.

Medschnun

Medschnun heißt – ich will nicht sagen,

Daß es grad ein Toller heiße,

Doch ihr müßt mich nicht verklagen,

Daß ich mich als Medschnun preise.

Wenn die Brust, die redlich volle,

Sich entladet, euch zu retten,

Ruft ihr nicht: »Das ist der Tolle!

Holet Stricke, schaffet Ketten!«

Und wenn ihr zuletzt in Fesseln

Seht die Klügeren verschmachten,

Sengt es euch wie Feuernesseln,

Das vergebens zu betrachten.

Hab ich euch denn je geraten,

Wie ihr Kriege führen solltet?

Schalt ich euch, nach euren Taten,

Wenn ihr Friede schließen wolltet?

Und so hab ich auch den Fischer

Ruhig sehen Netze werfen,

Brauchte dem gewandten Tischer

Winkelmaß nicht einzuschärfen.

Aber ihr wollt besser wissen,

Was ich weiß, der ich bedachte,

Was Natur, für mich beflissen,

Schon zu meinem Eigen machte.

Fühlt ihr euch dergleichen Stärke?

Nun, so fördert eure Sachen!

Seht ihr aber meine Werke,

Lernet erst: so wollt er’s machen!

Wanderers Gemütsruhe

Übers Niederträchtige

Niemand sich beklage!

Denn es ist das Mächtige,

Was man dir auch sage.

In dem Schlechten waltet es

Sich zu Hochgewinne,

Und mit Rechtem schaltet es

Ganz nach seinem Sinne.

Wandrer! – Gegen solche Not

Wolltest du dich sträuben?

Wirbelwind und trocknen Kot,

Laß sie drehn und stäuben!

Wer wird von der Welt verlangen

Wer wird von der Welt verlangen,

Was sie selbst vermißt und träumet,

Rückwärts oder seitwärts blickend,

Stets den Tag des Tags versäumt?

Ihr Bemühn, ihr guter Wille

Hinkt nur nach dem raschen Leben,

Und was du vor Jahren brauchtest,

Möchte sie dir heute geben.

Sich selbst zu loben, ist ein Fehler

Sich selbst zu loben, ist ein Fehler,

Doch jeder tut’s, der etwas Gutes tut;

Und ist er dann in Worten kein Verhehler,

Das Gute bleibt doch immer gut.

Laßt doch, ihr Narren, doch die Freude

Dem Weisen, der sich weise hält,

Daß er, ein Narr wie ihr, vergeude

Den abgeschmackten Dank der Welt.

Glaubst du denn: von Mund zu Ohr

Glaubst du denn: von Mund zu Ohr

Sei ein redlicher Gewinnst?

Überliefrung, o du Tor,

Ist auch wohl ein Hirngespinst.

Nun geht erst das Urteil an:

Dich vermag aus Glaubensketten

Der Verstand allein zu retten,

Dem du schon Verzicht getan.

Und wer franzet oder britet

Und wer franzet oder britet,

Italienert oder teutschet,

Einer will nur wie der andre,

Was die Eigenliebe heischet.

Denn es ist kein Anerkennen,

Weder vieler, noch des einen,

Wenn es nicht am Tage fördert,

Wo man selbst was möchte scheinen.

Morgen habe denn das Rechte

Seine Freunde wohlgesinnet,

Wenn nur heute noch das Schlechte

Vollen Platz und Gunst gewinnet.

Wer nicht von dreitausend Jahren

Sich weiß Rechenschaft zu geben,

Bleib im Dunkeln unerfahren,

Mag von Tag zu Tage leben.

Sonst, wenn man den heiligen Koran zitierte

Sonst, wenn man den heiligen Koran zitierte,

Nannte man die Sure, den Vers dazu,

Und jeder Moslim, wie sich’s gebührte,

Fühlte sein Gewissen in Respekt und Ruh.

Die neuen Derwische wissen’s nicht besser,

Sie schwatzen das Alte, das Neue dazu;

Die Verwirrung wird täglich größer,

O heiliger Koran! O ewige Ruh’!

Der Prophet spricht

Ärgerts jemand, daß es Gott gefallen,

Mahomet zu gönnen Schutz und Glück,

An den stärksten Balken seiner Hallen,

Da befestig’ er den derben Strick,

Knüpfe sich daran! Das hält und trägt.

Er wird fühlen, daß sein Zorn sich legt.

Timur spricht

Was? Ihr mißbilliget den kräftgen Sturm

Des Übermuts, verlogne Pfaffen?

Hätt Allah mich bestimmt zum Wurm,

So hätt’ er mich als Wurm geschaffen.

 
 * 

Hikmet Nameh: Buch der Sprüche

Talismane werd ich in dem Buch zerstreuen;

Das bewirkt ein Gleichgewicht.

Wer mit gläubger Nadel sticht,

Überall soll gutes Wort ihn freuen,.

Vom heutgen Tag, von heutger Nacht

Verlange nichts,

Als was die gestrigen gebracht.

Wer geboren in bös’sten Tagen,

Dem werden selbst die bösen behagen.

Wie etwas sei leicht,

Weiß, der es erfunden und der es erreicht.

Das Meer flutet immer,

Das Land behält es nimmer.

Was wird mir jede Stunde so bang? –

Das Leben ist kurz, der Tag ist lang.

Und immer sehnt sich fort das Herz,

Ich weiß nicht recht, ob himmelwärts;

Fort aber will es hin und hin,

Und möchte vor sich selber fliehn.

Und fliegt es an der Liebsten Brust,

Da ruht’s im Himmel unbewußt.

Des Lebens Strudel reißt es fort,

Und immer hängt’s an einem Ort,

Was es gewollt, was es verlor,

Es bleibt zuletzt sein eigner Tor.

Prüft das Geschick dich, weiß es wohl warum:

Es wünschte dich enthaltsam! Folge stumm!

Noch ist es Tag; da rühre sich der Mann!

Die Nacht tritt ein, wo niemand wirken kann.

Was machst du an der Welt? Sie ist schon gemacht.

Der Herr der Schöpfung hat alles bedacht,

Dein Los ist gefallen, verfolge die Weise,

Der Weg ist begonnen, vollende die Reise.

Denn Sorgen und Kummer verändern es nicht,

Sie schleudern dich ewig aus gleichem Gewicht.

Wenn der Schwergedrückte klagt,

Hilfe, Hoffnung sei versagt,

Bleibet heilsam fort und fort

Immer noch ein freundlich Wort.

»Wie ungeschickt habt ihr euch benommen,

Da euch das Glück ins Haus gekommen!«

Das Mädchen hat’s nicht übel genommen

Und ist noch ein paarmal wieder gekommen.

Mein Erbteil wie herrlich, weit und breit!

Die Zeit ist mein Besitz, mein Acker ist die Zeit.

Gutes tu rein aus des Guten Liebe!

Das überliefre deinem Blut.

Und wenn’s den Kindern nicht verbliebe,

Den Enkeln kommt es doch zu gut.

Enweri sagt’s, ein Herrlichster der Männer,

Des tiefsten Herzens, höchsten Hauptes Kenner:

»Dir frommt an jedem Ort, zu jeder Zeit

Geradheit, Urteil und Verträglichkeit.«

Was klagst du über Feinde?

Sollten solche je werden Freunde,

Denen das Wesen, wie du bist,

Im stillen ein ewiger Vorwurf ist?

Dümmer ist nichts zu ertragen,

Als wenn Dumme sagen den Weisen,

Daß sie sich in großen Tagen

Sollten bescheidentlich erweisen.

Wenn Gott so schlechter Nachbar wäre,

Als ich bin und als du bist,

Wir hätten beide wenig Ehre;

Der läßt einen jeden, wie er ist.

Gestehts! die Dichter des Orients

Sind größer als wir des Occidents.

Worin wir sie aber völlig erreichen,

Das ist im Haß auf unsresgleichen.

Überall will jeder obenauf sein,

Wie’s eben in der Welt so geht,

Jeder sollte freilich grob sein,

Aber nur in dem, was er versteht.

Verschon uns, Gott, mit deinem Grimme!

Zaunkönige gewinnen Stimme.

Will der Neid sich doch zerreißen,

Laß ihn seinen Hunger speisen.

Sich im Respekt zu erhalten,

Muß man recht borstig sein.

Alles jagt man mit Falken,

Nur nicht das wilde Schwein.

Was hilft’s dem Pfaffenorden,

Der mir den Weg verrannt?

Was nicht gerade erfaßt worden,

Wird auch schief nicht erkannt.

Einen Helden mit Lust preisen und nennen

Wird jeder, der selbst als Kühner stritt.

Des Menschen Wert kann niemand erkennen,

Der nicht selbst Hitze und Kälte litt.

Gutes tu’ rein aus des Guten Liebe!

Was du tust, verbleibt dir nicht;

Und wenn es auch dir verblieben

Bleibt es deinen Kindern nicht.

Soll man dich nicht auf’s schmählichste berauben,

Verbirg dein Gold, dein Weggehn, deinen Glauben!

Wie kommt’s, daß man an jedem Orte

So viel Gutes, so viel Dummes hört?

Die Jüngsten wiederholen der Ältesten Worte

Und glauben, daß es ihnen angehört.

Laß dich nur in keiner Zeit

Zum Widerspruch verleiten!

Weise fallen in Unwissenheit,

Wenn sie mit Unwissenden streiten.

»Warum ist Wahrheit fern und weit?

Birgt sich hinab in tiefste Gründe?«

Niemand versteht zur rechten Zeit! –

Wenn man zur rechten Zeit verstünde,

So wäre Wahrheit nah und breit

Und wäre lieblich und gelinde.

Was willst du untersuchen,

Wohin die Milde fließt!

Ins Wasser wirf deine Kuchen;

Wer weiß, wer sie genießt!

Als ich einmal eine Spinne erschlagen,

Dacht ich, ob ich das wohl gesollt?

Hat Gott ihr doch wie mir gewollt

Einen Anteil an diesen Tagen!

»Dunkel ist die Nacht, bei Gott ist Licht.«

Warum hat er uns nicht auch so zugericht?

Welch eine bunte Gemeinde!

An Gottes Tisch sitzen Freund und Feinde.

Ihr nennt mich einen kargen Mann;

Gebt mir, was ich verprassen kann!

Soll ich dir die Gegend zeigen,

Mußt du erst das Dach besteigen.

Wer schweigt, hat wenig zu sorgen;

Der Mensch bleibt unter der Zunge verborgen.

Ein Herre mit zwei Gesind,

Er wird nicht wohl gepflegt.

Ein Haus, worin zwei Weiber sind,

Es wird nicht rein gefegt.

Ihr lieben Leute, bleibt dabei

Und sagt nur: »Autos epha!«

Was sagt ihr lange Mann und Weib?

Adam, so heißt’s, und Eva!

Wofür ich Allah höchlich danke?

Daß er Leiden und Wissen getrennt.

Verzweifeln müßte jeder Kranke,

Das Übel kennend, wie der Arzt es kennt.

Närrisch, daß jeder in seinem Falle

Seine besondere Meinung preist!

Wenn Islam »Gott ergeben« heißt,

In Islam leben und sterben wir alle.

Wer auf die Welt kommt, baut ein neues Haus,

Er geht und läßt es einem zweiten;

Der wird sich’s anders zubereiten.

Und niemand baut es aus.

Wer in mein Haus tritt, der kann schelten,

Was ich ließ viele Jahre gelten;

Vor der Tür aber müßt er passen,

Wenn ich ihn nicht wollte gelten lassen.

Herr, laß dir gefallen

Dieses kleine Haus!

Größre kann man bauen,

Mehr kommt nicht heraus.

Du bist auf immer geborgen,

Das nimmt dir niemand wieder:

Zwei Freunde ohne Sorgen,

Weinbecher, Büchlein Lieder.

»Was brachte Lokman nicht hervor,

Den man den Garst’gen hieß!«

Die Süßigkeit liegt nicht im Rohr,

Der Zucker, der ist süß.

Herrlich ist der Orient

Übers Mittelmeer gedrungen;

Nur wer Hafis liebt und kennt,

Weiß, was Calderon gesungen.

»Was schmückst du die eine Hand denn nun

Weit mehr als ihr gebührte?«

Was sollte denn die Linke tun,

Wenn sie die Rechte nicht zierte?

Wenn man auch nach Mekka triebe

Christus’ Esel, würd’ er nicht

Dadurch besser abgericht,

Sondern stets ein Esel bliebe.

Getretner Quark

Wird breit, nicht stark.

Schlägst du ihn aber mit Gewalt

In feste Form, er nimmt Gestalt.

Dergleichen Steine wirst du kennen.

Europäer Pisé sie nennen.

Betrübt euch nicht, ihr guten Seelen!

Denn wer nicht fehlt, weiß wohl, wenn andre fehlen;

Allein wer fehlt, der ist erst recht daran,

Er weiß nun deutlich, wie sie wohl getan.

»Du hast gar vielen nicht gedankt,

Die dir so manches Gute gegeben!«

Darüber bin ich nicht erkrankt,

Ihre Gaben mir im Herzen leben.

Guten Ruf mußt du dir machen,

Unterscheiden wohl die Sachen;

Wer was weiter will, verdirbt.

Die Flut der Leidenschaft, sie stürmt vergebens

Ans unbezwungne feste Land:

Sie wirft poetische Perlen an den Strand,

Und das ist schon Gewinn des Lebens.

Vertrauter

Du hast so manche Bitte gewährt,

Und wenn sie dir auch schädlich war;

Der gute Mann da hat wenig begehrt,

Dabei hat es doch keine Gefahr.

Wesir

Der gute Mann hat wenig begehrt,

Und hätt ich’s ihm sogleich gewährt,

Er auf der Stelle verloren war.

Schlimm ist es, wie doch wohl geschieht,

Wenn Wahrheit sich nach dem Irrtum zieht.

Das ist auch manchmal ihr Behagen:

Wer wird so schöne Frau befragen?

Herr Irrtum, wollt er an Wahrheit sich schließen,

Das sollte Frau Wahrheit bald verdrießen.

Wisse, daß mir sehr mißfällt,

Wenn so viele singen und reden!

Wer treibt die Dichtkunst aus der Welt?

– Die Poeten!

 
 * 

Timur Nameh: Buch des Timur

Der Winter und Timur

So umgab sie nun der Winter

Mit gewaltgem Grimme. Streuend

Seinen Eishauch zwischen alle,

Hetzt’ er die verschiednen Winde

Widerwärtig auf sie ein.

Über sie gab er Gewaltkraft

Seinen frostgespitzten Stürmen,

Stieg in Timurs Rat hernieder,

Schrie ihn drohend an und sprach so:

»Leise, langsam, Unglücksel’ger!

Wandle, du Tyrann des Unrechts!

Sollen länger noch die Herzen

Sengen, brennen deinen Flammen?

Bist du der verdammten Geister

Einer: wohl! ich bin der andre.

Du bist Greis; ich auch! Erstarren

Machen wir so Land als Menschen.

Mars, du bist’s! Ich bin Saturnus;

Übeltätige Gestirne,

Im Verein die schrecklichsten.

Tötest du die Seele, kältest

Du den Luftkreis: meine Lüfte

Sind noch kälter, als du sein kannst.

Quälen deine wilden Heere

Gläubige mit tausend Martern:

Wohl! in meinen Tagen soll sich,

Geb es Gott! was Schlimmres finden,

Und, bei Gott! dir schenk ich nichts.

Hör es Gott, was ich dir biete!

Ja, bei Gott! von Todeskälte

Nicht, o Greis, verteidigen soll dich

Breite Kohlenglut vom Herde,

Keine Flamme des Dezembers!«

An Suleika

Dir mit Wohlgeruch zu kosen,

Deine Freuden zu erhöhn,

Knospend müssen tausend Rosen

Erst in Gluten untergehn.

Um ein Fläschchen zu besitzen,

Das den Ruch auf ewig hält,

Schlank wie deine Fingerspitzen,

Da bedarf es einer Welt.

Einer Welt von Lebenstrieben,

Die in ihrer Fülle Drang

Ahneten schon Bulbuls lieben,

Seelerregenden Gesang.

Sollte jene Qual uns quälen,

Da sie unsre Lust vermehrt?

Hat nicht Myriaden Seelen

Timurs Herrschaft aufgezehrt?

 
 * 

Suleika Nameh: Buch Suleika

Ich gedachte in der Nacht,

Daß ich den Mond sähe im Schlaf,

Als ich aber erwachte,

Ging unvermutet die Sonne auf.

Einladung

Mußt nicht vor dem Tage fliehn;

Denn der Tag, den du ereilest,

Ist nicht besser als der heutge:

Aber wenn du froh verweilest,

Wo ich mir die Welt beseitge,

Um die Welt an mich zu ziehen,

Bist du gleich mit mir geborgen:

Heut ist heute, morgen morgen.

Und, was folgt und was vergangen,

Reißt nicht hin und bleibt nicht hangen,

Bleibe du, mein Allerliebstes,

Denn du bringst es und du gibst es.

*

Daß Suleika von Jussuf entzückt war,

Ist keine Kunst.

Er war jung, Jugend hat Gunst.

Er war schön; sie sagen: zum Entzücken,

Schön war sie, konnten einander beglücken.

Aber daß du, die so lange mir erharrt war,

Feurige Jugendblicke mir schickst,

Jetzt mich liebst, mich später beglückst,

Das sollen meine Lieder preisen,

Sollst mir ewig Suleika heißen.

*

Da du nun Suleika heißest,

Sollt ich auch benamset sein.

Wenn du deinen Geliebten preisest,

Hatem! das soll der Name sein.

Nur daß man mich daran erkennet,

Keine Anmaßung soll es sein:

Wer sich Sankt Georgenritter nennet,

Denkt nicht gleich Sankt Georg zu sein.

Nicht Hatem Thai, nicht der alles Gebende,

Kann ich in meiner Armut sein;

Hatem Zograi nicht, der reichlichst Lebende

Von allen Dichtern möcht ich sein:

Aber beide doch im Auge zu haben,

Es wird nicht ganz verwerflich sein:

Zu nehmen, zu geben des Glückes Gaben,

Wird immer ein groß Vergnügen sein.

Sich liebend aneinander zu laben,

Wird Paradieses Wonne sein.

Hatem

Nicht Gelegenheit macht Diebe

Sie ist selbst der größte Dieb;

Denn sie stahl den Rest der Liebe,

Die mir noch im Herzen blieb.

Dir hat sie ihn übergeben,

Meines Lebens Vollgewinn,

Daß ich nun verarmt, mein Leben

Nur von dir gewärtig bin.

Doch ich fühle schon Erbarmen

Im Karfunkel deines Blicks

Und erfreu in deinen Armen

Mich erneuerten Geschicks.

Suleika

Hochbeglückt in deiner Liebe

Schelt ich nicht Gelegenheit,

Ward sie auch an dir zum Diebe.

Wie mich solch ein Raub erfreut!

Und wozu denn auch berauben?

Gib dich mir aus freier Wahl,

Gar zu gerne möcht ich glauben:

Ja, ich bin’s, die dich bestahl.

Was so willig du gegeben,

Bringt dir herrlichen Gewinn;

Meine Ruh, mein reiches Leben

Geb ich freudig: nimm es hin!

Scherze nicht! Nichts von Verarmen!

Macht uns nicht die Liebe reich?

Halt ich dich in meinen Armen,

Jedem Glück ist meines gleich.

Der Liebende wird nicht irre gehn

Der Liebende wird nicht irre gehn,

Wär’s um ihn her auch noch so trübe.

Sollten Leila und Medschnun auferstehn,

Von mir erführen sie den Weg der Liebe.

Ists möglich

Ists möglich, daß ich, Liebchen, dich kose,

Vernehme der göttlichen Stimme Schall!

Unmöglich scheint immer die Rose,

Unbegreiflich die Nachtigall.

Suleika

Als ich auf dem Euphrat schiffte,

Streifte sich der goldne Ring

Fingerab in Wasserklüfte,

Den ich jüngst von dir empfing.

Also träumt ich; Morgenröte

Blitzt ins Auge durch den Baum.

Sag, Poete, sag, Prophete,

Was bedeutet dieser Traum?

Hatem

Dies zu deuten, bin erbötig!

Hab ich dir nicht oft erzählt,

Wie der Doge von Venedig

Mit dem Meere sich vermählt?

So von deinen Fingergliedern

Fiel der Ring dem Euphrat zu.

Ach, zu tausend Himmelsliedern

Süßer Traum, begeisterst du!

Mich, der von den Indostanen

Streifte bis Damaskus hin,

Um mit neuen Karawanen

Bis ans Rote Meer zu ziehn,

Mich vermählst du deinem Flusse,

Der Terrasse, diesem Hain,

Hier soll bis zum letzten Kusse

Dir mein Geist gewidmet sein.

Suleika

Kenne wohl der Männer Blicke,

Einer sagt: »Ich liebe, leide!

Ich begehre, ja verzweifle!«

Und was sonst ist, kennt ein Mädchen.

Alles das kann mir nicht helfen,

Alles das kann mich nicht rühren;

Aber, Hatem, deine Blicke

Geben erst dem Tage Glanz.

Denn sie sagen: »Die gefällt mir,

Wie mir sonst nichts mag gefallen,

Seh ich Rosen, seh ich Lilien,

Aller Gärten Zier und Ehre,

So Zypressen, Myrten, Veilchen,

Aufgeregt zum Schmuck der Erde,

Und geschmückt ist sie ein Wunder,

Mit Erstaunen uns umfangend,

Uns erquickend, heilend, segnend,

Daß wir uns gesunder fühlen,

Wieder gern erkranken möchten.«

Da erblicktest du Suleika

Und gesundetest erkrankend

Und erkranketest gesundend,

Lächeltest und sahst herüber,

Wie du nie der Welt gelächelt.

Und Suleika fühlt des Blickes

Ewge Rede: »Die gefällt mir,

Wie mir sonst nichts mag gefallen.«

Gingo biloba

Dieses Baums Blatt, der von Osten

Meinem Garten anvertraut,

Gibt geheimen Sinn zu kosten,

Wie’s den Wissenden erbaut.

Ist es ein lebendig Wesen,

Das sich in sich selbst getrennt?

Sind es zwei, die sich erlesen,

Daß man sie als eines kennt?

Solche Fragen zu erwidern,

Fand ich wohl den rechten Sinn:

Fühlst du nicht an meinen Liedern,

Daß ich eins und doppelt bin?

Suleika

Sag, du hast wohl viel gedichtet,

Hin und her dein Lied gerichtet,

Schöne Schrift von deiner Hand,

Prachtgebunden, goldgerändet,

Bis auf Punkt und Strich vollendet,

Zierlich lockend, manchen Band?

Stets, wo du sie hingewendet,

War’s gewiß ein Liebespfand?

Hatem

Ja, von mächtig holden Blicken

Wie von lächelndem Entzücken

Und von Zähnen blendend klar,

Wimpernpfeilen, Lockenschlangen,

Hals und Busen reizumhangen,

Tausendfältige Gefahr!

Denke nun, wie von so langem

Prophezeit Suleika war.

Suleika

Die Sonne kommt! Ein Prachterscheinen!

Der Sichelmond umklammert sie.

Wer konnte solch ein Paar vereinen?

Dies Rätsel, wie erklärt sich’s wie?

Hatem

Der Sultan konnt es, er vermählte

Das allerhöchste Weltenpaar,

Um zu bezeichnen Auserwählte,

Die Tapfersten der treuen Schar.

Auch sei’s ein Bild von unsrer Wonne!

Schon seh ich wieder mich und dich,

Du nennst mich, Liebchen, deine Sonne;

Komm, süßer Mond, umklammre mich!

Komm, Liebchen, komm

Komm, Liebchen, komm! umwinde mir die Mütze!

Aus deiner Hand nur ist der Tulbend schön

Hat Abbas doch auf Irans höchstem Sitze

Sein Haupt nicht zierlicher umwinden sehn!

Ein Tulbend war das Band, das Alexandern

In Schleifen schön vom Haupte fiel

Und allen Folgeherrschern, jenen Andern,

Als Königszierde wohlgefiel.

Ein Tulbend ist’s, der unsern Kaiser schmücket,

Sie nennen’s Krone. Name geht wohl hin!

Juwel und Perle! sei das Aug entzücket!

Der schönste Schmuck ist stets der Musselin.

Und diesen hier, ganz rein und silberstreifig,

Umwinde, Liebchen, um die Stirn umher!

Was ist denn Hoheit? Mir ist sie geläufig!

Du schaust mich an, ich bin so groß als er.

Nur wenig ists, was ich verlange

Nur wenig ists, was ich verlange,

Weil eben alles mir gefällt,

Und dieses Wenige, wie lange,

Gibt mir gefällig schon die Welt!

Oft sitz ich heiter in der Schenke

Und heiter im beschränkten Haus;

Allein sobald ich dein gedenke,

Dehnt sich mein Geist erobernd aus.

Dir sollten Timurs Reiche dienen,

Gehorchen sein gebietend Heer,

Badakschan zollte dir Rubinen,

Türkise das Hyrkan’sche Meer.

Getrocknet honigsüße Früchte

Von Bokhara, dem Sonnenland,

Und tausend liebliche Gedichte

Auf Seidenblatt von Samarkand.

Da solltest du mit Freude lesen,

Was ich von Ormus dir verschrieb

Und wie das ganze Handelswesen

Sich nur bewegte dir zulieb;

Wie in dem Lande der Brahmanen

Viel tausend Finger sich bemüht,

Daß alle Pracht der Indostanen

Für dich auf Woll und Seide blüht;

Ja, zur Verherrlichung der Lieben,

Gießbäche, Soumelpours durchwühlt,

Aus Erde, Grus, Gerill, Geschieben

Dir Diamanten ausgespült;

Wie Taucherschar verwegner Männer

Der Perle Schatz dem Golf entriß,

Darauf ein Divan scharfer Kenner

Sie dir zu reihen sich befliß.

Wenn nun Bassora noch das Letzte,

Gewürz und Weihrauch, beigetan,

Bringt alles, was die Welt ergetzte,

Die Karawane dir heran.

Doch alle diese Kaisergüter

Verwirrten doch zuletzt den Blick;

Und wahrhaft liebende Gemüter

Eins nur im andern fühlt sein Glück.

Hätt ich irgend wohl Bedenken

Hätt ich irgend wohl Bedenken,

Balch, Bochara, Samarkand,

Süßes Liebchen, dir zu schenken,

Dieser Städte Rausch und Tand?

Aber frag einmal den Kaiser,

Ob er dir die Städte gibt?

Er ist herrlicher und weiser;

Doch er weiß nicht, wie man liebt.

Herrscher, zu dergleichen Gaben

Nimmermehr bestimmst du dich!

Solch ein Mädchen muß man haben

Und ein Bettler sein wie ich.

Die schön geschriebenen

Die schön geschriebenen,

Herrlich umgüldeten

Belächelst du,

Die anmaßlichen Blätter,

Verziehst mein Prahlen

Von deiner Lieb und meinem

Durch dich glücklichen Gelingen,

Verziehst anmutigem Selbstlob.

Selbstlob! Nur dem Neide stinkt’s,

Wohlgeruch Freunden

Und eignem Schmack!

Freude des Daseins ist groß,

Größer die Freud am Dasein.

Wenn du, Suleika,

Mich überschwenglich beglückst,

Deine Leidenschaft mir zuwirfst,

Als wär’s ein Ball,

Daß ich ihn fange,

Dir zurückwerfe

Mein gewidmetes Ich:

Das ist ein Augenblick!

Und dann reißt mich von dir

Bald der Franke, bald der Armenier.

Aber Tage währt’s,

Jahre dauert’s, daß ich neu erschaffe

Tausendfältig deiner Verschwendungen Fülle,

Auftrösle die bunte Schnur meines Glücks,

Geklöppelt tausendfadig

Von dir, o Suleika!

Hier nun dagegen

Dichtrische Perlen,

Die mir deiner Leidenschaft

Gewaltige Brandung

Warf an des Lebens

Verödeten Strand aus,

Mit spitzen Fingern

Zierlich gelesen,

Durchreiht mit juwelenem Goldschmuck.

Nimm sie an deinen Hals,

An deinem Busen,

Die Regentropfen Allahs,

Gereift in bescheidener Muschel!

Lieb um Liebe, Stund um Stunde

Lieb um Liebe, Stund um Stunde,

Wort um Wort und Blick um Blick,

Kuß um Kuß vom treusten Munde,

Hauch um Hauch und Glück um Glück.

So am Abend, so am Morgen.

Doch du fühlst an meinen Liedern

Immer noch geheime Sorgen:

Jussufs Reize möcht ich borgen,

Deine Schönheit zu erwidern.

Suleika

Volk und Knecht und Überwinder,

Sie gestehn zu jeder Zeit:

Höchstes Glück der Erdenkinder

Sei nur die Persönlichkeit.

Jedes Leben sei zu führen,

Wenn man sich nicht selbst vermißt;

Alles könne man verlieren,

Wenn man bliebe, was man ist.

Hatem

Kann wohl sein, so wird gemeinet,

Doch ich bin auf andrer Spur:

Alles Erdenglück vereinet

Find ich in Suleika nur.

Wie sie sich an mich verschwendet,

Bin ich mir ein wertes Ich;

Hätte sie sich weggewendet,

Augenblicks verlör ich mich.

Nun mit Hatem wär’s zu Ende,

Doch schon hab ich umgelost:

Ich verkörpre mich behende

In den Holden, den sie kost.

Wollte, wo nicht gar ein Rabbi,

Das will mir so recht nicht ein,

Doch Ferdusi, Montanabbi,

Allenfalls der Kaiser sein.

Hatem

Wie des Goldschmieds Bazarlädchen

Vielgefärbt geschliffne Lichter,

So umgeben hübsche Mädchen

Den beinah ergrauten Dichter.

Mädchen

Singst du schon Suleika wieder!

Diese können wir nicht leiden,;

Nicht um dich – um deine Lieder

Wollen, müssen wir sie neiden.

Denn wenn sie auch garstig wäre,

Macht’st du sie zum schönen Wesen,

Und so haben wir von Dschemil

Und Boteinah viel gelesen.

Aber eben, weil wir hübsch sind,

Möchten wir auch gern gemalt sein,

Und, wenn du es billig machest,

Sollst du auch recht hübsch bezahlt sein.

Hatem

Bräunchen, komm! es wird schon gehen

Zöpfe, Kämme, groß und kleine,

Zieren Köpfchens nette Reine,

Wie die Kuppel ziert Moscheen.

Du, Blondinchen, bist so zierlich,

Aller Weis und Weg so nette;

Man gedenkt nicht ungebührlich

Alsogleich der Minarette.

Du da hinten hast der Augen

Zweierlei, du kannst die beiden

Einzeln nach Belieben brauchen.

Doch ich sollte dich vermeiden.

Leichtgedrückt der Augenlider

Eines, die den Stern bewhelmen,

Deutet auf den Schelm der Schelmen,

Doch das andre schaut so bieder.

Dies, wenn jen’s verwundend angelt,

Heilend, nährend wird sich’s weisen;

Niemand kann ich glücklich preisen,

Der des Doppelblicks ermangelt.

Und so könnt ich alle loben,

Und so könnt ich alle lieben:

Denn so wie ich euch erhoben,

War die Herrin mit beschrieben.

Mädchen

Dichter will so gerne Knecht sein,

Weil die Herrschaft draus entspringet;

Doch vor allem sollt’ ihm recht sein,

Wenn das Liebchen selber singet.

Ist sie denn des Liedes mächtig,

Wie’s auf unsern Lippen waltet?

Denn es macht sie gar verdächtig,

Daß sie im Verborgnen schaltet.

Hatem

Nun, wer weiß, was sie erfüllet!

Kennt ihr solcher Tiefe Grund?

Selbstgefühltes Lied entquillet,

Selbstgedichtetes dem Mund.

Von euch Dichterinnen allen

Ist ihr eben keine gleich:

Denn sie singt mir zu Gefallen,

Und ihr singt und liebt nur euch.

Mädchen

Merke wohl, du hast uns eine

Jener Huris vorgeheuchelt!

Mag schon sein! wenn es nur keine

Sich auf dieser Erde schmeichelt.

Hatem

Locken, haltet mich gefangen

In dem Kreise des Gesichts!

Euch, geliebten braunen Schlangen,

Zu erwidern hab ich nichts.

Nur dies Herz, es ist von Dauer,

Schwillt in jugendlichstem Flor;

Unter Schnee und Nebelschauer

Rast ein Ätna dir hervor.

Du beschämst wie Morgenröte

Jener Gipfel ernste Wand

Und noch einmal fühlet Hatem

Frühlingshauch und Sommerbrand.

Schenke her! Noch eine Flasche!

Diesen Becher bring ich ihr!

Findet sie ein Häufchen Asche,

Sagt sie: Der verbrannte mir.

Suleika

Nimmer will ich dich verlieren!

Liebe gibt der Liebe Kraft.

Magst du meine Jugend zieren

Mit gewaltger Leidenschaft!

Ach! wie schmeichelt’s meinem Triebe,

Wenn man meinen Dichter preist!

Denn das Leben ist die Liebe

Und des Lebens Leben Geist.

Laß dein süßen Rubinenmund

Laß deinen süßen Rubinenmund

Zudringlichkeiten nicht verfluchen!

Was hat Liebesschmerz andern Grund,

Als seine Heilung zu suchen?

Bist du von deiner Geliebten getrennt

Bist du von deiner Geliebten getrennt

Wie Orient vom Occident,

Das Herz durch alle Wüsten rennt;

Es gibt sich überall selbst das Geleit,

Für Liebende ist Bagdad nicht weit.

Mag sie sich immer ergänzen,

Mag sie sich immer ergänzen,

Eure brüchige Welt, in sich,

Diese klaren Augen, sie glänzen,

Dieses Herz, es schlägt für mich!

O daß der Sinnen doch so viele sind

O daß der Sinnen doch so viele sind!

Verwirrung bringen sie ins Glück herein.

Wenn ich dich sehe, wünsch ich taub zu sein,

Wenn ich dich höre, blind.

Auch in der Ferne dir so nah!

Auch in der Ferne dir so nah!

Und unerwartet kommt die Qual.

Da hör ich wieder dich einmal;

Auf einmal bist du wieder da!

Wie sollt ich heiter bleiben

Wie sollt ich heiter bleiben,

Entfernt von Tag und Licht?

Nun aber will ich schreiben,

Und trinken mag ich nicht.

Wenn sie mich an sich lockte,

War Rede nicht im Brauch,

Und wie die Zunge stockte,

So stockt die Feder auch.

Nur zu! geliebter Schenke,

Den Becher fülle still!

Ich sage nur: Gedenke!

Schon weiß man, was ich will.

Wenn ich dein gedenke

Wenn ich dein gedenke,

Fragt mich gleich der Schenke:

»Herr, warum so still?

Da von deinen Lehren

Immer weiter hören

Saki gerne will.«

Wenn ich mich vergesse

Unter der Zypresse,

Hält er nichts davon;

Und im stillen Kreise

Bin ich doch so weise,

Klug wie Salomon.

Buch Suleika

Ich möchte dieses Buch wohl gern zusammenschürzen,

Daß es den andern wäre gleichgeschnürt.

Allein, wie willst du Wort und Blatt verkürzen,

Wenn Liebeswahnsinn dich ins Weite führt?

An vollen Büschelzweigen

An vollen Büschelzweigen,

Geliebte, sieh nur hin!

Laß dir die Früchte zeigen,

Umschalet stachlich grün.

Sie hängen längst geballet,

Still, unbekannt mit sich;

Ein Ast, der schaukelnd wallet,

Wiegt sie geduldiglich.

Doch immer reift von innen

Und schwillt der braune Kern;

Er möchte Luft gewinnen

Und säh die Sonne gern.

Die Schale platzt, und nieder

Macht er sich freudig los;

So fallen meine Lieder

Gehäuft in deinen Schoß.

Suleika

An des lustgen Brunnens Rand,

Der in Wasserfäden spielt,

Wußt ich nicht, was fest mich hielt;

Doch da war von deiner Hand

Meine Chiffer leis gezogen;

Nieder blickt ich, dir gewogen.

Hier, am Ende des Kanals

Der gereihten Hauptallee,

Blick ich wieder in die Höh,

Und da seh ich abermals

Meine Lettern fein gezogen:

Bleibe! bleibe mir gewogen!

Hatem

Möge Wasser, springend, wallend,

Die Zypressen dir gestehn:

Von Suleika zu Suleika

Ist mein Kommen und mein Gehn.

Suleika

Kaum daß ich dich wieder habe,

Dich mit Kuß und Liedern labe,

Bist du still in dich gekehret;

Was beengt und drückt und störet?

Hatem

Ach, Suleika, soll ich’s sagen?

Statt zu loben, möcht ich klagen!

Sangest sonst nur meine Lieder,

Immer neu und immer wieder.

Sollte wohl auch diese loben;

Doch sie sind nur eingeschoben,

Nicht von Hafis, nicht Nisami.

Nicht Saadi, nicht von Dschami.

Kenn ich doch der Väter Menge,

Silb um Silbe, Klang um Klänge,

Im Gedächtnis unverloren;

Diese da sind neu geboren.

Gestern wurden sie gedichtet.

Sag, hast du dich neu verpflichtet?

Hauchest du so froh verwegen

Fremden Atem mir entgegen,

Der dich eben so belebet,

Eben so in Liebe schwebet,

Lockend, ladend zum Vereine

So harmonisch als der meine?

Suleika

War Hatem lange doch entfernt;

Das Mädchen hatte was gelernt.

Von ihm war sie so schön gelobt;

Da hat die Trennung sich erprobt.

Wohl, daß sie dir nicht fremde scheinen;

Sie sind Suleikas, sind die deinen!

Behramgur, sagt man

Behramgur, sagt man, hat den Reim erfunden;

Er sprach entzückt aus reiner Seele Drang;

Dilaram schnell, die Freundin seiner Stunden,

Erwiderte mit gleichem Wort und Klang.

Und so, Geliebte, warst du mir beschieden,

Des Reims zu finden holden Lustgebrauch,

Daß auch Behramgur ich, den Sassaniden,

Nicht mehr beneiden darf: mir ward es auch.

Hast mir dies Buch geweckt, du hast’s gegeben;

Denn was ich froh aus vollem Herzen sprach,

Das klang zurück aus deinem holden Leben,

Wie Blick dem Blick, so Reim dem Reime nach.

Nun tön es fort zu dir, auch aus der Ferne,

Das Wort erreicht, und schwände Ton und Schall:

Ist’s nicht der Mantel noch gesäter Sterne?

Ist’s nicht der Liebe hochverklärtes All?

Deinem Blick mich zu bequemen

Deinem Blick mich zu bequemen,

Deinem Munde, deiner Brust,

Deine Stimme zu vernehmen,

War die letzt und erste Lust.

Gestern, ach! war sie die letzte,

Dann verlosch mir Leucht und Feuer;

Jeder Scherz, der mich ergetzte,

Wird nun schuldenschwer und teuer.

Eh es Allah nicht gefällt,

Uns aufs neue zu vereinen,

Gibt mir Sonne, Mond und Welt

Nur Gelegenheit zum Weinen.

Suleika

Was bedeutet die Bewegung?

Bringt der Ost mir frohe Kunde?

Seiner Schwingen frische Regung

Kühlt des Herzens tiefe Wunde.

Kosend spielt er mit dem Staube,

Jagt ihn auf in leichten Wölkchen,

Treibt zur sichern Rebenlaube

Der Insekten frohes Völkchen.

Lindert sanft der Sonne Glühen,

Kühlt auch mir die heißen Wangen,

Küßt die Reben noch im Fliehen,

Die auf Feld und Hügel prangen.

Und mich will sein leises Flüstern

Von dem Freunde lieblich grüßen,

Eh noch diese Hügel düstern,

Sitz ich still zu seinen Füßen.

Und so kannst du weiter ziehen;

Diene Freunden und Betrübten.

Dort, wo hohe Mauern glühen,

Find ich bald den Vielgeliebten.

Ach, die wahre Herzenskunde,

Liebeshauch, erfrischtes Leben

Wird mir nur aus seinem Munde,

Kann mir nur sein Atem geben.

Hochbild

Die Sonne, Helios der Griechen,

Fährt prächtig auf der Himmelsbahn,

Gewiß, das Weltall zu besiegen,

Blickt er umher, hinab, hinan.

Er sieht die schönste Göttin weinen,

Die Wolkentochter, Himmelskind,

Ihr scheint er nur allein zu scheinen;

Für alle heitre Räume blind,

Versenkt er sich in Schmerz und Schauer,

Und häufiger quillt ihr Tränenguß:

Er sendet Lust in ihre Trauer

Und jeder Perle Kuß auf Kuß.

Nun fühlt sie tief des Blicks Gewalten

Und unverwandt schaut sie hinauf:

Die Perlen wollen sich gestalten;

Denn jede nahm sein Bildnis auf.

Und so, umkränzt von Farb und Bogen,

Erheitert leuchtet ihr Gesicht,

Entgegen kommt er ihr gezogen:

Doch er, doch – ach! erreicht sie nicht.

So, nach des Schicksals hartem Lose,

Weichst du mir, Lieblichste davon;

Und wär ich Helios, der Große,

Was nützte mir der Wagenthron?

Nachklang

Es klingt so prächtig, wenn der Dichter

Der Sonne, bald dem Kaiser sich vergleicht;

Doch er verbirgt die traurigen Gesichter,

Wenn er in düstern Nächten schleicht.

Von Wolken streifenhaft befangen,

Versank zu Nacht des Himmels reinstes Blau;

Vermagert bleich sind meine Wangen

Und meine Herzenstränen grau.

Laß mich nicht so der Nacht, dem Schmerze,

Du Allerliebstes, du mein Mondgesicht!

O du mein Phosphor, meine Kerze,

Du meine Sonne, du mein Licht!

Suleika

Ach, um deine feuchten Schwingen,

West, wie sehr ich dich beneide!

Denn du kannst ihm Kunde bringen,

Was ich in der Trennung leide.

Die Bewegung deiner Flügel

Weckt im Busen stilles Sehnen;

Blumen, Augen, Wald und Hügel

Stehn bei deinem Hauch in Tränen.

Doch dein mildes sanftes Wehen

Kühlt die wunden Augenlider;

Ach, für Leid müßt ich vergehen,

Hofft ich nicht zu sehn ihn wieder.

Eile denn zu meinem Lieben,

Spreche sanft zu seinem Herzen,

Doch vermeid, ihn zu betrüben,

Und verbirg ihm meine Schmerzen!

Sag ihm, aber sag’s bescheiden:

Seine Liebe sei mein Leben!

Freudiges Gefühl von beiden

Wird mir seine Nähe geben.

Wiederfinden

Ist es möglich! Stern der Sterne,

Drück ich wieder dich ans Herz!

Ach, was ist die Nacht der Ferne,

Für ein Abgrund, für ein Schmerz!

Ja, du bist es, meiner Freuden

Süßer, lieber Widerpart!

Eingedenk vergangner Leiden

Schaudr ich vor der Gegenwart.

Als die Welt im tiefsten Grunde

Lag an Gottes ewger Brust,

Ordnet’ er die erste Stunde

Mit erhabner Schöpfungslust.

Und er sprach das Wort: »Es werde!«

Da erklang ein schmerzlich Ach!

Als das All mit Machtgebärde

In die Wirklichkeiten brach!

Auf tat sich das Licht; so trennte

Scheu sich Finsternis von ihm,

Und sogleich die Elemente

Scheidend auseinander fliehn.

Rasch in wilden, wüsten Träumen

Jedes nach der Weite rang,

Starr, in ungemeßnen Räumen,

Ohne Sehnsucht, ohne Klang.

Stumm war alles, still und öde,

Einsam Gott zum ersten Mal!

Da erschuf er Morgenröte,

Die erbarmte sich der Qual;

Sie entwickelte dem Trüben

Ein erklingend Farbenspiel,

Und nun konnte wieder lieben,

Was erst auseinanderfiel.

Und mit eiligem Bestreben

Sucht sich, was sich angehört;

Und zu ungemeßnem Leben

Ist Gefühl und Blick gekehrt.

Sei’s Ergreifen, sei es Raffen,

Wenn es nur sich faßt und hält!

Allah braucht nicht mehr zu schaffen,

Wir erschaffen seine Welt.

So mit morgenroten Flügeln

Riß es mich an deinen Mund,

Und die Nacht mit tausend Siegeln

Kräftigt sternenhell den Bund.

Beide sind wir auf der Erde

Musterhaft in Freud und Qual,

Und ein zweites Wort: Es werde!

Trennt uns nicht zum zweiten Mal.

Vollmondnacht

Herrin, sag, was heißt das Flüstern?

Was bewegt dir leis die Lippen?

Lispelst immer vor dich hin,

Lieblicher als Weines Nippen!

Denkst du deinen Mundgeschwistern

Noch ein Pärchen herzuziehn?

»Ich will küssen! Küssen! sagt ich.«

Schau! Im zweifelhaften Dunkel

Glühen blühend alle Zweige,

Nieder spielet Stern auf Stern,

Und smaragden durchs Gesträuche

Tausendfältiger Karfunkel;

Doch dein Geist ist allem fern.

»Ich will küssen! Küssen! sagt ich.«

Dein Geliebter, fern, erprobet

Gleicherweis im Sauersüßen

Fühlt ein unglückselges Glück,

Euch im Vollmond zu begrüßen,

Habt ihr heilig angelobet,

Dieses ist der Augenblick!

»Ich will küssen! Küssen! sagt ich.«

Geheimschrift

Laßt euch, o Diplomaten,

Recht angelegen sein,

Und eure Potentaten

Beraten rein und fein!

Geheimer Chiffern Sendung

Beschäftige die Welt,

Bis endlich jede Wendung

Sich selbst ins gleiche stellt.

Mir von der Herrin süße

Die Chiffer ist zur Hand,

Woran ich schon genieße,

Weil sie die Kunst erfand.

Es ist die Liebesfülle

Im lieblichsten Revier,

Der holde, treue Wille,

Wie zwischen mir und ihr.

Von abertausend Blüten

Ist es ein bunter Strauß,

Von englischen Gemüten

Ein vollbewohntes Haus;

Von buntesten Gefiedern

Der Himmel übersät,

Ein klingend Meer von Liedern,

Geruchvoll überweht.

Ist unbedingten Strebens

Geheime Doppelschrift,

Die in das Mark des Lebens

Wie Pfeil um Pfeile trifft.

Was ich euch offenbaret,

War längst ein frommer Brauch,

Und wenn ihr es gewahret,

So schweigt und nutzt es auch.

Abglanz

Ein Spiegel, er ist mir geworden;

Ich sehe so gerne hinein,

Als hinge des Kaisers Orden

An mir mit Doppelschein;

Nicht etwa selbstgefällig

Such ich mich überall;

Ich bin so gern gesellig,

Und das ist hier der Fall.

Wenn ich nun vorm Spiegel stehe

Im stillen Witwerhaus,

Gleich guckt, eh ich mich versehe,

Das Liebchen mit heraus.

Schnell kehr ich mich um, und wieder

Verschwand sie, die ich sah;

Dann blick ich in meine Lieder,

Gleich ist sie wieder da.

Die schreib ich immer schöner

Und mehr nach meinem Sinn,

Trotz Krittler und Verhöhner,

Zu täglichem Gewinn.

Ihr Bild in reichen Schranken

Verherrlichet sich nur,

In goldnen Rosenranken

Und Rähmchen von Lasur.

Suleika

Wie mit innigstem Behagen,

Lied, empfind ich deinen Sinn!

Liebevoll du scheinst zu sagen,

Daß ich ihm zur Seite bin.

Daß er ewig mein gedenket,

Seiner Liebe Seligkeit

Immerdar der Fernen schenket,

Die ein Leben ihm geweiht.

Ja, mein Herz, es ist der Spiegel,

Freund, worin du dich erblickt;

Diese Brust, wo deine Siegel

Kuß auf Kuß hereingedrückt.

Süßes Dichten, lautre Wahrheit

Fesselt mich in Sympathie!

Rein verkörpert Liebesklarheit

Im Gewand der Poesie.

Laß den Weltenspiegel Alexandern

Laß den Weltenspiegel Alexandern;

Denn was zeigt er? – Da und dort

Stille Völker, die er mit den andern

Zwingend rütteln möchte fort und fort.

Du! nicht weiter, nicht zu Fremden strebe!

Singe mir, die du dir eigen sangst.

Denke, daß ich liebe, daß ich lebe,

Denke, daß du mich bezwangst!

Die Welt durchaus ist lieblich anzuschauen

Die Welt durchaus ist lieblich anzuschauen,

Vorzüglich aber schön die Welt der Dichter;

Auf bunten, hellen oder silbergrauen

Gefilden, Tag und Nacht, erglänzen Lichter.

Heut ist mir alles herrlich; wenn’s nur bliebe!

Ich sehe heut durchs Augenglas der Liebe.

In tausend Formen

In tausend Formen magst du dich verstecken,

Doch, Allerliebste, gleich erkenn ich dich;

Du magst mit Zauberschleiern dich bedecken,

Allgegenwärtge, gleich erkenn ich dich.

An der Zypresse reinstem jungem Streben,

Allschöngewachsne, gleich erkenn ich dich.

In des Kanales reinem Wellenleben,

Allschmeichelhafte, wohl erkenn ich dich.

Wenn steigend sich der Wasserstrahl entfaltet,

Allspielende, wie froh erkenn ich dich!

Wenn Wolke sich gestaltend umgestaltet,

Allmannigfaltge, dort erkenn ich dich.

An des geblümten Schleiers Wiesenteppich,

Allbuntbesternte, schön erkenn ich dich;

Und greift umher ein tausendarmger Eppich,

O Allumklammernde, da kenn ich dich.

Wenn am Gebirg der Morgen sich entzündet,

Gleich, Allerheiternde, begrüß ich dich,

Dann über mir der Himmel rein sich ründet,

Allherzerweiternde, dann atm ich dich.

Was ich mit äußerm Sinn, mit innerm kenne,

Du Allbelehrende, kenn ich durch dich;

Und wenn ich Allahs Namenhundert nenne,

Mit jedem klingt ein Name nach für dich.

 
 * 

Saki Nameh: Das Schenkenbuch

Ja, in der Schenke hab ich auch gesessen,

Mir ward wie andern zugemessen;

Sie schwatzten, schrieen, händelten von heut,

So froh und traurig, wie’s der Tag gebeut,

Ich aber saß, im Innersten erfreut;

An meine Liebste dacht ich – wie sie liebt?

Das weiß ich nicht; was aber mich bedrängt –

Ich liebe sie, wie es ein Busen gibt,

Der treu sich einer gab und knechtisch hängt.

Wo war das Pergament, der Griffel, wo,

Die alles faßten? Doch so war’s! ja, so!

Sitz ich allein

Sitz ich allein,

Wo kann ich besser sein?

Meinen Wein

Trink ich allein;

Und niemand setzt mir Schranken;

Ich hab so meine eignen Gedanken.

So weit bracht es Muley

So weit bracht es Muley, der Dieb,

Daß er trunken schöne Lettern schrieb.

Ob der Koran von Ewigkeit sei

Ob der Koran von Ewigkeit sei?

Darnach frag ich nicht!

Ob der Koran geschaffen sei?

Das weiß ich nicht!

Daß er das Buch der Bücher sei,

Glaub ich aus Mosleminen-Pflicht.

Daß aber der Wein von Ewigkeit sei,

Daran zweifl ich nicht;

Oder daß er von den Engeln geschaffen sei,

Ist vielleicht auch kein Gedicht.

Der Trinkende, wie es auch immer sei,

Blickt Gott frischer ins Angesicht.

Trunken müssen wir alle sein

Trunken müssen wir alle sein!

Jugend ist Trunkenheit ohne Wein;

Trinkt sich das Alter wieder zu Jugend,

So ist es wundervolle Tugend.

Für Sorgen sorgt das liebe Leben

Und Sorgenbrecher sind die Reben.

Da wird nicht mehr nachgefragt,

Wein ist ernstlich untersagt.

Soll denn doch getrunken sein,

Trinke nur vom besten Wein!

Doppelt wärst du ein Ketzer

In Verdammnis um den Krätzer.

Solang man nüchtern ist

Solang man nüchtern ist,

Gefällt das Schlechte;

Wie man getrunken hat,

Weiß man das Rechte;

Nur ist das Übermaß

Auch gleich zu Handen,

Hafis, o lehre mich,

Wie du’s verstanden!

Denn meine Meinung ist

Nicht übertrieben:

Wenn man nicht trinken kann,

Soll man nicht lieben,

Doch sollt ihr Trinker euch

Nicht besser dünken:

Wenn man nicht lieben kann,

Soll man nicht trinken.

Suleika

Warum du nur oft so unhold bist?

Hatem

Du weißt, daß der Leib ein Kerker ist:

Die Seele hat man hinein betrogen;

Da hat sie nicht freie Ellenbogen.

Will sie sich da- und dorthin retten,

Schnürt man den Kerker selbst in Ketten;

Da ist das Liebchen doppelt gefährdet;

Deshalb sie sich oft so seltsam gebärdet.

Wenn der Körper ein Kerker ist

Wenn der Körper ein Kerker ist,

Warum nur der Kerker so durstig ist?

Seele befindet sich wohl darinnen

Und bliebe gern vergnügt bei Sinnen,

Nun aber soll eine Flasche Wein,

Frisch eine nach der andern herein.

Seele will’s nicht länger ertragen,

Sie an der Türe in Stücke schlagen.

Dem Kellner

Setze mir nicht, du Grobian,

Mir den Krug so derb vor die Nase!

Wer mir Wein bringt, sehe mich freundlich an,

Sonst trübt sich der Eilfer im Glase.

Dem Schenken

Du zierlicher Knabe, du komm herein!

Was stehst du denn da auf der Schwelle?

Du sollst mir künftig der Schenke sein;

Jeder Wein ist schmackhaft und helle.

Schenke spricht

Du mit deinen braunen Locken,

Geh mir weg, verschmitzte Dirne!

Schenk ich meinem Herrn zu Danke,

Nun, so küßt er mir die Stirne.

Aber du, ich wollte wetten,

Bist mir nicht damit zufrieden,

Deine Wangen, deine Brüste

Werden meinen Freund ermüden.

Glaubst du wohl mich zu betrügen,

Daß du jetzt verschämt entweichest?

Auf der Schwelle will ich liegen

Und erwachen, wenn du schleichest.

Sie haben wegen der Trunkenheit

Sie haben wegen der Trunkenheit

Vielfältig uns verklagt

Und haben von unsrer Trunkenheit

Lange nicht genug gesagt.

Gewöhnlich der Betrunkenheit

Erliegt man, bis es tagt;

Doch hat mich meine Betrunkenheit

In der Nacht umhergejagt.

Es ist die Liebestrunkenheit,

Die mich erbärmlich plagt,

Von Tag zu Nacht, von Nacht zu Tag

In meinem Herzen zagt,

Dem Herzen, das in Trunkenheit

Der Lieder schwillt und ragt,

Daß keine nüchterne Trunkenheit,

Sich gleich zu heben wagt.

Daß keine nüchterne Trunkenheit

Ob’s nachtet oder tagt,

Die göttlichste Betrunkenheit,

Die mich entzückt und plagt.

Du kleiner Schelm, du!

Du kleiner Schelm, du!

Daß ich mir bewußt sei,

Darauf kommt es überall an.

Und so erfreu ich mich

Auch deiner Gegenwart,

Du Allerliebster,

Obgleich betrunken.

Was in der Schenke waren heute

Was in der Schenke waren heute

Am frühsten Morgen für Tumulte!

Der Wirt und Mädchen! Fackeln, Leute!

Was gab’s für Händel, für Insulte!

Die Flöte klang, die Trommel scholl!

Es war ein wüstes Wesen –

Doch bin ich, lust- und liebevoll,

Auch selbst dabei gewesen.

Daß ich von Sitte nichts gelernt,

Darüber tadelt mich ein jeder;

Doch bleib ich weislich weit entfernt

Vom Streit der Schulen und Katheder.

Schenke

Welch ein Zustand! Herr, so späte

Schleichst du heut aus deiner Kammer;

Perser nennen’s Bidamag buden,

Deutsche sagen Katzenjammer.

Dichter

Laß mich jetzt, geliebter Knabe!

Mir will nicht die Welt gefallen,

Nicht der Schein, der Duft der Rose,

Nicht der Sang der Nachtigallen.

Schenke

Eben das will ich behandeln,

Und ich denk, es soll mir klecken,

Hier, genieß die frischen Mandeln,

Und der Wein wird wieder schmecken.

Dann will ich auf der Terrasse

Dich mit frischen Lüften tränken;

Wie ich dich ins Auge fasse,

Gibst du einen Kuß dem Schenken.

Schau, die Welt ist keine Höhle,

Immer reich an Brut und Nestern;

Rosenduft und Rosenöle!

Bulbul auch, sie singt wie gestern.

Jene garstige Vettel

Jene garstige Vettel,

Die buhlerische,

Welt heißt man sie,

Mich hat sie betrogen,

Wie die übrigen alle.

Glaube nahm sie mir weg,

Dann die Hoffnung!

Nun wollte sie

An die Liebe;

Da riß ich aus.

Den geretteten Schatz

Für ewig zu sichern,

Teilt ich ihn weislich

Zwischen Suleika und Saki.

Jedes der beiden

Beeifert sich um die Wette,

Höhere Zinsen zu entrichten.

Und ich bin reicher als je,

Den Glauben hab ich wieder!

An ihre Liebe den Glauben!

Er, im Becher, gewährt mir

Herrliches Gefühl der Gegenwart.

Was will da die Hoffnung!

Schenke

Heute hast du gut gegessen,

Doch du hast noch mehr getrunken;

Was du bei dem Mahl vergessen,

Ist in diesen Napf gesunken.

Sieh, das nennen wir ein Schwänchen,

Wie’s dem satten Gast gelüstet;

Dieses bring ich meinem Schwane,

Der sich auf den Wellen brüstet.

Doch vom Singschwan will man wissen,

Daß er sich zu Grabe läutet;

Laß mich jedes Lied vermissen,

Wenn es auf dein Ende deutet!

Schenke

Nennen dich den großen Dichter,

Wenn dich auf dem Markte zeigest;

Gerne hör ich, wenn du singest,

Und ich horche, wenn du schweigest.

Doch ich liebe dich noch lieber,

Wenn du küssest zum Erinnern;

Denn die Worte gehn vorüber,

Und der Kuß, der bleibt im Innern.

Reim auf Reim will was bedeuten.

Besser ist es, viel zu denken.

Singe du den andern Leuten

Und verstumme mit dem Schenken!

Dichter

Schenke, komm! Noch einen Becher!

Schenke

Herr, du hast genug getrunken;

Nennen dich den wilden Zecher!

Dichter

Sah’st du je, daß ich gesunken?

Schenke

Mahomet verbietet’s. 

Dichter

    Liebchen!

Hört es niemand, will dir’s sagen.

Schenke

Wenn du einmal gerne redest,

Brauch ich gar nicht viel zu fragen.

Dichter

Horch! Wir andern Musulmanen,

Nüchtern sollen wir gebückt sein,

Er, in seinem heilgen Eifer,

Möchte gern allein verrückt sein!

Saki

Denk, o Herr, wenn du getrunken,

Sprüht um dich des Feuers Glast!

Prasselnd blitzen tausend Funken,

Und du weißt nicht, wo es faßt.

Mönche seh ich in den Ecken,

Wenn du auf die Tafel schlägst,

Die sich gleisnerisch verstecken,

Wenn dein Herz du offen trägst.

Sag mir nur, warum die Jugend,

Noch von keinem Fehler frei,

So ermangelnd jeder Tugend,

Klüger als das Alter sei.

Alles weißt du, was der Himmel,

Alles, was die Erde trägt,

Und verbirgst nicht das Gewimmel,

Wie sich’s dir im Busen regt.

Hatem

Eben drum, geliebter Knabe,

Bleibe jung und bleibe klug!

Dichten zwar ist Himmelsgabe,

Doch im Erdenleben Trug.

Erst sich im Geheimnis wiegen,

Dann verplaudern früh und spat!

Dichter ist umsonst verschwiegen,

Dichten selbst ist schon Verrat.

Sommernacht

Dichter

Niedergangen ist die Sonne,

Doch im Westen glänzt es immer;

Wissen möcht ich wohl, wie lange

Dauert noch der goldne Schimmer?

Schenke

Willst du, Herr, so will ich bleiben,

Warten außer diesen Zelten;

Ist die Nacht des Schimmers Herrin,

Komm ich gleich, es dir zu melden.

Denn ich weiß, du liebst, das Droben,

Das Unendliche zu schauen,

Wenn sie sich einander loben,

Jene Feuer in dem Blauen.

Und das hellste will nur sagen:

»Jetzo glänz ich meiner Stelle;

Wollte Gott euch mehr betagen,

Glänztet ihr wie ich so helle.«

Denn vor Gott ist alles herrlich

Eben, weil er ist der Beste;

Und so schläft nun aller Vogel

In dem groß und kleinen Neste.

Einer sitzt auch wohl gestängelt

Auf den Ästen der Zypresse,

Wo der laue Wind ihn gängelt,

Bis zu Taues luftger Nässe.

Solches hast du mich gelehret,

Oder etwas auch dergleichen;

Was ich je dir abgehöret,

Wird dem Herzen nicht entweichen.

Eule will ich deinetwegen

Kauzen hier auf der Terrasse,

Bis ich erst des Nordgestirnes

Zwillings-Wendung wohl erpasse.

Und da wird es Mitternacht sein,

Wo du oft zu früh ermunterst,

Und dann wird es eine Pracht sein,

Wenn das All mit mir bewunderst.

Dichter

Zwar in diesem Duft und Garten

Tönet Bulbul ganze Nächte,

Doch du könntest lange warten,

Bis die Nacht so viel vermöchte.

Denn in dieser Zeit der Flora,

Wie das Griechenvolk sie nennet,

Die Strohwitwe, die Aurora,

Ist in Hesperus entbrennet.

Sieh dich um, sie kommt! wie schnelle!

Über Blumenfelds Gelänge! –

Hüben hell und drüben helle,

Ja, die Nacht kommt ins Gedränge.

Und auf roten, leichten Sohlen

Ihn, der mit der Sonn entlaufen,

Eilt sie irrig einzuholen;

Fühlst du nicht ein Liebe-Schnaufen?

Geh nur, lieblichster der Söhne,

Tief ins Innre, schließ die Türen!

Denn sie möchte deine Schöne

Als den Hesperus entführen.

Der Schenke (schläfrig)

So hab ich endlich von dir erharrt

In allen Elementen Gottes Gegenwart,

Wie du mir das so lieblich gibst!

Am lieblichsten aber, daß du liebst.

Hatem

Der schläft recht süß und hat ein Recht, zu schlafen,

Du guter Knabe, hast mir eingeschenkt,

Vom Freund und Lehrer, ohne Zwang und Strafen,

So jung vernommen, wie der Alte denkt.

Nun aber kommt Gesundheit holder Fülle

Dir in die Glieder, daß du dich erneust.

Ich trinke noch, bin aber stille, stille,

Damit du mich, erwachend nicht, erfreust.

 
 * 

Mathal Nameh: Buch der Parabeln

Vom Himmel sank

Vom Himmel sank in wilder Meere Schauer

Ein Tropfe bangend, gräßlich schlug die Flut;

Doch lohnte Gott bescheidnen Glaubensmut

Und gab dem Tropfen Kraft und Dauer.

Ihn schloß die stille Muschel ein.

Und nun, zu ewgem Ruhm und Lohne,

Die Perle glänzt an unsers Kaisers Krone

Mit holdem Blick und mildem Schein.

Bulbuls Nachtlied

Bulbuls Nachtlied durch die Schauer

Drang zu Allahs lichtem Throne,

Und dem Wohlgesang zu Lohne

Sperrt er sie in goldnen Bauer.

Dieser sind des Menschen Glieder.

Zwar sie fühlet sich beschränket,

Doch wenn sie es recht bedenket,

Singt das Seelchen immer wieder.

Wunderglaube

Zerbrach einmal eine schöne Schal

Und wollte schier verzweifeln;

Unart und Übereil zumal

Wünscht ich zu allen Teufeln.

Erst rast ich aus, dann weint ich weich

Beim traurigen Scherbelesen.

Das jammerte Gott, er schuf es gleich

So ganz, als wie es gewesen.

Die Perle, die der Muschel entrann

Die Perle, die der Muschel entrann,

Die schönste, hochgeboren,

Zum Juwelier, dem guten Mann,

Sprach sie: »Ich bin verloren!

Durchbohrst du mich, mein schönes All,

Es ist sogleich zerrüttet;

Mit Schwestern muß ich, Fall für Fall,

Zu schlechten sein geküttet.«

»Ich denke jetzt nur an Gewinn;

Du mußt es mir verzeihen;

Denn wenn ich hier nicht grausam bin,

Wie soll die Schnur sich reihen?«

Pfauenfeder

Ich sah mit Staunen und Vergnügen

Eine Pfauenfeder im Koran liegen,

»Willkommen an dem heilgen Platz,

Der Erdgebilde höchster Schatz!

An dir, wie an des Himmels Sternen

Ist Gottes Größe im kleinen zu lernen

Daß er, der Welten überblickt,

Sein Auge hier hat aufgedrückt,

Und so den leichten Flaum geschmückt,

Daß Könige kaum unternahmen,

Die Pracht des Vogels nachzuahmen.

Bescheiden freue dich des Ruhms!

So bist du wert des Heiligtums.«

Ein Kaiser hatte zwei Kassiere

Ein Kaiser hatte zwei Kassiere,

Einen zum Nehmen, einen zum Spenden;

Diesem fiel’s nur so aus den Händen,

Jener wußte nicht, woher zu nehmen.

Der Spender starb. Der Herrscher wußte nicht gleich,

Wem das Geberamt sei anzuvertrauen,

Und wie man kaum tät um sich schauen,

So war der Nehmer unendlich reich;

Man wußte kaum vor Gold zu leben,

Weil man einen Tag nichts ausgegeben.

Da ward nun erst dem Kaiser klar,

Was schuld an allem Unheil war.

Den Zufall wußt er wohl zu schätzen,

Nie wieder die Stelle zu besetzen.

Zum Kessel sprach der neue Topf

Zum Kessel sprach der neue Topf:

»Was hast du einen schwarzen Bauch!«

»Das ist bei uns nun Küchenbrauch!«

Herbei, herbei, du glatter Tropf,

Bald wird dein Stolz sich mindern.

Behält der Henkel ein klar Gesicht,

Darob erhebe du dich nicht,

Besieh nur deinen Hintern.«

Alle Menschen, groß und klein

Alle Menschen, groß und klein,

Spinnen sich ein Gewebe fein,

Wo sie mit ihrer Scheren Spitzen

Gar zierlich in der Mitte sitzen.

Wenn nun darein ein Besen fährt,

Sagen sie, es sei unerhört,

Man habe den größten Palast zerstört.

Vom Himmel steigend Jesus bracht’

Vom Himmel steigend Jesus bracht’

Des Evangeliums ewige Schrift,

Den Jüngern las er sie Tag und Nacht,

Ein göttlich Wort, es wirkt und trifft.

Er stieg zurück, nahm’s wieder mit;

Sie aber hatten’s gut gefühlt,

Und jeder schrieb, so Schritt für Schritt,

Wie er’s in seinem Sinn behielt,

Verschieden. Es hat nichts zu bedeuten:

Sie hatten nicht gleiche Fähigkeiten;

Doch damit können sich die Christen

Bis zu dem Jüngsten Tage fristen.

Es ist gut

Bei Mondenschein im Paradeis

Fand Jehovah im Schlafe tief

Adam versunken, legte leis

Zur Seit ein Evchen, das auch entschlief.

Da lagen nun in Erdeschranken

Gottes zwei lieblichste Gedanken –

»Gut!!!« rief er sich zum Meisterlohn,

Er ging sogar nicht gern davon.

Kein Wunder, daß es uns berückt,

Wenn Auge frisch in Auge blickt,

Als hätten wir’s so weit gebracht,

Bei dem zu sein, der uns gedacht.

Und ruft er uns, wohlan, es sei!

Nur, das beding ich, alle zwei!

Dich halten dieser Arme Schranken,

Liebster von allen Gottesgedanken.

 
 * 

Parsi Nameh: Buch des Parsen

Vermächtnis altpersischen Glaubens

Welch Vermächtnis, Brüder, sollt euch kommen

Von dem Scheidenden, dem armen Frommen,

Den ihr Jüngeren geduldig nährtet,

Seine letzten Tage pflegend ehrtet?

Wenn wir oft gesehn den König reiten,

Gold an ihm und Gold an allen Seiten,

Edelstein’ auf ihn und seine Großen

Ausgesät wie dichte Hagelschlossen:

Habt ihr jemals ihn darum beneidet?

Und nicht herrlicher den Blick geweidet,

Wenn die Sonne sich auf Morgenflügeln

Darnawends unzählgen Gipfelhügeln

Bogenhaft hervorhob? Wer enthielte

Sich des Blicks dahin? Ich fühlte, fühlte

Tausendmal in soviel Lebenstagen

Mich mit ihr, der kommenden, getragen,

Gott auf seinem Throne zu erkennen,

Ihn den Herrn des Lebensquells zu nennen,

Jenes hohen Anblicks wert zu handeln

Und in seinem Lichte fortzuwandeln.

Aber stieg der Feuerkreis vollendet,

Stand ich als in Finsternis geblendet,

Schlug den Busen, die erfrischten Glieder

Warf ich, Stirn voran, zur Erde nieder.

Und nun sei ein heiliges Vermächtnis

Brüderlichem Wollen und Gedächtnis:

Schwerer Dienste tägliche Bewahrung,

Sonst bedarf es keiner Offenbarung.

Regt ein Neugeborner fromme Hände,

Daß man ihn sogleich zur Sonne wende,

Tauche Leib und Geist im Feuerbade!

Fühlen wird er jeden Morgens Gnade.

Dem Lebendgen übergebt die Toten,

Selbst die Tiere deckt mit Schutt und Boden,

Und, so weit sich eure Kraft erstrecket,

Was euch unrein dünkt, es sei bedecket!

Grabet euer Feld ins zierlich Reine,

Daß die Sonne gern den Fleiß bescheine;

Wenn ihr Bäume pflanzt, so sei’s in Reihen

Denn sie läßt Geordnetes gedeihen.

Auch dem Wasser darf es in Kanälen

Nie am Laufe, nie an Reine fehlen;

Wie euch Senderud aus Bergrevieren

Rein entspringt, soll er sich rein verlieren.

Sanften Fall des Wassers nicht zu schwächen,

Sorgt, die Gräben fleißig auszustechen;

Rohr und Binse, Molch und Salamander,

Ungeschöpfe, tilgt sie miteinander!

Habt ihr Erd und Wasser so im Reinen,

Wird die Sonne gern durch Lüfte scheinen,

Wo sie, ihrer würdig aufgenommen,

Leben wirkt, dem Leben Heil und Frommen.

Ihr, von Müh zu Mühe so gepeinigt,

Seid getrost! nun ist das All gereinigt,

Und nun darf der Mensch als Priester wagen,

Gottes Gleichnis aus dem Stein zu schlagen.

Wo die Flamme brennt, erkennet freudig:

Hell ist Nacht, und Glieder sind geschmeidig,

An des Herdes raschen Feuerkräften

Reift das Rohe Tier- und Pflanzensäften.

Schleppt ihr Holz herbei, so tuts mit Wonne!

Denn ihr tragt den Samen irdscher Sonne,

Pflückt ihr Pambeh, mögt ihr traulich sagen:

»Diese wird als Docht das Heilge tragen.«

Werdet ihr in jeder Lampe Brennen

Fromm den Abglanz höhern Lichts erkennen,

Soll euch nie ein Mißgeschick verwehren

Gottes Thron am Morgen zu verehren.

Da ist unsers Daseins Kaisersiegel,

Uns und Engeln reiner Gottesspiegel,

Und was nur am Lob des Höchsten stammelt

Ist in Kreis um Kreise dort versammelt.

Will dem Ufer Senderuds entsagen,

Auf zum Darnawend die Flügel schlagen,

Wie sie tagt, ihr freudig zu begegnen

Und von dorther ewig euch zu segnen.

Wenn der Mensch die Erde schätzet

Wenn der Mensch die Erde schätzet,

Weil die Sonne sie bescheinet,

An der Rebe sich ergötzet,

Die dem scharfen Messer weinet,

Da sie fühlt, daß ihre Säfte,

Wohlgekocht, die Welt erquickend,

Werden regsam vielen Kräften,

Aber mehreren erstickend –

Weiß er das der Glut zu danken,

Die das alles läßt gedeihen,

Wird Betrunkner stammelnd wanken,

Mäßger wird sich singend freuen.

 
 * 

Chuld Nameh: Buch des Paradieses

Vorschmack

Der echte Moslem spricht vom Paradiese,

Als wenn er selbst allda gewesen wäre;

Er glaubt dem Koran, wie es der verhieße:

Hierauf begründet sich die reine Lehre.

Doch der Prophet, Verfasser jenes Buches,

Weiß unsre Mängel droben auszuwittern,

Und sieht, daß trotz dem Donner seines Fluches

Die Zweifel oft den Glauben uns verbittern.

Deshalb entsendet er den ewgen Räumen

Ein Jugendmuster, alles zu verjüngen;

Sie schwebt heran und fesselt ohne Säumen

Um meinen Hals die allerliebsten Schlingen.

Auf meinem Schoß, an meinem Herzen halt ich

Das Himmelswesen, mag nichts weiter wissen,

Und glaube nun ans Paradies gewaltig;

Denn ewig möcht ich sie so treulich küssen.

Berechtigte Männer

(Nach der Schlacht von Bedr, unterm Sternenhimmel)

Mahomet spricht:

Seine Toten mag der Feind betrauern:

Denn sie liegen ohne Wiederkehren;

Unsre Brüder sollt ihr nicht bedauern:

Denn sie wandeln über jenen Sphären.

Die Planeten haben alle sieben

Die metallnen Tore weit getan,

Und schon klopfen die verklärten Lieben

Paradieses Pforten kühnlich an.

Finden, ungehofft und überglücklich,

Herrlichkeiten, die mein Flug berührt,

Als das Wunderpferd mich augenblicklich

Durch die Himmel alle durchgeführt.

Weisheitsbaum an Baum, zypresseragend,

Heben Äpfel goldner Zierd empor;

Lebensbäume, breite Schatten schlagend,

Decken Blumensitz und Kräuterflor.

Und nun bringt ein süßer Wind von Osten

Hergeführt die Himmels-Mädchen-Schar;

Mit den Augen fängst du an zu kosten,

Schon der Anblick sättigt ganz und gar.

Forschend stehn sie, was du unternahmst?

Große Plane? fährlich blutgen Strauß?

Daß du Held seist, sehn sie, weil du kamest;

Welch ein Held du seist, sie forschen’s aus.

Und sie sehn es bald an deiner Wunden,

Die sich selbst ein Ehrendenkmal schreibt.

Glück und Hoheit, alles ist verschwunden,

Nur die Wunde für den Glauben bleibt.

Führen zu Kiosken dich und Lauben,

Säulenreich von buntem Lichtgestein,

Und zu edlem Saft verklärter Trauben

Laden sie mit Nippen freundlich ein.

Jüngling, mehr als Jüngling, bist willkommen!

Alle sind wie alle licht und klar;

Hast du eine dir ans Herz genommen,

Herrin, Freundin ist sie deiner Schar.

Doch die allertrefflichste gefällt sich

Keineswegs in solchen Herrlichkeiten;

Heiter, neidlos, redlich unterhält dich

Von den mannigfaltgen Trefflichkeiten.

Eine führt dich zu der andern Schmause,

Den sich jede äußerst ausersinnt;

Viele Frauen hast und Ruh im Hause,

Wert, daß man darob das Paradies gewinnt,

Und so schicke dich in diesen Frieden:

Denn du kannst ihn weiter nicht vertauschen;

Solche Mädchen werden nicht ermüden,

Solche Weine werden nicht berauschen.

*

Und so war das Wenige zu melden,

Wie der selge Musulman sich brüstet:

Paradies der Männer Glaubenshelden

Ist hiemit vollkommen ausgerüstet.

Auserwählte Frauen

Frauen sollen nichts verlieren,

Reiner Treue ziemt zu hoffen;

Doch wir wissen nur von vieren,

Die alldort schon eingetroffen.

Erst Suleika, Erdensonne,

Gegen Jussuf ganz Begierde;

Nun, des Paradieses Wonne,

Glänzt sie, der Entsagung Zierde.

Dann die Allgebenedeite,

Die den Heiden Heil geboren

Und getäuscht, in bittrem Leide

Sah den Sohn am Kreuz verloren.

Mahoms Gattin auch, sie baute

Wohlfahrt ihm und Herrlichkeiten,

Und empfahl bei Lebenszeiten

Einen Gott und eine Traute.

Kommt Fatima dann, die Holde,

Tochter, Gattin sonder Fehle,

Englisch allerreinste Seele

In dem Leib von Honiggolde.

Diese finden wir alldorten;

Und wer Frauenlob gepriesen,

Der verdient an ewgen Orten

Lustzuwandeln wohl mit diesen.

Einlaß

Huri

Heute steh ich meine Wache

Vor des Paradieses Thor;

Weiß nicht grade, wie ich’s mache;

Kommst mir so verdächtig vor!

Ob du unsern Mosleminen

Auch recht eigentlich verwandt?

Ob dein Kämpfen, dein Verdienen

Dich ans Paradies gesandt?

Zählst du dich zu jenen Helden?

Zeige deine Wunden an,

Die mir Rühmliches vermelden,

Und ich führe dich heran.

Dichter

Nicht so vieles Federlesen!

Laß mich immer nur herein:

Denn ich bin ein Mensch gewesen

Und das heißt ein Kämpfer sein.

Schärfe deine kräftgen Blicke!

Hier durchschaue diese Brust,

Sieh der Lebenswunden Tücke,

Sieh der Liebeswunden Lust!

Und doch sang ich gläubger Weise,

Daß mir die Geliebte treu,

Daß die Welt, wie sie auch kreise,

Liebevoll und dankbar sei.

Mit den Trefflichsten zusammen

Wirkt ich, bis ich mir erlangt,

Daß mein Nam in Liebesflammen

Von den schönsten Herzen prangt.

Nein! du wählst nicht den Geringern!

Gib die Hand, daß Tag für Tag

Ich an deinen zarten Fingern

Ewigkeiten zählen mag.

Anklang

Huri

Draußen am Orte,

Wo ich dich zuerst sprach,

Wacht ich oft an der Pforte,

Dem Gebote nach.

Da hört ich ein wunderlich Gesäusel,

Ein Ton- und Silbengekräusel;

Das wollte herein,

Niemand aber ließ sich sehen,

Da verklang es klein zu klein;

Es klang aber fast wie deine Lieder,

Das erinnr ich mich wieder.

Dichter

Ewig Geliebte! wie zart

Erinnerst du dich deines Trauten!

Was auch in irdischer Luft und Art

Für Töne lauten,

Die wollen alle herauf;

Viele verklingen da unten zu Hauf;

Andere mit Geistes Flug und Lauf,

Wie das Flügel-Pferd des Propheten,

Steigen empor und flöten

Draußen an dem Tor.

Kommt deinen Gespielen so etwas vor,

So sollen sie’s freundlich vermerken,

Das Echo lieblich verstärken,

Daß es wieder hinunter halle,

Und sollen Acht haben,

Daß in jedem Falle,

Wenn er kommt, seine Gaben

Jedem zugute kommen:

Das wird beiden Welten frommen.

Sie mögen’s ihm freundlich lohnen,

Auf liebliche Weise fügsam;

Sie lassen ihn mit sich wohnen:

Alle Guten sind genügsam.

Du aber bist mir beschieden,

Dich laß ich nicht aus dem ewigen Frieden;

Auf die Wache sollst du nicht ziehn.

Schick eine ledige Schwester dahin!

*

Dichter

Deine Liebe, dein Kuß mich entzückt!

Geheimnisse mag ich nicht erfragen;

Doch sag mir, ob du an irdischen Tagen

Jemals teilgenommen!

Mir ist oft so vorgekommen.

Ich wollt es beschwören, ich wollt es beweisen:

Du hast einmal Suleika geheißen.

Huri

Wir sind aus den Elementen geschaffen,

Aus Wasser, Feuer, Erd und Luft,

Unmittelbar, und irdischer Duft

Ist unserm Wesen ganz zuwider.

Wir steigen nie zu euch hernieder;

Doch wenn ihr kommt, bei uns zu ruhn,

Da haben wir genug zu tun.

Denn, siehst du, wie die Gläubigen kamen,

Von dem Propheten so wohl empfohlen,

Besitz vom Paradiese nahmen,

Da waren wir, wie er befohlen,

So liebenswürdig, so charmant,

Wie uns die Engel selbst nicht gekannt.

Allein der erste, zweite, dritte,

Die hatten vorher eine Favorite;

Gegen uns waren’s garstige Dinger,

Sie aber hielten uns doch geringer.

Wir waren reizend, geistig, munter,

Die Moslems wollten wieder hinunter.

Nun war uns himmlisch Hochgebornen

Ein solch Betragen ganz zuwider;

Wir aufgewiegelten Verschwornen

Besannen uns schon hin und wieder,

Als der Prophet durch alle Himmel fuhr,

Da paßten wir auf seine Spur.

Rückkehrend hatt’ er sich’s nicht versehn,

Das Flügel-Pferd, es mußte stehn.

Da hatten wir ihn in der Mitte! –

Freundlich ernst, nach Propheten-Sitte,

Wurden wir kürzlich von ihm beschieden;

Wir aber waren sehr unzufrieden.

Denn seine Zwecke zu erreichen,

Sollten wir eben alles lenken;

So wie ihr dächtet, sollten wir denken,

Wir sollten euren Liebchen gleichen.

Unsre Eigenliebe ging verloren,

Die Mädchen krauten hinter den Ohren.

Doch, dachten wir, im ewigen Leben

Muß man sich eben in alles ergeben.

Nun sieht ein jeder, was er sah,

Und ihm geschieht, was ihm geschah.

Wir sind die Blonden, wir sind die Braunen,

Wir haben Grillen und haben Launen,

Ja, wohl auch manchmal eine Flause,

Ein jeder denkt, er sei zu Hause.

Und wir darüber sind frisch und froh,

Daß sie meinen, es wäre so.

Du aber bist von freiem Humor,

Ich komme dir paradiesisch vor;

Du gibst dem Blick, dem Kuß die Ehre,

Und wenn ich auch nicht Suleika wäre.

Doch da sie gar zu lieblich war,

So glich sie mir wohl auf ein Haar.

Dichter

Du blendest mich mit Himmelsklarheit;

Es sei nun Täuschung oder Wahrheit,

Genug, ich bewundre dich vor allen.

Um ihre Pflicht nicht zu versäumen,

Um einem Deutschen zu gefallen,

Spricht eine Huri in Knittelreimen.

Huri

Ja, reim auch du nur unverdrossen,

Wie es dir aus der Seele steigt!

Wir paradiesische Genossen

Sind Wort und Taten reinen Sinns geneigt.

Die Tiere, weißt du, sind nicht ausgeschlossen,

Die sich gehorsam, die sich treu erzeugt!

Ein derbes Wort kann Huri nicht verdrießen;

Wir fühlen, was vom Herzen spricht,

Und was aus frischer Quelle bricht,

Das darf im Paradiese fließen.

Huri

Wieder einen Finger schlägst du mir ein!

Weißt du denn, wie viel Äonen

Wir vertraut schon zusammen wohnen?

Dichter

Nein! – Will’s auch nicht wissen. Nein!

Mannigfaltiger frischer Genuß,

Ewig bräutlich keuscher Kuß! –

Wenn jeder Augenblick mich durchschauert,

Was soll ich fragen, wie lang es gedauert!

Huri

Abwesend bist denn doch auch einmal;

Ich merk es wohl, ohne Maß und Zahl.

Hast in dem Weltall nicht verzagt,

An Gottes Tiefen dich gewagt.

Nun sei der Liebsten auch gewärtig!

Hast du nicht schon das Liedchen fertig?

Wie klang es draußen an dem Tor?

Wie klingt’s? – Ich will nicht stärker in dich dringen,

Sing mir die Lieder an Suleika vor:

Denn weiter wirst du’s doch im Paradies nicht bringen.

Begünstigte Tiere

Vier Tieren auch verheißen war,

Ins Paradies zu kommen.

Dort leben sie das ew’ge Jahr

Mit Heiligen und Frommen.

Den Vortritt hier ein Esel hat;

Er kommt mit muntern Schritten:

Denn Jesus zur Prophetenstadt

Auf ihm ist eingeritten.

Halb schüchtern kommt ein Wolf sodann,

Dem Mahomet befohlen:

»Laß dieses Schaf dem armen Mann!

Dem Reichen magst du’s holen.«

Nun immer wedelnd, munter, brav,

Mit seinem Herrn, dem braven,

Das Hündlein, das den Siebenschlaf

So treulich mit geschlafen.

Abuherriras Katze hier

Knurrt um den Herrn und schmeichelt.

Denn immer ist’s ein heilig Tier,

Das der Prophet gestreichelt.

Höheres und Höchstes

Daß wir solche Dinge lehren,

Möge man uns nicht bestrafen:

Wie das alles zu erklären,

Dürft ihr euer Tiefstes fragen.

Und so werdet ihr vernehmen,

Daß der Mensch mit sich zufrieden,

Gern sein Ich gerettet sähe,

So dadroben wie hienieden.

Und mein liebes Ich bedürfte

Mancherlei Bequemlichkeiten;

Freuden, wie ich hier sie schlürfte,

Wünscht ich auch für ewge Zeiten.

So gefallen seine Gärten,

Blum und Frucht und hübsche Kinder,

Die uns allen hier gefielen,

Auch verjüngtem Geist nicht minder.

Und so möcht ich alle Freunde,

Jung und alt, in eins versammeln,

Gar zu gern in deutscher Sprache

Paradieses Worte stammeln.

Doch man horcht nun Dialekten,

Wie sich Mensch und Engel kosen,

Der Grammatik, der versteckten,

Deklinierend Mohn und Rosen.

Mag man ferner auch in Blicken

Sich rhetorisch gern ergehen

Und zu himmlischem Entzücken

Ohne Klang und Ton erhöhen.

Ton und Klang jedoch entbindet

Sich dem Worte selbstverständlich,

Und entschiedener empfindet

Der Verklärte sich unendlich.

Ist somit dem Fünf der Sinne

Vorgesehn im Paradiese,

Sicher ist es, ich gewinne

Einen Sinn für alle diese.

Und nun dring ich aller Orten

Leichter durch die ewgen Kreise,

Die durchdrungen sind vom Worte

Gottes rein-lebendger Weise.

Ungehemmt mit heißem Triebe

Läßt sich da kein Ende finden,

Bis im Anschaun ewger Liebe

Wir verschweben, wir verschwinden.

Siebenschläfer

Sechs Begünstigte des Hofes

Fliehen vor des Kaisers Grimme,

Der als Gott sich läßt verehren,

Doch als Gott sich nicht bewähret:

Denn ihn hindert eine Fliege,

Guter Bissen sich zu freuen.

Seine Diener scheuchen wedelnd,

Nicht verjagen sie die Fliege.

Sie umschwärmt ihn, sticht und irret

Und verwirrt die ganze Tafel,

Kehret wieder wie des häm’schen

Fliegengottes Abgesandter.

»Nun«, – so sagen sich die Knaben –

»Sollt ein Flieglein Gott verhindern?

Sollt ein Gott auch trinken, speisen,

Wie wir andern? Nein, der Eine,

Der die Sonn erschuf, den Mond auch,

Und der Sterne Glut uns wölbte,

Dieser ist’s, wir fliehn!« – Die zarten

Leicht beschuht-beputzten Knaben

Nimmt ein Schäfer auf, verbirgt sie

Und sich selbst in Felsenhöhle.

Schäferhund, er will nicht weichen;

Weggescheucht, den Fuß zerschmettert,

Drängt er sich an seinen Herrn

Und gesellt sich zum Verborgnen,

Zu den Lieblingen des Schlafes.

Und der Fürst, dem sie entflohen,

Liebentrüstet, sinnt auf Strafen,

Weiset ab so Schwert als Feuer;

In die Höhle sie mit Ziegeln

Und mit Kalk sie läßt vermauern.

Aber jene schlafen immer,

Und der Engel, ihr Beschützer,

Sagt vor Gottes Thron berichtend:

»So zur Rechten, so zur Linken

Hab ich immer sie gewendet,

Daß die schönen jungen Glieder

Nicht des Moders Qualm verletze.

Spalten riß ich in die Felsen,

Daß die Sonne steigend, sinkend,

Junge Wangen frisch erneute:

Und so liegen sie beseligt.

Auch, auf heilen Vorderpfoten,

Schläft das Hündlein süßen Schlummer.«

Jahre fliehen, Jahre kommen,

Wachen endlich auf die Knaben,

Und die Mauer, die vermorschte,

Altershalber ist gefallen.

Und Jamblika sagt, der Schöne,

Ausgebildete vor allen,

Als der Schäfer fürchtend zaudert:

»Lauf ich hin und hol euch Speise,

Leben wag ich und das Goldstück!« –

Ephesus gar manches Jahr schon

Ehrt die Lehre des Propheten

Jesus. (Friede sei dem Guten!)

Und er lief, da war der Tore

Wart’ und Turm und alles anders.

Doch zum nächsten Bäckerladen

Wandt er sich nach Brot in Eile.

»Schelm!« so rief der Bäcker, »hast du,

Jüngling, einen Schatz gefunden?

Gib mir, dich verrät das Goldstück,

Mir die Hälfte zum Versöhnen!«

Und sie hadern. – Vor den König

Kommt der Handel; auch der König

Will nur teilen wie der Bäcker.

Nun betätigt sich das Wunder

Nach und nach aus hundert Zeichen.

An dem selbsterbauten Palast

Weiß er sich sein Recht zu sichern;

Denn ein Pfeiler durchgegraben

Führt zu scharfbenamsten Schätzen.

Gleich versammeln sich Geschlechter,

Ihre Sippschaft zu beweisen.

Und als Ururvater prangend

Steht Jamblikas Jugendfülle.

Wie von Ahnherrn hört er sprechen

Hier von seinem Sohn und Enkeln;

Der Urenkel Schar umgibt ihn,

Als ein Volk von tapfern Männern,

Ihn, den jüngsten, zu verehren.

Und ein Merkmal übers andre

Dringt sich auf, Beweis vollendend,

Sich und den Gefährten hat er

Die Persönlichkeit bestätigt.

Nun zur Höhle kehrt er wieder;

Volk und König ihn geleiten. –

Nicht zum König, nicht zum Volke

Kehrt der Auserwählte wieder;

Denn die Sieben, die von lang her

(Achte waren’s mit dem Hunde)

Sich von aller Welt gesondert,

Gabriels geheim Vermögen

Hat, gemäß dem Willen Gottes,

Sie dem Paradies geeignet,

Und die Höhle schien vermauert.

Gute Nacht!

Nun, so legt euch, liebe Lieder,

An den Busen meinem Volke!

Und in einer Moschuswolke

Hüte Gabriel die Glieder

Des Ermüdeten gefällig,

Daß er frisch und wohlerhalten,

Froh, wie immer, gern gesellig,

Möge Felsenklüfte spalten,

Um des Paradieses Weiten

Mit Heroen aller Zeiten

Im Genusse zu durchschreiten,

Wo das Schöne, stets das Neue,

Immer wächst nach allen Seiten,

Daß die Unzahl sich erfreue.

Ja, das Hündlein gar, das treue,

Darf die Herren hinbegleiten.

 
 * 

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