Byron’s Don Juan
Mir fehlt ein Held! – »Ein Held, er sollte fehlen,
Da Jahr und Monat neu vom neusten spricht?« –
Ein Zeitungsschreiber mag sich schmeichelnd quälen,
So sagt die Zeit: es sei der rechte nicht.
Von solchen mag ich wahrlich nichts erzählen,
Da nehm’ ich mir Freund Juan ins Gesicht;
Wir haben in der Oper ihn gesehen,
Früher als billig war, zum Teufel gehen.
Vernon, der Metzger Cumberland und Wolf so mit,
Auch Hawke, Prinz Ferdinand, Burgoyne auf’s Beste,
Keppel und Howe, sie hatten ihre Feste
Wie Wellesley jetzt – der Könige Schattenschritt
Vom Stamme Banco’s – Raben aus Einem Neste. –
Der Ruhm, die Lust zu herrschen reißt sie mit.
Dumouriez’s, Bonaparte’s Kampfgewinnsten,
Die Zeitung steht den Herren gleich zu Diensten.
Barnave kennt und Brissot die Geschichte,
Condorcet, Mirabeau und Pétion auch:
Clootz, Danton, Marat litten viel Gerüchte,
Selbst la Fayette, er ging beinahe in Rauch,
Dann Joubert, Hoche, vom Militär-Verpflichte,
Lannes, Desaix, Moreau. Es war der Brauch
Zu ihrer Zeit, an ihnen viel zu preisen;
Doch will das nichts für meine Lieder heißen.
Nelson war unser Kriegsgott, ohne Frage,
Und ist es noch dem herzlichsten Bekenntniß;
Doch von Trafalgar tönet kaum die Sage,
Und so ist Fluth und Ebbe wetterwendisch.
Denn die Armee ist popular zu Tage
Und mit dem Seevolk nicht im Einverständniß;
Der Prinz ist für den Landdienst, und indessen
Sind Duncan, Nelson, Howe, sie sind vergessen.
Vor Agamemnon lebten manche Braven,
So wie nachher, von Sinn und hoher Kraft;
Sie wirkten viel, sind unberühmt entschlafen,
Da kein Poet ihr Leben weiter schafft.
Von unsern Helden möcht’ ich Niemand strafen,
Da Jeder sich am Tag zusammenrafft;
Für mein Gedicht wüßt’ ich mir aber Keinen,
Und nenne so Don Juan mein, den Meinen.
Unschuld
Schönste Tugend einer Seele,
Reinster Quell der Zärtlichkeit!
Mehr als Byron, als Pamele,
Ideal und Seltenheit!
Wenn ein andres Feuer brennet,
Flieht dein zärtlich schwaches Licht;
Dich fühlt nur, wer dich nicht kennet,
Wer dich kennt, der fühlt dich nicht.
Göttin, in dem Paradiese
Lebtest du mit uns vereint;
Noch erscheinst du mancher Wiese
Morgens, eh die Sonne scheint.
Nur der sanfte Dichter siehet
Dich im Nebelkleide ziehn;
Phöbus kommt, der Nebel fliehet,
Und im Nebel bist du hin.
Antike
Homer ist lange mit Ehren genannt,
Jetzt ward auch Phidias bekannt;
Nun hält Nichts gegen Beide Stich,
Darob ereifre Niemand sich.
Seid willkommen, edle Gäste,
Jedem ächten deutschen Sinn;
Denn das Herrlichste, das Beste,
Bringt allein dem Geist Gewinn.
Gleich und Gleich
Ein Blumenglöckchen
Vom Boden hervor
War früh gesprosset
In lieblichem Flor;
Da kam ein Bienchen
Und naschte fein: –
Die müssen wohl beide
Für einander sein.
Sakontala
1791.
Willst du die Blüthen des frühen, die Früchte des späteren Jahres,
Willst du, was reizt und entzückt, willst du, was sättigt und nährt,
Willst du den Himmel, die Erde mit Einem Namen begreifen,
Nenn’ ich Sakontala dich, und so ist Alles gesagt.
Ritter Kurts Brautfahrt
Mit des Bräutigams Behagen
Schwingt sich Ritter Kurt aufs Roß,
Zu der Trauung soll’s ihn tragen
Auf der edlen Liebsten Schloß:
Als am öden Felsenorte
Drohend sich ein Gegner naht;
Ohne Zögern, ohne Worte
Schreiten sie zu rascher Tat.
Lange schwankt des Kampfes Welle,
Bis sich Kurt im Siege freut;
Er entfernt sich von der Stelle,
Überwinder und gebleut.
Aber was er bald gewahret
In des Busches Zitterschein!
Mit dem Säugling still gepaaret,
Schleicht ein Liebchen durch den Hain.
Und sie winkt ihn auf das Plätzchen:
Lieber Herr, nicht so geschwind!
Habt Ihr nichts an Euer Schätzchen,
Habt Ihr nichts für Euer Kind?
Ihn durchglühet süße Flamme,
Daß er nicht vorbei begehrt,
Und er findet nun die Amme,
Wie die Jungfrau, liebenswert.
Doch er hört die Diener blasen,
Denket nun der hohen Braut;
Und nun wird auf seinen Straßen
Jahresfest und Markt so laut,
Und er wählet in den Buden
Manches Pfand zu Lieb’ und Huld;
Aber ach! da kommen Juden
Mit dem Schein vertagter Schuld.
Und nun halten die Gerichte
Den behenden Ritter auf.
O verteufelte Geschichte!
Heldenhafter Lebenslauf!
Soll ich heute mich gedulden?
Die Verlegenheit ist groß.
Widersacher, Weiber, Schulden,
Ach! kein Ritter wird sie los.
Anakreon’s Grab
Wo die Rose hier blüht, wo Reben um Lorbeer sich schlingen,
Wo das Turtelchen lockt, wo sich das Grillchen ergötzt,
Welch ein Grab ist hier, das alle Götter mit Leben
Schön bepflanzt und geziert? Es ist Anakreon’s Ruh.
Frühling, Sommer und Herbst genoß der glückliche Dichter;
Vor dem Winter hat ihn endlich der Hügel geschützt.
Bundeslied
In allen guten Stunden,
Erhöht von Lieb und Wein,
Soll dieses Lied verbunden
Von uns gesungen sein!
Uns hält der Gott zusammen,
Der uns hierher gebracht.
Erneuert unsre Flammen,
Er hat sie angefacht.
So glühet fröhlich heute,
Seid recht von Herzen eins!
Auf, trinkt erneuter Freude
Dies Glas des echten Weins!
Auf, in der holden Stunde
Stoßt an und küsset treu,
Bei jedem neuen Bunde,
Die alten wieder neu!
Wer lebt in unserm Kreise,
Und lebt nicht selig drin?
Genießt die freie Weise
Und treuen Brudersinn!
So bleibt durch alle Zeiten
Herz Herzen zugekehrt;
Von keinen Kleinigkeiten
Wird unser Bund gestört.
Uns hat ein Gott gesegnet
Mit freiem Lebensblick,
Und alles, was begegnet,
Erneuert unser Glück.
Durch Grillen nicht gedränget,
Verknickt sich keine Lust;
Durch Zieren nicht geenget,
Schlägt freier unsre Brust.
Mit jedem Schritt wird weiter
Die rasche Lebensbahn,
Und heiter, immer heiter
Steigt unser Blick hinan.
Uns wird es nimmer bange,
Wenn alles steigt und fällt,
Und bleiben lange, lange!
Auf ewig so gesellt.
Ach, wie sehn ich mich nach dir
Ach, wie sehn ich mich nach dir,
Kleiner Engel! Nur im Traum,
Nur im Traum erscheine mir!
Ob ich da gleich viel erleide,
Bang um dich mit Geistern streite
Und erwachend atme kaum.
Ach, wie sehn ich mich nach dir,
Ach, wie teuer bist du mir,
Selbst in einem schweren Traum.
Fliegentod
Sie saugt mit Gier verrätrisches Getränke
Unabgesetzt, vom ersten Zug verführt;
Sie fühlt sich wohl, und längst sind die Gelenke
Der zarten Beinchen schon paralysiert,
Nicht mehr gewandt, die Flügelchen zu putzen,
Nicht mehr geschickt, das Köpfchen aufzustutzen –
Das Leben so sich im Genuß verliert.
Zum Stehen kaum wird noch das Füßchen taugen;
So schlürft sie fort, und mitten unterm Saugen
Umnebelt ihr der Tod die tausend Augen.
Tischlied
Mich ergreift, ich weiß nicht wie,
Himmlisches Behagen.
Will michs etwa gar hinauf
Zu den Sternen tragen?
Doch ich bleibe lieber hier,
Kann ich redlich sagen,
Beim Gesang und Glase Wein
Auf den Tisch zu schlagen.
Wundert euch, ihr Freunde nicht,
Wie ich mich gebärde;
Wirklich ist es allerliebst
Auf der lieben Erde:
Darum schwör ich feierlich
Und ohn alle Fährde,
Daß ich mich nicht freventlich
Wegbegeben werde.
Da wir aber allzumal
So beisammen weilen,
Dächt ich, klänge der Pokal
Zu des Dichters Zeilen.
Gute Freunde ziehen fort,
Wohl ein hundert Meilen,
Darum soll man hier am Ort
Anzustoßen eilen.
Lebe hoch, wer Leben schafft!
Das ist meine Lehre.
Unser König denn voran,
Ihm gebührt die Ehre.
Gegen inn- und äußern Feind
Setzt er sich zur Wehre;
Ans Erhalten denkt er zwar,
Mehr noch, wie er mehre.
Nun begrüß ich sie sogleich,
Sie, die einzig Eine.
Jeder denke ritterlich
Sich dabei die Seine.
Merket auch ein schönes Kind,
Wen ich eben meine,
Nun, so nicke sie mir zu:
Leb auch so der Meine!
Freunden gilt das dritte Glas,
Zweien oder dreien,
Die mit uns am guten Tag
Sich im stillen freuen
Und der Nebel trübe Nacht
Leis und leicht zerstreuen;
Diesen sei ein Hoch gebracht,
Alten oder neuen.
Breiter wallet nun der Strom,
Mit vermehrten Wellen.
Leben jetzt im hohen Ton
Redliche Gesellen!
Die sich mit gedrängter Kraft
Brav zusammen stellen
In des Glückes Sonnenschein
Und in schlimmen Fällen.
Wie wir nun zusammen sind,
Sind zusammen viele.
Wohl gelingen denn, wie uns,
Andern ihre Spiele!
Von der Quelle bis ans Meer
Mahlet manche Mühle,
Und das Wohl der ganzen Welt
Ists, worauf ich ziele.
Séance
Hier ist’s, wo unter eignem Namen
Die Buchstaben sonst zusammen kamen.
Mit Scharlachkleidern angethan,
Saßen die Selbstlauter oben an:
A, E, I, O und U dabei,
Machten gar ein seltsam Geschrei.
Die Mitlauter kamen mit steifen Schritten,
Mußten erst um Erlaubniß bitten:
Präsident A war ihnen geneigt;
Da wurd’ ihnen denn der Platz gezeigt;
Andre aber die mußten stehn,
Als Pe-Ha und Te-Ha und solches Getön.
Dann gab’s ein Gerede, man weiß nicht wie;
Das nennt man eine Akademie.
Demut
Seh ich die Werke der Meister an,
So seh ich das, was sie getan;
Betracht ich meine Siebensachen,
Seh ich, was ich hätt sollen machen.
An Charlotte von Stein
Warum gabst du uns die tiefen Blicke,
Unsre Zukunft ahndungsvoll zu schaun,
Unsrer Liebe, unserm Erdenglücke
Wähnend selig nimmer hinzutraun?
Warum gabst uns, Schicksal, die Gefühle,
Uns einander in das Herz zu sehn,
Um durch all die seltenen Gewühle
Unser wahr Verhältnis auszuspähn?
Ach, so viele tausend Menschen kennen,
Dumpf sich treibend, kaum ihr eigen Herz,
Schweben zwecklos hin und her und rennen
Hoffnungslos in unversehrten Schmerz;
Jauchzen wieder, wenn der schnellen Freuden
Unerwart’te Morgenröte tagt.
Nur uns armen Liebevollen beiden
Ist das wechselseitge Glück versagt,
Uns zu lieben, ohn uns zu verstehen,
In dem andern sehn, was er nie war,
Immer frisch auf Traumglück auszugehen
Und zu schwanken auch in Traumgefahr.
Glücklich, den ein leerer Traum beschäftigt!
Glücklich, dem die Ahndung eitel wär!
Jede Gegenwart und jeder Blick bekräftigt
Traum und Ahndung leider uns noch mehr.
Sag, was will das Schicksal uns bereiten?
Sag, wie band es uns so rein genau?
Ach, du warst in abgelebten Zeiten
Meine Schwester oder meine Frau.
Kanntest jeden Zug in meinem Wesen,
Spähtest, wie die reinste Nerve klingt,
Konntest mich mit Einem Blicke lesen,
Den so schwer ein sterblich Aug durchdringt;
Tropftest Mäßigung dem heißen Blute,
Richtetest den wilden irren Lauf,
Und in deinen Engelsarmen ruhte
Die zerstörte Brust sich wieder auf;
Hieltest zauberleicht ihn angebunden
Und vergaukeltest ihm manchen Tag.
Welche Seligkeit glich jenen Wonnestunden,
Da er dankbar dir zu Füßen lag,
Fühlt’ sein Herz an deinem Herzen schwellen,
Fühlte sich in deinem Auge gut,
Alle seine Sinnen sich erhellen
Und beruhigen sein brausend Blut!
Und von allem dem schwebt ein Erinnern
Nur noch um das ungewisse Herz,
Fühlt die alte Wahrheit ewig gleich im Innern,
Und der neue Zustand wird ihm Schmerz.
Und wir scheinen uns nur halb beseelet,
Dämmernd ist um uns der hellste Tag.
Glücklich, daß das Schicksal, das uns quälet,
Uns doch nicht verändern mag!
Auf dem See
Und frische Nahrung, neues Blut
Saug ich aus freier Welt;
Wie ist Natur so hold und gut,
Die mich am Busen hält!
Die Welle wieget unsern Kahn
Im Rudertakt hinauf,
Und Berge, wolkig himmelan,
Begegnen unserm Lauf.
Aug, mein Aug, was sinkst du nieder?
Goldne Träume, kommt ihr wieder?
Weg, du Traum! so gold du bist;
Hier auch Lieb und Leben ist.
Auf der Welle blinken
Tausend schwebende Sterne,
Weiche Nebel trinken
Rings die türmende Ferne;
Morgenwind umflügelt
Die beschattete Bucht,
Und im See bespiegelt
Sich die reifende Frucht.
Einsamkeit
Die ihr Felsen und Bäume bewohnt, o heilsame Nymphen,
Gebet Jeglichem gern, was er im Stillen begehrt!
Schaffet dem Traurigen Trost, dem Zweifelhaften Belehrung,
Und dem Liebenden gönnt, daß ihm begegne sein Glück!
Denn euch gaben die Götter, was sie den Menschen versagten,
Jeglichem, der euch vertraut, tröstlich und hülflich zu sein.
Celebrität
Auf großen und auf kleinen Brucken
Stehn vielgestaltete Nepomucken
Von Erz, von Holz, gemalt, von Stein,
Colossisch hoch und puppisch klein.
Jeder hat seine Andacht davor,
Weil Nepomuck auf der Brucken das Leben verlor.
Ist Einer nun mit Kopf und Ohren
Einmal zum Heiligen auserkoren,
Oder hat er unter Henkershänden
Erbärmlich müssen das Leben enden:
So ist er zur Qualität gelangt,
Daß er gar weit im Bilde prangt.
Kupferstich, Holzschnitt thun sich eilen,
Ihn allen Welten mitzuteilen;
Und jede Gestalt wird wohl empfangen,
Thut sie mit seinem Namen prangen:
Wie es denn auch dem Herren Christ
Nicht ein Haar besser geworden ist.
Merkwürdig für die Menschenkinder,
Halb Heiliger, halb armer Sünder,
Sehn wir Herrn Werther auch allda
Prangen in Holzschnittsgloria.
Das zeugt erst recht von seinem Werthe,
Daß mit erbärmlicher Geberde
Er wird auf jedem Jahrmarkt prangen,
Wird in Wirthsstuben aufgehangen.
Jeder kann mit dem Stocke zeigen:
»Gleich wird die Kugel das Hirn erreichen!«
Und jeder spricht bei Bier und Brod:
»Gott sei’s gedankt: nicht wir sind todt!«
Chinesisch-Deutsche Jahres- und Tageszeiten
I.
Sag’, was könnt’ uns Mandarinen,
Statt zu herrschen, müd zu dienen,
Sag’, was könnt’ uns übrig bleiben,
Als in solchen Frühlingstagen
Uns des Nordens zu entschlagen
Und am Wasser und im Grünen
Fröhlich trinken, geistig schreiben,
Schal’ auf Schale, Zug in Zügen?
II.
Weiß wie Lilien, reine Kerzen,
Sternen gleich, bescheidner Beugung,
Leuchtet aus dem Mittelherzen
Roth gesäumt die Gluth der Neigung.
So frühzeitige Narcissen
Blühen reihenweis’ im Garten.
Mögen wohl die Guten wissen,
Wen sie so spaliert erwarten.
III.
Ziehn die Schafe von der Wiese,
Liegt sie da, ein reines Grün;
Aber bald zum Paradiese
Wird sie bunt geblümt erblühn.
Hoffnung breitet leichte Schleier
Nebelhaft vor unsern Blick:
Wunscherfüllung, Sonnenfeier,
Wolkentheilung bring’ uns Glück!
IV.
Der Pfau schreit häßlich, aber sein Geschrei
Erinnert mich an’s himmlische Gefieder,
So ist mir auch sein Schreien nicht zuwider.
Mit Indischen Gänsen ist’s nicht gleicherlei,
Sie zu erdulden ist unmöglich:
Die Häßlichen, sie schreien unerträglich.
V.
Entwickle deiner Lüste Glanz
Der Abendsonne goldnen Strahlen,
Laß deines Schweifes Rad und Kranz
Kühnäugelnd ihr entgegen prahlen.
Sie forscht, wo es im Grünen blüht,
Im Garten überwölbt vom Blauen;
Ein Liebespaar, wo sie’s ersieht,
Glaubt sie das Herrlichste zu schauen.
VI.
Der Kuckuk wie die Nachtigall
Sie möchten den Frühling fesseln,
Doch drängt der Sommer schon überall
Mit Disteln und mit Nesseln;
Auch mir hat er das leichte Laub
An jenem Baum verdichtet,
Durch das ich sonst zu schönstem Raub
Den Liebesblick gerichtet;
Verdeckt ist mir das bunte Dach,
Die Gitter und die Pfosten;
Wohin mein Auge spähend brach,
Dort ewig bleibt mein Osten.
VII.
War schöner als der schönste Tag,
Drum muß man mir verzeihen,
Daß ich Sie nicht vergessen mag,
Am wenigsten im Freien.
Im Garten war’s, Sie kam heran,
Mir ihre Gunst zu zeigen;
Das fühl’ ich noch und denke dran,
Und bleib’ ihr ganz zu eigen.
VIII.
Dämmrung senkte sich von oben,
Schon ist alle Nähe fern;
Doch zuerst emporgehoben
Holden Lichts der Abendstern!
Alles schwankt in’s Ungewisse,
Nebel schleichen in die Höh’;
Schwarzvertiefte Finsternisse
Widerspiegelnd ruht der See.
Nun am östlichen Bereiche
Ahn’ ich Mondenglanz und Gluth.
Schlanker Weiden Haargezweige
Scherzen auf der nächsten Fluth.
Durch bewegter Schatten Spiele
Zittert Luna’s Zauberschein,
Und durchs Auge schleicht die Kühle
Sänftigend in’s Herz hinein.
IX.
Nun weiß man erst, was Rosenknospe sei,
Jetzt, da die Rosenzeit vorbei;
Ein Spätling noch am Stocke glänzt
Und ganz allein die Blumenwelt ergänzt.
X.
Als Allerschönste bist du anerkannt,
Bist Königin des Blumenreichs genannt;
Unwidersprechlich allgemeines Zeugniß,
Streitsucht verbannend, wundersam Ereigniß!
Du bist es also, bist kein bloßer Schein,
In dir trifft Schau’n und Glauben überein;
Doch Forschung strebt und ringt, ermüdend nie,
Nach dem Gesetz, dem Grund, Warum und Wie.
XI.
Mich ängstigt das Verfängliche
Im widrigen Geschwätz,
Wo nichts verharret, alles flieht,
Wo schon verschwunden, was man sieht;
Und mich umfängt das bängliche,
Das graugestrickte Netz.
»Getrost! Das Unvergängliche,
Es ist das ewige Gesetz,
Wonach die Ros’ und Lilie blüht«.
XII.
Hingesunken alten Träumen,
Buhlst mit Rosen, sprichst mit Bäumen,
Statt der Mädchen, statt der Weisen;
Können das nicht löblich preisen.
Kommen deßhalb die Gesellen,
Sich zur Seite dir zu stellen,
Finden, dir und uns zu dienen,
Pinsel, Farbe, Wein im Grünen.
XIII.
Die stille Freude wollt ihr stören?
Laßt mich bei meinem Becher Wein;
Mit Andern kann man sich belehren,
Begeistert wird man nur allein.
XIV.
»Nun denn! Eh’ wir von hinnen eilen,
Hast noch was Kluges mitzutheilen?«
Sehnsucht in’s Ferne, Künftige zu beschwichtigen,
Beschäftige dich hier und heut im Tüchtigen.
Erkanntes Glück
Was bedächtlich Natur sonst unter Viele vertheilet,
Gab sie mit reichlicher Hand Alles der Einzigen, ihr.
Und die so herrlich Begabte, von Vielen so innig Verehrte,
Gab ein liebend Geschick freundlich dem Glücklichen, mir.
Epiphanias-Fest
Die heilgen drei König’ mit ihrem Stern,
Sie essen, sie trinken, und bezahlen nicht gern;
Sie essen gern, sie trinken gern,
Sie essen, trinken, und bezahlen nicht gern.
Die heilgen drei König’, sie kommen allhier,
Es sind ihrer drei und sind nicht ihrer vier;
Und wenn zu dreien der vierte wär,
So wär ein heilger drei König mehr.
Ich erster bin der weiß und auch der schön,
Bei Tage solltet ihr erst mich sehn!
Doch ach, mit allen Spezerein
Werd ich sein Tag kein Mädchen mir erfrein.
Ich aber bin der braun und bin der lang,
Bekannt bei Weibern wohl und bei Gesang.
Ich bringe Gold statt Spezerein,
Da werd ich überall willkommen sein.
Ich endlich bin der schwarz und bin der klein,
Und mag euch wohl einmal recht lustig sein.
Ich esse gern, ich trinke gern,
Ich esse, trinke und bedanke mich gern.
Die heilgen drei König’ sind wohlgesinnt,
Sie suchen die Mutter und das Kind;
Der Joseph fromm sitzt auch dabei,
Der Ochs und Esel liegen auf der Streu.
Wir bringen Myrrhen, wir bringen Gold,
Dem Weihrauch sind die Damen hold;
Und haben wir Wein von gutem Gewächs,
So trinken wir drei so gut als ihrer sechs.
Da wir nun hier schöne Herrn und Fraun,
Aber keine Ochsen und Esel schaun,
So sind wir nicht am rechten Ort
Und ziehen unseres Weges weiter fort.
Ungleiche Heirat
Selbst ein so himmlisches Paar fand nach der Verbindung sich ungleich:
Psyche ward älter und klug, Amor ist immer noch Kind.
Pfaffenspiel
In einer Stadt, wo Parität
Noch in der alten Ordnung steht,
Da, wo sich nämlich Katholiken
Und Protestanten in einander schicken,
Und, wie’s von Vätern war erprobt,
Jeder Gott auf seine Weise lobt;
Da lebten wir Kinder Lutheraner
Von etwas Predigt und Gesang,
Waren aber dem Kling und Klang
Der Katholiken nur zugethaner:
Denn Alles war doch gar zu schön,
Bunter und lustiger anzusehn.
Dieweil nun Affe, Mensch und Kind
Zur Nachahmung geboren sind,
Erfanden wir, die Zeit zu kürzen,
Ein auserlesenes Pfaffenspiel:
Zum Chorrock, der uns wohlgefiel,
Gaben die Schwestern ihre Schürzen;
Handtücher mit Wirkwerk schön verziert,
Wurden zur Stola travestirt;
Die Mütze mußte den Bischof zieren,
Von Goldpapier mit vielen Thieren.
So zogen wir nun im Ornat
Durch Haus und Garten früh und spat,
Und wiederholten ohne Schonen
Die sämmtlichen heiligen Functionen;
Doch fehlte noch das beste Stück.
Wir wußten wohl, ein prächtig Läuten
Habe hier am Meisten zu bedeuten,
Und nun begünstigt uns das Glück;
Denn auf dem Boden hing ein Strick.
Wir sind entzückt, und wie wir diesen
Zum Glockenstrang sogleich erkiesen,
Ruht er nicht einen Augenblick;
Denn wechselnd eilten wir Geschwister,
Einer ward um den Andern Küster,
Ein Jedes drängte sich hinzu.
Das ging nun allerliebst von statten,
Und weil wir keine Glocken hatten,
So sangen wir Bum Baum dazu.
Vergessen, wie die ältste Sage,
War der unschuld’ge Kinderscherz;
Doch grade diese letzten Tage
Fiel er mit einmal mir auf’s Herz:
Da sind sie ja, nach allen Stücken,
Die neupoetischen Katholiken!
Schwebender Genius über der Erdkugel
mit der einen Hand nach unten,
mit der andern nach oben deutend
Zwischen oben, zwischen unten
Schweb ich hin zu muntrer Schau,
Ich ergötze mich am Bunten,
Ich erquicke mich im Blau.
Und wenn mich am Tag die Ferne
Luftiger Berge sehnlich zieht,
Nachts das Übermaß der Sterne
Prächtig mir zu Häupten glüht –
Alle Tag und alle Nächte
Rühm ich so des Menschen Los;
Denkt er ewig sich ins Rechte,
Ist er ewig schön und groß.
Am Flusse
Wenn du am breiten Flusse wohnst,
Seicht stockt er manchmal auch vorbei;
Dann, wenn du deine Wiesen schonst,
Herüber schlemmt er, es ist ein Brei.
Am klaren Tag hinab die Schiffe,
Der Fischer weislich streicht hinan;
Nun starret Eis am Kies und Riffe,
Das Knabenvolk ist Herr der Bahn.
Das mußt du sehn und unterweilen
Doch immer, was du willst, vollziehn!
Nicht stocken darfst du, vor nicht eilen;
Die Zeit sie geht gemessen hin.
Spruch, Widerspruch
Ihr müßt mich nicht durch Widerspruch verwirren!
Sobald man spricht, beginnt man schon zu irren.
Seefahrt
Lange Tag’ und Nächte stand mein Schiff befrachtet;
Günstger Winde harrend, saß mit treuen Freunden,
Mir Geduld und guten Mut erzechend,
Ich im Hafen.
Und sie waren doppelt ungeduldig:
Gerne gönnen wir die schnellste Reise,
Gern die hohe Fahrt dir; Güterfülle
Wartet drüben in den Welten deiner,
Wird Rückkehrendem in unsern Armen
Lieb und Preis dir.
Und am frühen Morgen wards Getümmel,
Und dem Schlaf entjauchzt uns der Matrose,
Alles wimmelt, alles lebet, webet,
Mit dem ersten Segenshauch zu schiffen.
Und die Segel blühen in dem Hauche,
Und die Sonne lockt mit Feuerliebe;
Ziehn die Segel, ziehn die hohen Wolken,
Jauchzen an dem Ufer alle Freunde
Hoffnungslieder nach, im Freudetaumel
Reisefreuden wähnend, wie des Einschiffmorgens,
Wie der ersten hohen Sternennächte.
Aber gottgesandte Wechselwinde treiben
Seitwärts ihn der vorgesteckten Fahrt ab,
Und er scheint sich ihnen hinzugeben,
Strebet leise sie zu überlisten,
Treu dem Zweck auch auf dem schiefen Wege.
Aber aus der dumpfen grauen Ferne
Kündet leise-wandelnd sich der Sturm an,
Drückt die Vögel nieder aufs Gewässer,
Drückt der Menschen schwellend Herz darnieder;
Und er kommt. Vor seinem starren Wüten
Streckt der Schiffer klug die Segel nieder,
Mit dem angsterfüllten Balle spielen
Wind und Wellen.
Und an jenem Ufer drüben stehen
Freund’ und Lieben, beben auf dem Festen:
Ach, warum ist er nicht hier geblieben!
Ach, der Sturm! Verschlagen weg vom Glücke!
Soll der Gute so zugrunde gehen?
Ach, er sollte, ach, er könnte! Götter!
Doch er stehet männlich an dem Steuer:
Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen,
Wind und Wellen nicht mit seinem Herzen.
Herrschend blickt er auf die grimme Tiefe
Und vertrauet, scheiternd oder landend,
Seinen Göttern.
An Charlotte von Stein
Gewiß, ich wäre schon so ferne, ferne,
So weit die Welt nur offen liegt, gegangen,
Bezwängen mich nicht übermächtge Sterne,
Die mein Geschick an deines angehangen,
Daß ich in dir nur erst mich kennen lerne.
Mein Dichten, Trachten, Hoffen und Verlangen
Allein nach dir und deinem Wesen drängt,
Mein Leben nur an deinem Leben hängt.
Wandrer und Pächterin
Er.
Kannst du, schöne Pächt’rin ohne Gleichen,
Unter dieser breiten Schattenlinde,
Wo ich Wandrer kurze Ruhe finde,
Labung mir für Durst und Hunger reichen?
Sie.
Willst du, Vielgereis’ter, hier dich laben:
Sauren Rahm und Brod und reife Früchte,
Nur die ganz natürlichsten Gerichte,
Kannst du reichlich an der Quelle haben.
Er.
Ist mir doch, ich müßte schon dich kennen,
Unvergeßne Zierde holder Stunden!
Aehnlichkeiten hab’ ich oft gefunden;
Diese muß ich doch ein Wunder nennen.
Sie.
Ohne Wunder findet sich bei Wandrern
Oft ein sehr erklärliches Erstaunen.
Ja, die Blonde gleichet oft der Braunen;
Eine reizet eben wie die Andern.
Er.
Heute nicht, fürwahr, zum erstenmale
Hat mir’s diese Bildung abgewonnen!
Damals war sie Sonne aller Sonnen
In dem festlich aufgeschmückten Saale.
Sie.
Freut es dich, so kann es wohl geschehen,
Daß man deinen Mährchenscherz vollende:
Purpurseide floß von ihrer Lende,
Da du sie zum erstenmal gesehen.
Er.
Nein, fürwahr, das hast du nicht gedichtet!
Konnten Geister dir es offenbaren?
Von Juwelen hast du auch erfahren
Und von Perlen, die ihr Blick vernichtet.
Sie.
Dieses Eine ward mir wohl vertrauet:
Daß die Schöne, schamhaft zu gestehen,
Und in Hoffnung, wieder dich zu sehen,
Manche Schlösser in die Luft erbauet.
Er.
Trieben mich umher doch alle Winde!
Sucht’ ich Ehr’ und Geld auf jede Weise!
Doch gesegnet, wenn am Schluß der Reise
Ich das edle Bildniß wieder finde!
Sie.
Nicht ein Bildniß, wirklich siehst du jene
Hohe Tochter des verdrängten Blutes;
Nun im Pachte des verlaßnen Gutes
Mit dem Bruder freuet sich Helene.
Er.
Aber diese herrlichen Gefilde,
Kann sie der Besitzer selbst vermeiden?
Reiche Felder, breite Wies’ und Weiden,
Mächt’ge Quellen, süße Himmelsmilde.
Sie.
Ist er doch in alle Welt entlaufen!
Wir Geschwister haben viel erworben;
Wenn der Gute, wie man sagt, gestorben,
Wollen wir das Hinterlaßne kaufen.
Er.
Wohl zu kaufen ist es, meine Schöne!
Vom Besitzer hört’ ich die Bedinge;
Doch der Preis ist keineswegs geringe,
Denn das letzte Wort, es ist: Helene!
Sie.
Konnt’ uns Glück und Höhe nicht vereinen!
Hat die Liebe diesen Weg genommen?
Doch ich seh’ den wackren Bruder kommen;
Wenn er’s hören wird, was kann er meinen?
Marianne von Willemer
Erinnr ich mich doch spät und früh
Des lieblichsten Gesichts,
Sie denkt an mich, ich denk an sie,
Und beiden hilft es nichts.
Allerdings
Dem Physiker.
»In’s Innre der Natur –«
O du Philister! –
»Dringt kein erschaffner Geist.«
Mich und Geschwister
Mögt ihr an solches Wort
Nur nicht erinnern!
Wir denken: Ort für Ort
Sind wir im Innern.
»Glückselig! wem sie nur
Die äußre Schale weis’t!«
Das hör’ ich sechzig Jahre wiederholen.
Ich fluche drauf, aber verstohlen;
Sage mir tausend, tausendmale:
Alles giebt sie reichlich und gern;
Natur hat weder Kern
Noch Schale,
Alles ist sie mit einemmale;
Dich prüfe du nur allermeist,
Ob du Kern oder Schale seist!
Die Lehrer
Als Diogenes still in seiner Tonne sich sonnte,
Und Calanus mit Lust stieg in das flammende Grab,
Welche herrliche Lehre dem raschen Sohn des Philippus,
Wäre der Herrscher der Welt nicht auch der Lehre zu groß!
Spruchweisheit
Das Unser Vater, ein schön Gebet,
Es dient und hilft in allen Nöten;
Wenn einer auch Vater Unser fleht,
In Gottes Namen, laß ihn beten.
Was wär ein Gott, der nur von außen stieße,
Im Kreis das All am Finger laufen ließe!
Ihm ziemts, die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in sich, sich in Natur zu hegen,
So daß, was in Ihm lebt und webt und ist,
Nie Seine Kraft, nie Seinen Geist vermißt.
Im Innern ist ein Universum auch;
Daher der Völker löblicher Gebrauch,
Daß jeglicher das Beste, was er kennt,
Er Gott, ja seinen Gott benennt,
Ihm Himmel und Erden übergibt,
Ihn fürchtet, und womöglich liebt.
Willst du ins Unendliche streiten,
Geh nur im Endlichen nach allen Seiten.
Die endliche Ruhe wird nur verspürt,
Sobald der Pol den Pol berührt.
Drum danket Gott, ihr Söhne der Zeit,
Daß er die Pole ewig entzweit.
Magnetes Geheimnis, erkläre mir das!
Kein größer Geheimnis als Lieb und Haß.
Sind Könige je zusammengekommen,
So hat man immer nur Unheil vernommen.
Dagegen die Bauern in der Schenke
Prügeln sich gleich mit den Beinen der Bänke.
Ein Kranz ist gar viel leichter binden,
Als ihm ein würdig Haupt zu finden.
Zwischen heut und morgen
Liegt eine lange Frist;
Lerne schnell besorgen,
Da du noch munter bist.
Tu nur das Rechte in deinen Sachen;
Das andre wird sich von selber machen.
Wer sich nicht nach der Decke streckt,
Dem bleiben die Füße unbedeckt.
Welche Frau hat einen guten Mann,
Der sieht mans am Gesicht wohl an.
Ein braver Mann! ich kenn ihn ganz genau:
Erst prügelt er, dann kämmt er seine Frau.
Du trägst sehr leicht, wenn du nichts hast;
Aber Reichtum ist eine leichtere Last.
Alles in der Welt läßt sich ertragen,
Nur nicht eine Reihe von schönen Tagen.
Ja! Wer eure Verehrung nicht kennte:
Euch, nicht ihm, baut ihr Monumente.
Laß Neid und Mißgunst sich verzehren,
Das Gute werden sie nicht wehren.
Denn, Gott sei Dank! es ist ein alter Brauch:
Soweit die Sonne scheint, soweit erwärmt sie auch.
Sie sagen: Das mutet mich nicht an!
Und meinen, sie hättens abgetan.
In meinem Revier
Sind Gelehrte gewesen;
Außer ihrem eignen Brevier
Konnten sie keines lesen.
Laß nur die Sorge sein,
Das gibt sich alles schon;
Und fällt der Himmel ein,
Kommt doch eine Lerche davon.
Willst du nichts Unnützes kaufen,
Mußt du nicht auf den Jahrmarkt laufen.
»Nein! heut ist mir das Glück erbost!« –
Du, sattle gut und reite getrost!
Der Mensch erfährt, er sei auch wer er mag,
Ein letztes Glück und einen letzten Tag.
Wo Anmaßung mir wohlgefällt?
An Kindern: denen gehört die Welt.
Kein tolleres Versehn kann sein,
Gibst einem ein Fest und lädst ihn nicht ein.
Da siehst du nun, wie’s einem geht,
Weil sich der Beste von selbst versteht.
Efeu und ein zärtlich Gemüt
Heftet sich an und grünt und blüht.
Kann es weder Stamm noch Mauer finden,
Es muß verdorren, es muß verschwinden.
Zierlich Denken und süß Erinnern
Ist das Leben im tiefsten Innern.
Genieße, was der Schmerz dir hinterließ!
Ist Not vorüber, sind die Nöte süß.
Warum uns Gott so wohlgefällt?
Weil er sich uns nie in den Weg stellt.
Eigenheiten, die werden schon haften;
Kultiviere deine Eigenschaften.
Magst du einmal mich hintergehen,
Merk ichs, so laß ichs wohl geschehen;
Gestehst du mirs aber ins Gesicht,
In meinem Leben verzeih ichs nicht.
Hat man das Gute dir erwidert?
Mein Pfeil flog ab, sehr schön befiedert;
Der ganze Himmel stand ihm offen,
Er hat wohl irgendwo getroffen.
Die Welt ist nicht aus Brei und Mus geschaffen,
Deswegen haltet euch nicht wie Schlaraffen;
Harte Bissen gibt es zu kauen:
Wir müssen erwürgen oder sie verdauen.
Herzog Leopold von Braunschweig
1785.
Dich ergriff mit Gewalt der alte Herrscher des Flusses,
Hält dich und theilet mit dir ewig sein strömendes Reich.
Ruhig schlummerst du nun beim stilleren Rauschen der Urne,
Bis dich stürmende Fluth wieder zu Thaten erweckt;
Hülfreich werde dem Volke! so wie du ein Sterblicher wolltest,
Und vollend’ als ein Gott, was dir als Menschen mißlang.
Harzreise im Winter
Dem Geier gleich,
Der auf schweren Morgenwolken
Mit sanftem Fittich ruhend
Nach Beute schaut,
Schwebe mein Lied.
Denn ein Gott hat
Jedem seine Bahn
Vorgezeichnet,
Die der Glückliche
Rasch zum freudigen
Ziele rennt:
Wem aber Unglück
Das Herz zusammenzog,
Er sträubt vergebens
Sich gegen die Schranken
Des ehernen Fadens,
Den die doch bittre Schere
Nur einmal löst.
In Dickichts-Schauer
Drängt sich das rauhe Wild,
Und mit den Sperlingen
Haben längst die Reichen
In ihre Sümpfe sich gesenkt.
Leicht ists folgen dem Wagen,
Den Fortuna führt,
Wie der gemächliche Troß
Auf gebesserten Wegen
Hinter des Fürsten Einzug.
Aber abseits wer ists?
Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad,
Hinter ihm schlagen
Die Sträuche zusammen,
Das Gras steht wieder auf,
Die Öde verschlingt ihn.
Ach, wer heilet die Schmerzen
Deß, dem Balsam zu Gift ward?
Der sich Menschenhaß
Aus der Fülle der Liebe trank?
Erst verachtet, nun ein Verächter,
Zehrt er heimlich auf
Seinen eignen Wert
In ungnügender Selbstsucht.
Ist auf deinem Psalter,
Vater der Liebe, ein Ton
Seinem Ohre vernehmlich,
So erquicke sein Herz!
Offne den umwölkten Blick
Über die tausend Quellen
Neben dem Durstenden
In der Wüste.
Der du der Freuden viel schaffst,
Jedem ein überfließend Maß,
Segne die Brüder der Jagd –
Auf der Fährte des Wilds
Mit jugendlichem Übermut
Fröhlicher Mordsucht,
Späte Rächer des Unbills,
Dem schon Jahre vergeblich
Wehrt mit Knütteln der Bauer.
Aber den Einsamen hüll
In deine Goldwolken!
Umgib mit Wintergrün,
Bis die Rose wieder heranreift,
Die feuchten Haare,
O Liebe, deines Dichters!
Mit der dämmernden Fackel
Leuchtest du ihm
Durch die Furten bei Nacht,
Über grundlose Wege
Auf öden Gefilden;
Mit dem tausendfarbigen Morgen
Lachst du ins Herz ihm;
Mit dem beizenden Sturm
Trägst du ihn hoch empor;
Winterströme stürzen vom Felsen
In seine Psalmen,
Und Altar des lieblichsten Danks
Wird ihm des gefürchteten Gipfels
Schneebehangener Scheitel,
Den mit Geisterreihen
Kränzten ahnende Völker.
Du stehst mit unerforschtem Busen
Geheimnisvoll offenbar
Über der erstaunten Welt
Und schaust aus Wolken
Auf ihre Reiche und Herrlichkeit,
Die du aus den Adern deiner Brüder
Neben dir wässerst.
An Mademoiselle Oeser zu Leipzig
Mamsell,
So launisch wie ein Kind, das zahnt,
Bald schüchtern wie ein Kaufmann, den man mahnt,
Bald still wie ein Hypochondrist
Und sittig wie ein Mennonist,
Und folgsam wie ein gutes Lamm,
Bald lustig wie ein Bräutigam,
Leb ich und bin halb krank und halb gesund,
Am ganzen Leibe wohl, nur in dem Halse wund;
Sehr mißvergnügt, daß meine Lunge
Nicht so viel Atem reicht, als meine Zunge
Zu manchen Zeiten braucht, wenn sie mit Stolz erzählt,
Was ich bei euch gehabt, und was mir jetzt hier fehlt.
Da sucht man nun mit Macht mir neues Leben
Und neuen Mut und neue Kraft zu geben;
Drum reichet mir mein Doktor Medicinä
Extrakte aus der Cortex Chinä,
Die junger Herren erschlaffte Nerven
An Auge, Fuß und Hand
Aufs neue stärken, den Verstand
Und das Gedächtnis schärfen.
Besonders ist er drauf bedacht,
Durch Ordnung wieder einzubringen,
Was Unordnung so schlimm gemacht,
Und heißt mich meinen Willen zwingen.
»Bei Tag, und sonderlich bei Nacht,
Nur an nichts Reizendes gedacht!«
Welch ein Befehl für einen Zeichnergeist,
Den jeder Reiz bis zum Entzücken reißt!
Des Bouchers Mädchen nimmt er mir
Aus meiner Stube, hängt dafür
Mir eine abgelebte Frau,
Mit riesigem Gesicht, mit halbzerbrochnem Zahne,
Vom fleißig kalten Gerhard Dow
An meine Wand; langweilige Tiscane
Setzt er mir statt des Weins dazu.
O sage du,
Kann man was Traurigers erfahren?
Am Körper alt und jung an Jahren,
Halb siech und halb gesund zu sein?
Das gibt so melancholsche Laune,
Und ihre Pein
Würd ich nicht los, und hätt ich sechs Alraune.
Was nützte mir der ganzen Erde Geld?
Kein kranker Mensch genießt die Welt.
Und dennoch wollt ich gar nicht klagen,
Denn ich bin schon im Leiden sehr geübt,
Hätt ich nur das, was uns, die Plagen,
Die Last der Krankheit zu ertragen,
Mehr Kraft als selbst die Tugend gibt,
Verkürzung grauer Regenstunden,
Balsamsches Pflaster aller Wunden:
Gesellschaftsgeister, die man liebt.
Zwar hab ich hier an meiner Seite
Beständig rechte gute Leute,
Die mit mir leiden, wenn ich leide;
Sie sorgen mir für manche Freude,
Es fehlt mir nur an mir, um redet beglückt zu sein.
Und dennoch kenn ich niemand, der die Pein
Des Schmerzes so behende stillt, die Ruh
Mit Einem Blick der Seele schenkt, wie du.
Ich kam zu dir, ein Toter aus dem Grabe,
Den bald ein zweiter Tod zum zweitenmal begräbt;
Und wem er nur einmal recht nah ums Haupt geschwebt,
Der bebt
Bei der Erinnerung gewiß, solang er lebt.
Ich weiß, wie ich gezittert habe;
Doch machtest du mit deiner süßen Gabe
Ein Blumenbeet mir aus dem Grabe,
Erzähltest mir, wie schön, wie kummerfrei,
Wie gut, wie süß dein selig Leben sei,
Mit einem Ton von solcher Schmeichelei,
Daß ich, was mir das Elend jemals raubte,
Weil du’s besaßst, selbst zu besitzen glaubte.
Zufrieden reist ich fort und, was noch mehr ist, froh,
Und ganz war meine Reise so.
Ich kam hierher und fand das Frauenzimmer
Ein bißchen – ja, man sagt’s nicht gern – wie immer;
Gnug, bis hierher hat keine mich gerührt,
Zwar sag ich nicht, was einst Herr Schübler
Von Hamburgs Schönen prädiziert,
Doch bin ich auch ein starker Grübler,
Seitdem ihr Mädchen mich verführt,
Die ich wohl schwerlich je vergesse;
Und da begreifst du wohl, daß jede leicht verliert,
Die ich nach eurem Maßstab messe.
Du lieber Gott! an Munterkeit ist hie,
An Einsicht und an Witz dir keine einzge gleich,
Und deiner Stimme Harmonie,
Wie käme die heraus ins Reich.
So ein Gespräch, wie unsres war, im Garten,
Und in der Loge noch, mit diesem seltnen Zug
So aufgeweckt und doch so klug,
Ja, darauf kann ich warten.
Bin ich bei Mädchen launisch froh,
So sehn sie sittenrichtrisch sträflich;
Da heißt’s: der Herr ist wohl aus Bergamo?
Sie sagen’s nicht einmal so höflich.
Zeigt man Verstand, so ist auch das nicht recht.
Denn will sich einer nicht bequemen,
Des Grandisons ergebner Knecht
Zu sein und alles blindlings anzunehmen,
Was der Diktator spricht,
Den lacht man aus, den hört man nicht.
Wie seid ihr nicht so gut, so euch zu bessern willig,
Auf eigne Fehler streng und gegen fremde billig,
Und zum Gefallen ohnbemüht,
Ist niemand, den ihr nicht gewännet.
Ah, man ist euer Freund, so wenig man euch kennet,
Man liebt euch, eh mans sich versieht.
Mit einem Mädchen hier zu Lande
Ists aber ein langweilig Spiel,
Zur Freundschaft fehlts ihr am Verstande,
Zur Liebe fehlts ihr am Gefühl.
Drauf ging ich ganz gewiß, hätt ich nicht so viel Laune,
Bräch ich mir nicht gar manche Lust vom Zaune,
Lacht ich nicht da, wo keine Seele lacht;
Und dächt ich nicht, daß ihr schon oft an mich gedacht
Ja, denken müßt ihr oft an mich, das sage
Ich euch, besonders an dem Tage,
Wenn ihr auf eurem Landgut seid,
Dem Ort, der mir so manche Plage
Gemacht, dem Ort, der mich so sehr erfreut.
Doch du verstehst mich nicht; ich will es dir erklären,
Ich weiß doch, du verzeihst es mir.
Die Lieder, die ich dir gegeben, die gehören
Als wahres Eigentum dem schönen Ort und dir.
Wenn mich mein böses Mädchen plagte,
Wenn der Verdruß mich aus den Mauern jagte,
War ich verwegen gnug und wagte
Dich aufzusuchen, eh es tagte,
Auf deinen Feldern, die du liebst,
Die du mir oft so schön beschriebst.
Da ging ich nun in deinem Paradiese,
In jedem Holz, auf jeder Wiese,
Am Fluß, am Bach, das hoffende Gesicht
Vom Morgenstrahl geschminkt, und sucht und – fand dich nicht.
Dann schlug ich, angereist von launischem Verdrusse,
Den armen Frosch am sonnbestrahlten Flusse,
Dann jagt ich ringsumher und fing
Bald einen Reim, bald einen Schmetterling.
Und mancher Reim und mancher Schmetterling
Entging
Der ausgestreckten Hand, die mitten
In ihrem Haschen stille stand,
Wenn aus dem Wald von Stimmen oder Tritten
Den Schall mein lauschend Ohr empfand.
Am Tage sang ich diese Lieder,
Am Abend ging ich wieder heim,
Nahm meine Feder, schrieb sie nieder,
Den guten und den schlechten Reim.
Oft kehrt ich noch mit immer schlechterm Glücke
Auf die fatale Flur zurücke,
Bis mir zuletzt das günstige Geschicke
Noch einen Tag, den ich nicht hoffte, gab.
Doch ich genoß sie kaum, die süßen letzten Stunden,
Sie waren gar zu nah am Grab.
Ich sage nicht, was ich empfunden,
Denn mein prosaisches Gedicht
Stimmt dieses Mal sehr zur Empfindung nicht.
Du hast die Lieder nun und zur Belohnung
Für alles, was ich für dich litt:
Besuchst du deine selge Wohnung,
So nimm sie mit
Und sing sie manchmal an den Orten
Mit Lust, wo ich aus Schmerz sie sang;
Dann denk an mich und sage: Dorten
Am Flusse wartete er lang,
Der Arme, der so oft mit ungewognem Glücke
Die schönen Felder fühllos sah!
Käm er in diesem Augenblicke,
Eh nun, jetzt wär ich da.
Jetzt, dächt ich nun, wärs hohe Zeit zum Schließen;
Denn wenn man so zwei Bogen Reime schreibt,
Dann wollen sie zuletzt nicht fließen.
Doch warte nur, wenn mich die Laune treibt,
Und deine Gunst mir sonst versichert bleibt,
So schreib ich dir noch manchen Brief wie diesen.
Willst du mir die Geschwister grüßen,
So schließe Richtern auch mit ein.
Leb wohl! Und wird das Glück dein Freund beständig sein
Wie ich, so wirst du stets des schönsten Glücks genießen.
Catechisation
Lehrer.
Bedenk’, o Kind! woher sind diese Gaben?
Du kannst nichts von dir selber haben.
Kind.
Ei! Alles hab’ ich vom Papa.
Lehrer.
Und der, woher hat’s der?
Kind.
Vom Großpapa.
Lehrer.
Nicht doch! Woher hat’s denn der Großpapa bekommen?
Kind.
Der hat’s genommen.
Prooemion
Im Namen dessen, der sich selbst erschuf,
Von Ewigkeit in schaffendem Beruf;
In seinem Namen, der den Glauben schafft,
Vertrauen, Liebe, Tätigkeit und Kraft;
In jenes Namen, der, sooft genannt,
Dem Wesen nach blieb immer unbekannt:
Soweit das Ohr, soweit das Auge reicht,
Du findest nur Bekanntes, das ihm gleicht,
Und deines Geistes höchster Feuerflug
Hat schon am Gleichnis, hat am Bild genug;
Es zieht dich an, es reißt dich heiter fort,
Und wo du wandelst, schmückt sich Weg und Ort;
Du zählst nicht mehr, berechnest keine Zeit,
Und jeder Schritt ist Unermeßlichkeit.
Das Alter
Das Alter ist ein höflich Mann:
Einmal übers andre klopft er an;
Aber nun sagt niemand: Herein!
Und vor der Türe will er nicht sein.
Da klinkt er auf, tritt ein so schnell,
Und nun heißts, er sei ein grober Gesell.
Perfectibilität
Möcht’ ich doch wohl besser sein,
Als ich bin! Was wär’ es?
Soll ich aber besser sein,
Als du bist, so lehr’ es!
Möcht’ ich auch wohl besser sein,
Als so mancher Andre!
Willst du besser sein, als wir,
Lieber Freund, so wandre!
Neugriechische Liebe-Skolien
1.
Diese Richtung ist gewiß,
Immer schreite, schreite!
Finsterniß und Hinderniß
Drängt mich nicht zur Seite.
Endlich leuchtest meinem Pfad,
Luna! klar und golden;
Immer fort und immer grad
Geht mein Weg zur Holden.
Nun der Fluß die Pfade bricht,
Ich zum Nachen schreite,
Leite, liebes Himmelslicht!
Mich zur andern Seite.
Seh’ ich doch das Lämpchen schon
Aus der Hütte schimmern;
Laß um deinen Wagenthron
Alle Sterne glimmern.
2.
Immerhin und immerfort,
Allzuschön erscheinend,
Folgt sie mir von Ort zu Ort,
Und so hab’ ich weinend
Ueberall umsonst gefragt,
Feld und Flur durchmessen;
Auch hat Fels und Berg gesagt:
Kannst sie nicht vergessen.
Wiese sagte: Geh nach Haus,
Laß dich dort bedauern,
Siehst mir gar zu traurig aus,
Möchte selber trauern.
Endlich fasse dir ein Herz
Und begreif’s geschwinder:
Lachen, Weinen, Lust und Schmerz
Sind Geschwisterkinder.
Einzelne
Hebe selbst die Hindernisse,
Neige dich herab, Cypresse!
Daß ich deinen Gipfel küsse
Und das Leben dran vergesse.
Eure Gärtnerei zu lernen
Könnte nimmermehr verlangen;
Mein Jasmin ist fortgegangen,
Meine Rose weilt im Fernen.
Die Nachtigall, sie war entfernt,
Der Frühling lockt sie wieder;
Was Neues hat sie nicht gelernt,
Singt alte, liebe Lieder.
Luna, solcher hohen Stelle
Weiten Umblick neid’ ich dir;
Sei auch der Entfernten helle,
Aber äugle nicht mit ihr.
Liebevoll und frank und frei
Riefst du mich heran;
Langsam geh’ ich nun vorbei:
Siehst du mich denn an?
Ringlein kauft! geschwind, ihr Fraun!
Möcht’ nicht weiter wandeln:
Gegen Aug’ und Augenbraun
Wollt’ ich sie verhandeln.
Ach Cypresse, hoch zu schauen,
Mögest du dich zu mir neigen;
Habe dir was zu vertrauen,
Und dann will ich ewig schweigen.
Harre lieblich im Kyanenkranze,
Blondes Mädchen, bleib’ er unverletzt,
Auch wenn Luna in Orion’s Glanze
Wechselscheinend sich ergetzt.
Weiß ich doch, zu welchem Glück
Mädchen mir emporblüht,
Wenn der feurig schwarze Blick
Aus der Milch hervorsieht.
Von der Rose meines Herzens
Pflücktest Blätter nach Gefallen,
Sind vor Gluth des Scheideschmerzens
All die andern abgefallen.
Liebt’ ich dich als Kleine, Kleine,
Jungfrau warst du mir versagt:
Wirst doch endlich noch die Meine,
Wenn der Freund die Wittwe fragt.
Beispiel
Wenn ich ’mal ungeduldig werde,
Denk’ ich an die Geduld der Erde,
Die, wie man sagt, sich täglich dreht
Und jährlich so wie jährlich geht.
Bin ich denn für was Andres da? –
Ich folge der lieben Frau Mama.
Frisches Ei, gutes Ei
Begeisterung ist keine Heringsware,
Die man einpökelt auf einige Jahre.
Verschwiegenheit
Wenn die Liebste zum Erwidern
Blick auf Liebesblicke beut,
Singt ein Dichter gern in Liedern,
Wie ein solches Glück erfreut!
Aber Schweigen bringet Fülle
Reicheres Vertraun zurück.
Leise, leise! Stille, stille!
Das ist erst das wahre Glück.
Neue Heilige
Alle schöne Sünderinnen,
Die zu Heiligen sich geweint,
Sind, um Herzen zu gewinnen,
All’ in Eine nun vereint.
Seht die Mutterlieb’, die Thränen,
Ihre Reu’ und ihre Pein!
Statt Marien Magdalenen
Soll nun Sanct Oliva sein.
Geständniß
A.
Du toller Wicht, gesteh’ nur offen:
Man hat dich auf manchem Fehler betroffen!
B.
Ja wohl! doch macht’ ich ihn wieder gut.
A.
Wie denn?
B.
Ei, wie’s ein Jeder thut.
A.
Wie hast du denn das angefangen?
B.
Ich hab’ einen neuen Fehler begangen;
Darauf waren die Leute so versessen,
Daß sie des alten gern vergessen.
Erklärung eines alten Holzschnittes vorstellend
Hans Sachsens poetische Sendung
In seiner Werkstatt Sonntags früh
Steht unser treuer Meister hie:
Sein schmutzig Schurzfell abgelegt,
Einen saubern Feierwams er trägt,
Läßt Pechdraht, Hammer und Kneipe rasten,
Die Ahl steckt an den Arbeitskasten;
Er ruht nun auch am siebnten Tag
Von manchem Zug und manchem Schlag.
Wie er die Frühlings-Sonne spürt,
Die Ruh ihm neue Arbeit gebiert:
Er fühlt, daß er eine kleine Welt
In seinem Gehirne brütend hält,
Daß die fängt an zu wirken und leben,
Daß er sie gerne möcht von sich geben.
Er hätt ein Auge treu und klug
Und wär auch liebevoll genug,
Zu schauen manches klar und rein
Und wieder alles zu machen sein;
Hätt auch eine Zunge, die sich ergoß
Und leicht und fein in Worte floß;
Des täten die Musen sich erfreun,
Wollten ihn zum Meistersänger weihn.
Da tritt herein ein junges Weib,
Mit voller Brust und rundem Leib;
Kräftig sie auf den Füßen steht,
Grad, edel vor sich hin sie geht,
Ohne mit Schlepp und Steiß zu schwänzen,
Oder mit den Augen herum zu scharlenzen.
Sie trägt einen Maßstab in ihrer Hand,
Ihr Gürtel ist ein gülden Band,
Hätt auf dem Haupt einen Kornähr-Kranz,
Ihr Auge war lichten Tages Glanz;
Man nennt sie tätig Ehrbarkeit,
Sonst auch Großmut, Rechtfertigkeit.
Die tritt mit gutem Gruß herein;
Er drob nicht mag verwundert sein;
Denn wie sie ist, so gut und schön,
Meint er, er hätt sie lang gesehn.
Die spricht: »Ich hab dich auserlesen
Vor vielen in dem Weltwirrwesen,
Daß du sollst haben klare Sinnen,
Nichts Ungeschicklichs magst beginnen.
Wenn andre durcheinander rennen,
Sollst das mit treuem Blick erkennen;
Wenn andre bärmlich sich beklagen,
Sollst schwankweis deine Sach fürtragen;
Sollst halten über Ehr und Recht,
In allem Ding sein schlicht und schlecht;
Frummkeit und Tugend bieder preisen,
Das Böse mit seinem Namen heißen.
Nichts verlindert und nichts verwitzelt,
Nichts verzierlicht und nichts verkritzelt;
Sondern die Welt soll vor dir stehn,
Wie Albrecht Dürer sie hat gesehn:
Ihr festes Leben und Männlichkeit,
Ihre innre Kraft und Ständigkeit.
Der Natur-Genius an der Hand
Soll dich führen durch alle Land,
Soll dir zeigen alles Leben,
Der Menschen wunderliches Weben,
Ihr Wirren, Suchen, Stoßen und Treiben,
Schieben, Reißen, Drängen und Reiben;
Wie kunterbunt die Wirtschaft tollert,
Der Ameishauf durcheinander kollert;
Mag dir aber bei allem geschehn,
Als tätst in einen Zauberkasten sehn.
Schreib das dem Menschenvolk auf Erden,
Obs ihm möcht eine Witzung werden.«
Da macht sie ihm ein Fenster auf,
Zeigt ihm draußen viel bunten Hauf,
Unter dem Himmel allerlei Wesen,
Wie ihrs mögt in seinen Schriften lesen.
Wie nun der liebe Meister sich
An der Natur freut wunniglich,
Da seht ihr an der andern Seiten
Ein altes Weiblein zu ihm gleiten;
Man nennet sie Historia,
Mythologia, Fabula;
Sie schleppt mit keichend-wankenden Schritten
Eine große Tafel, in Holz geschnitten:
Darauf seht ihr mit weiten Ärmeln und Falten
Gott Vater Kinderlehre halten,
Adam, Eva, Paradies und Schlang,
Sodom und Gomorras Untergang,
Könnt auch die zwölf durchlauchtigen Frauen
Da in einem Ehren-Spiegel schauen;
Dann allerlei Blutdurst, Frevel und Mord,
Der Zwölf Tyrannen Schandenport,
Auch allerlei Lehr und gute Weis,
Könnt sehn Sankt Peter mit der Geiß,
Über der Welt Regiment unzufrieden,
Von unserm Herrn zurecht beschieden.
Auch war bemalt der weite Raum
Ihres Kleids und Schlepps und auch der Saum
Mit weltlich Tugend- und Laster-Geschicht.
Unser Meister das alles ersicht
Und freut sich dessen wundersam,
Denn es dient wohl in seinen Kram.
Von wannen er sich eignet sehr
Gut Exempel und gute Lehr,
Erzählt das eben fix und treu,
Als wär er selbst geseyn dabei.
Sein Geist war ganz dahin gebannt,
Er hätt kein Auge davon verwandt,
Hätt er nicht hinter seinem Rucken
Hören mit Klappern und Schellen spucken.
Da tät er einen Narren spüren
Mit Bocks- und Affensprüngen hofieren
Und ihm mit Schwank und Narreteiden
Ein lustig Zwischenspiel bereiten.
Schleppt hinter sich an einer Leinen
Alle Narren, groß und kleinen,
Dick und hager, gestreckt und krumb,
Allzu witzig und allzu dumb.
Mit einem großen Farrenschwanz
Regiert er sie wie ein’n Affentanz:
Bespöttet eines jeden Fürm,
Treibt sie ins Bad, schneidt ihnen die Würm
Und führt gar bitter viel Beschwerden,
Daß ihrer doch nicht wollen wenger werden.
Wie er sich sieht so um und um,
Kehrt ihm das fast den Kopf herum:
Wie er wollt Worte zu allem finden?
Wie er möcht so viel Schwall verbinden?
Wie er möcht immer mutig bleiben,
So fort zu singen und zu schreiben?
Da steigt auf einer Wolke Saum
Herein zu’s Oberfensters Raum
Die Muse, heilig anzuschauen,
Wie ein Bild unsrer lieben Frauen.
Die umgibt ihn mit ihrer Klarheit
Immer kräftig wirkender Wahrheit.
Sie spricht: »Ich komm, um dich zu weihn,
Nimm meinen Segen und Gedeihn!
Ein heilig Feuer, das in dir ruht,
Schlag aus in hohe lichte Glut!
Doch daß das Leben, das dich treibt,
Immer bei holden Kräften bleibt,
Hab ich deinem innern Wesen
Nahrung und Balsam auserlesen,
Daß deine Seel sei wonnereich,
Einer Knospe im Taue gleich.«
Da zeigt sie ihm hinter seinem Haus
Heimlich zur Hintertür hinaus,
In dem eng umzäunten Garten
Ein holdes Mägdlein sitzend warten
Am Bächlein, beim Holunderstrauch;
Mit abgesenktem Haupt und Aug
Sitzt’s unter einem Apfelbaum
Und spürt die Welt rings um sich kaum,
Hat Rosen in ihren Schoß gepflückt
Und bindet ein Kränzlein gar geschickt,
Mit hellen Knospen und Blättern drein:
Für wen mag wohl das Kränzel sein?
So sitzt sie in sich selbst geneigt,
In Hoffnungsfülle ihr Busen steigt;
Ihr Wesen ist so ahndevoll,
Weiß nicht, was sie sich wünschen soll,
Und unter vieler Grillen Lauf
Steigt wohl einmal ein Seufzer auf.
Warum ist deine Stirn so trüb?
Das, was dich dränget, süße Lieb,
Ist volle Wonn und Seligkeit;
Die dir in Einem ist bereit,
Der manches Schicksal wirrevoll
An deinem Auge sich lindern soll;
Der durch manch wunniglichen Kuß
Wiedergeboren werden muß.
Wie er den schlanken Leib umfaßt,
Von aller Mühe findet Rast,
Wie er ins runde Ärmlein sinkt,
Neue Lebenstag’ und Kräfte trinkt;
Und dir kehrt süßes Jugendglück,
Deine Schalkheit kehret dir zurück.
Mit Necken und manchen Schelmereien
Wirst ihn bald nagen, bald erfreuen.
So wird die Liebe nimmer alt,
Und wird der Dichter nimmer kalt!
Weil er so heimlich glücklich lebt,
Da droben in den Wolken schwebt
Ein Eichkranz, ewig jung belaubt,
Den setzt die Nachwelt ihm aufs Haupt;
In Froschpfuhl all das Volk verbannt,
Das seinen Meister je verkannt.
Die Spröde
An dem reinsten Frühlingsmorgen
Ging die Schäferin und sang,
Jung und schön und ohne Sorgen,
Daß es durch die Felder klang,
So la la! le ralla!
Thyrsis bot ihr für ein Mäulchen
Zwei, drei Schäfchen gleich am Ort.
Schalkhaft blickte sie ein Weilchen,
Doch sie sang und lachte fort,
So la la! le ralla!
Und ein andrer bot ihr Bänder,
Und der dritte bot sein Herz;
Doch sie trieb mit Herz und Bändern
So wie mit den Lämmern Scherz,
Nur la la! le ralla!
Vorklage
(zu einer Sammlung von Gedichten)
Wie nimmt ein leidenschaftlich Stammeln
Geschrieben sich so seltsam aus!
Nun soll ich gar von Haus zu Haus
Die losen Blätter alle sammeln.
Was eine lange, weite Strecke
Im Leben voneinander stand,
Das kommt nun unter Einer Decke
Dem guten Leser in die Hand.
Doch schäme dich nicht der Gebrechen,
Vollende schnell das kleine Buch;
Die Welt ist voller Widerspruch,
Und sollte sichs nicht widersprechen?
Menschengefühl
Ach, ihr Götter! große Götter
In dem weiten Himmel droben!
Gäbet ihr uns auf der Erde
Festen Sinn und guten Mut,
O wir ließen euch, ihr Guten,
Euren weiten Himmel droben!
Rastlose Liebe
Dem Schnee, dem Regen,
Dem Wind entgegen,
Im Dampf der Klüfte,
Durch Nebeldüfte,
Immer zu! Immer zu!
Ohne Rast und Ruh!
Lieber durch Leiden
Möcht ich mich schlagen,
Als so viel Freuden
Des Lebens ertragen.
Alle das Neigen
Von Herzen zu Herzen,
Ach, wie so eigen
Schaffet das Schmerzen!
Wie soll ich fliehen?
Wälderwärts ziehen?
Alles vergebens!
Krone des Lebens,
Glück ohne Ruh,
Liebe, bist du!
Drohende Zeichen
Tritt in recht vollem, klaren Schein
Frau Venus am Abendhimmel herein,
Oder daß blutroth ein Komet
Gar ruthengleich durch Sterne steht;
Der Philister springt zur Thüre heraus!
Der Stern steht über meinem Haus!
O weh! das ist mir zu verfänglich!
Da ruft er seinem Nachbar bänglich:
Ach seht, was mir ein Zeichen dräut!
Das gilt fürwahr uns arme Leut’!
Meine Mutter liegt am bösen Keuch,
Mein Kind am Wind und schwerer Seuch’,
Meine Frau, fürcht’ ich, will auch erkranken,
Sie thät schon seit acht Tag nicht zanken;
Und andre Dinge nach Bericht!
Ich fürcht’, es kommt das jüngste Gericht.
Der Nachbar spricht: Ihr habt wohl recht,
Es geht uns diesmal Allen schlecht.
Doch laßt uns ein paar Gassen gehen,
Da seht ihr, wie die Sterne stehen:
Sie deuten hier, sie deuten dort.
Bleibe Jeder weislich an seinem Ort,
Und thue das Beste, was er kann,
Und leide wie ein andrer Mann.
Beherzigung
Ach, was soll der Mensch verlangen?
Ist es besser, ruhig bleiben?
Klammernd fest sich anzuhangen?
Ist es besser, sich zu treiben?
Soll er sich ein Häuschen bauen?
Soll er unter Zelten leben?
Soll er auf die Felsen trauen?
Selbst die festen Felsen beben.
Eines schickt sich nicht für alle!
Sehe jeder, wie ers treibe,
Sehe jeder, wo er bleibe,
Und wer steht, daß er nicht falle!
Erwählter Fels
Hier im Stillen gedachte der Liebende seiner Geliebten;
Heiter sprach er zu mir: Werde mir Zeuge, du Stein!
Doch erhebe dich nicht, du hast noch viele Gesellen;
Jedem Felsen der Flur, die mich den Glücklichen nährt,
Jedem Baume des Walds, um den ich wandernd mich schlinge,
Denkmal bleibe des Glücks, ruf’ ich ihm weihend und froh.
Doch die Stimme verleih’ ich nur dir, wie unter der Menge
Einen die Muse sich wählt, freundlich die Lippen ihm küßt.
Der Zauberlehrling
Hat der alte Hexenmeister
Sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort und Werke
Merkt ich und den Brauch,
Und mit Geistesstärke
Tu ich Wunder auch.
Walle! walle
Manche Strecke,
Daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.
Und nun komm, du alter Besen,
Nimm die schlechten Lumpenhüllen!
Bist schon lange Knecht gewesen:
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe, =
Oben sei ein Kopf,
Eile nun und gehe
Mit dem Wassertopf!
Walle! walle
Manche Strecke,
Daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.
Seht, er läuft zum Ufer nieder!
Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
Und mit Blitzesschnelle wieder
Ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
Voll mit Wasser füllt!
Stehe! stehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen! –
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!
Ach, das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen!
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
Bringt er schnell herein,
Ach, und hundert Flüsse
Stürzen auf mich ein!
Nein, nicht länger
Kann ichs lassen:
Will ihn fassen!
Das ist Tücke!
Ach, nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!
O, du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
Doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen, =
Der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
Steh doch wieder still!
Willst am Ende
Gar nicht lassen?
Will dich fassen,
Will dich halten
Und das alte Holz behende
Mit dem scharfen Beile spalten!
Seht, da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nur auf dich werfe,
Gleich, o Kobold, liegst du nieder;
Krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich! brav getroffen! =
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
Und ich atme frei!
Wehe! wehe!
Beide Teile
Stehn in Eile
Schon als Knechte
Völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!
Und sie laufen! Naß und nässer
Wirds im Saal und auf den Stufen:
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister, hör mich rufen! –
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd ich nun nicht los.
„In die Ecke,
Besen! Besen!
Seids gewesen!
Denn als Geister
Ruft euch nur, zu seinem Zwecke,
Erst hervor der alte Meister.“
April
Augen, sagt mir, sagt, was sagt ihr?
Denn ihr sagt was gar zu Schönes,
Gar des lieblichsten Getönes;
Und in gleichem Sinne fragt ihr.
Doch ich glaub’ euch zu erfassen:
Hinter dieser Augen Klarheit
Ruht ein Herz in Lieb’ und Wahrheit
Jetzt sich selber überlassen,
Dem es wohl behagen müßte,
Unter so viel stumpfen, blinden,
Endlich einen Blick zu finden,
Der es auch zu schätzen wüßte.
Und indem ich diese Chiffern
Mich versenke zu studiren,
Laßt euch ebenfalls verführen,
Meine Blicke zu entziffern!
Liebhaber
in allen Gestalten.
Ich wollt’, ich wär’ ein Fisch,
So hurtig und frisch;
Und kämst du zu anglen,
Ich würde nicht manglen.
Ich wollt’, ich wär’ ein Fisch,
So hurtig und frisch.
Ich wollt’, ich wär’ ein Pferd,
Da wär’ ich dir werth.
O wär’ ich ein Wagen,
Bequem dich zu tragen.
Ich wollt’, ich wär’ ein Pferd,
Da wär’ ich dir werth.
Ich wollt’, ich wäre Gold,
Dir immer im Sold;
Und thätst du was kaufen,
Käm’ ich wieder gelaufen.
Ich wollt’, ich wäre Gold,
Dir immer im Sold.
Ich wollt’, ich wär’ treu,
Mein Liebchen stets neu;
Ich wollt’ mich verheißen,
Wollt’ nimmer verreisen.
Ich wollt’, ich wär’ treu,
Mein Liebchen stets neu.
Ich wollt’, ich wär’ alt
Und runzlig und kalt;
Thätst du mir’s versagen,
Da könnt’ mich’s nicht plagen.
Ich wollt’, ich wär alt
Und runzlig und kalt.
Wär’ ich Affe sogleich,
Voll neckender Streich’;
Hätt’ was dich verdrossen,
So macht’ ich dir Possen.
Wär’ ich Affe sogleich,
Voll neckender Streich’.
Wär’ ich gut wie ein Schaf,
Wie der Löwe so brav;
Hätt’ Augen wie’s Lüchschen,
Und Listen wie’s Füchschen.
Wär’ ich gut wie ein Schaf,
Wie der Löwe so brav.
Was alles ich wär’,
Das gönnt’ ich dir sehr;
Mit fürstlichen Gaben,
Du solltest mich haben.
Was alles ich wär’,
Das gönnt ich dir sehr.
Doch bin ich, wie ich bin,
Und nimm mich nur hin!
Willst du bessre besitzen,
So laß dir sie schnitzen.
Ich bin nun, wie ich bin;
So nimm mich nur hin!
Räthsel
Ein Werkzeug ist es, alle Tage nöthig,
Den Männern weniger, den Frauen viel,
Zum treusten Dienste gar gelind erbötig,
Im Einen vielfach, spitz und scharf. Sein Spiel
Gern wiederholt, wobei wir uns bescheiden:
Von außen glatt, wenn wir von innen leiden.
Doch Spiel und Schmuck erquickt uns nur auf’s neue,
Erteilte Lieb’ ihm erst gerechte Weihe.
Zwischen beiden Welten
Einer Einzigen angehören,
Einen Einzigen verehren,
Wie vereint es Herz und Sinn!
Lida! Glück der nächsten Nähe,
William! Stern der schönsten Höhe,
Euch verdank ich, was ich bin.
Tag und Jahre sind verschwunden
Und doch ruht auf jenen Stunden
Meines Wertes Vollgewinn.
Der Edelknabe und die Müllerin
Edelknabe
Wohin? Wohin?
Schöne Müllerin!
Wie heißt du?
Müllerin
Liese.
Edelknabe
Wohin denn? Wohin,
Mit dem Rechen in der Hand?
Müllerin
Auf des Vaters Land,
Auf des Vaters Wiese.
Edelknabe
Und gehst so allein?
Müllerin
Das Heu soll herein,
Das bedeutet der Rechen.
Und im Garten daran
Fangen die Birnen zu reifen an,
Die will ich brechen.
Edelknabe
Ist nicht eine stille Laube dabei?
Müllerin
Sogar ihrer zwei,
An beiden Ecken.
Edelknabe
Ich komme dir nach,
Und am heißen Mittag
Wollen wir uns drein verstecken.
Nicht wahr, im grünen vertraulichen Haus –
Müllerin
Das gäbe Geschichten.
Edelknabe
Ruhst du in meinen Armen aus?
Müllerin
Mitnichten!
Denn wer die artige Müllerin küßt,
Auf der Schwelle verraten ist.
Euer schönes dunkles Kleid
Tät mir leid
So weiß zu färben.
Gleich und gleich! so allein ists recht!
Darauf will ich leben und sterben.
Ich liebe mir den Müllerknecht;
An dem ist nichts zu verderben.
Etymologie
(Spricht Mephistopheles.)
Ars Ares wird der Kriegesgott genannt,
Ars heißt die Kunst und . . . . ist auch bekannt.
Welch ein Geheimniß liegt in diesen Wundertönen!
Die Sprache bleibt ein reiner Himmelshauch,
Empfunden nur von stillen Erdensöhnen;
Fest liegt der Grund, bequem ist der Gebrauch,
Und wo man wohnt, da muß man sich gewöhnen.
Wer fühlend spricht, beschwätzt nur sich allein!
Wie anders, wenn der Glocke Bimbam bammelt,
Drängt Alles zur Versammlung sich hinein.
Von Können kommt die Kunst, die Schönheit kommt vom Schein
So wird erst nach und nach die Sprache fest gerammelt,
Und was ein Volk zusammen sich gestammelt,
Muß ewiges Gesetz für Herz und Seele sein.
Ein ewiges Kochen statt fröhlichem Schmaus,
Was soll denn das Zählen, das Wägen, das Grollen?
Bei allem dem kommt nichts heraus,
Als daß wir keine Hexameter machen sollen;
Und sollen uns patriotisch fügen,
An Knittelversen uns zu begnügen.
Ich komme bald, ihr goldnen Kinder
Ich komme bald, ihr goldnen Kinder,
Vergebens sperret uns der Winter
In unsre warmen Stuben ein.
Wir wollen uns zum Feuer setzen
Und tausendfältig uns ergötzen,
Uns lieben wie die Engelein.
Wir wollen kleine Kränzchen winden,
Wir wollen kleine Sträußchen binden
Und wie die kleinen Kinder sein.
Das Beste
Wenn dirs in Kopf und Herzen schwirrt,
Was willst du Beßres haben!
Wer nicht mehr liebt und nicht mehr irrt,
Der lasse sich begraben.
Beruf des Storches
Der Storch, der sich von Frosch und Wurm
An unserm Teiche nähret,
Was nistet er auf dem Kirchenturm,
Wo er nicht hingehöret?
Dort klappt und klappert er genug,
Verdrießlich anzuhören;
Doch wagt es weder alt noch jung
Ihm in das Nest zu stören.
Wodurch – gesagt mit Reverenz –
Kann er sein Recht beweisen,
Als durch die löbliche Tendenz
Aufs Kirchendach zu . . .
An Charlotte von Stein
Hier bildend nach der reinen stillen
Natur, ist ach, mein Herz der alten Schmerzen voll;
Leb ich doch stets um derentwillen,
Um derentwillen ich nicht leben soll.
*
Und ich geh meinen alten Gang
Meine liebe Wiese lang.
Tauche mich in die Sonne früh,
Bad ab im Monde des Tages Müh.
Leb in Liebes-Klarheit und -Kraft,
Tut mir wohl des Herren Nachbarschaft,
Der in Liebes-Dumpfheit und -Kraft hinlebt
Und sich durch seltnes Wesen webt.
*
Zwischen Felsen wuchsen hier
Diese Blumen, die wir treu dir reichen,
Verwelkliche Zeichen
Der ewigen Liebe zu dir.
*
Ach, so drückt mein Schicksal mich,
Daß ich nach dem Unmöglichen strebe.
Lieber Engel, für den ich nicht lebe,
Zwischen den Gebürgen leb ich für dich.
Mit einer Hyazinthe
Aus dem Zaubertal dortnieden,
Das der Regen still umtrübt,
Aus dem Taumel der Gewässer
Sendet Blume, Gruß und Frieden,
Der dich immer treu und besser,
Als du glauben magst, geliebt.
Diese Blume, die ich pflücke,
Neben mir vom Tau genährt,
Läßt die Mutter still zurücke,
Die sich in sich selbst vermehrt.
Lang entblättert und verborgen,
Mit den Kindern an der Brust,
Wird am neuen Frühlingsmorgen
Vielfach sie des Gärtners Lust.
Gesang der Geister über den Wassern
Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muß es,
Ewig wechselnd.
Strömt von der hohen,
Steilen Felswand
Der reine Strahl,
Dann stäubt er lieblich
In Wolkenwellen
Zum glatten Fels,
Und leicht empfangen
Wallt er verschleiernd,
Leisrauschend
Zur Tiefe nieder.
Ragen Klippen
Dem Sturz entgegen,
Schäumt er unmutig
Stufenweise
Zum Abgrund.
Im flachen Bette
Schleicht er das Wiesental hin,
Und in dem glatten See
Weiden ihr Antlitz
Alle Gestirne.
Wind ist der Welle
Lieblicher Buhler;
Wind mischt vom Grund aus
Schäumende Wogen.
Seele des Menschen,
Wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind!
An Belinden
Warum ziehst du mich unwiderstehlich,
Ach, in jene Pracht?
War ich guter Junge nicht so selig
In der öden Nacht?
Heimlich in mein Zimmerchen verschlossen,
Lag im Mondenschein,
Ganz von seinem Schauerlicht umflossen,
Und ich dämmert ein;
Träumte da von vollen goldnen Stunden
Ungemischter Lust,
Hatte schon dein liebes Bild empfunden
Tief in meiner Brust.
Bin ichs noch, den du bei so viel Lichtern
An dem Spieltisch hältst?
Oft so unerträglichen Gesichtern
Gegenüberstellst?
Reizender ist mir des Frühlings Blüte
Nun nicht auf der Flur;
Wo du, Engel, bist, ist Lieb und Güte,
Wo du bist, Natur.
Ein Gleichniß
Jüngst pflückt ich einen Wiesenstrauß,
Trug ihn gedankenvoll nach Haus;
Da hatten, von der warmen Hand,
Die Kronen sich alle zur Erde gewandt.
Ich setzte sie in frisches Glas,
Und welch ein Wunder war mir das!
Die Köpfchen hoben sich empor,
Die Blätterstengel im grünen Flor,
Und allzusammen so gesund,
Als ständen sie noch auf Muttergrund.
So war mir’s, als ich wundersam
Mein Lied in fremder Sprache vernahm.
Der Autor
Was wär ich
Ohne dich,
Freund Publikum!
All mein Empfinden Selbstgespräch,
All meine Freude stumm.
Mädchenwünsche
O fände für mich
Ein Bräutigam sich!
Wie schön ist’s nicht da!
Man nennt uns Mama;
Da braucht man zum Nähen,
Zur Schul’ nicht zu gehen;
Da kann man befehlen,
Hat Mägde, darf schmälen;
Man wählt sich die Kleider,
Nach Gusto den Schneider;
Da läßt man spazieren,
Auf Bälle sich führen,
Und fragt nicht erst lange
Papa und Mama.
Monolog aus Byron’s Manfred
Manfred allein.
Der Zeit, des Schreckens Narren sind wir! Tage
Bestehlend stehlen sie sich weg. Wir leben
In Lebens Ueberdruß, in Scheu des Todes.
In all den Tagen der verwünschten Posse –
Lebendige Last auf widerstrebendem Herzen,
In Sorgen stockt es, heftig schlägt’s in Pein,
Der Freud’ ein End’ ist Todeskampf und Ohnmacht –
In all den Tagen, den vergangnen, künftigen –
Im Leben ist nichts Gegenwart – du zählst
Wie wenig: – weniger als wenig! – wo die Seele
Nicht nach dem Tod verlangt und doch zurück
Wie vor dem Winterstrome schreckt. Das Frösteln
Wär’ nur ein Augenblick. – Ich hab’ ein Mittel
In meiner Wissenskraft: die Todten ruf’ ich
Und frage sie: Was ist denn, das wir fürchten?
Der Antwort ernsteste ist doch das Grab.
Und das ist nichts, antworten sie mir nicht.
Antwortete begrabner Priester Gottes
Dem Weib zu Endor! Sparta’s König zog
Aus Griech’scher Jungfrau nie entschlafnem Geist
Antwort und Schicksal. Das Geliebteste
Hatt’ er gemordet, wußte nicht, wen er traf;
Starb ungesühnt. Wenn er auch schon zu Hülfe
Den milden Zeus berief, Phigaliens
Arkadische Beschwörer aufrief, zu gewinnen
Vom aufgebrachten Schatten sein Verzeihen,
Auch eine Grenze nur des Rächens. Die versetzte
Mit zweifelhaftem Wortsinn; doch erfüllt ward’s.
Und hätt’ ich nie gelebt! das, was ich liebe,
Wär’ noch lebendig; hätt’ ich nie geliebt!
Das, was ich liebe, wär’ noch immer schön
Und glücklich, glückverspendend. Und was aber,
Was ist sie jetzt? Für meine Sünden büßt sie –
Ein Wesen? denk’ es nicht! – vielleicht ein Nichts.
In wenig Stunden frag’ ich nicht umsonst,
In dieser Stunde fürcht’ ich, wie ich trotze,
Bis diese Stunde schreckte mich kein Schauen
Der Geister, guter, böser. Zittr’ ich nun?
Und fühl’ am Herzen fremden kalten Thau!
Doch kann ich thun, was mich im Tiefsten widert,
Der Erde Schrecken ruf’ ich auf. – Es nachtet!
Das Heidenröslein
Sah ein Knab ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell, es nah zu sehn,
Sah’s mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Knabe sprach: Ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!
Röslein sprach: Ich steche dich,
Daß du ewig denkst an mich,
Und ich will’s nicht leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Und der wilde Knabe brach
’s Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
Half ihr doch kein Weh und Ach,
Mußt’ es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Königlich Gebet
Ha, ich bin der Herr der Welt! mich lieben
Die Edlen, die mir dienen.
Ha, ich bin der Herr der Welt! ich liebe
Die Edlen, denen ich gebiete.
O gib mir, Gott im Himmel! daß ich mich
Der Höh und Lieb nicht überhebe.
Die Frösche
Ein großer Teich war zugefroren;
Die Fröschlein, in der Tiefe verloren,
Durften nicht ferner quaken noch springen,
Versprachen sich aber im halben Traum:
Fänden sie nur da oben Raum,
Wie Nachtigallen wollten sie singen.
Der Tauwind kam, das Eis zerschmolz,
Nun ruderten sie und landeten stolz
Und saßen am Ufer weit und breit
Und quakten wie vor alter Zeit.
Der Narr epilogirt
Manch gutes Werk hab’ ich verricht,
Ihr nehmt das Lob, das kränkt mich nicht:
Ich denke, daß sich in der Welt
Alles bald wieder in’s Gleiche stellt.
Lobt man mich, weil ich was Dummes gemacht,
Dann mir das Herz im Leibe lacht;
Schilt man mich, weil ich was Gutes gethan,
So nehm’ ich ’s ganz gemächlich an.
Schlägt mich ein Mächtiger, daß es schmerzt,
So thu’ ich, als hätt’ er nur gescherzt;
Doch ist es Einer von meines Gleichen,
Den weiß ich wacker durchzustreichen.
Hebt mich das Glück, so bin ich froh
Und sing’ in dulci Jubilo;
Senkt sich das Rad und quetscht mich nieder,
So denk’ ich: Nun, es hebt sich wieder.
Grille nicht bei Sommersonnenschein,
Daß es wieder werde Winter fein:
Und kommen die weißen Flockenschaaren,
Da lieb’ ich mir das Schlittenfahren.
Ich mag mich stellen, wie ich will,
Die Sonne hält mir doch nicht still,
Und immer geht’s den alten Gang
Das liebe lange Leben lang;
Der Knecht so wie der Herr vom Haus
Ziehen sich täglich an und aus,
Sie mögen sich hoch oder niedrig messen:
Müssen wachen, schlafen, trinken und essen.
Drum trag’ ich über nichts ein Leid;
Macht’s wie der Narr, so seid ihr gescheidt!
Ich kann mich nicht bereden lassen
Ich kann mich nicht bereden lassen,
Macht mir den Teufel nur nicht klein:
Ein Kerl, den alle Menschen hassen,
Der muß was sein.
Ilmenau
am 3. September 1783
Anmutig Tal! du immergrüner Hain!
Mein Herz begrüßt euch wieder auf das beste;
Entfaltet mir die schwerbehangnen Äste,
Nehmt freundlich mich in eure Schatten ein,
Erquickt von euren Höhn, am Tag der Lieb und Lust,
Mit frischer Luft und Balsam meine Brust!
Wie kehrt ich oft mit wechselndem Geschicke,
Erhabner Berg! an deinen Fuß zurücke.
O laß mich heut an deinen sachten Höhn
Ein jugendlich, ein neues Eden sehn!
Ich hab es wohl auch mit um euch verdienet:
Ich sorge still, indes ihr ruhig grünet.
Laßt mich vergessen, daß auch hier die Welt
So manch Geschöpf in Erdefesseln hält,
Der Landmann leichtem Sand den Samen anvertraut
Und seinen Kohl dem frechen Wilde baut,
Der Knappe karges Brot in Klüften sucht,
Der Köhler zittert, wenn der Jäger flucht.
Verjüngt euch mir, wie ihr es oft getan,
Als fing’ ich heut ein neues Leben an.
Ihr seid mir hold, ihr gönnt mir diese Träume,
Sie schmeicheln mir und locken alte Reime.
Mir wieder selbst, von allen Menschen fern,
Wie bad ich mich in euren Düften gern!
Melodisch rauscht die hohe Tanne wieder,
Melodisch eilt der Wasserfall hernieder;
Die Wolke sinkt, der Nebel drückt ins Tal,
Und es ist Nacht und Dämmrung auf einmal.
Im finstern Wald, beim Liebesblick der Sterne,
Wo ist mein Pfad, den sorglos ich verlor?
Welch seltne Stimmen hör ich in der Ferne?
Sie schallen wechselnd an dem Fels empor.
Ich eile sacht, zu sehn, was es bedeutet,
Wie von des Hirsches Ruf der Jäger still geleitet.
Wo bin ich? ists ein Zaubermärchen-Land?
Welch nächtliches Gelag am Fuß der Felsenwand?
Bei kleinen Hütten, dicht mit Reis bedecket,
Seh ich sie froh ans Feuer hingestrecket.
Es dringt der Glanz hoch durch den Fichtensaal,
Am niedern Herde kocht ein rohes Mahl;
Sie scherzen laut, indessen, bald geleeret,
Die Flasche frisch im Kreise wiederkehret.
Sagt, wem vergleich ich diese muntre Schar?
Von wannen kommt sie, um wohin zu ziehen?
Wie ist an ihr doch alles wunderbar!
Soll ich sie grüßen? Soll ich von ihr fliehen?
Ist es der Jäger wildes Geisterheer?
Sinds Gnomen, die hier Zauberkünste treiben?
Ich seh im Busch der kleinen Feuer mehr;
Es schaudert mich, ich wage kaum, zu bleiben.
Ists der Ägyptier verdächtger Aufenthalt?
Ist es ein flüchtiger Fürst wie im Ardenner-Wald?
Soll ich Verirrter hier in den verschlungnen Gründen
Die Geister Shakespeares gar verkörpert finden?
Ja, der Gedanke führt mich eben recht:
Sie sind es selbst, wo nicht ein gleich Geschlecht!
Unbändig schwelgt ein Geist in ihrer Mitten,
Und durch die Roheit fühl ich edle Sitten.
Wie nennt ihr ihn? Wer ists, der dort gebückt
Nachlässig stark die breiten Schultern drückt?
Er sitzt zunächst gelassen an der Flamme,
Die markige Gestalt aus altem Heldenstamme.
Er saugt begierig am geliebten Rohr,
Es steigt der Dampf an seiner Stirn empor.
Gutmütig trocken weiß er Freud und Lachen
Im ganzen Zirkel laut zu machen,
Wenn er mit ernstlichem Gesicht
Barbarisch bunt in fremder Mundart spricht.
Wer ist der andre, der sich nieder
An einen Sturz des alten Baumes lehnt
Und seine langen, feingestalten Glieder
Ekstatisch faul nach allen Seiten dehnt?
Und, ohne daß die Zecher auf ihn hören,
Mit Geistesflug sich in die Höhe schwingt
Und von dem Tanz der himmelhohen Sphären
Ein monotones Lied mit großer Inbrunst singt?
Doch scheinet allen etwas zu gebrechen;
Ich höre sie auf einmal leise sprechen,
Des Jünglings Ruhe nicht zu unterbrechen,
Der dort am Ende, wo das Tal sich schließt,
In einer Hütte, leicht gezimmert,
Vor der ein letzter Blick des kleinen Feuers schimmert
Vom Wasserfall umtauscht, des milden Schlafs genießt.
Mich treibt das Herz, nach jener Kluft zu wandern,
Ich schleiche still und scheide von den andern.
Sei mir gegrüßt, der hier in später Nacht
Gedankenvoll an dieser Schwelle wacht!
Was sitzest du entfernt von jenen Freuden?
Du scheinst mir auf was Wichtiges bedacht.
Was ists, daß du in Sinnen dich verlierest,
Und nicht einmal dein kleines Feuer schürest?
»O frage nicht! denn ich bin nicht bereit,
Des Fremden Neugier leicht zu stillen;
Sogar verbitt ich deinen guten Willen:
Hier ist zu schweigen und zu leiden Zeit.
Ich bin dir nicht imstande selbst zu sagen,
Woher ich sei, wer mich hierher gesandt;
Von fremden Zonen bin ich her verschlagen
Und durch die Freundschaft festgebannt.
Wer kennt sich selbst? Wer weiß, was er vermag?
Hat nie der Mutige Verwegnes unternommen?
Und was du tust, sagt erst der andre Tag,
War es zum Schaden oder Frommen.
Ließ nicht Prometheus selbst die reine Himmelsglut
Auf frischen Ton vergötternd niederfließen?
Und konnt er mehr als irdisch Blut
Durch die belebten Adern gießen?
Ich brachte reines Feuer vom Altar;
Was ich entzündet, ist nicht reine Flamme.
Der Sturm vermehrt die Glut und die Gefahr,
Ich schwanke nicht, indem ich mich verdamme.
Und wenn ich unklug Mut und Freiheit sang
Und Redlichkeit und Freiheit sonder Zwang,
Stolz auf sich selbst und herzliches Behagen,
Erwarb ich mir der Menschen schöne Gunst;
Doch ach! ein Gott versagte mir die Kunst,
Die arme Kunst, mich künstlich zu betragen.
Nun sitz ich hier, zugleich erhoben und gedrückt,
Unschuldig und gestraft, und schuldig und beglückt.
Doch rede sacht! denn unter diesem Dach
Ruht all mein Wohl und all mein Ungemach:
Ein edles Herz, vom Wege der Natur
Durch enges Schicksal abgeleitet,
Das, ahnungsvoll, nun auf der rechten Spur
Bald mit sich selbst und bald mit Zauberschatten streitet,
Und, was ihm das Geschick durch die Geburt geschenkt,
Mit Müh und Schweiß erst zu erringen denkt.
Kein liebevolles Wort kann seinen Geist enthüllen
Und kein Gesang die hohen Wogen stillen.
Wer kann der Raupe, die am Zweige kriecht,
Von ihrem künftgen Futter sprechen?
Und wer der Puppe, die am Boden liegt,
Die zarte Schale helfen durchzubrechen?
Es kommt die Zeit, sie drängt sich selber los
Und eilt auf Fittichen der Rose in den Schoß.
Gewiß, ihm geben auch die Jahre
Die rechte Richtung seiner Kraft.
Noch ist, bei tiefer Neigung für das Wahre,
Ihm Irrtum eine Leidenschaft.
Der Vorwitz lockt ihn in die Weite,
Kein Fels ist ihm zu schroff, kein Steg zu schmal;
Der Unfall lauert an der Seite
Und stürzt ihn in den Arm der Qual.
Dann treibt die schmerzlich überspannte Regung
Gewaltsam ihn bald da, bald dort hinaus,
Und von unmutiger Bewegung
Ruht er unmutig wieder aus.
Und düster wild an heitern Tagen,
Unbändig, ohne froh zu sein,
Schläft er, an Seel und Leib verwundet und zerschlagen,
Auf einem harten Lager ein:
Indessen ich hier, still und atmend kaum,
Die Augen zu den freien Sternen kehre
Und halb erwacht und halb im schweren Traum,
Mich kaum des schweren Traums erwehre.«
Verschwinde Traum!
Wie dank ich, Musen, euch!
Daß ihr mich heut auf einen Pfad gestellet,
Wo auf ein einzig Wort die ganze Gegend gleich
Zum schönsten Tage sich erhellet;
Die Wolke flieht, der Nebel fällt,
Die Schatten sind hinweg. Ihr Götter, Preis und Wonne!
Es leuchtet mir die wahre Sonne,
Es lebt mir eine. schönre Welt;
Das ängstliche Gesicht ist in die Luft zerronnen,
Ein neues Leben ists, es ist schon lang begonnen.
Ich sehe hier, wie man nach langer Reise
Im Vaterland sich wiederkennt,
Ein ruhig Volk in stillem Fleiße
Benutzen, was Natur an Gaben ihm gegönnt.
Der Faden eilet von dem Rocken
Des Webers raschem Stuhle zu,
Und Seil und Kübel wird in längrer Ruh
Nicht am verbrochnen Schachte stocken;
Es wird der Trug entdeckt, die Ordnung kehrt zurück,
Es folgt Gedeihn und festes irdsches Glück.
So mög, o Fürst, der Winkel deines Landes
Ein Vorbild deiner Tage sein!
Du kennest lang die Pflichten deines Standes
Und schränkest nach und nach die freie Seele ein.
Der kann sich manchen Wunsch gewähren,
Der kalt sich selbst und seinem Willen lebt;
Allein wer andre wohl zu leiten strebt,
Muß fähig sein, viel zu entbehren.
So wandle du – der Lohn ist nicht gering –
Nicht schwankend hin, wie jener Sämann ging,
Daß bald ein Korn, des Zufalls leichtes Spiel,
Hier auf den Weg, dort zwischen Dornen fiel;
Nein! streue klug wie reich, mit männlich steter Hand,
Den Segen aus auf ein geackert Land;
Dann laß es ruhn: die Ernte wird erscheinen
Und dich beglücken und die Deinen.
Magisches Netz
(Zum ersten Mai 1803)
Sind es Kämpfe, die ich sehe?
Sind es Spiele? Sind es Wunder?
Fünf der allerliebsten Knaben
Hegen fünf Geschwister streitend,
Regelmäßig, taktbeständig,
Einer Zaubrin zu Gebote.
Blanke Spieße führen jene,
Diese flechten schnelle Fäden,
Daß man glaubt, in ihren Schlingen
Werde sich das Eisen fangen.
Bald gefangen sind die Spieße;
Doch im leichten Kriegestanze
Stiehlt sich einer nach dem andern
Aus der zarten Schleifenreihe,
Die sogleich den Freien haschet,
Wenn sie den Gebundnen löset.
So mit Ringen, Streiten, Siegen,
Wechselflucht und Wiederkehren
Wird ein künstlich Netz geflochten,
Himmelsflocken gleich an Weiße,
Die, vom Lichten in das Dichte,
Musterhafte Streifen ziehen,
Wie es Farben kaum vermöchten.
Wer empfängt nun der Gewänder
Allerwünschtes? Wen begünstigt
Unsre vielgeliebte Herrin
Als den anerkannten Diener?
Mich beglückt des holden Loses
Treu und still ersehntes Zeichen!
Und ich fühle mich umschlungen,
Ihrer Dienerschaft gewidmet.
Doch indem ich so behaglich,
Aufgeschmückt stolzierend wandle,
Sieh! da knüpfen jene Losen,
Ohne Streit, geheim geschäftig,
Andre Netze, fein und feiner,
Dämmrungsfäden, Mondenblicke,
Nachtviolenduft verwebend.
Eh wir nun das Netz bemerken,
Ist ein Glücklicher gefangen,
Den wir andern, den wir alle,
Segnend und beneidend, grüßen.
Umgekehrt
Sind die im Unglück, die wir lieben,
Das wird uns wahrlich baß betrüben;
Sind aber glücklich, die wir hassen,
Das will sich gar nicht begreifen lassen;
Umgekehrt ist’s ein Jubilo,
Da sind wir lieb- und schadenfroh.
Ländliches Glück
Seid, o Geister des Hains, o seid, ihr Nymphen des Flusses,
Eurer Entfernten gedenk, eueren Nahen zur Lust!
Weihend feierten sie im Stillen die ländlichen Feste;
Wir, dem gebahnten Pfad folgend, beschleichen das Glück.
Amor wohne mit uns! es macht der himmlische Knabe
Gegenwärtige lieb, und die Entfernten euch nah.
Der Becher
Einen wohlgeschnitzten vollen Becher
Hielt ich drückend in den beiden Händen,
Sog begierig süßen Wein vom Rande,
Gram und Sorg auf einmal zu vertrinken.
Amor trat herein und fand mich sitzen,
Und er lächelte bescheidenweise,
Als den Unverständigen bedauernd:
»Freund, ich kenn ein schöneres Gefäße,
Wert, die ganze Seele drein zu senken;
Was gelobst du, wenn ich dir es gönne,
Es mit anderm Nektar dir erfülle?«
O wie freundlich hat er Wort gehalten!
Da er, Lida, dich mit sanfter Neigung
Mir, dem lange Sehnenden, geeignet.
Wenn ich deinen lieben Leib umfasse
Und von deinen einzig treuen Lippen
Langbewahrter Liebe Balsam koste,
Selig sprech ich dann zu meinem Geiste:
Nein, ein solch Gefäß hat, außer Amorn,
Nie ein Gott gebildet noch besessen!
Solche Formen treibet nicht Vulkanus
Mit den sinnbegabten, feinen Hämmern!
Auf belaubten Hügeln mag Lyäus
Durch die ältsten, klügsten seiner Faunen
Ausgesuchte Trauben keltern lassen,
Selbst geheimnisvoller Gärung vorstehn:
Solchen Trank verschafft ihm keine Sorgfalt!
Blumengruß
Der Strauß, den ich gepflücket,
Grüße dich viel tausendmal!
Ich habe mich oft gebücket,
Ach, wohl ein tausendmal,
Und ihn an’s Herz gedrücket
Wie hunderttausendmal!
Aus Byron’s Manfred
Bannfluch.
Wenn der Mond ist auf der Welle,
Wenn der Glühwurm ist im Gras,
Und ein Scheinlicht auf dem Grabe,
Irres Licht auf dem Morast,
Wenn die Sterne fallend schießen,
Eule der Eul’ erwiedernd heult,
Und die Blätter schweigend ruhen
An des dunklen Hügels Wand,
Meine Seel’ sei auf der deinen
Mit Gewalt und Zeichenwink!
Ist dein Schlummer noch so tief,
Kommt dein Geist doch nie zum Schlaf.
Da sind Schatten, die nicht schwinden,
Da Gedanken, die nicht bannest.
Die Gewalt, die du nicht kennest,
Läßt dich nimmermehr allein.
Bist in’s Leichentuch gewindelt,
Eingehüllt in einer Wolke,
Und für immer, immer wohnst du
In dem Geiste dieses Spruchs.
Siehst mich nicht vorüber gehen,
Fühlst mich doch in deinem Auge
Als ein Ding, das ungesehen
Nah dir sein muß, wie es war,
Und wenn du, geheim durchschaudert,
Deinen Kopf umwendend blickest,
Sollst dich wundern, daß nicht etwa
Wie ein Schatten bin zur Stelle;
Nein! die Kraft, die du empfunden,
Ist, was sich in dir verbirgt.
Und ein Zauberwort und Lied
Taufte dich mit einem Fluch,
Und schon hat ein Geist der Lust
Dich umgarnt mit einer Schlinge.
In dem Wind ist eine Stimme,
Die verbeut dir dich zu freuen.
Und wenn dir die Nacht versagt
Ihres reinen Himmels Ruhe,
Bringt der Tag eine Sonn’ herauf;
Wär’ sie nieder! wünschest du.
Deinen falschen Thränen zog ich
Tödtlichste Essenzen aus,
Deinem eignen Herzen sog ich
Blut, das schwärzeste, vom Quell,
Deinem Lächeln lockt’ ich Schlangen,
Dort geheim geringelt, ab,
Deinem Lippenpaar entsaugt’ ich
Allerschlimmstes aller Gifte.
Jedem Gift, das ich erprobet,
Schlimmer ist dein eignes doch.
Bei deiner kalten Brust, dem Schlangenlächeln,
Der Arglist unergründlichem Schlund,
Beim dem so tugendsam scheinenden Auge,
Bei der verschlossenen Seele Trug,
Bei der Vollendung deiner Künste,
Dem Wahn, du tragest ein menschliches Herz,
Bei deinem Gefallen an Anderer Pein,
Bei deiner Cains-Bruderschaft
Beschwöre ich dich und nöthige
Dich selbst dir eigne Hölle zu sein!
Auf dein Haupt gieß’ ich die Schale,
Die dich solchem Urtheil widmet,
Nicht zu schlafen, nicht zu sterben
Sei dein dauernd Mißgeschick;
Scheinbar soll der Tod sich nahen
Deinem Wunsch, doch nur als Grauen.
Schau’! der Zauber wirkt umher dir,
Dich geklirrlos fesselt Kette;
Ueber Herz und Hirn zusammen
Ist der Spruch ergangen – schwinde!
Versus memoriales
Invocavit wir rufen laut,
Reminiscere o wär’ ich Braut!
Die Oculi gehn hin und her;
Laetare drüber nicht so sehr.
O, Judica uns nicht so streng!
Palmarum streuen wir die Meng’.
Auf Ostereier freun sich hie
Viel Quasimodogeniti.
Misericordias brauchen wir All’,
Jubilate ist ein seltner Fall.
Cantate freut der Menschen Sinn,
Rogate bringt nicht viel Gewinn,
Exaudi uns zu dieser Frist,
Spiritus, der du der letzte bist.
Dem Ackermann
Flach bedecket und leicht den goldenen Samen die Furche,
Guter! die tiefere deckt endlich dein ruhend Gebein.
Fröhlich gepflügt und gesä’t! Hier keimet lebendige Nahrung,
Und die Hoffnung entfernt selbst von dem Grabe sich nicht.
Gleichgewinn
Geht Einer mit dem Andern hin,
Und auch wohl vor dem Andern;
Drum laßt uns, treu und brav und kühn,
Die Lebenspfade wandern.
Es fällt ein jüngerer Soldat
Wohl in den ersten Schlachten;
Der Andre muß in’s Alter spat
Im Bivouac übernachten.
Doch weiß er eifrig seinen Ruhm
Und seines Herrn zu mehren,
So bleibt sein letztes Eigenthum
Gewiß das Bett der Ehren.
Auf den Kauf
Wo ist Einer, der sich quälet
Mit der Last, die wir getragen?
Wenn es an Gestalten fehlet,
Ist ein Kreuz geschwind geschlagen.
Pfaffenhelden singen sie,
Frauen wohl empfohlen,
Oberleder bringen sie,
Aber keine Sohlen.
Jung und Alte, Groß und Klein,
Gräßliches Gelichter!
Niemand will ein Schuster sein,
Jedermann ein Dichter.
Alle kommen sie gerennt,
Möchten’s gerne treiben;
Doch wer keinen Leisten kennt,
Wird ein Pfuscher bleiben.
Willst du das verfluchte Zeug
Auf dem Markte kaufen,
Wirst du, eh’ es möglich däucht,
Wirst du barfuß laufen.
Elysium
An Uranien.
Uns gaben die Götter
Auf Erden Elysium!
Wie du das Erstemal
Liebahnend dem Fremdling
Entgegentratst
Und deine Hand ihm reichtest,
Fühlt’ er alles voraus,
Was ihm für Seligkeit
Entgegen keimte!
Wie du den liebenden Arm
Um den Freund schlangst,
Wie ihm Lila’s Brust
Entgegenbebte,
Wie ihr, euch rings umfassend,
In heil’ger Wonne schwebtet,
Und ich, im Anschaun selig,
Ohne sterblichen Neid
Daneben stand!
Wie durch heilige Thäler wir
Händ’ in Hände wandelten,
Und des Fremdlings Treu
Sich euch versiegelte,
Daß du dem Liebenden,
Stille Sehnenden,
Die Wange reichtest
Zum himmlischen Kuß!
Wenn du fern wandelst
Am Hügelgebüsch,
Wandeln Liebesgestalten
Mit dir den Bach hinab;
Wenn mir auf meinem Felsen
Die Sonne niedergeht,
Seh’ ich Freundegestalten
Mir winken
Durch wehende Zweige
Des dämmernden Hains;
Seh’ ich, verschlagen
Unter schauernden Himmels
Oede Gestade,
In der Vergangenheit
Goldener Myrtenhainsdämmerung
Lila’n an deiner Hand;
Seh’ mich Schüchternen
Eure Hände fassen,
Bittend blicken,
Eure Hände küssen –
Eure Augen sich begegnen,
Auf mich blicken;
Werfe den hoffenden Blick
Auf Lila; sie nähert sich mir,
Himmlische Lippe!
Und ich wanke, nahe mich,
Blicke, seufze, wanke –
Seligkeit! Seligkeit!
Eines Kusses Gefühl!
Mir gaben die Götter
Auf Erden Elysium!
Ach, warum nur Elysium!
Räthsel
Ein Bruder ist’s von vielen Brüdern,
In Allem ihnen völlig gleich,
Ein nöthig Glied von vielen Gliedern,
In eines großen Vaters Reich;
Jedoch erblickt man ihn nur selten,
Fast wie ein eingeschobnes Kind:
Die Andere lassen ihn nur gelten
Da, wo sie unvermögend sind.
Gleich zu Gleich
Da wächs’t der Wein, wo’s Faß ist,
Es regnet gern, wo’s naß ist,
Zu Tauben stiegt die Taube,
Zur Mutter paßt die Schraube,
Der Stöpsel sucht die Flaschen,
Die Zehrung Reisetaschen,
Weil Alles, was sich rühret,
Am Schluß doch harmoniret.
Denn das ist Gottes wahre Gift,
Wenn die Blüthe zur Blüthe trifft;
Deßwegen Jungfern und Junggesellen
Im Frühling sich gar gebärdig stellen.
Hoffnung
Schaff, das Tagwerk meiner Hände,
Hohes Glück, daß ichs vollende!
Laß, o laß mich nicht ermatten!
Nein, es sind nicht leere Träume:
Jetzt nur Stangen, diese Bäume
Geben einst noch Frucht und Schatten.
Kenner und Künstler
Kenner.
Gut! Brav, mein Herr! Allein
Die linke Seite
Nicht ganz gleich der rechten;
Hier scheint es mir zu lang,
Und hier zu breit;
Hier zuckt’s ein wenig,
Und die Lippe
Nicht ganz Natur;
Zu todt noch Alles!
Künstler.
O rathet! Helft mir,
Daß ich mich vollende!
Wo ist der Urquell der Natur,
Daraus ich schöpfend
Himmel fühl’ und Leben
In die Fingerspitzen hervor?
Daß ich mit Göttersinn
Und Menschenhand
Vermöge zu bilden,
Was bei meinem Weib’
Ich animalisch kann und muß.
Kenner.
Da sehen Sie zu.
Künstler.
So!
Zur zweiten Auflage des Werther
Jeder Jüngling sehnt sich, so zu lieben,
Jedes Mädchen, so geliebt zu sein;
Ach, der heiligste von unsern Trieben,
Warum quillt aus ihm die grimme Pein?
Du beweinst, du liebst ihn, liebe Seele,
Rettest sein Gedächtnis von der Schmach;
Sieh, dir winkt sein Geist aus seiner Höhle:
Sei ein Mann, und folge mir nicht nach.
An Lina
Liebchen, kommen diese Lieder
Jemals wieder dir zur Hand,
Sitze beim Claviere nieder,
Wo der Freund sonst bei dir stand.
Laß die Saiten rasch erklingen
Und dann sieh ins Buch hinein;
Nur nicht lesen! immer singen,
Und ein jedes Blatt ist dein!
Ach, wie traurig sieht in Lettern,
Schwarz auf weiß, das Lied mich an,
Das aus deinem Mund vergöttern,
Das ein Herz zerreißen kann!
Die Hochzeit
Im Dorfe war ein groß Gelag,
Man sagt’, es sei ein Hochzeittag.
Ich zwängte mich in den Schenkensaal,
Da drehten die Pärchen allzumal,
Ein jedes Mädchen mit seinem Wicht;
Da gab es manch verliebt Gesicht.
Nun fragt’ ich endlich nach der Braut.
Mir Einer starr in’s Angesicht schaut:
»Das mögt ihr von einem Andern hören!
Wir aber tanzen ihr zu Ehren;
Wir tanzen schon drei Tag und Nacht
Und hat noch Niemand an sie gedacht.«
Will Einer im Leben um sich schauen,
Dergleichen wird man ihm viel vertrauen.
Der Abschied
Laß mein Aug den Abschied sagen,
Den mein Mund nicht nehmen kann!
Schwer, wie schwer ist er zu tragen!
Und ich bin doch sonst ein Mann.
Traurig wird in dieser Stunde
Selbst der Liebe süßstes Pfand,
Kalt der Kuß von deinem Munde,
Matt der Druck von deiner Hand.
Sonst, ein leicht gestohlnes Mäulchen,
O wie hat es mich entzückt!
So erfreuet uns ein Veilchen,
Das man früh im März gepflückt.
Doch ich pflücke nun kein Kränzchen,
Keine Rose mehr für dich.
Frühling ist es, liebes Fränzchen,
Aber leider Herbst für mich!
Diné zu Coblenz
im Sommer 1774.
Zwischen Lavater und Basedow
Saß ich bei Tisch, des Lebens froh.
Herr Helfer, der war gar nicht faul,
Setzt sich auf einen schwarzen Gaul,
Nahm einen Pfarrer hinter sich
Und auf die Offenbarung strich,
Die uns Johannes der Prophet
Mit Räthseln wohl versiegeln thät;
Eröffnet’ die Siegel kurz und gut,
Wie man Theriaksbüchsen öffnen thut,
Und maß mit einem heiligen Rohr
Die Cubusstadt und das Perlenthor
Dem hocherstaunten Jünger vor.
Ich war indeß nicht weit gereis’t,
Hatte ein Stück Salmen aufgespeis’t.
Vater Basedow, unter dieser Zeit,
Packt einen Tanzmeister an seiner Seit’,
Und zeigt ihm, was die Taufe klar
Bei Christ und seinen Jüngern war;
Und daß sich’s gar nicht ziemet jetzt,
Daß man den Kindern die Köpfe netzt.
Drob ärgert sich der Andre sehr,
Und wollte gar nichts hören mehr
Und sagt’: es wüßte ein jedes Kind,
Daß es in der Bibel anders stünd’.
Und ich behaglich unterdessen
Hatt’ einen Hahnen aufgefressen.
Und wie nach Emmaus, weiter ging’s
Mit Geist- und Feuerschritten,
Prophete rechts, Prophete links,
Das Weltkind in der Mitten.
Die Käufer
Zu der Apfelverkäuferin
Kamen Kinder gelaufen,
Alle wollten kaufen;
Mit munterm Sinn
Griffen sie aus dem Haufen,
Beschauten mit Verlangen
Nah und näher rothbäckige Wangen.
Sie hörten den Preis
Und warfen sie wieder hin,
Als wären sie glühend heiß.
Was der für Käufer haben sollte,
Der Waare gratis geben wollte!
Sehnsucht (1802)
Was zieht mir das Herz so?
Was zieht mich hinaus?
Und windet und schraubt mich
Aus Zimmer und Haus?
Wie dort sich die Wolken
Um Felsen verziehn!
Da möcht’ ich hinüber,
Da möcht’ ich wohl hin!
Nun wiegt sich der Raben
Geselliger Flug;
Ich mische mich drunter
Und folge dem Zug.
Und Berg und Gemäuer
Umfittigen wir;
Sie weilet da drunten,
Ich spähe nach ihr.
Da kommt sie und wandelt;
Ich eile so bald,
Ein singender Vogel,
Zum buschichten Wald.
Sie weilet und horchet
Und lächelt mit sich:
„Er singet so lieblich
Und singt es an mich.“
Die scheidende Sonne
Verguldet die Höhn;
Die sinnende Schöne,
Sie läßt es geschehn,
Sie wandelt am Bache
Die Wiesen entlang,
Und finster und finstrer
Umschlingt sich der Gang.
Auf einmal erschein’ ich,
Ein blinkender Stern.
„Was glänzet da droben,
So nah und so fern?“
Und hast du mit Staunen
Das Leuchten erblickt:
Ich lieg’ dir zu Füßen,
Da bin ich beglückt!
Ob ich dich liebe, weiß ich nicht
Ob ich dich liebe, weiß ich nicht.
Seh ich nur einmal dein Gesicht,
Seh dir ins Auge nur einmal,
Frei wird mein Herz von aller Qual.
Gott weiß, wie mir so wohl geschicht!
Ob ich dich liebe, weiß ich nicht.
Der Junggesell und der Mühlbach
Gesell
Wo willst du, klares Bächlein, hin
So munter?
Du eilst mit frohem, leichtem Sinn
Hinunter.
Was suchst du eilig in dem Tal?
So höre doch und sprich einmal!
Bach
Ich war ein Bächlein, Junggesell;
Sie haben
Mich so gefaßt, damit ich schnell
Im Graben
Zur Mühle dort hinunter soll,
Und immer bin ich rasch und voll.
Gesell
Du eilest mit gelaßnem Mut
Zur Mühle,
Und weißt nicht, was ich junges Blut
Hier fühle.
Es blickt die schöne Müllerin
Wohl freundlich manchmal nach dir hin?
Bach
Sie öffnet früh beim Morgenlicht
Den Laden
Und kommt, ihr liebes Angesicht
Zu baden.
Ihr Busen ist so voll und weiß;
Es wird mir gleich zum Dampfen heiß.
Gesell
Kann sie im Wasser Liebesglut
Entzünden,
Wie soll man Ruh mit Fleisch und Blut
Wohl finden?
Wenn man sie einmal nur gesehn;
Ach! immer muß man nach ihr gehn.
Bach
Dann stürz ich auf die Räder mich
Mit Brausen,
Und alle Schaufeln drehen sich
Im Sausen.
Seitdem das schöne Mädchen schafft,
Hat auch das Wasser beßre Kraft.
Gesell
Du Armer, fühlst du nicht den Schmerz,
Wie andre?
Sie lacht dich an und sagt im Scherz:
Nun wandre!
Sie hielte dich wohl selbst zurück
Mit einem süßen Liebesblick?
Bach
Mir wird so schwer, so schwer vom Ort
Zu fließen:
Ich krümme mich nur sachte fort
Durch Wiesen;
Und käm es erst auf mich nur an,
Der Weg wär bald zurückgetan.
Gesell
Quelle meiner Liebesqual,
Ich scheide;
Du murmelst mir vielleicht einmal
Zur Freude.
Geh, sag ihr gleich und sag ihr oft,
Was still der Knabe wünscht und hofft.
Zu Regenschauer und Hagelschlag
Zu Regenschauer und Hagelschlag
Gesellt sich liebeloser Tag,
Da birgst du deinen Schimmer;
Ich klopf am Fenster, poch am Tor:
Komm, liebstes Seelchen, komm hervor!
Du bist so schön wie immer.
Soldatentrost
Nein! hier hat es keine Noth:
Schwarze Mädchen, weißes Brod!
Morgen in ein ander Städtchen!
Schwarzes Brod und weiße Mädchen.
Lied der Auswanderer
Bleiben, Gehen, Gehen, Bleiben,
Sei fortan dem Tücht’gen gleich;
Wo wir Nützliches betreiben,
Ist der wertheste Bereich.
Dir zu folgen wird ein Leichtes:
Wer gehorchet, der erreicht es;
Zeig’ ein festes Vaterland!
Heil dem Führer! Heil dem Band!
Du verteilest Kraft und Bürde
Und erwägst es ganz genau;
Giebst den Alten Ruh und Würde,
Jünglingen Geschäft und Frau.
Wechselseitiges Vertrauen
Wird ein reinlich Häuschen bauen,
Schließen Hof und Gartenzaun,
Auch der Nachbarschaft vertraun.
Wo an wohlgebahnten Straßen
Man in neuer Schenke weilt,
Wo dem Fremdling reichermaßen
Ackerfeld ist zugeteilt,
Siedeln wir uns an mit Andern.
Eilet, eilet, einzuwandern
In das neue Vaterland!
Heil dir Führer! Heil dir Band!
An die Günstigen
Dichter lieben nicht zu schweigen,
Wollen sich der Menge zeigen.
Lob und Tadel muß ja sein!
Niemand beichtet gern in Prosa;
Doch vertraun wir oft sub Rosa
In der Musen stillem Hain.
Was ich irrte, was ich strebte,
Was ich litt und was ich lebte,
Sind hier Blumen nur im Strauß;
Und das Alter wie die Jugend,
Und der Fehler wie die Tugend
Nimmt sich gut in Liedern aus.
Zeichen der Zeit
Hör auf die Worte harum horum:
Ex tenui spes seculorum.
Willst du die harum horum kennen,
Jetzt werden sie dir sich selber nennen.
An die Knappschaft zu Tarnowitz
Den 4. September 1790.
Fern von gebildeten Menschen, am Ende des Reiches, wer hilft euch
Schätze finden und sie glücklich zu bringen an’s Licht?
Nur Verstand und Redlichkeit helfen; es führen die beiden
Schlüssel zu jeglichem Schatz, welchen die Erde verwahrt.
Geistes-Gruß
Hoch auf dem alten Turme steht
Des Helden edler Geist,
Der, wie das Schiff vorübergeht,
Es wohl zu fahren heißt.
»Sieh, diese Sonne war so stark,
Dies Herz so fest und wild,
Die Knochen voll von Rittermark,
Der Becher angefüllt;
Mein halbes Leben stürmt ich fort,
Verdehnt die Hälft in Ruh,
Und du, du Menschenschifflein dort,
Fahr immer, immer zu!«
An die Erwählte
Hand in Hand! und Lipp auf Lippe!
Liebes Mädchen, bleibe treu!
Lebe wohl! und manche Klippe
Fährt dein Liebster noch vorbei;
Aber wenn er einst den Hafen,
Nach dem Sturme, wieder grüßt,
Mögen ihn die Götter strafen,
Wenn er ohne dich genießt.
Frisch gewagt ist schon gewonnen,
Halb ist schon mein Werk vollbracht!
Sterne leuchten mir wie Sonnen,
Nur dem Feigen ist es Nacht.
Wär ich müßig dir zur Seite,
Drückte noch der Kummer mich;
Doch in aller dieser Weite
Wirk ich rasch und nur für dich.
Schon ist mir das Tal gefunden,
Wo wir einst zusammen gehn
Und den Strom in Abendstunden
Sanft hinunter gleiten sehn.
Diese Pappeln auf den Wiesen,
Diese Buchen in dem Hain!
Ach, und hinter allen diesen
Wird doch auch ein Hüttchen sein.
Freibeuter
Mein Haus hat kein’ Thür’,
Mein’ Thür’ hat ke’ Haus;
Und immer mit Schätzel
Hinein und heraus.
Mei Küch hat ke’ Herd,
Mei Herd hat ke’ Küch;
Da bratet’s und siedet’s
Für sich und für mich.
Mei Bett hat ke’ G’stell,
Mei G’stell hat ke’ Bett.
Doch wüßt’ ich nit E’nen,
Der’s lustiger hätt’.
Mei Keller is hoch,
Mei Scheuer is tief,
Zu oberst zu unterst –
Da lag ich und schlief.
Und bin ich erwachen,
Da geht es so fort;
Mei Ort hat ke’ Bleibens,
Mei Bleibens ken’ Ort.
März
Es ist ein Schnee gefallen,
Denn es ist noch nicht Zeit,
Daß von den Blümlein allen,
Daß von den Blümlein allen
Wir werden hoch erfreut.
Der Sonnenblick betrüget
Mit mildem, falschem Schein,
Die Schwalbe selber lüget,
Die Schwalbe selber lüget,
Warum? Sie kommt allein.
Sollt ich mich einzeln freuen,
Wenn auch der Frühling nah?
Doch kommen wir zu zweien,
Doch kommen wir zu zweien,
Gleich ist der Sommer da.
Für Sie
»In deinem Liede walten
Gar manche schöne Namen!«
Sind mancherlei Gestalten,
Doch nur Ein Rahmen.
»Nun aber die Schöne,
Die dich am Herzen hegte?«
Jede kennt die Töne,
Die sie erregte.
D’r Erlekinni
Der Erlkönig
Wer ritt eso spoot durch Nacht un Wind?
Dis isch e Babbe mit sim Kind,
Er het sine Knäkes fescht an sich g’schniert,
Fur dass er net kejt un as er nit friert.
„Mon enfant, dü bisch eso bleich un blass?“
„Oh Babbe, luej emol dort in der Gass
Kummt der Erlekinni un will noch mer griffe.“
„Jo Plän, dis isch e Newelstriffe.“
„Min liewer Bue, kumm geh mit mir
Gar gfitzti jeux mach i mit dir,
Viel Blüemle wachse-n-am chemin d’halage,
Mini Mueder gitt der e Flade mit fromage.“
„Oh Babbe, i glaub dü bisch daub un blind,
Hörsch nit wie der Erlekinni redd’ mit dim Kind?“
„Sej ruewi, soit tranquille, halt d’Schnurr, min Bue,
Mit dine Plän haw i jetz ball genue.“
„Mon cher enfant, witt nit mit mer gehn,
Mini Döchter springe-n-un tanze scheen.
Sin allerti Maidle un gehen mit der nüs
Am Sunndaa uff Schilke zuem Baal ins Roth’ Hüs.“
„Luej Babbe, sich’sch nit Erlekinni’s Mamselle
Dort uf de Matte de Quadrille stelle?“
„Horch Krippel, dü fangsch an mich ze säije,
Der Wind duet nurre durch d’Hecke fäije.“
„Mon enfant, mich reizt dini scheeni G’stalt,
Un kumm’sch nit vun aase, no brüch i Gewalt.“
„Ach Babbe, ach Babbe, so hör doch min Klaaue,
Jetz packt mi der Erlkinni bim Kraaue.“
Der Babbe krejt d’Gänshüt un ritt was er kann;
Vor’m Hüs steht d’Mamme und passt uff ihr Mann.
„Denk“, saat er, „der Klein het der Erlkinni gsehn,
Wenn nurre dem Kind nix Leids isch g’schehn!“
D’Mamme lacht un het mit-em Finger gewunke:
„I maan als, Ihr zwei han viel ‚Neier‘ getrunke.“
Worte sind der Seele Bild
Worte sind der Seele Bild –
Nicht ein Bild! sie sind ein Schatten!
Sagen herbe, deuten mild,
Was wir haben, was wir hatten. –
Was wir hatten, wo ists hin?
Und was ists denn, was wir haben? –
Nun, wir sprechen! Rasch im Fliehn
Haschen wir des Lebens Gaben.
Den Zudringlichen
Was nicht zusammen geht, das soll sich meiden!
Ich hindr’ euch nicht, wo’s euch beliebt, zu weiden:
Denn ihr seid neu und ich bin alt geboren.
Macht, was ihr wollt; nur laßt mich ungeschoren!
Mignon
Nur wer die Sehnsucht kennt,
Weiß, was ich leide!
Allein und abgetrennt
Von aller Freude,
Seh ich ans Firmament
Nach jener Seite.
Ach, der mich liebt und kennt,
Ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt
Mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt,
Weiß, was ich leide!
Sehnsucht (1770)
Dies wird die letzte Trän’ nicht sein,
Die glühend Herz aufquillet,
Das mit unsäglich neuer Pein
Sich schmerzvermehrend stillet.
Oh! laß doch immer hier und dort
Mich ewig Liebe fühlen,
Und möcht’ der Schmerz auch also fort
Durch Nerv’ und Ader wühlen.
Könnt’ ich doch ausgefüllt einmal
Von dir, o Ew’ger, werden –
Ach, diese lange, tiefe Qual,
Wie dauert sie auf Erden!
Mit Pfeilen und Bogen
Mit Pfeilen und Bogen
Cupido geflogen,
Die Fackel in Brand,
Wollt mutilich kriegen
Und männilich siegen
Mit stürmender Hand.
Auf! Auf!
An! An!
Die Waffen erklirrten,
Die Flügelein schwirrten,
Die Augen entbrannt.
Da fand er die Busen
Ach leider so bloß,
Sie nahmen so willig
Den Knaben im Schoß.
Er schüttet die Pfeile
Zum Feuer hinein,
Sie herzten und drückten
Und wiegten ihn ein.
Hei ei o! Popeio!
Die glücklichen Gatten
Nach diesem Frühlingsregen,
Den wir so warm erfleht,
Weibchen, o sieh den Segen,
Der unsre Flur durchweht.
Nur in der blauen Trübe
Verliert sich fern der Blick;
Hier wandelt noch die Liebe,
Hier hauset noch das Glück.
Das Pärchen weißer Tauben,
Du siehst, es fliegt dorthin,
Wo um besonnte Lauben
Gefüllte Veilchen blühn.
Dort banden wir zusammen
Den allerersten Strauß,
Dort schlugen unsre Flammen
Zuerst gewaltig aus.
Doch als uns vom Altare,
Nach dem beliebten Ja,
Mit manchem jungen Paare
Der Pfarrer eilen sah,
Da gingen andre Sonnen
Und andre Monden auf,
Da war die Welt gewonnen
Für unsren Lebenslauf.
Und hunderttausend Siegel
Bekräftigen den Bund,
Im Wäldchen auf dem Hügel,
Im Busch am Wiesengrund,
In Höhlen, im Gemäuer
Auf des Geklüftes Höh,
Und Amor trug das Feuer
Selbst in das Rohr am See.
Wir wandelten zufrieden,
Wir glaubten uns zu zwei;
Doch anders wars beschieden,
Und sieh! wir waren drei;
Und vier und fünf und sechse,
Sie saßen um den Topf,
Und nun sind die Gewächse
Fast all uns übern Kopf.
Und dort in schöner Fläche
Das neugebaute Haus
Umschlingen Pappelbäche,
So freundlich siehts heraus.
Wer schaffte wohl da drüben
Sich diesen frohen Sitz?
Ist es, mit seiner Lieben,
Nicht unser braver Fritz?
Und wo im Felsengrunde
Der eingeklemmte Fluß
Sich schäumend aus dem Schlunde
Auf Räder stürzen muß:
Man spricht von Müllerinnen
Und wie so schön sie sind;
Doch immer wird gewinnen
Dort hinten unser Kind.
Doch wo das Grün so dichte
Um Kirch und Rasen steht,
Da, wo die alte Fichte
Allein zum Himmel weht,
Da ruhet unsrer Toten
Frühzeitiges Geschick
Und leitet von dem Boden
Zum Himmel unsern Blick.
Es blitzen Waffenwogen
Den Hügel schwankend ab;
Das Heer, es kommt gezogen,
Das uns den Frieden gab.
Wer mit der Ehrenbinde
Bewegt sich stolz voraus?
Er gleichet unserm Kinde!
So kommt der Karl nach Haus.
Den liebsten aller Gäste
Bewirtet nun die Braut;
Sie wird am Friedensfeste
Dem Treuen angetraute
Und zu den Feiertänzen
Drängt jeder sich herbei
Da schmückest du mit Kränzen
Der jüngsten Kinder drei.
Bei Flöten und Schalmeien
Erneuert sich die Zeit,
Da wir uns einst im Reihen
Als junges Paar gefreut.
Und in des Jahres Laufe
Die Wonne fühl ich schon!
Begleiten wir zur Taufe
Den Enkel und den Sohn.
Probatum est
A.
Man sagt: Sie sind ein Misantrop!
B.
Die Menschen haß ich nicht, gottlob!
Doch Menschenhaß, er blies mich an,
Da hab ich gleich dazu getan.
A.
Wie hat sichs denn so bald gegeben?
B.
Als Einsiedler beschloß ich zu leben.
Mamsell N N
Ihr Herz ist gleich
Dem Himmelreich;
Weil die geladnen Gäste
Nicht kamen,
Ruft sie zum Feste
Krüppel und Lahmen.
Äolsharfen
Gespräch
Er
Ich dacht, ich habe keinen Schmerz;
Und doch war mir so bang ums Herz,
Mir wars gebunden vor der Stirn
Und hohl im innersten Gehirn –
Bis endlich Trän auf Träne fließt,
Verhaltnes Lebewohl ergießt. –
Ihr Lebewohl war heitre Ruh,
Sie weint wohl jetzund auch wie du.
Sie
Ja, er ist fort, das muß nun sein!
Ihr Lieben, laßt mich nur allein;
Sollt ich euch seltsam scheinen,
Es wird nicht ewig währen!
Jetzt kann ich ihn nicht entbehren,
Und da muß ich weinen.
Er
Zur Trauer bin ich nicht gestimmt
Und Freude kann ich auch nicht haben:
Was sollen mir die reifen Gaben,
Die man von jedem Baume nimmt!
Der Tag ist mir zum Überdruß,
Langweilig ists, wenn Nächte sich befeuern;
Mir bleibt der einzige Genuß,
Dein holdes Bild mir ewig zu erneuern.
Und fühltest du den Wunsch nach diesem Segen,
Du kämest mir auf halbem Weg entgegen.
Sie
Du trauerst, daß ich nicht erscheine,
Vielleicht entfernt so treu nicht meine,
Sonst wär mein Bild im Geiste da.
Schmückt Iris wohl des Himmels Bläue?
Laß regnen, gleich erscheint die neue;
Du weinst! Schon bin ich wieder da.
Er
Ja, du bist wohl an Iris zu vergleichen!
Ein liebenswürdig Wunderzeichen;
So schmiegsam herrlich, bunt in Harmonie
Und immer neu und immer gleich wie sie.
Mit einem gemalten Band
Kleine Blumen, kleine Blätter
Streuen mir mit leichter Hand
Gute junge Frühlingsgötter
Tändelnd auf ein luftig Band.
Zephir, nimms auf deine Flügel,
Schlings um meiner Liebsten Kleid;
Und so tritt sie vor den Spiegel
All in ihrer Munterkeit.
Sieht mit Rosen sich umgeben,
Selbst wie eine Rose jung.
Einen Blick, geliebtes Leben!
Und ich bin belohnt genung.
Fühle, was dies Herz empfindet,
Reiche frei mir deine Hand,
Und das Band, das uns verbindet,
Sei kein schwaches Rosenband!
Immer und überall
Dringe tief zu Berges Grüften,
Wolken folge hoch in Lüften;
Muse ruft zu Bach und Tale
Tausend, aber tausendmale.
*
Sobald ein frisches Kelchlein blüht,
Es fordert neue Lieder;
Und wenn die Zeit verrauschend flieht,
Jahrszeiten kommen wieder.
Der Goldschmiedsgesell
Es ist doch meine Nachbarin
Ein allerliebstes Mädchen!
Wie früh ich in der Werkstatt bin,
Blick’ ich nach ihrem Lädchen.
Zu Ring’ und Kette poch’ ich dann
Die feinen goldnen Drähtchen.
Ach denk’ ich, wann, und wieder, wann
Ist solch ein Ring für Käthchen?
Und thut sie erst die Schaltern auf,
Da kommt das ganze Städtchen
Und feilscht und wirbt mit hellem Hauf
Um’s Allerlei im Lädchen.
Ich feile, wohl zerfeil’ ich dann
Auch manches goldne Drähtchen.
Der Meister brummt, der harte Mann!
Er merkt, es war das Lädchen.
Und flugs, wie nur der Handel still,
Gleich greift sie nach dem Rädchen.
Ich weiß wohl, was sie spinnen will:
Es hofft das liebe Mädchen.
Das kleine Füßchen tritt und tritt;
Da denk’ ich mir das Wädchen,
Das Strumpfband denk’ ich auch wohl mit,
Ich schenkt’s dem lieben Mädchen.
Und nach den Lippen führt der Schatz
Das allerfeinste Fädchen.
O, wär’ ich doch an seinem Platz,
Wie küßt’ ich mir das Mädchen.
Totalität
Ein Kavalier von Kopf und Herz
Ist überall willkommen;
Er hat mit seinem Witz und Scherz
Manch Weibchen eingenommen;
Doch wenn’s ihm fehlt an Faust und Kraft,
Wer mag ihn dann beschützen?
Und wenn er keinen Hintern hat,
Wie mag der Edle sitzen?
Symbole
Im Vatikan bedient man sich
Palmsonntags ächter Palmen;
Die Cardinäle beugen sich
Und singen alte Psalmen.
Dieselben Psalmen singt man auch
Oelzweiglein in den Händen,
Muß im Gebirg zu diesem Brauch
Stechpalmen gar verwenden;
Zuletzt, man will ein grünes Reis,
So nimmt man Weidenzweige,
Damit der Fromme Lob und Preis
Auch im Geringsten zeige.
Und habt ihr euch das wohl gemerkt,
Gönnt man euch das Bequeme,
Wenn ihr im Glauben euch bestärkt;
Das sind Mythologeme.
Antiepirrhema
So schauet mit bescheidnem Blick
Der ewigen Weberin Meisterstück,
Wo ein Tritt tausend Fäden regt,
Die Schifflein hinüber, herüber schießen,
Die Fäden sich begegnend fließen.
Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt!
Das hat sie nicht zusammengebettelt,
Sie hats von Ewigkeit angezettelt;
Damit der ewige Meistermann
Getrost den Einschlag werfen kann.
Weltseele
Verteilet euch nach allen Regionen
Von diesem heilgen Schmaus!
Begeistert reißt euch durch die nächsten Zonen
Ins All und füllt es aus!
Schon schwebet ihr in ungemeßnen Fernen
Den selgen Göttertraum,
Und leuchtet neu, gesellig, unter Sternen
Im lichtbesäten Raum.
Dann treibt ihr euch, gewaltige Kometen,
Ins Weit und Weitr hinan;
Das Labyrinth der Sonnen und Planeten
Durchschneidet eure Bahn.
Ihr greifet rasch nach umgeformten Erden
Und wirket schöpfrisch jung,
Daß sie belebt und stets belebter werden
Im abgemeßnen Schwung.
Und kreisend führt ihr in bewegten Lüften
Den wandelbaren Flor
Und schreibt dem Stein in allen seinen Grüften
Die festen Formen vor.
Nun alles sich mit göttlichem Erkühnen
Zu übertreffen strebt;
Das Wasser will, das unfruchtbare, grünen,
Und jedes Stäubchen lebt.
Und so verdrängt mit liebevollem Streiten
Der feuchten Qualme Nacht;
Nun glühen schon des Paradieses Weiten
In überbunter Pracht.
Wie regt sich bald, ein holdes Licht zu schauen,
Gestaltenreiche Schar,
Und ihr erstaunt, auf den beglückten Auen,
Nun als das erste Paar,
Und bald verlischt ein unbegrenztes Streben
Im selgen Wechselblick.
Und so empfangt mit Dank das schönste Leben
Vom All ins All zurück.
Die Bekehrte
Bei dem Glanze der Abendröte
Ging ich still den Wald entlang,
Damon saß und blies die Flöte,
Daß es von den Felsen klang,
So la la!
Und er zog mich, ach, an sich nieder,
Küßte mich so hold, so süß.
Und ich sagte: Blase wieder!
Und der gute Junge blies,
So la la!
Meine Ruhe ist nun verloren,
Meine Freude floh davon,
Und ich höre vor meinen Ohren
Immer nur den alten Ton,
So la la, le ralla!
usw.
Nachtgesang
O gib, vom weichen Pfühle,
Träumend, ein halb Gehör!
Bei meinem Saitenspiele
Schlafe! was willst du mehr?
Bei meinem Saitenspiele
Segnet der Sterne Heer
Die ewigen Gefühle;
Schlafe! was willst du mehr?
Die ewigen Gefühle
Heben mich, hoch und hehr,
Aus irdischem Gewühle;
Schlafe! was willst du mehr?
Vom irdischen Gewühle
Trennst du mich nur zu sehr,
Bannst mich in diese Kühle;
Schlafe! was willst du mehr?
Bannst mich in diese Kühle,
Gibst nur im Traum Gehör.
Ach, auf dem weichen Pfühle
Schlafe! was willst du mehr?
Die Poesie
Gott sandte seinen rohen Kindern
Gesetz und Ordnung, Wissenschaft und Kunst,
Begabte die mit aller Himmelsgunst,
Der Erde grasses Loos zu mindern.
Sie kamen nackt vom Himmel an
Und wußten sich nicht zu benehmen;
Die Poesie zog ihnen Kleider an
Und Keine hatte sich zu schämen.
Legende vom Hufeisen
Als noch, verkannt und sehr gering,
Unser Herr auf der Erden ging
Und viele Jünger sich zu ihm fanden,
Die sehr selten sein Wort verstanden,
Liebt er sich gar über die Maßen,
Seinen Hof zu halten auf der Straßen,
Weil unter des Himmels Angesicht
Man immer besser und freier spricht.
Er ließ sie da die höchsten Lehren
Aus seinem heiligen Munde hören;
Besonders durch Gleichnis und Exempel
Macht’ er einen jeden Markt zum Tempel.
So schlendert er in Geistes Ruh
Mit ihnen einst einem Städtchen zu,
Sah etwas blinken auf der Straß’,
Das ein zerbrochen Hufeisen was.
Er sagte zu Sankt Peter drauf:
,Heb doch einmal das Eisen auf!’
Sankt Peter war nicht aufgeräumt,
Er hatte soeben im Gehen geträumt,
So was vom Regiment der Welt,
Was einem jeden wohlgefällt:
Denn im Kopf hat das keine Schranken;
Das waren so seine liebsten Gedanken.
Nun war der Fund ihm viel zu klein,
Hätte müssen Kron und Zepter sein;
Aber wie sollt er seinen Rücken
Nach einem halben Hufeisen bücken?
Er also sich zur Seite kehrt
Und tut, als hätte er’s nicht gehört.
Der Herr, nach seiner Langmut, drauf
Hebt selber das Hufeisen auf
Und tut auch weiter nicht dergleichen.
Als sie nun bald die Stadt erreichen,
Geht er vor eines Schmiedes Tür,
Nimmt von dem Mann drei Pfennig dafür.
Und als sie über den Markt nun gehen,
Sieht er daselbst schöne Kirschen stehen,
Kauft ihrer so wenig oder so viel,
Als man für einen Dreier geben will,
Die er sodann nach seiner Art
Ruhig im Ärmel aufbewahrt.
Nun ging’s zum andern Tor hinaus,
Durch Wies und Felder ohne Haus,
Auch war der Weg von Bäumen bloß;
Die Sonne schien, die Hitz war groß,
So daß man viel an solcher Stätt
Für einen Trunk Wasser gegeben hätt.
Der Herr geht immer voraus vor allen,
Läßt unversehens eine Kirsche fallen.
Sankt Peter war gleich dahinter her,
Als wenn es ein goldener Apfel wär;
Das Beerlein schmeckte seinem Gaum.
Der Herr, nach einem kleinen Raum,
Ein ander Kirschlein zur Erde schickt,
Wonach Sankt Peter schnell sich bückt.
So läßt der Herr ihn seinen Rücken
Gar vielmal nach den Kirschen bücken.
Das dauert eine ganze Zeit.
Dann sprach der Herr mit Heiterkeit:
„Tätst du zur rechten Zeit dich regen,
Hättst du’s bequemer haben mögen.
Wer geringe Dinge wenig acht’t,
Sich um geringere Mühe macht.“
Die Braut von Korinth
Nach Korinthus von Athen gezogen
Kam ein Jüngling, dort noch unbekannt.
Einen Bürger hofft’ er sich gewogen;
Beide Väter waren gastverwandt,
Hatten frühe schon
Töchterchen und Sohn
Braut und Bräutigam voraus genannt.
Aber wird er auch willkommen scheinen,
Wenn er teuer nicht die Gunst erkauft?
Er ist noch ein Heide mit den Seinen,
Und sie sind schon Christen und getauft.
Keimt ein Glaube neu,
Wird oft Lieb’ und Treu
Wie ein böses Unkraut ausgerauft.
Und schon lag das ganze Haus im stillen,
Vater, Töchter, nur die Mutter wacht;
Sie empfängt den Gast mit bestem Willen,
Gleich ins Prunkgemach wird er gebracht.
Wein und Essen prangt,
Eh er es verlangt;
So versorgend wünscht sie gute Nacht.
Aber bei dem wohlbestellten Essen
Wird die Lust der Speise nicht erregt;
Müdigkeit läßt Speis’ und Trank vergessen,
Daß er angekleidet sich aufs Bette legt;
Und er schlummert fast,
Als ein seltner Gast
Sich zur offnen Tür herein bewegt.
Denn er sieht, bei seiner Lampe Schimmer
Tritt, mit weißem Schleier und Gewand,
Sittsam still ein Mädchen in das Zimmer,
Um die Stirn ein schwarz- und goldnes Band.
Wie sie ihn erblickt,
Hebt sie, die erschrickt,
Mit Erstaunen eine weiße Hand.
Bin ich, rief sie aus, so fremd im Hause,
Daß ich von dem Gaste nichts vernahm?
Ach, so hält man mich in meiner Klause!
Und nun überfällt mich hier die Scham.
Ruhe nur so fort
Auf dem Lager dort,
Und ich gehe schnell, so wie ich kam.
Bleibe, schönes Mädchen! ruft der Knabe,
Rafft von seinem Lager sich geschwind:
Hier ist Ceres’, hier ist Bacchus’ Gabe,
Und du bringst den Amor, liebes Kind!
Bist vor Schrecken blaß!
Liebe, komm und laß,
Laß uns sehn, wie froh die Götter sind!
Ferne bleib, o Jüngling! bleibe stehen,
Ich gehöre nicht den Freuden an.
Schon der letzte Schritt ist, ach! geschehen
Durch der guten Mutter kranken Wahn,
Die genesend schwur:
Jugend und Natur
Sei dem Himmel künftig untertan.
Und der alten Götter bunt Gewimmel
Hat sogleich das stille Haus geleert.
Unsichtbar wird Einer nur im Himmel
Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt;
Opfer fallen hier,
Weder Lamm noch Stier,
Aber Menschenopfer unerhört.
Und er fragt und wäget alle Worte,
Deren keines seinem Geist entgeht.
Ist es möglich, daß am stillen Orte
Die geliebte Braut hier vor mir steht?
Sei die Meine nur!
Unsrer Väter Schwur
Hat vom Himmel Segen uns erfleht.
Mich erhälst du nicht, du gute Seele!
Meiner zweiten Schwester gönnt man dich.
Wenn ich mich in stiller Klause quäle,
Ach! in ihren Armen denk an mich,
Die an dich nur denkt,
Die sich liebend kränkt;
In die Erde bald verbirgt sie sich.
Nein! bei dieser Flamme sei’s geschworen,
Gütig zeigt sie Hymen uns voraus,
Bist der Freude nicht und mir verloren,
Kommst mit mir in meines Vaters Haus.
Liebchen, bleibe hier!
Feire gleich mit mir
Unerwartet unsern Hochzeitschmaus!
Und schon wechseln sie der Treue Zeichen:
Golden reicht sie ihm die Kette dar,
Und er will ihr eine Schale reichen,
Silbern, künstlich, wie nicht eine war.
Die ist nicht für mich;
Doch, ich bitte dich,
Eine Locke gib von deinem Haar.
Eben schlug dumpf die Geisterstunde,
Und nun schien es ihr erst wohl zu sein.
Gierig schlürfte sie mit blassem Munde
Nun den dunkel blutgefärbten Wein;
Doch vom Weizenbrot,
Das er freundlich bot,
Nahm sie nicht den kleinsten Bissen ein.
Und dem Jüngling reichte sie die Schale,
Der, wie sie, nun hastig lüstern trank.
Liebe fordert er beim stillen Mahle;
Ach, sein armes Herz war liebekrank.
Doch sie widersteht,
Wie er immer fleht,
Bis er weinend auf das Bette sank.
Und sie kommt und wirft sich zu ihm nieder:
Ach, wie ungern seh’ ich dich gequält;
Aber, ach! berührst du meine Glieder,
Fühlst du schaudernd, was ich dir verhehlt.
Wie der Schnee so weiß,
Aber kalt wie Eis
Ist das Liebchen, das du dir erwählt.
Heftig faßt er sie mit starken Armen,
Von der Liebe Jugendkraft durchmannt:
Hoffe doch bei mir noch zu erwarmen,
Wärst du selbst mir aus dem Grab gesandt!
Wechselhauch und Kuß!
Liebesüberfluß!
Brennst du nicht und fühlest mich entbrannt?
Liebe schließet fester sie zusammen,
Tränen mischen sich in ihre Lust;
Gierig saugt sie seines Mundes Flammen,
Eins ist nur im andern sich bewußt.
Seine Liebeswut
Wärmt iht starres Blut;
Doch es schlägt kein Herz in ihrer Brust.
Unterdessen schleichet auf dem Gange
Häuslich spät die Mutter noch vorbei,
Horchet an der Tür und horchet lange,
Welch ein sonderbarer Ton es sei:
Klag- und Wonnelaut
Bräutigams und Braut
Und des Liebestammelns Raserei.
Unbeweglich bleibt sie an der Türe,
Weil sie erst sich überzeugen muß,
Und sie hört die höchsten Liebesschwüre,
Lieb’ und Schmeichelworte mit Verdruß–
Still! der Hahn erwacht!–
Aber morgen Nacht
Bist du wieder da? – und Kuß auf Kuß.
Länger hält die Mutter nicht das Zürnen,
Öffnet das bekannte Schloß geschwind:
Gibt es hier im Hause solche Dirnen,
Die dem Fremden gleich zu Willen sind?–
So zur Tür hinein.
Bei der Lampe Schein
Sieht sie – Gott! sie sieht ihr eigen Kind.
Und der Jüngling will im ersten Schrecken
Mit des Mädchens eignem Schleierflor,
Mit dem Teppich die Geliebte decken;
Doch sie windet gleich sich selbst hervor.
Wie mit Geists Gewalt
Hebet die Gestalt
Lang und langsam sich im Bett empor.
Mutter! Mutter! spricht sie hohle Worte,
So mißgönnt ihr mir die schöne Nacht!
Ihr vertreibt mich von dem warmen Orte,
Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht?
Ist’s Euch nicht genug,
Daß ins Leichentuch,
Daß Ihr früh mich in das Grab gebracht?
Aber aus der schwerbedeckten Enge
Treibet mich ein eigenes Gericht.
Eurer Priester summende Gesänge
Und ihr Segen haben kein Gewicht;
Salz und Wasser kühlt
Nicht, wo Jugend fühlt;
Ach! die Erde kühlt die Liebe nicht.
Dieser Jüngling war mir erst versprochen,
Als noch Venus’ heitrer Tempel stand.
Mutter, habt Ihr doch das Wort gebrochen,
Weil ein fremd, ein falsch Gelübd’ Euch band!
Doch kein Gott erhört,
Wenn die Mutter schwört,
Zu versagen ihrer Tochter Hand.
Aus dem Grabe werd’ ich ausgetrieben,
Noch zu suchen das vermißte Gut,
Noch den schon verlornen Mann zu lieben
Und zu saugen seines Herzens Blut.
Ist’s um den geschehn,
Muß nach andern gehn,
Und das junge Volk erliegt der Wut.
Schöner Jüngling! kannst nicht länger leben;
Du versiechest nun an diesem Ort.
Meine Kette hab’ ich dir gegeben;
Deine Locke nehm’ ich mit mir fort.
Sieh sie an genau!
Morgen bist du grau,
Und nur braun erscheinst du wieder dort.
Höre, Mutter, nun die letzte Bitte:
Einen Scheiterhaufen schichte du;
Öffne meine bange kleine Hütte,
Bring in Flammen Liebende zu Ruh;
Wenn der Funke sprüht,
Wenn die Asche glüht,
Eilen wir den alten Göttern zu.
Rettung
Mein Mädchen ward mir ungetreu,
Das machte mich zum Freudenhasser;
Da lief ich an ein fließend Wasser,
Das Wasser lief vor mir vorbei.
Da stand ich nun verzweifelnd, stumm,
Im Kopfe war mirs wie betrunken,
Fast wär ich in den Strom gesunken,
Es ging die Welt mit mir herum.
Auf einmal hör ich was, das rief –
Ich wandte just dahin den Rücken –
Es war ein Stimmchen zum Entzücken:
»Nimm dich in acht, der Fluß ist tief.«
Da lief mir was durchs ganze Blut,
Ich seh, so ists ein liebes Mädchen;
Ich frage sie: Wie heißt du? »Käthchen!«
O schönes Käthchen! Du bist gut.
Du hältst vom Tode mich zurück,
Auf immer dank ich dir mein Leben;
Allein das heißt mir wenig geben,
Nun sei auch meines Lebens Glück!
Und dann klagt ich ihr meine Not,
Sie schlug die Augen lieblich nieder;
Ich küßte sie und sie mich wieder,
Und – vor der Hand nichts mehr von Tod.
Wolkenbildung
Stratus
Wenn von dem stillen Wasserspiegel-Plan
Ein Nebel hebt den flachen Teppich an,
Der Mond, dem Wallen des Erscheins vereint,
Als ein Gespenst Gespenster bildend scheint,
Dann sind wir alle, das gestehn wir nur,
Erquickt’, erfreute Kinder, o Natur!
Dann hebt sichs wohl am Berge, sammelnd breit,
An Streife Streifen, so umdüsterts weit
Die Mittelhöhe, beidem gleich geneigt,
Obs fallend wässert oder luftig steigt.
Cumulus
Und wenn darauf zu höhrer Atmosphäre
Der tüchtige Gehalt berufen wäre,
Steht Wolke hoch, zum herrlichsten geballt,
Verkündet, festgebildet, Machtgewalt,
Und, was ihr fürchtet und auch wohl erlebt,
Wie’s oben drohet, so es unten bebt.
Cirrus
Doch immer höher steigt der edle Drang!
Erlösung ist ein himmlisch leichter Zwang.
Ein Aufgehäuftes, flockig löst sichs auf,
Wie Schäflein tripplend, leicht gekämmt zuhauf.
So fließt zuletzt, was unten leicht entstand,
Dem Vater oben still in Schoß und Hand.
Nimbus
Nun laßt auch niederwärts, durch Erdgewalt
Herabgezogen, was sich hoch geballt,
In Donnerwettern wütend sich ergehn,
Heerscharen gleich entrollen und verwehn! –
Der Erde tätig leidendes Geschick!
Doch mit dem Bilde hebet euren Blick.–
Die Rede geht herab, denn sie beschreibt;
Der Geist will aufwärts, wo er ewig bleibt.
Stiftungslied
Was gehst du, schöne Nachbarin,
Im Garten so allein?
Und wenn du Haus und Felder pflegst,
Will ich dein Diener sein.
Mein Bruder schlich zur Kellnerin
Und ließ ihr keine Ruh.
Sie gab ihm einen frischen Trunk
Und einen Kuß dazu.
Mein Vetter ist ein kluger Wicht,
Er ist der Köchin hold.
Den Braten dreht er für und für
Um süßen Minnesold.
Die Sechse, die verzehrten dann
Zusammen ein gutes Mahl,
Und singend kam ein viertes Paar
Gesprungen in den Saal.
Willkommen! und Willkommen auch
Fürs wackere fünfte Paar,
Das voll Geschicht’ und Neuigkeit
Und frischer Schwänke war.
Noch blieb für Rätsel, Witz und Geist
Und feine Spiele Platz;
Ein sechstes Pärchen kam heran,
Gefunden war der Schatz.
Doch eines fehlt’ und fehlte sehr,
Was doch das Beste tut:
Ein zärtlich Pärchen schloß sich an,
Ein treues – nun wars gut.
Gesellig feiert fort und fort
Das ungestörte Mahl,
Und eins im andern freue sich
Der heilgen Doppelzahl.
Lauf der Welt
Als ich ein junger Geselle war,
Lustig und guter Dinge,
Da hielten die Maler offenbar
Mein Gesicht für viel zu geringe;
Dafür war mir manch schönes Kind
Dazumal von Herzen treu gesinnt.
Nun ich hier als Altmeister sitz’,
Rufen sie mich aus auf Straßen und Gassen,
Zu haben bin ich, wie der alte Fritz,
Auf Pfeifenköpfen und Tassen.
Doch die schönen Kinder, die bleiben fern;
O Traum der Jugend! o goldner Stern!
Dornburg, September 1828
Früh, wenn Tal, Gebirg und Garten
Nebelschleiern sich enthüllen,
Und dem sehnlichsten Erwarten
Blumenkelche bunt sich füllen,
Wenn der Äther, Wolken tragend,
Mit dem klaren Tage streitet,
Und ein Ostwind, sie verjagend,
Blaue Sonnenbahn bereitet,
Dankst du dann, am Blick dich weidend,
Reiner Brust der Großen, Holden,
Wird die Sonne, rötlich scheidend,
Rings den Horizont vergolden.
Wahrer Genuß
Umsonst daß du, ein Herz zu lenken,
Des Mädchens Schooß mit Golde füllst;
Der Liebe Freuden laß dir schenken,
Wenn du sie wahr empfinden willst.
Gold kauft die Stimmen großer Haufen,
Kein einzig Herz erwirbt es dir:
Doch willst du dir ein Mädchen kaufen,
So geh und gieb dich selbst dafür.
Soll dich kein heilig Band umgeben,
O Jüngling, schränke selbst dich ein!
Man kann in wahrer Freiheit leben
Und doch nicht ungebunden sein.
Laß nur für Eine dich entzünden;
Und ist ihr Herz von Liebe voll,
So laß die Zärtlichkeit dich binden,
Wenn dich die Pflicht nicht binden soll.
Empfinde, Jüngling! und dann wähle
Ein Mädchen dir, sie wähle dich,
Von Körper schön und schön von Seele,
Und dann bist du beglückt, wie ich.
Ich, der ich diese Kunst verstehe,
Ich habe mir ein Kind gewählt,
Daß uns zum Glück der schönsten Ehe
Allein des Priesters Segen fehlt.
Für nichts besorgt als meine Freude,
Für mich nur schön zu sein bemüht,
Wollüstig nur an meiner Seite,
Und sittsam wenn die Welt sie sieht;
Daß unsrer Gluth die Zeit nicht schade,
Räumt sie kein Recht aus Schwachheit ein,
Und ihre Gunst bleibt immer Gnade,
Und ich muß immer dankbar sein.
Ich bin genügsam und genieße
Schon da, wenn sie mir zärtlich lacht,
Wenn sie bei Tisch des Liebsten Füße
Zum Schemel ihrer Füße macht,
Den Apfel den sie angebissen,
Das Glas woraus sie trank, mir reicht,
Und mir bei halb geraubten Küssen
Den sonst verdeckten Busen zeigt.
Und wenn in stillgesell’ger Stunde
Sie einst mit mir von Liebe spricht,
Wünsch’ ich nur Worte von dem Munde,
Nur Worte, Küsse wünsch’ ich nicht.
Welch ein Verstand, der sie beseelet,
Mit immer neuem Reiz umgiebt!
Sie ist vollkommen, und sie fehlet
Darin allein, daß sie mich liebt.
Die Ehrfurcht wirft mich ihr zu Füßen,
Die Sehnsucht mich an ihre Brust.
Sieh, Jüngling! dieses heißt genießen,
Sei klug und suche diese Lust.
Der Tod führt einst von ihrer Seite
Dich auf zum englischen Gesang,
Dich zu des Paradieses Freude,
Und du fühlst keinen Uebergang.
Ich besänftge mein Herz
Ich besänftge mein Herz, mit süßer Hoffnung ihm schmeichelnd.
Eng ist das Leben fürwahr, aber die Hoffnung ist weit.
Musen und Grazien in der Mark
O, wie ist die Stadt so wenig;
Laßt die Maurer künftig ruhn!
Unsre Bürger, unser König
Könnten wohl was Besser’s thun.
Ball und Oper wird uns tödten;
Liebchen, komm auf meine Flur,
Denn besonders die Poeten,
Die verderben die Natur.
O, wie freut es mich, mein Liebchen,
Daß du so natürlich bist;
Unsre Mädchen, unsre Bübchen,
Spielen künftig auf dem Mist!
Und auf unsern Promenaden
Zeigt sich erst die Neigung stark.
Liebes Mädchen! laß uns waten,
Waten noch durch diesen Quark.
Dann im Sand uns zu verlieren,
Der uns keinen Weg versperrt!
Dich den Anger hin zu führen,
Wo der Dorn das Röckchen zerrt!
Zu dem Dörfchen laß uns schleichen,
Mit dem spitzen Thurme hier;
Welch ein Wirthshaus sonder gleichen!
Trocknes Brod und saures Bier!
Sagt mir nichts von gutem Boden,
Nichts vom Magdeburger Land!
Unsre Samen, unsre Todten,
Ruhen in dem leichten Sand.
Selbst die Wissenschaft verlieret
Nichts an ihrem raschen Lauf;
Denn bei uns, was vegetiret,
Alles keimt getrocknet auf.
Geht es nicht in unserm Hofe
Wie im Paradiese zu?
Statt der Dame, statt der Zofe
Macht die Henne Glu! glu! glu!
Uns beschäftigt nicht der Pfauen,
Nur der Gänse Lebenslauf;
Meine Mutter zieht die grauen,
Meine Frau die weißen auf.
Laß den Witzling uns besticheln!
Glücklich, wenn ein deutscher Mann
Seinem Freunde Vetter Micheln
Guten Abend bieten kann.
Wie ist der Gedanke labend:
Solch ein Edler bleibt uns nah!
Immer sagt man: Gestern Abend
War doch Vetter Michel da!
Und in unsern Liedern keimet
Sylb’ aus Sylbe, Wort aus Wort.
Ob sich gleich auf deutsch nichts reimet,
Reimt der Deutsche dennoch fort.
Ob es kräftig oder zierlich,
Geht uns so genau nicht an;
Wir sind bieder und natürlich,
Und das ist genug gethan.
Genialisch Treiben
So wälz ich ohne Unterlaß
Wie Sankt Diogenes mein Faß.
Bald ist es Ernst, bald ist es Spaß;
Bald ist es Lieb, bald ist es Haß;
Bald ist es dies, bald ist es das;
Es ist ein Nichts und ist ein Was.
So wälz ich ohne Unterlaß
Wie Sankt Diogenes mein Faß.
Bin so in Lieb zu ihr versunken
Bin so in Lieb zu ihr versunken,
Als hätt ich von ihrem Blut getrunken.