Johann Wolfgang Goethe (Übersetzer)

Mahomet
der
Prophet

nach „Le fanatisme ou Mahomet le Prophète“ von Voltaire

veröffentlicht 1802  * 

Feld. Gestirnter Himmel

Mahomet (allein)

Teilen kann ich euch nicht dieser Seele Gefühl. Fühlen kann ich euch nicht allen ganzes Gefühl. Wer, wer wendet dem Flehen sein Ohr? Dem bittenden Auge den Blick.

Sieh er blinket herauf Gad der freundliche Stern. Sei mein Herr du! Mein Gott. Gnädig winkt er mir zu! Bleib! Bleib! Wendst du dein Auge weg. Wie? liebt ich ihn, der sich verbirgt?

Sey gesegnet o Mond! Führer du des Gestirns. Sei mein Herr du mein Gott! Du beleuchtest den Weg. Laß! Laß! Nicht in der Finsternis! Mich! Irren mit irrendem Volk.

Sonn dir glühenden weiht sich das glühende Herz. Sei mein Herr du mein Gott! Leit allsehende mich. Steigst auch du hinab herrliche! Tief hüllet mich Finsternis ein.

Hebe liebendes Herz dem Erschaffenden dich! Sei mein Herr du! mein Gott! Du allliebender du! Der die Sonne den Mond und die Stern Schuf Erde und Himmel und mich.

Halima (seine Pflege Mutter zu ihm)

Mahomet.

Mahomet.

Halima. O daß sie mich in diesen glückseligen Empfindungen stören muß. Was willst du mit mir Halima.

Halima.

Ängstige mich nicht lieber Sohn, ich suche dich von Sonnen Untergang. Setze deine zarte Jugend nicht den Gefahren der Nacht aus.

Mahomet.

Der Tag ist über dem Gottlosen verflucht wie die Nacht. Das Laster zieht das Unglück an sich, wie die Kröte den Gift, wenn Tugend unter eben dem Himmel gleich einem heilsamen Amulett die gesundeste Atmosphäre um uns erhält.

Halima.

So allein auf dem Felde, das keine Nacht für Räubern sicher ist.

Mahomet.

Ich war nicht allein. Der Herr, mein Gott hat sich freundlichst zu mir genaht.

Halima.

Sahst du ihn.

Mahomet.

Siehst du ihn nicht? an jeder stillen Quelle, unter jedem Blühenden Baum begegnet er mir in der Wärme seiner Liebe. Wie dank ich ihm er hat meine Brust geöffnet, die harte Hülle meines Herzens weggenommen, daß ich sein Nahen empfinden kann.

Halima.

Du träumst! Könnte deine Brust eröffnet worden sein, und du leben.

Mahomet.

Ich will für dich zu meinem Herren flehen daß du mich verstehen lernst

Halima.

Wer ist dein Gott Hobal oder AI Fatas.

Mahomet.

Armes, unglückliches Volk das zum Steine ruft ich liebe dich, und zum Ton sei du mein Beschützer. Haben sie ein Ohr fürs Gebet, haben sie einen Arm zur Hülfe.

Halima.

Der in dem Stein wohnt, der um den Ton schwebt vernimmt mich, seine Macht ist groß

Mahomet.

Wie groß kann sie sein? es stehn dreihundert neben ihm, jedem raucht ein flehender Altar. Wenn ihr wider eure Nachbarn betet, und eure Nachbarn wider euch, müssen nicht eure Götter wie kleine Fürsten deren Grenzen verwirrt sind, mit unauflöslicher Zwietracht sich wechselsweise die Wege versperren.

Halima.

Hat dein Gott denn keine Gesellen.

Mahomet.

Wenn er sie hätte könnt er Gott sein.

Halima.

Wo ist seine Wohnung?

Mahomet.

Überall.

Halima.

Das ist nirgends. Hast du Arme den ausgebreiteten zu fassen.

Mahomet.

Stärkere brennendere als diese, die für deine Liebe dir danken. Noch nicht lange daß mir ihr Gebrauch verstattet ist. Halima, mir war’s wie dem Kinde das ihr in Enge Windlen schränkt, ich fühlte in dunkler Einwickelung Arme und Füße, doch es lag nicht an mir mich zu befreien. Erlöse du mein Herr, das Menschengeschl[echt] von seinen Banden ihre innerste Empfindung sehnt, sich nach dir.

Halima (vor sich)

Er ist sehr verändert. Seine Natur ist umgekehrt, sein Verstand hat gelitten. Es ist besser ich bring ihn seinen Verwandten jetzo zurück, als daß ich die Verantwortung schlimmer Folgen auf mich lade.

Ali.

Seht den Felsenquell

Freudehell,

Wie ein Sternenblick!

Fatema.

Über Wolken

Nährten seine Jugend

Gute Geister,

Zwischen Klippen

Im Gebüsch.

Ali.

Jünglingsfrisch

Tanzt er aus der Wolke

Auf die Marmorfelsen nieder,

Jauchzet wieder

Nach dem Himmel.

Fatema.

Durch die Gipfelgänge

Jagt er bunten Kieseln nach.

Ali.

Und mit festem Führertritt

Reißt er seine Brüderquellen

Mit sich fort.

Fatema.

Drunten werden in dem Tal

Unter seinem Fußtritt Blumen,

Und die Wiese lebt von

Seinem Hauch.

Ali.

Doch ihn hält kein Schattental,

Keine Blumen,

Die ihm seine Knie’ umschlingen,

Ihm mit Liebesaugen schmeicheln;

Nach der Ebne dringt sein

Lauf Schlangewandelnd.

Fatema.

Bäche schmiegen

Sich gesellschaftlich an ihn;

Und nun tritt er in die Ebne

Silberprangend.

Ali.

Und die Ebne prangt mit ihm!

Und die Flüsse von der Ebne,

Fatema.

Und die Bächlein von Gebirgen

Jauchzen ihm, und rufen:

Beide.

Bruder!

Bruder, nimm die Brüder mit!

Fatema.

Mit zu deinem alten Vater,

Zu dem ewgen Ozean,

Der, mit weitverbreit’ten Armen

Unsrer wartet,

Die sich, ach! vergebens öffnen,

Seine sehnenden zu fassen.

Ali.

Denn uns frißt, in öder Wüste,

Gierger Sand; die Sonne droben

Saugt an unserm Blut;

Ein Hügel

Hemmet uns zum Teiche.

Bruder! Nimm die Brüder von der Ebne!

Fatema.

Nimm die Brüder von Gebirgen!

Beide.

Mit zu deinem Vater! mit!

Ali.

Kommt ihr alle!

Und nun schwillt er herrlicher;

(Ein ganz Geschlechte

Trägt den Fürsten hoch empor;)

Triumphiert durch Königreiche;

Gibt Provinzen seinen Namen;

Städte werden unter seinem Fuß!

Fatema.

Doch ihn halten keine Städte,

Nicht der Türme Flammengipfel,

Marmorhäuser, Monumente

Seiner Güte, seiner Macht.

Ali.

Zedernhäuser trägt der Atlas

Auf den Riesenschultern; sausend

Wehen, über seinem Haupte,

Tausend Segel auf zum Himmel

Seine Macht und Herrlichkeit.

Und so trägt er seine Brüder,

Fatema.

Seine Schätze, seine Kinder,

Beide.

Dem erwartenden Erzeuger

Freudebrausend an das Herz!

 
 * 

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