Zweites Buch

Kapitel 1

Die Wallfahrenden hatten nach Vorschrift den Weg genommen und fanden glücklich die Grenze der Provinz, in der sie so manches Merkwürdige erfahren sollten; beim ersten Eintritt gewahrten sie sogleich der fruchtbarsten Gegend, welche an sanften Hügeln den Feldbau, auf höhern Bergen die Schafzucht, in weiten Talflächen die Viehzucht begünstigte. Es war kurz vor der Ernte und alles in größter Fülle; das, was sie jedoch gleich in Verwunderung setzte, war, dass sie weder Frauen noch Männer, wohl aber durchaus Knaben und Jünglinge beschäftigt sahen, auf eine glückliche Ernte sich vorzubereiten, ja auch schon auf ein fröhliches Erntefest freundliche Anstalt zu treffen. Sie begrüßten einen und den andern und fragten nach dem Obern, von dessen Aufenthalt man keine Rechenschaft geben konnte. Die Adresse ihres Briefs lautete: „An den Obern, oder die Dreie“. Auch hierin konnten sich die Knaben nicht finden; man wies die Fragenden jedoch an einen Aufseher, der eben das Pferd zu besteigen sich bereitete; sie eröffneten ihre Zwecke; des Felix Freimütigkeit schien ihm zu gefallen, und so ritten sie zusammen die Straße hin.

Schon hatte Wilhelm bemerkt, dass in Schnitt und Farbe der Kleider eine Mannigfaltigkeit obwaltete, die der ganzen kleinen Völkerschaft ein sonderbares Ansehn gab; eben war er im Begriff, seinen Begleiter hiernach zu fragen, als noch eine wundersamere Bemerkung sich ihm auftat: Alle Kinder, sie mochten beschäftigt sein, wie sie wollten, ließen ihre Arbeit liegen und wendeten sich mit besondern, aber verschiedenen Gebärden gegen die vorbei Reitenden, und es war leicht zu folgern, dass es dem Vorgesetzten galt. Die jüngsten legten die Arme kreuzweise über die Brust und blickten fröhlich gen Himmel, die mittlern hielten die Arme auf den Rücken und schauten lächelnd zur Erde, die dritten standen strack und mutig; die Arme niedergesenkt, wendeten sie den Kopf nach der rechten Seite und stellten sich in eine Reihe, anstatt dass jene vereinzelt blieben, wo man sie traf.

Als man darauf Halt machte und abstieg, wo eben mehrere Kinder nach verschiedener Weise sich aufstellten und von dem Vorgesetzten gemustert wurden, fragte Wilhelm nach der Bedeutung dieser Gebärden; Felix fiel ein und sagte munter: „Was für eine Stellung hab’ ich denn einzunehmen?“ – „Auf alle Fälle“, versetzte der Aufseher, „zuerst die Arme über die Brust und ernsthaft-froh nach oben gesehen, ohne den Blick zu verwenden.“ Er gehorchte, doch rief er bald: „Dies gefällt mir nicht sonderlich, ich sehe ja nichts da droben; dauert es lange? Doch ja!“, rief er freudig, „ein paar Habichte fliegen von Westen nach Osten; das ist wohl ein gutes Zeichen?“ – „Wienach du’s aufnimmst, je nachdem du dich beträgst“, versetzte jener, „jetzt mische dich unter sie, wie sie sich mischen.“ Er gab ein Zeichen, die Kinder verließen ihre Stellung, ergriffen ihre Beschäftigung oder spielten wie vorher.

„Mögen und können Sie mir“, sagte Wilhelm darauf, „das, was mich hier in Verwunderung setzt, erklären? Ich sehe wohl, dass diese Gebärden, diese Stellungen Grüße sind, womit man Sie empfängt.“ – „Ganz richtig“, versetzte jener, „Grüße, die mir sogleich andeuten, auf welcher Stufe der Bildung ein jeder dieser Knaben steht.“

„Dürfen Sie mir aber“, versetzte Wilhelm, „die Bedeutung des Stufengangs wohl erklären? Denn dass es einer sei, lässt sich wohl einsehen.“ – „Die gebührt Höheren, als ich bin“, antwortete jener, „so viel aber kann ich versichern, dass es nicht leere Grimassen sind, dass vielmehr den Kindern, zwar nicht die höchste, aber doch eine leitende, fassliche Bedeutung überliefert wird; zugleich aber ist jedem geboten, für sich zu behalten und zu hegen, was man ihm als Bescheid zu erteilen für gut findet; sie dürfen weder mit Fremden noch untereinander selbst darüber schwatzen, und so modifiziert sich die Lehre hundertfältig. Außerdem hat das Geheimnis sehr große Vorteile; denn wenn man dem Menschen gleich und immer sagt, worauf alles ankommt, so denkt er, es sei nichts dahinter. Gewissen Geheimnissen, und wenn sie offenbar wären, muss man durch Verhüllen und Schweigen Achtung erweisen, denn dieses wirkt auf Scham und gute Sitten.“ – „Ich verstehe Sie“, versetzte Wilhelm, „warum sollten wir das, was in körperlichen Dingen so nötig ist, nicht auch geistig anwenden? Vielleicht aber können Sie in einem andern Bezug meine Neugierde befriedigen. Die große Mannigfaltigkeit in Schnitt und Farbe der Kleider fällt mir auf, und doch seh’ ich nicht alle Farben, aber einige in allen ihren Abstufungen, vom Hellsten bis zum Dunkelsten. Doch bemerke ich, dass hier keine Bezeichnung der Stufen irgendeines Alters oder Verdienstes gemeint sein kann, indem die kleinsten und größten Knaben untermischt so an Schnitt als Farbe gleich sein können, aber die von gleichen Gebärden im Gewand nicht miteinander übereinstimmen.“ – „Auch was dies betrifft“, versetzte der Begleitende, „darf ich mich nicht weiter auslassen; doch müsste ich mich sehr irren, oder Sie werden über alles, wie Sie nur wünschen mögen, aufgeklärt von uns scheiden.“

Man verfolgte nunmehr die Spur des Obern, welche man gefunden zu haben glaubte; nun aber musste dem Fremdling notwendig auffallen, dass, je weiter sie ins Land kamen, ein wohllautender Gesang ihnen immer mehr entgegentönte. Was die Knaben auch begannen, bei welcher Arbeit man sie auch fand, immer sangen sie, und zwar schienen es Lieder, jedem Geschäft besonders angemessen und in gleichen Fällen überall dieselben. Traten mehrere Kinder zusammen, so begleiteten sie sich wechselweise; gegen Abend fanden sich auch Tanzende, deren Schritte durch Chöre belebt und geregelt wurden. Felix stimmte vom Pferde herab mit ein und zwar nicht ganz unglücklich, Wilhelm vergnügte sich an dieser die Gegend belebenden Unterhaltung.

„Wahrscheinlich“, so sprach er zu seinem Gefährten, „wendet man viele Sorgfalt auf solchen Unterricht, denn sonst könnte diese Geschicklichkeit nicht so weit ausgebreitet und so vollkommen ausgebildet sein.“ – „Allerdings“, versetzte jener, „bei uns ist der Gesang die erste Stufe der Ausbildung, alles andere schließt sich daran und wird dadurch vermittelt. Der einfachste Genuss sowie die einfachste Lehre werden bei uns durch Gesang belebt und eingeprägt, ja selbst was wir überliefern von Glaubens- und Sittenbekenntnis, wird auf dem Wege des Gesanges mitgeteilt; andere Vorteile zu selbsttätigen Zwecken verschwistern sich sogleich; denn indem wir die Kinder üben, Töne, welche sie hervorbringen, mit Zeichen auf die Tafel schreiben zu lernen und nach Anlass dieser Zeichen sodann in ihrer Kehle wieder zu finden, ferner den Text darunter zu fügen, so üben sie zugleich Hand, Ohr und Auge und gelangen schneller zum Recht- und Schönschreiben, als man denkt; und da dieses alles zuletzt nach reinen Maßen, nach genau bestimmten Zahlen ausgeübt und nachgebildet werden muss, so fassen sie den hohen Wert der Mess- und Rechenkunst viel geschwinder als auf jede andere Weise. Deshalb haben wir denn unter allem Denkbaren die Musik zum Element unserer Erziehung gewählt, denn von ihr laufen gleich gebahnte Wege nach allen Seiten.“

Wilhelm suchte sich noch weiter zu unterrichten und verbarg seine Verwunderung nicht, dass er gar keine Instrumentalmusik vernehme. „Diese wird bei uns nicht vernachlässigt“, versetzte jener, „aber in einen besondern Bezirk, in das anmutigste Bergtal, eingeschlossen geübt; und da ist denn wieder dafür gesorgt, dass die verschiedenen Instrumente in auseinander liegenden Ortschaften gelehrt werden. Besonders die Misstöne der Anfänger sind in gewisse Einsiedeleien verwiesen, wo sie niemand zur Verzweiflung bringen; denn Ihr werdet selbst gestehen, dass in der wohl eingerichteten bürgerlichen Gesellschaft kaum ein trauriger Leiden zu dulden sei, als das uns die Nachbarschaft eines angehenden Flöten- oder Violinenspielers aufdringt.

Unsere Anfänger gehen, aus eigener löblicher Gesinnung, niemand lästig sein zu wollen, freiwillig länger oder kürzer in die Wüste und beeifern sich abgesondert um das Verdienst, der bewohnten Welt näher treten zu dürfen, weshalb jedem von Zeit zu Zeit ein Versuch heranzutreten erlaubt wird, der selten misslingt, weil wir Scham und Scheu bei dieser wie bei unsern übrigen Einrichtungen gar wohl hegen und pflegen dürfen. Dass Eurem Sohn eine glückliche Stimme geworden, freut mich innigst; für das Übrige sorgt sich um desto leichter.“

Nun waren sie zu einem Ort gelangt, wo Felix verweilen und sich an der Umgebung prüfen sollte, bis man zur förmlichen Aufnahme geneigt wäre; schon von weitem hörten sie einen freudigen Gesang; es war ein Spiel, woran sich die Knaben in der Feierstunde diesmal ergötzten. Ein allgemeiner Chorgesang erscholl, wozu jedes Glied eines weiten Kreises freudig, klar und tüchtig an seinem Teil zustimmte, den Winken des Regelnden gehorchend. Dieser überraschte jedoch öfters die Singenden, indem er durch ein Zeichen den Chorgesang aufhob und irgendeinen einzelnen Teilnehmenden, ihn mit dem Stäbchen berührend, aufforderte, sogleich allein ein schickliches Lied dem verhallenden Ton, dem vorschwebenden Sinn anzupassen. Schon zeigten die meisten viel Gewandtheit, einige, denen das Kunststück misslang, gaben ihr Pfand willig hin, ohne gerade ausgelacht zu werden. Felix war Kind genug, sich gleich unter sie zu mischen, und zog sich noch so leidlich aus der Sache. Sodann ward ihm jener erste Gruß zugeeignet; er legte sogleich die Hände auf die Brust, blickte aufwärts, und zwar mit so schnackischer Miene, dass man wohl bemerken konnte, ein geheimer Sinn dabei sei ihm noch nicht aufgegangen.

Der angenehme Ort, die gute Aufnahme, die muntern Gespielen, alles gefiel dem Knaben so wohl, dass es ihm nicht sonderlich wehe tat, seinen Vater abreisen zu sehen; fast blickte er dem weggeführten Pferd schmerzlicher nach; doch ließ er sich bedeuten, da er vernahm, dass er es im gegenwärtigen Bezirk nicht behalten könne; man versprach ihm dagegen, er solle, wo nicht dasselbe, doch ein gleiches, munter und wohl gezogen, unerwartet wieder finden.

Da sich der Obere nicht erreichen ließ, sagte der Aufseher: „Ich muss Euch nun verlassen, meine Geschäfte zu verfolgen; doch will ich Euch zu den Dreien bringen, die unsern Heiligtümern vorstehen; Euer Brief ist auch an sie gerichtet, und sie zusammen stellen den Obern vor.“ Wilhelm hätte gewünscht, von den Heiligtümern im Voraus zu vernehmen, jener aber versetzte: „Die Drei werden Euch, zu Erwiderung des Vertrauens, dass Ihr uns Euren Sohn überlasst, nach Weisheit und Billigkeit gewiss das Nötigste eröffnen. Die sichtbaren Gegenstände der Verehrung, die ich Heiligtümer nannte, sind in einen besondern Bezirk eingeschlossen, werden mit nichts gemischt, durch nichts gestört; nur zu gewissen Zeiten des Jahres lässt man die Zöglinge, den Stufen ihrer Bildung gemäß, dort eintreten, um sie historisch und sinnlich zu belehren, da sie denn genugsamen Eindruck mit wegnehmen, um, bei Ausübung ihrer Pflicht, eine Zeitlang daran zu zehren.“

Nun stand Wilhelm am Tor eines mit hohen Mauern umgebenen Talwaldes; auf ein gewisses Zeichen eröffnete sich die kleine Pforte, und ein ernster, ansehnlicher Mann empfing unsern Freund. Dieser fand sich in einem großen, herrlichen grünenden Raum, von Bäumen und Büschen vielerlei Art beschattet, kaum dass er stattliche Mauern und ansehnliche Gebäude durch diese dichte und hohe Naturpflanzung hindurch bemerken konnte; ein freundlicher Empfang von den Dreien, die sich nach und nach herbei fanden, löste sich endlich in ein Gespräch auf, wozu jeder das Seinige beitrug, dessen Inhalt wir jedoch in der Kürze zusammenfassen.

„Da Ihr uns Euren Sohn vertraut“, sagten sie, „sind wir schuldig, Euch tiefer in unser Verfahren hineinblicken zu lassen. Ihr habt manches Äußerliche gesehen, welches nicht sogleich sein Verständnis mit sich führt; was davon wünscht Ihr vor allem aufgeschlossen?“

„Anständige, doch seltsame Gebärden und Grüße hab’ ich bemerkt, deren Bedeutung ich zu erfahren wünschte; bei euch bezieht sich gewiss das Äußere auf das Innere, und umgekehrt; lasst mich diesen Bezug erfahren.“

„Wohlgeborne, gesunde Kinder“, versetzten jene, „bringen viel mit; die Natur hat jedem alles gegeben, was er für Zeit und Dauer nötig hätte; dieses zu entwickeln, ist unsere Pflicht, öfters entwickelt sich’s besser von selbst. Aber eins bringt niemand mit auf die Welt, und doch ist es das, worauf alles ankommt, damit der Mensch nach allen Seiten zu ein Mensch sei. Könnt Ihr es selbst finden, so sprecht es aus.“ Wilhelm bedachte sich eine kurze Zeit und schüttelte sodann den Kopf.

Jene, nach einem anständigen Zaudern, riefen: „Ehrfurcht!“ Wilhelm stutzte. „Ehrfurcht!“, hieß es wiederholt. „Allen fehlt sie, vielleicht Euch selbst.

Dreierlei Gebärde habt Ihr gesehen, und wir überliefern eine dreifache Ehrfurcht, die, wenn sie zusammenfließt und ein Ganzes bildet, erst ihre höchste Kraft und Wirkung erreicht. Das erste ist Ehrfurcht vor dem, was über uns ist. Jene Gebärde, die Arme kreuzweise über die Brust, einen freudigen Blick gen Himmel, das ist, was wir unmündigen Kindern auflegen und zugleich das Zeugnis von ihnen verlangen, dass ein Gott da droben sei, der sich in Eltern, Lehrern, Vorgesetzten abbildet und offenbart. Das zweite – Ehrfurcht vor dem, was unter uns ist. Die auf den Rücken gefalteten, gleichsam gebundenen Hände, der gesenkte, lächelnde Blick sagen, dass man die Erde wohl und heiter zu betrachten habe; sie gibt Gelegenheit zur Nahrung; sie gewährt unsägliche Freuden; aber unverhältnismäßige Leiden bringt sie. Wenn einer sich körperlich beschädigte, verschuldend oder unschuldig, wenn ihn andere vorsätzlich oder zufällig verletzten, wenn das irdische Willenlose ihm ein Leid zufügte, das bedenk’ er wohl; denn solche Gefahr begleitet ihn sein Leben lang. Aber aus dieser Stellung befreien wir unsern Zögling baldmöglichst, sogleich wenn wir überzeugt sind, dass die Lehre dieses Grads genugsam auf ihn gewirkt habe; dann aber heißen wir ihn sich ermannen, gegen Kameraden gewendet nach ihnen sich richten. Nun steht er strack und kühn, nicht etwa selbstisch vereinzelt; nur in Verbindung mit seinesgleichen macht er Fronte gegen die Welt. Weiter müssten wir nichts hinzuzufügen.“

„Es leuchtet mir ein!“, versetzte Wilhelm; „deswegen liegt die Menge wohl so im argen, weil sie sich nur im Element des Misswollens und Missredens behagt; wer sich diesem überliefert, verhält sich gar bald gegen Gott gleichgültig, verachtend gegen die Welt, gegen seinesgleichen gehässig; das wahre, echte, unentbehrliche Selbstgefühl aber zerstört sich in Dünkel und Anmaßung. Erlauben Sie mir dessen ungeachtet“, fuhr Wilhelm fort, „ein einziges einzuwenden: Hat man nicht von jeher die Furcht roher Völker vor mächtigen Naturerscheinungen und sonst unerklärlichen, ahnungsvollen Ereignissen für den Keim gehalten, woraus ein höheres Gefühl, eine reinere Gesinnung sich stufenweise entwickeln sollte?“ Hierauf erwiderten jene: „Der Natur ist Furcht wohl gemäß, Ehrfurcht aber nicht; man fürchtet ein bekanntes oder unbekanntes mächtiges Wesen; der Starke sucht es zu bekämpfen, der Schwache zu vermeiden, beide wünschen, es los zu werden, und fühlen sich glücklich, wenn sie es auf kurze Zeit beseitigt haben, wenn ihre Natur sich zur Freiheit und Unabhängigkeit einigermaßen wieder herstellte. Der natürliche Mensch wiederholt diese Operation Millionen Mal in seinem Leben; von der Furcht strebt er zur Freiheit, aus der Freiheit wird er in die Furcht getrieben und kommt um nichts weiter. Sich zu fürchten ist leicht, aber beschwerlich; Ehrfurcht zu hegen ist schwer, aber bequem. Ungern entschließt sich der Mensch zur Ehrfurcht, oder vielmehr entschließt sich nie dazu; es ist ein höherer Sinn, der seiner Natur gegeben werden muss und der sich nur bei besonders Begünstigten aus sich selbst entwickelt, die man auch deswegen von jeher für Heilige, für Götter gehalten. Hier liegt die Würde, hier das Geschäft aller echten Religionen, deren es auch nur drei gibt, nach den Objekten, gegen welche sie ihre Andacht wenden.“

Die Männer hielten inne, Wilhelm schwieg eine Weile nachdenkend; da er in sich aber die Anmaßung nicht fühlte, den Sinn jener sonderbaren Worte zu deuten, so bat er die Würdigen, in ihrem Vortrage fort zu fahren, worin sie ihm denn auch sogleich willfahrten. „Keine Religion“, sagten sie, „die sich auf Furcht gründet, wird unter uns geachtet. Bei der Ehrfurcht, die der Mensch in sich walten lässt, kann er, indem er Ehre gibt, seine Ehre behalten; er ist nicht mit sich selbst veruneint wie in jenem Fall. Die Religion, welche auf Ehrfurcht vor dem, was über uns ist, beruht, nennen wir die ethnische; es ist die Religion der Völker und die erste glückliche Ablösung von einer niedern Furcht; alle so genannten heidnischen Religionen sind von dieser Art, sie mögen übrigens Namen haben, wie sie wollen. Die zweite Religion, die sich auf jene Ehrfurcht gründet, die wir vor dem haben, was uns gleich ist, nennen wir die philosophische; denn der Philosoph, der sich in die Mitte stellt, muss alles Höhere zu sich herab-, alles Niedere zu sich heraufziehen, und nur in diesem Mittelzustand verdient er den Namen des Weisen. Indem er nun das Verhältnis zu seinesgleichen und also zur ganzen Menschheit, das Verhältnis zu allen übrigen irdischen Umgebungen, notwendigen und zufälligen, durchschaut, lebt er im kosmischen Sinne allein in der Wahrheit. Nun ist aber von der dritten Religion zu sprechen, gegründet auf die Ehrfurcht vor dem, was unter uns ist; wir nennen sie die christliche, weil sich in ihr eine solche Sinnesart am meisten offenbart; es ist ein Letztes, wozu die Menschheit gelangen konnte und musste. Aber was gehörte dazu, die Erde nicht allein unter sich liegen zu lassen und sich auf einen höhern Geburtsort zu berufen, sondern auch Niedrigkeit und Armut, Spott und Verachtung, Schmach und Elend, Leiden und Tod als göttlich anzuerkennen, ja Sünde selbst und Verbrechen nicht als Hindernisse, sondern als Fördernisse des Heiligen zu verehren und lieb zu gewinnen! Hiervon finden sich freilich Spuren durch alle Zeiten; aber Spur ist nicht Ziel, und da dieses einmal erreicht ist, so kann die Menschheit nicht wieder zurück, und man darf sagen, dass die christliche Religion, da sie einmal erschienen ist, nicht wieder verschwinden kann, da sie sich einmal göttlich verkörpert hat, nicht wieder aufgelöst werden mag.“

„Zu welcher von diesen Religionen bekennt ihr euch denn insbesondere?“, sagte Wilhelm. –„Zu allen dreien“, erwiderten jene, „denn sie zusammen bringen eigentlich die wahre Religion hervor; aus diesen drei Ehrfurchten entspringt die oberste Ehrfurcht, die Ehrfurcht vor sich selbst, und jene entwickeln sich abermals aus dieser, so dass der Mensch zum Höchsten gelangt, was er zu erreichen fähig ist, dass er sich selbst für das Beste halten darf, was Gott und Natur hervorgebracht haben, ja, dass er auf dieser Höhe verweilen kann, ohne durch Dünkel und Selbstheit wieder ins Gemeine gezogen zu werden.“

„Ein solches Bekenntnis, auf diese Weise entwickelt, befremdet mich nicht“, versetzte Wilhelm, „es kommt mit allem überein, was man im Leben hie und da vernimmt, nur dass euch dasjenige vereinigt, was andere trennt.“ – Hierauf versetzten jene: „Schon wird dieses Bekenntnis von einem großen Teil der Welt ausgesprochen, doch unbewusst.“

„Wie denn und wo?“, fragte Wilhelm. – „Im Credo!“, riefen jene laut. „Denn der erste Artikel ist ethnisch und gehört allen Völkern; der zweite christlich, für die mit Leiden Kämpfenden und in Leiden Verherrlichten; der dritte zuletzt lehrt eine begeisterte Gemeinschaft der Heiligen, welches heißt: Der im höchsten Grad Guten und Weisen. Sollten daher die drei göttlichen Personen, unter deren Gleichnis und Namen solche Überzeugungen und Verheißungen ausgesprochen sind, nicht billigermaßen für die höchste Einheit gelten?“

„Ich danke“, versicherte jener, „dass ihr mir dieses, als einem Erwachsenen, dem die drei Sinnesarten nicht fremd sind, so klar und zusammenhängend aussprechen wollen, und wenn ich nun zurückdenke, dass ihr den Kindern diese hohe Lehre erst als sinnliches Zeichen, dann mit einigem symbolischen Anklang überliefert und zuletzt die oberste Deutung ihnen entwickelt, so muss ich es höchlich billigen.“

„Ganz richtig“, erwiderten jene, „nun aber müsst Ihr noch mehr erfahren, damit Ihr Euch überzeugt, dass Euer Sohn in den besten Händen sei. Doch dies Geschäft bleibe für die Morgenstunden; ruht aus und erquickt Euch, damit Ihr uns, vergnügt und vollkommen menschlich, morgen früh in das Innere folgen könnt.“

 
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Kapitel 2

An der Hand des Ältesten trat nun unser Freund durch ein ansehnliches Portal in eine runde oder vielmehr achteckige Halle, die mit Gemälden so reichlich ausgeziert war, dass sie den Ankömmling in Erstaunen setzte. Er begriff leicht, dass alles, was er erblickte, einen bedeutenden Sinn haben müsste, ob er sich gleich denselben nicht so geschwind entziffern konnte. Er war eben im Begriff, seinen Begleiter deshalb zu befragen, als dieser ihn einlud, seitwärts in eine Galerie zu treten, die, an der einen Seite offen, einen geräumigen, blumenreichen Garten umgab. Die Wand zog jedoch mehr als dieser heitre, natürliche Schmuck die Augen an sich; denn sie war durchaus gemalt, und der Ankömmling konnte nicht lange daran hergehen, ohne zu bemerken, dass die heiligen Bücher der Israeliten den Stoff zu diesen Bildern geliefert hatten.

„Es ist hier“, sagte der Älteste, „wo wir diejenige Religion überliefern, die ich Euch der Kürze wegen die ethnische genannt habe. Der Gehalt derselben findet sich in der Weltgeschichte, sowie die Hülle derselben in den Begebenheiten. An der Wiederkehr der Schicksale ganzer Völker wird sie eigentlich begriffen.“

„Ihr habt“, sagte Wilhelm, „wie ich sehe, dem israelitischen Volk die Ehre erzeigt und seine Geschichte zum Grund dieser Darstellung gelegt, oder vielmehr ihr habt sie zum Hauptgegenstand derselben gemacht.“ – „Wie Ihr seht“, versetzte der Alte, „denn Ihr werdet bemerken, dass in den Sockeln und Friesen nicht sowohl synchronistische als symphronistische Handlungen und Begebenheiten aufgeführt sind, indem unter allen Völkern gleichbedeutende und Gleiches deutende Nachrichten vorkommen. So erblickt Ihr hier, wenn in dem Hauptfeld Abraham von seinen Göttern in der Gestalt schöner Jünglinge besucht wird, den Apoll unter den Hirten Admets oben in der Friese; woraus wir lernen können, dass, wenn die Götter den Menschen erscheinen, sie gewöhnlich unerkannt unter ihnen wandeln.“

Die Betrachtenden schritten weiter. Wilhelm fand meistens bekannte Gegenstände, jedoch lebhafter und bedeutender vorgetragen, als er sie sonst zu sehen gewohnt war. Über weniges bat er sich einige Erklärung aus; wobei er sich nicht enthalten konnte, nochmals zu fragen, warum man die israelitische Geschichte vor allen andern gewählt. Hierauf antwortete der Älteste: „Unter allen heidnischen Religionen, denn eine solche ist die israelitische gleichfalls, hat diese große Vorzüge, wovon ich nur einiger erwähnen will. Vor dem ethnischen Richterstuhle, vor dem Richterstuhl des Gottes der Völker, wird nicht gefragt, ob es die beste, die vortrefflichste Nation sei, sondern nur, ob sie daure, ob sie sich erhalten habe. Das israelitische Volk hat niemals viel getaugt, wie es ihm seine Anführer, Richter, Vorsteher, Propheten tausendmal vorgeworfen haben; es besitzt wenig Tugenden und die meisten Fehler anderer Völker: aber an Selbständigkeit, Festigkeit, Tapferkeit und, wenn alles das nicht mehr gilt, an Zähheit sucht es seinesgleichen. Es ist das beharrlichste Volk der Erde, es ist, es war, es wird sein, um den Namen Jehova durch alle Zeiten zu verherrlichen. Wir haben es daher als Musterbild aufgestellt, als Hauptbild, dem die andern nur zum Rahmen dienen.“

„Es ziemt sich nicht, mit Euch zu rechten“, versetzte Wilhelm, „da Ihr mich zu belehren imstande seid. Eröffnet mir daher noch die übrigen Vorteile dieses Volks, oder vielmehr seiner Geschichte, seiner Religion.“ – „Ein Hauptvorteil“, versetzte jener, „ist die treffliche Sammlung ihrer heiligen Bücher. Sie stehen so glücklich beisammen, dass aus den fremdesten Elementen ein täuschendes Ganze entgegentritt. Sie sind vollständig genug, um zu befriedigen, fragmentarisch genug, um anzureizen; hinlänglich barbarisch, um aufzufordern, hinlänglich zart, um zu besänftigen; und wie manche andere entgegen gesetzte Eigenschaften sind an diesen Büchern, an diesem Buche zu rühmen!“

Die Folge der Hauptbilder sowohl als die Beziehung der kleinern, die sie oben und unten begleiteten, gab dem Gast so viel zu denken, dass er kaum auf die bedeutenden Bemerkungen hörte, wodurch der Begleiter mehr seine Aufmerksamkeit abzulenken als an die Gegenstände zu fesseln schien. Indessen sagte jener bei Gelegenheit: „Noch einen Vorteil der israelitischen Religion muss ich hier erwähnen: Dass sie ihren Gott in keine Gestalt verkörpert und uns also die Freiheit lässt, ihm eine würdige Menschengestalt zu geben, auch im Gegensatz die schlechte Abgötterei durch Tier- und Untiergestalten zu bezeichnen.“

Unser Freund hatte sich nunmehr auf einer kurzen Wanderung durch diese Hallen die Weltgeschichte wieder vergegenwärtigt; es war ihm einiges neu in Absicht auf die Begebenheit. So waren ihm durch Zusammenstellung der Bilder, durch die Reflexionen seines Begleiters manche neue Ansichten entsprungen, und er freute sich, dass Felix durch eine so würdige sinnliche Darstellung sich jene großen, bedeutenden, musterhaften Ereignisse für sein ganzes Leben als wirklich, und als wenn sie neben ihm lebendig gewesen wären, zueignen sollte. Er betrachtete diese Bilder zuletzt nur aus den Augen des Kindes, und in diesem Sinn war er vollkommen damit zufrieden; und so waren die Wandelnden zu den traurigen, verworrenen Zeiten und endlich zu dem Untergang der Stadt und des Tempels, zum Mord, zur Verbannung, zur Sklaverei ganzer Massen dieser beharrlichen Nation gelangt. Ihre nachherigen Schicksal waren auf eine kluge Weise allegorisch vorgestellt, da eine historische, eine reale Darstellung derselben außer den Grenzen der edlen Kunst liegt.

Hier war die bisher durchwanderte Galerie auf einmal abgeschlossen, und Wilhelm war verwundert, sich schon am Ende zu sehen. „Ich finde“, sagte er zu seinem Führer, „in diesem Geschichtsgang eine Lücke. Ihr habt den Tempel Jerusalems zerstört und das Volk zerstreut, ohne den göttlichen Mann aufzuführen, der kurz vorher daselbst noch lehrte, dem sie noch kurz vorher kein Gehör geben wollten.“

„Dies zu tun, wie Ihr es verlangt, wäre ein Fehler gewesen. Das Leben dieses göttlichen Mannes, den Ihr bezeichnet, steht mit der Weltgeschichte seiner Zeit in keiner Verbindung. Es war ein Privatleben, seine Lehre eine Lehre für die Einzelnen. Was Völkermassen und ihren Gliedern öffentlich begegnet, gehört der Weltgeschichte, der Weltreligion, welche wir für die erste halten. Was dem Einzelnen innerlich begegnet, gehört zur zweiten Religion, zur Religion der Weisen: Eine solche war die, welche Christus lehrte und übte, solange er auf der Erde umherging. Deswegen ist hier das Äußere abgeschlossen, und ich eröffne Euch nun das Innere.“

Eine Pforte tat sich auf, und sie traten in eine ähnliche Galerie, wo Wilhelm sogleich die Bilder der zweiten heiligen Schriften erkannte. Sie schienen von einer andern Hand zu sein als die ersten; alles war sanfter, Gestalten, Bewegungen, Umgebung, Licht und Färbung.

„Ihr seht“, sagte der Begleiter, nachdem sie an einem Teil der Bilder vorübergegangen waren, „hier weder Taten noch Begebenheiten, sondern Wunder und Gleichnisse. Es ist eine neue Welt, ein neues Äußere, anders als das vorige, und ein Inneres, das dort ganz fehlt. Durch Wunder und Gleichnisse wird eine neue Welt aufgetan. Jene machen das Gemeine außerordentlich, diese das Außerordentliche gemein.“ – „Ihr werdet die Gefälligkeit haben“, versetzte Wilhelm, „mir diese wenigen Worte umständlicher auszulegen; denn ich fühle mich nicht geschickt, es selbst zu tun.“ – „Sie haben einen natürlichen Sinn“, versetzte jener, „obgleich einen tiefen. Beispiele werden ihn am geschwindesten aufschließen. Es ist nichts gemeiner und gewöhnlicher als Essen und Trinken; außerordentlich dagegen, einen Trank zu veredeln, eine Speise zu vervielfältigen, dass sie für eine Unzahl hinreiche. Es ist nichts gewöhnlicher als Krankheit und körperliche Gebrechen; aber diese durch geistige oder geistigen ähnlichen Mittel aufheben, lindern, ist außerordentlich, und eben daher entsteht das Wunderbare des Wunders, dass das Gewöhnliche und das Außerordentliche, das Mögliche und das Unmögliche eins werden. Bei dem Gleichnisse, bei der Parabel ist das Umgekehrte: Hier ist der Sinn, die Einsicht, der Begriff das Hohe, das Außerordentliche, das Unerreichbare. Wenn dieser sich in einem gemeinen, gewöhnlichen, fasslichen Bilde verkörpert, so dass er uns als lebendig, gegenwärtig, wirklich entgegentritt, dass wir ihn uns zueignen, ergreifen, festhalten, mit ihm wie mit unsersgleichen umgehen können, das ist denn auch eine zweite Art von Wunder und wird billig zu jenen ersten gesellt, ja vielleicht ihnen noch vorgezogen. Hier ist die lebendige Lehre ausgesprochen, die Lehre, die keinen Streit erregt; es ist keine Meinung über das, was Recht oder Unrecht ist; es ist das Rechte oder Unrechte unwidersprechlich selbst.“

Dieser Teil der Galerie war kürzer, oder vielmehr es war nur der vierte Teil der Umgebung des innern Hofes. Wenn man jedoch an dem ersten nur vorbeiging, so verweilte man hier gern; man ging gern hier auf und ab. Die Gegenstände waren nicht so auffallend, nicht so mannigfaltig, aber desto einladender, den tiefen, stillen Sinn derselben zu erforschen. Auch kehrten die beiden Wandelnden am Ende des Ganges um, indem Wilhelm eine Bedenklichkeit äußerte, dass man hier eigentlich nur bis zum Abendmahl, bis zum Scheiden des Meisters von seinen Jüngern gelangt sei. Er fragte nach dem übrigen Teil der Geschichte.

„Wir sondern“, versetzte der Älteste, „bei jedem Unterricht, bei aller Überlieferung sehr gerne, was nur möglich zu sondern ist; denn dadurch allein kann der Begriff des Bedeutenden bei der Jugend entspringen. Das Leben mengt und mischt ohnehin alles durcheinander, und so haben wir auch hier das Leben jenes vortrefflichen Mannes ganz von dem Ende desselben abgesondert. Im Leben erscheint er als ein wahrer Philosoph – stoßt Euch nicht an diesen Ausdruck – als ein Weiser im höchsten Sinne. Er steht auf seinem Punkt fest; er wandelt seine Straße unverrückt, und indem er das Niedere zu sich heraufzieht, indem er die Unwissenden, die Armen, die Kranken seiner Weisheit, seines Reichtums, seiner Kraft teilhaftig werden lässt und sich deshalb ihnen gleichzustellen scheint, so verleugnet er nicht von der andern Seite seinen göttlichen Ursprung; er wagt, sich Gott gleichzustellen, ja sich für Gott zu erklären. Auf diese Weise setzt er von Jugend auf seine Umgebung in Erstaunen, gewinnt einen Teil derselben für sich, regt den andern gegen sich auf und zeigt allen, denen es um eine gewisse Höhe im Lehren und Leben zu tun ist, was sie von der Welt zu erwarten haben. Und so ist sein Wandel für den edlen Teil der Menschheit noch belehrender und fruchtbarer als sein Tod; denn zu jenen Prüfungen ist jeder, zu diesem sind nur wenige berufen; und damit wir alles übergehen, was aus dieser Betrachtung folgt, so betrachtet die rührende Szene des Abendmahls. Hier lässt der Weise, wie immer, die Seinigen ganz eigentlich verwaist zurück, und indem er für die Guten besorgt ist, füttert er zugleich mit ihnen einen Verräter, der ihn und die Bessern zugrunde richten wird.“

Mit diesen Worten eröffnete der Älteste eine Pforte, und Wilhelm stutzte, als er sich wieder in der ersten Halle des Eingangs fand. Sie hatten, wie er wohl merkte, indessen den ganzen Umkreis des Hofes zurückgelegt. „Ich hoffte“, sagte Wilhelm. „Ihr würdet mich ans Ende führen, und bringt mich wieder zum Anfang.“ – „Für diesmal kann ich Euch weiter nichts zeigen“, sagte der Älteste, „mehr lassen wir unsere Zöglinge nicht sehen, mehr erklären wir ihnen nicht, als was Ihr bis jetzt durchlaufen habt: Das äußere, allgemein Weltliche einem jeden von Jugend auf, das Innere, besonders Geistige und Herzliche nur denen, die mit einiger Besonnenheit heranwachsen, und das übrige, was des Jahrs nur einmal eröffnet wird, kann nur denen mitgeteilt werden, die wir entlassen. Jene letzte Religion, die aus der Ehrfurcht vor dem, was unter uns ist, entspringt, jene Verehrung des Widerwärtigen, Verhassten, Fliehenswerten geben wir einem jeden nur ausstattungsweise in die Welt mit, damit er wisse, wo er dergleichen zu finden hat, wenn ein solches Bedürfnis sich in ihm regen sollte. Ich lade Euch ein, nach Verlauf eines Jahres wiederzukehren, unser allgemeines Fest zu besuchen und zu sehen, wie weit Euer Sohn vorwärts gekommen; alsdann sollt auch Ihr in das Heiligtum des Schmerzes eingeweiht werden.“

„Erlaubt mir eine Frage“, versetzte Wilhelm. „Habt ihr denn auch, so wie ihr das Leben dieses göttlichen Mannes als Lehr- und Musterbild aufstellt, sein Leiden, seinen Tod gleichfalls als ein Vorbild erhabener Duldungen herausgehoben?“ – „Auf alle Fälle“, sagte der Älteste. „Hieraus machen wir kein Geheimnis; aber wir ziehen einen Schleier über diese Leiden, eben weil wir sie so hoch verehren. Wir halten es für eine verdammungswürdige Frechheit, jenes Martergerüst und den daran leidenden Heiligen dem Anblick der Sonne auszusetzen, die ihr Angesicht verbarg, als eine ruchlose Welt ihr dies Schauspiel aufdrang, mit diesen tiefen Geheimnissen, in welchen die göttliche Tiefe des Leidens verborgen liegt, zu spielen, zu tändeln, zu verzieren und nicht eher zu ruhen, bis das Würdigste gemein und abgeschmackt erscheint. So viel sei für diesmal genug, um Euch über Euren Knaben zu beruhigen und völlig zu überzeugen, dass Ihr ihn auf irgendeine Art, mehr oder weniger, aber doch nach wünschenswerter Weise gebildet und auf alle Fälle nicht verworren, schwankend und unstet wieder finden sollt.“

Wilhelm zauderte, indem er sich die Bilder der Vorhalle besah und ihren Sinn gedeutet wünschte. „Auch dieses“, sagte der Älteste, „bleiben wir Euch bis übers Jahr schuldig. Bei dem Unterricht, den wir in der Zwischenzeit den Kindern geben, lassen wir keine Fremden zu; aber alsdann kommt und vernehmt, was unsere besten Redner über diese Gegenstände öffentlich zu sagen für dienlich halten.“

Bald nach dieser Unterredung hörte man an der kleine Pforte pochen. Der gestrige Aufseher meldete sich, er hatte Wilhelms Pferd vorgeführt; und so beurlaubte sich der Freund von der Drei, welche zum Abschied ihn dem Aufseher folgendermaßen empfahl: „Dieser wird nun zu den Vertrauten gezählt, und dir ist bekannt, was du ihm auf seine Fragen zu erwidern hast; denn er wünscht gewiss noch über manches, was er bei uns sah und hörte, belehrt zu werden; Maß und Ziel ist dir nicht verborgen.“

Wilhelm hatte freilich noch einige Fragen auf dem Herzen, die er auch sogleich anbrachte. Wo sie durchritten, stellten sich die Kinder wie gestern; aber heute sah er, obgleich selten, einen und den andern Knaben, der den vorbereitenden Aufseher nicht grüßte, von seiner Arbeit nicht aufsah und ihn unbemerkt vorüber ließ. Wilhelm fragte nun nach der Ursache und was diese Ausnahme zu bedeuten habe. Jener erwiderte darauf: „Sie ist freilich sehr bedeutungsvoll, denn es ist die höchste Strafe, die wir den Zöglingen auflegen; sie sind unwürdig erklärt, Ehrfurcht zu beweisen, und genötigt, sich als roh und ungebildet darzustellen; sie tun aber das Mögliche, um sich aus dieser Lage zu retten, und finden sich aufs geschwindeste in jede Pflicht. Sollte jedoch ein junges Wesen verstockt zu seiner Rückkehr keine Anstalt machen, so wird es mit einem kurzen, aber bündigen Bericht den Eltern wieder zurückgesandt. Wer sich den Gesetzen nicht fügen lernt, muss die Gegend verlassen, wo sie gelten.“

Ein anderer Anblick reizte, heute wie gestern, des Wanderers Neugierde: Es war Mannigfaltigkeit an Farbe und Schnitt der Zöglingskleidung; hier schien kein Stufengang obzuwalten, denn solche, die verschieden grüßten, waren überein gekleidet, gleich Grüßende waren anders angezogen. Wilhelm fragte nach der Ursache dieses scheinbaren Widerspruchs. „Er löst sich“, versetzte jener, „darin auf, dass es ein Mittel ist, die Gemüter der Knaben eigens zu erforschen. Wir lassen, bei sonstiger Strenge und Ordnung, in diesem Fall eine gewisse Willkür gelten. Innerhalb des Kreises unserer Vorräte an Tüchern und Verbrämungen dürfen die Zöglinge nach beliebiger Farbe greifen, so auch innerhalb einer mäßigen Beschränkung Form und Schnitt wählen; dies beobachten wir genau, denn an der Farbe lässt sich die Sinnesweise, an dem Schnitt die Lebensweise des Menschen erkennen. Doch macht eine besondere Eigenheit der menschlichen Natur eine genauere Beurteilung gewissermaßen schwierig: Es ist der Nachahmungsgeist, die Neigung, sich anzuschließen. Sehr selten, dass ein Zögling auf etwas fällt, was noch nicht da gewesen, meistens wählen sie etwas Bekanntes, was sie gerade vor sich sehen. Doch auch diese Betrachtung bleibt uns nicht unfruchtbar; durch solche Äußerlichkeiten treten sie zu dieser oder jener Partei, sie schließen sich da oder dort an, und so zeichnen sich allgemeinere Gesinnungen aus; wir erfahren, wo jeder sich hinneigt, welchem Beispiel er sich gleichstellt.

Nun hat man Fälle gesehen, wo die Gemüter sich ins Allgemeine neigten, wo eine Mode sich über alle verbreiten, jede Absonderung sich zur Einheit verlieren wollte. Einer solchen Wendung suchen wir auf gelinde Weise Einhalt zu tun, wir lassen die Vorräte ausgehen; dieses und jenes Zeug, eine und die andere Verzierung ist nicht mehr zu haben; wir schieben etwas Neues, etwas Reizendes herein; durch helle Farben und kurzen, knappen Schnitt locken wir die Muntern, durch ernste Schattierungen, bequeme, faltenreiche Tracht die Besonnenen und stellen so nach und nach ein Gleichgewicht her.

Denn der Uniform sind wir durchaus abgeneigt; sie verdeckt den Charakter und entzieht die Eigenheiten der Kinder, mehr als jede andere Verstellung, dem Blick der Vorgesetzten.“

Unter solchen und andern Gesprächen gelangte Wilhelm an die Grenze der Provinz, und zwar an den Punkt, wo sie der Wanderer, nach des alten Freundes Andeutung verlassen sollte, um seinem eigentlichen Zweck entgegenzugehen.

Beim Lebewohl bemerkte zunächst der Aufseher: Wilhelm möge nun erwarten, bis das große Fest allen Teilnehmern auf mancherlei Weise angekündigt werde. Hierzu würden die sämtlichen Eltern eingeladen und tüchtige Zöglinge ins freie, zufällige Leben entlassen. Alsdann solle er, hieß es, auch die übrigen Landschaften nach Belieben betreten, wo nach eigenen Grundsätzen der einzelne Unterricht in vollständiger Umgebung erteilt und ausgeübt wird.

 
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Kapitel 3

Der Angewöhnung des werten Publikums zu schmeicheln, welches seit geraumer Zeit Gefallen findet, sich stückweise unterhalten zu lassen, gedachten wir erst, nachstehende Erzählung in mehreren Abteilungen vorzulegen. Der innere Zusammenhang jedoch, nach Gesinnungen, Empfindungen und Ereignissen betrachtet, veranlasste einen fortlaufenden Vortrag. Möge derselbe seinen Zweck erreichen und zugleich am Ende deutlich werden, wie die Personen dieser abgesondert scheinenden Begebenheit mit denjenigen, die wir schon kennen und lieben, aufs innigste zusammen geflochten worden.

Der Mann von fünfzig Jahren

Der Major war in den Gutshof hereingeritten, und Hilarie, seine Nichte, stand schon, um ihn zu empfangen, außen auf der Treppe, die zum Schloss hinaufführte. Kaum erkannte er sie; denn schon war sie wieder größer und schöner geworden. Sie flog ihm entgegen, er drückte sie an seine Brust mit dem Sinn eines Vaters, und sie eilten hinauf zu ihrer Mutter.

Der Baronin, seiner Schwester, war er gleichfalls willkommen, und als Hilarie schnell hinwegging, das Frühstück zu bereiten, sagte der Major freudig: „Diesmal kann ich mich kurz fassen und sagen, dass unser Geschäft beendigt ist. Unser Bruder, der Obermarschall, sieht wohl ein, dass er weder mit Pächtern noch Verwaltern zurecht kommt. Er tritt bei seinen Lebzeiten die Güter uns und unsern Kindern ab; das Jahrgehalt, das er sich ausbedingt, ist freilich stark; aber wir können es ihm immer geben: Wir gewinnen doch noch für die Gegenwart viel und für die Zukunft alles. Die neue Einrichtung soll bald in Ordnung sein. Da ich zunächst meinen Abschied erwarte, so sehe ich doch wieder ein tätiges Leben vor mir, das uns und den Unsrigen einen entschiedenen Vorteil bringen kann. Wir sehen ruhig zu, wie unsre Kinder emporwachsen, und es hängt von uns, von ihnen ab, ihre Verbindung zu beschleunigen.“

„Das wäre alles recht gut“, sagte die Baronin, „wenn ich dir nur nicht ein Geheimnis zu entdecken hätte, das ich selbst erst gewahr worden bin. Hilaries Herz ist nicht mehr frei; von der Seite hat dein Sohn wenig oder nichts zu hoffen.“

„Was sagst du?“, rief der Major, „ist’s möglich? Indessen wir uns alle Mühe geben, uns ökonomisch vorzusehen, so spielt uns die Neigung einen solchen Streich! Sag’ mir, Liebe, sag’ mir geschwind, wer ist es, der das Herz Hilaries fesseln konnte? Oder ist es denn auch schon so arg? Ist es nicht vielleicht ein flüchtiger Eindruck, den man wieder auszulöschen hoffen kann?“

„Du musst erst ein wenig sinnen und raten“, versetzte die Baronin und vermehrte dadurch seine Ungeduld. Sie war schon aufs höchste gestiegen, als Hilarie, mit den Bedienten, welche das Frühstück trugen, herein tretend, eine schnelle Auflösung des Rätsels unmöglich machte.

Der Major selbst glaubte das schöne Kind mit andern Augen anzusehen als kurz vorher. Es war ihm beinahe, als wenn er eifersüchtig auf den Beglückten wäre, dessen Bild sich in einem so schönen Gemüt hatte eindrücken können. Das Frühstück wollte ihm nicht schmecken, und er bemerkte nicht, dass alles genau so eingerichtet war, wie er es am liebsten hatte und wie er es sonst zu wünschen und zu verlangen pflegte.

Über dieses Schweigen und Stocken verlor Hilarie fast selbst ihre Munterkeit. Die Baronin fühlte sich verlegen und zog ihre Tochter ans Klavier; aber ihr geistreiches und gefühlvolles Spiel konnte dem Major kaum einigen Beifall ablocken. Er wünschte, das schöne Kind und das Frühstück je eher je lieber entfernt zu sehen, und die Baronin musste sich entschließen, aufzubrechen und ihrem Bruder einen Spaziergang in den Garten vorzuschlagen.

Kaum waren sie allein, so wiederholte der Major dringend seine vorige Frage; worauf seine Schwester nach einer Pause lächelnd versetzte: „Wenn du den Glücklichen finden willst, den sie liebt, so brauchst du nicht weit zu gehen, er ist ganz in der Nähe: Dich liebt sie.“

Der Major stand betroffen, dann rief er aus: „Es wäre ein sehr unzeitiger Scherz, wenn du mich etwas überreden wolltest, das mich im Ernst so verlegen wie unglücklich machen würde. Denn ob ich gleich Zeit brauche, mich von meiner Verwunderung zu erholen, so sehe ich doch mit einem Blick voraus, wie sehr unsere Verhältnisse durch ein so unerwartetes Ereignis gestört werden müssten. Das einzige, was mich tröstet, ist die Überzeugung, dass Neigungen dieser Art nur scheinbar sind, dass ein Selbstbetrug dahinter verborgen liegt, und dass eine echte gute Seele von dergleichen Fehlgriffen oft durch sich selbst oder doch wenigstens mit einiger Beihilfe verständiger Personen gleich wieder zurückkommt.“

„Ich bin dieser Meinung nicht“, sagte die Baronin; „denn nach allen Symptomen ist es ein sehr ernstliches Gefühl, von welchem Hilarie durchdrungen ist.“

„Etwas so Unnatürliches hätte ich ihrem natürlichen Wesen nicht zugetraut“, versetzte der Major.

„Es ist so unnatürlich nicht“, sagte die Schwester. „Aus meiner Jugend erinnere ich mich selbst einer Leidenschaft für einen älteren Mann, als du bist. Du hast fünfzig Jahre; das ist immer noch nicht gar zu viel für einen Deutschen, wenn vielleicht andere, lebhaftere Nationen früher altern.“

„Wodurch willst du aber deine Vermutung bekräftigen?“, sagte der Major.

„Es ist keine Vermutung, es ist Gewissheit. Das Nähere sollst du nach und nach vernehmen.“

Hilarie gesellte sich zu ihnen, und der Major fühlte sich wider seinen Willen abermals verändert. Ihre Gegenwart deuchte ihn noch lieber und werter als vorher; ihr Betragen schien ihm liebevoller, und schon fing er an, den Worten seiner Schwester Glauben beizumessen. Die Empfindung war für ihn höchst angenehm, ob er sich gleich solche weder gestehen noch erlauben wollte. Freilich war Hilarie höchst liebenswürdig, indem sich in ihrem Betragen die zarte Scheu gegen einen Liebhaber und die freie Bequemlichkeit gegen einen Oheim auf das innigste verband; denn sie liebte ihn wirklich und von ganzer Seele. Der Garten war in seiner vollen Frühlingspracht, und der Major, der so viele alte Bäume sich wieder belauben sah, konnte auch an die Wiederkehr seines eignen Frühlings glauben. Und wer hätte sich nicht in der Gegenwart des liebenswürdigsten Mädchens dazu verführen lassen!

So verging ihnen der Tag zusammen; alle häuslichen Epochen wurden mit der größten Gemütlichkeit durchlebt; abends nach Tisch setzte sich Hilarie wieder ans Klavier; der Major hörte mit andern Ohren als heute früh; eine Melodie schlang sich in die andere, ein Lied schloss sich ans andere, und kaum vermochte die Mitternacht die kleine Gesellschaft zu trennen.

Als der Major auf seinem Zimmer ankam, fand er alles nach seiner alten, gewohnten Bequemlichkeit eingerichtet; sogar einige Kupferstiche, bei denen er gern verweilte, waren aus andern Zimmern herübergehängt; und da er einmal aufmerksam geworden war, so sah er sich bis auf jeden einzelnen kleinen Umstand versorgt und geschmeichelt.

Nur wenig Stunden Schlaf bedurfte er diesmal; seine Lebensgeister waren früh aufgeregt. Aber nun merkte er auf einmal, dass eine neue Ordnung der Dinge manches Unbequeme nach sich ziehe. Er hatte seinem alten Reitknecht, der zugleich die Stelle des Bedienten und Kammerdieners vertrat, seit mehreren Jahren kein böses Wort gegeben; denn alles ging in der strengsten Ordnung seinen gewöhnlichen Gang; die Pferde waren versorgt und die Kleidungsstücke zu rechter Stunde gereinigt; aber der Herr war früher aufgestanden, und nichts wollte passen.

Sodann gesellte sich noch ein anderer Umstand hinzu, um die Ungeduld und eine Art böser Laune des Majors zu vermehren. Sonst war ihm alles an sich und seinem Diener recht gewesen; nun aber fand er sich, als er vor den Spiegel trat, nicht so, wie er zu sein wünschte. Einige graue Haare konnte er nicht leugnen, und von Runzeln schien sich auch etwas eingefunden zu haben. Er wischte und puderte mehr als sonst und musste es doch zuletzt lassen, wie es sein konnte. Auch mit der Kleidung und ihrer Sauberkeit war er nicht zufrieden. Da sollten sich immer noch Fasern auf dem Rock und noch Staub auf den Stiefeln finden. Der Alte wusste nicht, was er sagen sollte, und war erstaunt, einen so veränderten Herrn vor sich zu sehen.

Ungeachtet aller dieser Hindernisse war der Major schon früh genug im Garten. Hilarie, die er zu finden hoffte, fand er wirklich. Sie brachte ihm einen Blumenstrauß entgegen, und er hatte nicht den Mut, sie wie sonst zu küssen und an sein Herz zu drücken. Er befand sich in der angenehmsten Verlegenheit von der Welt und überließ sich seinen Gefühlen, ohne zu denken, wohin das führen könne.

Die Baronin gleichfalls säumte nicht lange zu erscheinen, und indem sie ihrem Bruder ein Billet wies, das ihr eben ein Bote gebracht hatte, rief sie aus: „Du rätst nicht, wen uns dieses Blatt anzumelden kommt.“ – „So entdecke es nur bald!“, versetzte der Major; und er erfuhr, dass ein alter theatralischer Freund nicht weit von dem Gut vorbeireise und für einen Augenblick einzukehren gedenke. „Ich bin neugierig, ihn wieder zu sehen“, sagte der Major, „er ist kein Jüngling mehr, und ich höre, dass er noch immer die jungen Rollen spielt.“ – „Er muss um zehn Jahre älter sein als du“, versetzte die Baronin. – „Ganz gewiss“, erwiderte der Major, „nach allem, was ich mich erinnere.“

Es währte nicht lange, so trat ein munterer, wohl gebauter, gefälliger Mann herzu. Man stutzte einen Augenblick, als man sich wieder sah. Doch sehr bald erkannten sich die Freunde, und Erinnerungen aller Art belebten das Gespräch. Hierauf ging man zu Erzählungen, zu Fragen und zu Rechenschaft über; man machte sich wechselweise mit den gegenwärtigen Lagen bekannt und fühlte sich bald, als wäre man nie getrennt gewesen.

Die geheime Geschichte sagt uns, dass dieser Mann in früherer Zeit als ein sehr schöner und angenehmer Jüngling einer vornehmen Dame zu gefallen das Glück oder Unglück gehabt habe; dass er dadurch in große Verlegenheit und Gefahr geraten, woraus ihn der Major eben im Augenblick, als ihn das traurigste Schicksal bedrohte, glücklich herausriss. Ewig blieb er dankbar, dem Bruder sowohl als der Schwester; denn diese hatte durch zeitige Warnung zur Vorsicht Anlass gegeben.

Einige Zeit vor Tisch ließ man die Männer allein. Nicht ohne Bewunderung, ja gewissermaßen mit Erstaunen hatte der Major das äußere Behaben seines alten Freundes im ganzen und einzelnen betrachtet. Er schien gar nicht verändert zu sein, und es war kein Wunder, dass er noch immer als jugendlicher Liebhaber auf dem Theater erscheinen konnte. – „Du betrachtest mich aufmerksamer als billig ist“, sprach er endlich den Major an, „ich fürchte sehr, du findest den Unterschied gegen vorige Zeit nur allzu groß.“ – „Keineswegs“, versetzte der Major, „vielmehr bin ich voll Verwunderung, dein Aussehen frischer und jünger zu finden als das meine; da ich doch weiß, dass du schon ein gemachter Mann warst, als ich mit der Kühnheit eines wagehalsigen Gelbschnabels, dir in gewissen Verlegenheiten beistand.“ – „Es ist deine Schuld“, versetzte der andere, „es ist die Schuld aller deinesgleichen; und ob ihr schon darum nicht zu schelten seid, so seid ihr doch zu tadeln. Man denkt immer nur ans Notwendige; man will sein und nicht scheinen. Das ist recht gut, solange man etwas ist. Wenn aber zuletzt das Sein mit dem Scheinen sich zu empfehlen anfängt und der Schein noch flüchtiger als das Sein ist, so merkt denn doch ein jeder, dass er nicht übel getan hätte, das Äußere über dem Innern nicht ganz zu vernachlässigen.“ – „Du hast recht“, versetzte der Major und konnte sich fast eines Seufzers nicht enthalten „Vielleicht nicht ganz recht“, sagte der bejahrte Jüngling; „denn freilich bei meinem Handwerk wäre es ganz unverzeihlich, wenn man das Äußere nicht so lange aufstutzen wollte, als nur möglich ist. Ihr andern aber habt Ursache, auf andere Dinge zu sehen, die bedeutender und nachhaltiger sind.“ – „Doch gibt es Gelegenheiten“, sagte der Major, „wo man sich innerlich frisch fühlt und sein Äußeres auch gar zu gern wieder auffrischen möchte.“

Da der Ankömmling die wahre Gemütslage des Majors nicht ahnen konnte, so nahm er diese Äußerung im Soldatensinn und ließ sich weitläufig darüber aus: Wie viel beim Militär aufs Äußere ankomme und wie der Offizier, der so manches auf seine Kleidung zu wenden habe, doch auch einige Aufmerksamkeit auf Haut und Haare wenden könne.

„Es ist zum Beispiel unverantwortlich“, fuhr er fort, „dass Eure Schläfe schon grau sind, dass hie und da sich Runzeln zusammenziehen und dass Euer Scheitel kahl zu werden droht. Seht mich alten Kerl einmal an! Betrachtet, wie ich mich erhalten habe! Und das alles ohne Hexerei und mit weit weniger Mühe und Sorgfalt, als man täglich anwendet, um sich zu beschädigen oder wenigstens Langeweile zu machen.“

Der Major fand bei dieser zufälligen Unterredung zu sehr seinen Vorteil, als dass er sie so bald hätte abbrechen sollen; doch ging er leise und selbst gegen einen alten Bekannten mit Behutsamkeit zu Werke. – „Das habe ich nun leider versäumt!“, rief er aus, „und nachzuholen ist es nicht; ich muss mich nun schon darein ergeben, und Ihr werdet deshalb nicht schlimmer von mir denken.“

„Versäumt ist nichts!“, erwiderte jener, „wenn ihr andern ernsthaften Herren nur nicht so starr und steif wäret, nicht gleich einen jeden, der sein Äußeres bedenkt, für eitel erklären und euch dadurch selbst die Freude verkümmern möchtet, in gefälliger Gesellschaft zu sein und selbst zu gefallen.“ – „Wenn es auch keine Zauberei ist“, lächelte der Major, „wodurch ihr andern euch jung erhaltet, so ist es doch ein Geheimnis, oder wenigstens sind es Arkana, dergleichen oft in Zeitungen gepriesen werden, von denen ihr aber die besten herauszuproben wisst.“ – „Du magst im Scherz oder im Ernst reden“, versetzte der Freund, „so hast du’s getroffen. Unter den vielen Dingen, die man von jeher versucht hat, um dem Äußeren einige Nahrung zu geben, das oft viel früher als das Innere abnimmt, gibt es wirklich unschätzbare, einfache sowohl als zusammengesetzte Mittel, die mir von Kunstgenossen mitgeteilt, für bares Geld oder durch Zufall überliefert und von mir selbst ausgeprobt worden. Dabei bleib’ ich und verharr’ ich nun, ohne deshalb meine weitern Forschungen aufzugeben. So viel kann ich dir sagen, und ich übertreibe nicht: Ein Toilettenkästchen führe ich bei mir, über allen Preis! Ein Kästchen, dessen Wirkungen ich wohl an dir erproben möchte, wenn wir nur vierzehn Tage zusammen blieben.“

Der Gedanke, etwas dieser Art sei möglich und diese Möglichkeit werde ihm gerade in dem rechten Augenblick so zufällig nahe gebracht, erheiterte den Geist des Majors dergestalt, dass er wirklich schon frischer und munterer aussah und, von der Hoffnung, Haupt und Gesicht mit seinem Herzen in Übereinstimmung zu bringen, belebt, von der Unruhe, die Mittel dazu bald näher kennen zu lernen, in Bewegung gesetzt, bei Tisch ein ganz anderer Mensch erschien, Hilaries anmutigen Aufmerksamkeiten getrost entgegenging und auf sie mit einer gewissen Zuversicht blickte, die ihm heute früh noch sehr fremd gewesen war.

Hatte nun durch mancherlei Erinnerungen, Erzählungen und glückliche Einfälle der theatralische Freund die einmal angeregte gute Laune zu erhalten, zu beleben und zu vermehren gewusst, so wurde der Major um so verlegener, als jener gleich nach Tisch sich zu entfernen und seinen Weg weiter fortzusetzen drohte. Auf alle Weise suchte er den Aufenthalt seines Freundes, wenigstens über Nacht, zu erleichtern, indem er Vorspann und Relais auf morgen früh andringlich zusagte. Genug, die heilsame Toilette sollte nicht aus dem Haus, bis man von ihrem Inhalt und Gebrauch näher unterrichtet wäre.

Der Major sah sehr wohl ein, dass hier keine Zeit zu verlieren sei, und suchte daher gleich nach Tisch seinen alten Günstling allein zu sprechen. Da er das Herz nicht hatte, ganz gerade auf die Sache loszugehen, so lenkte er von weitem dahin, indem er, das vorige Gespräch wieder auffassend, versicherte: Er für seine Person würde gern mehr Sorgfalt auf das Äußere verwenden, wenn nur nicht gleich die Menschen einen jeden, dem sie ein solches Bestreben anmerken, für eitel erklärten und ihm dadurch sogleich wieder an der sittlichen Achtung entzögen, was sie sich genötigt fühlten an der sinnlichen ihm zuzugestehen.

„Mache mich mit solchen Redensarten nicht verdrießlich!“, versetzte der Freund, „denn das sind Ausdrücke, die sich die Gesellschaft angewöhnt hat, ohne etwas dabei zu denken, oder, wenn man es strenger nehmen will, wodurch sich ihre unfreundliche und misswollende Natur ausspricht. Wenn du es recht genau betrachtest: Was ist denn das, was man oft als Eitelkeit verrufen möchte? Jeder Mensch soll Freude an sich selbst haben, und glücklich, wer sie hat. Hat er sie aber, wie kann er sich verwehren, dieses angenehme Gefühl merken zu lassen? Wie soll er mitten im Dasein verbergen, dass er eine Freude am Dasein habe? Fände die gute Gesellschaft, denn von der ist doch hier allein die Rede, nur alsdann diese Äußerungen tadelhaft, wenn sie zu lebhaft werden, wenn des einen Menschen Freude an sich und seinem Wesen die andern hindert, Freude an dem ihrigen zu haben und sie zu zeigen, so wäre nichts dabei zu erinnern, und von diesem Übermaß ist auch wohl der Tadel zuerst ausgegangen. Aber was soll eine wunderlich verneinende Strenge gegen etwas Unvermeidliches? Warum will man nicht eine Äußerung lässlich und erträglich finden, die man denn doch mehr oder weniger sich von Zeit zu Zeit selbst erlaubt? Ja, ohne die eine gute Gesellschaft gar nicht existieren könnte; denn das Gefallen an sich selbst, das Verlangen, dieses Selbstgefühl andern mitzuteilen, macht gefällig, das Gefühl eigner Anmut macht anmutig. Wollte Gott, alle Menschen wären eitel, wären es aber mit Bewusstsein, mit Maß und im rechten Sinne: So würden wir in der gebildeten Welt die glücklichsten Menschen sein. Die Weiber, sagt man, sind eitel von Haus aus; doch es kleidet sie, und sie gefallen uns um desto mehr. Wie kann ein junger Mann sich bilden, der nicht eitel ist? Eine leere, hohle Natur wird sich wenigstens einen äußern Schein zu geben wissen, und der tüchtige Mensch wird sich bald von außen nach innen zu bilden. Was mich betrifft, so habe ich Ursache, mich auch deshalb für den glücklichsten Menschen zu halten, weil mein Handwerk mich berechtigt, eitel zu sein, und weil ich, je mehr ich es bin, nur desto mehr Vergnügen den Menschen schaffe. Ich werde gelobt, wo man andere tadelt, und habe gerade auf diesem Weg das Recht und das Glück, noch in einem Alter das Publikum zu ergötzen und zu entzücken, in welchem andere notgedrungen vom Schauplatz abtreten oder nur mit Schmach darauf verweilen.“

Der Major hörte nicht gerne den Schluss dieser Betrachtungen. Das Wörtchen Eitelkeit, als er es vorbrachte, sollte nur zu einem Übergang dienen, um dem Freund auf eine geschickte Weise seinen Wunsch vorzutragen; nun fürchtete er, bei einem fortgesetzten Gespräch das Ziel noch weiter verrückt zu sehen, und eilte daher unmittelbar zum Zweck.

„Für mich“, sagte er, „wäre ich gar nicht abgeneigt, auch zu deiner Fahne zu schwören, da du es nicht für zu spät hältst und glaubst, dass ich das Versäumte noch einigermaßen nachholen könne. Teile mir etwas von deinen Tinkturen, Pomaden und Balsamen mit, und ich will einen Versuch machen.“

„Mitteilungen“, sagte der andere, „sind schwerer, als man denkt. Denn hier z.B. kommt es nicht allein darauf an, dass ich dir von meinen Fläschchen etwas abfülle und von den besten Ingredienzien meiner Toilette die Hälfte zurücklasse; die Anwendung ist das Schwerste. Man kann das Überlieferte sich nicht gleich zu eigen machen; wie dieses und jenes passe, unter was für Umständen, in welcher Folge die Dinge zu gebrauchen seien, dazu gehört Übung und Nachdenken; ja selbst diese wollen kaum fruchten, wenn man nicht eben zu der Sache, wovon die Rede ist, ein angebotenes Talent hat.“

„Du willst, wie es scheint“, versetzte der Major, „nun wieder zurücktreten. Du machst mir Schwierigkeiten, um deine freilich etwas fabelhaften Behauptungen in Sicherheit zu bringen. Du hast nicht Lust, mir einen Anlass, eine Gelegenheit zu geben, deine Worte durch die Tat zu prüfen.“

„Durch diese Neckereien, mein Freund“, versetzte der andere, „würdest du mich nicht bewegen, deinem Verlangen zu willfahren, wenn ich nicht selbst so gute Gesinnungen gegen dich hätte, wie ich es ja zuerst dir angeboten habe. Dabei bedenke, mein Freund, der Mensch hat gar eine eigne Lust, Proselyten zu machen, dasjenige, was er an sich schätzt, auch außer sich in andern zu Erscheinung zu bringen, sie genießen zu lassen, was er selbst genießt, und sich in ihnen wieder zu finden und darzustellen. Fürwahr, wenn dies auch Egoismus ist, so ist er der liebenswürdigste und lobenswürdigste, derjenige, der uns zu Menschen gemacht hat und uns als Menschen erhält. Aus ihm nehme ich denn auch, abgesehen von der Freundschaft, die ich zu dir hege, die Lust, einen Schüler in der Verjüngungskunst aus dir zu machen. Weil man aber von dem Meister erwarten kann, dass er keine Pfuscher ziehen will, so bin ich verlegen, wie wir es anfangen. Ich sagte schon: Weder Spezereien noch irgendeine Anweisung ist hinlänglich; die Anwendung kann nicht im Allgemeinen gelehrt werden. Dir zuliebe und aus Lust, meine Lehre fortzupflanzen, bin ich zu jeder Aufopferung bereit. Die größte für den Augenblick will ich dir sogleich anbieten. Ich lasse dir meinen Diener hier, eine Art von Kammerdiener und Tausendkünstler, der, wenn er gleich nicht alles zu bereiten weiß, nicht in alle Geheimnisse eingeweiht ist, doch die ganze Behandlung recht gut versteht und für den Anfang dir von großem Nutzen sein wird, bis du dich in die Sache so hineinarbeitest, dass ich dir die höheren Geheimnisse endlich auch offenbaren kann.“

„Wie!“, rief der Major, „du hast auch Stufen und Grade deiner Verjüngungskunst? Du hast noch Geheimnisse für die Eingeweihten?“ – „Ganz gewiss!“, versetzte jener. „Das müsste gar eine schlechte Kunst sein, die sich auf einmal fassen ließe, deren Letztes von demjenigen gleich geschaut werden könnte, der zuerst herein tritt.“

Man zauderte nicht lange, der Kammerdiener ward an den Major gewiesen, der ihn gut zu halten versprach. Die Baronin musste Schächtelchen, Büchschen und Gläser hergeben, sie wusste nicht, wozu; die Teilung ging vor sich, man war bis in die Nacht munter und geistreich zusammen. Bei dem späteren Aufgang des Mondes fuhr der Gast hinweg und versprach, in einiger Zeit zurückzukehren.

Der Major kam ziemlich müde auf sein Zimmer. Er war früh aufgestanden, hatte sich den Tag nicht geschont und glaubte nunmehr das Bett bald zu erreichen. Allein er fand statt eines Dieners nunmehr zwei. Der alte Reitknecht zog ihn nach alter Art und Weise eilig aus; aber nun trat der neue hervor und ließ merken, dass die eigentliche Zeit, Verjüngungs- und Verschönerungsmittel anzubringen, die Nacht sei, damit in einem ruhigen Schlaf die Wirkung desto sicherer vor sich gehe. Der Major musste sich also gefallen lassen, dass sein Haupt gesalbt, sein Gesicht bestrichen, seine Augenbrauen bepinselt und seine Lippen betupft wurden. Außerdem wurden noch verschiedene Zeremonien erfordert; sogar sollte die Nachtmütze nicht unmittelbar aufgesetzt, sondern vorher ein Netz, wo nicht gar eine feine lederne Mütze übergezogen werden.

Der Major legte sich zu Bette mit einer Art von unangenehmer Empfindung, die er jedoch sich deutlich zu machen keine Zeit hatte, indem er gar bald einschlief. Sollen wir aber in seine Seele sprechen, so fühlte er sich etwas mumienhaft, zwischen einem Kranken und einem Einbalsamierten. Allein das süße Bild Hilaries, umgeben von den heitersten Hoffnungen, zog ihn bald in einen erquickenden Schlaf.

Morgens zur rechten Zeit war der Reitknecht bei der Hand. Alles, was zum Anzug des Herrn gehörte, lag in gewohnter Ordnung auf den Stühlen, und eben war der Major im Begriff, aus dem Bett zu steigen, als der neue Kammerdiener herein trat und lebhaft gegen eine solche Übereilung protestierte. Man müsse ruhen, man müsse sich abwarten, wenn das Vorhaben gelingen, wenn man für so manche Mühe und Sorgfalt Freude erleben solle. Der Herr vernahm sodann, dass er in einiger Zeit aufzustehen, ein kleines Frühstück zu genießen und alsdann in ein Bad zu steigen habe, welches schon bereitet sei. Den Anordnungen war nicht auszuweichen, sie mussten befolgt werden, und einige Stunden gingen unter diesen Geschäften hin.

Der Major verkürzte die Ruhezeit nach dem Bad, dachte, sich geschwind in die Kleider zu werfen; denn er war seiner Natur nach expedit und wünschte noch überdies, Hilarie bald zu begegnen; aber auch hier trat ihm sein neuer Diener entgegen und machte ihm begreiflich, dass man sich durchaus abgewöhnen müsse, fertig werden zu wollen. Alles, was man tue, müsse man langsam und behaglich vollbringen, besonders aber die Zeit des Anziehens habe man als angenehme Unterhaltungsstunde mit sich selbst anzusehen.

Die Behandlungsart des Kammerdieners traf mit seinen Reden völlig überein. Dafür glaubte sich aber auch der Major wirklich besser angezogen denn jemals, als er vor den Spiegel trat und sich auf das schmuckste herausgeputzt erblickte. Ohne viel zu fragen, hatte der Kammerdiener sogar die Uniform moderner zugestutzt, indem er die Nacht auf diese Verwandlung wendete. Eine so schnell erscheinende Verjüngung gab dem Major einen besonders heitern Sinn, so dass er sich von innen und außen erfrischt fühlte und mit ungeduldigem Verlangen den Seinigen entgegeneilte.

Er fand seine Schwester vor dem Stammbaum stehen, den sie hatte aufhängen lassen, weil abends vorher zwischen ihnen von einigen Seitenverwandten die Rede gewesen, welche teils unverheiratet, teils in fernen Landen wohnhaft, teils gar verschollen, mehr oder weniger den beiden Geschwistern oder ihren Kindern auf reiche Erbschaften Hoffnung machten. Sie unterhielten sich einige Zeit darüber, ohne des Punktes zu erwähnen, dass sich bisher alle Familiensorgen und Bemühungen bloß auf ihre Kinder bezogen. Durch Hilaries Neigung hatte sich diese ganze Ansicht freilich verändert, und doch mochte weder der Major noch seine Schwester in diesem Augenblick der Sache weiter gedenken.

Die Baronin entfernte sich, der Major stand allein vor dem lakonischen Familiengemälde. Hilarie trat an ihn heran, lehnte sich kindlich an ihn, beschaute die Tafel und fragte, wen er alles von diesen gekannt habe und wer wohl noch leben und übrig sein möchte?

Der Major begann seine Schilderung von den Ältesten, deren er sich aus seiner Kindheit nur noch dunkel erinnerte. Dann ging er weiter, zeichnete die Charaktere verschiedener Väter, die Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit der Kinder mit denselben, bemerkte, dass oft der Großvater im Enkel wieder hervortrete, sprach gelegentlich von dem Einfluss der Weiber, die, aus fremden Familien herüber heiratend, oft den Charakter ganzer Stämme verändern. Er rühmte die Tugend manches Vorfahren und Seitenverwandten und verschwieg ihre Fehler nicht. Mit Stillschweigen überging er diejenigen, deren man sich hätte zu schämen gehabt. Endlich kam er an die untersten Reihen. Da stand nun sein Bruder, der Obermarschall, er und seine Schwester, und unten drunter sein Sohn und daneben Hilarie.

„Diese sehen einander gerade genug ins Gesicht“, sagte der Major und fügte nicht hinzu, was er im Sinn hatte. Nach einer Pause versetzte Hilarie bescheiden, halblaut und fast mit einem Seufzer: „Und doch wird man denjenigen niemals tadeln, der in die Höhe blickt!“ Zugleich sah sie mit ein paar Augen an ihm hinauf, aus denen ihre ganze Neigung hervorsprach. – „Versteh’ ich dich recht?“, sagte der Major, indem er sich zu ihr wendete. – „Ich kann nichts sagen“, versetzte Hilarie lächelnd, „was Sie nicht schon wissen.“ – „Du machst mich zum glücklichsten Menschen unter der Sonne!“, rief er aus und fiel ihr zu Füßen. „Willst du mein sein?“ – „Um Gottes willen stehen Sie auf! Ich bin dein auf ewig.“

Die Baronin trat herein. Ohne überrascht zu sein, stutzte sie. „Wäre es ein Unglück“, sagte der Major, „Schwester, so ist die Schuld dein; als Glück wollen wir’s dir ewig verdanken.“

Die Baronin hatte ihren Bruder von Jugend auf dergestalt geliebt, dass sie ihn allen Männern vorzog, und vielleicht war selbst die Neigung Hilaries aus dieser Vorliebe der Mutter, wo nicht entsprungen, doch gewiss genährt worden. Alle drei vereinigten sich nunmehr in einer Liebe, einem Behagen, und so flossen für sie die glücklichsten Stunden dahin. Nur wurden sie denn doch zuletzt auch wieder die Welt um sich her gewahr, und diese steht selten mit solchen Empfindungen im Einklang.

Nun dachte man auch wieder an den Sohn. Ihm hatte man Hilarie bestimmt, das ihm sehr wohl bekannt war. Gleich nach Beendigung des Geschäfts mit dem Obermarschall sollte der Major seinen Sohn in der Garnison besuchen, alles mit ihm abreden und diese Angelegenheiten zu einem glücklichen Ende führen. Nun war aber durch ein unerwartetes Ereignis der ganze Zustand verrückt; die Verhältnisse, die sonst sich freundlich ineinander schmiegten, schienen sich nunmehr anzufeinden, und es war schwer vorauszusehen, was die Sache für eine Wendung nehmen, was für eine Stimmung die Gemüter ergreifen würde.

Indessen musste sich der Major entschließen, seinen Sohn aufzusuchen, dem er sich schon angemeldet hatte. Er machte sich nicht ohne Widerwillen, nicht ohne sonderbare Ahnung, nicht ohne Schmerz, Hilarie auch nur auf kurze Zeit zu verlassen, nach manchem Zaudern auf den Weg, ließ Reitknecht und Pferde zurück und fuhr mit seinem Verjüngungsdiener, den er nun nicht mehr entbehren konnte, der Stadt, dem Aufenthalte seines Sohnes, entgegen.

Beide begrüßten und umarmten sich nach so langer Trennung aufs herzlichste. Sie hatten einander viel zu sagen und sprachen doch nicht sogleich aus, was ihnen zunächst am Herzen lag. Der Sohn erging sich in Hoffnungen eines baldigen Avancements; wogegen ihm der Vater genaue Nachricht gab, was zwischen den ältern Familiengliedern wegen des Vermögens überhaupt, wegen der einzelnen Güter und sonst verhandelt und beschlossen worden.

Das Gespräch fing schon einigermaßen an zu stocken, als der Sohn sich ein Herz fasste und zu dem Vater lächelnd sagte: „Sie behandeln mich sehr zart, lieber Vater, und ich danke Ihnen dafür. Sie erzählen mir von Besitztümern und Vermögen und erwähnen der Bedingung nicht, unter der, wenigstens zum Teil, es mir eigen werden soll; Sie halten mit dem Namen Hilaries zurück, Sie erwarten, dass ich ihn selbst ausspreche, dass ich mein Verlangen zu erkennen gebe, mit dem liebenswürdigen Kinde bald vereinigt zu sein.“

Der Major befand sich bei diesen Worten des Sohnes in großer Verlegenheit; da es aber teils seiner Natur, teils einer alten Gewohnheit gemäß war, den Sinn des andern, mit dem er zu verhandeln hatte, zu erforschen, so schwieg er und blickte den Sohn mit einem zweideutigen Lächeln an. – „Sie erraten nicht, mein Vater, was ich zu sagen habe“, fuhr der Leutnant fort, „und ich will es nur rasch ein für allemal herausreden. Ich kann mich auf Ihre Güte verlassen, die, bei so vielfacher Sorge für mich gewiss auch an mein wahres Glück gedacht hat. Einmal muss es gesagt sein, und so sei es gleich gesagt: Hilarie kann mich nicht glücklich machen! Ich gedenke Hilaries als einer liebenswürdigen Anverwandten, mit der ich zeitlebens in den freundschaftlichsten Verhältnissen stehen möchte; aber eine andere hat meine Leidenschaft erregt, meine Neigung gefesselt. Unwiderstehlich ist dieser Hang; Sie werden mich nicht unglücklich machen.“

Nur mit Mühe verbarg der Major die Heiterkeit, die sich über sein Gesicht verbreiten wollte, und fragte den Sohn mit einem milden Ernst: wer denn die Person sei, welche sich seiner so gänzlich bemächtigen können. – „Sie müssen dieses Wesen sehen, mein Vater; denn sie ist so unbeschreiblich als unbegreiflich. Ich fürchte nur, Sie werden selbst von ihr hingerissen, wie jedermann, der sich ihr nähert. Bei Gott! Ich erlebe es und sehe Sie als den Rival Ihres Sohnes.“

„Wer ist sie denn?“, fragte der Major. „Wenn du ihre Persönlichkeit zu schildern nicht imstande bist, so erzähle mir wenigstens von ihren äußern Umständen; denn diese sind doch wohl eher auszusprechen.“ – „Wohl, mein Vater!“, versetzte der Sohn; „und doch würden auch diese äußeren Umstände bei einer andern anders sein, anders auf eine andere wirken. Sie ist eine junge Witwe, Erbin eines alten, reichen, vor kurzem verstorbenen Mannes, unabhängig und höchst wert, es zu sein, von vielen umgeben, von ebenso vielen geliebt, von ebenso vielen umworben, doch, wenn ich mich nicht sehr betrüge, mir von Herzen angehörig.“

Mit Behaglichkeit, weil der Vater schwieg und kein Zeichen der Missbilligung äußerte, fuhr der Sohn fort, das Betragen der schönen Witwe gegen ihn zu erzählen, jene unwiderstehliche Anmut, jene zarten Gunstbezeigungen einzeln herzurühmen, in denen der Vater freilich nur die leichte Gefälligkeit einer allgemein gesuchten Frau erkennen konnte, die unter vielen wohl irgendeinen vorzieht, ohne sich eben für ihn ganz und gar zu entscheiden. Unter jeden andern Umständen hätte er gewiss gesucht, einen Sohn, ja nur einen Freund auf den Selbstbetrug aufmerksam zu machen, der wahrscheinlich hier obwalten könnte; aber diesmal war ihm selbst so viel daran gelegen, wenn der Sohn sich nicht täuschen, wenn die Witwe ihn wirklich lieben und sich so schnell als möglich zu seinen Gunsten entscheiden möchte, dass er entweder kein Bedenken hatte oder einen solchen Zweifel bei sich ablehnte, vielleicht auch nur verschwieg.

„Du setzest mich in große Verlegenheit“, begann der Vater nach einiger Pause. „Die ganze Übereinkunft zwischen den übrig gebliebenen Gliedern unsers Geschlechts beruht auf der Voraussetzung, dass du dich mit Hilarie verbindest. Heiratet sie einen Fremden, so ist die ganze, schöne, künstliche Vereinigung eines ansehnlichen Vermögens wieder aufgehoben, und du besonders in deinem Teile nicht zum Besten bedacht. Es gäbe wohl noch ein Mittel, das aber ein wenig sonderbar klingt und wobei du auch nicht viel gewinnen würdest: Ich müsste noch in meinen alten Tagen Hilarie heiraten, wodurch ich dir aber schwerlich ein großes Vergnügen machen würde.“

„Das größte von der Welt!“, rief der Leutnant aus, „denn wer kann eine wahre Neigung empfinden, wer kann das Glück der Liebe genießen oder hoffen, ohne dass er dieses höchste Glück einem jeden Freund, einem jeden gönnte, der ihm wert ist! Sie sind nicht alt, mein Vater; wie liebenswürdig ist nicht Hilarie! Und schon der vorüberschwebende Gedanke, ihr die Hand zu bieten, zeugt von einem jugendlichen Herzen, von frischer Mutigkeit. Lassen Sie uns diesen Einfall, diesen Vorschlag aus dem Stegreif ja recht gut durchsinnen und ausdenken. Dann würde ich erst recht glücklich sein, wenn ich Sie glücklich wüsste; dann würde ich mich erst recht freuen, dass Sie für die Sorgfalt, mit der Sie mein Schicksal bedacht, an sich selbst so schön und höchlich belohnt würden. Nun führe ich sie erst mutig, zutraulich und mit recht offenem Herzen zu meiner Schönen. Sie werden meine Empfindungen billigen, weil Sie selbst fühlen; Sie werden dem Glück eines Sohnes nichts in den Weg legen, weil Sie Ihrem eigenen Glück entgegengehen.“

Mit diesen und andern dringenden Worten ließ der Sohn den Vater, der manche Bedenklichkeiten einstreuen wollte, nicht Raum gewinnen, sondern eilte mit ihm zur schönen Witwe, welche sie in einem großen, wohl eingerichteten Hause, umgeben von einer zwar nicht zahlreichen, aber ausgesuchten Gesellschaft, in heiterer Unterhaltung antrafen. Sie war eins von den weiblichen Wesen, denen kein Mann entgeht. Mit unglaublicher Gewandtheit wusste sie den Major zum Helden dieses Abends zu machen. Die übrige Gesellschaft schien ihre Familie, der Major allein der Gast zu sein. Sie kannte seine Verhältnisse recht gut, und doch wusste sie darnach zu fragen, als wenn sie alles erst von ihm recht erfahren wollte; und so musste auch jedes von der Gesellschaft schon irgendeinen Anteil an dem Neuangekommenen zeigen. Der eine musste seinen Bruder, der andere seine Güter und der Dritte sonst wieder etwas gekannt haben, so dass der Major bei einem lebhaften Gespräch sich immer als den Mittelpunkt fühlte. Auch saß er zunächst bei der Schönen; ihre Augen waren auf ihn, ihr Lächeln an ihn gerichtet; genug, er fand sich so behaglich, dass er beinahe die Ursache vergaß, warum er gekommen war. Auch erwähnte sie seines Sohnes kaum mit einem Worte, obgleich der junge Mann lebhaft mitsprach; er schien für sie, wie die übrigen alle, heute nur um des Vaters willen gegenwärtig.

Frauenzimmerliche Handarbeiten, in Gesellschaft unternommen und scheinbar gleichgültig fortgesetzt, erhalten durch Klugheit und Anmut oft eine wichtige Bedeutung. Unbefangen und emsig fortgesetzt, geben solche Bemühungen einer Schönen das Ansehen völliger Unaufmerksamkeit auf die Umgebung und erregen in derselben ein stilles Missgefühl. Dann aber, gleichsam wie beim Erwachen, ein Wort, ein Blick versetzt die Abwesende wieder mitten in die Gesellschaft, sie erscheint als neu willkommen; legt sie aber gar die Arbeit in den Schoß nieder, zeigt sie Aufmerksamkeit auf eine Erzählung, einen belehrenden Vortrag, in welchem sich die Männer so gern ergehen, dies wird demjenigen höchst schmeichelhaft, den sie dergestalt begünstigt.

Unsere schöne Witwe arbeitete auf diese Weise an einer so prächtigen als geschmackvollen Brieftasche, die sich noch überdies durch ein größeres Format auszeichnete. Dies ward nun eben von der Gesellschaft besprochen, von dem nächsten Nachbar aufgenommen, unter großen Lobpreisungen der Reihe nach herumgegeben, indessen die Künstlerin sich mit dem Major von ernsten Gegenständen besprach; ein alter Hausfreund rühmte das beinahe fertige Werk mit Übertreibung, doch als solches an den Major kam, schien sie es als seiner Aufmerksamkeit nicht wert von ihm ablehnen zu wollen, wogegen er auf eine verbindliche Weise die Verdienste der Arbeit anzuerkennen verstand, inzwischen der Hausfreund darin ein Penelopeisch zauderhaftes Werk zu sehen glaubte.

Man ging in den Zimmern auf und ab und gesellte sich zufällig zusammen. Der Leutnant trat zu der Schönen und fragte: „Was sagen Sie zu meinem Vater?“ Lächelnd versetzte sie: „Mich deucht, dass Sie ihn wohl zum Muster nehmen könnten. Sehn Sie nur, wie nett er angezogen ist! Ob er sich nicht besser trägt und hält als sein lieber Sohn!“ So fuhr sie fort, den Vater auf Unkosten des Sohnes zu beschreiben und zu loben und eine sehr gemischte Empfindung von Zufriedenheit und Eifersucht in dem Herzen des jungen Mannes hervorzubringen.

Nicht lange, so gesellte sich der Sohn zum Vater und erzählte ihm alles haarklein wieder. Der Vater betrug sich nur desto freundlicher gegen die Witwe, und sie setzte sich gegen ihn schon auf einen lebhafteren, vertraulichem Ton. Kurz, man kann sagen, dass, als es zum Scheiden ging, der Major so gut als die übrigen alle ihr und ihrem Kreise schon angehörte.

Ein stark einfallender Regen hinderte die Gesellschaft, auf die Weise nach Hause zu kehren, wie sie gekommen war. Einige Equipagen fuhren vor, in welche man die Fußgänger verteilte; nur der Leutnant, unter dem Vorwand, man sitze ohnehin schon zu eng, ließ den Vater fortfahren und blieb zurück.

Der Major, als er in sein Zimmer trat, fühlte sich wirklich in einer Art von Taumel, von Unsicherheit seiner selbst, wie es denen geht, die schnell aus einem Zustand in den entgegen gesetzten übertreten. Die Erde scheint sich für den zu bewegen, der aus dem Schiff steigt, und das Licht zittert noch im Auge dessen, der auf einmal ins Finstere tritt. So fühlte sich der Major noch von der Gegenwart des schönen Wesens umgeben. Er wünschte, sie noch zu sehen, zu hören, sie wieder zu sehen, wieder zu hören; und nach einiger Besinnung verzieh er seinem Sohn, ja er pries ihn glücklich, dass er Ansprüche machen dürfe, so viel Vorzüge zu besitzen.

Aus diesen Empfindungen riss ihn der Sohn, der mit einer lebhaften Entzückung zur Türe hereinstürzte, den Vater umarmte und ausrief: „Ich bin der glücklichste Mensch von der Welt!“ Nach solchen und ähnlichen Ausrufen kam es endlich unter beiden zur Aufklärung. Der Vater bemerkte, dass die schöne Frau im Gespräch gegen ihn des Sohnes auch nicht mit einer Silbe erwähnt habe. – „Das ist eben ihre zarte, schweigende, halb schweigende, halb andeutende Manier, wodurch man seiner Wünsche gewiss wird und sich doch immer des Zweifels nicht ganz erwehren kann. So war sie bisher gegen mich; aber Ihre Gegenwart, mein Vater, hat Wunder getan. Ich gestehe es gern, dass ich zurückblieb, um sie noch einen Augenblick zu sehen. Ich fand sie in ihren erleuchteten Zimmern auf und ab gehen; denn ich weiß wohl, es ist ihre Gewohnheit: Wenn die Gesellschaft weg ist, darf kein Licht ausgelöscht werden. Sie geht allein in ihren Zaubersälen auf und ab, wenn die Geister entlassen sind, die sie hergebannt hat. Sie ließ den Vorwand gelten, unter dessen Schutz ich zurückkam. Sie sprach anmutig, doch von gleichgültigen Dingen. Wir gingen hin und wider durch die offenen Türen die ganze Reihe der Zimmer durch. Wir waren schon einige Male bis ans Ende gelangt, in das kleine Kabinett, das nur von einer trüben Lampe erhellt ist. War sie schön, wenn sie sich unter den Kronleuchtern her bewegte, so war sie es noch unendlich mehr, beleuchtet von dem sanften Schein der Lampe. Wir waren wieder dahin gekommen und standen beim Umkehren einen Augenblick still. Ich weiß nicht, was mir die Verwegenheit abnötigte, ich weiß nicht, wie ich es wagen konnte, mitten im gleichgültigsten Gespräch auf einmal ihre Hand zu fassen, diese zarte Hand zu küssen, sie an mein Herz zu drücken. Man zog sie nicht weg. ‚Himmlisches Wesen’, rief ich, ‚verbirg dich nicht länger vor mir! Wenn in diesem schönen Herzen eine Neigung wohnt für den Glücklichen, der vor dir steht, so verhülle sie nicht länger, offenbare sie, gestehe sie! Es ist die schönste, es ist die höchste Zeit. Verbanne mich oder nimm mich in deinen Armen auf!’

Ich weiß nicht, was ich alles sagte, ich weiß nicht, wie ich mich gebärdete. Sie entfernte sich nicht, sie widerstrebte nicht, sie antwortete nicht. Ich wagte es, sie in meine Arme zu fassen, sie zu fragen, ob sie die Meinige sein wolle. Ich küsste sie mit Ungestüm; sie drängte mich weg. – ‚Ja doch, ja!’, oder so etwas sagte sie halblaut und wie verworren. Ich entfernte mich und rief: ‚Ich sende meinen Vater, der soll für mich reden!’ – ‚Kein Wort mit ihm darüber!’, versetzte sie, indem sie mir einige Schritte nachfolgte. ‚Entfernen Sie sich, vergessen Sie, was geschehen ist.’“

Was der Major dachte, wollen wir nicht entwickeln. Er sagte jedoch zum Sohn: „Was glaubst du nun, was zu tun sei? Sie Sache ist, dächt’ ich, aus dem Stegreif gut genug eingeleitet, dass wir nun etwas förmlicher zu Werke gehen können, dass es vielleicht sehr schicklich ist, wenn ich mich morgen dort melde und für dich anhalte.“ – „Um Gottes willen, mein Vater!“, rief er aus, „das hieße die ganze Sache verderben. Jenes Betragen, jener Ton will durch keine Förmlichkeit gestört und verstimmt sein. Es ist genug, mein Vater, dass Ihre Gegenwart diese Verbindung beschleunigt, ohne dass Sie ein Wort aussprechen. Ja, Sie sind es, dem ich mein Glück schuldig bin! Die Achtung meiner Geliebten für Sie hat jeden Zweifel besiegt, und niemals würde der Sohn einen so glücklichen Augenblick gefunden haben, wenn ihn der Vater nicht vorbereitet hätte.“

Solche und ähnliche Mitteilungen unterhielten sie bis tief in die Nacht. Sie vereinigten sich wechselseitig über ihre Pläne; der Major wollte bei der schönen Witwe nur noch der Form wegen einen Abschiedsbesuch machen und sodann seiner Verbindung mit Hilarie entgegengehen; der Sohn sollte die seinige befördern und beschleunigen, wie es möglich wäre.

 
 * 

Kapitel 4

Der schönen Witwe machte unser Major einen Morgenbesuch, um Abschied zu nehmen und, wenn es möglich wäre, die Absicht seines Sohnes mit Schicklichkeit zu fördern. Er fand sie in zierlichster Morgenkleidung in Gesellschaft einer ältern Dame, die durch ein höchst gesittetes, freundliches Wesen ihn alsobald einnahm. Die Anmut der Jüngern, der Anstand der Älteren setzten das Paar in das wünschenswerteste Gleichgewicht, auch schien ihr wechselseitiges Betragen durchaus dafür zu sprechen, dass sie einander angehörten.

Die Jüngere schien eine fleißig gearbeitete, uns von gestern schon bekannte Brieftasche soeben vollendet zu haben; denn nach den gewöhnlichen Empfangsbegrüßungen und verbindlichen Worten eines willkommenen Erscheinens wendete sie sich zur Freundin und reichte das künstliche Werk hin, gleichsam ein unterbrochenes Gespräch wieder anknüpfend: „Sie sehen also, dass ich doch fertig geworden bin, wenn es gleich wegen Zögerns und manchen Säumens den Anschein nicht hatte.“

„Sie kommen eben recht, Herr Major“, sagte die Ältere, „unsern Streit zu entscheiden oder wenigstens sich für eine oder die andere Partei zu erklären; ich behaupte, man fängt eine solche weitschichtige Arbeit nicht an, ohne einer Person zu gedenken, der man sie bestimmt hat; man vollendet sie nicht ohne einen solchen Gedanken. Beschauen Sie selbst das Kunstwerk, denn so nenn’ ich es billig, ob dergleichen so ganz ohne Zweck unternommen werden könne.“

Unser Major musste der Arbeit freilich allen Beifall zusprechen. Teils geflochten, teils gestickt, erregte sie zugleich mit der Bewunderung das Verlangen, zu erfahren, wie sie gemacht sei. Die bunte Seide waltete vor, doch war auch das Gold nicht verschmäht, genug, man wusste nicht, ob man Pracht oder Geschmack mehr bewundern sollte.

„Es ist doch noch einiges daran zu tun“, versetzte die Schöne, indem sie die Schleife des umgeschlagenen Bandes wieder aufzog und sich mit dem Innern beschäftigte. „Ich will nicht streiten“, fuhr sie fort, „aber erzählen will ich, wie mir bei solchem Geschäft zumute ist. Als junge Mädchen werden wir gewöhnt, mit den Fingern zu tüfteln und mit den Gedanken umherzuschweifen; beides bleibt uns, indem wir nach und nach die schwersten und zierlichsten Arbeiten verfertigen lernen, und ich leugne nicht, dass ich an jede Arbeit dieser Art immer Gedanken angeknüpft habe, an Personen, an Zustände, an Freud’ und Leid. Und so ward mir das Angefangene wert und das Vollendete, ich darf wohl sagen, kostbar. Als ein solches nun durft’ ich das Geringste für etwas halten, die leichteste Arbeit gewann einen Wert, und die schwierigste doch auch nur dadurch, dass die Erinnerung dabei reicher und vollständiger war. Freunden und Liebenden, ehrwürdigen und hohen Personen glaubt’ ich daher dergleichen immer anbieten zu können; sie erkannten es auch und wussten, dass ich ihnen etwas von meinem Eigensten überreichte, das vielfach und unaussprechlich, doch zuletzt, zu einer angenehmen Gabe vereinigt, immer wie ein freundlicher Gruß wohlgefällig aufgenommen ward.“

Auf ein so liebenswürdiges Bekenntnis war freilich kaum eine Erwiderung möglich; doch wusste die Freundin dagegen etwas in wohl klingende Worte zu fügen. Der Major aber, von jeher gewohnt, die anmutige Weisheit römischer Schriftsteller und Dichter zu schätzen und ihre leuchtenden Ausdrücke dem Gedächtnis einzuprägen, erinnerte sich einiger hierher gar wohl passender Verse, hütete sich aber, um nicht als Pedant zu erscheinen, sie auszusprechen oder auch ihrer nur zu erwähnen; versuchte jedoch, um nicht stumm und geistlos zu erscheinen, aus dem Stegreif eine prosaische Paraphrase, die aber nicht recht gelingen wollte, wodurch das Gespräch beinahe ins Stocken geraten wäre.

Die ältere Dame griff deshalb nach einem bei dem Eintritt des Freundes niedergelegten Buch; es war eine Sammlung von Poesien, welche soeben die Aufmerksamkeit der Freundinnen beschäftigte. Dies gab Gelegenheit, von Dichtkunst überhaupt zu sprechen, doch blieb die Unterhaltung nicht lange im Allgemeinen; denn gar bald bekannten die Frauenzimmer zutraulich, dass sie von dem poetischen Talent des Majors unterrichtet seien. Ihnen hatte der Sohn, der selbst auf den Ehrentitel eines Dichters seine Absichten nicht verbarg, von den Gedichten seines Vaters gesprochen, auch einiges rezitiert; im Grunde, um sich mit einer poetischen Herkunft zu schmeicheln und, wie es die Jugend gewohnt ist, sich für einen vorschreitenden, die Fähigkeiten des Vaters steigernden Jüngling bescheidentlich geben zu können. Der Major aber, der sich zurückzuziehen suchte, da er bloß als Literator und Liebhaber gelten wollte, suchte, da ihm kein Ausweg gelassen war, wenigstens auszuweichen, indem er die Dichtart, in der er sich allenfalls geübt habe, für subaltern und fast für unrecht wollte angesehen wissen; er konnte nicht leugnen, dass er in demjenigen, was man beschreibend und in einem gewissen Sinn belehrend nennt, einige Versuche gemacht habe.

Die Damen, besonders die jüngere, nahmen sich dieser Dichtart an; sie sagte: „Wenn man vernünftig und ruhig leben will, welches denn doch zuletzt eines jeden Menschen Wunsch und Absicht bleibt, was soll uns da das aufgeregte Wesen, das uns willkürlich anreizt, ohne etwas zu geben, das uns beunruhigt, um uns denn doch zuletzt uns wieder selbst zu überlassen; unendlich viel angenehmer ist mir, da ich doch einmal der Dichtung nicht gern entbehren mag, jene, die mich in heitere Gegenden versetzt, wo ich mich wieder zu erkennen glaube, mir den Grundwert des Einfachländlichen zu Gemüte führt, mich durch buschige Haine zum Wald, unvermerkt auf eine Höhe zum Anblick eines Landsees hinführt, da denn auch wohl gegenüber erst angebaute Hügel, sodann Wald gekrönte Höhen emporsteigen und die blauen Berge zum Schluss ein befriedigendes Gemälde bilden. Bringt man mir das alles in klaren Rhythmen und Reimen, so bin ich auf meinem Sofa dankbar, dass der Dichter ein Bild in meiner Imagination entwickelt hat, an dem ich mich ruhiger erfreuen kann, als wenn ich es, nach ermüdender Wanderschaft, vielleicht unter andern, ungünstigen Umständen vor Augen sehe.“

Der Major, der das vorwaltende Gespräch eigentlich nur als Mittel ansah, seine Zwecke zu befördern, suchte sich wieder nach der lyrischen Dichtkunst hinzuwenden, worin sein Sohn wirklich Löbliches geleistet hatte. Man widersprach ihm nicht geradezu, aber man suchte ihn von dem Weg wegzuscherzen, den er eingeschlagen hatte, besonders da er auf leidenschaftliche Gedichte hinzudeuten schien, womit der Sohn der unvergleichlichen Dame die entschiedene Neigung seines Herzens nicht ohne Kraft und Geschick vorzutragen gesucht hatte. „Lieder der Liebenden“, sagte die schöne Frau, „mag ich weder vorgelesen noch vorgesungen; glücklich Liebende beneidet man, eh’ man sich’s versieht, und die Unglücklichen machen uns immer Langeweile.“

Hierauf nahm die ältere Dame, zu ihrer holden Freundin gewendet, das Wort auf und sagte: „Warum machen wir solche Umschweife, verlieren die Zeit in Umständlichkeiten gegen einen Mann, den wir verehren und lieben? Sollen wir ihm nicht vertrauen, dass wir sein anmutiges Gedicht, worin er die wackere Leidenschaft zur Jagd in allen ihren Einzelheiten vorträgt, schon teilweise zu kennen das Vergnügen haben, und nunmehr ihn bitten, auch das Ganze nicht vorzuenthalten? Ihr Sohn“, fuhr sie fort, „hat uns einige Stellen mit Lebhaftigkeit aus dem Gedächtnis vorgetragen und uns neugierig gemacht, den Zusammenhang zu sehen.“ Als nun der Vater abermals auf die Talente des Sohnes zurückkehren und diese hervorheben wollte, ließen es die Damen nicht gelten, indem sie es für eine offenbare Ausflucht ansprachen, um die Erfüllung ihrer Wünsche indirekt abzulehnen. Er kam nicht los, bis er unbewunden versprochen hatte, das Gedicht zu senden; sodann aber nahm das Gespräch eine Wendung, die ihn hinderte, zugunsten des Sohnes weiter etwas vorzubringen, besonders da ihm dieser alle Zudringlichkeit abgeraten hatte.

Da es nun Zeit schien, sich zu beurlauben, und der Freund auch deshalb einige Bewegung machte, sprach die Schöne mit einer Art von Verlegenheit, wodurch sie nur noch schöner ward, indem sie die frisch geknüpfte Schleife der Brieftasche sorgfältig zurechtzupfte: „Dichter und Liebhaber sind längst schon leider im Ruf, dass ihren Versprechen und Zusagen nicht viel zu trauen sei; verzeihen Sie daher, wenn ich das Wort eines Ehrenmannes in Zweifel zu ziehen wage und deshalb ein Pfand, einen Treupfennig nicht verlange, sondern gebe. Nehmen Sie diese Brieftasche, sie hat etwas Ähnliches von Ihrem Jagdgedicht, viel Erinnerungen sind daran geknüpft, manche Zeit verging unter der Arbeit, endlich ist sie fertig; bedienen Sie sich derselben als eines Boten, uns Ihre liebliche Arbeit zu überbringen.“

Bei solch unerwartetem Anerbieten fühlte sich der Major wirklich betroffen; die zierliche Pracht dieser Gabe hatte so gar kein Verhältnis zu dem, was ihn gewöhnlich umgab, zu dem übrigen, dessen er sich bediente, dass er sie sich, obgleich dargereicht, kaum zueignen konnte; doch nahm er sich zusammen, und wie seinem Erinnern ein überliefertes Gute niemals versagte, so trat eine klassische Stelle alsbald ihm ins Gedächtnis. Nur wäre es pedantisch gewesen, sie anzuführen, doch regte sie einen heitern Gedanken bei ihm auf, dass er aus dem Stegreif mit artiger Paraphrase einen freundlichen Dank und ein zierliches Kompliment entgegenzubringen im Fall war; und so schloss sich denn diese Szene auf eine befriedigende Weise für die sämtlichen Unterredenden.

Also fand er sich zuletzt nicht ohne Verlegenheit in ein angenehmes Verhältnis verflochten; er hatte zu senden, zu schreiben zugesagt, sich verpflichtet, und wenn ihm die Veranlassung einigermaßen unangenehm fiel, so musste er es doch für ein Glück schätzen, auf eine heitere Weise mit dem Frauenzimmer in Verhältnis zu bleiben, das bei ihren großen Vorzügen ihm so nah angehören sollte. Er schied also nicht ohne eine gewisse innere Zufriedenheit; denn wie sollte der Dichter eine solche Aufmunterung nicht empfinden, dessen treufleißiger Arbeit, die so lange unbeachtet geruht, nun ganz unerwartet eine liebenswürdige Aufmerksamkeit zuteil wird.

Gleich nach seiner Rückkehr ins Quartier setzte der Major sich nieder, zu schreiben, seiner guten Schwester alles zu berichten, und da war nichts natürlicher, als dass in seiner Darstellung eine gewisse Exaltation sich hervortat, wie er sie selbst empfand, die aber durch das Einreden seines von Zeit zu Zeit störenden Sohns noch mehr gesteigert wurde.

Auf die Baronin machte dieser Brief einen sehr gemischten Eindruck; denn wenn auch der Umstand, wodurch die Verbindung des Bruders mit Hilarie befördert und beschleunigt werden konnte, geeignet war, sie ganz zufrieden zu stellen, so wollte ihr doch die schöne Witwe nicht gefallen, ohne dass sie sich deswegen Rechenschaft zu geben gedacht hätte. Wir machen bei dieser Gelegenheit folgende Bemerkung.

Den Enthusiasmus für irgendeine Frau muss man einer andern niemals anvertrauen; sie kennen sich untereinander zu gut, um sich einer solchen ausschließlichen Verehrung würdig zu halten. Die Männer kommen ihnen vor wie Käufer im Laden, wo der Handelsmann mit seinen Waren, die er kennt, im Vorteil steht, auch sie in dem besten Licht vorzuzeigen die Gelegenheit wahrnehmen kann; dahingegen der Käufer immer mit einer Art Unschuld herein tritt; er bedarf der Ware, will und wünscht sie und versteht gar selten, sie mit Kenneraugen zu betrachten. Jener weiß recht gut, was er gibt, dieser nicht immer, was er empfängt. Aber es ist einmal im menschlichen Leben und Umgang nicht zu ändern, ja so löblich als notwendig, denn alles Begehren und Freien, alles Kaufen und Tauschen beruht darauf.

In Gefolge solches Empfindens mehr als Betrachtens konnte die Baronesse weder mit der Leidenschaft des Sohns noch mit der günstigen Schilderung des Vaters völlig zufrieden sein; sie fand sich überrascht von der glücklichen Wendung der Sache, doch ließ eine Ahnung wegen doppelter Ungleichheit des Alters sich nicht abweisen. Hilarie ist ihr zu jung für den Bruder, die Witwe für den Sohn nicht jung genug; indessen hat die Sache ihren Gang genommen, der nicht aufzuhalten scheint. Ein frommer Wunsch, dass alles gut gehen möge, stieg mit einem leisen Seufzer empor. Um ihr Herz zu erleichtern, nahm sie die Feder und schrieb an jene Menschen kennende Freundin, indem sie nach einem geschichtlichen Eingang also fort fuhr.

„Die Art dieser jungen, verführerischen Witwe ist mir nicht unbekannt; weiblichen Umgang scheint sie abzulehnen und nur eine Frau um sich zu leiden, die ihr keinen Eintrag tut, ihr schmeichelt und, wenn ihre stummen Vorzüge sich nicht klar genug dartäten, sie noch mit Worten und geschickter Behandlung der Aufmerksamkeit zu empfehlen weiß. Zuschauer, Teilnehmer an einer solchen Repräsentation müssen Männer sein; daher entsteht die Notwendigkeit, sie anzuziehen, sie festzuhalten. Ich denke nichts Übles von der schönen Frau, sie scheint anständig und behutsam genug, aber eine solche lüsterne Eitelkeit opfert den Umständen auch wohl etwas auf, und, was ich für das Schlimmste halte: Nicht alles ist reflektiert und vorsätzlich, ein gewisses glückliches Naturell leitet und beschützt sie, und nichts ist gefährlicher an so einer gebornen Kokette als eine aus der Unschuld entspringende Verwegenheit.“

Der Major, nunmehr auf den Gütern angelangt, widmete Tag und Stunde der Besichtigung und Untersuchung. Er fand sich in dem Fall, zu bemerken, dass ein richtiger, wohl gefasster Hauptgedanke in der Ausführung mannigfaltigen Hindernissen und dem Durchkreuzen so vieler Zufälligkeiten unterworfen ist, in dem Grade, dass der erste Begriff beinahe verschwindet und für Augenblicke ganz und gar unterzugehen scheint, bis mitten in allen Verwirrungen dem Geist die Möglichkeit eines Gelingens sich wieder darstellt, wenn wir die Zeit als den besten Alliierten einer unbesiegbaren Ausdauer uns die Hand bieten sehen.

Und so wäre denn auch hier der traurige Anblick schöner, ansehnlicher, vernachlässigter, missbrauchter Besitzungen zu einem trostlosen Zustande geworden, hätte man nicht durch das verständige Bemerken einsichtiger Ökonomen zugleich vorausgesehen, dass eine Reihe von Jahren, mit Verstand und Redlichkeit benutzt, hinreichend sein werde, das Abgestorbene zu beleben und das Stockende in Umtrieb zu versetzen, um zuletzt durch Ordnung und Tätigkeit seinen Zweck zu erreichen.

Der behagliche Obermarschall war angelangt, und zwar mit einem ernsten Advokaten, doch gab dieser dem Major weniger Besorgnisse als jener, der zu den Menschen gehörte, die keine Zwecke haben oder, wenn sie einen vor sich sehen, die Mittel dazu ablehnen. Ein täglich- und stündliches Behagen war ihm das unerlässliche Bedürfnis seines Lebens. Nach langem Zaudern ward es ihm endlich ernst, seine Gläubiger loszuwerden, die Güterlast abzuschütteln, die Unordnung seines Hauswesens in Regel zu setzen, eines anständigen, gesicherten Einkommens ohne Sorge zu genießen, dagegen aber auch nicht das geringste von den bisherigen Bräuchlichkeiten fahren zu lassen.

Im ganzen gestand er alles ein, was die Geschwister in den ungetrübten Besitz der Güter, besonders auch des Hauptgutes, setzen sollte; aber auf einen gewissen benachbarten Pavillon, in welchem er alle Jahr auf seinen Geburtstag die ältesten Freunde und die neusten Bekannten einlud, ferner auf den daran gelegenen Ziergarten, der solchen mit dem Hauptgebäude verband, wollte er die Ansprüche nicht völlig aufgeben. Die Möbel alle sollten in dem Lusthaus bleiben, die Kupferstiche an den Wänden sowie auch die Früchte der Spaliere ihm versichert werden. Pfirsiche und Erdbeeren von den ausgesuchtesten Sorten, Birnen und Äpfel, groß und schmackhaft, besonders aber eine gewisse Sorte grauer, kleiner Äpfel, die er seit vielen Jahren der Fürstin-Witwe zu verehren gewohnt war, sollten ihm treulich geliefert sein. Hieran schlossen sich noch andere Bedingungen, wenig bedeutend, aber dem Hausherrn, Pächter, Verwaltern, Gärtnern ungemein beschwerlich.

Der Obermarschall war übrigens von dem besten Humor; denn da er den Gedanken nicht fahren ließ, dass alles nach seinen Wünschen, wie es ihm sein leichtes Temperament vorgespiegelt hatte, sich endlich einrichten würde, so sorgte er für eine gute Tafel, machte sich einige Stunden auf einer mühelosen Jagd die nötige Bewegung, erzählte Geschichten auf Geschichten und zeigte durchaus das heiterste Gesicht; auch schied er auf gleiche Weise, dankte dem Major zum schönsten, dass er so brüderlich verfahren, verlangte noch etwas Geld, ließ die kleinen vorrätigen grauen Goldäpfel, welche dieses Jahr besonders wohl geraten waren, sorgfältig einpacken und fuhr mit diesem Schatz, den er als eine willkommene Verehrung der Fürstin zu überreichen gedachte, nach ihrem Witwensitz, wo er denn auch gnädig und freundlich empfangen ward.

Der Major an seiner Seite blieb mit ganz entgegen gesetzten Gefühlen zurück und wäre an den Verschränkungen, die er vor sich fand, fast verzweifelt, wäre ihm nicht das Gefühl zu Hilfe gekommen, das einen tätigen Mann freudig aufrichtet, wenn er das Verworrene zu lösen, das Entworrene zu genießen hoffen darf.

Glücklicherweise war der Advokat ein rechtlicher Mann, der, weil er sonst viel zu tun hatte, diese Angelegenheit bald beendigte. Ebenso glücklich schlug sich ein Kammerdiener des Obermarschalls hinzu, der gegen mäßige Bedingungen in dem Geschäft mitzuwirken versprach, wodurch man einem gedeihlichen Abschluss entgegen sehen durfte. So angenehm aber auch dieses war, so fühlte doch der Major als ein rechtlicher Mann im Hin- und Widerwirken bei dieser Angelegenheit, es bedürfe gar manches Unreinen, um ins Reine zu kommen.

Bei einer Pause des Geschäfts, die ihm einige Freiheit ließ, eilte er auf sein Gut, wo er, des Versprechens eingedenk, das er an die schöne Witwe getan und das ihm nicht aus dem Sinn gekommen war, seine Gedichte versuchte, die in guter Ordnung verwahrt lagen. Zu gleicher Zeit kamen ihm manche Gedenk- und Erinnerungsbücher, Auszüge beim Lesen alter und neuer Schriftsteller enthaltend, wieder zur Hand. Bei seiner Vorliebe für Horaz und die römischen Dichter war das meiste daher, und es fiel ihm auf, dass die Stellen größtenteils Bedauern vergangner Zeit, vorüber geschwundner Zustände und Empfindungen andeuteten. Statt vieler rücken wir die einzige Stelle hier ein:

Heu!

Quae mens est hodie, cur eadem non puero fuit?

Vel cur bis animis incolumes non redeunt genae?

Wie ist heut mir doch zumute?

So vergnüglich und so klar!

Da bei frischem Knabenblute

Mir so wild, so düster war.

Doch wenn mich die Jahre zwacken,

Wie auch wohlgemut ich sei,

Denk’ ich jene roten Backen,

Und ich wünsche sie herbei.

Nachdem unser Freund nun aus wohl geordneten Papieren das Jagdgedicht gar bald herausgefunden, erfreute er sich an der sorgfältigen Reinschrift, wie er sie vor Jahren mit lateinischen Lettern, groß Oktav, zierlichst verfasst hatte. Die köstliche Brieftasche von bedeutender Größe nahm das Werk ganz bequem auf, und nicht leicht hat ein Autor sich so prächtig eingebunden gesehen. Einige Zeilen dazu waren höchst notwendig; Prosaisches aber kaum zulässig. Jene Stelle des Ovid fiel ihm wieder ein, und er glaubte jetzt durch eine poetische Umschreibung, so wie damals durch eine prosaische, sich am besten aus der Sache zu ziehen. Sie hieß:

Nec factas solum vestes spectare juvabat,

Tum quoque dum fierent; tantus decor adfuit arti.

Zu Deutsch:

Ich sah’s in meisterlichen Händen –

Wie denk’ ich gern der schönen Zeit! –

Sich erst entwickeln, dann vollenden

Zu nie gesehner Herrlichkeit.

Zwar ich besitz’ es gegenwärtig,

Doch soll ich mir nur selbst gestehn:

Ich wollt’, es wäre noch nicht fertig –

Das Machen war doch gar zu schön!

Mit diesem Übertragenen war unser Freund nur wenige Zeit zufrieden; er tadelte, dass er das schöne flektierte Verbum dum fierent, in ein traurig abstraktes Substantivum verändert habe, und es verdross ihn, bei allem Nachdenken die Stelle doch nicht verbessern zu können. Nun ward auf einmal seine Vorliebe zu den alten Sprachen wieder lebendig, und der Glanz des Deutschen Parnasses, auf den er doch auch im Stillen hinaufstrebte, schien ihm sich zu verdunkeln.

Endlich aber, da er dieses heitere Kompliment, mit dem Urtext unverglichen, noch ganz artig fand und glauben durfte, dass ein Frauenzimmer es ganz wohl aufnehmen würde, so entstand eine zweite Bedenklichkeit: Dass, da man in Versen nicht galant sein kann, ohne verliebt zu scheinen, er dabei als künftiger Schwiegervater eine wunderliche Rolle spiele. Das Schlimmste jedoch fiel ihm zuletzt ein: Jene Ovidischen Verse werden von Arachnen gesagt, einer ebenso geschickten als hübschen und zierlichen Weberin. Wurde nun aber diese durch die neidische Minerva in eine Spinne verwandelt, so war es gefährlich, eine schöne Frau, mit einer Spinne, wenn auch nur von ferne, verglichen im Mittelpunkt eines ausgebreiteten Netzes schweben zu sehen. Konnte man sich doch unter der geistreichen Gesellschaft, welche unsre Dame umgab, einen Gelehrten denken, welcher diese Nachbildung ausgewittert hätte. Wie sich nun der Freund aus einer solchen Verlegenheit gezogen, ist uns selbst unbekannt geblieben, und wir müssen diesen Fall unter diejenigen rechnen, über welche die Musen auch wohl einen Schleier zu werfen sich die Schalkheit erlauben. Genug, das Jagdgedicht selbst ward abgesendet, von welchem wir jedoch einige Worte nachzubringen haben.

Der Leser desselben belustigt sich an der entschiedenen Jagdliebhaberei und allem, was sie begünstigen mag; erfreulich ist der Jahreszeitenwechsel, der sie mannigfaltig aufruft und anregt. Die Eigenheiten sämtlicher Geschöpfe, denen man nachstellt, die man zu erlegen gesinnt ist, die verschiedenen Charaktere der Jäger, die sich dieser Lust, dieser Mühe hingeben, die Zufälligkeiten, wie sie befördern oder schädigen, alles war, besonders was auf das Geflügel Bezug hatte, mit der besten Laune dargestellt und mit großer Eigentümlichkeit behandelt.

Von der Auerhahnbalz bis zum zweiten Schnepfenstrich und von da bis zur Rabenhütte war nichts versäumt, alles wohl gesehen, klar aufgenommen, leidenschaftlich verfolgt, leicht und scherzhaft, oft ironisch dargestellt.

Jenes elegische Thema klang jedoch durch das Ganze durch; es war mehr als ein Abschied von diesen Lebensfreuden verfasst, wodurch es zwar einen gefühlvollen Anstrich des heiter Durchlebten gewann und sehr wohltätig wirkte, aber doch zuletzt, wie jene Sinnsprüche, nach dem Genuss ein gewisses Leere empfinden ließ. War es das Umblättern dieser Papiere oder sonst ein augenblickliches Missbefinden, der Major fühlte sich nicht heiter gestimmt. Dass die Jahre, die zuerst eine schöne Gabe nach der andern bringen, sie alsdann nach und nach wieder entziehen, schien er auf dem Scheidepunkt, wo er sich befand, auf einmal lebhaft zu fühlen. Eine versäumte Badereise, ein ohne Genuss verstrichener Sommer, Mangel an stetiger gewohnter Bewegung, alles ließ ihn gewisse körperliche Unbequemlichkeiten empfinden, die er für wirkliche Übel nahm und sich ungeduldiger dabei bewies, als billig sein mochte.

Wie aber den Frauen der Augenblick, wo ihre bisher unbestrittene Schönheit zweifelhaft werden will, höchst peinlich ist, so wird den Männern in gewissen Jahren, obgleich noch im völligen Vigor, das leiseste Gefühl einer unzulänglichen Kraft äußerst unangenehm, ja gewissermaßen ängstlich.

Ein anderer eintretender Umstand jedoch, der ihn hätte beunruhigen sollen, verhalf ihm zu der besten Laune. Sein kosmetischer Kammerdiener, der ihn auch bei dieser Landpartie nicht verlassen hatte, schien einige Zeit her einen andern Weg einzuschlagen, wozu ihn frühes Aufstehn des Majors, tägliches Ausreiten und Umhergehen desselben sowie der Zutritt mancher Beschäftigten, auch bei der Gegenwart des Obermarschalls mehrerer Geschäftslosen, zu nötigen schien. Mit allen Kleinigkeiten, die nur die Sorgfalt eines Mimen zu beschäftigen das Recht hatten, ließ er den Major schon einige Zeit verschont, aber desto strenger hielt er auf einige Hauptpunkte, welche bisher durch ein geringeres Hokuspokus waren verschleiert gewesen. Alles, was nicht nur den Schein der Gesundheit bezwecken, sondern was die Gesundheit selbst aufrecht erhalten sollte, ward eingeschärft, besonders aber Maß in allem und Abwechslung nach den Vorkommenheiten, Sorgfalt sodann für Haut und Haare, für Augenbrauen und Zähne, für Hände und Nägel, für deren zierlichste Form und schicklichste Länge der Wissende schon länger gesorgt hatte. Dabei wurde Mäßigung aber- und abermals in allem, was den Menschen aus seinem Gleichgewicht zu bringen pflegt, dringend anempfohlen, worauf denn dieser Schönheits-Erhaltungslehrer sich seinen Abschied erbat, weil er seinem Herrn nichts mehr nütze sei. Indes konnte man denken, dass er sich doch wohl wieder zu seinem vorigen Patron zurückwünschen mochte, um den mannigfaltigen Vergnügungen eines theatralischen Lebens fernerhin sich ergeben zu können.

Und wirklich tat es dem Major sehr wohl, wieder sich selbst gegeben zu sein. Der verständige Mann braucht sich nur zu mäßigen, so ist er auch glücklich. Er mochte sich der herkömmlichen Bewegung des Reitens, der Jagd und was sich daran knüpft, wieder mit Freiheit bedienen, die Gestalt Hilaries trat in solchen einsamen Momenten wieder freudig hervor, und er fügte sich in den Zustand des Bräutigams, vielleicht den anmutigsten, der uns in dem gesitteten Kreis des Lebens gegönnt ist.

Schon einige Monate waren die sämtlichen Familienglieder ohne besondere Nachricht voneinander geblieben; der Major beschäftigte sich, in der Residenz gewisse Einwilligungen und Bestätigungen seines Geschäfts abschließlich zu negoziieren; die Baronin und Hilarie richteten ihre Tätigkeit auf die heiterste, reichlichste Ausstattung; der Sohn, seiner Schönen mit Leidenschaft dienstpflichtig, schien hierüber alles zu vergessen. Der Winter war angekommen und umgab alle ländlichen Wohnungen mit unerfreulichen Sturmregen und frühzeitigen Finsternissen.

Wer heute durch eine düstre Novembernacht sich in der Gegend des adeligen Schlosses verirrt hätte und bei dem schwachen Licht eines bedeckten Mondes Äcker, Wiesen, Baumgruppen, Hügel und Gebüsche düster vor sich liegen sähe, auf einmal aber bei einer schnellen Wendung um eine Ecke die ganz erleuchtete Fensterreihe eines langen Gebäudes vor sich erblickte, er hätte gewiss geglaubt, eine festlich geschmückte Gesellschaft dort anzutreffen. Wie sehr verwundert müsste er aber sein, von wenigen Bedienten erleuchtete Treppen hinaufgeführt, nur drei Frauenzimmer, die Baronin, Hilarie und das Kammermädchen, in hellen Zimmern zwischen klaren Wänden, neben freundlichem Hausrat, durchaus erwärmt und behaglich, zu erblicken!

Da wir nun aber die Baronin in einem festlichen Zustand zu überraschen glauben, so ist es notwendig, zu bemerken, dass diese glänzende Erleuchtung hier nicht als außerordentlich anzusehen sei, sondern zu den Eigenheiten gehöre, welche die Dame aus ihrem frühern Leben mit herübergebracht hatte. Als Tochter einer Oberhofmeisterin, bei Hof erzogen, war sie gewohnt, den Winter allen übrigen Jahrszeiten vorzuziehen und den Aufwand einer stattlichen Erleuchtung zum Element aller ihrer Genüsse zu machen. Zwar an Wachskerzen fehlte es niemals, aber einer ihrer ältesten Diener hatte so große Lust an Künstlichkeiten, dass nicht leicht eine neue Lampenart entdeckt wurde, die er im Schlosse hie und da einzuführen nicht wäre bemüht gewesen, wodurch denn zwar die Erhellung mitunter lebhaft gewann, aber auch wohl gelegentlich hie und da eine partielle Finsternis eintrat.

Die Baronin hatte den Zustand einer Hofdame durch Verbindung mit einem bedeutenden Gutsbesitzer und entschiedenen Landwirt aus Neigung und wohlbedächtig vertauscht, und ihr einsichtiger Gemahl hatte, da ihr das Ländliche anfangs nicht zusagte, mit Einstimmung seiner Nachbarn, ja nach den Anordnungen der Regierung, die Wege mehrere Meilen ringsumher so gut hergestellt, dass die nachbarlichen Verbindungen nirgends in so gutem Stand gefunden wurden; doch war eigentlich bei dieser löblichen Anstalt die Hauptabsicht, dass die Dame, besonders zur guten Jahrszeit, überall hinrollen konnte; dagegen aber im Winter gern häuslich bei ihm verweilte, indem er durch Erleuchtung die Nacht dem Tag gleich zu machen wusste. Nach dem Tod des Gemahls gab die leidenschaftliche Sorge für ihre Tochter genugsame Beschäftigung, der öftere Besuch des Bruders herzliche Unterhaltung und die gewohnte Klarheit der Umgebung ein Behagen, das einer wahren Befriedigung gleichsah.

Den heutigen Tag war jedoch diese Erleuchtung recht am Platz; denn wir sehen in einem der Zimmer eine Art von Christbescherung aufgestellt, in die Augen fallend und glänzend. Das kluge Kammermädchen hatte den Kammerdiener dahin vermocht, die Erleuchtung zu steigern, und dabei alles zusammengelegt und ausgebreitet, was zur Ausstattung Hilaries bisher vorgearbeitet worden, eigentlich in der listigen Absicht, mehr das Fehlende zur Sprache zu bringen als dasjenige zu erheben, was schon geleistet war. Alles Notwendige fand sich, und zwar aus den feinsten Stoffen und von der zierlichsten Arbeit; auch an Willkürlichem war kein Mangel, und doch wusste Ananette überall da noch eine Lücke anschaulich zu machen, wo man ebenso gut den schönsten Zusammenhang hätte finden können. Wenn nun alles Weißzeug, stattlich ausgekramt, die Augen blendete, Leinwand, Musselin und alle die zarteren Stoffe der Art, wie sie auch Namen haben mögen, genugsames Licht umher warfen, so fehlte doch alles bunte Seidene, mit dessen Ankauf man weislich zögerte, weil man bei sehr veränderlicher Mode das Allerneueste als Gipfel und Abschluss hinzufügen wollte.

Nach diesem heitersten Anschauen schritten sie wieder zu ihrer gewöhnlichen, obgleich mannigfaltigen Abendunterhaltung. Die Baronin, die recht gut erkannte, was ein junges Frauenzimmer, wohin das Schicksal sie auch führen mochte, bei einem glücklichen Äußern auch von innen heraus anmutig und ihre Gegenwart wünschenswert macht, hatte in diesem ländlichen Zustande so viele abwechselnde und bildende Unterhaltungen einzuleiten gewusst, dass Hilarie bei ihrer großen Jugend schon überall zu Hause schien, bei keinem Gespräch sich fremd erwies und doch dabei ihren Jahren völlig gemäß sich erzeigte. Wie dies geleistet werden konnte, zu entwickeln, würde zu weitläufig sein; genug, dieser Abend war auch ein Musterbild des bisherigen Lebens. Ein geistreiches Lesen, ein anmutiges Pianospiel, ein lieblicher Gesang zog sich durch die Stunden durch, zwar wie sonst gefällig und regelmäßig, aber doch mit mehr Bedeutung; man hatte einen Dritten im Sinne: Einen geliebten, verehrten Mann, dem man dieses und so manches andere zum freundlichsten Empfang vorübte. Es war ein bräutliches Gefühl, das nicht nur Hilarie mit den süßesten Empfindungen belebte; die Mutter mit feinem Sinn nahm ihren reinen Teil daran, und selbst Ananette, sonst nur klug und tätig, musste sich gewissen entfernten Hoffnungen hingeben, die ihr einen abwesenden Freund als zurückkehrend, als gegenwärtig vorspiegelten. Auf diese Weise hatten sich die Empfindungen aller drei, in ihrer Art liebenswürdigen Frauen mit der sie umgebenden Klarheit, mit einer wohltätigen Wärme, mit dem behaglichsten Zustand ins gleiche gestellt.

 
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