223. An Goethe.
Jena den 14. October 1796.
Endlich habe ich alle Speditions-Arbeit mir vom Halse geschafft, um eine neue, wiewohl lustigere zu beginnen. Ohne kleine Confusionen ist es freilich nicht abgegangen, doch sind sie zum Glück von keiner Bedeutung, und das Ganze ist doch glücklich beendigt. Möchte nun nicht ganz weggeworfene Arbeit sein, was wir körperlich und geistig daran gewendet haben. Doch so was belohnt sich zum Glück, wie das Kindermachen, von selbst.
Gestern war Blumenbach hier und auch bei mir. Nach dem, was neulich von ihm gesprochen worden, wunderte ich mich nicht wenig, die Aeußerung von ihm zu hören: »er preise sich glücklich, daß er die Wissenschaft, an der er mit ganzer Seele hänge, als Beruf betreiben dürfe.« Auch Lavater ist hier, ich hab’ ihn aber nicht gesehen. An Paulus, den er kürzlich etwas gröblich behandelte, schrieb er ein Billet, und bittet um eine Zusammenkunft. Machen Sie sich in Weimar auf ihn gefaßt . Die Mereau ist wieder hier. Von ihr hab’ ich Ihnen was zu erzählen.
Leben Sie recht wohl. Lassen Sie mich bald wieder etwas von Ihnen hören. Alles grüßt.
Sch.
224. An Schiller.
Sie erhalten hierbei auch die Rechnung, mit der Abschrift der einzelnen Quittungen, und so wäre auch das berichtigt. Die 95 Rthlr. 9 Gr. Ueberschuß wünschte ich für Rechnung Herrn Cotta’s inne zu behalten, indem er uns doch zu unserer Italiänischen Expedition Zwischenzahlungen auf das Honorar der Horen versprochen hat. Wegen der hier gebundenen Exemplarien liegt eine Berechnung bei. Können Sie mir beiliegenden, nur halbgedruckten Bogen gegen einen vollkommenen auswechseln, so wird noch eins gebunden und wir sind vollkommen richtig. Ich schicke Ihnen das erste Holländische zurück und eins von meinen Velin, dagegen ich mir zwei geringe genommen habe. Ebenso folgt auch eine Lage die zu viel war.
Auch hat man mir noch Abdrücke der Decke geschickt, die sich, ich weiß nicht wo, versteckt hatten. Ich hoffe Sie sollen nun genug haben; auf alle Fälle läßt sich dieser Mangel am leichtesten ersetzen; ich werde die Platte zu mir nehmen.
Weiter wüßte ich nun nichts, und wünsche diesem Werke gut zu fahren. Im Ganzen finde ich nur einerlei Wirkung: jedermann findet sich vom Phänomen frappirt und jedermann nimmt sich zusammen, um mit anscheinender Liberalität und mehr oder weniger erzwungenem Behagen darüber zu sprechen, und geben Sie einmal acht, ob das nicht meist der Fall sein wird.
Für die sonderbare Nachricht, daß der Prophet in Jena sei, danke ich aufs beste. Ich werde mich seiner zu enthalten suchen und bin sehr neugierig auf das was Sie von ihm sagen werden. Blumenbach war auch bei mir; er hatte einen sehr interessanten Mumienkopf bei sich.
Wenn die Conferenz zwischen dem Propheten und Paulus zu Stande kommt, so zieht der Letzte wahrscheinlich den Kürzern und muß sich noch bedanken, daß er beleidigt worden ist. Es kostet dem Propheten nichts sich bis zur niederträchtigsten Schmeichelei erst zu assimiliren, um seine herrschsüchtigen Klauen nachher desto sichrer einschlagen zu können.
Sagen Sie mir doch etwas von der Geschichte der kleinen Schönheit.
Ein Heft Cellini ohngefähr zwölf Bogen Manuscript kommt bald; alsdann giebt es noch zwei Abtheilungen die ich gleich hintereinander vornehmen will, da ich mich völlig unfähig fühle etwas anders zu thun. Die zwei armen letzten Gesänge werden noch eine Zeit im Limbo verweilen müssen. Es ist wirklich eine Art der fürchterlichsten Prosa hier in Weimar, wovon man außerdem nicht wohl einen Begriff hätte.
Ich lege auch das letzte Buch meines Romans bei, da mir die letzten Bogen des siebenten Buchs fehlen. Wahrscheinlich hat Unger sie, nach seiner löblichen Gewohnheit, durch Einschlag geschickt und sie liegen, ich weiß nicht wo. Sobald die guten Exemplare kommen, erhalten Sie eins davon.
Gestern ist meine Freitags-Gesellschaft wieder angegangen; ich werde sie aber wohl nur alle 14 Tage halten und dazu einladen lassen. Leben Sie recht wohl und grüßen Sie alles.
Weimar den 15. October 1796.
G.
Noch etwas: können Sie mir nicht über einen gewissen Hauptmann Rösch aus Stuttgart einige Nachricht geben? vielleicht haben Sie ihn persönlich gekannt. Von seinen guten Kenntnissen sind wir informirt; es wäre jetzt hauptsächlich von seiner Person, seinem Charakter und übrigem Wesen die Rede.
225. An Goethe.
Jena den 16. October 1796.
Hier erfolgen endlich zwei Monatstücke Horen; gestern wurden sie mir von Leipzig geschickt. Der Buchhändler Böhme, an den ich die Almanache geliefert, schreibt mir zugleich den Empfang der zwei ersten Ballen, und daß alle Exemplarien die ich vorräthig bei ihm niedergelegt (es sind etwa vier und vierzig, ohne die rohen Exemplare) schon vergriffen seien. Dieß ist wirklich viel, denn es ging zugleich eine ansehnliche Partie Exemplare für mehr als fünfzehn Leipziger Buchhändler mit, die also nicht zugereicht hat. Es muß ein fürchterliches Reißen darum sein und wir werden wohl auf eine zweite Auflage denken müssen.
Böhme hat nun in einem dritten Ballen zwei hundert fünf und zwanzig broschirte und wieder eine Anzahl roher Exemplare erhalten. Sobald er mir schreibt, daß diese über zwei Drittheile abgesetzt sei, so will ich zur neuen Auflage Anstalten machen lassen. Die Post ist so schlecht mit dem zweiten Ballen umgegangen, daß die Nässe einige Dutzend Exemplare verdorben haben soll. Es ist dieß der Ballen, den Gabler gepackt hat; der meinige ist wohlbehalten angelangt.
Sie müssen doch das neue Stück vom Journal Deutschland lesen. Das Insect hat das Stechen wieder nicht lassen können. Wirklich, wir sollten es noch zu Tode hetzen, sonst ist keine Ruhe vor ihm. Gegen den Cellini hat er seinen bösen Willen ausgeübt, und um Sie zu chicaniren die Stellen angepriesen, auch zum Theil extrahirt, die Sie ausgelassen haben etc. Von dem Aufsatz der Staël spricht er mit größter Verachtung.
Mit Lavatern habe ich Sie vorgestern unnützerweise fürchten gemacht. Es ist sein Bruder gewesen, der hier war.
Reichardt soll auch in Leipzig sein; Niethammer und Paulus aber haben ihn nicht gesehen. Schlegel ist noch in Leipzig, wo sich die Herzen vermuthlich gegen einander ergießen werden.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
(Den 17. October .)
Eben erhalt’ ich einen recht schönen Brief von Körner über den Almanach. Sie sollen ihn morgen erhalten, wo ich auch noch sechs Horen zu senden habe.
226. An Schiller.
Beiliegendes Paket war schon vorgestern Abend beisammen, ich lege noch das Heft Cellini bei, welches indessen fertig geworden. Sie sehen es ja wohl noch einmal durch und lassen es abschreiben.
Aus dem Propheten ist ein Prophetenkind geworden, das ich aber auch nicht zu sehen wünsche, da ich, nach dem erhabenen Beispiel des Judengottes, meinen Zorn bis in die vierte Generation behalte.
Die drei ersten Gesänge des neuen Gedichtes sind nun so ziemlich durchgearbeitet, ich werde nunmehr an den vierten gehen. Alle vier zusammen werden etwa 1400 Hexameter haben, so daß, mit den zwei letzten Gesängen, das Gedicht wohl auf 2000 anwachsen kann.
Auch werden Fisch’ und Vögel anatomirt, und geht alles neben einander seinen alten Gang. Leben Sie recht wohl und lassen Sie mich bald hören daß Sie leidlich gesund und fleißig sind.
Weimar den 18. October 1796.
G.
227. An Goethe.
Hier sende ich Ihnen Körners Brief, der bei der Unbedeutenheit und Flachheit des gewöhnlichen Urtheils ein recht tröstlicher Laut ist. Senden Sie ihn mir, sobald Sie ihn gelesen, zurück.
Ich habe mir nicht gemerkt, wie viel Exemplare der Horen von jedem Monat und jeder Sorte ich Ihnen gestern gesendet, und kann darum heute den Rest nicht nachsenden.
Humboldts schrieben neulich, daß sie mit Ende dieser Woche von Berlin abreisen, sich unterwegs zehn Tage aufhalten und etwa den 1sten November hier eintreffen würden.
Von den Xenien habe weiter nichts erfahren. Schlegel, der wieder angekommen, war zu kurze Zeit in Leipzig, da er auch einen Abstecher nach Dessau gemacht, um viel erfahren zu können. Bei seiner Zurückkunft von Dessau, sagt er, hätten sie schon sehr in Leipzig rumort.
Ich höre, daß man unter andern auch die Herzogin in W. unter der zierlichen Jungfrau versteht.
Das Xenion: »Wieland! Wie reich ist dein Geist etc.« halten einige für eine Satyre auf Wieland und auf die neue Ausgabe! u.s.f. Leben Sie wohl . Man unterbricht mich.
Jena den 18. October 1796.
Sch.
228. An Schiller.
Recht vielen Dank für den überschickten Körnerischen Brief. Eine so wahrhaft freundschaftliche und doch so kritisch motivirte Theilnahme ist eine seltne Erscheinung. Ich will gedachte Blätter noch einige Tage behalten um verschiedne Gedichte, die ich noch nicht einmal gelesen habe, bei dieser Gelegenheit anzusehen. Grüßen Sie den Freund recht vielmals und danken ihm auch von mir; sagen Sie ihm etwas von meinem neuen Gedichte und versichern Sie ihm, daß ich mich freue es dereinst in seinen Händen zu sehen.
Den Spitz von Gibichenstein müssen wir nun eine Weile bellen lassen bis wir ihn einmal wieder tüchtig treffen. Ãœberhaupt aber sind alle Oppositions-Männer, die sich aufs negiren legen und gern dem was ist etwas abrupfen möchten, wie jene Bewegungsleugner zu behandeln: man muß nur unabläßig vor ihren Augen gelassen auf und abgehen.
Hinter seinem Anpreisen der ausgelassenen Stellen des Cellini, fürchte ich, steckt was anders. Da er das Original hat, fürchte ich, übersetzt er die fehlenden Stellen und läßt das Ganze nachdrucken, denn er ist zu allem fähig. Ich will daher die zwei letzten Lieferungen, die ohnedem zusammen gehören, erst ins künftige Jahr geben, mein Manuscript indessen completiren und eine vollständige Ausgabe ankündigen: denn das Gefrage darnach ist sehr stark und die zerstreute Lectüre im Journal macht schon jedermann ungeduldig.
Wenn Sie an Boie schreiben so fragen Sie ihn doch ob er mir die englische Ãœbersetzung, die ich von ihm durch Eschenburg habe, überlassen will. Ich will gern bezahlen was sie kostet und noch ein Exemplar meiner Ãœbersetzung, wenn sie einmal ganz herauskommt, versprechen.
Auf Humboldts Ankunft freue ich mich recht sehr. Sobald er da ist, besuche ich Sie wohl einmal, wenn es auch nur ein Tag ist.
Vom siebenten und achten Stück haben Sie mir von jedem zwei Exemplare, eins auf bläulichem, eins auf gelblichem Papier geschickt. Ich bitte bald um die übrigen, denn man quält mich gewaltig darum.
Leben Sie recht wohl; grüßen Sie alles und sagen Sie mir bald daß Sie eine neue Arbeit angefangen haben.
Weimar den 19. October 1796.
G.
Könnten Sie mir nicht ein fünftes Stück der Horen von diesem Jahr, von welcher Papiersorte es auch sei, noch überlassen?
Mein Pack Dienstag mit der fahrenden Post ist doch angekommen?
229. An Goethe.
Jena den 19. October 1796.
Mit dem heutigen Paket haben Sie mir eine recht unverhoffte Freude gemacht. Ich fiel auch gleich über das achte Buch des Meisters her und empfing aufs neue die ganze volle Ladung desselben. Es ist zum Erstaunen, wie sich der epische und philosophische Gehalt in demselben drängt. Was innerhalb der Form liegt, macht ein so schönes Ganze , und nach außen berührt sie das unendliche, die Kunst und das Leben. In der That kann man von diesem Roman sagen: er ist nirgends beschränkt als durch die rein ästhetische Form, und wo die Form darin aufhört, da hängt er mit dem unendlichen zusammen. Ich möchte ihn einer schönen Insel vergleichen, die zwischen zwei Meeren liegt.
Ihre Veränderungen finde ich zureichend und vollkommen in dem Geist und Sinne des Ganzen. Vielleicht, wenn das neue gleich mit dem alten entstanden wäre, möchten Sie hie und da mit Einem Strich geleistet haben, was jetzt mit mehrern geschieht; aber das kann wohl keinem fühlbar werden, der es zum erstenmal in seiner jetzigen Gestalt liest. Meine Grille mit etwas deutlicherer Pronunciation der Hauptidee abgerechnet, wüßte ich nun in der That nichts mehr, was vermißt werden könnte. Stünde indessen nicht Lehrjahre auf dem Titel, so würde ich den didaktischen Theil in diesem achten Buch für fast zu überwiegend halten. Mehrere philosophische Gedanken haben jetzt offenbar an Klarheit und Faßlichkeit gewonnen.
In der unmittelbaren Scene nach Mignons Tod fehlt nun auch nichts mehr, was das Herz in diesem Augenblick fordern kann; nur hätte ich gewünscht, daß der Uebergang zu einem neuen Interesse mit einem neuen Capitel möchte bezeichnet worden sein.
Der Markese ist jetzt recht befriedigend eingeführt. Der Graf macht sich vortrefflich. Jarno und Lothario haben bei Gelegenheit der neuen Zusätze auch an Interesse gewonnen.
Nehmen Sie nun zu der glücklichen Beendigung dieser großen Krise meinen Glückwunsch an, und lassen Sie uns nun bei diesem Anlaß horchen, was für ein Publicum wir haben.
Für die überschickten Rechnungen danke ich. Mit dem Geld werde ich’s nach Ihrem Sinn arrangiren; ohnehin haben Sie für Ihren Antheil an dem Almanach ja 24 Louisdors gut, und noch mehr, wenn wir eine zweite Auflage erleben. Auch für den Cellini danke ich bestens. Das Schiff kann nun wieder flott gemacht werden. Vor einem Augenblick ist auch ein historischer Aufsatz von Funk angelangt.
Den Major Rösch kenne ich, und noch spezieller kennt ihn mein Schwager. Außer seinen mathematischen, taktischen und architektonischen Kenntnissen, worin er aber sehr vorzüglich ist, ist er freilich sehr beschränkt und ungebildet. Er hat viel gemeines und pedantisches und so wacker er als Lehrer ist, so wenig kann ihn sein übriger Anstand und sein Geschmack in einem Kreise, worin man Welt verlangt, empfehlen. Uebrigens ist er ein braver und sanfter Mann mit dem gut zu leben ist, und seine Schwachheiten belustigen mehr als daß sie drücken .
Sch.
230. An Schiller.
Die Exemplare des letzten Bandes sind endlich angekommen und ich schicke gleich hier ein Halbdutzend
für Sie,
Loder ,
Justizrath Hufeland,
Hofrath Hufeland,
Griesbach und
Humboldt.
Auch folgt der Körnerische Brief, den ich mit vielem Vergnügen mit den Gedichten verglichen habe. Ich wünsche bald zu erfahren, was er über den Roman sagt. Leben Sie recht wohl. Ich arbeite jetzt nur, um diese paar Monate zu überstehen und die ungünstige Zeit der kurzen Tage und des traurigen Wetters nicht ganz unnütz zu verleben .
Weimar den 22. October 1796.
G.
231. An Goethe.
Jena den 23. October 1796.
Herzlichen Dank für den Meister, der mich noch oft erquicken und beleben soll. Die vier andern Exemplare habe ich abgeliefert; aber Sie schreiben von sechsen, und ich habe deren nur fünf erhalten. Das Humboldtische fehlt noch.
Dieser ist von unserm Almanach nicht wenig überrascht worden und hat recht darin geschwelgt; auch die Xenien haben den heitern Eindruck auf ihn gemacht, den wir wünschen. Es ist mir wieder eine angenehme Entdeckung, daß der Eindruck des Ganzen doch jedem liberaleren Gemüth gefällig und ergötzlich ist. In Berlin, schreibt er, sei zwar großes Reißen darnach, aber doch habe er nichts, weder interessantes noch kurzweiliges darüber erfahren. Die Meisten kämen entweder mit moralischen Gemeinplätzen angestochen, oder sie belachen alles ohne Unterschied wie eine literarische Hatze. Unter den vordern Stücken die er noch nicht kannte hat die Eisbahn von Ihnen und die Musen in der Mark ihn vorzüglich erfreut; von mir die Geschlechter, der Besuch und vor den Tabulis votivis hat er, wie auch Genz, einen großen Respect; aber eine Auseinandersetzung unsres beiderseitigen Eigenthums an diesen gemeinschaftlichen Productionen findet er sehr schwer. Von den Xenien schreibt er, daß sie sämmtlich Ihnen in die Schuhe geschoben würden, worin man in Berlin noch mehr durch Hufeland bestärkt worden sei, der behauptet habe, alle von Ihrer Hand gelesen zu haben.
Sonst habe ich neuerdings nichts von dem Almanach gehört, und denke, wir werden auch nur zu bald inne werden, wie wenig jetzt auf einen allgemeinen Sinn bei dem Publicum zu rechnen ist.
Humboldt hofft in acht Tagen hier sein zu können. Ich freue mich darauf, wieder eine Weile mit ihm zu leben. Stolbergen, schreibt er, habe er in Eutin nicht gefunden, weil er gerade in Kopenhagen gewesen sei, und von Claudius wisse er durchaus nichts zu sagen, er sei eine völlige Null .
Ihre Schweizer Briefe interessiren jeden , der sie liest, und ich bin ordentlich froh, daß ich Ihnen diese habe abjagen können. Es ist auch wahr, sie geben ein ungemein lebendiges Bild der Gegenwart, aus der sie floßen, und ohne ein kunstmäßiges Entstehen stellen sie sich recht natürlich und geschickt in ein Ganzes zusammen.
Der Beschluß Meisters hat meine Schwägerin sehr gerührt, und ich finde auch hier meine Erwartung von dem, was den Haupteffect macht bestätigt. Immer ist es doch das Pathetische, was die Seele zuerst in Anspruch nimmt; erst späterhin vereinigt sich das Gefühl zum Genuß des ruhigen Schönen. Mignon wird wahrscheinlich bei jedem ersten und auch zweiten Lesen die tiefste Furche zurücklassen; aber ich glaube doch, daß es Ihnen gelungen sein wird, wornach Sie strebten – diese pathetische Rührung in eine schöne aufzulösen.
Wie lieb ist mir’s, daß Sie bald wieder auf einige Tage kommen wollen. Jetzt, nachdem ich die Arbeit mit dem Almanach abgeworfen, bedarf ich eines neuen lebendigen Interesse so sehr. Zwar habe ich den Wallenstein vorgenommen, aber ich gehe noch immer darum herum, und warte auf eine mächtige Hand, die mich ganz hinein wirft. Die Jahrszeit drückt mich wie Sie und ich meine oft, mit einem heitern Sonnenblick müßte es gehen.
Leben Sie aufs beste wohl. Ich muß Sie noch bitten mir sowohl von dem Kupferstecher als von dem Buchbinder die Almanachsrechnung besonders aufsetzen zu lassen; ich sende Mittwoch die ganze Rechnung an Cotta, und wünschte deßwegen jeden Beleg besonders zu haben. Das, was für den Hirtischen Aufsatz ist, ist er ja wohl so gut noch besonders aufzusetzen, und beides, so wie auch der Buchbinder, zu quittiren.
Leben Sie recht wohl. Alles grüßt,
Sch.
232. An Goethe.
Jena den 25. October 1796.
Nur einen Gruß für heute, zur Begleitung dieser Zwiebacke, welche Ihnen meine Frau schickt. Wir hoffen, Sie sind, so wie wir, durch das heutige freundliche Wetter wieder aufgeheitert worden.
Ich sende hier den Rest des Hirtischen Aufsatzes, wenn Sie etwa einen leeren Augenblick dazu anwenden wollten. Sie senden ihn wohl Sonnabend durch das Botenmädchen wieder.
Nun mahnt es mich doch, für etwas zu sorgen, wodurch der zweite Jahrgang der Horen brillant beschlossen würde: denn von dem Erfolg des nächsten Abonnement scheint das fernere Schicksal der Horen abzuhängen. Noch seh’ ich nichts vor mir und von dem Himmel ist in diesen zwei Jahren so wenig gefallen, daß ich kein sonderliches Vertrauen zu diesen zufälligen Gaben habe. In der That müssen wir der schrecklichen Schwere des Hirtischen Aufsatzes etwas entgegen setzen.
Wenn Sie doch noch so ein Paket Briefe fänden, wie die aus der Schweiz; alle Redactionsarbeit nähme ich Ihnen mit Freuden ab.
Von Neuigkeiten weiß ich nichts zu berichten. Schlegel erzählt, daß der Herzog von Gotha über die Xenien sehr ungehalten sei und zwar wegen Schlichtegrolls, den er sehr hoch halte. Auch hör’ ich, daß sich Schütz, der Recension unsers Almanachs wegen, nicht zu rathen und zu helfen wisse . Ich glaub’ es wohl.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
233. An Schiller.
Die Schachtel der Zwiebacke kommt hier mit vielem Danke zurück. Ich habe statt dieser Speise ein paar Stück des philosophischen Journals hineingelegt, die ich doppelt habe und die ich Niethammern wieder zu geben bitte.
Den Hirtischen Aufsatz finde ich nicht; er wird wohl nachkommen.
An das letzte Stück der Horen dieses Jahres wie an die ersten des folgenden habe ich auch schon gedacht; es ist mir aber leider noch kein Rath erschienen. Was ich von alten Sachen habe, hat keine rechte Gestalt und ist eigentlich verlegene Waare. Das Tagebuch meiner Reise von Weimar bis Rom, meine Briefe von dorther, und was sonst allenfalls davon unter meinen Papieren liegt, könnte nur durch mich redigirt werden; und dann hat alles, was ich in dieser Epoche aufgeschrieben, mehr den Charakter eines Menschen der einem Druck entgeht, als der in Freiheit lebt, eines Strebenden, der erst nach und nach gewahr wird, daß er den Gegenständen, die er sich zuzueignen denkt, nicht gewachsen ist, und der am Ende seiner Laufbahn erst fühlt, daß er erst jetzt fähig wäre von vorn anzufangen. Zu einer absichtlichen Composition umgearbeitet würden solche Actenstücke wohl einigen Werth erlangen; aber so in ihrer lieben Natur sind sie gar zu naiv.
Mit dem Weimarischen Publicum bin ich im Ganzen wegen des Almanachs ziemlich zufrieden, doch ist der Gang immer eben derselbe: die Xenien verkaufen die Tabulas votivas und was sonst gutes und ernsthaftes in dem Büchlein stehen mag. Daß man nicht überall mit uns zufrieden sein sollte, war ja die Absicht, und daß man in Gotha ungehalten ist, ist recht gut; man hat dort mit der größten Gemüthsruhe zugesehen, wenn man mir und meinen Freunden höchst unartig begegnete; und da das literarische Faustrecht noch nicht abgeschafft ist, so bedienen wir uns der reinen Befugniß uns selbst Recht zu verschaffen, und den nekrologischen Schnabel zu verrufen, der unserm armen Moritz, gleich nach dem Tode, die Augen aushackte. Ich erwarte nur daß mir jemand was merken läßt, da ich mich denn so lustig und artig als möglich expectoriren werde.
Ich wünsche sehr zu hören daß der Wallenstein Sie ergriffe; es würde Ihnen und dem deutschen Theater recht wohl bekommen.
Ich habe diese Tage angefangen die Eingeweide der Thiere näher zu betrachten , und wenn ich hübsch fleißig fortfahre, so hoff ich diesen Winter diesen Theil der organischen Natur recht gut durchzuarbeiten. Leben Sie recht wohl. Ich wünsche gar sehr Sie bald wieder zu sehen.
Weimar den 26. October 1796.
G.
234. An Goethe.
Jena den 28. October 1796.
Sie erhalten hier das neunte Horenstück, sechs Exemplare für Sie, eins für den Herzog, eins für Meyern. Inlage an Herdern und Knebeln bitte abgeben zu lassen.
Heute Vormittag ist Fr. v. Humboldt mit ihren Kindern hier angekommen. Er ist noch in Halle bei Wolfen, und wird in drei Tagen hier sein.
Humboldts waren noch in den letzten Tagen, als unser Almanach dahin kam, in Berlin. Er soll gewaltiges Aufsehen da gemacht haben. Nicolai nennt ihn den Furien-Almanach. Zöllner und Biester sollen ganz entzückt darüber sein. (Sie sehen, daß es uns mit Biestern gelungen ist.) Dieser findet die Xenien noch viel zu mäßig geschrieben. Ein anderer meinte, jetzt wäre noch eine Landplage mehr in der Welt, weil man sich jedes Jahr vor dem Almanach zu fürchten habe. Meyer, der Poet, meinte, wir beide hätten einander in den Xenien selbst heruntergerissen, und ich habe das Distichon: Wohlfeile Achtung pag. 221 auf Sie gemacht!!
Woltmann war gestern bei mir und wollte wissen, daß Wieland von den Xenien gesagt habe: Er bedaure nur, daß Voß darin gelobt sei, weil so viel andere ehrliche Leute mißhandelt wären. Woltmann glaubt steif und fest, daß mit dem nekrologischen Raben, der hinter Wieland krächze, niemand als Böttiger gemeint sei.
Endlich ist denn der erste gedruckte Angriff auf die Xenien geschehen, und wenn alle dem gleich sind, so haben wir freilich nichts dabei zu thun. Dieser Angriff steht in – dem Reichsanzeiger. Schütz hat ihn mir communicirt: er besteht aus einem Distichon, wo aber der Pentameter – vor dem Hexameter steht. Sie können sich nichts erbärmlichers denken. Die Xenien werden hämisch gescholten.
Die jungen Nepoten hat Schlegel noch nicht heraus. Er fragte uns heute wieder darnach.
Was Sie aber belustigen wird ist ein Artikel in dem neuen Leipziger Intelligenzblatt, welches in Folio herauskommt. Hier hat ein ehrlicher Anonymus sich der Horen gegen Reichardt angenommen. Zwar sind beide nicht genannt, aber unverkennbar bezeichnet. Er rügt es sehr scharf, daß dieser Herausgeber von zwei Journalen das erste in dem andern unverschämt lobe, und gegen ein andres Journal einen schändlichen Neid blicken lasse. Vor jetzt wolle er es bei diesem Winke bewenden lassen; aber er droht ihm hart zu Leib zu rücken, wenn dieser Wink nichts fruchte.
Für heute sei es mit diesen Novitäten genug. Wir sind hier ganz wohl auf; ich rücke langsam in meiner Arbeit fort.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
Den Voßischen Almanach hab’ ich gesehen. Er ist miserable.
235. An Schiller.
Ich bin genöthigt auf einige Tage nach Ilmenau zu gehen und danke nur noch geschwind für die übersendeten Horen. Es ist lustig daß wir durch Humboldt den Rumor erfahren, den der Almanach in Berlin macht; er wird nun auch erzählen können wie es in Halle aussieht. Sobald ich wieder komme, besuche ich Sie. Gotha ist auch in großer Bewegung über unsere Verwegenheit. Hierbei ein Blättchen Distichen vom Prinzen August , der die Sache noch artig genug nimmt. Der Hirtische Aufsatz kommt hier zurück. So füge ich auch die Kupferplatte bei. Ein schönes Glück wär’s wenn mir in Ilmenau noch ein Stück des epischen Gedichts gelänge; die große Einsamkeit scheint etwas zu versprechen.
Meyer hat wieder geschrieben; seine Copie ist fertigt, er geht nun an fernere Beschreibung der Alterthümer. Leben Sie recht wohl und schreiben mir nur immer hierher; man schickt mir die Briefe nach. Grüßen Sie Humboldts vielmal und Ihre liebe Frau. Mich verlangt recht Sie bald wieder zu sehen.
Weimar den 29. October 1796.
G.
236. An Goethe.
Jena den 31. October 1796.
Ich begrüße Sie in Ihrem einsamen Thal und wünsche, daß Ihnen die holdeste aller Musen da begegnen möge. Wenigstens können Sie dort das Städtchen Ihres Hermanns finden, und einen Apotheker oder ein grünes Haus mit Stuccatorarbeit gibt es dort wohl auch.
Körner hat mir heute über Ihren Meister geschrieben. Ich lege seinen Brief bei; er wird Sie in Ihrer Einsamkeit nicht übel stimmen.
Von Leipzig habe ich auch wieder einen Brief, worin man meldet, daß die sämmtlichen Exemplarien, welche ich vorräthig hingesandt, vergriffen seien, und dringend um neue schreibt. Es sind nämlich außer denen für Cotta und seinen District 900–1000 Exemplare in Paketen an bestimmte Buchhandlungen verpackt worden, und außer diesen habe ich nach und nach 435 an den Commissionär geschickt, wenn etwa nachgefordert würden. Diese letztern sind also weg, und so ist es wahrscheinlich genug, daß jene, die in Paketen verschickt worden, nicht retour kommen werden. Selbst die schadhaften sind bis auf ein einziges Exemplar verkauft. Ich habe deßwegen alles was ich noch hier habe, zusammengesucht und auch an Mlle. Vulpius geschrieben, mir, wenn sie dazu kommen kann, die bei Ihnen noch vorräthig liegenden auf Druckpapier zu senden. Alles zusammen möchte kaum 73 Exemplare betragen, und also schwerlich zureichen, weil mir der Commissionär schreibt, daß noch sehr viel bestellt sei. Deßwegen habe ich heute an Cotta geschrieben und ihn zu einer neuen Auflage ermuntert, die ich hier, sowohl des Risico als der lästigen Besorgung wegen, nicht gern veranstalten mag. Es ist seine Sache, er mag sich also rathen, und der Zeitgewinn von zwölf bis vierzehn Tagen ist so beträchtlich nicht.
Die Gothaischen Epigramme sind zwar noch ganz liberal ausgefallen, aber ich gestehe doch, daß mir diese Art, unsre Sache zu nehmen, gerade die allerfatalste ist. Es blickt nichts daraus hervor, als eine Schonung der Leerheit und Flachheit, und ich weiß nichts impertinenteres, als von einer Seite dem Erbärmlichen nachzulaufen, und dann, wenn jemand demselben zu Leibe geht, zu thun, als ob man es bloß geduldet hätte – erst es dem Guten entgegen zu setzen, und dann sich zu stellen, als ob es grausam wäre, es mit demselben vergleichen zu wollen. Der Pentameter:
Unser Wasser erfrischt etc.
ist merkwürdig, und ganz erstaunlich expressiv für diese ganze Klasse. Leben Sie recht wohl und denken Sie unserer mit Liebe. Humboldt ist noch nicht hier. Alles grüßt Sie aufs beste.
Sch.
237. An Goethe.
Jena den 2. November 1796.
Nur einen kleinen Gruß für heute. Humboldt ist gestern angekommen; er empfiehlt sich Ihnen aufs beste und freut sich gar sehr auf Sie. Er ist wohl und heiter, seine Frau aber, die schwanger ist, befindet sich nicht zum besten. Wenig hätte gefehlt, so wäre er mit Reichardt hier angekommen; er hat ihm nur durch List entgehen können. Reichardt wird in vierzehn Tagen hier sein; wie er sagt, um Friedrich Schlegeln von hier weg nach Gibichenstein zu nehmen. Das heiß ich recht vom Teufel geholt werden.
Er soll sich bei den Xenien sehr sentimentalisch benehmen und weil ihm Schlegel versichert, Sie hätten keinen Antheil an denen, die auf ihn gehen, so soll er sehr getröstet sein, und Humboldt meint, Sie wären vor seinem Besuch keineswegs sicher. Er glaube, bei Ihnen noch immer was zu gelten. Auch hat er Ihre Stücke im Almanach sehr gelobt gegen Humboldt. Sie haben also Ihre Absicht mit ihm vor der Hand noch nicht erreicht, wie es scheint: er ist und bleibt vor der Welt Ihr Freund, wenigstens in seinen Augen, und wird sich auch wahrscheinlich jetzt mehr als je dafür auszugeben suchen.
In Halle soll Wolf und besonders Eberhard mit den Xenien sehr zufrieden sein, selbst Klein, der Verwandte Nicolais. Mehrere Particularitäten mündlich, weil ich heute einen starken Posttag habe.
Dreißig Stücke des Almanachs hat man mir von Ihrem Hause heute richtig gesendet.
Leben Sie wohl; wir alle grüßen Sie.
Sch.
238. An Schiller.
Ihre beiden Briefe, werthester Freund, habe ich erst spät in Ilmenau erhalten, wohin, wie nach Cimmerien, die Boten langsam gehen, die Sonne selten in dieser Jahrszeit dringt, der Almanach aber doch früh genug den Weg gefunden hat. Ich stehe vorerst dabei stille, daß wir mit beiden Werklein im Ganzen den gehörigen Effect gethan haben; einzelne Aeußerungen können dem Autor selten wohlthun. Man steht denn doch am Ziel, es mag nahe oder fern gesteckt sein, wenn einen der Leser gewahr wird. Nun kommen sie, gehen, rennen und trippeln auch wohl herbei, andere bleiben unterweges stehen, andere kehren gar um, andere winken und verlangen man solle wieder zu ihnen zurückkehren, ins platte Land, aus dem man sich mit so vieler Mühe herausgearbeitet. So muß man die allgemeine Aufmerksamkeit für das Resultat nehmen und sich ganz im Stillen mit denjenigen freuen, die uns Neigung und Einsicht endlich am reinsten nähert; so habe ich Ihnen das nähere Verhältnis zu Körnern und Humboldt zu verdanken, welches mir in meiner Lage höchst erquicklich ist.
Durch die unmittelbare Berührung mit den Gebürgen und durch das Voigtische Mineralienkabinet bin ich diese Zeit her wieder in das Steinreich geführt worden. Es ist mir sehr lieb, daß ich so zufälligerweise diese Betrachtungen erneuert habe, ohne welche denn doch die berühmte Morphologie nicht vollständig werden würde. Ich habe diesmal diesen Naturen einige gute Ansichten abgewonnen, die ich gelegentlich mittheilen werde.
Sonst habe ich aber auch nicht den Saum des Kleides einer Muse erblickt, ja selbst zur Prosa habe ich mich untüchtig gefunden, und weder Production noch Reproduction ließ sich im geringsten spüren. Das weitere müssen wir nun geduldig erwarten. Wann ich Sie sehen kann, weiß ich noch nicht; in der ersten Zeit darf ich von hier nicht weg; vielleicht komme ich nur einmal auf einen Tag, um Humboldts zu begrüßen und manches zu besprechen. Leben Sie recht wohl und grüßen alles was Sie umgiebt. Das Exemplar für Humboldt liegt hier bei.
Weimar den 12. November 1796.
G.
239. An Goethe.
Jena den 13. November 1796.
Es ist mir ein rechter Trost, Sie wieder in unserer Nähe zu wissen; noch nie ist mir eine Trennung von Ihnen so lang vorgekommen wie die jetzige, obgleich ich weniger als sonst mich allein befunden habe. Ich freue mich, wenn Sie mir Ihre neuen Entdeckungen für die Morphologie mittheilen; die poetische Stunde wird schon schlagen.
Hier ist in Ihrer Abwesenheit nichts neues vorgefallen; auch aus der literarischen Welt habe ich nichts in Erfahrung gebracht. Hier des Coadjutors Brief, die Xenien betreffend; Sie sehen daraus, daß man viel sündigen kann, wenn man sich nur erst in einen recht moralischen Ruf gesetzt hat.
An der neuen Auflage des Almanachs wird eben jetzt hier in Jena gedruckt; denn eine reifere Ueberlegung hat mich doch veranlaßt, dieses Geschäft lieber hier gleich vornehmen zu lassen, als in Tübingen; Göpferdt hat sich verbindlich gemacht, mit Anfang Decembers damit fertig zu sein. Ich werde Ihnen nächste Woche Papier zu der Decke senden, davon wir jetzt, außer den vorräthigen Abdrücken, noch vierhundert fünfundzwanzig neue brauchen. Auch habe ich die Boltische Kupferplatte der Terpsichore hier, wovon doch wohl auch in Weimar die nöthigen Abdrücke gemacht werden können.
Ich habe in dieser Zeit die Quellen zu meinem Wallenstein fleißig studirt, und in der Oekonomie des Stücks einige nicht unbedeutende Fortschritte gewonnen. Je mehr ich meine Ideen über die Form des Stücks rectificire, desto ungeheurer erscheint mir die Masse, die zu beherrschen ist, und wahrlich, ohne einen gewissen kühnen Glauben an mich selbst würde ich schwerlich fortfahren können.
Haben Sie Böttigers Schrift über Iffland, so bitte ich Sie, sie uns zu schicken. Man erzählt so viel närrisches davon; besonders soll ein Brief von der Frau Charlotte darin zu finden sein.
Noch lege ich Ihnen ein Blättchen Hexameter (!) bei, welche in Breslau von einem Champion des Herrn Manso, gegen Sie oder mich, gemacht worden sind. Es ist doch sonderbar, daß unsere bisherigen Angreifer im Silbenmaße schon verunglücken.
Alexander von Humboldt soll über die Xenien recht entzückt sein, sagt mir sein Bruder. Das ist doch wieder eine neue Natur, die sich diesen Stoff assimiliren kann.
Leben Sie recht wohl. Es grüßt Sie alles aufs beste: Humboldts, die für den Meister herzlich danken, sehnen sich, Sie zu sehen. Alles ist wohl bei mir.
Sch.
240. An Schiller.
Die Actenstücke, die ich heute von Ihnen erhalte, kommen sogleich zurück. Bei dem einen ist es wirklich merkwürdig daß unsere Gegner bis jetzt das Element nicht finden können, worin wir uns bewegen; bei dem andern zeigt sich eine gewisse höhere Vorstellungsart, die denn auch ganz gut ist; sähe nur nicht die Neigung zu dem erquicklichen Wasser auch hier so klar mit durch.
Die oberdeutsche Literaturzeitung lege ich bei und bitte mir sie bald zurück. Eine solche leichte, oberflächliche, aber wohlmeinende Behandlung des Ganzen ist nicht unerwünscht. Der Recensent ist wenigstens von vorn bis hinten À son aise, ein Fall in dem nicht jeder sein möchte. Die Druckfehler in den angeführten Gedichten sind lustig genug.
Das verlangte Buch folgt auch. Ein solches Flick- und Lappenwerk ist nicht leicht erschienen. Wenn Künstler und Kunstwerke sich nicht immer, wie die Bleimännchen, wieder von selbst auf die Beine stellten, so müßten sie durch solche Freunde für ewig mit dem Kopf in den Quark gepflanzt werden. Bei der Ohnmacht des Verfassers ist es auffallend wie er sich durch gewisse Stiche selbst seinem eignen Helden formidabel machen will. Sein böser Wille gegen Sie leuchtet aus mehrern Stellen hervor. Ich habe einen boshaften Einfall wie man ihn, durch eine sophistische Wendung, in Tort setzen und ihn auf seinem eignen Grund und Boden schlagen könnte. Wenn der Spaß Ihren Beifall hat, so führe ich ihn aus; er ist, wie mich dünkt, sans replique, wie jener vom literarischen Sanscülottismus. Doch davon mündlich.
Meyer grüßt schönstens; er halt sich sehr wacker in Florenz sowohl arbeitend als betrachtend; nur wird ihm freilich die Einsamkeit mitunter sehr lästig. Leben Sie recht wohl, und grüßen alles was Ihnen nah ist.
Weimar den 14. November 1796.
G.
241. An Schiller.
Einige Dinge die ich gestern zurückließ, will ich doch gleich nachbringen. Erstlich gratulire ich zu der zweiten Auflage; es war wohl nicht anders zu thun als daß Sie solche in Jena drucken ließen. Schicken Sie mir das Papier bald, denn man wird hier nicht gleich gefördert. Einige Buchstabenbemerkungen, sonst Druckfehler genannt, schicke ich Ihnen ehestens. Wie stark gedenken Sie diese Auflage zu machen? Wir können noch die dritte erleben.
Voßens Almanach ist über die Maßen schlecht, es thut mir leid für ihn und unser Verhältniß zu ihm, denn man muß seinen Nebenbuhlern doch einigermaßen gleich sein wenn man sie nicht hassen soll. Die Mattherzigkeit der sämmtlichen Compagnie ist unglaublich und ohne die Paar Uebersetzungen wäre beinah das Bändchen völlig leer. Doch leugne ich nicht, daß wir den Creator Spiritus wohl zum Freunde haben müssen, wenn wir das nächste Jahr nicht zurück, sondern vorwärts treten wollen .
Das Angenehmste, was Sie mir aber melden können, ist Ihre Beharrlichkeit an Wallenstein und Ihr Glaube an die Möglichkeit einer Vollendung; denn nach dem tollen Wagestück mit den Xenien müssen wir uns bloß großer und würdiger Kunstwerke befleißigen und unsere proteische Natur, zu Beschämung aller Gegner, in die Gestalten des Edlen und Guten umwandeln.
Die drei ersten Gesänge meines epischen Gedichts sind fleißig durchgearbeitet, und abermals abgeschrieben. Ich freue mich darauf sie Humboldts gelegentlich vorzulesen.
Die englische Ãœbersetzung von Cellini, die ich durch Eschenburg erhalten habe, gehört Boie, wie sein eingeschriebner Name zeigt. Wenn Sie ihm gelegentlich schreiben, so fragen Sie ihn doch, ob er mir sie überlassen will; ich will ihm gerne dafür zahlen, was er verlangt, und ihm noch außerdem, wenn meine Arbeit künftig besonders gedruckt erscheint, ein Exemplar davon versprechen. Am englischen ist mir in mehr als Einem Betracht gelegen; besonders hat es ein sehr wohlgestochenes Portrait, das ich ausschneiden müßte um es dereinst copiren zu lassen. Diese ganze Arbeit zu vollenden und auch nur ohne Noten zu ajustiren, brauche ich noch das Restchen vom Jahre.
Die Naturbetrachtungen freuen mich sehr. Es scheint eigen und doch ist es natürlich, daß zuletzt eine Art von subjectivem Ganzen herauskommen muß. Es wird wenn Sie wollen eigentlich die Welt des Auges, die durch Gestalt und Farbe erschöpft wird. Denn wenn ich recht Acht gebe, so brauche ich die Hülfsmittel anderer Sinne nur sparsam, und alles Raisonnement verwandelt sich in eine Art von Darstellung.
So viel vor heute mit einem herzlichen Lebewohl.
Weimar den 15. November 1796.
G.
242. An Goethe.
Jena den 18. November 1796.
In Kopenhagen ist man auf die Xenien ganz grimmig, wie mir die Schimmelmann heute schreibt, die zwar eine liberalere Sentimentalität hat, und – wenn sie nur könnte, gerne gerecht gegen uns wäre. Daran dürfen wir überhaupt gar nicht denken, daß man unser Product seiner Natur nach würdigt; die es am besten mit uns meinen, bringen es nur zur Toleranz.
Mir wird bei allen Urtheilen dieser Art, die ich noch gehört, die miserable Rolle des Verführten zu Theil; Sie haben doch noch den Trost des Verführers.
Es ist zwar sehr gut, und für mich besonders, jetzt etwas Bedeutendes und Ernsthaftes ins Publicum zu bringen; aber wenn ich bedenke, daß das Größeste und Höchste, selbst für sentimentalische Leser von Ihnen geleistet, noch ganz neuerdings im Meister und selbst im Almanach von Ihnen geleistet worden ist, ohne daß das Publicum seiner Empfindlichkeit über kleine Angriffe Herr werden könnte, so hoffe ich in der That kaum, es jemals, durch etwas in meiner Art Gutes und Vollendetes, zu einem bessern Willen zu bringen. Ihnen wird man Ihre Wahrheit, Ihre tiefe Natur nie verzeihen, und mir, wenn ich hier von mir reden darf, wird der starke Gegensatz meiner Natur gegen die Zeit und gegen die Masse das Publicum nie zum Freund machen können. Es ist nur gut, daß dieß auch so gar nothwendig nicht ist, um mich in Thätigkeit zu setzen und zu erhalten. Ihnen kann es vollends gleichgültig sein, und jetzt besonders, da trotz alles Geschwätzes der Geschmack der Bessern ganz offenbar eine solche Richtung nimmt, die zu der vollkommensten Anerkennung Ihres Verdienstes führen muß.
Hier lege ich Ihnen einen weitläuftigen Brief von Körner über Meister bei, der sehr viel Schönes und Gutes enthält. Sie senden ihn mir wohl gleich durch das Botenmädchen wieder, da ich ihn gerne copiren lassen und für das zwölfte Stück der Horen brauchen möchte, wenn Sie nichts dagegen haben.
Von dem Almanach lasse ich nur fünfhundert Exemplare, aber auf lauter gutem Papier, auflegen. Größer durfte ich die Auflage nicht wohl machen, da die Gründe für dieselbe nur von dem Absatz in Leipzig hergenommen worden, der Absatz im übrigen Deutschland aber noch problematisch ist, weil wir nicht wissen, ob von den versendeten Exemplarien nicht viele retourniren. Werden indessen von der neuen Auflage nur zweihundert Exemplare verkauft, so ist sie bezahlt, welches ich jetzt, da alles durch meine Hände gegangen, bei Heller und Pfenning berechnen kann.
An den Almanach für das nächste Jahr wage ich jetzt noch gar nicht zu denken, und alle meine Hoffnung ist nach Ihnen gewendet. Denn das sehe ich nun ein, daß der Wallenstein mir den ganzen Winter und wohl fast den ganzen Sommer kosten kann, weil ich den widerspenstigen Stoff zu behandeln habe, dem ich nur durch ein heroisches Ausharren etwas abgewinnen kann. Da mir außerdem noch so manche selbst der gemeinsten Mittel fehlen, wodurch man sich das Leben und die Menschen näher bringt, aus seinem engen Dasein heraus und auf eine größere Bühne tritt, so muß ich wie ein Thier, dem gewisse Organe fehlen, mit denen die ich habe, mehr thun lernen und die Hände gleichsam mit den Füßen ersetzen. In der That verliere ich darüber eine unsägliche Kraft und Zeit, daß ich die Schranken meiner zufälligen Lage überwinde, und mir eigene Werkzeuge zubereite, um einen so fremden Gegenstand, als mir die lebendige und besonders die politische Welt ist, zu ergreifen. Recht ungeduldig bin ich, mit meiner tragischen Fabel vom Wallenstein nur erst so weit zu kommen, daß ich ihrer Qualification zur Tragödie vollkommen gewiß bin; denn wenn ich es anders fände, so würde ich zwar die Arbeit nicht ganz aufgeben, weil ich immer schon so viel daran gebildet habe, um ein würdiges dramatisches Tableau daraus zu machen, aber ich würde doch die Maltheser noch vorher ausarbeiten, die bei einer viel einfacheren Organisation entschieden zur Tragödie qualificirt sind.
Leben Sie aufs beste wohl; wir sehnen uns alle recht herzlich, Sie zu sehen.
Mein Schwager hat, wie ich höre, wegen Henderichs Stelle an den Herzog von Weimar geschrieben; ich wünschte es herzlich, daß er seinen Wunsch erreichte, zweifle aber sehr daran, ob ich gleich überzeugt bin, daß er in Weimar auf manche Art brauchbar sein würde.
Anbei erhalten Sie die Kupferplatte von Bolt, nebst Papier zu Abdrücken. Leben Sie wohl .
Sch.
243. An Schiller.
Der Körnerische Brief hat mir sehr viel Freude gemacht, um so mehr als er mich in einer entschieden ästhetischen Einsamkeit antraf. Die Klarheit und Freiheit, womit er seinen Gegenstand übersieht, ist wirklich bewundernswerth; er schwebt über dem Ganzen, übersieht die Theile mit Eigenheit und Freiheit , nimmt bald da bald dort einen Beleg zu seinem Urtheil heraus, decomponirt das Werk um es nach seiner Art wieder zusammen zu stellen, und bringt lieber das was die Einheit stört, die er sucht oder findet, für diesmal bei Seite, als daß er, wie gewöhnlich die Leser thun, sich erst dabei aufhalten, oder gar recht darauf lehnen sollte. Die unterstrichene Stelle hat mir besonders wohlgethan, da ich besonders auf diesen Punkt eine ununterbrochene Aufmerksamkeit gerichtet habe und nach meinem Gefühl dieses der Hauptfaden sein mußte, der im Stillen alles zusammenhält und ohne den kein Roman etwas werth sein kann. Bei diesem Aufsatz ist es aber auch überhaupt sehr auffallend, daß sich der Leser productiv verhalten muß, wenn er an irgend einer Production theilnehmen will. Von den passiven Theilnahmen habe ich leider schon die betrübtesten Beispiele wieder erlebt, und es ist nur immer eine Wiederholung des Refrains: ich kann’s zu Kopf nicht bringen! Freilich faßt der Kopf kein Kunstproduct als nur in Gesellschaft mit dem Herzen.
So hat mir neulich jemand geschrieben, daß er die Stelle im zweiten Bande, Seite 138: »Nein! rief er aus, du bildest dir ein, du abgestorbener Weltmann, daß du ein Freund sein könnest. Alles was du mir anbieten magst, ist der Empfindung nicht werth die mich an diese Unglücklichen bindet!« zum Mittelpunkt des Ganzen gemacht und seinen Umkreis daraus gezogen habe, dazu passe aber der letzte Theil nicht und er wisse nichts damit zu machen.
So versicherte mir ein andrer, meine Idylle sei ein fürtrefflich Gedicht, nur sei ihm noch nicht klar, ob man nicht besser thäte es in zwei oder drei Gedichte zu separiren.
Möchte bei solchen Aeußerungen nicht die Hippokrene zu Eis erstarren und Pegasus sich mausern! Doch das war vor fünf und zwanzig Jahren, als ich anfing, eben so und wird so sein wenn ich lange geendigt habe. Indessen ist nicht zu leugnen daß es doch aussieht, als wenn gewisse Einsichten und Grundsätze, ohne die man sich eigentlich keinem Kunstwerk nähern sollte, nach und nach allgemeiner werden müßten.
Meyer grüßt herzlich von Florenz; er hat endlich auch die Idylle erhalten: es wäre doch gut wenn wir ihm durch Cotta und Escher einen ganzen Almanach zuspediren könnten.
Ich hoffe daß die Kopenhagner und alle gebildete Anwohner der Ostsee aus unsern Xenien ein neues Argument für die wirkliche und unwiderlegliche Existenz des Teufels nehmen werden, wodurch wir ihnen denn doch einen sehr wesentlichen Dienst geleistet haben. Freilich ist es von der andern Seite sehr schmerzlich daß ihnen die unschätzbare Freiheit, leer und abgeschmackt zu sein, auf eine so unfreundliche Art verkümmert wird.
Körners Aufsatz qualificirt sich, wie mich dünkt, recht gut zu den Horen; bei der leichten und doch so guten Art wie das Ganze behandelt ist, werden sich die Contorsionen, die sich von andern Beurtheilern erwarten lassen, desto wunderlicher ausnehmen.
Uebrigens wird es höchst nothwendig daß ich Sie bald sehe; es ist doch gar manches zu besprechen. Ich verlange sehr Ihre Fortschritte am Wallenstein zu erfahren. Von dem Dienstgesuch habe ich etwas gehört, aber keine Gesinnung oder Meinung darüber, doch zweifle ich auch am Gelingen.
Leben Sie recht wohl und grüßen die Freunde.
Weimar den 19. November 1796.
G.
244. An Goethe.
Jena den 22. November 1796.
Wahrscheinlich werden Sie Humboldten morgen sehen, der auf einige Tage nach Erfurt verreist. Er wünscht sehr, den Abend mit Ihnen zubringen zu können. Er bringt auch das zehnte Horenstück mit, wobei ich Sie auf eine Erzählung Agnes von Lilien aufmerksam mache.
Sie haben vielleicht das neueste Stück vom Archiv der Zeit schon gesehen, wo ein Ausfall auf Sie vom alten Klopstock sich befindet. Es hat ihn verdrossen, das Sie in Ihren Epigrammen vom vorigen Jahr sich beklagen, deutsch schreiben zu müssen, und er macht daher seinem Unwillen in einem Epigramme Luft, das freilich sehr kläglich ist. Dieses steht in einer Fortsetzung seiner grammatischen Gespräche, und das Urtheil!! spricht:
»Goethe! du dauerst dich, daß du mich schreibest?
Wenn du mich kenntest,
Wäre dieß dir nicht Gram.
Goethe, du dauerst mich auch!«
Humboldt wird Ihnen auch von einer Recension des jungen Schlegels über Woldemar und von einem fulminanten grünen Brief Jacobis über diese Recension erzählen, was Sie sehr belustigen wird. Es steht auch schon etwas über unsere Xenien in diesem Briefe.
Wann werden wir Sie aber wieder einmal hier sehen? Ich sehne mich herzlich darnach; es ist mir als wenn mir etwas an dem Element fehlte, worin ich leben soll.
Cotta beklagt sich, daß ihm Escher auf die an ihn abgeschickte Geldanweisung und auf drei Briefe noch nicht geantwortet. Er mußte ihm das Geld anweisen, weil damals keine fahrende Post in jene Gegend ging.
Sobald der neue Almanach fertig ist, sende ich ein Exemplar davon durch Eschern an Meyer ab. Grüßen Sie diesen recht herzlich von uns.
Ich habe Besuch und muß schließen. Leben Sie recht wohl.
Sch.
245. An Schiller.
Auf einem Kartenblatt finden Sie hier beiliegend einige Bemerkungen zu den Xenien; vielleicht können Sie noch Gebrauch davon machen.
Humboldts werden erst Dienstag wieder von Erfurt hierher kommen und zu Mittag mit mir essen; ich wünschte Sie könnten sich entschließen an gedachtem Tage mit Ihrer lieben Frau herüber zu kommen. Sie blieben die Nacht hier und führen Mittwoch wieder mit Humboldts zurück. Die gegenwärtige Witterung fordert fast ein so heroisches Unternehmen.
Da ich nicht sehe daß ich sobald einige Zeit bei Ihnen zubringen kann, so komme ich vielleicht nur auf einen Tag; denn es sind gar viele Dinge bei denen ich den Mangel Ihrer Theilnahme spüre.
Ich lege einen Brief von Humboldt bei, der Ihnen Freude machen wird. Es ist doch sehr tröstlich, solche theilnehmende Freunde und Nachbarn zu haben; aus meinem eignen Kreise ist mir noch nichts dergleichen zugekommen. Leben Sie recht wohl und nehmen meine Einladung zu Herzen.
Weimar den 26. November 1796.
G.
246. An Goethe.
Jena den 28. November 1796.
Von Ihrer freundlichen Einladung werde ich schwerlich Gebrauch machen können, da ich die miserable Jahrzeit und Witterung in allen Nerven spüre und mich nur so eben hinhalte. Dafür hoffe ich, wenn auch nur für Einen Tag, Sie bald zu sehen, von Ihren neuesten Entdeckungen und Bemerkungen zu hören, und Sie zugleich von meinem eigenen Zustand zu unterhalten.
Mit dem Wallenstein geht es zwar jetzt noch sehr langsam, weil ich noch immer das meiste mit dem rohen Stoff zu thun habe, der noch nicht ganz beisammen ist, aber ich fühle mich ihm noch immer gewachsen, und in die Form habe ich manchen hellen bestimmten Blick gethan. Was ich will und soll, auch was ich habe, ist mir jetzt ziemlich klar; es kommt nun noch bloß darauf an, mit dem was ich in mir und vor mir habe, das auszurichten, was ich will und was ich soll. In Rücksicht auf den Geist, in welchem ich arbeite, werden Sie wahrscheinlich mit mir zufrieden sein. Es will mir ganz gut gelingen, meinen Stoff außer mir zu halten und nur den Gegenstand zu geben. Beinahe möchte ich sagen, das Sujet interessirt mich gar nicht, und ich habe nie eine solche Kälte für meinen Gegenstand mit einer solchen Wärme für die Arbeit in mir vereinigt. Den Hauptcharakter so wie die meisten Nebencharaktere tractire ich wirklich bis jetzt mit der reinen Liebe des Künstlers; bloß für den nächsten nach dem Hauptcharakter, den jungen Piccolomini, bin ich durch meine eigene Zuneigung interessirt, wobei das Ganze übrigens eher gewinnen als verlieren soll.
Was die dramatische Handlung, als die Hauptsache, anbetrifft, so will mir der wahrhaft undankbare und unpoetische Stoff freilich noch nicht ganz pariren; es sind noch Lücken im Gange, und manches will sich gar nicht in die engen Grenzen einer Tragödien-Oekonomie herein begeben. Auch ist das Proton Pseudos in der Katastrophe, wodurch sie für eine tragische Entwicklung so ungeschickt ist, noch nicht ganz überwunden. Das eigentliche Schicksal thut noch zu wenig, und der eigne Fehler des Helden noch zu viel zu seinem Unglück. Mich tröstet hier aber einigermaßen das Beispiel des Macbeth, wo das Schicksal ebenfalls weit weniger Schuld hat als der Mensch, daß er zu Grunde geht.
Doch von diesen und andern Haken mündlich.
Humboldts Erinnerungen gegen den Körnerischen Brief scheinen mir nicht unbedeutend, obgleich er, was den Charakter des Meister betrifft, auf der entgegengesetzten Seite zu weit zu gehen scheint, Körner hat diesen Charakter zu sehr als den eigentlichen Held des Romans betrachtet; der Titel und das alte Herkommen, in jedem Roman etc. einen Helden haben zu müssen, hat ihn verführt. Wilhelm Meister ist zwar die nothwendigste, aber nicht die wichtigste Person; eben das gehört zu den Eigenthümlichkeiten Ihres Romans, daß er keine solche wichtigste Person hat und braucht. An ihm und um ihn geschieht alles, aber nicht eigentlich seinetwegen; eben weil die Dinge um ihn her die Energien, Er aber die Bildsamkeit darstellt und ausdrückt, so muß er ein ganz ander Verhältnis zu den Mitcharakteren haben, als der Held in andern Romanen hat.
Hingegen finde ich Humboldt gegen diesen Charakter auch viel zu ungerecht, und ich begreife nicht recht, wie er das Geschäft, das der Dichter sich in dem Romane aufgab, wirklich für geendet halten kann, wenn der Meister das bestimmungslose und gehaltlose Geschöpf wäre, wofür er ihn erklärt. Wenn nicht wirklich die Menschheit, nach ihrem ganzen Gehalt, in dem Meister hervorgerufen und ins Spiel gesetzt ist, so ist der Roman nicht fertig, und wenn Meister dazu überhaupt nicht fähig ist, so hätten Sie diesen Charakter nicht wählen dürfen. Freilich ist es für den Roman, ein zarter und heikeligter Umstand, daß er, in der Person des Meister, weder mit einer entschiednen Individualität noch mit einer durchgeführten Individualität schließt, sondern mit einem Mitteldinge zwischen beiden. Der Charakter ist individual , aber nur den Schranken und nicht dem Gehalt nach, und er ist ideal, aber nur dem Vermögen nach. Er versagt uns sonach die nächste Befriedigung die wir fordern (die Bestimmtheit), und verspricht uns eine höhere und höchste, die wir ihm aber auf eine ferne Zukunft creditiren müssen.
Komisch genug ist’s, wie bei einem solchen Producte so viel Streit in den Urtheilen noch möglich ist.
Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Humboldts von uns.
Sch.
247. An Schiller.
Mit Humboldts habe ich gestern einen sehr vergnügten Tag zugebracht, wobei ich bis gegen Mittag die Hoffnung unterhielt Sie hier zu sehen. Wenn übrigens diese Stunden auch für Sie nützlich und angenehm verflossen sind, so freut es mich recht sehr ; möge es immer so fortgehen, bis Sie Ihren Zweck erreichen.
Starke verspricht mir noch auf heute Abdrücke, und ich hoffe sie mit gegenwärtigem zu senden.
Burgsdorf hat mir in seinem Betragen und in dem wenigen was er sprach recht wohl gefallen.
Ein neues Werk der Frau von Staël de l’influence des Passions etc. ist sehr interessant; es ist im beständigen Anschauen einer sehr weiten und großen Welt geschrieben in der sie gelebt hat, und voll geistreichen, zarten und kühnen Bemerkungen.
Weimar am 30. November 1796.
G.
248. An Schiller.
Eine sehr schöne Eisbahn bei dem herrlichen Wetter hat mich abgehalten Ihnen diese Tage zu schreiben und ich sage Ihnen noch am Abend eines sehr heitern Tages einige Worte.
Das Werk der Frau von Staël, wovon Ihnen Herr von Humboldt wird gesagt haben, kommt in einigen Tagen. Es ist äußerst interessant zu sehen wie eine so höchst passionirte Natur, durch das grimmige Läuterfeuer einer solchen Revolution, an der sie so viel Antheil nehmen mußte, durchgeht und, ich möchte sagen, nur das geistreich menschliche an ihr übrig bleibt. Vielleicht ließ sich eine Art von Auszug der höchsten Sprüche in einer Folge machen und für die Horen gebrauchen, vielleicht nähme man nur ein einzeln Capitel, aber bald; denn zu Ostern ist die Uebersetzung gewiß da. Hierüber überlasse ich Ihnen das Urtheil.
Ob ich gleich vermuthe, daß der böse Wille unserer Gäste auch Exemplare nach Jena geschafft haben wird, so schicke ich doch hier das meinige. Es ist lustig zu sehen, was diese Menschenart eigentlich geärgert hat, was sie glauben daß einen ärgert, wie schal, leer und gemein sie eine fremde Existenz ansehen, wie sie ihre Pfeile gegen das Außenwerk der Erscheinung richten, wie wenig sie auch nur ahnen, in welcher unzugänglichen Burg der Mensch wohnt, dem es nur immer Ernst um sich und um die Sachen ist.
So manche Umstände und Verhältnisse fesseln mich noch hier, da ich jetzt nicht zu Ihnen kommen möchte, ohne wenigstens einige Tage bei Ihnen zu bleiben. Das Theater kommt kaum durch einige gute Stücke und Repräsentationen in den Gang, wobei eine neue Einrichtung bei der Regie meine Gegenwart erfordert.
Auch erwarte ich den jungen Jacobi in diesen Tagen und werde also noch eine Zeit lang Ihrer persönlichen Aufmunterung entbehren müssen.
Uebrigens geht alles seinen Gang und ich habe in manchen Capiteln meiner Studien gute Hoffnung. Grüßen Sie Humboldt recht vielmals und sagen mir bald ein Wort wie Sie sich befinden und wie Ihre Arbeit gelingt.
Weimar den 5. December 1796.
G.
249. An Goethe.
Jena den 6. December 1796.
Ich habe einige Tage wieder durch schlechtes Schlafen beinahe ganz verloren und mich dadurch in meiner Arbeit, die sonst ganz gut vorrückt, sehr unangenehm unterbrochen gesehn. Freilich reizt eine solche Beschäftigung, wie meine gegenwärtige, die empfindliche, kränkliche Natur stärker, eben weil sie den ganzen Menschen mehr und anhaltender bewegt.
Vorgestern hatte ich eine halbe Hoffnung, Sie vielleicht hier zu sehen. Die neue Verzögerung thut mir sehr leid. Wenn Sie alsdann nur auch länger bleiben können.
Das schmutzige Product gegen uns, dessen Verfasser M. Dyk in Leipzig sein soll, ist mir schon vor einigen Tagen in die Hand gekommen. Ich hoffte, es sollte Ihnen unbekannt bleiben. Die Empfindlichkeit gewisser Leute kann freilich keinen nobleren Ausbruch nehmen; aber es ist doch bloß in Deutschland möglich, daß böser Wille und Rohheit darauf rechnen dürfen, durch eine solche Behandlung geachteter Namen nicht alle Leser zu verscherzen. Man sollte doch da, wo keine Scham ist, auf eine Furcht rechnen können, die diese Sünder im Zügel hielte: aber die Polizei ist so schlecht bestellt, wie der Geschmack.
Das unangenehme an der Sache ist dieses, daß die wohlweisen Herren Moderatisten, so wenig sie auch ein solches Product in Schutz nehmen können, doch triumphiren und sagen werden, daß unser Angriff darauf geführt habe, und daß das Scandal durch uns gegeben sei.
Sonst sind übrigens diese Distichen die glänzendste Rechtfertigung der unsrigen , und wer es jetzt noch nicht merkt, daß die Xenien ein poetisches Product sind, dem ist nicht zu helfen; reinlicher konnte die Grobheit und die Beleidigung von dem Geist und dem Humor nicht abdestillirt werden als hier geschehen ist, und die ganze Dykische Partei sieht sich nun in dem Nachtheil, daß sie gerade in dem einzigen, was sie uns allenfalls hätte vorwerfen können, unendlich weiter gegangen ist. Ich bin doch begierig, ob sich nicht von selbst einige Stimmen auch für die Xenien erheben werden; denn wir können freilich auf so etwas nichts erwiedern.
Die Schrift der Madame Staël erwarte ich mit Begierde. Den Horen würde es eine vortheilhafte Veränderung geben, wenn wir das pikanteste und gehaltreichste daraus aufnähmen . Mit der Agnes von Lilien werden wir, scheint es, viel Glück machen; denn alle Stimmen, die ich hier darüber hören konnte, haben sich dafür erklärt. Sollten Sie es aber denken, daß unsre großen hiesigen Kritiker, die Schlegels, nicht einen Augenblick daran gezweifelt, daß das Product von Ihnen sei? Ja die Madame Schlegel meinte, daß Sie noch keinen so reinen und vollkommenen weiblichen Charakter erschaffen hätten, und sie gesteht, daß ihr Begriff von Ihnen sich durch dieses Product noch mehr erweitert habe. Einige scheinen ganz anders davon erbaut zu sein, als von dem vierten Bande des Meister. Ich habe mich bis jetzt nicht entschließen können, diese selige Illusion zu zerstören.
Leben Sie recht wohl, und lassen Sie sich weder durch dieses unerwartete Geschenk noch durch jene Insolenz in Ihrer Ruhe stören. Was ist, ist doch und was werden soll, wird nicht ausbleiben.
Herzlich grüßen wir Sie alle.
Sch.
250. An Schiller.
Das Werk der Madame Staël liegt hiebei; es wird Sie gewiß erfreuen. Den Gedanken es für die Horen zu nutzen habe ich auch schon gehabt; es ließe sich vielleicht machen, daß man aus dem ganzen die eminentesten Stellen aushübe und sie in einer Folge hinstellte. Lesen Sie deshalb das Werk mit dem Bleistift in der Hand und streichen an, und bitten Sie Herrn von Humboldt um ein gleiches, dadurch erhält meine Wahl eine schnellere Bestimmung; sobald ich es zurück erhalte, kann ich anfangen. Eine Sendung Cellini ist fertig, wenn Sie derselben bedürfen.
Sie finden auch wieder eine Elegie, der ich Ihren Beifall wünsche. Indem ich darin mein neues Gedicht ankündige, gedenke ich damit auch ein neues Buch Elegien anzufangen. Die zweite wird wahrscheinlich die Sehnsucht ein drittesmal über die Alpen zu gehen enthalten, und so werde ich weiter, entweder zu Hause, oder auf der Reise fortfahren. Mit dieser wünschte ich eröffneten Sie das neue Jahr der Horen, damit die Menschen durchaus sehen daß man auf alle Weise fest steht und auf alle Fälle gerüstet ist.
Den Dykischen Ausfall habe ich, da ich die Deutschen so lange kenne, nicht besonders gefunden; wir haben dergleichen noch mehr zu erwarten. Der Deutsche sieht nur Stoff und glaubt wenn er gegen ein Gedicht Stoff zurückgäbe, so hätte er sich gleichgestellt; über das Sylbenmaß hinaus erstreckt sich ihr Begriff von Form nicht.
Wenn ich aber aufrichtig sein soll, so ist das Betragen des Volks ganz nach meinem Wunsche; denn es ist eine nicht genug gekannte und geübte Politik daß jeder, der auf einigen Nachruhm Anspruch macht, seine Zeitgenossen zwingen soll, alles was sie gegen ihn in Petto haben, von sich zu geben. Den Eindruck davon vertilgt er durch Gegenwart, Leben und Wirken jederzeit wieder. Was half’s manchen bescheidnen, verdienstvollen und klugen Mann, den ich überlebt habe, daß er durch unglaubliche Nachgiebigkeit, Unthätigkeit, Schmeichelei und Rücken und Zurechtlegen, einen leidlichen Ruf zeitlebens erhielt? Gleich nach dem Tode sitzt der Advocat des Teufels neben dem Leichnam, und der Engel der ihm Widerpart halten soll, macht gewöhnlich eine klägliche Gebärde.
Ich hoffe daß die Xenien auf eine ganze Weile wirken und den bösen Geist gegen uns in Thätigkeit erhalten sollen; wir wollen indessen unsere positiven Arbeiten fortsetzen und ihm die Qual der Negation überlassen. Nicht eher als bis sie wieder ganz ruhig sind und sicher zu sein glauben, müssen wir, wenn der Humor frisch bleibt, sie noch einmal recht aus dem Fundament ärgern.
Lassen Sie mir so lange als möglich die Ehre als Verfasser der Agnes zu gelten. Es ist recht schade, daß wir nicht in dunklern Zeiten leben! denn da würde die Nachwelt eine schöne Bibliothek unter meinem Namen aufzustellen haben. Neulich versicherte mich jemand er habe eine ansehnliche Wette verloren, weil er mich hartnäckig für den Verfasser des Herrn Starke gehalten.
Auch mir geht ein Tag nach dem andern, zwar nicht unbeschäftigt, doch leider beinahe unbenutzt herum. Ich muß Anstalt machen meine Schlafstelle zu verändern, damit ich morgens vor Tage einige Stunden im Bette dictiren kann . Möchten Sie doch auch eine Art und Weise finden die Zeit, die nur eigentlich höher organisirten Naturen kostbar ist, besser zu nutzen. Leben Sie recht wohl und grüßen alles, was Sie umgiebt.
Weimar den 7. December 1796.
G.
251. An Schiller.
Der Wunsch Ihres Schwagers der anfangs abgelehnt worden war, kommt wieder, und zwar durch den Herzog von Meiningen zur Sprache. Die Erklärung daß Wolzogen mit einer mäßigen Besoldung und dem letzten Platz in der Kammer zufrieden sein wolle, macht die Gewährung eher möglich, da man ihm überhaupt nicht abgeneigt ist.
Da nun die Sache wieder an mich kommt, so finde ich in allen Rücksichten Ursache sie zu begünstigen; ich habe unter andern den Auftrag mich bei Ihnen näher um seinen moralischen Charakter zu erkundigen. Nun muß ich aber gestehen, es ist mit dem, was man moralischen Charakter nennt, eine eigene Sache; wer kann sagen wie sich jemand in einem neuen Verhältniß benehmen werde? Mir ist hierin genug daß Sie mit ihm in einem guten Verhältnisse stehen und daß Sie seine Nähe wünschen, beides beweist mir daß Sie gut von ihm denken und daß Sie glauben, daß man, indem man ihn anstellt, gut mit ihm fahren werde. Indessen haben Sie die Güte mir etwas über ihn zu schreiben, das ihn und sein Wesen näher bezeichnet und das ich vorlegen kann; lassen Sie aber in jedem Sinne ein Geheimnis bleiben daß hierüber etwas unter uns verhandelt worden ist. Leben Sie recht wohl; es sollte mich sehr freuen, wenn auch Ihnen durch diese Annäherung eines Verwandten ein neues Gute zuwüchse.
Weimar den 9. December 1796.
G.
Man schreibt, Catharine sei endlich auch vom Throne ins Grab gestiegen.
252. An Goethe.
Jena den 9. December 1796.
Dank Ihnen für das vorgestern überschickte . Die Elegie macht einen eigenen tiefen rührenden Eindruck, der keines Lesers Herz, wenn er eins hat, verfehlen kann. Ihre nahe Beziehung auf eine bestimmte Existenz giebt ihr noch einen Nachdruck mehr, und die hohe schöne Ruhe mischt sich darin so schön mit der leidenschaftlichen Farbe des Augenblicks. Es ist mir eine neue trostreiche Erfahrung, wie der poetische Geist alles Gemeine der Wirklichkeit so schnell und so glücklich unter sich bringt, und durch einen einzigen Schwung, den er sich selbst giebt, aus diesen Banden heraus ist, so daß die gemeinen Seelen ihm nur mit hoffnungsloser Verzweiflung nachsehen können.
Das Einzige gebe ich Ihnen zu bedenken, ob der gegenwärtige Moment zur Bekanntmachung des Gedichts auch ganz günstig ist? In den nächsten zwei, drei Monaten, fürchte ich, kann bei dem Publicum noch keine Stimmung erwartet werden gerecht gegen die Xenien zu sein. Die vermeintliche Beleidigung ist noch zu frisch; wir scheinen im Tort zu sein, und diese Gesinnung der Leser wird sie verhärten. Es kann aber nicht fehlen, daß unsere Gegner, durch die Heftigkeit und Plumpheit der Gegenwehr, sich noch mehr in Nachtheil setzen und die Bessergesinnten gegen sich aufbringen. Alsdann denke ich würde die Elegie den Triumph erst vollkommen machen.
Wie wenig man seinen Köcher gegen uns noch erschöpft habe, werden Sie aus beiliegendem Zeitungsblatt, das der Hamburgischen Neuen Zeitung angehängt und mir von Hamburg überschickt worden ist, abermals ersehen. Die Verfahrungsart in dieser Repartie wäre nicht unklug ausgedacht, wenn sie nicht so ungeschickt wäre ausgeführt worden. Ob vielleicht Reichardt – oder Baggesen? – dahinter steckt?
Was Sie in Ihrem letzten Brief über die höhern und entfernteren Vortheile solcher Zänkereien mit den Zeitgenossen sagen, mag wohl wahr sein: aber die Ruhe muß man freilich und die Aufmunterung von außen dabei missen können. Bei Ihnen übrigens ist dieß bloß ein inneres, aber gewiß kein äußeres Bedürfniß. Ihre so einzige, isolirt dastehende und energische Individualität fordert gleichsam diese Uebung; sonst aber wüßte ich wahrlich niemand, der seine Existenz in der Nachwelt weniger zu assecuriren brauchte.
Die Staëlische Schrift habe ich erst heute zur Hand nehmen können; sie hat mich aber auch gleich durch einige treffliche Ideen angezogen. Ob für die Horen etwas damit zu machen sein wird, zweifle ich wieder, weil ich vor einigen Tagen eine Ãœbersetzung davon, die durch die Verfasserin selbst soll veranlaßt worden sein, als ganz nah erscheinend habe ankündigen hören.
Hier lege ich auch ein Exemplar der neuen Ausgabe des Almanachs bei, nebst einem Brieflein von Voß.
Möge die Muse mit ihren schönsten Gaben bei Ihnen sein und ihrem herrlichen Freund seine Jugend recht lange bewahren! Ich bin noch immer in der Elegie – jedem, der nur irgend eine Affinität zu Ihnen hat, wird Ihre Existenz, Ihr Individuum darin so nahe gebracht.
Ich umarme Sie von ganzem Herzen.
Sch.
253. An Schiller.
Für das übersendete Exemplar zweiter Ausgabe danke ich schönstens ; sie nimmt sich recht gut aus und wird wahrscheinlich nicht liegen bleiben.
Daß Sie sich der Elegie erfreuen thut mir sehr wohl; ich vermuthe daß einige Gesellen bald nachfolgen werden. Was das Drucken betrifft, darüber bleibt Ihnen das Urtheil ganz anheim gestellt; ich bin auch zufrieden daß sie noch ruht. Ich werde sie indeß in der Handschrift Freunden und Wohlwollenden mittheilen; denn ich habe aus der Erfahrung daß man zwar bei entstandenem Streit und Gährung seine Feinde nicht bekehren kann, aber seine Freunde zu stärken Ursache hat.
Man hat mir wissen lassen daß nächstens etwas für den Almanach erscheinen werde, in welcher Form und in welchem Gehalt ist mir unbekannt. Ueberhaupt merke ich wird es schon Buchhändlerspeculation pro oder contra etwas drucken zu lassen. Das wird eine schöne Sammlung geben! Von dem edlen Hamburger, dessen Exercitium ich hier zurückschicke, wird es künftig heißen:
Auch erscheint ein Herr F* rhetorisch, grimmig, ironisch,
Seltsam gebärdet er sich, plattdeutsch, im Zeitungsformat.
Eine schnelle Uebersetzung des Staëlischen Werkes ist zu vermuthen und ich weiß nicht ob man daher einen Auszug wagen soll. Nutzt doch am Ende jeder eine solche Erscheinung auf seine Weise. Vielleicht nähme man nur wenig heraus, wodurch man dem Publico und jenem Verleger den Dienst thäte, daß jedermann schnell darauf aufmerksam würde.
Die Art, wie Voß sich beim Almanach benimmt, gefällt mir sehr wohl; auf seine Ankunft freue ich mich recht sehr. Auf meinen gestrigen Brief erwarte ich eine baldige Antwort, Diderots Werk wird Sie gewiß unterhalten. Leben Sie recht wohl, grüßen alles, und erhalten mir Ihre so wohl gegründete Freundschaft und Ihre so schön gefühlte Liebe, und sein Sie das gleiche von mir überzeugt.
Weimar den 10. December 1796.
G.
254. An Goethe.
Es sollte mich recht freuen, meinen Schwager in Weimar angestellt zu wissen, besonders seiner eigenen Ausbildung wegen. Er hat Kopf und hat Charakter, und das Einzige, woran es ihm bis jetzt noch fehlte, war ein bildender Einfluß von außen und eine feste Bestimmung für seine Fähigkeit. Beides findet er in Weimar, und Sie selbst werden, wenn Sie ihn näher kennen, nicht ungern auf ihn wirken.
In Stuttgart fehlte es ihm seit dem Tod des Herzogs Karl, der viel auf ihn gehalten, an einer bestimmten und würdigen Beschäftigung, da er nur eine leere Hofstelle bekleidet und doch Kraft und Willen zu etwas besserm in sich fühlt. Wenn ihm in Weimar nur der Punkt gezeigt wird, worauf er seine Fähigkeit richten soll, so wird er es mit Ernst thun und gewiß nichts gemeines leisten. Er liebt unsern Herzog persönlich und wird sich darum doppelte Mühe geben, seine Achtung zu verdienen. Es ist nicht unbedeutend zu erwähnen, daß er sich für die Welt und für die Kunst zugleich gebildet hat, also À deux mains zu gebrauchen ist; für die Kunst ist er freilich noch lange nicht ausgebildet, aber er hat gewiß einen guten Grund darin gelegt.
Für seinen übrigen Charakter stehe ich, wie man überhaupt für jemand stehen kann. Ich habe ziemlich lange und in einer gewissen Suite mit ihm gelebt und bin, je länger ich ihn kenne, immer zufriedener mit ihm gewesen, denn er ist wirklich mehr als er scheint. Seine Bescheidenheit und gründliche Rechtschaffenheit wird ihn dem Herzog gewiß empfehlen.
Leben Sie wohl für heute. Diderots Schrift wird uns manchen Stoff zum Gespräch geben, wie ich merke; einiges was ich zufällig aufgeschlagen, ist doch trefflich.
Jena den 11. Dec.
Sch.
255. An Goethe.
Jena den 12. December 1796.
Hier kommt das eilfte Horenstück. Mit dem Botenmädchen sende ich morgen den Rest. Ich bitte Sie nun, von dem Titelkupfer des Almanachs noch so geschwind als möglich hundert und fünfzig Abdrücke machen zu lassen, wozu ich Papier sende. Gar sehr wünschte ich, daß ich Freitag früh entweder alles oder doch die Hälfte davon erhalten könnte.
Leider habe ich durch Schlaflosigkeit und fatales Befinden wieder etliche schöne Tage für meine Geschäfte verloren.
Dafür bin ich gestern über Diderot gerathen, der mich recht entzückt und meine innersten Gedanken bewegt hat. Fast jedes Dictum ist ein Lichtfunken, der die Geheimnisse der Kunst beleuchtet, und seine Bemerkungen sind so sehr aus dem Höchsten und aus dem Innersten der Kunst, daß sie auch alles was nur damit verwandt ist beherrschen und eben sowohl Fingerzeige für den Dichter als für den Maler sind. Gehört die Schrift nicht Ihnen selbst zu, daß ich sie länger behalten und wieder bekommen kann, so werde ich sie mir verschreiben.
Da ich zufällig an den Diderot zuerst gerathen, so bin ich noch nicht weiter an der Staëlischen Schrift; beide Werke sind mir aber jetzt ein rechtes Geistesbedürfniß, weil meine eigene Arbeit, in der ich ganz lebe und leben muß, meinen Kreis so sehr beschränkt.
Hier etwas von dem Neuesten über die Xenien. Ich werde, wenn der Streit vorbei ist, Cotta vermögen, alles was gegen die Xenien geschrieben worden, auf Zeitungspapier gesammelt drucken zu lassen, daß es in der Geschichte des deutschen Geschmacks ad Acta kann gelegt werden.
Auf die neue Auflage sind jetzt so viele Bestellungen gemacht, daß sie bezahlt ist. Selbst hier herum, wo so viel Exemplare zerstreut worden, werden noch nachgekauft.
Agnes von Lilien macht allgemeines Glück, und mein ehemaliger Schwager Beulwitz nebst seiner Frau haben es mit einem ganz erstaunlichen Interesse und Bewunderung zusammen gelesen, welches sie herzlich verdrießen wird, wenn sie das wahre erfahren sollten .
Leben Sie recht wohl; alle Freunde grüßen und umarmen Sie aufs herzlichste.
Sch.
N. S.
Stellen Sie sich vor, daß Cotta die erste Kupferplatte, die Sie über Frankfurt an ihn geschickt, den 4. December noch nicht gehabt und vielleicht auch jetzt noch nicht hat. Die zweite später abgegangene ist bei ihm angelangt.
256. An Schiller.
Nur zwei Worte für heute, da meine Optica mir den ganzen Morgen weggenommen haben. Mein Vortrag reinigt sich immer mehr und das Ganze simplicirt sich unglaublich, wie es natürlich ist, da eigentlich Elementarerscheinungen abgehandelt werden. Den Sonntägigen Brief habe erhalten und Gebrauch davon gemacht; ich vermuthe daß er die Sache entscheiden wird, wozu ich zum voraus Glück wünsche. Leben Sie recht wohl. Hier sende ich noch Titelkupfer; mag die flinke Terpsichore zum Verdruß ihrer Widersacher noch weiter in die Welt hinein springen.
Weimar am 14. December 1796.
G.
257. An Goethe.
Ich habe gestern und heute am Wallenstein so emsig gearbeitet, daß ich den gestrigen Botentag ganz aus der Acht ließ, und mich auch heute nur im letzten Augenblick an die Post erinnerte.
Meinen besten Dank für Ihre freundschaftliche Verwendung in der bewußten Sache, die mich recht froh für die Zukunft macht. Ich lebe sehr gern mit meiner Schwägerin, und mein Schwager bringt durch seine mir heterogene Art zu sein, die doch wieder ein Ganzes für sich ist, eine interessante Verschiedenheit in meinen Zirkel .
Auch für die Terpsichores danke schönstens.
Seien Sie herzlich von uns allen gegrüßt.
Jena den 14. December 1796.
Sch.
258. An Goethe.
(Jena den 16. December 1796.)
Der December geht nach und nach vorbei und Sie kommen nicht. Ich fürchte bald, daß wir einander vor dem sieben und neunzigsten Jahr nicht wieder sehen werden. Mich freut übrigens zu hören, daß Sie die Optica ernstlich vorgenommen; denn mir däucht, man kann diesen Triumph über die Widersacher nicht frühe genug beschleunigen. Für mich selbst ist es mir angenehm, durch Ihre Ausführung in dieser Materie klar zu werden.
Meine Arbeit rückt mit lebhaftem Schritt weiter. Es ist mir nicht möglich gewesen, so lange wie ich anfangs wollte, die Vorbereitung und den Plan von der Ausführung zu trennen. Sobald die festen Punkte einmal gegeben waren, und ich überhaupt nur einen sichern Blick durch das Ganze bekommen, habe ich mich gehen lassen, und so wurden, ohne daß ich es eigentlich zu Absicht hatte, viele Scenen im ersten Act gleich ausgeführt. Meine Anschauung wird mit jedem Tage lebendiger und eins bringt das andere herbei.
Gegen den Dreikönig-Tag denke ich soll der erste Act, der auch bei weitem der längste wird, so weit fertig sein, daß Sie ihn lesen können. Denn ehe ich mich weiter hinein wage, möchte ich gerne wissen, ob es der gute Geist ist, der mich leitet. Ein böser ist es nicht, das weiß ich wohl gewiß, aber es giebt so viele Stufen zwischen beiden.
Ich bin, nach reifer Ueberlegung, bei der lieben Prosa geblieben, die diesem Stoff auch viel mehr zusagt.
Hier die noch restirenden Horenstücke; das bezeichnete bitte an Herrn v. Knevel abgeben zu lassen.
Leben Sie aufs beste wohl. Bei uns ist alles ziemlich gesund.
Sch.
259. An Schiller.
Daß es mit Wallenstein so geht, wie Sie schreiben, ist in der Regel, und ich habe desto mehr Hoffnung darauf, als er sich nun selbst zu produciren anfängt, und ich freue mich den ersten Act nach dem Neuen Jahre anzutreffen. Eher werde ich aber auch nicht kommen, da mir noch eine Reise bevorsteht, von der ich das weitere melde, sobald sie gewiß ist.
Die Optica gehen vorwärts, ob ich sie gleich jetzt mehr als Geschäft, denn als Liebhaberei treibe; doch sind die Acten dergestalt instruirt daß es nicht schwer wird daraus zu referiren. Knebel nimmt Antheil daran, welches mir von großem Vortheil ist, damit ich nicht allein mir selbst sondern auch andern schreibe. Uebrigens ist und bleibt es vorzüglich eine Uebung des Geistes, eine Beruhigung der Leidenschaften und ein Ersatz für die Leidenschaften, wie uns Frau von Staël umständlich dargethan hat.
Schicken Sie mir doch dieses Buch bald zurück; jedermann verlangt darnach. Im Merkur ist schon Gebrauch davon gemacht. Diderot können Sie länger behalten; es ist ein herrliches Buch und spricht fast noch mehr an den Dichter als an den bildenden Künstler, ob es gleich auch diesem oft mit gewaltiger Fackel vorleuchtet.
Leben Sie wohl, grüßen Sie alles; unsere Eisbahn ist sehr lustig. Jakobi ist bei mir; er hat sich recht wacker ausgebildet. Nächstens mehr.
Weimar am 17. December 1796.
G.
260. An Goethe.
Jena den 19. December 1796.
Boie hat geantwortet, ich lege seinen Brief bei; da er für das Original des Cellini nichts scheint annehmen zu wollen, so werden Sie sich wohl selbst auf irgend eine Art mit ihm erklären müssen. Madame Staël habe ich noch nicht zu Ende lesen können, da ich in den wenigen Stunden, wo ich an solch ein Buch kommen kann, allemal gestört worden. Um aber die andern Freunde nicht warten zu lassen, sende ich’s Ihnen morgen mit dem Botenmädchen. Sie theilen mir die Schrift dann wohl wieder mit, wenn sie die Tour gemacht hat.
Körnern und seine Familie hat Ihre Elegie sehr lebhaft interessirt. Sie wissen nicht genug davon zu erzählen, und Ihrem epischen Gedichte sehen sie mit unbeschreiblicher Sehnsucht entgegen.
Leben Sie recht wohl. Ich schreibe in der Eile.
Sch.
261. An Schiller.
Das Werk der Frau von Staël ist angekommen und soll wieder zurückkehren, sobald die Neugierde der Freunde befriedigt ist. Sie werden Knebeln bei sich sehen und ihn ganz munter finden; er hilft mir, auf eine sehr freundschaftliche Weise, gegenwärtig an meinem optischen Wesen fort. Ich zeichne jetzt die Tafeln dazu und sehe daran, da sich alles verengt, eine mehrere Reife. Einen flüchtigen Entwurf zur Vorrede habe ich gemacht; ich communicire ihn nächstens um zu hören ob die Art, wie ich’s genommen habe, Ihren Beifall hat.
Boies Brief kommt zurück; es ist mir sehr angenehm daß er mir den Cellini abtritt; ich will ihm etwa ein gutes Exemplar meines Romans dagegen geben und einen freundlichen Brief dazu schreiben.
Es freut mich sehr daß die Elegie bei Körner gut gewirkt hat. Im Ganzen bin ich aber überzeugt, daß Ihre Bemerkung richtig ist, daß sie nämlich öffentlich noch zu früh käme; ich bin auch privatim sehr sparsam damit umgegangen.
Den dritten Feiertag gehe ich mit dem Herzog nach Leipzig. Sagen Sie es außer Humboldten niemand und fragen Sie diesen Freund, ob er mir außer Professor Ludwig und Magister Fischer noch jemand zu sehen empfiehlt? Da wir wahrscheinlich auch auf Dessau gehen, so kommen wir unter zwölf bis vierzehn Tagen nicht zurück; wünschten Sie also vor meiner Abreise noch etwas von mir, so haben Sie die Güte mir es bald zu sagen.
Da mein armes Subject auf dieser Tour, besonders physisch, manches zu leiden haben wird, so hoffe ich, durch mancherlei neue Objecte bereichert zu werden.
Meine Fisch- und Wurmanatomie hat mir in diesen Tagen auch wieder einige sehr fruchtbare Ideen erregt.
Leben Sie recht wohl und thätig ins neue Jahr hinein und fahren Sie fort in dem dramatischen Felde Platz zu gewinnen. Wenn nur nicht auch der Januar hingeht ohne daß wir uns sehen. Leben Sie indessen recht wohl. Schlegels werden wahrscheinlich von einem großen, völlig Literarischen Gastmahl erzählen, dem sie beigewohnt haben.
Weimar den 21. December 1796.
G.
262. An Goethe.
Das heutige Paket ist schon vorgestern dem Botenmädchen zugestellt worden, und heute erhalte ich es zurück, weil sie des Wassers wegen nicht fort konnte. Dieser Aufschub ist mir doppelt unangenehm, wie Sie aus dem Inhalt abnehmen werden.
Reichardt hat sich nun geregt, und gerade so wie ich erwartet hatte; er will es bloß mit mir zu thun haben und Sie zwingen, sein Freund zu scheinen. Da er sich auf dieses Trennungssystem ganz verläßt, so scheint mir’s nöthig, ihn gerade durch die unzertrennlichste Vereinigung zu Boden zu schlagen. Ignoriren darf ich seinen insolenten Angriff nicht, wie Sie selber sehen werden; die Replique muß schnell und entscheidend sein. Ich sende Ihnen hier das Concept, ob es Ihnen so recht ist. Sowohl Ihre Abreise als die Notwendigkeit, bald mit der Gegenantwort aufzutreten, macht die Resolution dringend; daher bitte ich Sie um recht baldige Antwort. Wollen Sie selbst noch etwas thun, so wird es mir desto lieber sein, und ihm desto sicherer den Mund stopfen.
Wegen der Besuche in Leipzig schreibt Ihnen Humboldt selbst.
Ihr längeres Ausbleiben ist mir sehr unangenehm: möchte es nur Ihre jetzige schöne Thätigkeit nicht zu lang unterbrechen!
Boie wird durch Ihr Geschenk sich in reichem Maße geehrt und belohnt finden.
Knebel war bei mir und hat mir auch die Schottländer gebracht, die ganz gute Leute scheinen. Knebel erzählte mir auch viel von den optischen Unterhaltungen mit Ihnen; es freut mich, daß Ihre Mitteilung gegen ihn die Sache mehr in Bewegung brachte. Seine Idee, daß Sie das Ganze in einige Hauptmassen ordnen möchten, scheint mir nicht übel; man würde so schneller zu bestimmten Resultaten geführt, da man bei einer künstlichern Technik des Werks die Befriedigung erst am Ende findet. Auf Ihre Vorrede bin ich jetzt sehr begierig und hoffe sie noch vor Ihrer Abreise zu erhalten.
Leben Sie recht wohl. Alles grüßt herzlich und wünscht Ihnen viel Unterhaltung auf dieser Reise.
Jena den 25. December 1796.
Sch.
263. An Schiller.
(Weimar 27. December 1796.)
Ihr Paket erhalte ich zu einer Zeit, da ich so äußerst zerstreut bin daß ich weder die Sache, wie sie verdient, überdenken, noch darüber etwas beschließen kann. Lassen Sie mich also nur vorläufig eine ohngefähre Meinung sagen und übereilen Sie nichts. Der Gegner hat sich zu seiner Replik alle Zeit genommen, lassen Sie uns ja, da uns kein Termin zwingt, den Vortheil der reifsten Ueberlegung nicht leidenschaftlich aus der Hand geben. Sie ist um desto nöthiger als die Sache prosaisch verhandelt werden soll und das erste Wort ist von der größten Bedeutung. Meo voto müßte unsere Prosa so ästhetisch als möglich sein, ein rednerischer, juristischer, sophistischer Spaß, der durch seine Freiheit und Uebersicht der Sache wieder an die Xenien selbst erinnerte. Ihr Aufsatz scheint mir zu ernsthaft und zu gutmüthig. Sie steigen freiwillig auf den Kampfplatz der dem Gegner bequem ist, Sie contestiren litem und lassen sich ein, ohne von den Exceptionen Gebrauch zu machen, die so schön bei der Hand liegen. Flüchtig betrachtet sehe ich die Sache so an:
Ein ungenannter Herausgeber von zwei Journalen greift einen genannten Herausgeber von einem Journal und einem Almanach deßhalb an daß er in einigen Gedichten verläumdet und als Mensch angegriffen worden sei.
Nach meiner Meinung muß man ihn bei dieser Gelegenheit aus seinem bequemen Halbincognito heraustreiben und zuerst von ihm verlangen, daß er sich auf seinen Journalen nenne, damit man doch auch seinen Gegner kennen lerne; zweitens , daß er die Gedichte wieder abdrucken lasse, die er auf sich zieht, damit man wisse wovon die Rede sei und worüber gestritten wird. Diese beiden Präliminarfragen müssen erst erörtert sein, ehe man sich einläßt; sie incommodiren den Gegner aufs äußerste und er mag sich benehmen wie er will so hat man Gelegenheit ihn zu persiffliren, die Sache wird lustig, die Zeit wird gewonnen, es erscheinen gelegentlich noch mehrere Gegner denen man immer beiher etwas abgeben kann, das Publikum wird gleichgültig und wir sind in jedem Sinne im Vortheil.
Ich finde auf der Reise gewiß so viel Humor und Zeit um einen solchen Aufsatz zu versuchen. Da wir Freunde haben die sich für uns interessiren so lassen Sie uns nicht unberathen zu Werke gehen.
Seitdem ich Ihnen jene Bemerkungen über die Elegie danke, habe ich manches erfahren und gedacht, und ich wünsche Ihnen bei der gegenwärtigen
(Schluß fehlt.)
1797.
264. An Schiller.
Leipzig den 1. Januar 1797.
Ehe ich von hier weggehe muß ich noch ein Lebenszeichen von mir geben und kürzlich meine Geschichte melden. Nachdem wir am 28sten December uns durch die Windweben auf dem Ettersberge durchgewürgt hatten und auf Buttelstädt gekommen waren, fanden wir recht leidliche Bahn und übernachteten in Rippach. Am 29sten früh um 11 Uhr waren wir in Leipzig und haben der Zeit eine Menge Menschen gesehen, waren meist Mittag und Abends zu Tische geladen und ich entwich mit Noth der einen Hälfte dieser Wohlthat. Einige recht interessante Menschen haben sich unter der Menge gefunden, alte Freunde und Bekannte habe ich auch wieder gesehen, so wie einige vorzügliche Kunstwerke, die mir die Augen wieder ausgewaschen haben.
Nun ist noch heute ein saurer Neujahrstag zu überstehen, indem frühmorgens ein Cabinet besehen wird, Mittags ein großes Gastmahl genossen, Abends das Concert besucht wird, und ein langes Abendessen darauf gleichfalls unvermeidlich ist. Wenn wir nun so um 1 Uhr nach Hause kommen steht uns, nach einem kurzen Schlaf, die Reise nach Dessau bevor, die wegen des eingefallenen starken Thauwetters einigermaßen bedenklich ist; doch wird auch das glücklich vorübergehen.
So sehr ich mich freue nach dieser Zerstreuung bald zu Ihnen in die Jenaische Einsamkeit zurückzukehren, so lieb ist mir’s, daß ich einmal wieder so eine große Menschenmasse sehe, zu der ich eigentlich gar kein Verhältniß habe. Ich konnte über die Wirkung der literarischen positiven und polemischen Schriften manche gute Bemerkung machen, und das versprochene Gegenmanifest wird nicht um desto schlimmer werden.
Leben Sie recht wohl. Da wir schon morgen nach Dessau gehen, so scheint es daß die Reise überhaupt nicht gar zu lange dauern wird.
Sagen Sie Herrn von Humboldt daß ich Doctor Fischern gesehen habe, und daß er mir recht wohl gefallen hat. Die Kürze der Tage und das äußerst böse Thauwetter hindern mich übrigens meinen Aufenthalt so zu nutzen wie ich wohl wünschte; doch findet man zufällig manches was man sonst vergebens sucht. Leben Sie nochmals wohl, vergnügt und fleißig.
G.
265. An Schiller.
Nach einer vierzehntägigen Abwesenheit bin ich glücklich wieder zurückgekommen, von meiner Reise sehr wohl zufrieden, auf der mir manches Angenehme und nichts Unangenehmes begegnet ist. Ich habe viel davon zu erzählen und werde, sobald ich nur wieder hier ein wenig Ordnung gemacht, wenn es auch nur auf einen Tag ist, zu Ihnen hinüber kommen. Leider kann ich nicht sogleich, so sehr ich auch wünschte Herrn Oberbergrath Humboldt noch zu sprechen. Grüßen Sie beide Brüder aufs beste und schönste und sagen Sie daß ich sogleich Anstalt machen werde die verzeichneten Bücher Herrn Gentz zu verschaffen.
Ich verlange sehr Sie wieder zu sehen, denn ich bin bald in dem Zustande daß ich für lauter Materie nicht mehr schreiben kann, bis wir uns wieder gesehen und recht ausgeschwätzt haben.
Poetisches hat mir die Reise nichts eingetragen als daß ich den Schluß meines epischen Gedichts vollkommen schematisirt habe. Schreiben Sie mir was Ihnen indessen die Muse gegönnt hat. Grüßen Sie Ihre liebe Frau und sagen mir wie die Kleinen sich befinden.
Weimar am 11. Januar 1797.
Mit dem Buche, das mir Rath Schlegel mitbrachte, geht es mir wunderlich. Nothwendig muß es einer der damals gegenwärtigen Freunde eingesteckt haben, denn ich habe es nicht wieder gesehen und deßhalb auch vergessen; ich will sogleich herumschicken um zu erfahren wo es steckt. Wenn Sie Schlegeln sehen, so sagen Sie ihm daß ich ihm ein Compliment von einer recht schönen Frau zu bringen habe, die sich sehr lebhaft für ihn zu interessiren schien.
G.
266. An Goethe.
Eben bekomme ich Ihren lieben Brief, der mich mit der Nachricht von Ihrer Zurückkunft herzlich erfreut. Diese Zeit Ihrer Abwesenheit von Jena währt mir unbeschreiblich lang; wiewohl es mir gar nicht an Umgang fehlte, so hat es mir doch gerad an der nöthigsten Stärkung bei meinem Geschäft gemangelt. Kommen Sie ja, so bald Sie können. Ich zwar habe nicht viel gesammelt was ich mittheilen könnte, desto begieriger aber und bedürftiger werde ich alles aufnehmen, was ich von Ihnen hören kann.
Wir sind alle so wohl, wie wir zu sein pflegen; unthätig bin ich gar nicht gewesen, wiewohl in diesen düstern drückenden Wintertagen alles später reift, und die rechte Gestalt sich schwerer findet. Indessen ich sehe doch ins Helle und mein Stoff unterwirft sich mir immer mehr. Die erste Bedingung eines glücklichen Fortgangs meiner Arbeit ist eine leichtere Luft, und Bewegung; ich bin daher entschlossen, mit den ersten Regungen des Frühjahrs den Ort zu verändern und mir, wo möglich in Weimar, ein Gartenhaus, wo heizbare Zimmer sind, auszusuchen. Das ist mir jetzt ein dringendes Bedürfniß, und kann ich diesen Zweck zugleich mit einer größern und leichtern Communication mit Ihnen vereinigen, so sind vor der Hand meine Wünsche erfüllt. Ich denke wohl, daß es gehen wird.
Die Reichardtische Sache habe ich mir diese Zeit über aus dem Sinne geschlagen, weil ich mich darin mit Freuden in Ihren Rath ergeben will. Sie überfiel mich in einer zu engen Zimmerluft, und alles was zu mir kommt, muß noch dazu beitragen, mir diese Widrigkeiten noch lastender zu machen.
Aber Wieland wird nun auch gegen die Xenien auftreten, wie Sie aus dem ersten Stück des Merkur ersehen werden. Es wäre doch unangenehm, wenn er uns zwänge, auch mit ihm anzubinden, und es fragt sich, ob man nicht wohl thäte, ihm die Folgen zu bedenken zu geben.
Ihre Aufträge sollen besorgt werden. Ich lege hier das zwölfte Horenstück bei, die übrigen Exemplare kommen übermorgen.
Wir umarmen Sie alle herzlich.
Jena den 11. Januar 1797.
Sch.
267. An Goethe.
Jena den 17. Januar 1797.
Ich mache eben Feierabend mit meinem Geschäft und sage Ihnen noch einen guten Abend, eh ich die Feder weglege. Ihr letzter Besuch, so kurz er auch war, hat eine gewisse Stagnation bei mir gehoben, und meinen Muth erhöht. Sie haben mich durch Ihre Beschreibungen wieder in die Welt geführt, von der ich mich ganz abgetrennt fühlte.
Besonders aber erfreut mich Ihre lebhafte Neigung zu einer fortgesetzten poetischen Thätigkeit. Ein neueres schöneres Leben thut sich dadurch vor Ihnen auf, es wird sich auch mir nicht nur in dem Werke, es wird sich mir auch durch die Stimmung, in die es Sie versetzt, mittheilen und mich erquicken. Ich wünschte besonders jetzt die Chronologie Ihrer Werke zu wissen; es sollte mich wundern, wenn sich an den Entwicklungen Ihres Wesens nicht ein gewisser nothwendiger Gang der Natur im Menschen überhaupt nachweisen ließe. Sie müssen eine gewisse, nicht sehr kurze, Epoche gehabt haben, die ich Ihre analytische Periode nennen möchte, wo Sie durch die Theilung und Trennung zu einem Ganzen strebten, wo Ihre Natur gleichsam mit sich selbst zerfallen war und sich durch Kunst und Wissenschaft wieder herzustellen suchte. Jetzt däucht mir kehren Sie, ausgebildet und reif, zu Ihrer Jugend zurück, und werden die Frucht mit der Blüthe verbinden. Diese zweite Jugend ist die Jugend der Götter und unsterblich wie diese.
Ihre kleine und große Idylle und noch neuerlich Ihre Elegie zeigen dieses, so wie die alten Elegien und Epigramme. Ich möchte aber von den früheren Werken, vom Meister selber, die Geschichte wissen. Es ist keine verlorene Arbeit, dasjenige aufzuschreiben was Sie davon wissen. Man kann Sie ohne das nicht ganz kennen lernen. Thun Sie es also ja, und legen auch bei mir eine Copie davon nieder.
Fällt Ihnen etwas von der Lenzischen Verlassenschaft in die Hände, so erinnern Sie sich meiner. Wir müssen alles was wir finden, für die Horen zusammenraffen. Bei Ihrem veränderten Plan für die Zukunft können Sie vielleicht auch die italienischen Papiere den Horen zu gut kommen lassen.
An den Cellini bitte ich auch zu denken, daß ich ihn etwa in drei Wochen habe.
Freund Reichardts Abfertigung bitte auch nicht ganz zu vergessen.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
268. An Schiller.
Die wenigen Stunden, die ich neulich mit Ihnen zugebracht habe, haben mich auf eine Reihe von Zeit nach unserer alten Art wieder recht lüstern gemacht; sobald ich nur einigermaßen hier verschiedenes ausgeführt und manches eingerichtet habe, bringe ich wieder eine Zeit mit Ihnen zu, die, wie ich hoffe, in mehr als Einem Sinn für uns beide fruchtbar sein wird. Benutzen Sie ja Ihre besten Stunden, um die Tragödie weiter zu bringen, damit wir anfangen können uns zusammen darüber zu unterhalten.
Ich empfange soeben Ihren lieben Brief und läugne nicht daß mir die wunderbare Epoche in die ich eintrete, selbst sehr merkwürdig ist: ich bin darüber leider noch nicht ganz beruhigt, denn ich schleppe von der analytischen Zeit noch so vieles mit, das ich nicht los werden und kaum verarbeiten kann. Indessen bleibt mir nichts übrig als auf diesem Strom mein Fahrzeug so gut zu lenken als es nur gehen will. Was bei dieser Disposition eine Reise für Wirkung thut habe ich schon die letzten 14 Tage gesehen; indessen läßt sich ins Ferne und Ganze nichts voraussagen, da diese regulirte Naturkraft sowie alle unregulirten durch nichts in der Welt geleitet werden kann, sondern wie sie sich selbst bilden muß auch aus sich selbst und auf ihre eigne Weise wirkt. Es wird uns dieses Phänomen zu manchen Betrachtungen Anlaß geben.
Der versprochene Aufsatz ist so reif daß ich ihn in einer Stunde dictiren könnte, ich muß aber nothwendig vorher mit Ihnen noch über die Sache sprechen und ich werde um so mehr eilen bald wieder bei Ihnen zu sein. Sollte sich ein längerer Aufenthalt in Jena noch nicht möglich machen, so komme ich bald wieder auf einen Tag; solch ein kurzes Zusammensein ist immer sehr fruchtbar.
Eine Abtheilung Cellini corrigire ich gegenwärtig; haben Sie eine Abschrift von derjenigen die im nächsten Stück erwartet wird, so schicken Sie mir solche doch.
Ich schließe für dießmal und wünsche recht wohl zu leben.
Weimar am 18. Januar 1797.
G.
269. An Goethe.
Jena 24. Januar 1797.
Nur zwei Worte für heute. Ich hoffte, nach Ihrem letzten Brief, Sie schon seit etlichen Tagen hier zu sehen. Die paar heitern Tage haben mich auch wieder in die Luft gelockt und mir wohlgethan. Mit der Arbeit geht’s aber jetzt langsam, weil ich gerade in der schwersten Krise bin. Das seh ich jetzt klar, daß ich Ihnen nicht eher etwas zeigen kann, als bis ich über alles mit mir selbst im reinen bin. Mit mir selbst können Sie mich nicht einig machen, aber mein Selbst sollen Sie mir helfen mit dem Objecte übereinstimmend zu machen. Was ich Ihnen also vorlege, muß schon mein Ganzes sein, ich meine just nicht mein ganzes Stück, sondern meine ganze Idee davon. Der radicale Unterschied unserer Naturen, in Rücksicht auf die Art, läßt überhaupt keine andere, recht wohlthätige Mittheilung zu, als wenn das Ganze sich dem Ganzen gegenüber stellt; im einzelnen werde ich Sie zwar nicht irre machen können, weil Sie fester auf sich selbst ruhen als ich, aber Sie würden mich leicht über den Haufen rennen können. Doch davon mündlich weiter.
Kommen Sie ja recht bald. Ich lege hier das neueste von Cellini bei, das neulich vergessen wurde.
Alles grüßt Sie. Die Humboldtin leidet doch viel bei ihren Wochen und es wird langwierig werden.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
270. An Goethe.
{Jena den 27. Januar 1797 -->
Da Sie jetzt mit Farben beschäftigt sind, so will ich Ihnen doch eine Beobachtung mittheilen die ich heute, mit einem gelben Glase, gemacht. Ich betrachtete damit die Gegenstände vor meinem Fenster, und hielt es so weit horizontal vor das Auge, daß es mir zu gleicher Zeit die Gegenstände unter demselben zeigte, und auf seiner Fläche den blauen Himmel abspiegelte, und so erschienen mir an den hochgelb gefärbten Gegenständen alle die Stellen hell purpurfarbig, auf welche zugleich das Bild des blauen Himmels fiel, so daß es schien, als wenn die hochgelbe Farbe, mit der blauen des Himmels vermischt, jene Purpurfarbe hervorgebracht hätte. Nach der gewöhnlichen Erfahrung hätte aus dieser Mischung Grün entstehen sollen, und so sah auch der Himmel aus, sobald ich ihn durch das Glas betrachtete, und nicht bloß darin abspiegelte. Daß aber in dem letztern Fall Purpur erschien, erklärte ich mir daraus, daß ich bei der horizontalen Lage des Glases durch die Breite desselben also den dickern Theil sah, der schon ins Röthliche fiel. Denn ich durfte bloß das Glas von der einen Seite zuhalten und die Gegenstände als wie in einen Spiegel hineinfallen lassen, so war da ein reines Roth, wo vorher Gelb gewesen.
Ich sage Ihnen mit meiner Bemerkung schwerlich etwas neues, indessen wünschte ich zu wissen, ob ich mir das Phänomen recht erkärte. Hinge es wirklich nur von der größern oder geringeren Verdichtung des Gelben ab, um mit dem Blauen bald Purpur bald Grün hervorzubringen, so wäre die Reciprocität dieser zwei letztern Farben noch interessanter.
Haben Sie gelesen, was Campe auf die Xenien erwidert hat? Es geht eigentlich nur Sie an, und er hat sich auch höflich benommen, aber den Pedanten und die Waschfrau nur aufs neue bestätigt. Was das Archiv des Geschmacks und der Genius der Zeit zu Markte gebracht, haben Sie wohl schon gelesen, auch des Wandsbecker Boten klägliche Verse.
Leben Sie recht wohl. Ich wünschte, daß Sie bald von allen lästigen Amtsgeschäften frei zur Muse zurückkehren möchten.
Sch.
271. An Schiller.
Sonntag, den 29. Januar 1797.
Wenigstens soll heute Abend Ihnen ein eilfertiges Blatt gewidmet sein, damit Sie doch im allgemeinen erfahren wie es mit mir steht.
Ich habe diese Woche einige bedeutende Contracte zu Stande gebracht. Erstlich habe ich Dem. Jagemann für den hiesigen Hof und das Theater gewonnen; sie ist als Hofsängerin angenommen und wird in den Opern manchmal singen, wodurch denn unsere Bühne ein ganz neues Leben erhält. Ferner habe ich auch mein episches Gedicht verhandelt, wobei sich einige artige Begebenheiten ereignet haben.
Daß bei solchen Umständen an keine ästhetische Stimmung zu denken ist läßt sich leicht begreifen; indessen schließen sich die Farbentafeln immer besser an einander, und in Betrachtung organischer Naturen bin ich auch nicht müßig gewesen; es leuchten mir in diesen langen Nächten ganz sonderbare Lichter, ich hoffe es sollen keine Irrwische sein.
Ihre Farbenbeobachtung mit dem gelben Glase ist sehr artig; ich glaube daß ich diesen Fall unter ein mir schon bekanntes Phänomen subsumiren kann, doch bin ich neugierig bei Ihnen gerade den Punkt zu sehen auf welchem es beobachtet worden.
Grüßen Sie doch Humboldt vielmals, und bitten um Vergebung daß ich die auf Italien sich beziehenden Bücher noch nicht geschickt; Mittwoch soll etwas kommen.
Von Xenialischen Dingen habe ich die Zeit nichts gehört; in der Welt in der ich lebe klingt nichts literarisches weder vor noch nach; der Moment des Anschlagens ist der einzige der bemerkt wird. In Kurzem wird sich zeigen ob ich auf längere Zeit zu Ihnen kommen kann, oder ob ich nochmals nur eine augenblickliche Visite machen werde.
Leben Sie recht wohl; grüßen Sie was Sie umgiebt und halten sich zum Wallenstein so viel nur immer möglich ist.
G.
272. An Goethe.
Jena den 31. Januar 1797.
Zu der guten Acquisition für die Oper wünsche ich Glück, und was das epische Werk betrifft, so hoffe ich, Sie sind in gute Hände gefallen. Das Werk wird einen glänzenden Absatz haben, und bei solchen Schriften sollte der Verleger billig keinen Profit zu machen suchen, sondern sich mit der Ehre begnügen. Mit schlechten Büchern mag er reich werden.
Weil doch von mercantilischen Dingen die Rede ist, so lassen Sie mich Ihnen eine Idee mittheilen, die mir jetzt sehr am Herzen liegt. Ich bin jetzt genöthigt, mich in der Wahl einer Wohnung zu beeilen, da ein Gartenhaus hier zu verkaufen ist, welches mir convenient wäre, wenn ich hier wohnen bleiben wollte. Da ich nothwendig auf einen Garten sehen muß, und die Gelegenheit so leicht nicht wieder kommen könnte, so müßte ich zugreifen.
Nun sind aber verschiedene überwiegende Gründe da, warum ich doch lieber in Weimar wohnen möchte, und könnte ich dort eine Wohnung von derselben Art finden, so möchte ich es wohl vorziehen. Nach den Erkundigungen, die ich habe anstellen lassen, wird dieses aber schwer halten. Da Sie neulich von Ihrem Gartenhause sprachen und meinten, es habe Raum genug, so wünschte ich zu wissen, ob Sie es vielleicht für eine längere Zeit entbehren und es mir ordentlich vermiethen könnten. Es ist ja ohnehin Schade daß es dasteht, ohne sich zu verinteressiren, und mir wäre sehr damit geholfen.
Wären Sie dazu nicht ungeneigt, und qualificirte sich das Haus in den wesentlichen Dingen dazu, Sommers und Winters bewohnt zu werden, so würden wir über die Veränderungen, die noch nöthig wären, leicht miteinander einig werden können.
Was den Garten betrifft, so stünde ich für meine Leute, daß nichts verdorben werden sollte.
Die Entfernung würde mich wenig abschrecken. Meiner Frau ist eine äußere Nothwendigkeit sich in Bewegung zu setzen sehr gesund, und was mich betrifft, so hoffe ich nach einigen Versuchen in freier Luft, mir auch mehr zutrauen zu können.
Vor der Hand wünschte ich nun bloß zu wissen, ob Sie überhaupt nur zu einer solchen Disposition geneigt wären; das übrige würde dann auf eine nähere Besichtigung ankommen.
Leben Sie recht wohl. Alles grüßt.
Sch.
Körner wünscht zu erfahren, ob Sie die bestellten Musikalien und den Katalog der Wackerischen Auction bekommen?
273. An Schiller.
Sie erhalten auch endlich wieder einmal einen Beitrag von mir und zwar einen ziemlich starken Heft Cellini; nun steht noch der letzte bevor, und ich wünsche daß wir alsdann wieder einen solchen Fund thun mögen. Auch einige Lenziana liegen bei. Ob und wie etwas davon zu brauchen ist, werden Sie beurtheilen. Auf alle Fälle lassen Sie diese wunderlichen Hefte liegen bis wir uns nochmals darüber besprochen haben.
Mein Gartenhaus stünde Ihnen recht sehr zu Diensten, es ist aber nur ein Sommeraufenthalt für wenig Personen. Da ich selbst so lange Zeit darin gewohnt habe, und auch Ihre Lebensweise kenne, so darf ich mit Gewißheit sagen daß Sie darin nicht hausen können, um so mehr als ich Waschküche und Holzstall wegbrechen lassen, die einer etwas größeren Haushaltung völlig unentbehrlich sind. Es kommen noch mehr Umstände dazu, die ich mündlich erzählen will.
Der zu verkaufende Garten in Jena ist wohl der Schmidtische? Wenn er wohnbar ist, sollten Sie ihn nehmen. Wäre denn einmal Ihr Herr Schwager hier eingerichtet, so könnte man auf ein freiwerdendes Quartier aufpassen und den Garten werden Sie, da die Grundstücke immer steigen, ohne Schaden wieder los. Jetzt ist ein Quartier, wie Sie es wünschen, hier auf keine Weise zu finden.
Von Rom habe ich einen wunderlichen Aufsatz erhalten, der vielleicht für die Horen brauchbar ist. Er hat den ehemals sogenannten Maler Müller zum Verfasser, und ist gegen Fernow gerichtet. In den Grundsätzen die er aufstellt hat er sehr recht, er sagt viel gründliches, wahres und gutes; so ist der Aufsatz auch stellenweise gut geschrieben, hat aber im Ganzen doch etwas unbehülfliches und in einzelnen Stellen ist der Punkt nicht recht getroffen. Ich lasse das Werkchen abschreiben und theile es alsdann mit. Da er genannt sein will, so könnte man es wohl mit seinem Namen abdrucken lassen und am Schlusse eine Note hinzufügen, wodurch man sich in die Mitte stellte und eine Art von pro und contra eröffnete. Herr Fernow möchte alsdann im Merkur, Herr Müller in den Horen seine rechtliche Nothdurft anbringen und man hätte dabei Gelegenheit die mancherlei Albernheiten, die Herr Fernow mit großer Freiheit im Merkur debitirt , mit wenig Worten herauszuheben.
Körnern danken Sie recht vielmals für das überschickte Duett und den Catalogus; ersteres ist schon übersetzt und auf dem Theater. Leben Sie recht wohl! Mein Winterhimmel klärt sich auf und ich hoffe bald bei Ihnen zu sein; alles geht mir gut von statten und ich wünsche Ihnen das gleiche.
Weimar am 1. Februar 1797.
G.
274. An Goethe.
Jena den 2. Februar 1797.
Mit der gestrigen Sendung haben Sie mich recht erquickt, denn ich bin noch nie so in der Noth gewesen, die Horen flott zu erhalten als jetzt. Die Arbeit vom Maler Müller soll mir sehr lieb sein; er ist sicher eine unerwartete und neue Figur und es wird uns auch sehr helfen, wenn ein Streit in den Horen eröffnet wird. Die Lenziana, so weit ich bis jetzt hineingesehen, enthalten sehr tolles Zeug, aber die Wiedererscheinung dieser Empfindungsweise zu jetzigen Zeiten wird sicherlich nicht ohne Interesse sein, besonders da der Tod und das unglückliche Leben des Verfassers allen Neid ausgelöscht hat, und diese Fragmente immer einen biographischen und pathologischen Werth haben müssen.
Zu einem Nachfolger des Cellini wäre Vieilleville wohl sehr brauchbar, nur müßte er freilich nicht sowohl übersetzt als ausgezogen werden. Wenn Sie selbst sich nicht daran machen wollen und auch nichts anders Masse gebendes wissen, so will ich mich an den Vieilleville machen und bitte mir ihn zu dem Ende zu senden.
Niethammer, der diesen Brief mitnimmt, ist in der Angelegenheit nach Weimar gereist, sich beim Geh. Rath Voigt wegen einer außerordentlichen Professur in der Theologie zu melden. Es ist nämlich ein anderer philosophischer Professor Namens Lange darum eingekommen, und Niethammers ganzer Lebensplan ist davon abhängig, daß dieser Lange der viel neuer ist als er, ihm nicht zuvorkomme. Niethammer wird Sie bitten, Ihnen seine Angelegenheit vortragen zu dürfen, und Sie werden diese arme Philosophie nicht stecken lassen. Er ist nicht so unbescheiden, Ihnen zur Last fallen zu wollen, er wünscht bloß daß Sie dem Geh. Rath Voigt, und wenn es Gelegenheit dazu gäbe, dem Herzog selbst davon sagen möchten, daß Sie ihn kennen und einer solchen Beförderung nicht für unwürdig halten .
Daß mein Plänchen auf Ihr Gartenhaus unausführbar ist, beklage ich sehr. Ich entschließe mich ungern, hier sitzen zu bleiben; denn wenn Humboldt erst fort ist, so bin ich schlechterdings ganz allein, und auch meine Frau ist ohne Gesellschaft. Ich will mich doch noch erkundigen, ob das Gartenhaus des Geh. Rath Schmidt nicht verkäuflich ist; denn wäre es gleich in seinem jetzigen Zustand nicht bewohnbar, so könnte ich es doch, wenn es mein eigen wäre, in Stand richten lassen, welches ich auch bei dem Professor Schmidtischen hier thun müßte.
Leben Sie aufs beste wohl und kommen Sie ja, so bald Sie können.
Sch.
275. An Schiller.
Nach einer sehr staubigen und gedrängten Redoute kann ich Ihnen nur wenige Worte sagen.
Erstlich sende ich hier das Opus des Maler Müllers abgeschrieben; ich habe es nicht wieder durchsehen können und lege daher auch das Original bei. Da Sie es wohl nicht sogleich brauchen, so conferiren wir vorher nochmals drüber und Sie überlegen ja wohl ob am Style irgend etwas zu thun ist. Leider vergleicht er sich selbst ganz richtig mit einem Geist der nothgedrungen spricht, nur äußert er sich nicht so leicht und luftig wie Ariel. Vieles, werden Sie finden, ist ganz aus unserm Sinne geschrieben und, auch unvollkommen wie sie ist, bleibt eine solche öffentliche, ungesuchte und unvorbereitete Beistimmung schätzbar. Am Ende ist’s und bleibt’s denn doch ein Stein, den wir in des Nachbars Garten werfen; wenn er auch ein bißchen aufpatscht, was hat’s zu bedeuten. Selbst wenn wirklich etwas an Fernow ist, muß es durch Opposition ausgebildet werden, denn seine deutsche Subjectivität spricht nur immer entscheidender und alberner von Rom her.
Zweitens sende ich Ihnen einen Gesang eines wunderlichen Gedichtes. Da ich den Verfasser kenne, so macht mich das im Urtheil irre. Was sagen Sie? glauben Sie daß er poetisch Talent hat? Es ist eine gewisse anmuthige freie Weltansicht drin und eine hübsche Jugend; aber freilich alles nur Stoff, und wie mich dünkt keine Spur von einer zusammenfassenden Form. Gesetzt man hätte eine poetische Schule, wo man die Hauptvortheile und Erfordernisse der Dichtkunst, wenigstens dem Verstande eines solchen jungen Mannes klar machen könnte, was glaubten Sie, daß aus einem solchen Naturell gezogen werden könnte? Jetzt weiß ich ihm keinen Rath zu geben als daß er kleinere Sachen machen soll.
Meine Aussicht auf längere Zeit bei Ihnen zu bleiben, verschiebt sich abermals weiter hinaus. Die Anstellung der Jagemann und ihre Einleitung aufs Theater macht meine Gegenwart höchst nöthig; doch soll mich nicht leicht etwas abhalten Sonntag den 12ten zu Ihnen zu kommen; wir haben Vollmond und brauchen bei der Rückkehr das zerrissene Mühlthal nicht zu fürchten.
Den Vieilleville will ich schicken, denn ich darf nichts neues unternehmen. Vielleicht bildet sich die Idee zu einem Mährchen, die mir gekommen ist, weiter aus. Es ist nur gar zu verständig und verständlich, drum will mirs nicht recht behagen; kann ich aber das Schiffchen auf dem Ocean der Imagination recht herumjagen, so giebt es doch vielleicht eine leidliche Composition die den Leuten besser gefällt als wenn sie besser wäre. Das Mährchen mit dem Weibchen im Kasten lacht mich manchmal auch wieder an, es will aber noch nicht recht reif werden.
Uebrigens sind jetzt alle meine Wünsche auf die Vollendung des Gedichtes gerichtet und ich muß meine Gedanken mit Gewalt davon zurückhalten, damit mir das Detail nicht in Augenblicken zu deutlich werde wo ich es nicht ausführen kann. Leben Sie recht wohl und lassen mich etwas von Ihrer Stimmung und Ihren Arbeiten wissen.
Weimar den 4. Februar 1797.
G.
276. An Goethe.
Jena den 7. Februar 1797.
Sie haben mir in diesen letzten Botentagen einen solchen Reichthum von Sachen zugeschickt, daß ich mit dem Besichtigen noch gar nicht habe fertig werden können, besonders da mir von der einen Seite ein Garten, den ich im Handel habe, und von der andern eine Liebesscene in meinem zweiten Act den Kopf nach sehr verschiedenen Richtungen bewegen.
Indessen habe ich mich gleich an das Maler-Müllerische Scriptum gemacht, welches, zwar in einer schwerfälligen und herben Sprache, sehr viel vortreffliches enthält, und nach den gehörigen Abänderungen im Stil einen vorzüglich guten Beitrag zu den Horen abgeben wird.
In dem neuen Stück Cellini habe ich mich über den Guß des Perseus recht von Herzen erlustigt. Die Belagerung von Troja oder von Mantua kann keine größere Begebenheit sein, und nicht pathetischer erzählt werden als diese Geschichte.
Ueber das Epos, welches Sie mir mitgetheilt, werde ich Ihnen mehr sagen können, wenn Sie kommen. Was ich bis jetzt darin gelesen, bestätigt mir sehr Ihr Urtheil. Es ist das Product einer lebhaften und vielbeweglichen Phantasie, aber diese Beweglichkeit geht auch so sehr bis zur Unart, daß schlechterdings alles schwimmt und davonfließt, ohne daß man etwas von bleibender Gestalt darin fassen könnte. Bei diesem durchaus herrschenden Charakter der bloßen gefälligen Mannigfaltigkeit und des anmuthigen Spiels würde ich auf einen weiblichen Verfasser gefallen sein, wenn es mir zufällig in die Hände gerathen wäre. Es ist reich an Stoff, und scheint doch äußerst wenig Gehalt zu haben. Nun glaube ich aber, daß das was ich Gehalt nenne, allein der Form fähig werden kann; was ich hier Stoff nenne, scheint mir schwer oder niemals damit verträglich zu sein.
Ohne Zweifel haben Sie jetzt auch die Wielandische Oration gegen die Xenien gelesen. Was sagen Sie dazu? Es fehlt nichts, als daß sie im Reichsanzeiger stünde.
Von meiner Arbeit und Stimmung dazu kann ich jetzt gerade wenig sagen, da ich in der Krise bin, und mein bestes feinstes Wesen zusammennehme , um sie gut zu überstehen. Insofern ist mir’s lieb, daß die Ursache die Sie abhält hieher zu kommen, gerade diesen Monat trifft, wo ich mich am meisten nöthig habe zu isoliren.
Soll ich Ihre Elegie nun etwa zum Druck abschicken, daß sie am Anfange Aprils ins Publicum kommt?
Zu dem Mährchen wünsche ich bald eine recht günstige Stimmung. Leben Sie recht wohl. Wir freuen uns, Sie auf den Sonntag zu sehen.
Sch.
277. An Schiller.
Ich freue mich daß Sie in Ihrem abgesonderten Wesen die ästhetischen Krisen abwarten können; ich bin wie ein Ball den eine Stunde der andern zuwirft. In den Frühstunden suche ich die letzte Lieferung Cellini zu bearbeiten. Der Guß des Perseus ist fürwahr einer von den lichten Punkten, so wie bei der ganzen Arbeit an der Statue bis zuletzt Naturell, Kunst, Handwerk, Leidenschaft und Zufall alles durcheinander wirkt und dadurch das Kunstwerk gleichsam zum Naturprodukt macht.
Ueber die Metamorphose der Insecten gelingen mir auch gegenwärtig gute Bemerkungen. Die Raupen, die sich letzten September in Jena verpuppten, erscheinen, weil ich sie den Winter in der warmen Stube hielt, nun schon nach und nach als Schmetterlinge und ich suche sie auf dem Wege zu dieser neuen Verwandlung zu ertappen. Wenn ich meine Beobachtungen nur noch ein Jahr fortsetze, so werde ich einen ziemlichen Raum durchlaufen haben; denn ich komme nun schon oft wieder auf ganz bekannte Plätze.
Ich wünsche daß der Handel mit dem Gartenhaus gelingen möge. Wenn Sie etwas daran zu bauen haben, so steht Ihnen mein Gutachten zu Diensten.
Die Wielandische Aeußerung habe ich nicht gesehen noch nichts davon gehört: es läßt sich vermuthen daß er in der heilsamen Mittelstraße geblieben ist. Leben Sie recht wohl; noch hoffe ich Sonntags zu kommen; Sonnabend Abend erfahren Sie die Gewißheit.
Weimar den 8. Februar 1797.
G.
278. An Goethe.
Jena den 10. Februar 1797.
Es ist mir dieser Tage der Brief von Meyern wieder in die Hände gefallen, worin er den ersten Theil seiner Reise bis Nürnberg beschreibt. Dieser Brief gefällt mir gar wohl, und wenn sich noch drei, vier andere daran anschließen ließen , so wäre es ein angenehmer Beitrag für die Horen und die paar Louisdors könnte Meyer auch mitnehmen. Ich lege Ihnen die Copia hier bei.
Von Nicolai in Berlin ist ein Buch gegen die Xenien erschienen; ich hab’ es aber noch nicht zu Gesichte bekommen.
Ich habe jetzt ein zweites Gebot auf meinen Schmidtischen Garten gethan, 1150 Rthlr., und hoffe ihn um 1200 zu bekommen. Es ist vorderhand zwar nur ein leichtes Sommerhaus, und wird auch wohl noch ein hundert Thaler kosten, um nur im Sommer bewohnbar zu sein; aber diese Verbesserung meiner Existenz ist mir alles werth. Wenn ich erst im Besitz bin, und Sie hier sind, dann wollen wir Sie bitten, uns zu rathen und zu helfen.
Alles weitere mündlich. Ich hoffe, Sie übermorgen gewiß zu sehen, schicke aber doch auf jeden Fall die Horen heute mit. Inlage an Herdern bitte abgeben zu lassen.
Der Auftrag an meinen Schwager ist besorgt.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
279. An Schiller.
Die Horen habe ich erhalten und danke für deren schnelle Sendung. Morgen bin ich bei Ihnen und wir können uns über manches ausreden; morgen Abend gehe ich zwar weg, hoffe aber über acht Tage auf längere Zeit wieder zu kommen.
Dem verwünschten Nicolai konnte nichts erwünschter sein als daß er nur wieder einmal angegriffen wurde; bei ihm ist immer bonus odor ex re qualibet, und das Geld das ihm der Band einbringt ist ihm gar nicht zuwider. Ueberhaupt können die Herren uns sämmtlich Dank wissen, daß wir ihnen Gelegenheit geben einige Bogen zu füllen und sich bezahlen zu lassen, ohne großen Aufwand von productiver Kraft.
Lassen Sie ja den Garten nicht weg, ich bin dem Local sehr günstig; es ist außer der Anmuth auch noch eine sehr gesunde Stelle. Leben Sie recht wohl, ich freue mich auf morgen. Ich esse mit Ihnen, aber allein; geheimer Rath Voigt, der mit mir kommt, wird bei Hufelands einkehren und Nachmittags verschränken wir unsere Besuche.
Weimar den 11. Februar 1797.
G.
280. An Goethe.
Jena den 17. Februar 1797.
Ich wünsche, daß Sie neulich wohl mögen angekommen sein, Ihre Erscheinung war so kurz, ich habe mein Herz gar nicht ausleeren können. Aber es ist wirklich nothwendig, daß man einander, wenn es nicht auf länger sein kann, manchmal nur auf einige Stunden sieht, um sich nicht fremder zu werden.
Jetzt wird meine Sehnsucht, Luft und Lebensart zu verändern, so laut und so dringend, daß ich es kaum mehr aushalten kann. Wenn ich mein Gartenhaus einmal besitze und keine große Kälte mehr nachkommt, so mache ich mich in vier Wochen hinaus. Eher komme ich auch mit meiner Arbeit nicht recht vorwärts, denn es ist mir, als könnte ich in diesen verwünschten vier Wänden gar nichts hervorbringen.
Mein Schwager denkt mit Anfang des März zu kommen. Er befindet sich aber wegen seiner Wohnung in einiger Verlegenheit, weil diese erst nach Ostern frei wird, und wünschte doch gleich mit seiner Frau und dem Kinde zu kommen. Dürfte ich ihm in dem äußersten Fall, daß er kein Logis bis dahin finden könnte, wo das von ihm gemiethete Stitzerische frei wird, Hoffnung machen, daß Sie ihm Ihr Gartenhaus auf die paar Wochen überlassen wollen? Ich würde ihm rathen, meine Schwägerin so lange hieher ziehen zu lassen, aber da kommt unglücklicherweise die Blatterninoculation in meinem und Humboldts Hause dazwischen, welche in drei, vier Wochen vor sich gehen soll, und meine Schwägerin will ihr Kind jetzt nicht inoculiren lassen. Ich weiß also keinen andern Rath, und nehme darum meine Zuflucht zu Ihnen.
Wünschten Sie Ihren Almanach nicht auf dem Papier gedruckt zu sehen, worauf ich hier schreibe? Es ist viel wohlfeiler als Velin und mir kommt es wirklich eben so schön vor. Das Buch kommt ohngefähr auf 13 Gr., da das Velin 18 Gr. kostet. Hermann und Dorothea müßten sich prächtig darauf ausnehmen.
Leben Sie recht wohl. Sehen Sie, daß Sie sich sobald möglich von Ihren Geschäften los machen und Ihr Werk vollenden.
Sch.
281. An Schiller.
Ich wage es endlich Ihnen die drei ersten Gesänge des epischen Gedichtes zu schicken; haben Sie die Güte es mit Aufmerksamkeit durchzusehen und theilen Sie mir Ihre Bemerkungen mit. Herrn von Humboldt bitte ich gleichfalls um diesen Freundschaftsdienst. Geben Sie beide das Manuscript nicht aus der Hand und lassen Sie mich es bald wieder haben. Ich bin jetzt an dem vierten Gesang und hoffe mit diesem wenigstens auch bald im Reinen zu sein.
Ihrem Herrn Schwager wollte ich mein Gartenhaus bis Ostern, aber freilich nur bis dahin, gern überlassen; doch würde es nur als die letzte Ausflucht zu empfehlen sein: denn es würde doch viel Umstände machen es für die jetzige Jahrszeit in Stand zu setzen, denn es ist kein Ofen darin, und Möbel könnte ich auch nicht geben. Allein das ganze Germarische Haus ist leer und die Fräulein, die ich so eben fragen lasse, will es im Ganzen oder zum Theil auf sechs Wochen vermiethen, auch wohl Meubles dazugeben.
Bei dem großen Drange aber, der hier nach Quartieren ist, stehe ich nicht dafür daß diese Gelegenheit nur eine Woche offen bleibt. Sie müßten mir daher durch einen Boten anzeigen wie viel Raum man verlangt, und mir etwa zugleich melden wer bisher Ihres Herrn Schwagers Angelegenheiten besorgt hat, damit man sich mit ihm bereden könne.
Meyer grüßt aufs beste und hat beiliegendes sehr artiges Titelkupfer geschickt, das aber freilich in die Hände eines sehr guten Kupferstechers fallen sollte, worüber wir uns noch bereden wollen.
Der heutige Oberon fordert mich zur Probe; das nächstemal mehr.
Weimar am 18. Februar 1797.
G.
282. An Schiller.
Aus meinen betrübten Umständen muß ich Ihnen noch einen guten Abend wünschen. Ich bin wirklich mit Hausarrest belegt, sitze am warmen Ofen und friere von innen heraus, der Kopf ist mir eingenommen und meine arme Intelligenz wäre nicht im Stande, durch einen freien Denkactus, den einfachsten Wurm zu produciren, vielmehr muß sie dem Salmiak und dem Liquiriziensaft, als Dingen, die an sich den häßlichsten Geschmack haben, wider ihren Willen die Existenz zugestehn. Wir wollen hoffen daß wir, aus der Erniedrigung dieser realen Bedrängnisse, zur Herrlichkeit poetischer Darstellungen nächstens gelangen werden, und glauben dieß um so sichrer als uns die Wunder der stetigen Naturwirkungen bekannt sind. Leben Sie recht wohl. Hofrath Loder vertröstet mich auf einige Tage Geduld.
{Jena} den 27. Februar 1797.
G.
283. An Goethe
{Jena den 27. Febr.}
Wir beklagen Sie herzlich, daß Sie etwas so ganz anderes hier gefunden haben als Sie suchten. In solchen Umständen wünschte ich Ihnen meine Fertigkeit im Uebelbefinden, so würde Ihnen dieser Zustand weniger unerträglich sein. Es ist übrigens kein groß Compliment für die Elementarphilosophie, daß nur der Katarrh Sie zu einem so gründlichen Metaphysicus macht. Vielleicht kommen Sie in diesem Zustand der Erniedrigung und Zerknirschung dazu, Fichtens Aufsatz im Riethammerischen Journal zu durchlesen; ich hab’ ihn heute angesehen und mit vielem Interesse gelesen.
Können wir Ihnen eine Bequemlichkeit verschaffen, so sagen Sie es uns ja. Schlafen Sie recht wohl; ich hoffe, wenn Sie sich morgen noch ruhig halten und das Wetter gut bleibt, so sehen wir Sie übermorgen.
Sch.
284. An Schiller
Der Katarrh ist zwar auf dem Abmarsche, doch soll ich noch die Stube hüten und die Gewohnheit fängt an mir diesen Aufenthalt erträglich zu machen.
Nachdem die Insecten mich an den vergangenen Tagen beschäftigt, so habe ich heute den Muth gefaßt den vierten Gesang völlig in Ordnung zu bringen, und es ist mir gelungen; ich schöpfe daraus einige Hoffnung für die Folge. Leben Sie recht wohl und seien Sie von Ihrer Seite fleißig und sagen Sie der lieben Frau, daß ich für meine Theescheue durch den abscheulichsten Kräuterthee bestraft werde.
Jena am 1. März 1797.
G.
285. An Goethe
{Jena den 1. März}
Es freut mich herzlich, daß Loders Kräuterthee, so übel er auch schmeckt, einen poetischen Humor und Lust zum Heldengedicht bei Ihnen geweckt hat. Ich bin, obgleich von keinem Katarrh gehindert, seit gestern nicht viel avancirt, weil mein Schlaf wieder sehr in Unordnung gewesen. Doch hoffe ich meine zwei Piccolominis heute noch eine Strecke vorwärts zu bringen.
Haben Sie doch die Güte beiliegendes anzusehen und zu überlegen ob wir die Sache quaestionis nicht in Weimar beschleunigen, und allenfallsigen Obstakeln vorbeugen können. Es liegt mir gar zu viel an der Sache, und daß sie auch bald entschieden werde. Vielleicht hat Voigt dabei zu sagen, und da sind Sie wohl so gut, und schreiben ihm ein Wörtchen.
Erholen Sie sich sobald möglich, daß wir morgen wieder zusammen sein können.
Sch.
286. An Schiller.
Ich habe gleich an Geh. Rath Voigt geschrieben und schicke Ihnen den Brief um ihn nach Belieben absenden zu können. Zugleich erhalten Sie ein monstroses Manuscript, welches zu beurtheilen keines aller meiner Organe geschickt ist. Möchten Sie es diese Nacht nicht brauchen!
Mein Katarrh ist zwar merklich besser, doch fange ich an die Stube lieb zu gewinnen, und da es ohnedem scheint daß die Musen mir günstig werden wollen, so könnte ich wohl selbst meinen Hausarrest auf einige Tage verlängern, denn der Gewinnst wäre zu groß wenn man so unversehens ans Ziel gelangte.
Könnten Sie mir nicht einige Blätter von dem schönen glatten Papier zukommen lassen, und mir zugleich sagen wie groß die Bogen sind und was das Buch kostet? Leben Sie wohl und führen Sie nur auch, wachend oder träumend, Ihre Piccolomini’s auf dem guten Wege weiter.
{Jena} den 1. März 1797.
G.
287. An Schiller.
Ich kann glücklicherweise vermelden daß das Gedicht im Gange ist und, wenn der Faden nicht abreißt, wahrscheinlich glücklich vollbracht werden wird. So verschmähen also die Musen den asthenischen Zustand nicht, in welchen ich mich durch das Uebel versetzt fühle, vielleicht ist er gar ihren Einflüssen günstig: wir wollen nun einige Tage so abwarten.
Daß wir an Voigt wegen der Gartensache schrieben, war sehr gut. Bei der Pupillen-Deputation ist bis dato noch nichts eingegangen, die Sache muß also bei dem akademischen Syndikat betrieben werden. Ich dächte Sie schrieben Faselius was Sie hier von mir erfahren, und ersuchten ihn bei dem Syndikus Asverus auszuwirken, daß die Sache hinüber komme; drüben soll sie keinen Aufschub leiden . Ich wünsche sehr, daß die Sache zu Stande komme, auch darum damit ich Ihnen bei meinem Hiersein noch einigen Rath zur künftigen Einrichtung geben könne. Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.
Jena am 3. März 1797.
G.
288. An Schiller.
Die Arbeit rückt zu und fängt schon an Masse zu machen, worüber ich denn sehr erfreut bin und Ihnen als einem treuen Freunde und Nachbar die Freude sogleich mittheile. Es kommt nur noch auf zwei Tage an, so ist der Schatz gehoben, und ist er nur erst einmal über der Erde, so findet sich alsdann das Poliren von selbst. Merkwürdig ist’s wie das Gedicht gegen sein Ende sich ganz zu seinem Idyllischen Ursprung hinneigt.
Jena den 4. März 1797.
Wie geht es Ihnen?
G.
289. An Goethe.
(Jena den 4. März.)
Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Abend zu einem schönen und, wie ich nicht zweifle, fruchtbaren Tag. Der heitre Himmel an diesem Morgen hat Sie wahrscheinlich auch belebt und erfreut, aber Sie haben recht wohl gethan, noch nicht auszugehen.
Es konnte gar nicht fehlen, daß Ihr Gedicht idyllisch endigte, sobald man dieses Wort in seinem höchsten Gehalte nimmt. Die ganze Handlung war so unmittelbar an die einfache ländliche Natur angebaut, und die enge Beschränkung konnte, wie ich mir’s denke, nur durch die Idylle ganz poetisch werden. Das was man die Peripetie darin nennen muß, wird schon von weitem so vorbereitet , daß es die ruhige Einheit des Tons am Ende durch keine starke Passion mehr stören kann.
Vielleicht sehen wir Sie morgen? Es ist mir, ob wir gleich nicht zusammen gekommen, doch eine freundliche Idee, Sie uns so nah und jetzt in so guten Händen zu wissen. Schlafen Sie recht wohl.
Sch.
290. An Goethe.
Aus der bisherigen Abwechslung und Geselligkeit bin ich auf einmal in die größte Einsamkeit versetzt und auf mich selbst zurückgeführt. Außer Ihnen und Humboldt hat mich auch alle weibliche Gesellschaft verlassen, und ich wende diese Stille dazu an, über meine tragisch-dramatische Pflichten nachzudenken. Nebenher entwerfe ich ein detaillirtes Scenarium des ganzen Wallensteins, um mir die Uebersicht der Momente und des Zusammenhangs auch durch die Augen mechanisch zu erleichtern.
Ich finde, je mehr ich über mein eigenes Geschäft und über die Behandlungsart der Tragödie bei den Griechen nachdenke, daß der ganze Cardo rei in der Kunst liegt, eine poetische Fabel zu erfinden. Der Neuere schlägt sich mühselig und ängstlich mit Zufälligkeiten und Nebendingen herum, und über dem Bestreben, der Wirklichkeit recht nahe zu kommen, beladet er sich mit dem Leeren und Unbedeutenden, und darüber läuft er Gefahr, die tiefliegende Wahrheit zu verlieren, worin eigentlich alles Poetische liegt. Er möchte gern einen wirklichen Fall vollkommen nachahmen, und bedenkt nicht, daß eine poetische Darstellung mit der Wirklichkeit eben darum, weil sie absolut wahr ist, niemals coincidiren kann.
Ich habe diese Tage den Philoktet und die Trachinierinnen gelesen, und die letztern mit besonders großem Wohlgefallen. Wie trefflich ist der ganze Zustand, das Empfinden, die Existenz der Dejanira gefaßt! Wie ganz ist sie die Hausfrau des Herkules, wie individuell, wie nur für diesen einzigen Fall passend ist dieß Gemälde, und doch wie tief menschlich, wie ewig wahr und allgemein. Auch im Philoktet ist alles aus der Lage geschöpft, was sich nur daraus schöpfen ließ, und bei dieser Eigenthümlichkeit des Falles ruht doch alles wieder auf dem ewigen Grund der menschlichen Natur.
Es ist mir aufgefallen, daß die Charaktere des Griechischen Trauerspiels, mehr oder weniger, idealische Masken und keine eigentliche Individuen sind, wie ich sie in Shakespear und auch in Ihren Stücken finde. So ist z. B. Ullysses im Ajax und im Philoktet offenbar nur das Ideal der listigen, über ihre Mittel nie verlegenen, engherzigen Klugheit; so ist Kreon im Oedip und in der Antigone bloß die kalte Königswürde. Man kommt mit solchen Charakteren in der Tragödie offenbar viel besser aus, sie exponiren sich geschwinder, und ihre Züge sind permanenter und fester. Die Wahrheit leidet dadurch nichts, weil sie bloßen logischen Wesen eben so entgegengesetzt sind als bloßen Individuen.
Ich sende Ihnen hier, pour la bonne bouche, ein allerliebstes Fragment aus dem Aristophanes, welches mir Humboldt dagelassen hat. Es ist köstlich, ich wünschte den Rest auch zu haben.
Dieser Tage bin ich mit einem großen prächtigen Pergamentbogen aus Stockholm überrascht worden. Ich glaubte, wie ich das Diplom mit dem großen wächsernen Siegel aufschlug, es müßte wenigstens eine Pension herausspringen, am Ende war’s aber bloß ein Diplom der Akademie der Wissenschaften. Indessen freut es immer, wenn man seine Wurzeln weiter ausdehnt und seine Existenz in andere eingreifen sieht.
Ich hoffe bald ein neues Stück Cellini von Ihnen zu erhalten.
Leben Sie recht wohl, mein theurer, mir immer theurer Freund. Mich umgeben noch immer die schönen Geister, die Sie mir hier gelassen haben, und ich hoffe immer vertrauter damit zu werden. Leben Sie recht wohl.
Jena den 4. April 1797.
Sch.
291. An Schiller..
Mir ergeht es gerade umgekehrt. Auf die Sammlung unserer Zustände in Jena bin ich in die lebhafte Zerstreuung vielerlei kleiner Geschäfte gerathen, die mich eine Zeit lang hin und her ziehen werden; indessen werde ich allerlei thun, wozu ich nicht die reinste Stimmung brauche.
Sie haben ganz recht daß in den Gestalten der alten Dichtkunst, wie in der Bildhauerkunst, ein Abstractum erscheint, das seine Höhe nur durch das was man Styl nennt, erreichen kann. Es giebt auch Abstracta durch Manier wie bei den Franzosen. Auf dem Glück der Fabel beruht freilich alles, man ist wegen des Hauptaufwandes sicher, die meisten Leser und Zuschauer nehmen denn doch nichts weiter mit davon, und dem Dichter bleibt doch das ganze Verdienst einer lebendigen Ausführung, die desto stetiger sein kann je besser die Fabel ist. Wir wollen auch deßhalb künftig sorgfältiger als bisher das was zu unternehmen ist, prüfen.
Hier kommt Vieilleville erster Theil, die übrigen kann ich nach und nach schicken.
Grüßen Sie Ihre liebe Frau; ich habe sie leider bei ihrem hiesigen Aufenthalte nicht gesehen.
Zu dem Diplom gratulire ich; dergleichen Erscheinungen sind, als barometrische Anzeigen der öffentlichen Meinung, nicht zu verachten.
Leben Sie recht wohl und schreiben Sie mir öfter, ob ich gleich in der ersten Zeit ein schlechter Correspondent sein werde.
Weimar am 5. April 1797.
G.
292. An Goethe.
Jena den 7. April 1797.
Unter einigen cabbalistischen und astrologischen Werken, die ich mir aus der hiesigen Bibliothek habe geben lassen, habe ich auch einen Dialogen über die Liebe, aus dem Hebräischen ins Lateinische übersetzt, gefunden, das mich nicht nur sehr belustigt, sondern auch in meinen astrologischen Kenntnissen viel weiter gefördert hat. Die Vermischung der chemischen, mythologischen und astronomischen Dinge ist hier recht ins Große getrieben und liegt wirklich zum poetischen Gebrauche da. Einige verwundersam sinnreiche Vergleichungen der Planeten mit menschlichen Gliedmaßen lasse ich Ihnen herausschreiben. Man hat von dieser barocken Vorstellungsart keinen Begriff, bis man die Leute selbst hört. Indessen bin ich nicht ohne Hoffnung diesem astrologischen Stoff eine poetische Dignität zu geben.
Ueber die letzthin berührte Materie von Behandlung der Charaktere freue ich mich, wenn wir wieder zusammen kommen, meine Begriffe mit Ihrer Hülfe noch recht ins Klare zu bringen. Die Sache ruht auf dem innersten Grunde der Kunst, und sicherlich können die Wahrnehmungen, welche man von den bildenden Künsten hernimmt, auch in der Poesie viel aufklären. Auch bei Shakespear ist es mir heute, wie ich den Julius Cäsar mit Schlegeln durchging, recht merkwürdig gewesen, wie er das gemeine Volk mit einer so ungemeinen Großheit behandelt. Hier, bei der Darstellung des Volkscharakters, zwang ihn schon der Stoff, mehr ein poetisches Abstractum als Individuen im Auge zu haben, und darum finde ich ihn hier den Griechen äußerst nah. Wenn man einen zu ängstlichen Begriff von Nachahmung des Wirklichen zu einer solchen Scene mitbringt, so muß einen die Masse und Menge mit ihrer Bedeutungslosigkeit nicht wenig embarrassiren; aber mit einem kühnen Griff nimmt Shakespear ein paar Figuren, ich möchte sagen, nur ein paar Stimmen aus der Masse heraus, läßt sie für das ganze Volk gelten, und sie gelten das wirklich; so glücklich hat er gewählt.
Es geschähe den Poeten und Künstlern schon dadurch ein großer Dienst, wenn man nur erst ins Klare gebracht hätte, was die Kunst von der Wirklichkeit wegnehmen oder fallen lassen muß. Das Terrain würde lichter und reiner, das Kleine und Unbedeutende verschwände und für das Große würde Platz. Schon in der Behandlung der Geschichte ist dieser Punkt von der größten Wichtigkeit, und ich weiß, wie viel der unbestimmte Begriff darüber mir schon zu schaffen gemacht hat.
Vom Cellini sehne ich mich bald was zu bekommen, wo möglich für das Aprilstück noch, wozu ich es freilich zwischen heut und Mittwoch Abend in Händen haben müßte.
Leben Sie recht wohl. Die Frau grüßt aufs beste. Ich habe heute einen großen Posttag, sonst würde mehreres schreiben.
Sch.
293. An Schiller.
Herr von Humboldt, der erst morgen früh abgeht, läßt Sie schönstens grüßen und ersucht Sie beiliegenden Brief sogleich bestellen zu lassen.
Wir haben über die letzten Gesänge ein genaues prosodisches Gericht gehalten und sie so viel als möglich war gereinigt. Die ersten sind nun bald ins reine geschrieben und nehmen sich, mit ihren doppelten Inschriften, gar artig aus. Ich hoffe sie die nächste Woche abzusenden.
Auch sollen Sie vor Mittwoch noch ein Stück Cellini zu zwölf geschriebnen Bogen erhalten. Es bleiben alsdann etwa noch sechs für den Schluß.
Uebrigens geht es etwas bunt zu und ich werde in den nächsten vierzehn Tagen zu wenigem kommen.
Die astrologischen Verbindungen, die Sie mir mittheilen, sind wunderlich genug; ich verlange zu sehen was Sie für einen Gebrauch von diesem Material machen werden.
Ich wünsche die Materie, die uns beide so sehr interessirt, bald weiter mit Ihnen durchzusprechen. Diejenigen Vortheile, deren ich mich in meinem letzten Gedicht bediente, habe ich alle von der bildenden Kunst gelernt. Denn bei einem gleichzeitigen, sinnlich vor Augen stehenden Werke ist das überflüssige weit auffallender, als bei einem das in der Succession vor den Augen des Geistes vorbeigeht. Auf dem Theater würde man große Vortheile davon spüren. So fiel mir neulich auf daß man auf unserm Theater, wenn man an Gruppen denkt, immer nur sentimentale oder pathetische hervorbringt, da doch noch hundert andere denkbar sind. So erschienen mir diese Tage einige Scenen im Aristophanes völlig wie antike Basreliefe und sind gewiß auch in diesem Sinne vorgestellt worden. Es kommt im Ganzen und im Einzelnen alles darauf an: daß alles von einander abgesondert, daß kein Moment dem andern gleich sei; so wie bei den Charakteren daß sie zwar bedeutend von einander abstehen, aber doch immer unter Ein Geschlecht gehören.
Leben Sie recht wohl und arbeiten Sie fleißig ; sobald ich ein wenig Luft habe, denke ich an den Almanach.
Weimar den 8. April 1797.
G.
294. An Goethe.
Jena den 11. April 1797.
Ich sage Ihnen nur zwei Worte zum Gruß. Unser kleiner Ernst hat das Blatternfieber sehr stark, und uns heute mit öftern epileptischen Krämpfen sehr erschreckt; wir erwarten eine sehr unruhige Nacht und ich bin nicht ohne Furcht. Vielleicht kann ich morgen mit erleichtertem Herzen mehr schreiben. Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt Sie aufs beste. Den Cellini bitte ja zu schicken.
Sch.
295. An Schiller.
Möge doch der kleine Ernst bald die gefährliche Krise überstehen und Sie wieder beruhigen!
Hier folgt Cellini, der nun bald mit einer kleinen Sendung völlig seinen Abschied nehmen wird. Ich bin, indem ich den patriarchalischen Ueberresten nachspürte, in das alte Testament gerathen und habe mich aufs neue nicht genug über die Confusion und die Widersprüche der fünf Bücher Mosis verwundern können, die denn freilich wie bekannt aus hunderterlei schriftlichen und mündlichen Traditionen zusammengestellt sein mögen. Ueber den Zug der Kinder Israel durch die Wüsten habe ich einige artige Bemerkungen gemacht, und es ist der verwegne Gedanke in mir aufgestanden: ob nicht die große Zeit welche sie darin zugebracht haben sollen, erst eine spätere Erfindung sei? Ich will gelegentlich, in einem kleinen Aufsatze, mittheilen was mich auf diesen Gedanken gebracht hat.
Leben Sie recht wohl und grüßen Humboldts mit Ueberreichung beiliegender Berlinischen Monatschrift, und geben mir bald von sich und den Ihrigen gute Nachricht.
Weimar am 12. April 1797.
G.
296. An Goethe.
Ernstchen befindet sich wieder besser und scheint die Gefahr überstanden zu haben. Die Blattern sind heraus, die Krämpfe haben sich auch verloren. Die schlimmsten Zufälle hat der Zahntrieb gemacht, denn ein Zahn kam gleich mit dem ersten Fieber heraus und ein zweiter ist eben im Ausbrechen . Sie werden mir wohl glauben, daß ich in diesen Tagen, anfangs bei der Gefahr und jetzt, da es besser geht, bei dem Schreien des lieben Kindes nicht viel habe thun können. In den Garten kann ich auch nicht eher, als bis es mit dem Kinde wieder in Ordnung ist.
Ihre Entdeckungen in den fünf Büchern Mosis belustigen mich sehr. Schreiben Sie ja Ihre Gedanken auf, Sie möchten des Weges so bald nicht wieder kommen. So viel ich mich erinnere haben Sie schon vor etlichen und zwanzig Jahren mit dem neuen Testament Krieg gehabt. Ich muß gestehen, daß ich in allem was historisch ist, den Unglauben zu jenen Urkunden gleich so entschieden mitbringe, daß mir Ihre Zweifel an einem einzelnen Factum noch sehr raisonnabel vorkommen. Mir ist die Bibel nur wahr, wo sie naiv ist; in allem andern, was mit einem eigentlichen Bewußtsein geschrieben ist, fürchte ich einen Zweck und einen späteren Ursprung.
Haben Sie schon von einer mechanischen Nachbildung von Malereien etwas gesehen? Mir ist ein solches Werk kürzlich aus Duisburg zugeschickt worden, eine Clio, nicht gar halb Lebensgröße, steingrau mit Oelfarbe auf hellblauem Grunde. Das Stück macht einen überaus gefälligen Effect und zu Zimmerdecorationen würde eine solche Sammlung sehr taugen. Wenn das Stück mir geschenkt sein sollte, was nicht ausdrücklich in dem Briefe steht, so wäre ich ganz wohl damit zufrieden. Ich kann mir aber von der Verfertigung keinen rechten Begriff machen.
Den Cellini erhielt ich vorgestern nicht frühe genug, um ihn vor dem Absenden noch ganz durchlesen zu können, nur bis zur Hälfte bin ich gekommen; habe mich aber wieder recht daran ergötzt, besonders über die Wallfahrt, die er in seiner Freude über das gelungene und besungene Werk anstellt. Humboldt sagt mir von einem Chor aus Ihrem Prometheus, den er mitgebracht habe, hat mir ihn aber noch nicht geschickt. Er hat wieder einen Anfall von seinem kalten Fieber, das er vor zwei Jahren gehabt; auch das zweite Kind hat das kalte Fieber, so daß jetzt von der Humboldtischen Familie alles, bis auf das Mädchen, krank ist. Und doch spricht man noch immer von nahen großen Reisen.
Leben Sie recht wohl und machen Sie sich bald von Ihren zerstreuenden Geschäften frei.
Jena den 14. April 1797.
Sch.
297. An Schiller.
Schon durch Humboldt habe ich vernommen, daß Ihr Ernst wieder außer Gefahr sei und mich im stillen darüber gefreut; nun wünsche ich Ihnen herzlich zu dessen Genesung Glück.
Das Oratorium ist gestern recht gut aufgeführt worden und ich habe manche Betrachtung über historische Kunst machen können. Es ist recht schade daß wir dergleichen Erfahrungen nicht gemeinschaftlich erleben, denn wir würden uns doch viel geschwinder in dem Einen, was noth ist bestärken.
Montags gehen die vier Ersten Musen ab, indeß ich mich mit den fünf letztern fleißig beschäftige, und nun besonders die prosodischen Bemerkungen Freund Humboldts benutze.
Zugleich habe ich noch immer die Kinder Israel in der Wüste begleitet, und kann bei Ihren Grundsätzen hoffen, daß dereinst mein Versuch über Moses Gnade vor Ihren Augen finden soll. Meine kritisch-historisch-poetische Arbeit geht davon aus: daß die vorhandenen Bücher sich selbst widersprechen und sich selbst verrathen, und der ganze Spaß den ich mir mache, läuft dahinaus , das menschlich wahrscheinliche von dem absichtlichen und blos imaginirten zu sondern und doch für meine Meinung überall Belege aufzufinden. Alle Hypothesen dieser Art bestechen blos durch das Natürliche des Gedankens und durch die Mannigfaltigkeit der Phänomene auf die er sich gründet. Es ist mir recht wohl, wieder einmal etwas auf kurze Zeit zu haben bei dem ich mit Interesse, im eigentlichen Sinne, spielen kann. Die Poesie, wie wir sie seit einiger Zeit treiben, ist eine gar zu ernsthafte Beschäftigung. Leben Sie recht wohl und erfreuen sich der schönen Jahrszeit.
Weimar den 15. April 1797.
G.
298. An Goethe.
Jena den 18. April 1797.
Ich echappire so eben aus der bleiernen Gegenwart des Herrn Bouterwek , der mir einige Stunden lang schwer aufgelegen hat. Ich erwartete zum wenigsten einen kurzweiligen Gecken in ihm zu finden, statt dessen aber wars der seichteste lamentabelste Tropf, der mir lange vorgekommen ist. Er war auch in Weimar, sagte mir aber, daß er Sie nicht gesehen, welches mir sehr begreiflich war. Es ist schrecklich, diese Herren in der Nähe zu sehen, die bei dem Publikum doch auch was gelten, und ihre frühzeitige Impotenz und Nullität unter einer Kennermiene zu verstecken suchen.
Da ist unser Woltmann, dem nichts recht ist, was andre schreiben, dem’s kein Mensch zu Danke machen kann. Jetzt habe ich seine Menschengeschichte, die eben heraus ist, durchblättert. Nein, das ist ein Greuel von einem Geschichtbuch, eine solche Impudenz und Niaiserie zugleich und Tollheit können Sie sich nicht denken. Das Buch macht Fronte gegen Philosophie und Geschichte zugleich, und es ist schwer zu sagen, welcher von beiden es am meisten widerspricht. Ich gäbe aber wirklich etwas drum, wenn dieses Buch nicht geschrieben wäre, denn wenn es einem unrechten in die Hände fällt, so haben wir alle den Spott davon.
In meinen Arbeiten bin ich noch immer nicht viel vorwärts gekommen, die Unruhe bei mir, da wir einander auch nicht ausweichen können, zerstreute mich zu sehr. Indessen geht die Suppuration bei dem Kleinen gut von statten und ohne alle Zufälle, obgleich er sehr viele Blattern hat. Den Garten hoffe ich in vier Tagen beziehen zu können, und dann wird mein erstes Geschäft sein, ehe ich weiter fortfahre, die poetische Fabel meines Wallensteins mit völliger Ausführlichkeit niederzuschreiben. Nur auf diese Art kann ich mich versichern, daß sie ein stetiges Ganzes ist, daß alles durchgängig bestimmt ist. So lang ich sie bloß im Kopfe herumtrage, muß ich fürchten, daß Lücken übrig bleiben! die ordentliche Erzählung zwingt zur Rechenschaft. Diese detaillirte Erzählung lege ich Ihnen alsdann vor, so können wir darüber communiciren.
Zur Absendung der vier ersten Musen wünsche ich Glück. Es ist in der That merkwürdig, wie rasch die Natur dieses Werk geboren, und wie sorgfältig und bedächtlich die Kunst es ausgebildet hat.
Leben Sie recht wohl in diesen heitern Tagen. Wie freue ich mich , ins künftige jeden schönen Sonnenblick auch gleich im Freien genießen zu können. Vor einigen Tagen wagte ich mich zu Fuß und durch einen ziemlich großen Umweg in meinen Garten.
Meine Frau grüßt Sie aufs beste.
Sch.
299. An Schiller.
Ich erfreue mich besonders daß Sie von der Sorge wegen des Kindes befreit sind, und hoffe daß seine Genesung so fortschreiten wird. Grüßen Sie mir Ihre liebe Frau aufs beste.
Herrn Bouterwek habe ich nicht gesehen und bin nicht übel zufrieden daß diese Herren mich vermeiden.
Ich studire jetzt in großer Eile das alte Testament und Homer, lese zugleich Eichhorns Einleitung ins erste und Wolfs Prolegomena zu dem letzten. Es gehen mir dabei die wunderbarsten Lichter auf, worüber wir künftig gar manches werden zu sprechen haben.
Schreiben Sie ja sobald als möglich Ihr Schema zum Wallenstein und theilen Sie mir’s mit. Bei meinen jetzigen Studien wird mir eine solche Ueberlegung sehr interessant und auch für Sie zum Nutzen sein.
Einen Gedanken über das epische Gedicht will ich doch gleich mittheilen. Da es in der größten Ruhe und Behaglichkeit angehört werden soll, so macht der Verstand vielleicht mehr als an andere Dichtarten seine Forderungen, und mich wunderte dießmal bei Durchlesung der Odyssee gerade diese Verstandesforderungen so vollständig befriedigt zu sehen. Betrachtet man nun genau was von den Bemühungen der alten Grammatiker und Kritiker, so wie von ihrem Talent und Charakter erzählt wird, so sieht man deutlich daß es Verstandsmenschen waren, die nicht eher ruhten bis jene große Darstellungen mit ihrer Vorstellungsart überein kamen. Und so sind wir, wie denn auch Wolf sich zu zeigen bemüht, unsern gegenwärtigen Homer den Alexandrinern schuldig, das denn freilich diesen Gedichten ein ganz anderes Ansehen giebt.
Noch eine specielle Bemerkung. Einige Verse im Homer die für völlig falsch und ganz neu ausgegeben werden, sind von der Art wie ich einige selbst in mein Gedicht, nachdem es fertig war, eingeschoben habe um das Ganze klarer und faßlicher zu machen und künftige Ereignisse bei Zeiten vorzubereiten. Ich bin sehr neugierig was ich an meinem Gedicht, wenn ich mit meinen jetzigen Studien durch bin, zu mehren oder zu mindern werde geneigt sein; indessen mag die erste Recension in die Welt gehen.
Eine Haupteigenschaft des epischen Gedichts ist daß es immer vor und zurück geht, daher sind alle retardirende Motive episch. Es dürfen aber keine eigentliche Hindernisse sein, welche eigentlich ins Drama gehören.
Sollte dieses Erforderniß des Retardirens, welches durch die beiden Homerischen Gedichte überschwenglich erfüllt wird, und welches auch in dem Plan des meinigen lag, wirklich wesentlich und nicht zu erlassen sein, so würden alle Plane, die gerade hin nach dem Ende zu schreiten, völlig zu verwerfen oder als eine subordinirte historische Gattung anzusehen sein. Der Plan meines zweiten Gedichts hat diesen Fehler, wenn es einer ist, und ich werde mich hüten, bis wir hierüber ganz im klaren sind, auch nur einen Vers davon niederzuschreiben. Mir scheint die Idee außerordentlich fruchtbar. Wenn sie richtig ist, muß sie uns viel weiter bringen und ich will ihr gern alles aufopfern.
Mit dem Drama scheint mir’s umgekehrt zu sein; doch hievon nächstens mehr. Leben Sie recht wohl,
Weimar am 19. April 1797.
G.
300. An Goethe.
Ich wollte Ihnen über Ihren letzten Brief, der mir sehr vieles zu denken gegeben, manches schreiben, aber ein Geschäft, das mir diesen Abend unvermuthet wegnimmt, hindert mich daran. Also nur ein paar Worte für heute.
Es wird mir aus allem, was Sie sagen, immer klarer, daß die Selbstständigkeit seiner Theile einen Hauptcharakter des epischen Gedichtes ausmacht. Die bloße, aus dem Innersten herausgeholte Wahrheit ist der Zweck des epischen Dichters: er schildert uns bloß das ruhige Dasein und Wirken der Dinge nach ihren Naturen; sein Zweck liegt schon in jedem Punkt seiner Bewegung; darum eilen wir nicht ungeduldig zu einem Ziele, sondern verweilen uns mit Liebe bei jedem Schritte. Er erhält uns die höchste Freiheit des Gemüths, und da er uns in einen so großen Vortheil setzt, so macht er dadurch sich selbst das Geschäft desto schwerer: denn wir machen nun alle Anforderungen an ihn, die in der Integrität und in der allseitigen vereinigten Thätigkeit unserer Kräfte gegründet sind. Ganz im Gegentheil raubt uns der tragische Dichter unsre Gemüthsfreiheit, und indem er unsre Thätigkeit nach einer einzigen Seite lichtet und concentrirt, so vereinfacht er sich sein Geschäft um vieles, und setzt sich in Vortheil, indem er uns in Nachtheil setzt .
Ihre Idee von dem retardirenden Gange des epischen Gedichts leuchtet mir ganz ein. Doch begreife ich noch nicht ganz, nach dem was ich von Ihrer neuen Epopöe weiß, daß jene Eigenschaft bei dieser fehlen soll.
Ihre weitern Resultate, besonders für das Drama erwarte ich mit großer Begierde. Unterdessen werde ich dem Gesagten reiflicher nachdenken.
Leben Sie recht wohl. Mein kleiner Patient hält sich noch immer recht brav, trotz des schlimmen Wetters. Meine Frau grüßt herzlich.
Jena den 21. April 1797.
Sch.
301. An Schiller.
Ich danke Ihnen für Ihre fortgesetzten Betrachtungen über das epische Gedicht, ich hoffe, Sie werden bald nach Ihrer Art, in einer schönen Folge, die Natur und Wesen desselben entwickeln, hier indessen einige meiner Vermuthungen. Ich suchte das Gesetz der Retardation unter ein Höheres unterzuordnen, und da scheint es unter dem zu stehen, welches gebietet: daß man von einem guten Gedicht den Ausgang wissen könne, ja wissen müsse und daß eigentlich das Wie blos das Interesse machen dürfe. Dadurch erhält die Neugierde gar keinen Antheil an einem solchen Werke und sein Zweck kann, wie Sie sagen, in jedem Punkte seiner Bewegung liegen.
Die Odyssee ist in ihren kleinsten Theilen beinah retardirend, dafür wird aber auch vielleicht funfzigmal versichert und betheuert daß die Sache einen glücklichen Ausgang haben werde. So viele den Ausgang anticipirende Vorbedeutungen und Weissagungen stellen, wie mich dünkt das Gleichgewicht gegen die ewige Retardation wieder her. In meinem Hermann bringt die Eigenschaft des Plans den besondern Reiz hervor daß alles ausgemacht und fertig scheint und durch die retrograde Bewegung gleichsam wieder ein neues Gedicht angeht .
So hat auch das epische Gedicht den großen Vortheil daß seine Exposition, sie mag noch so lang sein, den Dichter gar nicht genirt, ja daß er sie in die Mitte des Werks bringen kann, wie in der Odyssee sehr künstlich geschehen ist. Denn auch diese retrograde Bewegung ist wohlthätig; aber eben deßhalb dünkt mich macht die Exposition dem Dramatiker viel zu schaffen, weil man von ihm ein ewiges Fortschreiten fordert und ich würde das den besten dramatischen Stoff nennen wo die Exposition schon ein Theil der Entwicklung ist.
Daß ich aber nunmehr dahin zurückkehre wo ich angefangen habe, so wollte ich Ihnen folgendes zur Prüfung unterwerfen:
Mein neuer Plan hat keinen einzigen retardirenden Moment, es schreitet alles von Anfang bis zu Ende in einer graden Reihe fort; allein er hat die Eigenschaft daß große Anstalten gemacht werden, daß man viele Kräfte mit Verstand und Klugheit in Bewegung setzt, daß aber die Entwicklung auf eine Weise geschieht, die den Anstalten ganz entgegen ist und auf einem ganz unerwarteten jedoch natürlichen Wege. Nun fragt sich ob sich ein solcher Plan auch für einen epischen ausgeben könne, da er unter dem allgemeinen Gesetz begriffen ist: daß das eigentliche Wie und nicht das Was das Interesse macht, oder ob man ein solches Gedicht nicht zu einer subordinirten Classe historischer Gedichte rechnen müsse. Sehen Sie nun mein Werther, wie sich etwa diese zerstreute und flüchtige Gedanken besser ausarbeiten und verknüpfen lassen . Ich habe jetzt keine interessantere Betrachtung als über die Eigenschaften der Stoffe in wiefern sie diese oder jene Behandlung fordern. Ich habe mich darinnen so oft in meinem Leben vergriffen, daß ich endlich einmal ins Klare kommen möchte um wenigstens künftig von diesem Irrthum nicht mehr zu leiden. Zu mehrerer Deutlichkeit schicke ich nächstens meinen neuen Plan .
Noch über einige Punkte Ihrer vorigen Briefe.
Woltmanns Menschengeschichte ist freilich ein seltsames Werk. Der Vorbericht liegt ganz außer meinem Gesichtskreise; das ägyptische Wesen kann ich nicht beurtheilen, aber wie er bei Behandlung der Israelitischen Geschichte das alte Testament so wie es liegt, ohne die mindeste Kritik, als eine reine Quelle der Begebenheiten annehmen konnte, ist mir unbegreiflich. Die ganze Arbeit ist auf Sand gebaut, und ein wahres Wunderwerk, wenn man bedenkt daß Eichhorns Einleitung schon zehn Jahre alt ist und die Herderischen Arbeiten schon viel länger wirken. Von den unbilligen Widersachern dieser alten Schriften will ich gar nicht einmal reden.
Die Duisburger Fabrik, von der ich auch ein Musterbild erhalten habe, ist ein curioses Unternehmen das durch unsere Freunde im Modejournal verdient gelobt zu werden. Es ist ein Kunstgriff diese Arbeiten für mechanisch auszugeben, den die Engländer auch schon einmal mit ihrer Polygraphischen Gesellschaft versucht haben. Es ist eigentlich nichts mechanisches daran, als daß alles was dazu gehört mit der größten Reinlichkeit und in Menge durch einige mechanische Hülfsmittel gemacht wird, und so gehört freilich eine große Anstalt dazu; aber die Figuren sind nichts desto weniger gemalt. Anstatt daß sonst Ein Mensch alles thut, so concurriren hier viele. Das Wachstuch des Grundes wird erst mit großer Sorgfalt bereitet und alsdann die Figur, wahrscheinlich von Blech ausgeschnitten, draufgelegt; nun streicht man den Raum umher sorgfältig mit einer andern Farbe über, und nun werden subalterne Künstler angestellt um die Figur auszumalen, das denn auch in großen Partien geschieht, bis zuletzt der Geschickteste die Contoure rectificirt und das Ganze vollendet. Sie haben artige Kunstgriffe um den Pinsel zu verbergen und machen allerlei Spässe, damit man glauben solle das Werk könne gedruckt sein. Langer , ein Inspector von der Düsseldorfer Galerie, ein guter und geschickter Mann, ist dabei interessirt und sie mögen immer auch in ihrer Art dem Publico das Geld abnehmen. Nur weiß ich nicht recht wie die Sachen gebraucht werden sollen; sie sind nicht gut genug um in Rahmen aufgehängt zu werden, und dergleichen schon fertige Bilder in die Wände einzupassen hat große Schwierigkeiten. Zu Thürstücken möchte es noch am ersten gehen. Zu loben ist daran die wahrhaft englische Accuratesse. Man muß das weitere abwarten.
Ich wünsche daß Sie bald in Ihren Garten ziehen und von allen Seiten beruhigt sein mögen.
Grüßen Sie mir Ihre liebe Frau aufs beste, so wie auch Humboldt dem ich eine baldige Wiederherstellung wünsche.
Weimar den 22. April 1797.
G.
302. An Goethe.
Jena den 25. April 1797.
Daß die Forderung des Retardirens aus einem höhern epischen Gesetze folgt , dem auch noch wohl auf einem andern Wege Genüge geschehen kann, scheint mir außer Zweifel zu sein. Auch glaube ich, es giebt zweierlei Arten zu retardiren, die eine liegt in der Art des Wegs, die andre in der Art des Gehens, und diese däucht mir kann auch bei dem geradesten Weg und folglich auch bei einem Plan, wie der Ihrige ist, sehr gut statt finden.
Indessen möchte ich jenes höhere epische Gesetz doch nicht ganz so aussprechen, wie Sie gethan haben. In der Formel: daß eigentlich nur das Wie und nicht das Was in Betrachtung komme etc., dünkt es mir viel zu allgemein und auf alle pragmatische Dichtungsarten ohne Unterschied anwendbar zu sein. Wenn ich meinen Gedanken darüber kurz heraussagen soll, so ist er dieser. Beide der Epiker und der Dramatiker stellen uns eine Handlung dar, nur daß diese bei dem Letztern der Zweck, bei Ersterem bloßes Mittel zu einem absoluten ästhetischen Zwecke ist. Aus diesem Grundsatz kann ich mir vollständig erklären, warum der tragische Dichter rascher und directer fortschreiten muß, warum der epische bei einem zögernden Gange seine Rechnung besser findet. Es folgt auch, wie mir däucht, daraus, daß der epische sich solcher Stoffe wohl thut zu enthalten, die den Affect sei es der Neugierde oder der Theilnahme schon für sich selbst stark erregen, wobei also die Handlung zu sehr als Zweck interessirt, um sich in den Grenzen eines bloßen Mittels zu halten. Ich gestehe, daß ich dieses letztere bei Ihrem neuen Gedicht einigermaßen fürchte, obgleich ich Ihrer poetischen Uebermacht über den Stoff das Mögliche zutrauen darf.
Die Art wie Sie Ihre Handlung entwickeln wollen, scheint mir mehr der Komödie als dem Epos eigen zu sein. Wenigstens werden Sie viel zu thun haben, ihr das überraschende, Verwunderung erregende zu nehmen, weil dieses nicht so recht episch ist.
Ich erwarte Ihren Plan mit großer Begierde. Etwas bedenklich kommt es mir vor, daß es Humboldten damit auf dieselbe Art ergangen ist wie mir, ungeachtet wir vorher nicht darüber communicirt haben. Er meint nämlich, daß es dem Plan an individueller epischer Handlung fehle. Wie Sie mir zuerst davon sprachen, so wartete auch ich immer auf die eigentliche Handlung; alles was Sie mir erzählten schien mir nur der Eingang und das Feld zu einer solchen Handlung zwischen einzelnen Hauptfiguren zu sein, und wie ich nun glaubte, daß diese Handlung angehen sollte, waren Sie fertig. Freilich begreife ich wohl, daß die Gattung, zu welcher der Stoff gehört, das Individuum mehr verläßt und mehr in die Masse und ein Ganzes zu gehen zwingt, da doch einmal der Verstand der Held darin ist, der weit mehr unter sich als in sich faßt.
Uebrigens mag es mit der epischen Qualität Ihres neuen Gedichts bewandt sein, wie es will, so wird es gegen Ihren Hermann gehalten immer eine andere Gattung sein, und wäre also der Hermann ein reiner Ausdruck der epischen Gattung und nicht bloß einer epischen Species, so würde daraus folgen, daß das neue Gedicht um soviel weniger episch wäre. Aber das wollten Sie ja eben wissen, ob der Hermann nur eine epische Art oder die ganze Gattung darstelle, und wir stehen also wieder bei der Frage.
Ich würde Ihr neues Gedicht geradezu ein komisch-episches nennen, wenn nämlich von dem gemeinen eingeschränkten und empirischen Begriff der Komödie und des komischen Heldengedichts ganz abstrahirt wird. Ihr neues Gedicht, kommt mir vor, verhält sich ungefähr ebenso zu der Komödie, wie der Hermann zu dem Trauerspiel: mit dem Unterschied nämlich, daß dieser es mehr durch seinen Stoff thut, jenes mehr durch die Behandlung.
Aber ich will erst Ihren Plan erwarten, um mehr darüber zu sagen.
Was sagen Sie zu der Regenspurger Friedensnachricht? Wissen Sie etwas bestimmtes, so theilen Sie es uns ja mit. Leben Sie bestens wohl.
Sch.
Was Sie den besten dramatischen Stoff nennen (wo nämlich die Exposition schon ein Theil der Entwicklung ist) das ist z. B. in den Zwillingen des Shakespear geleistet. Ein ähnliches Beispiel von der Tragödie ist mir nicht bekannt, obgleich der Oedipus rex sich diesem Ideal ganz erstaunlich nähert. Aber ich kann mir solche dramatische Stoffe recht wohl denken, wo die Exposition gleich auch Fortschritt der Handlung ist. Gleich der Macbeth gehört darunter, ich kann auch die Räuber nennen.
Dem Epiker möchte ich eine Exposition gar nicht einmal zugeben; wenigstens nicht in dem Sinne, wie die des Dramatikers ist. Da er uns nicht so auf das Ende zutreibt, wie dieser, so rücken Anfang und Ende in ihrer Dignität und Bedeutung weit näher an einander, und nicht, weil sie zu etwas führt, sondern weil sie selber etwas ist, muß die Exposition uns interessiren. Ich glaube, daß man dem dramatischen Dichter hierin weit mehr nachsehen muß; eben weil er seinen Zweck in die Folge und an das Ende setzt, so darf man ihm erlauben, den Anfang mehr als Mittel zu behandeln. Er steht unter der Kategorie der Causalität, der Epiker unter der Substantialität; dort kann und darf etwas als Ursache von was anderm dasein, hier muß alles sich selbst um seiner selbst willen geltend machen.
Ich danke Ihnen sehr für die Nachricht, die Sie mir von dem Duisburger Unternehmen gegeben haben; die ganze Erscheinung war mir so räthselhaft. Wenn es sonst thunlich wäre, so würde es mich sehr reizen, ein Zimmer mit solchen Figuren zu dekoriren.
Morgen endlich hoffe ich meinen Garten zu beziehen. Der Kleine hat sich wieder ganz erholt, und die Krankheit, scheint es, hat seine Gesundheit noch mehr befestigt.
Humboldt ist heute fort; ich sehe ihn mehrere Jahre nicht wieder, und überhaupt läßt sich nicht erwarten, daß wir einander noch einmal so wieder sehen, wie wir uns jetzt verlassen. Das ist also wieder ein Verhältniß das als beschlossen zu betrachten ist und nicht mehr wieder kommen kann; denn zwei Jahre, so ungleich verlebt, werden gar viel an uns und also auch zwischen uns verändern.
303. An Schiller.
Mit dem Frieden hat es seine Richtigkeit. Eben als die Franzosen wieder in Frankfurt einrückten und noch mit den Oesterreichern im Handgemenge waren, kam ein Courier, der die Friedensnachricht brachte; die Feindseligkeiten wurden sogleich eingestellt und die beiderseitigen Generale speisten mit dem Bürgermeister, im rothen Hause. Die Frankfurter haben doch also für ihr Geld und ihr Leiden einen Theater-Coup erlebt, dergleichen wohl nicht viel in der Geschichte vorkommen, und wir hätten denn auch diese wichtige Epoche erlebt. Wir wollen sehen was den Einzelnen und dem Ganzen durch diese Veränderung zuwächst.
Mit dem was Sie in Ihrem heutigen Briefe über Drama und Epos sagen bin ich sehr einverstanden; so wie ich immer gewohnt bin daß Sie mir meine Träume erzählen und auslegen. Ich kann nun nichts weiter hinzufügen, sondern ich muß Ihnen meinen Plan schicken, oder selbst bringen. Es werden dabei sehr feine Punkte zur Sprache kommen, von denen ich jetzt im allgemeinen nichts erwähnen mag. Wird der Stoff nicht für rein episch erkannt, ob er gleich in mehr als Einem Sinne bedeutend und interessant ist, so muß sich darthun lassen in welcher andern Form er eigentlich behandelt werden müßte. Leben Sie recht wohl, genießen Sie Ihres Gartens und der Wiedergenesung Ihres Kleinen.
Mit Humboldt habe ich die Zeit sehr angenehm und nützlich zugebracht; meine naturhistorischen Arbeiten sind durch seine Gegenwart wieder aus ihrem Winterschlafe geweckt worden, wenn sie nur nicht bald wieder in einen Frühlingsschlaf verfallen!
Weimar am 26. April 1797.
G.
Ich kann mich doch nicht enthalten noch eine Frage über unsere dramatisch-epische Angelegenheit zu thun. Was sagen Sie zu folgenden Sätzen:
Im Trauerspiel kann und soll das Schicksal, oder welches einerlei ist, die entschiedne Natur des Menschen, die ihn, blind da oder dorthin führt, walten und herrschen; sie muß ihn niemals zu seinem Zweck, sondern immer von seinem Zweck abführen, der Held darf seines Verstandes nicht mächtig sein, der Verstand darf gar nicht in die Tragödie entriren als bei Nebenpersonen zur Desavantage des Haupthelden u. s. w.
Im Epos ist es gerade umgekehrt: bloß der Verstand, wie in der Odyssee, oder eine zweckmäßige Leidenschaft, wie in der Ilias, sind epische Agentien. Der Zug der Argonauten als ein Abenteuer ist nicht episch.
304. An Schiller.
Gestern, als ich der Fabel meines neuen Gedichtes nachdachte, um sie für Sie aufzusetzen, ergriff mich aufs neue eine ganz besondere Liebe zu diesem Werke welche nach allem was indeß zwischen uns verhandelt worden ist, ein gutes Vorurtheil für dasselbe giebt. Da ich nun weiß daß ich nie etwas fertig mache, wenn ich den Plan zur Arbeit nur irgend vertraut, oder jemanden offenbart habe, so will ich lieber mit dieser Mittheilung noch zurückhalten; wir wollen uns im allgemeinen über die Materie besprechen, und ich kann nach den Resultaten im Stillen meinen Gegenstand prüfen. Sollte ich dabei noch Muth und Lust behalten, so würde ich es ausarbeiten und fertig gäbe es immer mehr Stoff zum Nachdenken, als in der Anlage; sollte ich daran verzweifeln so ist es immer noch Zeit auch nur mit der Idee hervorzutreten.
Haben Sie Schlegels Abhandlung über das epische Gedicht, im 11ten Stück Deutschlands, vom vorigen Jahr, gesehen? Lesen Sie es ja! Es ist sonderbar, wie er, als ein guter Kopf, auf dem rechten Wege ist und sich ihn doch gleich wieder selbst verrennt. Weil das epische Gedicht nicht die dramatische Einheit haben kann, weil man eine solche absolute Einheit in der Ilias und Odyssee nicht gerade nachweisen kann, vielmehr nach der neuern Idee sie noch für zerstückelter angiebt als sie sind; so soll das epische Gedicht keine Einheit haben, noch fordern, das heißt, nach meiner Vorstellung: es soll aufhören ein Gedicht zu sein. Und das sollen reine Begriffe sein, denen doch selbst die Erfahrung, wenn man genau aufmerkt, widerspricht. Denn die Ilias und Odyssee, und wenn sie durch die Hände von tausend Dichtern und Redacteurs gegangen wären, zeigen die gewaltsame Tendenz der poetischen und kritischen Natur nach Einheit. Und am Ende ist diese neue Schlegel’sche Ausführung doch nur zu Gunsten der Wölfischen Meinung, die eines solchen Beistandes gar nicht einmal bedarf. Denn daraus daß jene großen Gedichte erst nach und nach entstanden sind, und zu keiner vollständigen und vollkommenen Einheit haben gebracht werden können (obgleich beide vielleicht weit vollkommner organisirt sind als man denkt), folgt noch nicht: daß ein solches Gedicht auf keine Weise vollständig, vollkommen und Eins werden könne noch solle.
Ich habe indessen über unsere bisherigen Verhandlungen einen kleinen Aufsatz aus Ihren Briefen gemacht; arbeiten Sie doch die Sache weiter aus, sie ist uns beiden in theoretischer und praktischer Hinsicht jetzt die wichtigste .
Ich habe die Dichtkunst des Aristoteles wieder mit dem größten Vergnügen durchgelesen; es ist eine schöne Sache um den Verstand in seiner höchsten Erscheinung. Es ist sehr merkwürdig wie sich Aristoteles bloß an die Erfahrung hält und dadurch, wenn man will, ein wenig zu materiell wird, dafür aber auch meistens desto solider auftritt. So war es mir auch sehr erquickend zu lesen mit welcher Liberalität er die Dichter gegen Grübler und Krittler in Schutz nimmt, immer nur aufs wesentliche dringt und in allem andern so lax ist, daß ich mich an mehr als Einer Stelle verwundert habe. Dafür ist aber auch seine ganze Ansicht der Dichtkunst und der besonders von ihm begünstigten Theile so belebend, daß ich ihn nächstens wieder vornehmen werde, besonders wegen einiger bedeutenden Stellen, die nicht ganz klar sind und deren Sinn ich wohl erforschen möchte.
Freilich über das epische Gedicht findet man gar keinen Aufschluß in dem Sinne wie wir ihn wünschen.
Hier schicke ich die zwei letzten Verse eines Gedichts die empfindsame Gärtnerin. Es sollte ein Pendant zu den Musen und Grazien in der Mark geben; vielleicht wird es nicht so gut, eben weil es ein Pendant ist.
Ich erhole mich in diesen Stunden erst wieder von der Zerstreuung des vergangenen Monats, bringe verschiedene Geschäftssachen in Ordnung und bei Seite, damit mir der Mai frei werde. Wenn es mir möglich wird so besuche ich Sie. Leben Sie indessen recht wohl.
Weimar den 28. April 1797.
G.
305. An Goethe.
Eben als ich mich den Abend hinsetzte um Ihre beiden lieben Briefe zu beantworten, stört mich der Besuch des Rudolstädter Fürsten, der wegen der Inoculation seiner Kinder hier ist, und wie ich von diesem befreit bin, erhalte ich eine Humboldtische Visite. Es ist Nachts um 10 Uhr und ich kann Ihnen bloß einen freundlichen Gruß schicken. Sonntag Abends ein Mehreres.
Leben Sie recht wohl.
Jena den 28. April 1797.
Sch.
306. An Goethe.
Jena den 2. Mai 1797.
Ich begrüße Sie aus meinem Garten, in den ich heute eingezogen bin. Eine schöne Landschaft umgiebt mich, die Sonne geht freundlich unter und die Nachtigallen schlagen. Alles um mich herum erheitert mich und mein erster Abend auf dem eigenen Grund und Boden ist von der fröhlichsten Vorbedeutung.
Dieß ist aber auch alles, was ich Ihnen heute schreiben kann, denn über den Arrangements ist mir der Kopf ganz wüste geworden. Morgen hoffe ich endlich mit rechter Lust wieder an die Arbeit zu gehen und dabei zu beharren.
Wenn Sie mir den Text vom Don Juan auf einige Tage schicken wollten, würden Sie mir einen Gefallen erweisen. Ich habe die Idee, eine Ballade draus zu machen, und da ich das Mährchen nur vom Hörensagen kenne, so möchte ich doch wissen, wie es behandelt ist.
Leben Sie recht wohl. Herzlich freue ich mich drauf, bald wieder eine Zeit lang mit Ihnen zu verleben.
Sch.
307. An Schiller.
Gestern habe ich angefangen an meinem Moses zu dictiren. Güssefeld verlangt für eine Karte in klein Folio zu zeichnen vier Louisd’or und will den Stich derselben für etwa zwei Carolin in Nürnberg besorgen. Glauben Sie daß der Spaß die Auslage werth sei, so will ich gleich Anstalt machen, es gehen doch immer ein paar Monate hin bis die Karte fertig wird. Mein Aufsatz kann recht artig werden, um so mehr als in der neuern Zeit die Theologen selbst die Bibelchronologie öffentlich verdächtig machen und überall eingeschobene Jahre zu Ausgleichung gewisser Cyklen vermuthen.
Hier schicke ich den Aristoteles, wünsche viel Freude daran und sage für heute nichts weiter .
Weimar den 3. Mai 1797.
G.
Auch schicke ich den zweiten Theil des Vieilleville und den verlangten Don Juan. Der Gedanke, eine Romanze aus diesem zu machen, ist sehr glücklich. Die allgemein bekannte Fabel, durch eine poetische Behandlung, wie sie Ihnen zu Gebote steht, in ein neues Licht gestellt wird guten Effect thun .
Ich wünsche Glück zur neuen Wohnung und werde eilen Sie sobald als möglich darin zu besuchen.
G.
308. An Goethe.
Ich bin mit dem Aristoteles sehr zufrieden, und nicht bloß mit ihm, auch mit mir selbst; es begegnet einem nicht oft, daß man nach Lesung eines solchen nüchternen Kopfs und kalten Gesetzgebers den innern Frieden nicht verliert. Der Aristoteles ist ein wahrer Höllenrichter für alle, die entweder an der äußern Form sklavisch hängen, oder die über alle Form sich hinwegsetzen. Jene muß er durch seine Liberalität und seinen Geist in beständige Widersprüche stürzen: denn es ist sichtbar, wie viel mehr ihm um das Wesen als um alle äußere Form zu thun ist; und diesen muß die Strenge fürchterlich sein, womit er aus der Natur des Gedichts, und des Trauerspiels insbesondere, seine unverrückbare Form ableitet. Jetzt begreife ich erst den schlechten Zustand in den er die französischen Ausleger und Poeten und Kritiker versetzt hat: auch haben sie sich immer vor ihm gefürchtet, wie die Jungen vor dem Stecken. Shakespear, so viel er gegen ihn wirklich sündigt, würde weit besser mit ihm ausgekommen sein, als die ganze französische Tragödie.
Indessen bin ich sehr froh, daß ich ihn nicht früher gelesen: ich hätte mich um ein großes Vergnügen und um alle Vortheile gebracht, die er mir jetzt leistet. Man muß über die Grundbegriffe schon recht klar sein, wenn man ihn mit Nutzen lesen will; kennt man die Sache die er abhandelt nicht schon vorläufig gut, so muß es gefährlich sein, bei ihm Rath zu holen.
Ganz kann er aber sicherlich nie verstanden oder gewürdigt werden. Seine ganze Ansicht des Trauerspiels beruht auf empirischen Gründen: er hat eine Masse vorgestellter Tragödien vor Augen, die wir nicht mehr vor Augen haben; aus dieser Erfahrung heraus raisonnirt er, uns fehlt größtentheils die ganze Basis seines Urtheils. Nirgends beinahe geht er von dem Begriff, immer nur von dem Factum der Kunst und des Dichters und der Repräsentation aus; und wenn seine Urtheile, dem Hauptwesen nach, ächte Kunstgesetze sind, so haben wir dieses dem glücklichen Zufall zu danken, daß es damals Kunstwerke gab, die durch das Factum eine Idee realisirten, oder ihre Gattung in einem individuellen Falle vorstellig machten.
Wenn man eine Philosophie über die Dichtkunst, so wie sie jetzt einem neuern Aesthetiker mit Recht zugemuthet werden kann, bei ihm sucht, so wird man nicht nur getäuscht werden, sondern man wird auch über seine rhapsodistische Manier und über die seltsame Durcheinanderwerfung der allgemeinen und der allerparticularsten Regeln, der logischen, prosodischen, rhetorischen und poetischen Sätze etc. lachen müssen, wie z. B. wenn er bis zu den Vocalen und Konsonanten zurückgeht. Denkt man sich aber, daß er eine individuelle Tragödie vor sich hatte, und sich um alle Momente befragte die an ihr in Betrachtung kamen, so erklärt sich alles leicht, und man ist sehr zufrieden, daß man bei dieser Gelegenheit alle Elemente, aus welchen ein Dichterwerk zusammengesetzt wird, recapitulirt.
Ich wundere mich gar nicht darüber, daß er der Tragödie den Vorzug vor dem epischen Gedicht giebt: denn so wie er es meint, obgleich er sich nicht ganz unzweideutig ausdrückt, wird der eigentliche und objective poetische Werth der Epopöe nicht beeinträchtigt. Als Urtheiler und Aesthetiker muß er von derjenigen Kunstgattung am meisten satisfacirt sein, welche in einer bleibenden Form ruht und über welche ein Urtheil kann abgeschlossen werden. Nun ist dieß offenbar der Fall bei dem Trauerspiel, so wie er es in Mustern vor sich hatte, indem das einfachere und bestimmtere Geschäft des dramatischen Dichters sich weit leichter begreifen und andeuten läßt, und eine vollkommenere Technik dem Verstande weist, eben des kürzern Stadiums und der geringeren Breite wegen. Ueberdem sieht man deutlich, daß seine Vorliebe für die Tragödie von einer klareren Einsicht in dieselbe herrührt, daß er von der Epopöe eigentlich nur die generisch-poetischen Gesetze kennt, die sie mit der Tragödie gemein hat, und nicht die specifischen , wodurch sie sich ihr entgegensetzt; deßwegen konnte er auch sagen, daß die Epopöe in der Tragödie enthalten sei, und daß einer, der diese zu beurtheilen wisse, auch über jene absprechen könne: denn das allgemein pragmatisch-poetische der Epopöe ist freilich in der Tragödie enthalten.
Es sind viele scheinbare Widersprüche in dieser Abhandlung, die ihr aber in meinen Augen nur einen höhern Werth geben; denn sie bestätigen mir, daß das Ganze nur aus einzelnen Apperçus besteht und daß keine theoretische vorgefaßte Begriffe dabei im Spiele sind; manches mag freilich auch dem Uebersetzer zuzuschreiben sein.
Ich freue mich, wenn Sie hier sind, diese Schrift mit Ihnen mehr im einzelnen durchzusprechen.
Daß er bei der Tragödie das Hauptgewicht in die Verknüpfung der Begebenheiten legt, heißt recht den Nagel auf den Kopf getroffen.
Wie er die Poesie und die Geschichte mit einander vergleicht und jener eine größere Wahrheit als dieser zugesteht, das hat mich auch sehr von einem solchen Verstandesmenschen erfreut.
Es ist auch sehr artig wie er bemerkt, bei Gelegenheit dessen was er von den Meinungen sagt, daß die Alten ihre Personen mit mehr Politik, die Neuern mit mehr Rhetorik haben sprechen lassen.
Es ist gleichfalls recht gescheid, was er zum Vortheil wahrer historischer Namen bei dramatischen Personen sagt.
Daß er den Euripides so sehr begünstigte, wie man ihm sonst schuld giebt, habe ich ganz und gar nicht gefunden. Ueberhaupt finde ich, nachdem ich diese Poetik nun selbst gelesen, wie ungeheuer man ihn misverstanden hat.
Ich lege Ihnen hier einen Brief von Voß bei, der eben an mich in Einschluß gekommen ist. Er sendet mir auch eine hexametrische Uebersetzung von Ovids Phaethon, für die Horen, die mir bei meiner großen Detresse sehr gelegen kommt. Er selbst wird auf seiner Reise Weimar und Jena nicht besuchen.
Was die Karte zum Moses betrifft, so wollen wir, wenn es Ihnen recht ist, den Lenzischen Aufsatz, den ich in das fünfte Horenstück einrücken lasse, dazu bestimmen, daß die Ausgabe für jene Karte davon bestritten wird. Ich habe Cotta versprochen, daß ihn kein Bogen mehr als vier Louisdors kosten solle; sonst hätte er die Horen nicht gut fortsetzen können. Auf diese Art aber macht es sich sehr gut. Sorgen Sie nur, daß wir den Moses und auch das Kupfer bald können abdrucken lassen.
Gehört der Aristoteles Ihnen selbst? Wenn das nicht ist, so will ich ihn mir gleich kommen lassen, denn ich möchte mich nicht gern sobald davon trennen.
Hier neue Horen. Auch folgt der Don Juan mit Dank zurück. Ich glaube wohl, das Sujet wird sich ganz gut zu einer Ballade qualificiren.
Leben Sie recht wohl. Ich habe mich an die neue Lebensart schon ganz gewöhnt und bringe, in Wind und Regen, manche Stunde mit Spazierengehen im Garten zu, und befinde mich sehr wohl dabei.
Jena den 5. Mai 1797.
Sch.