Geweihter Platz

Wenn zu den Reihen der Nymphen, versammelt in heiliger Mondnacht,

Sich die Grazien heimlich herab vom Olympus gesellen,

Hier belauscht sie der Dichter und hört die schönen Gesänge,

Sieht verschwiegener Tänze geheimnißvolle Bewegung.

Was der Himmel nur Herrliches hat, was glücklich die Erde

Reizendes immer gebar, das erscheint dem wachenden Träumer.

Alles erzählt er den Musen, und daß die Götter nicht zürnen,

Lehren die Musen ihn gleich bescheiden Geheimnisse sprechen.

 
 * 

Das Sonett

Sich in erneutem Kunstgebrauch zu üben,

Ist heil’ge Pflicht, die wir dir auferlegen:

Du kannst dich auch, wie wir, bestimmt bewegen

Nach Tritt und Schritt, wie es dir vorgeschrieben.

Denn eben die Beschränkung läßt sich lieben,

Wenn sich die Geister gar gewaltig regen;

Und wie sie sich denn auch geberden mögen,

Das Werk zuletzt ist doch vollendet blieben.

So möcht’ ich selbst in künstlichen Sonetten,

In sprachgewandter Maße kühnem Stolze,

Das Beste, was Gefühl mir gäbe, reimen;

Nur weiß ich hier mich nicht bequem zu betten;

Ich schneide sonst sogern aus ganzem Holze,

Und müßte nun doch auch mitunter leimen.

 
 * 

Harfenspieler

An die Türen will ich schleichen,

Still und sittsam will ich stehn;

Fromme Hand wird Nahrung reichen,

Und ich werde weitergehn.

Jeder wird sich glücklich scheinen,

Wenn mein Bild vor ihm erscheint;

Eine Träne wird er weinen,

Und ich weiß nicht, was er weint.

 
 * 

Das Parterre spricht

Strenge Fräulein zu begrüßen,

Muß ich mich bequemen;

Mit den liederlichen Süßen

Werd’ ich’s leichter nehmen.

Auf der Bühne lieb’ ich droben

Keine Redumschweife;

Soll ich denn am Ende loben

Was ich nicht begreife?

Lose, faßliche Geberden

Können mich verführen;

Lieber will ich schlechter werden,

Als mich ennuyiren.

 
 * 

Guter Rat

Geschieht wohl, daß man einen Tag

Weder sich noch andre leiden mag,

Will nichts dir nach dem Herzen ein;

Sollts in der Kunst wohl anders sein?

Drum hetze nicht zur schlimmen Zeit,

Denn Füll und Kraft sind nimmer weit:

Hast in der bösen Stund geruht,

Ist dir die gute doppelt gut.

 
 * 

Erster Verlust

Ach, wer bringt die schönen Tage,

Jene Tage der ersten Liebe,

Ach, wer bringt nur eine Stunde

Jener holden Zeit zurück!

Einsam nähr ich meine Wunde,

Und mit stets erneuter Klage

Traur ich ums verlorne Glück.

Ach, wer bringt die schönen Tage,

Jene holde Zeit zurück!

 
 * 

Wie du mir, so ich dir

Mann mit zugeknöpften Taschen,

Dir thut Niemand was zu lieb;

Hand wird nur von Hand gewaschen;

Wenn du nehmen willst, so gieb!

 
 * 

Dilettant und Künstler

Blätter, nach Natur gestammelt,

Sind sie endlich auch gesammelt,

Deuten wohl auf Kunst und Leben;

Aber ihr, im Künstlerkranze,

Jedes Blatt sei euch das Ganze,

Und belohnt ist euer Streben.

 
 * 

Stoßgebet

Vor Werthers Leiden,

Mehr noch vor seinen Freuden

Bewahr uns, lieber Herre Gott!

 
 * 

Gellert’s Monument

von Oeser.

Als Gellert, der geliebte, schied,

Manch gutes Herz im Stillen weinte,

Auch manches matte, schiefe Lied

Sich mit dem reinen Schmerz vereinte;

Und jeder Stümper bei dem Grab

Ein Blümchen an die Ehrenkrone,

Ein Scherflein zu des Edlen Lohne,

Mit vielzufriedner Miene gab:

Stand Oeser seitwärts von den Leuten

Und fühlte den Geschiednen, sann

Ein bleibend Bild, ein lieblich Deuten

Auf den verschwundnen werthen Mann;

Und sammelte mit Geistesflug

Im Marmor alles Lobes Stammeln,

Wie wir in einen engen Krug

Die Asche des Geliebten sammeln.

 
 * 

Dem aufgehenden Vollmonde

Willst du mich sogleich verlassen?

Warst im Augenblick so nah!

Dich umfinstern Wolkenmassen

Und nun bist du gar nicht da.

Doch du fühlst, wie ich betrübt bin,

Blickt dein Rand herauf als Stern!

Zeugest mir, daß ich geliebt bin,

Sei das Liebchen noch so fern.

So hinan denn! hell und heller,

Reiner Bahn, in voller Pracht!

Schlägt mein Herz auch schmerzlich schneller,

Überselig ist die Nacht.

 
 * 

Klaggesang

Irisch.

So singet laut den Pillalu

Zu mancher Thräne Sorg’ und Noth:

Och orro orro ollalu,

O weh des Herren Kind ist todt!

Zu Morgen, als es tagen wollt’,

Die Eule kam vorbeigeschwingt,

Rohrdommel Abends tönt im Rohr.

Ihr nun die Todtensänge singt:

Och orro orro ollalu.

Und sterben du? warum, warum

Verlassen deiner Eltern Lieb’?

Verwandten Stammes weiten Kreis?

Den Schrei des Volkes hörst du nicht:

Och orro orro ollalu.

Und scheiden soll die Mutter, wie,

Von ihrem Liebchen schön und süß?

Warst du nicht ihres Herzens Herz,

Der Puls, der ihm das Leben gab?

Och orro orro ollalu.

Den Knaben läßt sie weg von sich,

Der bleibt und wes’t für sich allein,

Das Frohgesicht, sie sieht’s nicht mehr,

Sie saugt nicht mehr den Jugendhauch.

Och orro orro ollalu.

Da sehet hin an Berg und Steg!

Den Uferkreis am reinen See,

Von Waldesecke, Saatenland,

Bis nah heran zu Schloß und Wall.

Och orro orro ollalu.

Die Jammer-Nachbarn dringen her,

Mit hohlem Blick und Athem schwer;

Sie halten an und schlängeln fort

Und singen Tod im Todtenwort:

Och orro orro ollalu.

So singet laut den Pillalu

Und weinet, was ihr weinen wollt!

Och orro orro ollalu,

Des Herren einz’ger Sohn ist fort.

 
 * 

Unerläßlich

Gar Manches artig ist geschehn

Durch leichte Griffelspiele;

Doch, recht betrachtet, wohl besehn,

Fehlt immer Hain und Mühle.

 
 * 

Nun sitzt der Ritter an dem Ort

Nun sitzt der Ritter an dem Ort,

Den ihr ihm nanntet, liebe Kinder;

Sein Pferd ging ziemlich langsam fort,

Und seine Seele nicht geschwinder.

Da sitz ich nun vergnügt bei Tisch

Und endige mein Abenteuer

Mit einem paar gesottner Eier

Und einem Stück gebratnem Fisch.

Die Nacht war wahrlich ziemlich düster,

Mein Falke stolperte wie blind;

Und doch fand ich den Weg so gut, als ihn der Küster

Des Sonntags früh zur Kirche findt.

 
 * 

Zueignung

Der Morgen kam; es scheuchten seine Tritte

Den leisen Schlaf, der mich gelind umfing,

Daß ich, erwacht, aus meiner stillen Hütte

Den Berg hinauf mit frischer Seele ging;

Ich freute mich bei einem jeden Schritte

Der neuen Blume, die voll Tropfen hing;

Der junge Tag erhob sich mit Entzücken,

Und alles war erquickt, mich zu erquicken.

Und wie ich stieg, zog von dem Fluß der Wiesen

Ein Nebel sich in Streifen sacht hervor.

Er wich und wechselte mich zu umfließen,

Und wuchs geflügelt mir ums Haupt empor:

Des schönen Blicks sollt’ ich nicht mehr genießen,

Die Gegend deckte mir ein trüber Flor;

Bald sah ich mich von Wolken wie umgossen

Und mit mir selbst in Dämmrung eingeschlossen.

Auf einmal schien die Sonne durchzudringen,

Im Nebel ließ sich eine Klarheit sehn;

Hier sank er leise sich hinabzuschwingen,

Hier teilt’ er steigend sich um Wald und Höhn.

Wie hofft’ ich ihr den ersten Gruß zu bringen!

Sie hofft’ ich nach der Trübe doppelt schön.

Der luft’ge Kampf war lange nicht vollendet,

Ein Glanz umgab mich, ich stand geblendet.

Bald machte mich, die Augen aufzuschlagen,

Ein innrer Trieb des Herzens wieder kühn;

Ich konnt’ es nur mit schnellen Blicken wagen,

Denn alles schien zu brennen und zu glühn.

Da schwebte, mit den Wolken hergetragen,

Ein göttlich Weib vor meinen Augen hin,

Kein schöner Bild sah ich in meinem Leben;

Sie sah mich an und blieb verweilend schweben.

Kennst du mich nicht? sprach sie mit einem Munde,

Dem aller Lieb’ und Treue Ton entfloß:

Erkennst du mich, die ich in manche Wunde

Des Lebens dir den reinsten Balsam goß?

Du kennst mich wohl, an die zu ew’gem Bunde

Dein strebend Herz sich fest und fester schloß.

Sah ich dich nicht mit heißen Herzenstränen

Als Knabe schon nach mir dich eifrig sehnen?

Ja! rief ich aus, indem ich selig nieder

Zur Erde sank, lang hab’ ich dich gefühlt;

Du gabst mir Ruh, wenn durch die jungen Glieder

Die Leidenschaft sich rastlos durchgewühlt:

Du hast mir, wie mit himmlischem Gefieder,

Am heißen Tag die Stirne sanft gekühlt;

Du schenktest mir der Erde beste Gaben

Und jedes Glück will ich durch dich nur haben!

Dich nenn’ ich nicht. Zwar hör’ ich dich von vielen

Gar oft genannt, und jeder heißt dich sein,
Ein jedes Auge glaubt auf dich zu zielen,

Fast jedem Auge wird dein Strahl zur Pein.

Ach, da ich irrte, hatt’ ich viel Gespielen,

Da ich dich kenne, bin ich fast allein;

Ich muß mein Glück nur mit mir selbst genießen,

Dein holdes Licht verdecken und verschließen.

Sie lächelte, sie sprach: Du siehst, wie klug,

Wie nötig war’s, euch wenig zu enthüllen!

Kaum bist du sicher vor dem gröbsten Trug,

Kaum bist du Herr vom ersten Kinderwillen,

So glaubst du dich schon Übermensch genug,

Versäumst die Pflicht des Mannes zu erfüllen!

Wie viel bist du von andern unterschieden?

Erkenne dich, leb’ mit der Welt in Frieden!

Verzeih mir, rief ich aus, ich meint’ es gut;

Soll ich umsonst die Augen offen haben?

Ein froher Wille lebt in meinem Blut;

Ich kenne ganz den Wert von deinen Gaben!

Für andre wächst in mir das edle Gut,

Ich kann und will das Pfund nicht mehr vergraben!

Warum sucht’ ich den Weg so sehnsuchtsvoll,

Wenn ich ihn nicht den Brüdern zeigen soll?

Und wie ich sprach, sah mich das hohe Wesen

Mit einem Blick mitleid’ger Nachsicht an;

Ich konnte mich in ihrem Auge lesen,

Was ich verfehlt und was ich recht getan.

Sie lächelte, da war ich schon genesen,

Zu neuen Freuden stieg mein Geist heran;

Ich konnte nun mit innigem Vertrauen

Mich zu ihr nahn und ihre Nähe schauen.

Da reckte sie die Hand aus in die Streifen

Der leichten Wolken und des Dufts umher;

Wie sie ihn faßte, ließ er sich ergreifen,

Er ließ sich ziehn, es war kein Nebel mehr.

Mein Auge konnt’ im Tale wieder schweifen,

Gen Himmel blickt’ ich, er war hell und hehr.

Nur sah ich sie den reinsten Schleier halten,

Er floß um sie und schwoll in tausend Falten.

Ich kenne dich, ich kenne deine Schwächen,

Ich weiß, was Gutes in dir lebt und glimmt!

- So sagte sie, ich hör’ sie ewig sprechen, –

Empfange hier, was ich dir lang bestimmt!

Dem Glücklichen kann es an nichts gebrechen,

Der dies Geschenk mit stiller Seele nimmt:

Aus Morgenduft gewebt und Sonnenklarheit,

Der Dichtung Schleier aus der Hand der Wahrheit.

Und wenn es dir und deinen Freunden schwüle

Am Mittag wird, so wirf ihn in die Luft!

Sogleich umsäuselt Abendwindes Kühle,

Umhaucht euch Blumen-Würzgeruch und Duft.

Es schweigt das Wehen banger Erdgefühle,

Zum Wolkenbette wandelt sich die Gruft,

Besänftigt wird jede Lebenswelle,

Der Tag wird lieblich, und die Nacht wird helle.

So kommt denn, Freunde, wenn auf euren Wegen

Des Lebens Bürde schwer und schwerer drückt,

Wenn eure Bahn ein frischerneuter Segen

Mit Blumen ziert, mit goldnen Früchten schmückt,

Wir gehn vereint dem nächsten Tag entgegen!

So leben wir, so wandeln wir beglückt.

Und dann auch soll, wenn Enkel um uns trauern,

Zu ihrer Lust noch unsre Liebe dauern.

 
 * 

Ferne

Königen, sagt man, gab die Natur vor andern Gebornen

Eines längeren Arms weithinaus fassende Kraft.

Doch auch mir, dem Geringen, verlieh sie das fürstliche Vorrecht:

Denn ich fasse von fern, halte dich, Lida, mir fest.

 
 * 

Regen und Regenbogen

Auf schweres Gewitter und Regenguß

Blickt’ ein Philister zum Beschluß

Ins weiterziehende Grause nach,

Und so zu seinesgleichen sprach:

Der Donner hat uns sehr erschreckt,

Der Blitz die Scheunen angesteckt,

Und das war unsrer Sünden Teil!

Dagegen hat, zu frischem Heil,

Der Regen fruchtbar uns erquickt

Und für den nächsten Herbst beglückt.

Was kommt nun aber der Regenbogen

An grauer Wand herangezogen?

Der mag wohl zu entbehren sein,

Der bunte Trug! der leere Schein!

Frau Iris aber dagegen sprach:

Erkühnst du dich zu meiner Schmach?

Doch bin ich hier ins All gestellt

Als Zeugnis einer bessern Welt,

Für Augen, die vom Erdenlauf

Getrost sich wenden zum Himmel auf

Und in der Dünste trübem Netz

Erkennen Gott und sein Gesetz.

Drum wühle du, ein andres Schwein,

Nur immer den Rüssel in den Boden hinein

Und gönne dem verklärten Blick

An meiner Herrlichkeit sein Glück.

 
 * 

Epirrhema

Müsset im Naturbetrachten

Immer eins wie alles achten:

Nichts ist drinnen, nichts ist draußen;

Denn was innen, das ist außen.

So ergreifet ohne Säumnis

Heilig öffentlich Geheimnis.

Freuet auch des wahren Scheins,

Euch des ernsten Spieles:

Kein Lebendiges ist ein Eins,

Immer ists ein Vieles.

 
 * 

Elfenlied

Um Mitternacht, wenn die Menschen erst schlafen,

Dann scheinet uns der Mond,

Dann leuchtet uns der Stern;

Wir wandeln und singen

Und tanzen erst gern.

Um Mitternacht, wenn die Menschen erst schlafen,

Auf Wiesen, an den Erlen

Wir suchen unsern Raum

Und wandeln und singen

Und tanzen einen Traum.

 
 * 

Poetische Gedanken über die Höllenfahrt Jesu Christi

Welch ungewöhnliches Getümmel!

Ein Jauchzen tönet durch die Himmel.

Ein großes Heer zieht herrlich fort.

Gefolgt von tausend Millionen,

Steigt Gottes Sohn von seinen Thronen

Und eilt an jenen finstern Ort.

Er eilt, umgeben von Gewittern;

Als Richter kommt Er und als Held.

Er geht, und alle Sterne zittern.

Die Sonne bebt. Es bebt die Welt.

Ich seh Ihn auf dem Siegeswagen,

Von Feuerrädern fortgetragen,

Den, der für uns am Kreuze starb.

Er zeigt den Sieg auch jenen Fernen,

Weit von der Welt, weit von den Sternen,

Den Sieg, den Er für uns erwarb.

Er kommt, die Hölle zu zerstören,

Die schon Sein Tod darniederschlug;

Sie soll von Ihm ihr Urteil hören.

Hört! jetzt erfüllet sich der Fluch.

Die Hölle sieht den Sieger kommen,

Sie fühlt sich ihre Macht genommen.

Sie bebt und scheut sein Angesicht.

Sie kennet Seines Donners Schrecken.

Sie sucht umsonst sich zu verstecken.

Sie sucht zu fliehn und kann es nicht.

Sie eilt vergebens, sich zu retten

Und sich dem Richter zu entziehn,

Der Zorn des Herrn, gleich ehrnen Ketten

Hält ihren Fuß, sie kann nicht fliehn.

Hier lieget der zertretne Drache,

Er liegt und fühlt des Höchsten Rache,

Er fühlet sie und knirscht vor Wut.

Er fühlt der ganzen Hölle Qualen,

Er ächzt und heult bei tausend Malen:

Vernichte mich, o heiße Glut!

Da liegt er in dem Flammen-Meere,

Ihn foltern ewig Angst und Pein.

Er flucht, daß ihn die Qual verzehre,

Und hört, die Qual soll ewig sein.

Auch hier sind jene große Scharen,

Die mit ihm gleichen Lasters waren,

Doch lange nicht so bös als er.

Hier liegt die ungezählte Menge,

In schwarzem schröcklichen Gedränge,

Im Feuer-Orkan um ihn her.

Er sieht, wie sie den Richter scheuen,

Er sieht, wie sie der Sturm zerfrißt.

Er siehts und kann sich doch nicht freuen,

Weil seine Pein noch größer ist.

Des Menschen Sohn steigt im Triumphe

Hinab zum schwarzen Höllen-Sumpfe

Und zeigt dort seine Herrlichkeit.

Die Hölle kann den Glanz nicht tragen,

Seit ihren ersten Schöpfungs-Tagen

Beherrschte sie die Dunkelheit.

Sie lag entfernt von allem Lichte,

Erfüllt von Qual im Chaos hier.

Den Strahl von Seinem Angesichte

Verwandte Gott auf stets von ihr.

Jetzt siehet sie in ihren Grenzen

Die Herrlichkeit des Sohnes glänzen,

Die fürchterliche Majestät.

Sie sieht mit Donnern Ihn umgeben,

Sie sieht, daß alle Felsen beben,

Wie Gott im Grimme vor ihr steht.

Sie siehts: Er kommet, sie zu richten,

Sie fühlt den Schmerzen, der sie plagt;

Sie wünscht umsonst, sich zu vernichten.

Auch dieser Trost bleibt ihr versagt.

Nun denkt sie an ihr altes Glücke,

Voll Pein an jene Zeit zurücke,

Da dieser Glanz ihr Lust gebar;

Da noch ihr Herz im Stand der Tugend,

Ihr froher Geist in frischer Jugend

Und stets voll neuer Wonne war.

Sie denkt mit Wut an ihr Verbrechen,

Wie sie die Menschen kühn betrog.

Sie dachte sich an Gott zu rächen,

Jetzt fühlt sie, was es nach sich zog.

Gott ward ein Mensch. Er kam auf Erden.

Auch Dieser soll mein Opfer werden,

Sprach Satanas und freute sich.

Er suchte Christum zu verderben,

Der Welten Schöpfer sollte sterben.

Doch weh dir, Satan, ewiglich!

Du glaubtest, Ihn zu überwinden,

Du freutest dich bei Seiner Not.

Doch siegreich kommt Er, dich zu binden.

Wo ist dein Stachel hin, o! Tod?

Sprich, Hölle! Sprich, wo ist dein Siegen?

Sieh nur, wie deine Mächte liegen.

Erkennst du bald des Höchsten Macht?

Sieh, Satan! Sieh dein Reich zerstöret.

Von tausendfacher Qual beschweret,

Liegst du in ewig finstrer Nacht.

Da liegst du wie vom Blitz getroffen.

Kein Schein vom Glück erfreuet dich.

Es ist umsonst. Du darfst nichts hoffen,

Messias starb allein für mich!

Es steigt ein Heulen durch die Lüfte,

Schnell wanken jene schwarze Grüfte,

Als Christus Sich der Hölle zeigt.

Sie knirscht aus Wut; doch ihrem Wüten

Kann unser großer Held gebieten;

Er winkt, die ganze Hölle schweigt.

Der Donner rollt vor Seiner Stimme.

Die hohe Siegesfahne weht.

Selbst Engel zittern vor dem Grimme,

Wann Christus zum Gerichte geht.

Jetzt spricht Er; Donner ist Sein Sprechen,

Er spricht, und alle Felsen brechen,

Sein Atem ist dem Feuer gleich.

So spricht Er: Zittert, ihr Verruchte!

Der, der in Eden euch verfluchte,

Kommt und zerstöret euer Reich.

Seht auf! Ihr waret Meine Kinder,

Ihr habt euch wider Mich empört.

Ihr fielt und wurdet freche Sünder,

Ihr habt den Lohn, der euch gehört.

Ihr wurdet Meine größten Feinde,

Verführet Meine liebsten Freunde.

Die Menschen fielen so wie ihr.

Ihr wolltet ewig sie verderben,

Des Todes sollten alle sterben,

Doch, heulet! Ich erwarb sie Mir.

Für sie bin Ich herabgegangen,

Ich litt, Ich bat, Ich starb für sie.

Ihr sollt nicht euren Zweck erlangen.

Wer an Mich glaubt, der stirbet nie.

Hier lieget ihr in ewgen Ketten,

Nichts kann euch aus dem Pfuhl erretten,

Nicht Reue, nicht Verwegenheit.

Da liegt, krümmt euch in Schwefel-Flammen!

Ihr eilet, euch selbst zu verdammen.

Da liegt und klagt in Ewigkeit!

Auch ihr, so Ich Mir auserkoren,

Auch ihr verscherztet Meine Huld;

Auch ihr seid ewiglich verloren.

Ihr murret? Gebt Mir keine Schuld.

Ihr solltet ewig mit Mir leben,

Euch ward hierzu Mein Wort gegeben,

Ihr sündigtet und folgtet nicht.

Ihr lebtet in dem Sünden-Schlafe.

Nun quält euch die gerechte Strafe.

Ihr fühlt Mein schreckliches Gericht. –

So sprach Er, und ein furchtbar Wetter

Geht von Ihm aus. Die Blitze glühn.

Der Donner faßt die Übertreter

Und stürzt sie in den Abgrund hin.

Der Gott-Mensch schließt der Höllen Pforten,

Er schwingt Sich aus den dunklen Orten

In seine Herrlichkeit zurück.

Er sitzet an des Vaters Seiten,

Er will noch immer für uns streiten.

Er wills! O, Freunde! Welches Glück!

Der Engel feierliche Chöre,

Die jauchzen vor dem großen Gott,

Daß es die ganze Schöpfung höre:

Groß ist der Herr Gott Zebaoth!

 
 * 

Vom Berge

Wenn ich, liebe Lili, dich nicht liebte,

Welche Wonne gäb mir dieser Blick!

Und doch, wenn ich, Lili, dich nicht liebte,

Fänd ich hier und fänd ich dort mein Glück?

 
 * 

Heilige Familie

O des süßen Kindes, und o der glücklichen Mutter,

Wie sie sich einzig in ihm, wie es in ihr sich ergötzt!

Welche Wonne gewährte der Blick auf dies herrliche Bild mir,

Stünd’ ich Armer nicht so heilig, wie Joseph, dabei!

 
 * 

Laßt fahren hin das allzu Flüchtige

Laßt fahren hin das allzu Flüchtige!

Ihr sucht bei ihm vergebens Rat;

In dem Vergangnen lebt das Tüchtige,

Verewigt sich in schöner Tat.

Und so gewinnt sich das Lebendige

Durch Folg aus Folge neue Kraft;

Denn die Gesinnung, die beständige,

Sie macht allein den Menschen dauerhaft.

So löst sich jene große Frage

Nach unserm zweiten Vaterland;

Denn das Beständige der irdschen Tage

Verbürgt uns ewigen Bestand.

 
 * 

Philine

Singet nicht in Trauertönen

Von der Einsamkeit der Nacht;

Nein, sie ist, o holde Schönen,

Zur Geselligkeit gemacht.

Wie das Weib dem Mann gegeben

Als die schönste Hälfte war,

Ist die Nacht das halbe Leben,

Und die schönste Hälfte zwar.

Könnt ihr euch des Tages freuen,

Der nur Freuden unterbricht?

Er ist gut, sich zu zerstreuen,

Zu was anderm taugt er nicht.

Aber wenn in nächtger Stunde

Süßer Lampe Dämmrung fließt,

Und vom Mund zum nahen Munde

Scherz und Liebe sich ergießt;

Wenn der rasche lose Knabe,

Der sonst wild und feurig eilt,

Oft bei einer kleinen Gabe

Unter leichten Spielen weilt;

Wenn die Nachtigall Verliebten

Liebevoll ein Liedchen singt,

Das Gefangnen und Betrübten

Nur wie Ach und Wehe klingt:

Mit wie leichtem Herzensregen

Horchet ihr der Glocke nicht,

Die mit zwölf bedächtgen Schlägen

Ruh und Sicherheit verspricht!

Darum an dem langen Tage

Merke dir es, liebe Brust:

Jeder Tag hat seine Plage,

Und die Nacht hat ihre Lust.

 
 * 

Entschuldigung

Du verklagest das Weib, sie schwanke von Einem zum Andern!

Tadle sie nicht, sie sucht einen beständigen Mann.

 
 * 

Die Weisen und die Leute

Epimenides.

Kommt, Brüder! sammelt euch im Hain!

Schon drängt das Volk, es strömt herein

Von Nord, Süd, West und Osten.

Sie möchten gern belehret sein,

Doch soll’s nicht Mühe kosten.

Ich bitt’ euch, haltet euch bereit,

Ihm derb den Text zu lesen.

Die Leute.

Ihr Grillenfänger, sollt uns heut

Zur Rede stehn mit Deutlichkeit

Und nicht mit dunklem Wesen.

Sagt! – Ist die Welt von Ewigkeit?

Anaxagoras.

Ich glaub’ es; denn zu jeder Zeit,

Wo sie noch nicht gewesen,

Das wäre Schade gewesen.

Die Leute.

Doch ob der Untergang ihr dräut?

Anaximenes.

Vermutlich! doch mir ist’s nicht leid;

Denn bleibt nur Gott in Ewigkeit,

Wird’s nie an Welten fehlen.

Die Leute.

Allein was ist Unendlichkeit?

Parmenides.

Wie kannst du so dich quälen!

Geh’ in dich selbst! Entbehrst du drin

Unendlichkeit in Geist und Sinn,

So ist dir nicht zu helfen!

Die Leute.

Wo denken, und wie denken wir?

Diogenes.

So hört doch auf zu belfen!

Der Denker denkt vom Hut zum Schuh,

Und ihm geräth, in Blitzes Nu,

Das Was, das Wie, das Beste.

Die Leute.

Haus’t wirklich eine Seel’ in mir?

Mimnermus.

Das frage deine Gäste.

Denn, siehst du, ich gestehe dir:

Das art’ge Wesen, das, entzückt,

Sich selbst und Andre gern beglückt,

Das möcht’ ich Seele nennen.

Die Leute.

Liegt auch bei Nacht der Schlaf auf ihr?

Periander.

Kann sich von dir nicht trennen.

Es kommt auf dich, du Körper, an!

Hast du dir leiblich wohlgethan,

Wird sie erquicklich ruhen.

Die Leute.

Was ist der sogenannte Geist?

Cicobulus.

Was man so Geist gewöhnlich heißt,

Antwortet, aber fragt nicht.

Die Leute.

Erkläre mir, was glücklich heißt!

Crates.

Das nackte Kind, das zagt nicht;

Mit seinem Pfennig springt es fort,

Und kennt recht gut den Semmelort,

Ich meine des Bäckers Laden.

Die Leute.

Sprich, wer Unsterblichkeit beweist’?

Aristipp.

Den rechten Lebensfaden

Spinnt Einer, der lebt und leben läßt,

Er drille zu, er zwirne fest,

Der liebe Gott wird weifen.

Die Leute.

Ist’s besser thöricht oder klug?

Demokrit.

Das läßt sich auch begreifen.

Hält sich der Narr für klug genug,

So gönnt es ihm der Weise.

Die Leute.

Herrscht Zufall bloß und Augentrug?

Epikur.

Ich bleib’ in meinem Gleise.

Den Zufall bändige zum Glück,

Ergötz’ am Augentrug den Blick;

Hast Nutz und Spaß von beiden.

Die Leute.

Ist unsre Willensfreiheit Lug?

Zeno.

Es kommt drauf an zu wagen.

Nur halte deinen Willen fest,

Und gehst du auch zu Grund zuletzt,

So hat’s nicht viel zu sagen.

Die Leute.

Kam ich als böse schon zur Welt?

Pelagius.

Man muß dich wohl ertragen.

Du brachtest aus der Mutter Schooß

Fürwahr ein unerträglich Loos:

Gar ungeschickt zu fragen.

Die Leute.

Ist Beßrungstrieb uns zugesellt?

Plato.

Wär’ Beßrung nicht die Lust der Welt,

So würdest du nicht fragen.

Mit dir versuch’ erst umzugehn,

Und kannst du dich nicht selbst verstehn,

So quäl’ nicht andre Leute.

Die Leute.

Doch herrschen Eigennutz und Geld!

Epictet.

Laß ihnen doch die Beute!

Die Rechenpfennige der Welt

Mußt du ihr nicht beneiden.

Die Leute.

So sag, was uns mit Recht gefällt,

Eh’ wir auf immer scheiden?

Die Weisen.

Mein erst Gesetz ist, in der Welt

Die Frager zu vermeiden.

 
 * 

Grenzen der Menschheit

Wenn der uralte,

Heilige Vater

Mit gelassener Hand

Aus rollenden Wolken

Segnende Blitze

Über die Erde sät,

Küss’ ich den letzten

Saum seines Kleides,

Kindlicher Schauer

Treu in der Brust.

Denn mit Göttern

Soll sich nicht messen

Irgendein Mensch.

Hebt er sich aufwärts

Und berührt

Mit dem Scheitel die Sterne,

Nirgends haften dann

Die unsichern Sohlen,

Und mit ihm spielen

Wolken und Winde.

Steht er mit festen,

Markigen Knochen

Auf der wohlgegründeten

Dauernden Erde:

Reicht er nicht auf,

Nur mit der Eiche

Oder der Rebe

Sich zu vergleichen.

Was unterscheidet

Götter von Menschen?

Daß viele Wellen

Vor jenen wandeln,

Ein ewiger Strom:

Uns hebt die Welle,

Verschlingt die Welle,

Und wir versinken.

Ein kleiner Ring

Begrenzt unser Leben,

Und viele Geschlechter

Reihen sich dauernd

An ihres Daseins

Unendliche Kette.

 
 * 

Der fünfte Mai

Ode von Alexander Manzoni.

Er war – und wie, bewegungslos

Nach letztem Hauche-Seufzer

Die Hülle lag, uneingedenk,

Verwais’t von solchem Geiste:

So tief getroffen, starr erstaunt

Die Erde steht der Botschaft.

Stumm, sinnend nach der letztesten

Stunde des Schreckensmannes,

Sie wüßte nicht, ob solcherlei

Fußstapfen Menschenfußes

Nochmals den blutgefärbten Staub

Zu stempeln sich erkühnten.

Ihn wetterstrahlend auf dem Thron

Erblickte die Muse schweigend,

Sodann im Wechsel immerfort

Ihn fallen, steigen, liegen;

Zu tausend Stimmen Klang und Ruf

Vermischte sie nicht die ihre.

Jungfräulich, keiner Schmeichelei

Noch frevler Schmähung schuldig,

Erhebt sie sich plötzlich aufgeregt,

Da solche Strahlen schwinden,

Die Urne kränzend mit Gesang,

Der wohl nicht sterben möchte.

Zu Pyramiden von Alpen her,

Vom Manzanar zum Rheine,

Des sichern Blitzes Wetterschlag

Aus leuchtenden Donnerwolken,

Er traf von Scylla zum Tanais,

Von einem zum andern Meere.

Mit wahrem Ruhm? – Die künft’ge Welt

Entscheide dies! Wir beugen uns,

Die Stirne tief, dem Mächtigsten,

Erschaffenden, der sich einmal

Von allgewalt’ger Geisteskraft

Grenzlose Spur beliebte.

Das stürmische, doch bebende

Erfreun an großen Planen,

Die Angst des Herzens, das, ungezähmt,

Dienend nach dem Reiche gelüstet.

Und es erlangt, zum höchsten Lohn,

Den’s thörig war zu hoffen.

Das ward ihm all: der Ehrenruhm,

Vergrößert nach Gefahren,

Sodann die Flucht, und wieder Sieg,

Kaiserpalast, Verbannung:

Zweimal zum Staub zurückgedrängt,

Und zweimal auf dem Altar.

Er trat hervor: gespaltne Welt,

Bewaffnet gegen einander,

Ergeben wandte sich zu ihm,

Als lauschten sie dem Schicksal;

Gebietend Schweigen, Schiedesmann,

Setzt’ er sich mitten inne;

Verschwand! – Die Tage Müßiggangs,

Verschlossen im engen Raume,

Zeugen von grenzenlosem Neid

Und tiefem frommem Gefühle,

Von unauslöschlichem Haß zugleich

Und unbezwungener Liebe.

Wie über’s Haupt Schiffbrüchigen

Die Welle sich wälzt und lastet,

Die Welle, die den Armen erst

Emporhob, vorwärts rollte,

Daß er entfernte Gegenden

Umsonst zuletzt erblickte:

So ward’s dem Geist, der wogenhaft

Hinaufstieg in der Erinn’rung.

Ach! wie so oft den Künftigen

Wollt’ er sich selbst erzählen.

Und kraftlos auf das ewige Blatt

Sank die ermüdete Hand hin.

O, wie so oft beim schweigsamen

Sterben des Tags, des leeren,

Gesenkt den blitzenden Augenstrahl,

Die Arme übergefaltet,

Stand er, von Tagen vergangnen

Bestürmt ihn die Erinn’rung.

Da schaut er die beweglichen

Zelten, durchwimmelte Thäler,

Das Wetterleuchten der Waffen zu Fuß,

Die Welle reitender Männer,

Die aufgeregteste Herrscherschaft

Und das allerschnellste Gehorchen.

Ach, bei so schrecklichem Schmerzgefühl

Sank ihm der entathmete Busen,

Und er verzweifelte! – Nein, die Kraft

Der ewigen Hand von oben,

In Lüfte, leichter athembar,

Liebherzig trug ihn hinüber.

Und leitet ihn auf blühende

Fußpfade, die hoffnungsreichen,

Zu ewigen Feldern, zum höchsten Lohn,

Der alle Begierden beschämet;

Er sieht, wie auf Schweigen und Finsterniß,

Auf den Ruhm, den er durchdrungen.

Schönste, unsterblich wohlthätige

Glaubenskraft, immer triumphend!

Sprich es aus! erfreue dich,

Daß stolzer-höheres Wesen

Sich dem berüchtigten Golgatha

Wohl niemals niedergebeugt hat.

Und also von müder Asche denn

Entferne jedes widrige Wort;

Der Gott, der niederdrückt und hebt,

Der Leiden fügt und Tröstung auch,

Auf der verlaßnen Lagerstatt

Ihm ja zur Seite sich fügte.

 
 * 

Des Ewigen Juden erster Fetzen

Um Mitternacht wohl fang ich an,

Spring aus dem Bette wie ein Toller;

Nie war mein Busen seelevoller,

Zu singen den gereisten Mann,

Der Wunder ohne Zahl gesehn,

Die trutz der Lästrer Kinderspotte

In unserm unbegriffnen Gotte

Per omnia tempora in Einem Punkt geschehn.

Und hab ich gleich die Gabe nicht

Von wohlgeschliffnen, leichten Reimen,

So darf ich doch mich nicht versäumen;

Denn es ist Drang, und so ists Pflicht.

Und wie ich dich, geliebter Leser, kenne,

Den ich von Herzen Bruder nenne:

Willst gern, vom Fleck und bist so faul,

Nimmst wohl auch einen Ludergaul,

Und ich, mir fehlt zu Nacht der Kiel,

Ergreif wohl einen Besenstiel.

Drum hör es denn, wenn dirs beliebt,

So kauderwelsch, wie mir der Geist es gibt.

In Judäa, dem heiligen Land,

War einst ein Schuster, wohlbekannt

Wegen seiner Herz-Frömmigkeit,

Zur gar verdorbnen Kirchenzeit.

War halb Essener, halb Methodist,

Herrnhuter, mehr Separatist,

Denn er hielt viel auf Kreuz und Qual;

Genug, er war Original,

Und aus Originalität

Er andern Narren gleichen tät.

Die Priester vor so vielen Jahren

Waren, als wie sie immer waren,

Und wie ein jeder wird zuletzt,

Wenn man ihn hat in ein Amt gesetzt.

War er vorher wie ein Ameis krabblig

Und wie ein Schlänglein schnell und zabblig,

Wird er hernach in Mantel und Kragen

In seinem Sessel sich wohlbehagen.

Und ich schwöre bei meinem Leben.

Hätte man Sankt Paulen ein Bistum gegeben:

Pollrer wär worden ein fauler Bauch

Wie coeteri confratres auch.

Der Schuster aber und seinesgleichen

Verlangten täglich Wunder und Zeichen,

Daß einer predgen sollt für Geld,

Als hätt der Geist ihn hingestellt.

Nickten die Köpfe sehr bedenklich

Über die Tochter Zion kränklich,

Daß, ach, auf Kanzel und Altar

Kein Moses und kein Aaron war,

Daß es dem Gottesdienste ging,

Als wärs ein Ding wie ein ander Ding,

Das einmal nach dem Lauf der Welt

Im Alter dürr zusammenfällt.

»O weh, der großen Babylon!

Herr, tilge sie von deiner Erden,

Laß sie im Pfuhl gebraten werden,

Und, Herr, dann gib uns ihren Thron.«

So sang das Häuflein, kroch zusammen,

Teilten so Geists- als Liebesflammen,

Gafften und langeweilten nun,

Hätten das auch können im Tempel tun.

Aber das Schöne war dabei.

Es kam an jeden auch die Reih,

Und wie sein Bruder welscht’ und sprach,

Durft er auch welschen eins hernach.

Denn in der Kirche spricht erst und letzt

Der, den man hat hinaufgesetzt,

Und gläubigt euch und tut so groß

Und schließt euch an und macht euch los,

Und ist ein Sünder wie andre Leut,

Ach und nicht einmal so gescheut.

*

Der größte Mensch bleibt stets ein Menschen-Kind,

Die größten Köpfe sind das nur, was andre sind;

Allein, das merkt, sie sind es umgekehrt.

Sie wollen nicht mit andern Erdentröpfen

Auf ihren Füßen gehn, sie gehn auf ihren Köpfen,

Verachten, was ein jeder ehrt;

Und was gemeinen Sinn empört,

Das ehren unbefangne Weisen.

Doch brachten sies nicht allzu weit,

Ihr non plus ultra jeder Zeit

War: Gott zu lästern und den Dreck zu preisen.

*

Die Priester schrieen weit und breit:

Es ist, es kommt die letzte Zeit,

Bekehr dich, sündiges Geschlecht!

Der Jude sprach: Mir ists nicht bang,

Ich hör vom jüngsten Tag so lang.

*

Behalten auch zu unsern Zeiten

Die Gabe, Geister zu unterscheiden,

Kap und Champagner und Burgunder

Von Hoch- nach Rüdesheim hinunter.

*

Der Vater saß auf seinem Thron;

Da rief er seinem lieben Sohn,

Mußt zwei- bis dreimal schreien.

Da kam der Sohn ganz überquer

Gestolpert über Sterne her

Und fragt’, was zu befehlen.

Der Vater fragt’ ihn, wo er stickt –

»Ich war im Stern, der dorten blickt,

Und half dort einem Weibe

Vom Kind in ihrem Leibe.«

Der Vater war ganz aufgebracht

Und sprach: Das hast du dumm gemacht,

Sieh einmal auf die Erde.

Es ist wohl schön und alles gut,

Du hast ein menschenfreundlich Blut

Und hilfst Bedräng’ten gerne.«

*

Als er sich nun hernieder schwung

Und näher die weite Erde sah

Und Meer und Länder weit und nah,

Ergriff ihn die Erinnerung,

Die er so lange nicht gefühlt,

Wie man dadrunten ihm mitgespielt.

(Wie man zu einem Mädchen fliegt,

Das lang an unserm Blute sog

Und endlich treulos uns betrog.)

Er fühlt in vollem Himmels-Flug

Der irdschen Atmosphäre Zug,

Fühlt, wie das reinste Glück der Welt

Schon eine Ahndung von Weh enthält.

Er denkt an jenen Augenblick,

Da er den letzten Todesblick

Vom Schmerzen-Hügel herab getan,

Fing vor sich hin zu reden an:

»Sei, Erde, tausendmal gegrüßt!

Gesegnet all ihr meine Brüder!

Zum erstenmal mein Herz ergießt

Sich nach dreitausend Jahren wieder,

Und wonnevolle Zähre fließt

Vom nimmertrüben Auge nieder.

O mein Geschlecht, wie sehn ich mich nach dir!

Und du, mit Herz und Liebes-Armen

Flehst du aus tiefem Drang zu mir.

Ich komm, ich will mich dein erbarmen.

O Welt voll wunderbarer Wirrung,

Voll Geist der Ordnung, träger Irrung,

Du Kettenring von Wonn und Wehe,

Du Mutter, die mich selbst zum Grab gebar!

Die ich, obgleich ich bei der Schöpfung war,

Im ganzen doch nicht sonderlich verstehe,

Die Dumpfheit deines Sinns, in der du schwebtest,

Daraus du dich nach meinem Tage drangst,

Die schlangenknotige Begier, in der du bebtest,

Von ihr dich zu befreien strebtest

Und dann, befreit, dich wieder neu umschlangst –

Das rief mich her aus meinem Sternen-Saale,

Das läßt mich nicht an Gottes Busen ruhn.

Ich komme nun zu dir zum zweiten Male,

Ich säete dann, und ernten will ich nun.«

*

Er auf dem Berge stille hält,

Auf den in seiner ersten Zeit

Freund Satanas ihn aufgestellt

Und ihm gezeigt die volle Welt

Mit aller ihrer Herrlichkeit.

Er sieht begierig rings sich um,

Sein Auge scheint ihn, zu betrügen,

Ihm scheint die Welt noch um und um

In jener Sauce tief zu liegen,

Wie sie an jener Stunde lag,

Da sie bei hellem, lichten Tag

Der Geist der Finsternis, der Herr der alten Welt,

Im Sonnenschein ihm glänzend dargestellt

Und angemaßt sich ohne Scheu,

Daß er hier Herr im Hause sei;

Nicht gut, nicht bös, nicht groß, nicht klein,

So scheißig, als sie sollte sein –

Doch wenn ers tät sich feste kopfen,

Das Reich Gottes hinein zu pfropfen.

»Wo!« rief der Heiland, »ist das Licht,

Das hell von meinem Wort entbrennen?

Weh! und ich seh den Faden nicht,

Den ich so rein vom Himmel ’rab gesponnen.

Wo haben sich die Zeugen hingewandt,

Die weiß aus meinem Blut entsprungen,

Und, ach, wohin der Geist, den ich gesandt –

Sein Wehn, ich fühls, ist all verklungen.

Schleicht nicht mit ewgem Hunger-Sinn,

Mit halbgekrümmten Klauen-Händen,

Verfluchten, eingedorrten Lenden

Der Geiz nach tückischem Gewinn,

Mißbraucht die sorgenlosen Freuden

Des Nachbars auf der reichen Flur

Und hemmt in dürren Eingeweiden

Das liebe Leben der Natur?

Verschließt der Fürst mit seinen Sklaven

Sich nicht in jenes Marmorhaus

Und brütet seinen irren Schafen

Die Wölfe selbst im Busen aus?

Ihm wird zu grillenhafter Stillung

Der Menschen Mark herbeigerafft,

Verspritzt in ekler Überfüllung

Von Tausenden die Nahrungskraft.

In meinem Namen weiht dem Bauche

Ein Armer seiner Kinder Brot;

Mich schmäht auf diesem faulen Schlauche

Das goldne Zeichen meiner Not.«

Er war nunmehr der Länder satt,

Wo man so viele Kreuze hat

Und man für lauter Kreuz und Christ

Ihn eben und sein Kreuz vergißt.

Er trat in ein benachbart Land;

Wo er sich nur als Kirchfahn fand,

Man aber sonst nicht merkte sehr,

Als ob ein Gott im Lande wär.

Wie man ihn denn auch bald beteuert,

Aller Sauerteig sei hier ausgescheuert,

Befurcht er, daß das Brot so lieb

Wie ein Matzkuchen sitzen blieb.

Davon sprach ihm ein geistlich Schaf,

Das er auf hohem Wege traf,

Das eine mackliche Frau im Bett,

Viel Kinder und viel Zehnden hätt.

Der also Gott ließ im Himmel ruhn

Und sich auch was zugute tun.

Unser Herr fühlt’ ihm auf den Zahn,

Fing etlichmal von Christo an;

Da war der ganze Mensch Respekt,

Hätte fast nie das Haupt bedeckt.

Aber der Herr sah ziemlich klar,

Daß er drum nicht im Herzen war,

Daß er dem Mann im Hirne stand

Als wie ein Holzschnitt an der Wand.

Sie waren bald der Stadt so nah,

Daß man die Türme klärlich sah.

Ach, sprach der Mann, hier ist der Ort,

Aller Wünsche sichrer Friedensport,

Hier ist des Landes Mittelthron;

Gerechtigkeit und Religion

Spedieren, wie der Selzerbrunn

Petschiert, ihren Einfluß ringsherum.

Sie kamen immer näher an,

Sah immer der Herr nichts Seinigs dran.

Sein innres Zutraun war gering,

Als wie er einst zum Feigbaum ging.

Wollt aber doch eben weitergehn

Und ihm recht unter die Äste sehn.

So kamen sie denn unters Tor;

Christus kam ihnen ein Fremdling vor,

Hätt ein edel Gesicht und einfach Kleid.

Sprachen: Der Mann kommt gar wohl weit.

Fragt’ ihn der Schreiber, wie er hieß’?

Er gar demütig die Worte ließ:

»Kinder, ich bin des Menschen Sohn«,

Und ganz gelassen ging davon.

Seine Worte hatten von jeher Kraft,

Der Schreiber stande wie vergafft,

Der Wache war, sie wußt nicht wie,

Fragt keiner: Was bedienen Sie?

Er ging grad durch und war vorbei.

Da fragten sie sich überlei,

Als in Rapport sies wollten tragen:

Was tät der Mann Kurioses sagen?

Sprach er wohl unsrer Nase Hohn?

Er sagt’: er wär des Menschen Sohn!

Sie dachten lang, doch auf einmal

Sprach ein branntweinger Korporal:

Was mögt ihr euch den Kopf zerreißen!

Sein Vater hat wohl Mensch geheißen.

Christ sprach zu seinem Gleiter dann:

»So führet mich zum Gottes-Mann,

Den ihr als einen solchen kennt

Und ihn Herr Oberpfarrer nennt.«

Dem Herren Pfaff das krabbeln tät,

War selber nicht so hoch am Brett.

Hätt so viel Häute ums Herze ring,

Daß er nicht spürt’, mit wem er ging,

Auch nicht einmal einer Erbse groß.

Doch war er gar nicht liebelos

Und dacht: kommt alles ringsherum,

Verlangt er ein Viatikum.

Kamen ans Oberpfarrers Haus,

Stand von uralters noch im Ganzen.

Reformation hätt ihren Schmaus

Und nahm den Pfaffen Hof und Haus,

Um wieder Pfaffen ’nein zu pflanzen,

Die nur in allem Grund der Sachen

Mehr schwätzen, weniger Grimassen machen.

Sie klopften an, sie schellten an,

Weiß nicht bestimmt, was sie getan.

Genug, die Köchin kam hervor,

Aus der Schürz ein Krauthaupt verlor,

Und sprach: Der Herr ist im Konvent,

Ihr heut nicht mit ihm sprechen könnt.

»Wo ist denn das Konvent?« sprach Christ.

Was hilft es Euch, wenn Ihrs auch wißt,

Versetzt’ die Köchin porrisch drauf,

Dahin geht nicht eines jeden Lauf.

»Möchts doch gern wissen!« tät er fragen.

Sie hätt nicht Herz, es zu versagen,

Wie er den Weg zur Weiblein-Brust

Von alten Zeiten wohl noch wußt.

Sie zeigt’s ihm an, und er tät gehn,

Wie ihrs bald weiter werdet sehn.

*

Es waren, die den Vater auch gekannt;

Wo sind denn die? – Eh, man hat sie verbrannt.

 
 * 

Holde Lili, warst so lang

Holde Lili, warst so lang

All mein Lust und all mein Sang!

Bist, ach, nun all mein Schmerz, und doch

All mein Sang bist du noch.

 
 * 

Selbstgefühl

Jeder ist doch auch ein Mensch! –

Wenn er sich gewahret,

Sieht er, daß Natur an ihm

Wahrlich nicht gesparet,

Daß er manche Lust und Pein

Trägt als Er und eigen;

Sollt’ er nicht auch hinterdrein

Wohlgemuth sich zeigen?

 
 * 

Mahomets Gesang

Seht den Felsenquell,

Freudehell,

Wie ein Sternenblick;

Über Wolken

Nährten seine Jugend

Gute Geister

Zwischen Klippen im Gebüsch.

Jünglingsfrisch

Tanzt er aus der Wolke

Auf die Marmorfelsen nieder,

Jauchzet wieder

Nach dem Himmel.

Durch die Gipfelgänge

Jagt er bunten Kieseln nach,

Und mit frühem Führertritt

Reißt er seine Bruderquellen

Mit sich fort.

Drunten werden in dem Tal

Unter seinem Fußtritt Blumen,

Und die Wiese

Lebt von seinem Hauch.

Doch ihn hält kein Schattental,

Keine Blumen,

Die ihm seine Knie umschlingen,

Ihm mit Liebesaugen schmeicheln:

Nach der Ebne dringt sein Lauf

Schlangenwandelnd.

Bäche schmiegen

Sich gesellig an. Nun tritt er

In die Ebne silberprangend,

Und die Ebne prangt mit ihm,

Und die Flüsse von der Ebne

Und die Bäche von den Bergen

Jauchzen ihm und rufen: Bruder!

Bruder, nimm die Brüder mit,

Mit zu deinem alten Vater,

Zu dem ewgen Ozean,

Der mit ausgespannten Armen

Unser wartet

Die sich, ach! vergebens öffnen,

Seine Sehnenden zu fassen;

Denn uns frißt in öder Wüste

Gierger Sand; die Sonne droben

Saugt an unserm Blut; ein Hügel

Hemmet uns zum Teiche! Bruder,

Nimm die Brüder von der Ebne,

Nimm die Brüder von den Bergen

Mit, zu deinem Vater mit!

Kommt ihr alle! –

Und nun schwillt er

Herrlicher; ein ganz Geschlechte

Trägt den Fürsten hoch empor!

Und im rollenden Triumphe

Gibt er Ländern Namen, Städte

Werden unter seinem Fuß.

Unaufhaltsam rauscht er weiter,

Läßt der Türme Flammengipfel,

Marmorhäuser, eine Schöpfung

Seiner Fülle, hinter sich.

Zedernhäuser trägt der Atlas

Auf den Riesenschultern; sausend

Wehen über seinem Haupte

Tausend Flaggen durch die Lüfte,

Zeugen seiner Herrlichkeit.

Und so trägt er seine Brüder,

Seine Schätze, seine Kinder

Dem erwartenden Erzeuger

Freudebrausend an das Herz.

 
 * 

Harfenspieler

Wer sich der Einsamkeit ergibt,

Ach! der ist bald allein;

Ein jeder lebt, ein jeder liebt

Und läßt ihn seiner Pein.

Ja! laßt mich meiner Qual!

Und kann ich nur einmal

Recht einsam sein,

Dann bin ich nicht allein.

Es schleicht ein Liebender lauschend sacht,

Ob seine Freundin allein?

So überschleicht bei Tag und Nacht

Mich Einsamen die Pein.

Mich Einsamen die Qual.

Ach, werd ich erst einmal

Einsam im Grabe sein,

Da läßt sie mich allein!

 
 * 

An den Herzog Karl August

Gehab dich wohl bei den hundert Lichtern,

Die dich umglänzen,

Und all den Gesichtern,

Die dich umschwänzen

Und umkredenzen.

Findst doch nur wahre Freud und Ruh

Bei Seelen grad und treu wie du.

*

Nur Luft und Licht

Und Freundeslieb!

Ermüde nicht,

Wem dies noch blieb.

 
 * 

Selbstbetrug

Der Vorhang schwebet hin und her

Bei meiner Nachbarin.

Gewiß, sie lauschet überquer,

Ob ich zu Hause bin.

Und ob der eifersücht’ge Groll,

Den ich am Tag gehegt,

Sich, wie er nun auf immer soll,

Im tiefen Herzen regt.

Doch leider hat das schöne Kind

Dergleichen nicht gefühlt.

Ich seh’, es ist der Abendwind,

Der mit dem Vorhang spielt.

 
 * 

Ursprüngliches

A.

Was widert dir der Trank so schal?

B.

Ich trinke gern aus dem frischen Quall.

A.

Daraus kam aber das Bächlein her!

B.

Der Unterschied ist bedeutend sehr:

’s wird immer mehr fremden Schmack gewinnen;

Es mag nur immer weiter rinnen.

 
 * 

Dämmrung senkte sich von oben

Dämmrung senkte sich von oben,

Schon ist alle Nähe fern;

Doch zuerst emporgehoben

Holden Lichts der Abendstern!

Alles schwankt ins Ungewisse,

Nebel schleichen in die Höh;

Schwarzvertiefte Finsternisse

Widerspiegelnd ruht der See.

Nun im östlichen Bereiche

Ahnd ich Mondenglanz und -glut,

Schlanker Weiden Haargezweige

Scherzen auf der nächsten Flut.

Durch bewegter Schatten Spiele

Zittert Lunas Zauberschein

Und durchs Auge schleicht die Kühle

Sänftigend ins Herz hinein.

 
 * 

Für ewig

Denn was der Mensch in seinen Erdeschranken

Von hohem Glück mit Götternamen nennt:

Die Harmonie der Treue, die kein Wanken,

Der Freundschaft, die nicht Zweifelsorge kennt;

Das Licht, das Weisen nur zu einsamen Gedanken,

Das Dichtern nur in schönen Bildern brennt –

Das hatt ich all, in meinen besten Stunden,

In ihr entdeckt und es für mich gefunden.

 
 * 

Regenbogen

über den Hügeln einer anmutigen Landschaft

Grau und trüb und immer trüber

Kommt das Wetter angezogen,

Blitz und Donner sind vorüber,

Euch erquickt ein Regenbogen.

Frohe Zeichen zu gewahren

Wird der Erdkreis nimmer müde;

Schon seit vielen tausend Jahren

Spricht der Himmelsbogen: Friede!

*

Aus des Regens düstrer Trübe

Glänzt das Bild, das immer neue;

In den Tränen zarter Liebe

Spiegelt sich der Engel – Treue.

*

Wilde Stürme, Kriegeswogen

Rasten über Hain und Dach;

Ewig doch und allgemach

Stellt sich her der bunte Bogen.

 
 * 

Es fing ein Knab’ ein Vögelein

Es fing ein Knab’ ein Vögelein,

Hm! Hm!

Da lacht’ er in den Käfig ’nein

Hm! Hm!

So! So!

Hm! Hm!

Der freut’ sich traun so läppisch

Hm! Hm!

Und griff hinein so täppisch,

Hm! Hm!

So! So!

Hm! Hm!

Da flog das Meislein auf ein Haus

Hm! Hm!

Und lacht den dummen Buben aus,

Hm! Hm!

So! So!

Hm! Hm!

 
 * 

Offen zeigt sich die Pforte

Offen zeigt sich die Pforte des bergabstürzenden Waldstroms;

Doch in die offene kehrt nimmer das Wasser zurück.

Ja doch! es kehret zurück! Schon steigt es in Wolkengebild auf,

Ziehet, erhöhtesten Schwungs, morgengerötet hinan.

 
 * 

Politica

Bei einer großen Wassersnoth

Rief man zu Hilfe das Feuer,

Da ward sogleich der Himmel roth

Und nirgend war es geheuer:

Durch Wälder und Felder kamen gerannt

Die Blitze zu flammenden Rotten.

Die ganze Erde, sie war verbrannt,

Noch eh’ die Fische gesotten.

Und als die Fische gesotten waren,

Bereitet man große Feste;

Ein Jeder brachte sein Schüsselein mit,

Groß war die Zahl der Gäste;

Ein Jeder drängte sich herbei,

Hier gab es keine Faule;

Die gröbsten aber schlugen sich durch

Und fraßen’s den andern vom Maule.

Die Engel stritten für uns Gerechte,

Zogen den Kürzern in jedem Gefechte;

Da stürzte denn Alles drüber und drunter,

Dem Teufel gehörte der ganze Plunder.

Nun ging es an ein Beten und Flehen!

Gott ward bewegt herein zu sehen.

Spricht Logos, dem die Sache klar

Von Ewigkeit her gewesen war:

Sie sollten sich keineswegs geniren,

Sich auch einmal als Teufel geriren,

Auf jede Weise den Sieg erringen

Und hierauf das Tedeum singen.

Das ließen sie sich nicht zweimal sagen,

Und siehe, die Teufel waren geschlagen.

Natürlich fand man hinterdrein,

Es sei recht hübsch, ein Teufel zu sein.

Am jüngsten Tag vor Gottes Thron

Stand endlich Held Napoleon.

Der Teufel hielt ein großes Register

Gegen denselben und seine Geschwister,

War ein wundersam verruchtes Wesen:

Satan fing an es abzulesen.

Gott Vater, oder Gott der Sohn,

Einer von Beiden sprach vom Thron,

Wenn nicht etwa gar der heilige Geist

Das Wort genommen allermeist:

»Wiederhol’s nicht vor göttlichen Ohren!

Du sprichst wie die deutschen Professoren.

Wir wissen Alles, mach’ es kurz!

Am jüngsten Tag ist’s nur ein . . . .

Getraust du dich ihn anzugreifen

So magst du ihn nach der Hölle schleifen.«

Wolltet ihr in Leipzigs Gauen

Denkmal in die Wolken richten,

Wandert, Männer all’ und Frauen,

Frommen Umgang zu verrichten!

Jeder werfe dann die Narrheit,

Die ihn selbst und Andre quälet,

Zu des runden Haufens Starrheit,

Nicht ist unser Zweck verfehlet.

Ziehen Junker auch und Fräulen

Zu der Wallfahrt stillem Frieden,

Wie erhabne Riesensäulen

Wachsen unsre Pyramiden.

Die Deutschen sind recht gute Leut’;

Sind sie einzeln, sie bringen’s weit:

Nun sind ihnen auch die größten Thaten

Zum erstenmal im Ganzen gerathen.

Ein Jeder spreche Amen darein,

Daß es nicht möge das Letztemal sein!

 
 * 

Nicht am Morgen allein

Nicht am Morgen allein, noch am Mittag einzig beglückt sie,

Untergehend sogar ists immer dieselbige Sonne.

 
 * 

Vanitas! vanitatum vanitas!

Ich hab’ mein Sach auf Nichts gestellt,

Juchhe!

Drum ist’s so wohl mir in der Welt;

Juchhe!

Und wer will mein Camerade sein,

Der stoße mit an, der stimme mit ein,

Bei dieser Neige Wein.

Ich stellt’ mein Sach auf Geld und Gut,

Juchhe!

Darüber verlor ich Freud’ und Muth:

O weh!

Die Münze rollte hier und dort,

Und hascht ich sie an einem Ort,

Am andern war sie fort!

Auf Weiber stellt’ ich nun mein Sach,

Juchhe!

Daher mir kam viel Ungemach;

O weh!

Die Falsche sucht’ sich ein ander Theil,

Die Treue macht’ mir Langeweil’,

Die Beste war nicht feil.

Ich stellt’ mein Sach auf Reis’ und Fahrt,

Juchhe!

Und ließ meine Vaterlandesart;

O weh!

Und mir behagt’ es nirgends recht,

Die Kost war fremd, das Bett war schlecht

Niemand verstand mich recht.

Ich stellt’ mein Sach auf Ruhm und Ehr,

Juchhe!

Und sieh! gleich hatt’ ein Andrer mehr;

O weh!

Wie ich mich hatt’ hervorgethan,

Da sahen die Leute scheel mich an,

Hatte Keinem recht gethan.

Ich setzt’ mein Sach auf Kampf und Krieg,

Juchhe!

Und uns gelang so mancher Sieg;

Juchhe!

Wir zogen in Feindes Land hinein,

Dem Freunde sollt’s nicht viel besser sein,

Und ich verlor ein Bein.

Nun hab’ ich mein Sach auf Nichts gestellt,

Juchhe!

Und mein gehört die ganze Welt;

Juchhe!

Zu Ende geht nun Sang und Schmaus.

Nur trinkt mir alle Neigen aus;

Die letzte muß heraus!

 
 * 

Lebensgenuß

»Wie man nur so leben mag?

Du machst dir gar keinen guten Tag!«

Ein guter Abend kommt heran,

Wenn ich den ganzen Tag gethan.

Wenn man mich da und dorthin zerrt

Und wo ich nichts vermag,

Bin von mir selbst nur abgesperrt,

Da hab’ ich keinen Tag.

Thut sich nun auf, was man bedarf

Und was ich wohl vermag,

Da greif’ ich ein, es geht so scharf,

Da hab’ ich meinen Tag.

Ich scheine mir an keinem Ort,

Auch Zeit ist keine Zeit,

Ein geistreich-aufgeschloßnes Wort

Wirkt auf die Ewigkeit.

 
 * 

An den Mond

Füllest wieder Busch und Tal

Still mit Nebelglanz,

Lösest endlich auch einmal

Meine Seele ganz;

Breitest über mein Gefild

Lindernd deinen Blick,

Wie des Freundes Auge mild

Über mein Geschick.

Jeden Nachklang fühlt mein Herz

Froh und trüber Zeit

Wandle zwischen Freud und Schmerz

In der Einsamkeit.

Fließe, fließe, lieber Fluß!

Nimmer werd ich froh,

So verrauschte Scherz und Kuß,

Und die Treue so.

Ich besaß es doch einmal,

Was so köstlich ist!

Daß man doch zu seiner Qual

Nimmer es vergißt!

Rausche, Fluß, das Tal entlang,

Ohne Rast und Ruh,

Rausche, flüstre meinem Sang

Melodien zu.

Wenn du in der Winternacht

Wütend überschwillst,

Oder um die Frühlingspracht

Junger Knospen quillst.

Selig, wer sich vor der Welt

Ohne Haß verschließt,

Einen Freund am Busen hält

Und mit dem genießt

Was, von Menschen nicht gewußt

Oder nicht bedacht,

Durch das Labyrinth der Brust

Wandelt in der Nacht.

 
 * 

Antworten

bei einem gesellschaftlichen Fragespiel.

Die Dame.

Was ein weiblich Herz erfreue

In der klein und großen Welt?

Ganz gewiß ist es das Neue,

Dessen Blüthe stets gefällt;

Doch viel werther ist die Treue,

Die auch in der Früchte Zeit

Noch mit Blüthen uns erfreut.

Der junge Herr.

Paris war in Wald und Höhlen

Mit den Nymphen wohl bekannt,

Bis ihm Zeus, um ihn zu quälen,

Drei der Himmlischen gesandt;

Und es fühlte wohl im Wählen,

In der alt und neuen Zeit,

Niemand mehr Verlegenheit.

Der Erfahrene.

Geh den Weibern zart entgegen,

Du gewinnst sie auf mein Wort;

Und wer rasch ist und verwegen,

Kommt vielleicht noch besser fort;

Doch wem wenig dran gelegen

Scheinet, ob er reizt und rührt,

Der beleidigt, der verführt.

Der Zufriedne.

Vielfach ist der Menschen Streben,

Ihre Unruh, ihr Verdruß;

Auch ist manches Gut gegeben,

Mancher liebliche Genuß;

Doch das größte Glück im Leben

Und der reichlichste Gewinn,

Ist ein guter leichter Sinn.

Der lustige Rath.

Wer der Menschen thöricht Treiben

Täglich sieht und täglich schilt,

Und wenn Andre Narren bleiben,

Selbst für einen Narren gilt,

Der trägt schwerer, als zur Mühle

Irgend ein beladen Thier.

Und, wie ich im Busen fühle,

Wahrlich! so ergeht es mir.

 
 * 

Liebe wider Willen

Ich weiß es wohl und spotte viel:

Ihr Mädchen seid voll Wankelmuth!

Ihr liebet, wie im Kartenspiel,

Den David und den Alexander;

Sie sind ja Forcen miteinander,

Und die sind miteinander gut.

Doch bin ich elend wie zuvor,

Mit misanthropischem Gesicht,

Der Liebe Sclav, ein armer Thor!

Wie gern wär’ ich sie los die Schmerzen,

Allein es sitzt zu tief im Herzen,

Und Spott vertreibt die Liebe nicht.

 
 * 

Harfenspieler

Wer nie sein Brot mit Tränen aß,

Wer nie die kummervollen Nächte

Auf seinem Bette weinend saß,

Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.

Ihr führt ins Leben uns hinein,

Ihr laßt den Armen schuldig werden,

Dann überlaßt ihr ihn der Pein:

Denn alle Schuld rächt sich auf Erden.

 
 * 

Der Segen wird gesprochen

Der Segen wird gesprochen!

Die Riesin liegt in den Wochen;

Drei Wölfe sind ausgekrochen.

Sie liegt zwischen Eis und Nebel und Schnee,

Tränke gern Eicheln- und Rübenkaffee,

Wenn sie ihn nur hätte! –

Da läuft die Maus! –

Kind, geh zu Bette

Und lösche die Lichter aus!

 
 * 

Natur und Kunst

Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen,

Und haben sich, eh’ man es denkt, gefunden;

Der Widerwille ist auch mir verschwunden,

Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.

Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!

Und wenn wir erst in abgemeßnen Stunden

Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,

Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.

So ist’s mit aller Bildung auch beschaffen:

Vergebens werden ungebundne Geister

Nach der Vollendung reiner Höhe streben.

Wer Großes will, muß sich zusammen raffen;

In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,

Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.

 
 * 

Ein anderes

in Italien

Geh! gehorche meinen Winken,

Nutze deine jungen Tage,

Lerne zeitig klüger sein:

Auf des Glückes großer Wage

Steht die Zunge selten ein;

Du mußt steigen oder sinken,

Du mußt herrschen und gewinnen,

Oder dienen und verlieren,

Leiden oder triumphieren,

Amboß oder Hammer sein.

 
 * 

Der getreue Eckart

„O wären wir weiter, o wär’ ich zu Haus!

Sie kommen. Da kommt schon der nächtliche Graus;

Sie sind’s, die unholdigen Schwestern.

Sie streifen heran und sie finden uns hier,

Sie trinken das mühsam geholte, das Bier,

Und lassen nur leer uns die Krüge.“

So sprechen die Kinder und drücken sich schnell;

Da zeigt sich vor ihnen ein alter Gesell:

„Nur stille, Kind! Kinderlein, stille!

Die Hulden, sie kommen von durstiger Jagd,

Und laßt ihr sie trinken, wie’s jeder behagt,

Dann sind sie euch hold, die Unholden.“

Gesagt, so geschehn! Und da naht sich der Graus

Und siehet so grau und so schattenhaft aus,

Doch schlürft es und schlampft es aufs beste.

Das Bier ist verschwunden, die Krüge sind leer;

Nun saust es und braust es, das wütige Heer,

ins weite Getal und Gebirge.

Die Kinderlein ängstlich gen Hause so schnell,

Gesellt sich zu ihnen der fromme Gesell:

„Ihr Püppchen, nur seid mir nicht traurig.“ –

„Wir kriegen nun Schelten und Streich’ bis aufs Blut.“ –

„Nein keineswegs, alles geht herrlich und gut,

Nur schweiget und horchet wie Mäuslein.

Und der es euch anrät und der es befiehlt,

Er ist es, der gern mit den Kindelein spielt,

Der alte Getreue, der Eckart.

Vom Wundermann hat man euch immer erzählt,

Nur hat die Bestätigung jedem gefehlt;

Die habt ihr nun köstlich in Händen.“

Sie kommen nach Hause, sie setzen den Krug

Ein jedes den Eltern bescheiden genug

Und harren der Schläg’ und der Schelten.

Doch siehe, man kostet: Ein herrliches Bier!

Man trinkt in die Runde schon dreimal und vier,

Und noch nimmt der Krug nicht ein Ende.

Das Wunder, es dauert zum morgenden Tag.

Doch fraget, wer immer zu fragen vermag:

„Wie ist’s mit den Krügen ergangen?“

Die Mäuslein, sie lächeln, im stillen ergetzt;

Sie stammeln und stottern und schwatzen zuletzt,

Und gleich sind vertrocknet die Krüge.

Und wenn euch, ihr Kinder, mit treuem Gesicht

Ein Vater, ein Lehrer, ein Aldermann spricht,

So horchet und folget ihm pünktlich!

Und liegt auch das Zünglein in peinlicher Hut,

Verplaudern ist schädlich, verschweigen ist gut;

Dann füllt sich das Bier in den Krügen.

 
 * 

Die wandelnde Glocke

Es war ein Kind, das wollte nie

Zur Kirche sich bequemen,

Und sonntags fand es stets ein Wie,

Den Weg ins Feld zu nehmen.

Die Mutter sprach: Die Glocke tönt,

Und so ist dir’s befohlen,

Und hast du dich nicht hingewöhnt,

Sie kommt und wird dich holen.

Das Kind, es denkt: Die Glocke hängt

Da droben auf dem Stuhle.

Schon hat’s den Weg ins Feld gelenkt,

Als lief’ es aus der Schule.

Die Glocke Glocke tönt nicht mehr,

Die Mutter hat gefackelt.

Doch, welch ein Schrecken! hinterher

Die Glocke kommt gewackelt.

Sie wackelt schnell, man glaubt es kaum;

Das arme Kind im Schrecken,

Es lauft, es kommt, als wie im Traum;

Die Glocke wird es decken.

Doch nimmt es richtig seinen Husch,

Und mit gewandter Schnelle

Eilt es durch Anger, Feld und Busch

Zur Kirche, zur Kapelle.

Und jeden Sonn- und Feiertag

Gedenkt es an den Schaden,

Läßt durch den ersten Glockenschlag,

Nicht in Person sich laden.

 
 * 

Erklärung einer antiken Gemme

Es steht ein junger Feigenstock

In einem schönen Garten;

Daneben sitzt ein Ziegenbock,

Als wollt’ er seiner warten.

Allein, Quiriten, wie man irrt!

Der Baum ist schlecht gehütet;

Und ihm zur andern Seite schwirrt

Ein Käfer ausgebrütet.

Es fliegt der Held mit Panzerbrust

Und naschet in den Zweigen,

Und auch der Bock hat große Lust,

Gemächlich aufzusteigen.

Drum seht, ihr Freunde, schon beinah

Das Bäumchen nackt von Blättern;

Es stehet ganz erbärmlich da

Und flehet zu den Göttern.

Drum hört die guten Lehren an,

Ihr Kinder, zart von Jahren:

Vor Ziegenbock und Käferzahn

Soll man ein Bäumchen wahren!

 
 * 

Ein zärtlich jugendlicher Kummer

Ein zärtlich jugendlicher Kummer

Führt mich ins öde Feld; es liegt

In einem stillen Morgenschlummer

Die Mutter Erde. Rauschend wiegt

Ein kalter Wind die starren Äste. Schauernd

Tönt er die Melodie zu meinem Lied voll Schmerz.

Und die Natur ist ängstlich still und trauernd

Doch hoffnungsvoller als mein Herz.

Denn sieh, bald gaukelt dir mit Rosenkränzen

In runder Hand, du Sonnengott, das Zwillingspaar

Mit offnem blauen Aug, mit krausem goldnen Haar

In deiner Laufbahn dir entgegen. Und zu Tänzen

Auf neuen Wiesen schickt

Der Jüngling sich und schmückt

Den Hut mit Bändern, und das Mädchen pflückt

Die Veilchen aus dem jungen Gras, und bückend sieht

Sie heimlich nach dem Busen, sieht mit Seelenfreude

Entfalteter und reizender ihn heute,

Als er vorm Jahr am Maienfest geblüht;

Und fühlt und hofft.

Gott segne mir den Mann

In seinem Garten dort! Wie zeitig fängt er an,

Ein lockres Beet dem Samen zu bereiten!

Kaum riß der März das Schneegewand

Dem Winter von den hagern Seiten,

Der stürmend floh und hinter sich aufs Land

Den Nebelschleier warf, der Fluß und Au

Und Berg in kaltes Grau

Versteckt, da geht er ohne Säumen,

Die Seele voll von Ernteträumen,

Und sät und hofft.

 
 * 

Zum Divan

Wer sich selbst und Andre kennt,

Wird auch hier erkennen:

Orient und Occident

Sind nicht mehr zu trennen.

Sinnig zwischen beiden Welten

Sich zu wiegen lass’ ich gelten;

Also zwischen Ost und Westen

Sich bewegen, sei’s zum Besten!

 
 * 

Der Park

Welch ein himmlischer Garten entspringt aus Oed’ und aus Wüste,

Wird und lebet und glänzt herrlich im Lichte vor mir!

Wohl den Schöpfer ahmet ihr nach, ihr Götter der Erde!

Fels und See und Gebüsch, Vögel und Fisch und Gewild.

Nur daß euere Stätte sich ganz zum Eden vollende,

Fehlet ein Glücklicher hier, fehlt euch am Sabbat die Ruh.

 
 * 

Frühlingsorakel

Du prophetscher Vogel du,

Blütensänger, o Coucou!

Bitten eines jungen Paares

In der schönsten Zeit des Jahres

Höre, liebster Vogel du;

Kann es hoffen, ruf ihm zu:

Dein Coucou, dein Coucou,

Immer mehr Coucou, Coucou.

Hörst du! ein verliebtes Paar

Sehnt sich herzlich zum Altar;

Und es ist bei seiner Jugend

Voller Treue, voller Tugend.

Ist die Stunde denn noch nicht voll?

Sag, wie lange es warten soll!

Horch! Coucou! Horch! Coucou!

Immer stille! Nichts hinzu!

Ist es doch nicht unsre Schuld!

Nur zwei Jahre noch Geduld!

Aber, wenn wir uns genommen,

Werden Pa-pa-papas kommen?

Wisse, daß du uns erfreust,

Wenn du viele prophezeist.

Eins! Coucou! Zwei! Coucou!

Immer weiter Coucou, Coucou, Cou.

Haben wir wohl recht gezählt,

Wenig am Halbdutzend fehlt.

Wenn wir gute Worte geben,

Sagst du wohl, wie lang wir leben?

Freilich, wir gestehen dirs,

Gern zum längsten trieben wirs.

Cou Coucou, Cou Coucou,

Cou, Cou, Cou, Cou, Cou, Cou, Cou, Cou, Cou.

Leben ist ein großes Fest,

Wenn sichs nicht berechnen läßt.

Sind wir nun zusammen blieben,

Bleibt denn auch das treue Lieben?

Könnte das zu Ende gehn,

Wär doch alles nicht mehr schön.

Cou Coucou, Cou Coucou :,:

Cou, Cou, Cou, Cou, Cou, Cou, Cou, Cou, Cou

(Mit Grazie in infinitum)

 
 * 

Cophtisches Lied

Geh, gehorche meinen Winken,

Nutze deine jungen Tage,

Lerne zeitig klüger sein:

Auf des Glückes großer Waage

Steht die Zunge selten ein;

Du mußt steigen oder sinken,

Du mußt herrschen und gewinnen,

Oder dienen und verlieren,

Leiden oder triumphieren,

Amboß oder Hammer sein.

 
 * 

Verschiedene Empfindungen an einem Platze

Das Mädchen.

Ich hab’ ihn gesehen!

Wie ist mir geschehen?

O himmlischer Blick!

Er kommt mir entgegen;

Ich weiche verlegen,

Ich schwanke zurück.

Ich irre, ich träume!

Ihr Felsen, ihr Bäume,

Verbergt meine Freude,

Verberget mein Glück!

Der Jüngling.

Hier muß ich sie finden!

Ich sah sie verschwinden,

Ihr folgte mein Blick.

Sie kam mir entgegen;

Dann trat sie verlegen

Und schamroth zurück.

Ist’s Hoffnung, sind’s Träume?

Ihr Felsen, ihr Bäume,

Entdeckt mir die Liebste,

Entdeckt mir mein Glück!

Der Schmachtende.

Hier klag’ ich verborgen

Dem thauenden Morgen

Mein einsam Geschick.

Verkannt von der Menge,

Wie zieh’ ich in’s Enge

Mich stille zurück!

O zärtliche Seele,

O schweige, verhehle

Die ewigen Leiden,

Verhehle dein Glück!

Der Jäger.

Es lohnet mich heute

Mit doppelter Beute

Ein gutes Geschick:

Der redliche Diener

Bringt Hasen und Hühner

Beladen zurück;

Hier find’ ich gefangen

Auch Vögel noch hangen! –

Es lebe der Jäger,

Es lebe sein Glück!

 
 * 

Lust und Qual

Knabe saß ich, Fischerknabe,

Auf dem schwarzen Fels am Meer

Und, bereitend falsche Gabe,

Sang ich, lauschend ringsumher.

Angel schwebte lockend nieder;

Gleich ein Fischlein streift und schnappt,

Schadenfrohe Schelmenlieder –

Und das Fischlein war ertappt.

Ach! am Ufer, durch die Fluren,

Ins Geklüfte tief zum Hain,

Folgt ich einer Sohle Spuren,

Und die Hirtin war allein.

Blicke sinken, Worte stocken! –

Wie ein Taschenmesser schnappt,

Faßte sie mich in die Locken,

Und das Bübchen war ertappt.

Weiß doch Gott, mit welchem Hirten

Sie aufs neue sich ergeht!

Muß ich in das Meer mich gürten,

Wie es sauset, wie es weht.

Wenn mich oft im Netze jammert

Das Gewimmel groß und klein,

Immer möcht ich noch umklammert

Noch von ihren Armen sein!

 
 * 

Johanna Sebus

Zum Andenken der siebzehnjährigen Schönen, Guten aus dem Dorfe Brienen, die am 13. Januar 1809 bei dem Eisgang des Rheins und dem großen Bruche des Dammes von Cleverham, Hilfe reichend, unterging.

Der Damm zerreißt, das Feld erbraust,

Die Fluten spülen, die Fläche saust.

„Ich trage dich, Mutter, durch die Flut,

Noch reicht sie nicht hoch, ich wate gut.“–

„Auch uns bedenke, bedrängt wie wir sind,

Die Hausgenossin, drei arme Kind!

Die schwache Frau!...Du gehst davon!“–

Sie trägt die Mutter durch das Wasser schon.

„Zum Bühle da rettet euch ! harret derweil;

Gleich kehr’ ich zurück, uns allen ist Heil.

Zum Bühl’ ist’s noch trocken und wenige Schritt;

Doch nehmt auch mir meine Ziege mit!“

Der Damm zerschmilzt, das Feld erbraust,

Die Fluten wühlen, die Fläche saust.

Sie setzt die Mutter auf sichres Land,

Schön Suschen, gleich wieder zur Flut gewandt.

„Wohin? Wohin? die Breite schwoll;

Das Wasser ist hüben und drüben voll.

Verwegen ins Tiefe willst du hinein!“–

„Sie sollen und müssen gerettet sein!“

Der Damm verschwindet, die Welle braust,

Eine Meereswoge, sie schwankt und saust.

Schön Suschen schreitet gewohnten Steg,

Umströmt auch, gleitet sie nicht vom Weg,

Erreicht den Bühl und die Nachbarin;

Doch der und den Kindern kein Gewinn!

Der Damm verschwand, ein Meer erbraust’s,

Den kleinen Hügel im Kreis umsaust’s.

Da gähnet und wirbelt der schäumende Schlund

Und ziehet die Frau mit den Kindern zu Grund;

Das Horn der Ziege faßt das ein’,

So sollten sie alle verloren sein!

Schön Suschen steht noch strack und gut:

Wer rettet das junge, das edelste Blut!

Schön Suschen steht noch wie ein Stern;

Doch alle Werber sind alle fern.

Rings um sie her ist Wasserbahn,

Kein Schifflein schwimmet zu ihr heran.

Noch einmal blickt sie zum Himmel hinauf,

Dann nehmen die schmeichelnden Fluten sie auf.

Kein Damm, kein Feld! Nur hier und dort

bezeichnet ein Baum, ein Turm den Ort,

Bedeckt ist alles mit Wasserschwall;

Doch Suschens Bild schwebt überall.–

Das Wasser sinkt, das Land erscheint,

Und überall wird schön Suschen beweint.–

Und dem sei, wer’s nicht singt und sagt,

Im Leben und Tod nicht nachgefragt!

 
 * 

Dilettant und Kritiker

Es hatt’ ein Knab’ eine Taube zart,

Gar schön von Farben und bunt,

Gar herzlich lieb nach Knabenart

Geätzet aus seinem Mund,

Und hatte so Freud’ am Täubchen fein,

Daß er nicht konnte sich freuen allein.

Da lebte nicht weit ein Altfuchs herum,

Erfahren und lehrreich und schwätzig darum;

Der hatte den Knaben manch’ Stündlein ergötzt,

Mit Wundern und Lügen verprahlt und verschwätzt.

»Muß meinem Fuchs doch mein Täubelein zeigen!«

Er lief und fand ihn strecken in Sträuchen.

»Sieh, Fuchs, mein lieb Täublein, mein Täubchen so schön!

Hast du dein Tag so ein Täubchen gesehn?«

Zeig’ her. – Der Knabe reicht’s. – Geht wohl an;

Aber es fehlt noch Manches dran.

Die Federn, zum Exempel, sind zu kurz gerathen. –

Da fing er an, rupft’ sich den Braten.

Der Knabe schrie. – Du mußt stärkre einsetzen,

Sonst ziert’s nicht, schwinget nicht. –

Da war’s nackt – Mißgeburt – und in Fetzen!

Dem Knaben das Herze bricht.

Wer sich erkennt im Knaben gut,

Der sei vor Füchsen auf seiner Hut.

 
 * 

Der neue Pausias und sein Blumenmädchen

Pausias von Sicyon, der Maler, war als Jüngling in Glyceren, seine Mitbürgerin, verliebt, welche Blumenkränze zu winden einen sehr erfinderischen Geist hatte. Sie wetteiferten mit einander, und er brachte die Nachahmung der Blumen zur größten Mannichfaltigkeit. Endlich malte er seine Geliebte, sitzend, mit einem Kranze beschäftigt. Dieses Bild wurde für eins seiner besten gehalten, und die Kranzwinderin oder Kranzhändlerin genannt, weil Glycere sich auf diese Weise als ein armes Mädchen ernährt hatte. Lucius Lucullus kaufte eine Copie in Athen für zwei Talente. Plinius B. XXXV, C. XI.

Sie.

Schütte die Blumen nur her zu meinen Füßen und deinen!

Welch ein chaotisches Bild holder Verwirrung du streust!

Er.

Du erscheinest als Liebe, die Elemente zu knüpfen;

Wie du sie bindest, so wird nun erst ein Leben daraus.

Sie.

Sanft berühre die Rose, sie bleib’ im Körbchen verborgen;

Wo ich dich finde, mein Freund, öffentlich reich’ ich sie dir.

Er.

Und ich thu’, als kennt’ ich dich nicht, und danke dir freundlich;

Aber dem Gegengeschenk weichet die Geberin aus.

Sie.

Reiche die Hyazinthe mir nun, und reiche die Nelke,

Daß die frühe zugleich neben der späteren sei.

Er.

Laß im blumigen Kreise zu deinen Füßen mich sitzen,

Und ich fülle den Schooß dir mit der lieblichen Schaar.

Sie.

Reiche den Faden mir erst; dann sollen die Gartenverwandten,

Die sich von ferne nur sahn, neben einander sich freun.

Er.

Was bewundr’ ich zuerst? was zuletzt? die herrlichen Blumen?

Oder der Finger Geschick? oder der Wählerin Geist?

Sie.

Gieb auch Blätter, den Glanz der blendenden Blumen zu mildern;

Auch das Leben verlangt ruhige Blätter im Kranz.

Er.

Sage, was wählst du so lange bei diesem Strauße? Gewiß ist

Dieser Jemand geweiht, den du besonders bedenkst.

Sie.

Hundert Sträuße vertheil’ ich des Tags, und Kränze die Menge;

Aber den schönsten doch bring’ ich am Abende dir.

Er.

Ach! wie wäre der Maler beglückt, der diese Gewinde

Malte, das blumige Feld, ach! und die Göttin zuerst!

Sie.

Aber doch mäßig beglückt ist der, mich dünkt, der am Boden

Hier sitzt, dem ich den Kuß reichend noch glücklicher bin.

Er.

Ach, Geliebte, noch einen! Die neidischen Lüfte des Morgens

Nahmen den ersten sogleich mir von den Lippen hinweg.

Sie.

Wie der Frühling die Blumen mir giebt, so geb’ ich die Küsse

Gern dem Geliebten; und hier sei mit dem Kusse der Kranz!

Er.

Hätt’ ich das hohe Talent des Pausias glücklich empfangen,

Nachzubilden den Kranz wär’ ein Geschäfte des Tags!

Sie.

Schön ist er wirklich. Sieh ihn nur an! Es wechseln die schönsten

Kinder Florens um ihn, bunt und gefällig, den Tanz.

Er.

In die Kelche versenkt’ ich mich dann, und erschöpfte den süßen

Zauber, den die Natur über die Kronen ergoß.

Sie.

Und so fänd’ ich am Abend noch frisch den gebundenen Kranz hier;

Unverwelklich spräch’ uns von der Tafel er an.

Er.

Ach, wie fühl’ ich mich arm und unvermögend! wie wünscht’ ich

Fest zu halten das Glück, das mir die Augen versengt!

Sie.

Unzufriedener Mann! Du bist ein Dichter, und neidest

Jenes Alten Talent? Brauche das deinige doch!

Er.

Und erreicht wohl der Dichter den Schmelz der farbigen Blumen?

Neben deiner Gestalt bleibt nur ein Schatten sein Wort!

Sie.

Aber vermag der Maler wohl auszudrücken: Ich liebe!

Nur dich lieb’ ich, mein Freund, lebe für dich nur allein!

Er.

Ach! und der Dichter selbst vermag nicht zu sagen: Ich liebe!

Wie du, himmlisches Kind, süß mir es schmeichelst in’s Ohr.

Sie.

Viel vermögen sie Beide; doch bleibt die Sprache des Kusses

Mit der Sprache des Blicks nur den Verliebten geschenkt.

Er.

Du vereinigest Alles; du dichtest und malest mit Blumen:

Florens Kinder sind dir Farben und Worte zugleich.

Sie.

Nur ein vergängliches Werk entwindet der Hand sich des Mädchens

Jeden Morgen; die Pracht welkt vor dem Abende schon.

Er.

Auch so geben die Götter vergängliche Gaben, und locken

Mit erneutem Geschenk immer die Sterblichen an.

Sie.

Hat dir doch kein Strauß, kein Kranz des Tages gefehlet,

Seit dem ersten, der dich mir so von Herzen verband.

Er.

Ja, noch hängt er zu Hause, der erste Kranz, in der Kammer,

Welchen du mir, den Schmaus lieblich umwandelnd, gereicht.

Sie.

Da ich den Becher dir kränzte, die Rosenknospe hineinfiel,

Und du trankest, und riefst: Mädchen, die Blumen sind Gift!

Er.

Und dagegen du sagtest: Sie sind voll Honig, die Blumen;

Aber die Biene nur findet die Süßigkeit aus.

Sie.

Und der rohe Timanth ergriff mich, und sagte: Die Hummeln

Forschen des herrlichen Kelchs süße Geheimnisse wohl?

Er.

Und du wandtest dich weg, und wolltest fliehen; es stürzten,

Vor dem täppischen Mann Körbchen und Blumen hinab.

Sie.

Und du riefst ihm gebietend: Das Mädchen laß nur! die Sträuße,

So wie das Mädchen selbst sind für den feineren Sinn.

Er.

Aber fester hielt er dich nur; es grins’te der Lacher,

Und dein Kleid zerriß oben vom Nacken herab.

Sie.

Und du warfst in begeisterter Wuth den Becher hinüber,

Daß er am Schädel ihm, häßlich vergossen, erklang.

Er.

Wein und Zorn verblendeten mich; doch sah ich den weißen

Nacken, die herrliche Brust, die du bedecktest, im Blick.

Sie.

Welch ein Getümmel ward und ein Aufstand! Purpurn das Blut lief,

Mit dem Weine vermischt, gräulich dem Gegner vom Haupt.

Er.

Dich nur sah ich, nur dich am Boden knieend, verdrießlich;

Mit der einen Hand hieltst das Gewand du hinauf.

Sie.

Ach, da flogen die Teller nach dir! Ich sorgte, den edeln

Fremdling träfe der Wurf kreisend geschwungnen Metalls.

Er.

Und doch sah ich nur dich, wie rasch mit der anderen Hand du

Körbchen, Blumen und Kranz sammeltest unter dem Stuhl.

Sie.

Schützend tratest du vor. daß nicht mich verletzte der Zufall

Oder der zornige Wirth, weil ich das Mahl ihm gestört.

Er.

Ja, ich erinnre mich noch; ich nahm den Teppich wie Einer,

Der auf dem linken Arm gegen den Stier ihn bewegt.

Sie.

Ruhe gebot der Wirth und sinnige Freunde. Da schlüpft’ ich

Sachte hinaus; nach dir wendet’ ich immer den Blick.

Er.

Ach, du warst mir verschwunden! vergebens sucht’ ich in allen

Winkeln des Hauses herum, so wie auf Straßen und Markt.

Sie.

Schamhaft blieb ich verborgen. Das unbescholtene Mädchen,

Sonst von den Bürgern geliebt, war nun das Mährchen des Tags.

Er.

Blumen sah ich genug und Sträuße, Kränze die Menge;

Aber du fehltest mir, aber du fehltest der Stadt.

Sie.

Stille saß ich zu Hause. Da blätterte los sich vom Zweige

Manche Rose, so auch dorrte die Nelke dahin.

Er.

Mancher Jüngling sprach auf dem Platz: Da liegen die Blumen!

Aber die liebliche fehlt, die sie verbände zum Kranz.

Sie.

Kränze band ich indessen zu Haus’ und ließ sie verwelken.

Siehst du? da hangen sie noch neben dem Herde für dich.

Er.

Auch so welkte der Kranz, dein erstes Geschenk! Ich vergaß nicht

Ihn im Getümmel, ich hing neben dem Bett mir ihn auf.

Sie.

Abends betrachtete ich mir die welkenden, saß noch und weinte,

Bis in der dunkelen Nacht Farbe nach Farbe verlosch.

Er.

Irrend ging ich umher, und fragte nach deiner Behausung;

Keiner der Eitelsten selbst konnte mir geben Bescheid.

Sie.

Keiner hat je mich besucht, und Keiner weiß die entlegne

Wohnung; die Größe der Stadt birget die Aermere leicht.

Er.

Irrend lief ich umher und flehte zur spähenden Sonne:

Zeige mir, mächtiger Gott, wo du im Winkel ihr scheinst!

Sie.

Große Götter hörten dich nicht; doch Penia hört’ es.

Endlich trieb die Noth nach dem Gewerbe mich aus.

Er.

Trieb nicht noch dich ein anderer Gott, den Beschützer zu suchen?

Hatte nicht Amor für uns wechselnde Pfeile getauscht?

Sie.

Spähend sucht’ ich dich auf bei vollem Markt, und ich sah dich!

Er.

Und es hielt das Gedräng’ keines der Liebenden auf.

Sie.

Schnell wir theilten das Volk, wir kamen zusammen, du standest.

Er.

Und du standest vor mir, ja! und wir waren allein.

Sie.

Mitten unter den Menschen! sie schienen mir Sträucher und Bäume.

Er.

Und mir schien ihr Getös’ nur ein Geriesel des Quells.

Sie.

Immer allein sind Liebende sich in der größten Versammlung;

Aber sind sie zu Zwei’n, stellt auch der Dritte sich ein.

Er.

Amor, ja! er schmückt sich mit diesen herrlichen Kränzen.

Schütte die Blumen nun doch fort, aus dem Schooße den Rest!

Sie.

Nun, ich schüttle sie weg, die schönen. In deiner Umarmung,

Lieber, geht mir auch heut wieder die Sonne nur auf.

 
 * 

Blick um Blick

Wenn du dich im Spiegel besiehst,

Denke, daß ich diese Augen küßte,

Und mich mit mir selbst entzweien müßte,

Sobalde du mich fliehst:

Denn da ich nur in diesen Augen lebe,

Du mir gibst, was ich gebe,

So wär ich ganz verloren;

Jetzt bin ich immer wie neugeboren.

 
 * 

Neue Liebe, neues Leben

Herz, mein Herz, was soll das geben?

Was bedränget dich so sehr?

Welch ein fremdes, neues Leben!

Ich erkenne dich nicht mehr.

Weg ist alles, was du liebtest,

Weg, warum du dich betrübtest,

Weg dein Fleiß und deine Ruh –

Ach, wie kamst du nur dazu!

Fesselt dich die Jugendblüte,

Diese liebliche Gestalt,

Dieser Blick voll Treu und Güte

Mit unendlicher Gewalt?

Will ich rasch mich ihr entziehen,

Mich ermannen, ihr entfliehen,

Führet mich im Augenblick,

Ach, mein Weg zu ihr zurück.

Und an diesem Zauberfädchen,

Das sich nicht zerreißen läßt,

Hält das liebe, lose Mädchen

Mich so wider Willen fest;

Muß in ihrem Zauberkreise

Leben nun auf ihre Weise.

Die Verändrung, ach, wie groß!

Liebe! Liebe! laß mich los!

 
 * 

Aus einem Briefe an die Gräfin Auguste zu Stolberg

Alles geben die Götter, die unendlichen,

Ihren Lieblingen ganz,

Alle Freuden, die unendlichen,

Alle Schmerzen, die unendlichen, ganz.

 
 * 

Juni

Hinter jenem Berge wohnt

Sie, die meine Liebe lohnt.

Sage, Berg, was ist denn das?

Ist mir doch, als wärst du Glas,

Und ich wär nicht weit davon;

Denn sie kommt, ich seh es schon,

Traurig, denn ich bin nicht da,

Lächelnd, ja, sie weiß es ja!

Nun stellt sich dazwischen

Ein kühles Tal mit leichten Büschen,

Bächen, Wiesen und dergleichen,

Mühlen und Rändern, den schönsten Zeichen,

Daß da gleich wird eine Fläche kommen,

Weite Felder unbeklommen

Und so immer, immer heraus,

Bis mir an Garten und Haus!

Aber wie geschichts?

Freut mich das alles nicht –

Freute mich des Gesichts

Und der zwei Äuglein Glanz,

Freute mich des leichten Gangs,

Und wie ich sie seh

Vom Zopf zur Zeh!

Sie ist fort, ich bin hier,

Ich bin weg, bin bei ihr.

Wandelt sie auf schroffen Hügeln,

Eilet sie das Tal entlang,

Da erklingt es wie mit Flügeln,

Da bewegt sichs wie Gesang.

Und auf diese Jugendfülle

Dieser Glieder frohe Pracht

Harret einer in der Stille,

Den sie einzig glücklich macht.

Liebe steht ihr gar zu schön,

Schönres hab ich nie gesehn!

Bricht ihr doch ein Blumenflor

Aus dem Herzen selbst hervor.

Denk ich: soll es doch so sein!

Das erquickt mir Mark und Bein;

Wähn ich wohl, wenn sie mich liebt,

Daß es noch was Beßres gibt?

Und noch schöner ist die Braut,

Wenn sie sich mir ganz vertraut,

Wenn sie spricht und mir erzählt,

Was sie freut und was sie quält.

Wie’s ihr ist und wie’s ihr war,

Kenn ich sie doch ganz und gar.

Wer gewänn an Seel und Leib

Solch ein Kind und solch ein Weib!

 
 * 

An Lottchen

Mitten im Getümmel mancher Freuden,

Mancher Sorgen, mancher Herzensnot,

Denk ich dein, o Lottchen, denken dein die beiden,

Wie beim stillen Abendrot

Du die Hand uns freundlich reichtest,

Da du uns auf reich bebauter Flur,

In dem Schoße herrlicher Natur,

Manche leicht verhüllte Spur

Einer lieben Seele zeigtest.

Wohl ist mirs, daß ich dich nicht verkannt,

Daß ich gleich dich in der ersten Stunde,

Ganz den Herzensausdruck in dem Munde,

Dich ein wahres, gutes Kind genannt.

Still und eng und ruhig auferzogen

Wirft man uns auf einmal in die Welt;

Uns umspülen hunderttausend Wogen,

Alles reizt uns, mancherlei gefällt,

Mancherlei verdrießt uns, und von Stund zu Stunden

Schwankt das leicht unruhige Gefühl;

Wir empfinden, und was wir empfunden,

Spült hinweg das bunte Weltgewühl.

Wohl, ich weiß es, da durchschleicht uns innen

Manche Hoffnung, mancher Schmerz.

Lottchen, wer kennt unsre Sinnen?

Lottchen, wer kennt unser Herz?

Ach, es möchte gern gekannt sein, überfließen

In das Mitempfinden einer Kreatur,

Und vertrauend zwiefach neu genießen

Alles Leid und Freude der Natur.

Und da sucht das Aug oft so vergebens

Ringsumher und findet alles zu;

So vertaumelt sich der schönste Teil des Lebens

Ohne Sturm und ohne Ruh,

Und zu deinem ewgen Unbehagen

Stößt dich heute, was dich gestern zog.

Kannst du zu der Welt nur Neigung tragen,

Die so oft dich trog

Und bei deinem Weh, bei deinem Glücke,

Blieb in eigenwillger, starrer Ruh?

Sieh, da tritt der Geist in sich zurücke,

Und das Herz – es schließt sich zu.

So fand ich dich und ging dir frei entgegen.

O sie ist wert, zu sein geliebt!

Rief ich, erflehte dir des Himmels reinsten Segen,

Den er dir nun in deiner Freundin gibt.

 
 * 

Bleibe, bleibe bei mir

Bleibe, bleibe bei mir,

Holder Fremdling, süße Liebe,

Holde süße Liebe,

Und verlasse die Seele nicht!

Ach, wie anders, wie schön

Lebt der Himmel, lebt die Erde,

Ach, wie fühl ich, wie fühl ich

Dieses Leben zum erstenmal!

 
 * 

Studien

Nachahmung der Natur

– Der schönen –

Ich ging auch wohl auf dieser Spur;

Gewöhnen

Mocht’ ich wohl nach und nach den Sinn,

Mich zu vergnügen;

Allein so bald ich mündig bin, –

Es sind’s die Griechen!

 
 * 

Zum neuen Jahr

Zwischen dem Alten

Zwischen dem Neuen,

Hier uns zu freuen

Schenkt uns das Glück,

Und das Vergangne

Heißt mit Vertrauen

Vorwärts zu schauen,

Schauen zurück.

Stunden der Plage,

Leider, sie scheiden

Treue von Leiden,

Liebe von Lust;

Bessere Tage

Sammeln uns wieder,

Heitere Lieder

Stärken die Brust.

Leiden und Freuden,

Jener verschwundnen,

Sind die Verbundnen

Fröhlich gedenk.

O des Geschickes

Seltsamer Windung!

Alte Verbindung,

Neues Geschenk!

Dankt es dem regen,

Wogenden Glücke,

Dankt dem Geschicke

Männiglich Gut;

Freut euch des Wechsels

Heiterer Triebe,

Offener Liebe,

Heimlicher Glut!

Andere schauen

Deckende Falten

Über dem Alten

Traurig und scheu;

Aber uns leuchtet

Freundliche Treue;

Sehet, das Neue

Findet uns neu.

So wie im Tanze

Bald sich verschwindet,

Wieder sich findet

Liebendes Paar,

So durch des Lebens

Wirrende Beugung

Führe die Neigung

Uns in das Jahr.

 
 * 

Bergschloß

Da droben auf jenem Berge,

Da steht ein altes Schloß,

Wo hinter Toren und Türen

Sonst lauerten Ritter und Roß.

Verbrannt sind Türen und Tore,

Und überall ist es so still;

Das alte verfallne Gemäuer

Durchklettr ich, wie ich nur will.

Hierneben lag ein Keller,

So voll von köstlichem Wein;

Nun steiget nicht mehr mit Krügen

Die Kellnerin heiter hinein.

Sie setzt den Gästen im Saale

Nicht mehr die Becher umher,

Sie füllt zum Heiligen Mahle

Dem Pfaffen das Fläschchen nicht mehr.

Sie reicht dem lüsternen Knappen

Nicht mehr auf dem Gange den Trank,

Und nimmt für flüchtige Gabe

Nicht mehr den flüchtigen Dank.

Denn alle Balken und Decken,

Sie sind schon lange verbrannt,

Und Trepp und Gang und Kapelle

In Schutt und Trümmer verwandt.

Doch als mit Zither und Flasche

Nach diesen felsigen Höhn

Ich an dem heitersten Tage

Mein Liebchen steigen gesehn,

Da drängte sich frohes Behagen

Hervor aus verödeter Ruh,

Da gings wie in alten Tagen

Recht feierlich wieder zu.

Als wären für stattliche Gäste

Die weitesten Räume bereit,

Als käm ein Pärchen gegangen

Aus jener tüchtigen Zeit.

Als stünd in seiner Kapelle

Der würdige Pfaffe schon da

Und fragte: Wollt ihr einander?

Wir aber lächelten: Ja!

Und tief bewegten Gesänge

Des Herzens innigsten Grund,

Es zeugte, statt der Menge,

Der Echo schallender Mund.

Und als sich gegen Abend

Im stillen alles verlor,

Da blickte die glühende Sonne

Zum schroffen Gipfel empor.

Und Knapp und Kellnerin glänzen

Als Herren weit und breit;

Sie nimmt sich zum Kredenzen

Und er zum Danke sich Zeit.

 
 * 

Warum gabst du uns die tiefen Blicke

Warum gabst du uns die tiefen Blicke

Unsre Zukunft ahndungsvoll zu schaun,

Unsrer Liebe, unserm Erdenglücke

Wähnend selig nimmer hinzutraun?

Warum gabst uns, Schicksal, die Gefühle,

Uns einander in das Herz zu sehn,

Um durch all die seltenen Gewühle

Unser wahr Verhältnis auszuspähn?

Ach, so viele tausend Menschen kennen,

Dumpf sich treibend, kaum ihr eigen Herz,

Schweben zwecklos hin und her und rennen

Hoffnungslos in unversehnem Schmerz;

Jauchzen wieder, wenn der schnellen Freuden

Unerwart’te Morgenröte tagt.

Nur uns armen liebevollen beiden

Ist das wechselseitge Glück versagt,

Uns zu lieben, ohn uns zu verstehen,

In dem andern sehn, was er nie war,

Immer frisch auf Traumglück auszugehen

Und zu schwanken auch in Traumgefahr.

Glücklich, den ein leerer Traum beschäftigt!

Glücklich, dem die Ahndung eitel wär!

Jede Gegenwart und jeder Blick bekräftigt

Traum und Ahndung leider uns noch mehr.

Sag, was will das Schicksal uns bereiten?

Sag, wie band es uns so rein genau?

Ach, du warst in abgelebten Zeiten

Meine Schwester oder meine Frau;

Kanntest jeden Zug in meinem Wesen,

Spähtest, wie die reinste Nerve klingt,

Konntest mich mit einem Blicke lesen,

Den so schwer ein sterblich Aug durchdringt.

Tropftest Mäßigung dem heißen Blute,

Richtetest den wilden irren Lauf,

Und in deinen Engelsarmen ruhte

Die zerstörte Brust sich wieder auf;

Hieltest zauberleicht ihn angebunden

Und vergaukeltest ihm manchen Tag.

Welche Seligkeit glich jenen Wonnestunden,

Da er dankbar dir zu Füßen lag,

Fühlt’ sein Herz an deinem Herzen schwellen,

Fühlte sich in deinem Auge gut,

Alle seine Sinnen sich erhellen

Und beruhigen sein brausend Blut.

Und von allem dem schwebt ein Erinnern

Nur noch um das ungewisse Herz,

Fühlt die alte Wahrheit ewig gleich im Innern,

Und der neue Zustand wird ihm Schmerz.

Und wir scheinen uns nur halb beseelet,

Dämmernd ist um uns der hellste Tag.

Glücklich, daß das Schicksal, das uns quälet,

Uns doch nicht verändern mag.

 
 * 

An den Herzog Karl August

Durchlauchtigster! Es nahet sich

Ein Bäuerlein demütiglich,

Da Ihr mit Euerm Roß und Heer

Zum Schlosse tut stolzieren sehr,

Gebt, ach, mir einen gnädigen Blick,

Das ist schon Untertanen-Glück;

Denn Haus und Hof und Freud und Leid

Hab ich schon seit geraumer Zeit.

Haben Euch sofern auch lieb und gern,

Wie man eben liebhat seinen Herrn,

Den man wie unsern Herr-Gott nennt.

Und ihn auch meistens nicht besser kennt.

Geb Euch Gott allen guten Segen,

Nur laßt Euch sein uns angelegen;

Denn wir bäurisch treues Blut

Sind doch immer Euer bestes Gut,

Und könnt Euch mehr an uns erfreun

Als an Pferden und Stuterein.

Dies reich ich Euch im fremden Land,

Bliebe Euch übrigens gern unbekannt.

Zieht ein und nehmet Speis und Kraft

Im Zauberschloß in der Nachbarschaft,

Wo eine gute Fee regiert,

Die einen goldnen Szepter führt

Und um sich eine kleine Welt

Mit holdem Blick beisammenhält.

Seb. Simpel.

 
 * 

Lilis Park

Ist doch keine Menagerie

So bunt als meiner Lili ihre!

Sie hat darin die wunderbarsten Tiere

Und kriegt sie ’rein, weiß selbst nicht wie.

O wie sie hüpfen, laufen, trappeln,

Mit abgestumpften Flügeln zappeln,

Die armen Prinzen allzumal,

In nie gelöschter Liebesqual!

»Wie hieß die Fee? – Lili?« Fragt nicht nach ihr!

Kennt ihr sie nicht, so danket Gott dafür.

Welch ein Geräusch, welch ein Gegacker,

Wenn sie sich in die Türe stellt

Und in der Hand das Futterkörbchen hält!

Welch ein Gequiek, welch ein Gequacker!

Alle Bäume, alle Büsche

Scheinen lebendig zu werden:

So stürzen sich ganze Herden

Zu ihren Füßen; sogar im Bassin die Fische

Patschen ungeduldig mit den Köpfen heraus.

Und sie streut dann das Futter aus

Mit einem Blick – Götter zu entzücken,

Geschweige die Bestien. Da gehts an ein Picken,

An ein Schlürfen, an ein Hacken;

Sie stürzen einander über den Nacken,

Schieben sich, drängen sich, reißen sich,

Jagen sich, ängsten sich, beißen sich,

Und das all um ein Stückchen Brot,

Das, trocken, aus den schönen Händen schmeckt,

Als hätt es in Ambrosia gesteckt.

Aber der Blick auch! der Ton,

Wenn sie ruft: Pipi! Pipi!

Zöge den Adler Jupiters vom Thron;

Der Venus Taubenpaar,

Ja, der eitle Pfau sogar,

Ich schwöre, sie kämen,

Wenn sie den Ton von weitem nur vernähmen.

Denn so hat sie aus des Waldes Nacht

Einen Bären, ungeleckt und ungezogen,

Unter ihren Beschluß hereinbetrogen,

Unter die zahme Kompanie gebracht

Und mit den andern zahm gemacht:

Bis auf einen gewissen Punkt, versteht sich!

Wie schön und ach! wie gut

Schien sie zu sein! Ich hätte mein Blut

Gegeben, um ihre Blumen zu begießen.

Ihr sagtet: »ICH! Wie? Wer?«

Gut denn, ihr Herrn, gradaus: ICH bin der Bär;

In einem Filetschurz gefangen,

An einem Seidenfaden ihr zu Füßen.

Doch wie das alles zugegangen,

Erzähl ich euch zur andern Zeit;

Dazu bin ich zu wütig heut.

Denn ha! steh ich so an der Ecke

Und hör von weitem das Geschnatter,

Seh das Geflitter, das Geflatter,

Kehr ich mich um

Und brumm,

Und renne rückwärts eine Strecke

Und seh mich um

Und brumm,

Und laufe wieder eine Strecke,

Und kehr doch endlich wieder um.

Dann fängts auf einmal an, zu rasen,

Ein mächtger Geist schnaubt aus der Nasen,

Es wildst die innere Natur.

Was, du ein Tor, ein Häschen nur!

So ein Pipi! Eichhörnchen, Nuß zu knacken!

Ich sträube meinen borstgen Nacken,

Zu dienen ungewöhnt.

Ein jedes aufgestutzte Bäumchen höhnt

Mich an! Ich flieh vom Boulingreen,

Vom niedlich glatt gemähten Grase;

Der Buchsbaum zieht mir eine Nase,

Ich flieh ins dunkelste Gebüsche hin,

Durchs Gehege zu dringen,

Über die Planken zu springen!

Mir versagt Klettern und Sprung,

Ein Zauber bleit mich nieder,

Ein Zauber häkelt mich wider,

Ich arbeite mich ab, und bin ich matt genung,

Dann lieg ich an gekünstelten Kaskaden

Und kau und wein und wälze halb mich tot,

Und ach! es hören meine Not

Nur porzellanene Oreaden.

Auf einmal, ach! es dringt

Ein seliges Gefühl durch alle meine Glieder!

Sie ists, die dort in ihrer Laube singt!

Ich hör die liebe, liebe Stimme wieder,

Die ganze Luft ist warm, ist blütevoll.

Ach, singt sie wohl, daß ich sie hören soll?

Ich dringe zu, tret alle Sträuche nieder,

Die Büsche fliehn, die Bäume weichen mir,

Und so – zu ihren Füßen liegt das Tier.

Sie sieht es an: »Ein Ungeheuer! doch drollig!

Für einen Bären zu mild,

Für einen Pudel zu wild;

so zottig, täpsig, knollig!«

Sie streicht ihm mit dem Füßchen übern Rücken;

Er denkt im Paradiese zu sein.

Wie ihn alle sieben Sinne jücken!

Und sie – sieht ganz gelassen drein.

Ich küß ihre Schuhe, kau an den Sohlen,

So sittig, als ein Bär nur mag;

Ganz sachte heb ich mich und schwinge mich verstohlen

Leis an ihr Knie – Am günstgen Tag

Läßt sies geschehen und kraut mir um die Ohren

Und patscht mich mit mutwillig derbem Schlag;

Ich knurr, in Wonne neu geboren.

Dann fordert sie mit süßem, eitlem Spotte:

Allons tout doux! Eh la menotte!

Et faites serviteur,

Comme un joli Seigneur.

So treibt sies fort mit Spiel und Lachen!

Es hofft der oft betrogne Tor;

Doch will er sich ein bißchen unnütz machen,

Hält sie ihn kurz als wie zuvor.

Doch hat sie auch ein Fläschchen Balsam-Feuers,

Dem keiner Erde Honig gleicht,

Wovon sie wohl einmal, von Lieb und Treu erweicht,

Um die verlechzten Lippen ihres Ungeheuers

Ein Tröpfchen mit der Fingerspitze streicht

Und wieder flieht und mich mir überläßt,

Und ich dann, losgebunden, fest

Gebannt bin, immer nach ihr ziehe,

Sie suche, schaudre, wieder fliehe –

So läßt sie den zerstörten Armen gehn,

Ist seiner Lust, ist seinen Schmerzen still;

Ha! Manchmal läßt sie mir die Tür halb offen stehn,

Seitblickt mich spottend an, ob ich nicht fliehen will.

Und ich! – Götter, ists in euren Händen,

Dieses dumpfe Zauberwerk zu enden:

Wie dank ich, wenn ihr mir die Freiheit schafft!

Doch sendet ihr mir keine Hilfe nieder –

Nicht ganz umsonst reck ich so meine Glieder:

Ich fühls: Ich schwörs! Noch hab ich Kraft.

 
 * 

Mignon

So laßt mich scheinen, bis ich werde;

Zieht mir das weiße Kleid nicht aus!

Ich eile von der schönen Erde

Hinab in jenes feste Haus.

Dort ruh ich eine kleine Stille,

Dann öffnet sich der frische Blick,

Ich lasse dann die reine Hülle,

Den Gürtel und den Kranz zurück.

Und jene himmlischen Gestalten,

Sie fragen nicht nach Mann und Weib,

Und keine Kleider, keine Falten

Umgeben den verklärten Leib.

Zwar lebt ich ohne Sorg und Mühe,

Doch fühlt ich tiefen Schmerz genung.

Vor Kummer altert ich zu frühe –

Macht mich auf ewig wieder jung!

 
 * 

Fuchs und Jäger

Schwer, in Waldes Busch und Wuchse,

Füchsen auf die Spur gelangen;

Hält’s der Jäger mit dem Fuchse,

Ist’s unmöglich ihn zu fangen.

Und so wäre manches Wunder

Wie A B Ab auszusprechen,

Ueber welches wir jetzunder

Kopf und Hirn im Kopf zerbrechen.

 
 * 

Parabase

Freudig war, vor vielen Jahren,

Eifrig so der Geist bestrebt,

Zu erforschen, zu erfahren,

Wie Natur im Schaffen lebt.

Und es ist das ewig Eine,

Das sich vielfach offenbart:

Klein das Große, groß das Kleine,

Alles nach der eignen Art;

Immer wechselnd, fest sich haltend,

Nah und fern und fern und nah,

So gestaltend, umgestaltend –

Zum Erstaunen bin ich da.

 
 * 

Abschied

Zu lieblich ist’s, ein Wort zu brechen,

Zu schwer die wohlerkannte Pflicht,

Und leider kann man nichts versprechen,

Was unserm Herzen widerspricht.

Du übst die alten Zauberlieder,

Du lockst ihn, der kaum ruhig war,

Zum Schaukelkahn der süßen Torheit wieder,

Erneust, verdoppeltst die Gefahr.

Was suchst du mir dich zu verstecken!

Sei offen, flieh nicht meinem Blick!

Früh oder spät mußt’ ich’s entdecken,

Und hier hast du dein Wort zurück.

Was ich gesollt, hab’ ich vollendet;

Durch mich sei dir von nun an nichts verwehrt;

Allein, verzeih dem Freund, der sich nun von dir wendet

Und still in sich zurücke kehrt.

 
 * 

Episteln

Gerne hätt ich fortgeschrieben,

Aber es ist liegen blieben.

I.

Jetzt, da jeglicher liest, und viele Leser das Buch nur

Ungeduldig durchblättern und, selbst die Feder ergreifend,

Auf das Büchlein ein Buch mit seltener Fertigkeit propfen,

Soll auch ich, du willst es, mein Freund, dir über das Schreiben

Schreibend, die Menge vermehren und meine Meinung verkünden,

Daß auch andere wieder darüber meinen, und immer

So ins Unendliche fort die schwankende Woge sich wälze.

Doch so fähret der Fischer dem hohen Meer zu, sobald ihm

Günstig der Wind und der Morgen erscheint; er treibt sein Gewerbe,

Wenn auch hundert Gesellen die blinkende Fläche durchkreuzen.

Edler Freund, du wünschest das Wohl des Menschengeschlechtes,

Unserer Deutschen besonders und ganz vorzüglich des nächsten

Bürgers, und fürchtest die Folgen gefährlicher Bücher; wir haben

Leider oft sie gesehen. Was sollte man, oder was könnten

Biedere Männer vereint, was könnten die Herrscher bewirken?

Ernst und wichtig erscheint mir die Frage, doch trifft sie mich eben

In vergnüglicher Stimmung. Im warmen heiteren Wetter

Glänzet fruchtbar die Gegend, mir bringen liebliche Lüfte

Über die wallende Flut süß duftende Kühlung herüber,

Und dem Heitern erscheint die Welt auch heiter, und ferne

Schwebt die Sorge mir nur in leichten Wölkchen vorüber.

Was mein leichter Griffel entwirft, ist leicht zu verlöschen,

Und viel tiefer präget sich nicht der Eindruck der Lettern,

Die, so sagt man, der Ewigkeit trotzen. Freilich an viele

Spricht die gedruckte Kolumne; doch bald, wie jeder sein Antlitz,

Das er im Spiegel gesehen, vergißt, die behaglichen Züge,

So vergißt er das Wort, wenn auch von Erze gestempelt.

Reden schwanken so leicht herüber, hinüber, wenn viele

Sprechen und jeder nur sich im eigenen Worte, sogar auch

Nur sich selbst im Worte vernimmt, das der andere sagte.

Mit den Büchern ist es nicht anders. Liest doch nur jeder

Aus dem Buch sich heraus, und ist er gewaltig, so liest er

In das Buch sich hinein, amalgamiert sich das Fremde.

Ganz vergebens strebst du daher, durch Schriften des Menschen

Schon entschiedenen Hang und seine Neigung zu wenden.

Aber bestärken kannst du ihn wohl in seiner Gesinnung.

Oder, wär er noch neu, in dieses ihn tauchen und jenes.

Sag ich, wie ich es denke, so scheint durchaus mir: es bildet

Nur das Leben den Mann, und wenig bedeuten die Worte.

Denn zwar hören wir gern, was unsere Meinung bestätigt.

Aber das Hören bestimmt nicht die Meinung; was uns zuwider

Wäre, glaubten wir wohl dem künstlichen Redner; doch eilet

Unser befreites Gemüt, gewohnte Bahnen zu suchen.

Sollen wir freudig horchen und willig gehorchen, so mußt du

Schmeicheln. Sprichst du zum Volke, zu Fürsten und Königen, allen

Magst du Geschichten erzählen, worin als wirklich erscheine,

Was sie sich wünschen und was sie selber zu leben begehrten.

Wäre Homer von allen gehört, von allen gelesen,

Schmeichelt’ er nicht dem Geiste sich ein, es sei auch der Hörer,

Wer er sei, und klinget nicht immer im hohen Palaste,

In des Königes Zelt die Ilias herrlich dem Helden?

Hört nicht aber dagegen Ulyssens wandernde Klugheit

Auf dem Markte sich besser, da wo sich der Bürger versammelt?

Dort sieht jeglicher Held in Helm und Harnisch, es sieht hier

Sich der Bettler sogar in seinen Lumpen veredelt.

Also hört ich einmal, am wohlgepflasterten Ufer

Jener Neptunischen Stadt, allwo man geflügelte Löwen

Göttlich verehrt, ein Märchen erzählen. Im Kreise geschlossen

Drängte das horchende Volk sich um den zerlumpten Rhapsoden.

Einst, so sprach er, verschlug mich der Sturm ans Ufer der Insel,

Die Utopien heißt. Ich weiß nicht, ob sie ein andrer

Dieser Gesellschaft jemals betrat; sie lieget im Meere

Links von Herkules’ Säulen. Ich ward gar freundlich empfangen;

In ein Gasthaus führte man mich, woselbst ich das beste

Essen und Trinken fand und weiches Lager und Pflege.

So verstrich ein Monat geschwind. Ich hatte des Kummers

Völlig vergessen und jeglicher Not; da fing sich im stillen

Aber die Sorge nun an: wie wird die Zeche dir leider

Nach der Mahlzeit bekommen? Denn nichts enthielte der Säckel.

Reiche mir weniger! bat ich den Wirt; er brachte nur immer

Desto mehr. Da wuchs mir die Angst, ich konnte nicht länger

Essen und sorgen, und sagte zuletzt: Ich bitte, die Zeche

Billig zu machen, Herr Wirt! Er aber, mit finsteren Augen

Sah von der Seite mich an, ergriff den Knittel und schwenkte

Unbarmherzig über mich her und traf mir die Schultern,

Traf mir den Kopf und hätte beinah mich zu Tode geschlagen.

Eilend lief ich davon und suchte den Richter; man holte

Gleich den Wirt, der ruhig erschien und bedächtig versetzte:

Also müß es allen ergehn, die das heilige Gastrecht

Unserer Insel verletzen und, unanständig und gottlos,

Zeche verlangen vom Manne, der sie doch höflich bewirtet.

Sollt ich solche Beleidigung dulden im eigenen Hause?

Nein! es hätte fürwahr statt meines Herzens ein Schwamm nur

Mir im Busen gewohnt, wofern ich dergleichen gelitten.

Darauf sagte der Richter zu mir: Vergesset die Schläge,

Denn Ihr habt die Strafe verdient, ja schärfere Schmerzen;

Aber wollt Ihr bleiben und mitbewohnen die Insel,

Müsset Ihr Euch erst würdig beweisen und tüchtig zum Bürger.

Ach! versetzt ich, mein Herr, ich habe leider mich niemals

Gerne zur Arbeit gefügt. So hab ich auch keine Talente,

Die den Menschen bequemer ernähren; man hat mich im Spott nur

Hans Ohnesorge genannt und mich von Hause vertrieben.

O, so sei uns gegrüßt! versetzte der Richter; du sollst dich

Oben setzen zu Tisch, wenn sich die Gemeine versammelt,

Sollst im Rate den Platz, den du verdienest, erhalten.

Aber hüte dich wohl, daß nicht ein schändlicher Rückfall

Dich zur Arbeit verleite, daß man nicht etwa das Grabscheit

Oder das Ruder bei dir im Hause finde, du wärest

Gleich auf immer verloren und ohne Nahrung und Ehre.

Aber auf dem Markte zu sitzen, die Arme gedrungen

Über dem schwellenden Bauch, zu hören lustige Lieder

Unserer Sänger, zu sehn die Tänze der Mädchen, der Knaben

Spiele, das werde dir Pflicht, die du gelobest und schwörest.

So erzählte der Mann, und heiter waren die Stirnen

Aller Hörer geworden, und alle wünschten des Tages

Solche Wirte zu finden, ja solche Schläge zu dulden.

II.

Würdiger Freund, du runzelst die Stirn; dir scheinen die Scherze

Nicht am rechten Orte zu sein; die Frage war ernsthaft,

Und besonnen verlangst du die Antwort; da weiß ich, beim Himmel,

Nicht, wie eben sich mir der Schalk im Busen bewegte.

Doch ich fahre bedächtiger fort. Du sagst mir: So möchte

Meinetwegen die Menge sich halten im Leben und Lesen,

Wie sie könnte; doch denke dir nur die Töchter im Hause,

Die mir der kuppelnde Dichter mit allem Bösen bekannt macht.

Dem ist leichter geholfen, versetz ich, als wohl ein andrer

Denken möchte. Die Mädchen sind gut und machen sich gerne

Was zu schaffen. Da gib nur dem einen die Schlüssel zum Keller,

Daß es die Weine des Vaters besorge, sobald sie, vom Winzer

Oder vom Kaufmann geliefert, die weiten Gewölbe bereichern.

Manches zu schaffen hat ein Mädchen, die vielen Gefäße,

Leere Fässer und Flaschen in reinlicher Ordnung zu halten.

Dann betrachtet sie oft des schäumenden Mostes Bewegung,

Gießt das Fehlende zu, damit die wallenden Blasen

Leicht die Öffnung des Fasses erreichen, trinkbar und helle

Endlich der edelste Saft sich künftigen Jahren vollende.

Unermüdet ist sie alsdann, zu füllen, zu schöpfen,

Daß stets geistig der Trunk und rein die Tafel belebe.

Laß der andern die Küche zum Reich; da gibt es, wahrhaftig!

Arbeit genug, das tägliche Mahl durch Sommer und Winter

Schmackhaft stets zu bereiten und ohne Beschwerde des Beutels.

Denn im Frühjahr sorget sie schon, im Hofe die Küchlein

Bald zu erziehen und bald die schnatternden Enten zu füttern.

Alles, was ihr die Jahrszeit gibt, das bringt sie beizeiten

Dir auf den Tisch und weiß mit jeglichem Tage die Speisen

Klug zu wechseln, und reift nur eben der Sommer die Früchte,

Denkt sie an Vorrat schon für den Winter. Im kühlen Gewölbe

Gärt ihr der kräftige Kohl, und reifen im Essig die Gurken;

Aber die luftige Kammer bewahrt ihr die Gaben Pomonens.

Gerne nimmt sie das Lob vom Vater und allen Geschwistern;

Und mißlingt ihr etwas, dann ists ein größeres Unglück,

Als wenn dir ein Schuldner entläuft und den Wechsel zurückläßt.

Immer ist so das Mädchen beschäftigt und reifet im stillen

Häuslicher Tugend entgegen, den klugen Mann zu beglücken.

Wünscht sie dann endlich zu lesen, so wählt sie gewißlich ein Kochbuch,

Deren hunderte schon die eifrigen Pressen uns gaben.

Eine Schwester besorget den Garten, der schwerlich zur Wildnis,

Deine Wohnung romantisch und feucht zu umgeben, verdammt ist,

Sondern in zierliche Beete geteilt, als Vorhof der Küche,

Nützliche Kräuter ernährt und jugendbeglückende Früchte.

Patriarchalisch erzeuge so selbst dir ein kleines gedrängtes

Königreich und bevölkre dein Haus mit treuem Gesinde.

Hast du der Töchter noch mehr, die lieber sitzen und stille

Weibliche Arbeit verrichten, da ists noch besser; die Nadel

Ruht im Jahre nicht leicht: denn, noch so häuslich im Hause,

Mögen sie öffentlich gern als müßige Damen erscheinen.

Wie sich das Nähen und Flicken vermehrt, das Waschen und Biegeln,

Hundertfältig, seitdem in weißer arkadischer Hülle

Sich das Mädchen gefällt, mit langen Röcken und Schleppen

Gassen kehret und Gärten, und Staub erreget im Tanzsaal.

Wahrlich! wären mir nur der Mädchen ein Dutzend im Hause,

Niemals wär ich verlegen um Arbeit, sie machen sich Arbeit

Selber genug; es sollte kein Buch im Laufe des Jahres

Über die Schwelle mir kommen, vom Bücherverleiher gesendet.

 
 * 

Fürstenregel

Sollen die Menschen nicht denken und dichten,

Müßt ihr ihnen ein lustig Leben errichten;

Wollt ihr ihnen aber wahrhaft nützen,

So müßt ihr sie scheeren und sie beschützen.

 
 * 

Zwischen Lavater und Basedow

Zwischen Lavater und Basedow

Saß ich bei Tisch des Lebens froh.

Herr Helfer, der war gar nicht faul,

Setzt’ sich auf einen schwarzen Gaul,

Nahm einen Pfarrer hinter sich

Und auf die Offenbarung strich,

Die uns Johannes der Prophet

Mit Rätseln wohl versiegeln tät;

Eröffnet’ die Siegel kurz und gut,

Wie man Theriaksbüchsen öffnen tut,

Und maß mit einem heiligen Rohr

Die Kubusstadt und das Perlentor

Dem hocherstaunten Jünger vor.

Ich war indes nicht weit gereist,

Hatte ein Stück Salmen aufgespeist.

Vater Basedow, unter dieser Zeit,

Packt einen Tanzmeister an seiner Seit

Und zeigt ihm, was die Taufe klar

Bei Christ und seinen Jüngern war;

Und daß sichs gar nicht ziemet jetzt,

Daß man den Kindern die Köpfe netzt.

Drob ärgert sich der andre sehr

Und wollte gar nichts hören mehr,

Und sagt: es wüßte jedes Kind,

Daß es in der Bibel anders stünd.

Und ich behaglich unterdessen

Hätt einen Hahnen aufgefressen.

*

Und, wie nach Emmaus, weiter gings

Mit Geist- und Feuerschritten,

Prophete rechts, Prophete links,

Das Weltkind in der Mitten.

 
 * 

In’s Weite

Das geht so fröhlich

In’s Allgemeine!

Ist leicht und selig,

Als wär’s auch reine.

Sie wissen gar nichts

Von stillen Riffen;

Und wie sie schiffen.

Die lieben Heitern,

Sie werden wie gar nichts

Zusammen scheitern.

 
 * 

Meine Wahl

Ich liebe mir den heitren Mann

Am meisten unter meinen Gästen:

Wer sich nicht selbst zum besten haben kann,

Der ist gewiß nicht von den Besten.

 
 * 

Gegenseitig

Wie sitzt mir das Liebchen?

Was freut sie so groß?

Den Fernen, sie wiegt ihn,

Sie hat ihn im Schoß;

Im zierlichen Käfig

Ein Vöglein sie hält,

Sie läßt es heraußer,

So, wie ihrs gefällt.

Hats Picken dem Finger,

Den Lippen getan,

Es flieget und flattert

Und wieder heran.

So eile zur Heimat,

Das ist nun der Brauch,

Und hast du das Mädchen,

So hat sie dich auch.

 
 * 

Der Müllerin Reue

Jüngling

Nur fort, du braune Hexe, fort!

Aus meinem gereinigten Hause,

Daß ich dich, nach dem ersten Wort,

Nicht zause!

Was singst du hier für Heuchelei

Von Lieb und stiller Mädchentreu?

Zigeunerin

Ich singe von des Mädchens Reu

Und langem, heißem Sehnen;

Denn Leichtsinn wandelte sich in Treu

Und Tränen.

Sie fürchtet der Mutter Drohen nicht mehr,

Sie fürchtet des Bruders Faust nicht so sehr,

Als den Haß des herzlich Geliebten.

Jüngling

Von Eigennutz sing und von Verrat,

Von Mord und diebischem Rauben;

Man wird dir jede falsche Tat

Wohl glauben.

Wenn sie Beute verteilt, Gewand und Gut,

Schlimmer als je ihr Zigeuner tut,

Das sind gewohnte Geschichten.

Zigeunerin

»Ach weh! ach weh! Was hab ich getan!

Was hilft mir nun das Lauschen!

Ich hör an meine Kammer heran

Ihn rauschen.

Da klopfte mir doch das Herz, ich dacht:

O hättest du doch die Liebesnacht

Der Mutter nicht verraten!«

Jüngling

Ach, leider! trat ich auch einst hinein

Und ging verführt im stillen:

Ach, Süßchen, laß mich zu dir ein

Mit Willen!

Doch gleich entstand ein Lärm und Geschrei,

Es rannten die tollen Verwandten herbei,

Noch siedet das Blut mir im Leibe.

Zigeunerin

»Kommt nur dieselbige Stunde zurück,

Wie still michs kränket und schmerzet!

Ich habe das nahe, das einzige Glück

Verscherzet.

Ich armes Mädchen, ich war zu jung!

Es war mein Bruder verrucht genung,

So schlecht an dem Liebsten zu handeln.«

Der Dichter

So ging das schwarze Weib in das Haus,

In den Hof zur springenden Quelle;

Sie wusch sich heftig die Augen aus,

Und helle

Ward Aug und Gesicht, und weiß und klar

Stellt sich die schöne Müllerin dar

Dem erstaunt-erzürnten Knaben.

Müllerin

Ich fürchte fürwahr dein erzürnt Gesicht,

Du Süßer, Schöner und Trauter!

Und Schläg und Messerstiche nicht;

Nur lauter

Sag ich von Schmerz und Liebe dir

Und will zu deinen Füßen hier

Nun leben oder auch sterben.

Jüngling

O Neigung, sage, wie hast du so tief

Im Herzen dich verstecket?

Wer hat dich, die verborgen schlief,

Gewecket?

Ach, Liebe, du wohl unsterblich bist!

Nicht kann Verrat und hämische List

Dein göttlich Leben töten.

Müllerin

Liebst du mich noch so hoch und sehr,

Wie du mir sonst geschworen,

So ist uns beiden auch nichts mehr

Verloren.

Nimm hin das vielgeliebte Weib!

Den jungen unberührten Leib,

Es ist nun alles dein eigen!

Beide

Nun, Sonne, geh hinab und hinauf!

Ihr Sterne, leuchtet und dunkelt!

Es geht ein Liebesgestirn mir auf

Und funkelt.

Solange die Quelle springt und rinnt,

Solange bleiben wir gleichgesinnt,

Eins an des anderen Herzen.

 
 * 

Das Tagebuch

April 1814

Wir hören’s oft und glauben’s wohl am Ende:

Das Menschenherz sei ewig unergründlich,

Und wie man auch sich hin und wider wende,

So sei der Christe wie der Heide sündlich.

Das Beste bleibt, wir geben uns die Hände

Und nehmen’s mit der Lehre nicht empfindlich;

Denn zeigt sich auch ein Dämon, uns versuchend,

So waltet was, gerettet ist die Tugend.

Von meiner Trauten lange Zeit entfernet,

Wie’s öfter geht, nach irdischem Gewinne,

Und was ich auch gewonnen und gelernet,

So hatt’ ich doch nur immer sie im Sinne;

Und wie zur Nacht der Himmel erst sich sternet,

Erinnrung uns umleuchtet ferner Minne:

So ward im Federzug des Tags Ereignis

Mit süßen Worten ihr ein freundlich Gleichnis.

Ich eilte nun zurück. Zerbrochen sollte

Mein Wagen mich noch eine Nacht verspäten;

Schon dacht’ ich mich, wie ich zu Haus rollte,

Allein da war Geduld und Werk vonnöten.

Und wie ich auch mit Schmied und Wagner tollte,

Sie hämmerten, verschmähten, viel zu reden.

Ein jedes Handwerk hat nun seine Schnurren.

Was blieb mir nun? Zu weilen und zu murren.

So stand ich nun. Der Stern des nächsten Schildes

Berief mich hin, die Wohnung schien erträglich.

Ein Mädchen kam, des seltensten Gebildes,

Das Licht erleuchtend. Mir ward gleich behäglich.

Hausflur und Treppe sah ich als ein Mildes,

Die Zimmerchen erfreuten mich unsäglich.

Den sündigen Menschen, der im Freien schwebet –

Die Schönheit spinnt, sie ist’s, die ihn umwebet.

Nun setzt’ ich mich zu meiner Tasch’ und Briefen

Und meines Tagebuchs Genauigkeiten,

Und wie sonst, wenn alle Menschen schliefen,

Mir und der Trauten Freude zu bereiten;

Doch weiß ich nicht, die Tintenworte liefen

Nicht so wie sonst in alle Kleinigkeiten;

Das Mädchen kam, des Abendessens Bürde

Verteilte sie gewandt mit Gruß und Würde.

Sie geht und kommt; ich spreche, sie erwidert;

Mit jedem Wort erscheint sie mir geschmückter.

Und wie sie leicht mir nun das Huhn zergliedert,

Bewegend Hand und Arm, geschickt, geschickter –

Was auch das tolle Zeug in uns befiedert –

Genug, ich bin verworrner, bin verrückter,

Den Stuhl umwerfend, spring’ ich auf und fasse

Das schöne Kind; sie lispelt: „Lasse, lasse! Die Muhme

drunten lauscht, ein alter Drache,

Sie zählt bedächtig des Geschäfts Minute;

Sie denkt sich unten, was ich oben mache,

Bei jedem Zögern schwenkt sie frisch die Rute,

Doch schließe deine Türe nicht und wache,

So kommt die Mitternacht uns wohl zugute.“

Rasch meinem Arm entwindet sie die Glieder

Und eilet fort und kommt nur dienend wieder;

Doch blickend auch! So daß aus jedem Blicke

Sich himmlisches Versprechen mir entfaltet.

Den stillen Seufzer drängt sie nicht zurücke,

Der ihren Busen herrlicher gestaltet.

Ich sehe, daß am Ohr, um Hals und G’nicke

Der flüchtigen Röte Liebesblüte waltet,

Und da sie nichts zu leisten weiter findet,

Geht sie und zögert, sieht sich um, verschwindet.

Der Mitternacht gehören Haus und Straßen,

Mir ist ein weites Lager aufbereitet,

Wovon den kleinsten Teil mir anzumaßen

Die Liebe rät, die alles wohl bereitet;

Ich zaudre noch, die Kerzen auszublasen,

Nun hör’ ich sie, wie leise sie auch gleitet,

Mit gierigem Blick die Hochgestalt umschweif’ ich,

Sie senkt sich her, die Wohlgestalt ergreif’ ich.

Sie macht sich los: „Vergönne, daß ich rede,

Damit ich dir nicht völlig fremd gehöre.

Der Schein ist wider mich; sonst war ich blöde,

Stets gegen Männer setzt’ ich mich zur Wehre.

Mich nennt die Stadt, mich nennt die Gegend spröde;

Nun aber weiß ich, wie das Herz sich kehre:

Du bist mein Sieger, laß dich’s nicht verdrießen,

Ich sah, ich liebte, schwur, dich zu genießen.

Du hast mich rein, und wenn ich’s besser wüßte,

So gäb ich’s Dir; ich tue, was ich sage.“

So schließt sie mich an ihre süßen Brüste,

Als ob ihr nur an meiner Brust behage.

Und wie ich Mund und Aug’ und Stirne küßte,

So war ich doch in wunderbarer Lage:

Denn der so hitzig sonst den Meister spielet,

Weicht schülerhaft zurück und abgekühlet.

Ihr scheint ein süßes Wort, ein Kuß zu g’nügen,

Als wär’ es alles, was ihr Herz begehrte.

Wie keusch sie mir, mit liebevollem Fügen,

Des süßen Körpers Fülleform gewährte!

Entzückt und früh in allen Zügen

Und ruhig dann, als wenn sie nichts entbehrte.

So ruht’ ich auch, gefällig sie beschauend,

Noch auf den Meister hoffend und vertrauend.

Doch als ich länger mein Geschick bedachte,

Von tausend Flüchen mir die Seele kochte,

Mich selbst verwünschend, grinsend mich belachte,

Nichts besser ward, wie ich auch zaudern mochte,

Da lag sie schlafend, schöner als sie wachte;

Die Lichter dämmerten mit langem Dochte.

Der Tagesarbeit, jugendlicher Mühe

Gesellt sich gern der Schlaf und nie zu frühe.

So lag sie himmlisch an bequemer Stelle,

Als wenn das Lager ihr allein gehörte,

Und an die Wand gedrückt, gequetscht zur Hölle,

Ohnmächtig jener, dem sie nichts verwehrte.

Vom Schlangenbisse fällt zunächst der Quelle

Ein Wandrer so, den schon der Durst verzehrte.

Sie atmet lieblich holdem Traum entgegen;

Er hält den Atem, sie nicht aufzuregen.

Gefaßt bei dem, was ihm noch nie begegnet,

Spricht er zu sich: So mußt du doch erfahren,

Warum der Bräutigam sich kreuzt und segnet,

Vor Nestelknüpfen scheu sich zu bewahren.

Weit lieber da, wo’s Hellebarden regnet,

Als hier im Schimpf! So war es nicht vor Jahren,

Als deine Herrin dir zum ersten Male

Vors Auge trat im prachterhellten Saale.

Da quoll dein Herz, da quollen deine Sinnen,

So daß der ganze Mensch entzückt sich regte.

Zum raschen Tanze trugst du sie von hinnen,

Die kaum der Arm und schon der Busen hegte,

Als wolltest du dir selbst sie abgewinnen;

Vervielfacht war, was sich für sie bewegte:

Verstand und Witz und alle Lebensgeister

Und rascher als die andern jener Meister.

So immerfort wuchs Neigung und Begierde,

Brautleute wurden wir im frühen Jahre,

Sie selbst des Maiens schönste Blum und Zierde;

Wie wuchs die Kraft zur Lust im jungen Paare!

Und als ich endlich sie zur Kirche führte,

Gesteh’ ich’s nur, vor Priester und Altare,

Vor deinem Jammerkreuz, blutrünstiger Christe,

Verzeih mir’s Gott, es regte sich der Iste.

Und ihr, der Brautnacht reiche Bettgehänge,

Ihr Pfühle, die ihr euch so breit erstrecktet,

Ihr Teppiche, die Lieb und Lustgedränge

Mit euren seid’nen Fittichen bedecktet!

Ihr Käfigvögel, deren Zwitschersänge

Zu neuer Lust und nie zu früh uns wecktet!

Ihr kanntet uns, von eurem Schutz umfriedet,

Teilnehmend sie, mich immer unermüdet.

Und wie wir oft sodann im Raub genossen

Nach Buhlenart des Ehstands heilge Rechte,

Von reifer Saat umwogt, vom Rohr umschossen,

An manchem Unort, wo ich’s mich erfrechte,

Wir waren augenblicklich, unverdrossen

Und wiederholt bedient vom braven Knechte!

Verfluchter Knecht, wie unerwecklich liegst du!

Und deinen Herrn ums schönste Glück betrügst du.

Doch Meister Iste hat nun seine Grillen

Und läßt sich nicht befehlen noch erachten,

Auf einmal ist er da, und ganz im stillen

Erhebt er sich zu allen seinen Prachten;

So steht es nun dem Wandrer ganz zu Willen,

Nicht lechzend mehr am Quell zu übernachten.

Er neigt sich hin, er will die Schläferin küssen,

Allein er stockt, er fühlt sich weggerissen.

Wer hat zur Kraft ihn wieder aufgestählet,

Als jenes Bild, das ihm auf ewig teuer,

Mit dem er sich in Jugendlust vermählet?

Dort leuchtet her ein frisch erquicklich Feuer,

Und wie er erst in Ohnmacht sich gequälet,

So wir nun hier dem Starken nicht geheuer;

Er schaudert weg, vorsichtig, leise, leise

Entzieht er sich dem holden Zauberkreise.

Sitzt, schreibt: „Ich nahte mich der heimischen Pforte,

Entfernen wollten mich die letzten Stunden,

Da hab’ ich nun, am sonderbarsten Orte,

Mein treues Herz aufs neue dir verbunden.

Zum Schlusse findest du geheime Worte:

DIE KRANKHEIT ERST BEWÄHRET DEN GESUNDEN.

Dies Büchlein soll dir manches Gute zeigen,

Das Beste nur muß ich zuletzt verschweigen.“

Da kräht der Hahn. Das Mädchen schnell entwindet

Der Decke sich und wirft sich rasch ins Mieder.

Und da sie sich so seltsam wiederfindet,

So stutzt sie, blickt und schlägt die Augen nieder;

Und da sie ihm zum letztenmal verschwindet,

Im Auge bleiben ihm die schönen Glieder.

Das Posthorn tönt, er wirft sich in den Wagen

Und läßt getrost sich zu der Liebsten tragen.

Und weil zuletzt bei jeder Dichtungsweise

Moralien uns ernstlich fördern sollen,

So will auch ich in so beliebtem Gleise

Euch gern bekennen, was die Verse wollen:

Wir stolpern wohl auf unsrer Lebensreise,

Und doch vermögen in der Welt, der tollen,

Zwei Hebel viel aufs irdische Getriebe:

Sehr viel die Pflicht, unendlich mehr die Liebe!

 
 * 

An seine Spröde

Siehst du die Pomeranze?

Noch hängt sie an dem Baume;

Schon ist der März verflossen,

Und neue Blüten kommen.

Ich trete zu dem Baume

Und sage: Pomeranze,

Du reife Pomeranze,

Du süße Pomeranze,

Ich schüttle, fühl, ich schüttle,

O fall in meinen Schoß!

 
 * 

Ländlich

Der Nachtigall, sie war entfernt,

Der Frühling lockt sie wieder;

Was neues hat sie nicht gelernt,

Singt alte liebe Lieder.

 
 * 

Muth

Sorglos über die Fläche weg,

Wo vom kühnsten Wager die Bahn

Dir nicht vorgegraben du siehst,

Mache dir selber Bahn!

Stille, Liebchen, mein Herz!

Kracht’s gleich, bricht’s doch nicht!

Bricht’s gleich, bricht’s nicht mit dir!

 
 * 

Der König von Thule

Es war einst ein König in Thule,

Gar treu bis an das Grab,

Dem sterbend seine Buhle

einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber,

Er leert’ ihn jeden Schmaus;

Die Augen gingen ihm über,

So oft trank er daraus.

Und als er kam zu sterben,

Zählt’ er seine Städt’ im Reich,

Gönnt’ alles seinen Erben,

Den Becher nicht zugleich.

Er saß beim Königsmahle,

Die Ritter um ihn her,

Auf hohem Vätersaale

Dort auf dem Schloß am Meer.

Dort stand der alte Zecher,

Trank letzte Lebensglut

Und warf den heil’gen Becher

Hinunter in die Flut.

Er sah ihn stürzen, trinken

Und sinken tief ins Meer.

Die Augen täten ihm sinken,

Trank nie einen Tropfen mehr.

 
 * 

Der Schäfer

Es war ein fauler Schäfer,

Ein rechter Siebenschläfer.

Ihn kümmerte kein Schaf.

Ein Mädchen konnt’ ihn fassen:

Da war der Tropf verlassen,

Fort Appetit und Schlaf!

Es trieb ihn in die Ferne,

Des Nachts zählt’ er die Sterne,

Er klagt’ und härmt’ sich brav.

Nun da sie ihn genommen,

Ist alles wieder kommen,

Durst, Appetit und Schlaf.

 
 * 

An Schwager Kronos

Spude dich, Kronos!

Fort den rasselnden Trott!

Bergab gleitet der Weg;

Ekles Schwindeln zögert

Mir vor die Stirne dein Zaudern.

Frisch, holpert es gleich,

Über Stock und Steine den Trott

Rasch ins Leben hinein!

Nun schon wieder

Den eratmenden Schritt

Mühsam Berg hinauf!

Auf denn, nicht träge denn,

Strebend und hoffend hinan!

Weit, hoch, herrlich der Blick

Rings ins Leben hinein,

Vom Gebirg zum Gebirg

Schwebet der ewige Geist,

Ewigen Lebens ahndevoll.

Seitwärts des Überdachs Schatten

Zieht dich an

Und ein Frischung verheißender Blick

Auf der Schwelle des Mädchens da.

Labe dich! – Mir auch, Mädchen,

Diesen schäumenden Trank,

Diesen frischen Gesundheitsblick!

Ab denn, rascher hinab!

Sieh, die Sonne sinkt!

Eh sie sinkt, eh mich Greisen

Ergreift im Moore Nebelduft,

Entzahnte Kiefer schnattern

Und das schlotternde Gebein.

Trunknen vom letzten Strahl

Reiß mich, ein Feuermeer

Mir im schäumenden Aug,

Mich geblendeten Taumelnden

In der Hölle nächtliches Tor.

Töne, Schwager, ins Horn,

Raßle den schallenden Trab,

Daß der Orkus vernehme: ein Fürst kommt.

Drunten von ihren Sitzen

Sich die Gewaltigen lüften.

 
 * 

Zu des Rheins gestreckten Hügeln

Zu des Rheins gestreckten Hügeln,

Hochgesegneten Gebreiten,

Auen, die den Fluß bespiegeln,

Weingeschmückten Landesweiten

Möget, mit Gedankenflügeln,

Ihr den treuen Freund begleiten.

 
 * 

Ein grauer, trüber Morgen

Ein grauer, trüber Morgen

Bedeckt mein liebes Feld,

Im Nebel tief verborgen

Liegt um mich her die Welt.

O liebliche Friedricke,

Dürft ich nach dir zurück!

In einem deiner Blicke

Liegt Sonnenschein und Glück.

Der Baum, in dessen Rinde

Mein Nam bei deinem steht,

Wird bleich vom rauhen Winde,

Der jede Lust verweht.

Der Wiesen grüner Schimmer

Wird trüb wie mein Gesicht,

Sie sehen die Sonne nimmer,

Und ich Friedricken nicht.

Bald geh ich in die Reben

Und herbste Trauben ein;

Umher ist alles Leben,

Es strudelt neuer Wein.

Doch in der öden Laube,

Ach, denk ich, wär sie hier!

Ich brächt ihr diese Traube,

Und sie – was gäb sie mir?

 
 * 

Um Mitternacht

Um Mitternacht ging ich, nicht eben gerne,

Klein-kleiner Knabe, jenen Friedhof hin

Zu Vaters Haus, des Pfarrers; Stern am Sterne,

Sie leuchteten doch alle gar zu schön;

Um Mitternacht.

Wenn ich dann ferner in des Lebens Weite

Zur Liebsten mußte, mußte, weil sie zog,

Gestirn und Nordschein über mir im Streite,

Ich gehend, kommend Seligkeiten sog;

Um Mitternacht.

Bis dann zuletzt des vollen Mondes Helle

So klar und deutlich mir ins Finstre drang.

Auch der Gedanke willig, sinnig, schnelle

Sich ums Vergangne wie ums Künftige schlang;

Um Mitternacht.

 
 * 

Novemberlied

Dem Schützen, doch dem alten nicht,

Zu dem die Sonne flieht,

Der uns ihr fernes Angesicht

Mit Wolken überzieht;

Dem Knaben sei dies Lied geweiht,

Der zwischen Rosen spielt,

Uns höret und zur rechten Zeit

Nach schönen Herzen zielt.

Durch ihn hat uns des Winters Nacht,

So häßlich sonst und rauh,

Gar manchen werten Freund gebracht

Und manche liebe Frau.

Von nun an soll sein schönes Bild

Am Sternenhimmel stehn,

Und er soll ewig, hold und mild,

Uns auf- und untergehn.

 
 * 

Begeisterung

Fassest du die Muse nur beim Zipfel,

Hast du wenig nur gethan;

Geist und Kunst, auf ihrem höchsten Gipfel,

Muthen alle Menschen an.

 
 * 

An die Cicade

Nach dem Anakreon.

Selig bist du, liebe Kleine,

Die du auf der Bäume Zweigen,

Von geringem Trank begeistert,

Singend, wie ein König lebest!

Dir gehöret eigen Alles,

Was du auf den Feldern siehest,

Alles, was die Stunden bringen;

Lebest unter Ackersleuten,

Ihre Freundin, unbeschädigt,

Du den Sterblichen Verehrte,

Süßen Frühlings süßer Bote!

Ja, dich lieben alle Musen,

Phöbus selber muß dich lieben,

Gaben dir die Silberstimme;

Dich ergreifet nie das Alter,

Weise, zarte, Dichterfreundin,

Ohne Fleisch und Blut Geborne,

Leidenlose Erdentochter,

Fast den Göttern zu vergleichen.

 
 * 

Wanderers Sturmlied

Wen du nicht verlässest, Genius,

Nicht der Regen, nicht der Sturm

Haucht ihm Schauer übers Herz.

Wen du nicht verlässest, Genius,

Wird dem Regengewölk,

Wird dem Schloßensturm

Entgegensingen,

Wie die Lerche,

Du da droben.

Den du nicht verlässest, Genius,

Wirst ihn heben übern Schlammpfad

Mit den Feuerflügeln.

Wandeln wird er

Wie mit Blumenfüßen

Über Deukalions Flutschlamm,

Python tötend, leicht, groß,

Pythius Apollo.

Den du nicht verlässest, Genius,

Wirst die wollnen Flügel unterspreiten,

Wenn er auf dem Felsen schläft,

Wirst mit Hüterfittichen ihn decken

In des Haines Mitternacht.

Wen du nicht verlässest, Genius,

Wirst im Schneegestöber

Wärmumhüllen;

Nach der Wärme ziehn sich Musen,

Nach der Wärme Charitinnen.

Umschwebt mich, ihr Musen, ihr Charitinnen!

Das ist Wasser, das ist Erde,

Und der Sohn des Wassers und der Erde,

Über den ich wandle

Göttergleich.

Ihr seid rein, wie das Herz der Wasser,

Ihr seid rein, wie das Mark der Erde,

Ihr umschwebt mich, und ich schwebe

Über Wasser, über Erde,

Göttergleich.

Soll der zurückkehren,

Der kleine, schwarze, feurige Bauer?

Soll der zurückkehren, erwartend

Nur deine Gaben, Vater Bromius,

Und helleuchtend umwärmend Feuer?

Der kehren mutig?

Und ich, den ihr begleitet,

Musen und Charitinnen alle,

Den alles erwartet, was ihr,

Musen und Charitinnen,

Umkränzende Seligkeit,

Rings ums Leben verherrlicht habt,

Soll mutlos kehren?

Vater Bromius!

Du bist Genius,

Jahrhunderts Genius,

Bist, was innre Glut

Pindarn war,

Was der Welt

Phöbus Apoll ist.

Weh! Weh! Innre Wärme,

Seelenwärme,

Mittelpunkt!

Glüh entgegen

Phöb Apollen;

Kalt wird sonst

Sein Fürstenblick

Über dich vorübergleiten,

Neidgetroffen

Auf der Zeder Kraft verweilen,

Die zu grünen

Sein nicht harrt.

Warum nennt mein Lied dich zuletzt?

Dich, von dem es begann,

Dich, in dem es endet,

Dich, aus dem es quillt,

Jupiter Pluvius!

Dich, dich strömt mein Lied,

Und kastalischer Quell

Rinnt ein Nebenbach,

Rinnet Müßigen,

Sterblich Glücklichen

Abseits von dir,

Der du mich fassend deckst,

Jupiter Pluvius!

Nicht am Ulmenbaum

Hast du ihn besucht,

Mit dem Taubenpaar

In dem zärtlichen Arm,

Mit der freundlichen Ros umkränzt,

Tändelnden ihn, blumenglücklichen

Anakreon,

Sturmatmende Gottheit!

Nicht im Pappelwald

An des Sybaris Strand,

An des Gebirgs

Sonnebeglänzter Stirn nicht

Faßtest du ihn,

Den Blumen-singenden,

Honig-lallenden,

Freundlich winkenden

Theokrit.

Wenn die Räder rasselten,

Rad an Rad rasch ums Ziel weg,

Hoch flog

Siegdurchglühter

Jünglinge Peitschenknall,

Und sich Staub wälzt’,

Wir vom Gebirg herab

Kieselwetter ins Tal,

Glühte deine Seel Gefahren, Pindar,

Mut. – Glühte? –

Armes Herz!

Dort auf dem Hügel,

Himmlische Macht!

Nur so viel Glut,

Dort meine Hütte,

Dorthin zu waten!

 
 * 

Kestner’s Agape

Von deinem Liebesmahl

Will man nichts wissen;

Für einen Christen ist’s

Ein böser Bissen.

Denn kaum verläßt der Herr

Die Grabestücher,

Gleich schreibt ein Schelmenvolk

Absurde Bücher.

Gewinnen gegen dich

Die Philologen;

Das hilft uns Alles nichts,

Wir sind betrogen.

 
 * 

Trilogie der Leidenschaft

An Werther

Noch einmal wagst du, vielbeweinter Schatten,

Hervor dich an das Tageslicht,

Begegnest mir auf neubeblümten Matten,

Und meinen Anblick scheust du nicht.

Es ist, als ob du lebtest in der Frühe,

Wo uns der Tau auf einem Feld erquickt

Und nach des Tages unwillkommner Mühe

Der Scheidesonne letzter Strahl entzückt;

Zum Bleiben ich, zum Scheiden du erkoren,

Gingst du voran – und hast nicht viel verloren.

Des Menschen Leben scheint ein herrlich Los:

Der Tag wie lieblich, so die Nacht wie groß!

Und wir, gepflanzt in Paradieses Wonne,

Genießen kaum der hocherlauchten Sonne,

Da kämpft sogleich verworrene Bestrebung

Bald mit uns selbst und bald mit der Umgebung;

Keins wird vom andern wünschenswert ergänzt,

Von außen düsterts, wenn es innen glänzt,

Ein glänzend Äußres deckt ein trüber Blick,

Da steht es nah – und man verkennt das Glück.

Nun glauben wirs zu kennen! Mit Gewalt

Ergreift uns Liebreiz weiblicher Gestalt:

Der Jüngling, froh wie in der Kindheit Flor,

Im Frühling tritt als Frühling selbst hervor,

Entzückt, erstaunt, wer dies ihm angetan?

Er schaut umher – die Welt gehört ihm an.

Ins Weite zieht ihn unbefangne Hast,

Nichts engt ihn ein, nicht Mauer, nicht Palast;

Wie Vögelschar an Wäldergipfeln streift,

So schwebt auch er, der um die Liebste schweift,

Er sucht vom Äther, den er gern verläßt,

Den treuen Blick, und dieser hält ihn fest.

Doch erst zu früh und dann zu spät gewarnt,

Fühlt er den Flug gehemmt, fühlt sich umgarnt.

Das Wiedersehn ist froh, das Scheiden schwer,

Das Wieder-Wiedersehn beglückt noch mehr,

Und Jahre sind im Augenblick ersetzt;

Doch tückisch harrt das Lebewohl zuletzt.

Du lächelst, Freund, gefühlvoll wie sich ziemt:

Ein gräßlich Scheiden machte dich berühmt;

Wir feierten dein kläglich Mißgeschick.

Du ließest uns zu Wohl und Weh zurück.

Dann zog uns wieder ungewisse Bahn

Der Leidenschaften labyrinthisch an;

Und wir, verschlungen wiederholter Not,

Dem Scheiden endlich – Scheiden ist der Tod!

Wie klingt es rührend, wenn der Dichter singt,

Den Tod zu meiden, den das Scheiden bringt!

Verstrickt in solche Qualen, halbverschuldet,

Geh ihm ein Gott, zu sagen, was er duldet.

 
 * 

Elegie

Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt,

Gab mir ein Gott, zu sagen, was ich leide.

Was soll ich nun vom Wiedersehen hoffen,

Von dieses Tages noch geschlossner Blüte?

Das Paradies, die Hölle steht dir offen;

Wie wankelsinnig regt sichs im Gemüte! –

Kein Zweifel mehr! Sie tritt ans Himmelstor,

Zu ihren Armen hebt sie dich empor.

So warst du denn im Paradies empfangen,

Als wärst du wert des ewig schönen Lebens;

Dir blieb kein Wunsch, kein Hoffen, kein Verlangen,

Hier war das Ziel des innigsten Bestrebens,

Und in dem Anschaun dieses einzig Schönen

Versiegte gleich der Quell sehnsüchtiger Tränen.

Wie regte nicht der Tag die raschen Flügel,

Schien die Minuten vor sich her zu treiben!

Der Abendkuß, ein treu verbindlich Siegel:

So wird es auch der nächsten Sonne bleiben.

Die Stunden glichen sich im sanften Wandern,

Wie Schwestern zwar, doch keine ganz den andern.

Der Kuß, der letzte, grausam süß, zerschneidend

Ein herrliches Geflecht verschlungner Minnen –

Nun eilt, nun stockt der Fuß, die Schwelle meidend,

Als trieb ein Cherub flammend ihn von hinnen;

Das Auge starrt auf düstrem Pfad verdrossen,

Es blickt zurück: die Pforte steht verschlossen.

Und nun verschlossen in sich selbst, als hätte

Dies Herz sich nie geöffnet, selige Stunden

Mit jedem Stern des Himmels um die Wette

An ihrer Seite leuchtend nicht empfunden;

Und Mißmut, Reue, Vorwurf, Sorgenschwere

Belastens nun in schwüler Atmosphäre.

Ist denn die Welt nicht übrig? Felsenwände,

Sind sie nicht mehr gekrönt von heiligen Schatten?

Die Ernte, reift sie nicht? Ein grün Gelände,

Zieht sichs nicht hin am Fluß durch Busch und Matten?

Und wölbt sich nicht das überweltlich Große,

Gestaltenreiche, bald Gestaltenlose?

Wie leicht und zierlich, klar und zart gewoben

Schwebt, seraphgleich, aus ernster Wolken Chor,

Als glich es ihr, am blauen Äther droben

Ein schlank Gebild aus lichtem Dunst empor;

So sahst du sie in frohem Tanze walten,

Die lieblichste der lieblichen Gestalten.

Doch nur Momente darfst dich unterwinden

Ein Luftgebild statt ihrer festzuhalten;

Ins Herz zurück! dort wirst du’s besser finden,

Dort regt sie sich in wechselnden Gestalten:

Zu Vielen bildet Eine sich hinüber,

So tausendfach, und immer, immer lieber.

Wie zum Empfang sie an den Pforten weilte

Und mich von dannauf stufenweis beglückte,

Selbst nach dem letzten Kuß mich noch ereilte,

Den letzesten mir auf die Lippen drückte:

So klar beweglich bleibt das Bild der Lieben

Mit Flammenschrift ins treue Herz geschrieben.

Ins Herz, das fest, wie zinnenhohe Mauer,

Sich ihr bewahrt und sie in sich bewahret,

Für sie sich freut an seiner eignen Dauer,

Nur weiß von sich, wenn sie sich offenbaret,

Sich freier fühlt in so geliebten Schranken

Und nur noch schlägt, für alles ihr zu danken.

War Fähigkeit zu lieben, war Bedürfen

Von Gegenliebe weggelöscht, verschwunden,

Ist Hoffnungslust zu freudigen Entwürfen,

Entschlüssen, rascher Tat sogleich gefunden!

Wenn Liebe je den Liebenden begeistet,

Ward es an mir aufs lieblichste geleistet;

Und zwar durch sie! – Wie lag ein dumpfes Bangen

Auf Geist und Körper, unwillkommner Schwere,

Von Schauerbildern rings der Blick umfangen

Im wüsten Raum beklommner Herzensleere;

Nun dämmert Hoffnung von bekannter Schwelle:

Sie selbst erscheint in milder Sonnenhelle.

Dem Frieden Gottes, welcher euch hienieden

Mehr als Vernunft beseliget – wir lesens –

Vergleich ich wohl der Liebe heitern Frieden

In Gegenwart des allgeliebten Wesens;

Da ruht das Herz, und nichts vermag zu stören

Den tiefsten Sinn: den Sinn, ihr zu gehören.

In unsers Busen Reine wogt ein Streben,

Sich einem Höhern, Reinern, Unbekannten

Aus Dankbarkeit freiwillig hinzugeben,

Enträtselnd sich den ewig Ungenannten;

Wir heißens: fromm sein! – Solcher seligen Höhe

Fühl ich mich teilhaft, wenn ich vor ihr stehe.

Vor ihrem Blick wie vor der Sonne Walten,

Vor ihrem Atem wie vor Frühlingslüften,

Zerschmilzt, so längst sich eisig starr gehalten,

Der Selbstsinn tief in winterlichen Grüften;

Kein Eigennutz, kein Eigenwille dauert,

Vor ihrem Kommen sind sie weggeschauert.

Es ist, als wenn sie sagte: Stund um Stunde

Wird uns das Leben freundlich dargeboten

Das Gestrige ließ uns geringe Kunde,

Das Morgende – zu wissen ist verboten!

Und wenn ich je mich vor dem Abend scheute,

Die Sonne sank und sah noch, was mich freute.

Drum tu wie ich und schaue, froh verständig

Dem Augenblick ins Auge! Kein Verschieben!

Begegn ihm schnell, wohlwollend wie lebendig,

Im Handeln sei’s, zur Freude, sei’s dem Lieben!

Nur wo du bist, sei alles immer kindlich,

So bist du alles, bist unüberwindlich.«

Du hast gut reden, dacht ich: zum Geleite

Gab dir ein Gott die Gunst des Augenblickes,

Und jeder fühlt an deiner holden Seite

Sich Augenblicks den Günstling des Geschickes;

Mich schreckt der Wink, von dir mich zu entfernen –

Was hilft es mir, so hohe Weisheit lernen!

Nun bin ich fern! Der jetzigen Minute,

Was ziemt denn der? Ich wüßt es nicht zu sagen.

Sie bietet mir zum Schönen manches Gute;

Das lastet nur, ich muß mich ihm entschlagen

Mich treibt umher ein unbezwinglich Sehnen,

Da bleibt kein Rat als grenzenlose Tränen.

So quellt denn fort und fließet unaufhaltsam –

Doch nie geläng’s, die innre Glut zu dämpfen!

Schon rasts und reißt in meiner Brust gewaltsam –

Wo Tod und Leben grausend sich bekämpfen.

Wohl Kräuter gäbs, des Körpers Qual zu stillen;

Allein dem Geist fehlts am Entschluß und Willen,

Fehlts am Begriff: wie sollt er sie vermissen?

Er wiederholt ihr Bild zu tausend Malen.

Das zaudert bald, bald wird es weggerissen,

Undeutlich jetzt und jetzt im reinsten Strahlen.

Wie könnte dies geringstem Troste frommen,

Die Ebb und Flut, das Gehen wie das Kommen?

*

Verlaßt mich hier, getreue Weggenossen,

Laßt mich allein am Fels, in Moor und Moos!

Nur immer zu! euch ist die Welt erschlossen,

Die Erde weit, der Himmel rein und groß;

Betrachtet, forscht, die Einzelheiten sammelt,

Naturgeheimnis werde nachgestammelt.

Mir ist das All, ich bin mir selbst verloren,

Der ich noch erst den Göttern Liebling war;

Sie prüften mich, verliehen mir Pandoren,

So reich an Gütern, reicher an Gefahr;

Sie drängten mich zum gabeseligen Munde,

Sie trennen mich – und richten mich zugrunde.

 
 * 

Aussöhnung

Die Leidenschaft bringt Leiden! – Wer beschwichtigt

Beklommnes Herz, das allzuviel verloren?

Wo sind die Stunden, überschnell verflüchtigt?

Vergebens war das Schönste dir erkoren!

Trüb ist der Geist, verworren das Beginnen;

Die hehre Welt, wie schwindet sie den Sinnen!

Da schwebt hervor Musik mit Engelschwingen,

Verflicht zu Millionen Tön um Töne,

Des Menschen Wesen durch und durch zu dringen,

Zu überfüllen ihn mit ewger Schöne;

Das Auge netzt sich, fühlt im höhern Sehnen

Den Doppelwert der Töne wie der Tränen.

Und so das Herz erleichtert merkt behende,

Daß es noch lebt und schlägt und möchte schlagen,

Zum reinsten Dank der überreichen Spende

Sich selbst erwidernd willig darzutragen.

Da fühlte sich – o daß es ewig bliebe! –

Das Doppelglück der Töne wie der Liebe.

 
 * 

Nachts, wann gute Geister schweifen

Nachts, wann gute Geister schweifen,

Schlaf dir von der Stirne streifen,

Mondenlicht und Sternenflimmern

Dich mit ewigem All umschimmern,

Scheinst du dir entkörpert schon,

Wagest dich an Gottes Thron.

 
 * 

Krittler

Ein unverschämter Naseweis,

Der, was er durch Stahlarbeitersfleiß

Auf dem Laden künstlich liegen sah,

Dacht’, es wär’ für ihn alleine da:

So tatscht’ er dem geduldigen Mann

Die blanken Waaren sämmtlich an

Und schätzte sie, nach Dünkelsrecht,

Das Schlechte hoch, das Gute schlecht,

Getrost, zufried’nen Angesichts;

Dann ging er weg und kaufte Nichts.

Den Kramer das zuletzt verdroß,

Und macht ein stählern künstlich Schloß

Zur rechten Stunde glühend heiß.

Da ruft gleich unser Naseweis:

»Wer wird so schlechte Waare kaufen!

Der Stahl ist schändlich angelaufen.«

Und tappt auch gleich recht läppisch drein

Und fängt erbärmlich an zu schrein.

Der Kramer fragt: Was ist denn das?

Der Quidam schreit: »Ein frostiger Spaß!«

 
 * 

Die neue Sirene

Habt von Sirenen gehört? – Melpomenens Töchter, sie prunkten

Zöpfumflochtenen Haupts, heiter entzückten Gesichts;

Vögel jedoch von der Mitte hinab, die gefährlichsten Buhlen,

Denen vom küßlichen Mund floß ein verführendes Lied.

Eine geschwisterte nun, zum Gürtel ab griechische Schönheit,

Sittig hinab zum Fuß nordisch umhüllt sie das Knie;

Auch sie redet und singt zum ost- und westlichen Schiffer,

Seinen bezauberten Sinn – Helena läßt ihn nicht los.

 
 * 

Wirkung in der Ferne

Die Königin steht im hohen Saal,

Da brennen der Kerzen so viele;

Sie spricht zum Pagen: „Du läufst einmal

Und holst mir den Beutel zum Spiele.

Er liegt zur Hand

Auf meines Tisches Rand.“

Der Knabe, der eilt so behende,

War bald an Schlosses Ende.

Und neben der Königin schlürft zur Stund

Sorbet die schönste der Frauen.

Da brach ihr die Tasse so hart an dem Mund,

Es war ein Greuel zu schauen.

Verlegenheit! Scham!

Ums Prachtkleid ist’s getan!

Sie eilt und fliegt so behende

Entgegen des Schlosses Ende.

Der Knabe zurück zu laufen kam

Entgegen der Schönen in Schmerzen.

Es wußt’ es niemand, doch beide zusamm’,

Sie hegten einander im Herzen;

Und o des Glücks,

Des günst’gen Geschicks!

Sie warfen mit Brust sich zu Brüsten

Und herzten und küßten nach Lüsten.

Doch endlich beide sich reißen los;

Sie eilt in ihre Gemächer;

Der Page drängt sich zur Königin groß

Durch alle die Degen und Fächer.

Die Fürstin entdeckt

Das Westchen befleckt:

Für sie war nichts unerreichbar,

Der Königin von Saba vergleichbar.

Und sie die Hofmeisterin rufen läßt:

„Wir kamen doch neulich zu Streite,

Und Ihr behauptetet steif und fest,

Nicht reiche der Geist in die Weite,

Die Gegenwart nur,

Die lasse wohl Spur;

Doch niemand wirk’ in die Ferne,

Sogar nicht die himmlischen Sterne.

„Nun seht! Soeben ward mir zur Seit’

Der geistige Süßtrank verschüttet,

Und gleich darauf hat er dort hinten so weit

Dem Knaben die Weste zerrüttet.–

Besorg’ dir sie neu!

Und weil ich mich freu’,

Daß sie mir zum Beweise gegolten,

Ich zahl’ sie! sonst wirst du gescholten.“

 
 * 

Liebebedürfnis

Wer vernimmt mich? ach, wem soll ichs klagen?

Wers vernähme, würd er mich bedauern?

Ach, die Lippe, die so manche Freude

Sonst genossen hat und sonst gegeben,

Ist gespalten, und sie schmerzt erbärmlich,

Und sie ist nicht etwa wund geworden,

Weil die Liebste mich zu wild ergriffen,

Hold mich angebissen, daß sie fester

Sich des Freunds versichernd ihn genösse:

Nein, das zarte Lippchen ist gesprungen,

Weil nun über Reif und Frost die Winde

Spitz und scharf und lieblos mir begegnen.

Und nun soll mir Saft der edlen Traube,

Mit dem Saft der Bienen bei dem Feuer

Meines Herds vereinigt, Lindrung schaffen.

Ach, was will das helfen, mischt die Liebe

Nicht ein Tröpfchen ihres Balsams drunter?

 
 * 

Ultimatum

Und so sag ich zum letzten Male:

Natur hat weder Kern noch Schale;

Du prüfe dich nur allermeist,

Ob du Kern oder Schale seist!

 
 * 

Der Gott und die Bajadere

Indische Legende

Mahadöh, der Herr der Erde,

Kommt herab zum sechsten Mal,

Daß er unsers gleichen werde,

Mitzufühlen Freud’ und Qual.

Er bequemt sich, hier zu wohnen,

Läßt sich alles selbst geschehn;

Soll er strafen oder schonen,

Muß er Menschen menschlich sehn.

Und hat er die Stadt sich als Wandrer betrachtet,

Die Großen belauert, auf Kleine geachtet,

Verläßt er sie abends, um weiter zu gehen.

Als er nun hinausgegangen,

Wo die letzten Häuser sind,

Sieht er, mit gemalten Wangen,

Ein verlornes schönes Kind:

Grüß’ dich, Jungfrau! – Dank der Ehre!

Wart’, ich komme gleich hinaus –

Und wer bist du? – Bajadere,

Und dies ist der Liebe Haus.

Sie rührt sich, die Zimbeln zum Tanze zu schlagen;

Sie weiß sich so lieblich im Kreise zu tragen,

Sie neigt sich und biegt sich und reicht ihm den Strauß.

Schmeichelnd zieht sie ihn zur Schwelle,

Lebhaft ihn ins Haus hinein.

Schöner Fremdling, lampenhelle

Soll sogleich die Hütte sein.

Bist du müd, ich will dich laben,

Lindern deiner Füße Schmerz.

Was du willst, das sollst du haben,

Ruhe, Freuden oder Scherz.

Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden.

Der Göttliche lächelt; er siehet mit Freuden

Durch tiefes Verderben ein menschliches Herz.

Und er fordert Sklavendienste;

Immer heitrer wird sie nur,

Und des Mädchens frühe Künste

Werden nach und nach Natur.

Und so stellet auf die Blüte

Bald und bald die Frucht sich ein;

Ist Gehorsam im Gemüte,

Wird nicht fern die Liebe sein.

Aber, sie schärfer und schärfer zu prüfen,

Wählet der Kenner der Höhen und Tiefen

Lust und Entsetzen und grimmige Pein.

Und er küßt die bunten Wangen,

Und sie fühlt der Liebe Qual,

Und das Mädchen steht gefangen,

Und sie weint zum erstenmal;

Sinkt zu seinen Füßen nieder,

Nicht um Wollust noch Gewinst,

Ach! und die gelenken Glieder,

Sie versagen allen Dienst.

Und so zu des Lagers vergnüglicher Feier

Bereiten den dunkeln behaglichen Schleier

Die nächtlichen Stunden, das schöne Gespinst.

Spät entschlummert unter Scherzen,

Früh erwacht nach kurzer Rast,

Findet sie an ihrem Herzen

Tot den vielgeliebten Gast.

Schreiend stürzt sie auf ihn nieder,

Aber nicht erweckt sie ihn,

Und man trägt die starren Glieder

Bald zur Flammengrube hin.

Sie höret die Priester, die Totengesänge,

Sie raset und rennet und teilet die Menge.

Wer bist du? was drängt zu der Grube dich hin?

Bei der Bahre stürzt sie nieder,

Ihr Geschrei durchdringt die Luft:

Meinen Gatten will ich wieder!

Und ich such’ ihn in der Gruft.

Soll zu Asche mir zerfallen

Dieser Glieder Götterpracht?

Mein! er war es, mein vor allen!

Ach, nur eine süße Nacht!

Es singen die Priester: Wir tragen die Alten,

Nach langem Ermatten und spätem Erkalten,

Wir tragen die Jugend, noch eh sie’s gedacht.

Höre deiner Priester Lehre:

Dieser war dein Gatte nicht.

Lebst du doch als Bajadere,

Und so hast du keine Pflicht

Nur dem Körper folgt der Schatten

In das stille Totenreich;

Nur die Gattin folgt dem Gatten:

Das ist Pflicht und Ruhm zugleich.

Ertöne, Drommete, zu heiliger Klage!

O nehmet, ihr Götter! die Zierde der Tage,

O nehmet den Jüngling in Flammen zu euch!

So das Chor, das ohn’ Erbarmen

Mehret ihres Herzens Not;

Und mit ausgestreckten Armen

Springt sie in den heißen Tod.

Doch der Götter-Jüngling hebet

Aus der Flamme sich empor,

Und in seinen Armen schwebet

Die Geliebte mit hervor.

Es freut sich die Gottheit der reuigen Sünder;

Unsterbliche heben verlorene Kinder

Mit feurigen Armen zum Himmel empor.

 
 * 

Howard’s Ehrengedächtniß

Wenn Gottheit Camarupa, hoch und hehr,

Durch Lüfte schwankend, wandelt leicht und schwer,

Des Schleiers Fallen sammelt, sie zerstreut,

Am Wechsel der Gestalten sich erfreut,

Jetzt starr sich hält, dann schwindet wie ein Traum,

Da staunen wir, und trau’n dem Auge kaum;

Nun regt sich kühn des eignen Bildens Kraft,

Die Unbestimmtes zu Bestimmtem schafft;

Da droht ein Leu, dort wogt ein Elephant,

Kameeles Hals zum Drachen umgewandt,

Ein Heer zieht an, doch triumphirt es nicht,

Da es die Macht am steilen Felsen bricht;

Der treuste Wolkenbote selbst zerstiebt,

Eh’ er die Fern’ erreicht, wohin man liebt.

Er aber, Howard, giebt mit reinem Sinn

Uns neuer Lehre herrlichsten Gewinn.

Was sich nicht halten, nicht erreichen läßt,

Er faßt es an, er hält zuerst es fest,

Bestimmt das Unbestimmte, schränkt es ein,

Benennt es treffend! – Sei die Ehre dein! –

Wie Streife steigt, sich ballt, zerflattert, fällt,

Erinnre dankbar deiner sich die Welt.

 
 * 

Amor und Psyche

Den Musenschwestern fiel es ein,

Auch Psychen in der Kunst zu dichten

Methodice zu unterrichten;

Das Seelchen blieb prosaisch rein.

Nicht sonderlich erklang die Leier,

Selbst in der schönsten Sommernacht;

Doch Amor kommt mit Blick und Feuer,

Der ganze Cursus war vollbracht.

 
 * 

St Nepomuks Vorabend

Karlsbad, 15. Mai 1820

Lichtlein schwimmen auf dem Strome,

Kinder singen auf den Brücken,

Glocke, Glöckchen fügt vom Dome

Sich der Andacht, dem Entzücken.

Lichtlein schwinden, Sterne schwinden;

Also löste sich die Seele

Unsres Heilgen, nicht verkünden

Durft er anvertraute Fehle.

Lichtlein schwimmet! Spielt, ihr Kinder,

Kinder-Chor, o! singe, singe!

Und verkündiget nicht minder,

Was den Stern zu Sternen bringe.

 
 * 

Dauer im Wechsel

Hielte diesen frühen Segen,

Ach, nur Eine Stunde fest!

Aber vollen Blütenregen

Schüttelt schon der laue West.

Soll ich mich des Grünen freuen,

Dem ich Schatten erst verdankt?

Bald wird Sturm auch das zerstreuen,

Wenn es falb im Herbst geschwankt.

Willst du nach den Früchten greifen,

Eilig nimm dein Teil davon!

Diese fangen an zu reifen,

Und die andern keimen schon;

Gleich mit jedem Regengusse

Ändert sich dein holdes Tal,

Ach, und in demselben Flusse

Schwimmst du nicht zum zweitenmal.

Du nun selbst! Was felsenfeste

Sich vor dir hervorgetan,

Mauern siehst du, siehst Paläste

Stets mit andern Augen an.

Weggeschwunden ist die Lippe,

Die im Kusse sonst genas,

Jener Fuß, der an der Klippe

Sich mit Gemsenfreche maß.

Jene Hand, die gern und milde

Sich bewegte, wohlzutun,

Das gegliederte Gebilde,

Alles ist ein andres nun.

Und was sich an jener Stelle

Nun mit deinem Namen nennt,

Kam herbei wie eine Welle,

Und so eilts zum Element.

Laß den Anfang mit dem Ende

Sich in Eins zusammenziehn!

Schneller als die Gegenstände

Selber dich vorüberfliehn!

Danke, daß die Gunst der Musen

Unvergängliches verheißt,

Den Gehalt in deinem Busen

Und die Form in deinem Geist.

 
 * 

An Luna

Schwester von dem ersten Licht,

Bild der Zärtlichkeit und Trauer!

Nebel schwimmt mit Silberschauer

Um dein reizendes Gesicht;

Deines leisen Fußes Lauf

Weckt aus tagverschloßnen Höhlen

Traurig abgeschiedne Seelen,

Mich und nächtge Vögel auf.

Forschend übersieht dein Blick

Eine großgemeßne Weite.

Hebe mich an deine Seite!

Gib der Schwärmerei dies Glück,

Und in wollustvoller Ruh

Säh der weitverschlagne Ritter

Durch das gläserne Gegitter

Seines Mädchens Nächten zu.

Des Beschauens holdes Glück

Mildert solcher Ferne Qualen,

Und ich sammle deine Strahlen

Und ich schärfe meinen Blick;

Hell und heller wird es schon

Um die unverhüllten Glieder,

Und nun zieht sie mich hernieder,

Wie dich einst Endymion.

 
 * 

Was es gilt

Bringst du die Natur heran,

Daß sie Jeder nutzen kann:

Falsches hast du nicht ersonnen,

Hast der Menschen Gunst gewonnen.

Möget ihr das Licht zerstückeln,

Farb’ um Farbe draus entwickeln,

Oder andre Schwänke führen,

Kügelchen polarisiren,

Daß der Hörer, ganz erschrocken,

Fühlet Sinn und Sinne stocken:

Nein! es soll euch nicht gelingen,

Sollt uns nicht beiseite bringen;

Kräftig, wir wir’s angefangen,

Wollen wir zum Ziel gelangen.

 
 * 

Der Besuch

Meine Liebste wollt ich heut beschleichen,

Aber ihre Türe war verschlossen.

Hab ich doch den Schlüssel in der Tasche!

Öffn ich leise die geliebte Türe!

Auf dem Saale fand ich nicht das Mädchen,

Fand das Mädchen nicht in ihrer Stube;

Endlich, da ich leis die Kammer öffne,

Find ich sie, gar zierlich eingeschlafen,

Angekleidet, auf dem Sofa liegen.

Bei der Arbeit war sie eingeschlafen:

Das Gestrickte mit den Nadeln ruhte

Zwischen den gefaltnen zarten Händen;

Und ich setzte mich an ihre Seite,

Ging bei mir zu Rat, ob ich sie weckte.

Da betrachtet ich den schönen Frieden,

Der auf ihren Augenlidern ruhte:

Auf den Lippen war die stille Treue,

Auf den Wangen Lieblichkeit zu Hause,

Und die Unschuld eines guten Herzens

Regte sich im Busen hin und wieder.

Jedes ihrer Glieder lag gefällig,

Aufgelöst vom süßen Götterbalsam.

Freudig saß ich da, und die Betrachtung

Hielte die Begierde, sie zu wecken,

Mit geheimen Banden fest und fester.

O du Liebe, dacht ich, kann der Schlummer,

Der Verräter jedes falschen Zuges,

Kann er dir nicht schaden, nichts entdecken,

Was des Freundes zarte Meinung störte?

Deine holden Augen sind geschlossen,

Die mich offen schon allein bezaubern;

Es bewegen deine süßen Lippen

Weder sich zur Rede noch zum Kusse;

Aufgelöst sind diese Zauberbande

Deiner Arme, die mich sonst umschlingen,

Und die Hand, die reizende Gefährtin

Süßer Schmeicheleien, unbeweglich.

Wärs ein Irrtum, wie ich von dir denke,

Wär es Selbstbetrug, wie ich dich liebe,

Müßt ichs jetzt entdecken, da sich Amor

Ohne Binde neben mich gestellet.

Lange saß ich so und freute herzlich

Ihres Wertes mich und meiner Liebe;

Schlafend hatte sie mir so gefallen,

Daß ich mich nicht traute, sie zu wecken.

Leise leg ich ihr zwei Pomeranzen

Und zwei Rosen auf das Tischchen nieder;

Sachte, sachte schleich ich meiner Wege.

Öffnet sie die Augen, meine Gute,

Gleich erblickt sie diese bunte Gabe,

Staunt, wie immer bei verschloßnen Türen

Dieses freundliche Geschenk sich finde.

Seh ich diese Nacht den Engel wieder,

O wie freut sie sich, vergilt mir doppelt

Dieses Opfer meiner zarten Liebe.

 
 * 

Klärchen

Die Trommel gerühret!

Das Pfeifchen gespielt!

Mein Liebster gewaffnet

Dem Haufen befiehlt,

Die Lanze hoch führet,

Die Leute regieret.

Wie klopft mir das Herze!

Wie wallt mir das Blut!

O hätt ich ein Wämslein

Und Hosen und Hut!

Ich folgt’ ihm zum Tor naus

Mit mutigem Schritt,

Ging’ durch die Provinzen,

Ging’ überall mit.

Die Feinde schon weichen,

Wir schießen darein.

Welch Glück sondergleichen,

Ein Mannsbild zu sein!

 
 * 

Dieselbe

Freudvoll

Und leidvoll,

Gedankenvoll sein,

Hangen

Und bangen

In schwebender Pein,

Himmelhoch jauchzend,

Zum Tode betrübt –

Glücklich allein

Ist die Seele, die liebt.

 
 * 

Wandersegen

Die Wanderjahre sind nun angetreten,

Und jeder Schritt des Wandrers ist bedenklich.

Zwar pflegt er nicht zu singen und zu beten;

Doch wendet er, sobald der Pfad verfänglich,

Den ersten Blick, wo Nebel ihn umtrüben,

Ins eigne Herz und in das Herz der Lieben.

 
 * 

An Cupido

Cupido, loser eigensinniger Knabe!

Du batst mich um Quartier auf einige Stunden.

Wieviel Tag’ und Nächte bist du geblieben!

Und bist nun herrisch und Meister im Hause geworden!

Von meinem breiten Lager bin ich vertrieben;

Nun sitz ich an der Erde, Nächte gequälet;

Dein Mutwill schüret Flamme auf Flamme des Herdes,

Verbrennet den Vorrat des Winters und senget mich Armen.

Du hast mir mein Geräte verstellt und verschoben;

Ich such und bin wie blind und irre geworden.

Du lärmst so ungschickt; ich fürchte, das Seelchen

Entflieht, um dir zu entfliehn, und räumet die Hütte.

 
 * 

Sämtliche Werke
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