428. An Schiller.
Schon Mittwochs hatte ich ein Blatt an Sie dictirt und heute fing ich an etwas dazu zu fügen, dadurch wurden aber meine Aeußerungen so confus, daß ich es noch einmal redigiren muß. Es soll morgen Abend mit der reitenden Post abgehen.
Von Schlegeln weiß ich so viel: daß er nach Ostern über Berlin nach Dresden gehen will, künftigen Winter wird er aber wieder in Jena sein.
Wenn ich hinüber komme werde ich den Vorschlag thun daß Sie ihn vor seiner Abreise noch ein paarmal sehen, damit er nicht etwa, aus Unmuth, seine Beiträge, die ich doch nicht gern entbehren möchte, Ihrem Almanach entwende.
Leben Sie recht recht wohl und behalten mich lieb.
Weimar am 24. Februar 1798.
G.
429. An Schiller. (21. Febr.)
Jedem der Mittwochs oder Sonnabends früh in mein Zimmer kommt wird auf die Finger gesehen ob er nicht einen Brief von Ihnen bringe, und da ich heute dieses ersehnte Frühstück entbehren mußte so hat mir ein blaues Couvert am Abend desto mehr Freude gemacht.
Unsern Schweden den Sie trefflich geschildert haben habe ich noch morgen zu bleiben beredet. Unsere Frauen in Weimar bedürfen gar sehr solcher fremden Erscheinungen, und ich mag ihnen, da sie sonst so wenig Vergnügen haben, dergleichen gerne gönnen. Gewiß sind diese Naturen sehr wünschenswerth weil sie zur affirmativen Seite gehören und doch immer Talente in der Welt supponiren müssen, wenn ihr Talent gelten soll.
Ich kann nicht ausdrücken wie sehr ich hoffe die Resultate Ihrer Arbeiten zu sehen und mich mit Ihnen über so vieles zu unterhalten. Hätten mich die Stuttgarter nicht ohne Antwort gelassen, so daß ich über Thourets Ankunft ungewiß wäre, so hätte ich schon vor einigen Tagen zu Ihnen kommen können.
Ich erinnere mich kaum was ich heute früh über den rationellen Empirism schrieb, mir scheint es aber als wenn er auf seinem höchsten Puncte auch nur kritisch werden könnte. Er muß gewisse Vorstellungsarten neben einander stehen lassen, ohne daß er sich untersteht eine auszuschließen oder eine über das Gebiet der andern auszubreiten. In der ganzen Geschichte der Farbenlehre scheint mir dies der Fehler, daß man die drei Eintheilungen nicht machen wollte und daß man die empirischen Enunciationen, die auf eine Abtheilung der Erfahrungen paßten, auf die andere ausdehnen wollte, da denn zuletzt nichts mehr paßte.
Eben so scheint es mir mit Ideen zu sein die man aus dem Reiche des Denkens in das Erfahrungsreich hinüberbringt: sie passen auch nur auf Einen Theil der Phänomene und ich möchte sagen, die Natur ist deswegen unergründlich weil sie nicht Ein Mensch begreifen kann, obgleich die ganze Menschheit sie wohl begreifen könnte. Weil aber die liebe Menschheit niemals beisammen ist, so hat die Natur gut Spiel sich vor unsern Augen zu verstecken.
In Schellings Ideen habe ich wieder etwas gelesen und es ist immer merkwürdig sich mit ihm zu unterhalten; doch glaube ich zu finden daß er das was den Vorstellungsarten die er in Gang bringen möchte widerspricht, gar bedächtig verschweigt, und was habe ich denn an einer Idee die mich nöthigt meinen Vorrath von Phänomenen zu verkümmern?
Von der andern Seite sind die Mathematiker, welche ungeheure Vortheile haben der Natur zu Leibe zu gehen, auch oft in dem Falle das interessanteste zu tuschen . Ein alter Hofgärtner pflegte zu sagen: die Natur läßt sich wohl forciren aber nicht zwingen, und alles was wir theoretisch gegen sie vornehmen sind Approximationen bei denen die Bescheidenheit nicht genug zu empfehlen ist. Es war mir neulich sehr interessant Lamberts Photometrie durchzugehen der wirklich liebenswürdig erscheint, indem er seinen Gegenstand für unerreichbar erklärt und zugleich die äußerste Mühe anwendet ihm beizukommen.
Das soll nun alles, besonders wenn ich meine Arbeit erst vorlegen kann, zu den besten Gesprächen Anlaß geben.
So weit war ich am Mittwoch gekommen. Was ich gestern dictirte hat gar keine Gestalt, und doch soll dies Blatt heut Abend zu Ihnen. Die Herrschaft ist nach Gotha. Diesen ganzen ruhigen Tag habe ich mit neuen Bibliotheks-Einrichtungen zugebracht, wobei noch nichts gewonnen ist als was sich von selbst verstünde.
Leben Sie recht wohl und erfreuen mich Mittwoch wieder mit einem Briefe.
Weimar am 25. Februar 1798.
G.
430. An Goethe.
Jena den 27. Februar 1798.
Dieser Februar ist also hingegangen, ohne Sie zu mir zu bringen, und ich habe, erwartend und hoffend, bald den Winter überstanden. Desto heitrer seh’ ich ins Frühjahr hinein, dem ich wirklich mit neuerwachtem Verlangen mich entgegen sehne. Es beschäftigt mich jetzt zuweilen auf eine angenehme Weise, in meinem Gartenhause und Garten Anstalten zur Verbesserung meines dortigen Aufenthalts zu treffen. Eine von diesen ist besonders wohlthätig und wird eben so angenehm sein: ein Bad nämlich, das ich reinlich und niedlich in einer von den Gartenhütten mauren lasse. Die Hütte wird zugleich um einen Stock erhöht und soll eine freundliche Aussicht in das Thal der Leutra erhalten. Auf der entgegengesetzten Lambrechtischen Seite ist schon im vorigen Jahr an die Stelle der Hütte eine ganz massiv gebaute Küche getreten. Sie werden also, wenn Sie uns im Garten besuchen, allerlei nützliche Veränderungen darin finden. Möchten wir nur erst wieder dort beisammen sein!
Ich lege doch jetzt ganz unvermerkt eine Strecke nach der andern in meinem Pensum zurück und finde mich so recht in dem tiefsten Wirbel der Handlung. Besonders bin ich froh, eine Situation hinter mir zu haben, wo die Aufgabe war, das ganz gemeine moralische Urtheil über das Wallensteinische Verbrechen auszusprechen und eine solche an sich triviale und unpoetische Materie poetisch und geistreich zu behandeln, ohne die Natur des moralischen zu vertilgen. Ich bin zufrieden mit der Ausführung und hoffe unserm lieben moralischen Publicum nicht weniger zu gefallen, ob ich gleich keine Predigt daraus gemacht habe. Bei dieser Gelegenheit habe ich aber recht gefühlt, wie leer das eigentlich moralische ist, und wie viel daher das Subject leisten mußte, um das Object in der poetischen Höhe zu erhalten.
In Ihrem letzten Briefe frappirte mich der Gedanke, daß die Natur, obgleich von keinem einzelnen gefaßt, von der Summe aller Individuen gefaßt werden könnte. Man kann wirklich, däucht mir, jedes Individuum als einen eigenen Sinn betrachten, der die Natur im Ganzen eben so eigenthümlich auffaßt als ein einzelnes Sinnenorgan des Menschen und eben so wenig durch einen andern sich ersetzen läßt, als das Ohr durch das Auge u. s. w. Wenn nur jede individuelle Vorstellungs- und Empfindungsweise auch einer reinen und vollkommenen Mittheilung fähig wäre; denn die Sprache hat eine, der Individualität ganz entgegengesetzte Tendenz, und solche Naturen, die sich zur allgemeinen Mittheilung ausbilden, büßen gewöhnlich so viel von ihrer Individualität ein, und verlieren also sehr oft von jener sinnlichen Qualität zum Auffassen der Erscheinungen. Ueberhaupt ist mir das Verhältniß der allgemeinen Begriffe und der auf diesen erbauten Sprache zu den Sachen und Fällen und Intuitionen ein Abgrund, in den ich nicht ohne Schwindeln schauen kann. Das wirkliche Leben zeigt in jeder Minute die Möglichkeit einer solchen Mittheilung des Besondern und Besondersten durch ein allgemeines Medium, und der Verstand, als solcher, muß sich beinah die Unmöglichkeit beweisen.
Leben Sie recht wohl. Ich lege Humboldts letzten Brief bei, den ich mir zur Beantwortung bald zurückerbitte. Meine Frau grüßt Sie aufs beste. Meyern viele Grüße.
Sch.
431. An Schiller.
Wenn die Stuttgarter Freunde artiger gewesen und mir die Zeit von Thourets Ankunft gemeldet hätten, so könnte ich vielleicht jetzt bei Ihnen sein, denn außer diesem Einen Geschäft habe ich alles übrige hinter mich gebracht. Geht Ihr Wallenstein indessen auf seinem Wege mit starken Schritten fort, so will ich das bisherige Entbehren verschmerzen; man steht freilich, wie es auch Humboldten geht, wenn gewisse Unterhaltungen fehlen, wie nöthig sie einem werden können.
Die Franzosen muß Humboldt, wenn sie ein theoretisch Gespräch anfangen, ja zu eludiren suchen, wenn er sich nicht immer von neuem ärgern will. Sie begreifen gar nicht daß etwas im Menschen sei, wenn es nicht von außen in ihn hineingekommen ist. So versicherte mir Mounier neulich: das Ideal sei etwas aus verschiedenen schönen Theilen zusammengesetztes! Da ich ihn denn nun fragte: woher denn der Begriff von den schönen Theilen käme? und wie denn der Mensch dazu käme ein schönes Ganze zu fordern? und ob nicht für die Operation des Genies, indem es sich der Erfahrungselemente bedient, der Ausdruck zusammensetzen zu niedrig sei? so hatte er für alle diese Fragen Antworten aus seiner Sprache, indem er versicherte daß man dem Genie schon lange une sorte de création zugeschrieben habe.
Und so sind alle ihre Discurse: sie gehen immer ganz entscheidend von einem Verstandsbegriff aus und wenn man die Frage in eine höhere Region spielt, so zeigen sie daß sie für dieses Verhältniß auch allenfalls ein Wort haben, ohne sich zu bekümmern ob es ihrer ersten Assertion widerspreche oder nicht.
Durch Ihre Frau Schwägerin werden Sie ja wohl erfahren haben daß auch Mounier Kantens Ruhm untergraben hat und ihn nächstens in die Luft zu sprengen denkt. Dieser moralische Franzos hat es äußerst übel genommen daß Kant die Lüge, unter allen Bedingungen, für unsittlich erklärt. Böttiger hat eine Abhandlung gegen diesen Satz nach Paris geschickt, der ehestens in der Décade philosophique wieder zu uns zurückkommen wird, worin denn zum Trost so mancher edlen Natur klar bewiesen wird daß man von Zeit zu Zeit lügen müsse. Wie sehr Freund ubique sich freuen muß wenn dieser Grundsatz in die Moral aufgenommen wird können Sie leicht denken, da er seit einiger Zeit die Bücher die man ihm geliehen hat hartnäckig abschwört, ob es gleich gar kein Geheimniß ist, daß er sie im Hause hat und sich deren ganz geruhig fort bedient .
Ich habe jetzo ein Verhältniß mit dem Grafen und der Gräfin Fouquet wegen naturhistorischer Gegenstände. Es sind recht artige, höfliche, dienstfertige Leute und auch mit mir recht einig und wohl zufrieden; doch merkt man immer daß es ihnen auch wie Voßen geht, der am Ende denn doch überzeugt ist daß er ganz allein Hexameter machen kann und soll .
Mein Gedicht scheint, wie ich aus diesen Nachrichten sehe, ihm nicht so wohlthätig als mir das seine. Ich bin mir noch recht gut des reinen Enthusiasmus bewußt mit dem ich den Pfarrer von Grünau aufnahm, als er sich zuerst im Merkur sehen ließ, wie oft ich ihn vorlas, so daß ich einen großen Theil davon noch auswendig weiß, und ich habe mich sehr gut dabei befunden, denn diese Freude ist am Ende doch productiv bei mir geworden, sie hat mich in diese Gattung gelockt, den Hermann erzeugt und wer weiß was noch daraus entstehen kann. Daß Voß dagegen mein Gedicht nur se defendendo genießt thut mir leid für ihn, denn was ist denn an unserm ganzen Bischen Poesie, wenn es uns nicht belebt und uns für alles und jedes was gethan wird empfänglich macht? Wollte Gott ich könnte wieder von vorn anfangen und alle meine Arbeiten als ausgetretne Kinderschuhe hinter mir lassen, und was bessers machen.
Jetzt erheitre ich mich mit dem Gedanken daß ich bei meinem nächsten Aufenthalt in Jena kleine Sachen machen will, in einer Art zu der ich den wohlthätigen Einfluß des Frühlings brauche. Wie sehr freut es mich daß wir beide gewiß so fest an der Sache als an einander halten werden.
Heute Nacht haben wir nach der unvermutheten Ankunft der gothaischen fürstlichen Jugend, einen Ball aus dem Stegreife und Souper um zwei Uhr gehabt worüber ich denn einen schönen Morgen zum größten Theil verschlief. Leben Sie recht wohl, grüßen Sie Ihre liebe Frau und bereiten sich für den Sommer im Garten ein heiteres Dasein.
Weimar den 28. Februar 1798.
G.
432. An Goethe.
Jena den 2. März 1798.
Ich habe es in diesen schönen Tagen einmal wieder mit der frischen Luft versucht und mich recht wohl dabei befunden. Es ist wirklich Schade, daß Sie gerade jetzt nicht hier sein können, gewiß würde sich die Muse jetzt bald bei Ihnen einstellen.
Was Sie über die Franzosen, und ihren emigrirten, aber immer gleich würdigen Repräsentanten Mounier schreiben, ist sehr wahr und so kläglich es auch an sich ist, so freut es einen, weil es so nothwendig zu dem ganzen Begriff dieser Existenz gehört, und man sollte immer nur rein die Naturen auffassen, so würde man auch gleich die Systeme rein demonstrirt sehen. Es ist wirklich der Bemerkung werth, daß die Schlaffheit über ästhetische Dinge immer sich mit der moralischen Schlaffheit verbunden zeigt, und daß das reine strenge Streben nach dem hohen Schönen, bei der höchsten Liberalität gegen alles was Natur ist, den Rigorism im moralischen bei sich führen wird. So deutlich scheiden sich die Reiche der Vernunft und des Verstandes und diese Scheidung behauptet sich nach allen Wegen und Richtungen, die der Mensch nur nehmen kann.
Mounier ist mir ein würdiger Pendant zu Garven, der sich auch einmal auf ähnliche Art gegen Kant prostituirte.
Gestern habe ich nun im Ernst das französische Bürgerdiplom erhalten, wovon schon vor fünf Jahren in den Zeitungen geredet wurde. Es ist damals ausgefertigt und von Roland unterschrieben worden. Weil aber der Name falsch geschrieben und nicht einmal eine Stadt oder Provinz auf der Adresse stand, so hat es freilich den Weg nicht zu mir finden können. Ich weiß nicht wie es jetzt noch in Bewegung kam, aber kurz, es wurde mir geschickt und zwar durch – Campe in Braunschweig, der mir bei dieser Gelegenheit die schönsten Sachen sagt.
Ich halte dafür, es wird nicht ganz übel sein, wenn ich es dem Herzog notificire, und um diese Gefälligkeit ersuche ich Sie, wenn es Sie nicht beschwert. Ich lege deßwegen die Acta bei. Daß ich als ein deutscher Publicist εξοχην darin erscheine, wird Sie hoffentlich auch belustigen.
Leben Sie recht wohl. Ich habe einen Posttag und noch allerlei abzufertigen. Meine Frau grüßt schön.
Sch.
433. An Schiller.
Zu dem Bürgerdecrete, das Ihnen aus dem Reiche der Todten zugesendet worden, kann ich nur in so fern Glück wünschen als es Sie noch unter den Lebendigen angetroffen hat; warten Sie ja noch eine Weile ehe Sie Ihre verewigten großen Mitbürger besuchen. Herr Campe scheint an der gefährlichsten aller Tollheiten, so wie noch mancher gute Deutsche, krank zu liegen. Leider ist dagegen so wenig als gegen eine andere Pest zu thun und zu sagen.
Das schöne Wetter ruft mich jeden Tag zu Ihnen und ich benutze mein Hiersein so gut ich kann. Ich habe die Insecten wieder vorgenommen und auch meine Mineralien geordnet. Wenn man so viel zusammenschleppt und nur eine Zeit lang ansteht das eingebrachte einzurangiren, so weiß man bald nicht wo man sich lassen soll.
Meyer rückt mit seinen Arbeiten vor und es wird bald ein Bändchen zusammen sein.
Nach den neusten Begebenheiten in Italien und in der Schweiz bin ich vollkommen über unsern Rückzug getröstet; auch wird es der Sache nicht schaden, wenn das was wir gesammelt fragmentarisch heraus kommt. Das Publicum nimmt so was einzelnes immer besser auf, und einen methodischen Ueberblick kann man auf dem Wege immer auch einmal geben. Die Einleitung dazu wird wohl meine erste Arbeit in Jena sein, da ich denn auch das Schema sowohl über das theoretische als über das Erfahrungsganze, das schon entworfen ist, noch besser ausarbeiten werde.
Meine Betrachtungen über organische Naturen, so wie über die Farbenlehre arbeiten jenen Kunstbetrachtungen entgegen und eine zweite Ausgabe des Cellini wird an Meyers Arbeiten über die florentinische Kunstgeschichte mit wenigen bedeutenden Noten angeschlossen.
Da ich wohl der Einleitung die Form einiger Briefe an Sie, mein werthester Freund, geben möchte, so wäre es recht hübsch wenn Sie auch bei dieser Gelegenheit ein Wort an uns sagten, um eine Aussicht zu geben daß Sie auch mit Ihren Arbeiten künftig wohl mit uns zusammentreffen möchten. Denn da uns das Jahrhundert von außen noch manche Hindernisse in den Weg zu legen scheint, so ist es desto nöthiger von innen einstimmig und unverrückt zu wirken.
Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Ihre liebe Frau.
Weimar am 3. März 1798.
G.
434. An Goethe.
Jena den 6. März 1798.
Aus Ihren, mir neu eröffneten, Vorsätzen muß ich schließen, daß Sie noch eine gute Weile lang auf dem wissenschaftlichen Felde bleiben werden, welches mir für die poetische Ausübung leid thut, so sehr ich auch den Nutzen und die Nothwendigkeit davon einsehe. Ihre vielen und reichen Erfahrungen und Reflexionen über Natur und Kunst und über das dritte Idealische was beide zuletzt zusammenknüpft, müssen ausgesprochen, geordnet und festgehalten werden, es sind sonst nur Lasten die Ihnen im Wege liegen. Aber die Unternehmung wird weitläuftig werden, und aus Arbeit wird sich Arbeit erzeugen. Bis jetzt hab’ ich noch keinen klaren Begriff von den Grenzen, die Sie dem Werk setzen werden, unbeschadet seines Anspruchs auf eine gewisse umfassende Vollständigkeit: ein Anspruch der schon in Ihrer Natur liegt, wenn auch der Gegenstand ihn nicht machte. Ich erwarte daher Ihr Schema darüber mit großer Begierde. Dieses wird mir denn auch den Ort schon zeigen, wo ich mit meinen Ideen, auf eine mit dem Ganzen übereinstimmende Weise, eintreten kann. Mit Vergnügen werde ich den Antheil daran nehmen, den Sie mir bestimmen, und da es einmal ein gesellschaftliches Werk ist, so kann es recht gut sein, daß auch der dritte Mann spricht. Selbst der Rigorism der darin herrschen wird, gewinnt mehr Eingang, wenn eine vielfältigere Ansicht und Einkleidung dabei ist. Immer aber wird das Werk in einer bestimmten Opposition mit dem Zeitalter bleiben: und da an eine gütliche Auskunft nicht zu denken ist, so wäre die Frage, ob man den Krieg nicht lieber decidirt erklären und durch die Schärfe des Gesetzes sowohl als der Justiz das Werk desto pikanter machen sollte. Doch darüber mündlich ein mehreres, wenn ich erst mehr von dem Plane weiß.
Ich selbst hoffe, nach meiner jetzigen ziemlich langen poetischen Praxis, die mir viele Erfahrungen mehr verschafft hat, mit gutem Erfolg zum Raisonnement zurückzukehren.
Meine Frau spricht Sie heute, wie sie hofft, warum ich sie sehr beneide, denn ich kann wohl sagen, daß mich recht herzlich verlangt, Sie wieder von Angesicht zu sehen.
Das Rescript das mich zum Professor ordinarius macht ist endlich von Coburg angekommen, und so sehe ich mich in kurzer Zeit mit mehreren Würden bekleidet, von denen ich nur wünschte, daß sie mich wärmer hielten.
Leben Sie recht wohl, grüßen Sie Meyern und schreiben Sie mir bald, daß ich Sie erwarten darf.
Sch.
435. An Schiller.
Ihre liebe Frau hat uns, obgleich nur auf allzu kurze Zeit besucht, doch hat sie wenigstens einen guten Eindruck von Meyers Arbeiten mitgenommen, wovon sie nicht wenig Genuß haben wird und es wäre sehr schön gewesen wenn Sie denselben theilen könnten. Ueberhaupt muß ich bei dieser Gelegenheit sagen daß Sie, da sich Ihr Herr Schwager nach und nach einrichten kann, doch auch für ein Quartier für den Winter besorgt sein sollten. Denn wenn ich auch unser Theater nur nehme wie es ist, so bleibt es doch schon ein großer Genuß fast alle acht Tage eine gute Musik zu hören, denn unsere Oper ist recht artig und die Vorstellungen derselben machen oft ein artiges Ganze. Ich könnte Ihnen einen bessern, bequemern Platz verschaffen als den im Proscenio und an der Einsamkeit zu Hause wird es Ihnen, nach dem bekannten weimarischen Isolationssystem, nicht fehlen, und es würde gewiß für Sie von Vortheil sein wenn Sie die äußere Einwirkung nicht ganz ausschlößen. Was mich betrifft so werde ich, wie Sie wissen immer in meinem Zodiak herum genöthigt und jedes Zeichen in das ich trete giebt mir neue Beschäftigung und Stimmung. Was mit mir zunächst werden wird hoffe ich Sonnabends sagen zu können.
Ich habe den Cellini wieder vorgenommen, corrigire meine Abschrift und mache mir ein Schema zu den Noten. Dadurch setze ich mich in den Stand die kleinen Historischen Aufsätze, die hierzu nöthig sind, von Zeit zu Zeit auszuarbeiten. Ich will sie hinten ans Werk schließen, und sie nach den Materien stellen, so daß man sie auch allenfalls, wie einen kleinen Aufsatz, hinter einander lesen kann. Meyers Arbeit über die florentinische Kunstgeschichte rückt indessen auch vor, und eins greift ins andere.
Eine Zeit zur Fassung und Sammlung und zur Uebersicht über das mannigfaltige was wir treiben, wünsche ich mir bald in Ihrer Nähe, sie muß mir nun nächstens werden und sie soll uns in mehr als Einem Sinne Frucht bringen.
Zu dem endlich angelangten Coburger Rescript wünsche ich Glück. Eigentlich hat diese Expedition auch unser Herzog ausgewirkt. Coburg war wohl mit ein Dutzend Rescripten zurück und da keine Sollicitation bei den Geheimde Räthen helfen wollte, schickte endlich unser Herzog unmittelbar einen Boten auf Execution mit freundschaftlichen Empfehlungsschreiben an den Herzog und die Herzogin, wodurch denn endlich die Expeditionen flott gemacht wurden; möchte doch auch etwas reelles für Sie dabei gewesen sein! Humboldts Brief lege ich wieder bei; sein Urtheil über das französische Theater gefällt mir recht wohl. Ich möchte diese wunderlichen Kunstproducte wohl auch einmal mit Augen sehen.
Leben Sie wohl .
Weimar am 7. März 1798.
G.
436. An Goethe.
Jena den 9. März 1798.
Meine Frau hat sich sehr gefreut Sie neulich in Ihrem Hause zu sehen, und kann es noch nicht satt werden, Meyers schöne Werke zu preisen. Sie hat meine Begierde darnach aufs neue rege gemacht und wenn Sie binnen acht Tagen nicht sollten herkommen können, so werde ich noch einen Flug nach Weimar vornehmen.
Es ist auch mein ernstlicher Wille, wie Sie mir rathen, künftig das Theater in Weimar besser zu benutzen. Nur an den Anstalten zur Wohnung lag es in diesem Winter, daß ich es nicht ausgeführt habe. Für die Zukunft werde ich mich aber gewiß darauf einrichten. Wenn es auch bloß um die Musik wäre, müßte man’s schon thun, denn die Sinne werden ja sonst gar nicht auf eine ästhetische Weise berührt. Aber auch das Theater selbst wird gut auf mich wirken. In diesen letzten Monaten habe ich freilich alles andre meinem Geschäfte nachsetzen müssen, um darin einen entscheidenden Schritt zurückzulegen. Das habe ich erreicht. Jetzt ist mein Stück im Gange, und das Schwerste ist hinter mir. Drei Viertel der ganzen Arbeit sind absolvirt.
Haben Sie noch keine Neugierde gehabt die neue englische Tragödie von Walpole the mysterious Mother zu Gesicht zu bekommen? Sie wird als eine vollkommene Tragödie im Geschmack und Sinn des Oedipus Rex gerühmt, mit dem sie dem Inhalt nach, davon ich einen Auszug gelesen, in einer gewissen Verwandtschaft steht. Vielleicht daß von dieser materiellen Aehnlichkeit auch das ganze Urtheil herrührt. Wäre dem so, so sollte man den englischen Kunstrichtern diese Leichtsinnigkeit nicht so hingehen lassen; und in jedem Falle scheint mir’s nicht übel, ein solches vorübergehendes Interesse des Publicums zu ergreifen, und da einmal der Fall da ist, über das Gesetz und die Forderungen ein Wort zu sagen. Ich werde trachten das Stück zu bekommen, ob es vielleicht zu einem Raisonnement über die Gattung Anlaß geben kann.
Der Herzog, wie mir mein Schwager sagt, wünscht daß ich mein Bürgerdiplom der Bibliothek schenken möchte, wozu ich sehr gerne bereit bin. Ich will es bloß abschreiben lassen und mir im Namen der Bibliothek attestiren lassen, daß das Original bei ihr niedergelegt ist, wenn etwa einmal eins meiner Kinder sich in Frankreich niederlassen und dieses Bürgerrecht reclamiren wollte.
Leben Sie recht wohl. Vielleicht bringt mir der morgende Botentag die erwünschte Nachricht von Ihrem baldigen Kommen. Meine Frau grüßt Sie bestens.
Sch.
437. An Schiller.
Es fehlte nur noch daß in das zehente Haus meines Horoscops noch einige Hufen Landes eingeschoben würden, damit meine Existenz ja noch bunter werden möchte. Und doch ist es so, ich habe das Oberroßlaer Freigut endlich doch noch erstanden, nachdem mir die bisherigen Pächter, so wie auch der Hofrath Grüner, durch zwei Jahre diese Requisition sauer gemacht haben. Indessen bin ich mit dem Besitz und mit dem Preise noch ganz zufrieden, denn es geht jetzt mit Grund und Boden wie mit den Sibyllinischen Büchern, jedermann zaudert beim steigenden Preise indem der Preis immer steigt.
Uebrigens habe ich einen ganz reinen Kauf gethan, wie wohl selten geschieht, denn ich habe das Gut und die Gebäude bis auf den heutigen Tag nicht gesehen und werde es morgen zum erstenmal in Augenschein nehmen. Das was dabei zu bedenken und allenfalls zu thun ist wird mich kaum acht Tage aufhalten. Wenn Sie uns besuchen könnten, so wäre es recht schön, doch will ich bemerken daß in der nächsten Woche die Oper den Donnerstag ist und Sonnabends ein neues Kotzebuisches Stück zu dem ich Sie nicht einladen will. Wenn Sie sich neben Freund Meyern in dem grünen Stübchen behelfen wollen, so sind Sie mir auch herzlich willkommen, mehr Raum kann ich Ihnen diesmal nicht anbieten.
Von dem englischen Trauerspiel habe ich nichts vernommen; es wäre auf alle Fälle gut wenn wir es erhalten könnten.
Von Ihrem Bürgerdiplom wollen wir Ihnen eine vidimirte Abschrift, mit dem Bekenntniß daß solches auf der fürstlichen Bibliothek verwahrt sei, ausfertigen lassen. Es ist recht artig daß Sie des Herzogs Gelüst nach diesem Document befriedigen. Es ist schon ein ähnliches reponirt, die Nachricht, in vielen Sprachen, an alle Völker der Welt, von der herrlichen französischen Revolution.
Wenn es Ihnen möglich ist, so kommen Sie ja! denn ich wünschte sehr daß Sie die Meyerischen Arbeiten gesehen hätten, ehe wir weiter zusammen zu leben fortfahren.
Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.
Weimar am 10. März 1798.
G.
438. An Goethe.
Jena den 13. März 1798.
Nachdem ich einmal ein vierzehn Tage erträglich wohl gewesen, und mir etwas Anstrengung zugemuthet, setzt sich’s mir wieder in den Kopf und macht mich unlustig und unfähig zu allem. Freilich ist das Wetter auch wieder sehr rauh geworden. Dennoch hoffe ich meine Reise zu Ihnen, wiewohl nur auf Einen Tag, noch diese Woche ausführen zu können. Meine Absicht wird erreicht sein, wenn ich Sie und Meyers Arbeiten sehe und eine bestimmte Gewißheit Ihrer Hierherkunft mit zurückbringe.
Zu der Acquisition wünsche ich von Herzen Glück. Ich fühle bei meinem kleinen Besitzthum, wie viel Freude es gewährt, für sich und die Seinigen jetzt ein Stück Erde in Anspruch zu nehmen.
Ich habe einen braven Menschen für Mouniers Institut aufgefunden, dem ich dadurch zu einer einstweilen Existenz verhelfe, während daß Mouniern mit ihm gedient sein wird.
Man sagt hier daß die Franzosen bei Murten eine Schlappe bekommen. Es sollte mich herzlich freuen, denn auch ein kleines Glück, und gerade an diesem Ort, würde am Anfang besonders sehr gute Folgen für die Schweizer haben.
Ich habe diese Tage ein altes deutsches Ritterstück, das Sie wahrscheinlich längst vergessen haben, Fust von Stromberg wieder durchgelesen. Es läßt sich freilich sehr viel dagegen sagen, aber die Bemerkung habe ich dabei gemacht, daß der Dichter eine erstaunliche Macht über das Gemüth ausüben kann, wenn er nur recht viel Sachen und Bestimmungen in seinen Gegenstand legt. So ist dieser Fust von Stromberg zwar überladen von historischen Zügen und oft gesuchten Anspielungen, und diese Gelehrsamkeit macht das Stück schwerfällig und oft kalt; aber der Eindruck ist höchst bestimmt und nachhaltig, und der Poet erzwingt wirklich die Stimmung die er geben will. Auch ist nicht zu läugnen, daß solche Compositionen, sobald man ihnen die poetische Wirkung erläßt, eine andre allerdings sehr schätzbare leisten, denn keine noch so gut geschriebene Geschichte könnte so lebhaft und so sinnlich in jene Zeit hineinführen, als dieses Stück es thut.
Leben Sie wohl . Mein Kopf ist ganz wüste.
Meine Frau grüßt herzlich.
Sch.
439. An Schiller.
Es würde recht schön sein wenn Sie diese Woche noch herüber kommen könnten, nur wünschte ich den Tag zu wissen um mich ein wenig darauf einzurichten. Ich bin ziemlich mit allem fertig und auch meine kleine Acquisition ziemlich im klaren, so daß es meiner Gegenwart weiter nicht bedarf. Bei näherer Untersuchung findet sich daß ich noch einen ganz leidlichen Kauf gethan habe, ob er gleich der bisherigen Nutzung nach zu hoch schien. Deßwegen Gruner auch wohl abgegangen sein mag.
Nun habe ich aber das größte Bedürfniß wieder einmal ganz in meinem Innern zu leben und hoffe bald dazu zu gelangen.
Damit Sie sehen in welcher unmittelbaren Connexion unser liebes Weimar mit Paris steht, übersende ich Ihnen einige französische Blätter. Mir sind dergleichen Saalbaderische Gemeinplätze in der Natur zuwider. Die französische Sprache ist aber auch recht dazu gemacht, um die Erscheinung der Erscheinungen auszudrücken; übrigens scheinen ihre Literatoren so zahm als ihre Politik gewaltsam ist.
Die Schweizer werden auf alle Fälle den kürzern ziehen. Ich erwarte täglich daß die Franzosen Basel besetzen, denn sie haben von außen nichts mehr zu fürchten noch zu scheuen.
Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Ihre liebe Frau.
Weimar am 14. März 1798.
Des Sturm von Bocksberg erinnere ich mich kaum, ich weiß nur daß mir der archivalische Aufwand darin lästig war.
G.
440. An Goethe.
Jena den 14. März 1798.
Da heute noch eine Post geht, so sende die französischen Sachen gleich mit.
Der Discurs über Hermann und Dorothea gefällt mir doch gar nicht übel, und wenn ich wüßte daß er von einem recht leibhaften Franzosen herrührte, so könnte mich diese Empfänglichkeit für das Deutsche des Stoffes und das Homerische der Form erfreuen und rühren.
Mounier erscheint in seinem Briefe, so wie ich ihn erwartete, als der ruhig beschränkte und menschliche Repräsentant des gemeinen Verstandes, mit dem man da er wirklich ohne Arges ist und das gar nicht ahnet worauf es ankommt gar nicht hadern mag. Die Instanz am Ende, daß es ein Unglück wäre, wenn ein Dorfrichter die Moral eines Kant bekennte und darnach handelte, ist auch wirklich alles, was ich, umgekehrterweise, dem Mounier zur Abfertigung sagen würde.
Leben Sie recht wohl. Ich freue mich zu hören, daß Sie mit der Ansicht Ihres Kaufs so zufrieden sind, und daß Sie die Hände nun frei haben um wieder etwas für sich selbst vorzunehmen.
Mein Kommen kann ich darum nicht wohl bestimmt annonciren, weil alles von dem Schlaf der vorhergehenden Nacht abhängt. Leben Sie recht wohl.
Sch.
441. An Goethe.
Jena den 16. März 1798.
Nur ein paar Worte zum Gruße. Ich habe Posttag und der Kopf ist mir sehr eingenommen. Bei meinem besten Willen habe ich die Reise nach Weimar noch nicht wagen können, da mir nicht wohl und auch das Wetter zu rauh war. Kann ich es vor Ihrer Ankunft nicht ausführen, so werde ich es auf jeden Fall auch bei Ihrer Anwesenheit in Jena noch thun, und kann es so einrichten, daß ich vor Abend wieder hier bin, denn es liegt mir selbst zu viel daran, Meyers Arbeiten selbst gesehen zu haben, so lange Sie noch hier sind.
Ich hoffe, Sie bringen viel Geschriebenes, Schemata und Ausarbeitungen mit, denn ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr mich nach einer lebendigen Communication auch über solche Gegenstände besonders, die mit meinem Geschäft nichts gemein haben, verlangt. Auch wünschte ich von Meyers Arbeiten bald etwas zu lesen.
Leben Sie recht wohl. Vielleicht erfahre ich morgen, wann Sie kommen.
Meine Frau grüßt Sie bestens.
Sch.
442. An Schiller.
Künftige Woche denke ich soll nicht verfließen ohne daß wir uns wieder zusammen befinden. Alle die Geschäfte auf die ich Einfluß habe sind im Gange, und werden nun wohl ihren Weg fortschreiten. Es wird mir nun ein großes Bedürfniß tausend Ideen Raum und Ordnung zu verschaffen, wozu mir nur die Jenaische absolute Stille und Ihre Nähe verhelfen kann.
Ich lege ein paar wunderliche Briefe bei, die Ihnen ein Abenteuer erzählen werden, das in unsern Tagen seltsam genug klingt. Ich kenne die Leute selbst und die Blätter bürgen schon für ihre eigne Wahrheit.
Den französischen Aufsatz über Hermann habe ich nun noch einmal, und zwar mit Ihren Augen, angesehen und ihn denn auch von der Art gefunden daß man damit nicht ganz unzufrieden sein solle, ja er wäre ein Wunder wenn ihn ein Franzos geschrieben hätte; es ist aber ein Deutscher wie ich wohl weiß. Uebrigens wird es künftig ein wunderlich Amalgam geben, da so viele Franzosen und Engländer Deutsch lernen, so vieles übersetzt wird und unsere Literatur in verschiednen Fächern mehr Thätigkeit hat als die beiden andern.
Die armen Berner haben also eine traurige Niederlage erlitten. Meyer fürchtet daß sich nun ein Kanton so nach dem andern wird todtschlagen lassen, denn in ihrer Vorstellungsart sind sie immer noch die alten Schweizer; aber der Patriotismus so wie ein persönlich tapfres Bestreben hat sich so gut als das Pfaffthum und Aristokratismus überlebt. Wer wird der beweglichen glücklich organisirten und mit Verstand und Ernst geführten französischen Masse widerstehen! Ein Glück daß wir in der unbeweglichen nordischen Masse stecken, gegen die man sich so leicht nicht wenden wird .
Wenn es Ihnen um Zerstreuung und um allerlei fremdes an Planen, Aufsätzen und Einfällen zu thun ist, damit kann ich aufwarten; was ich mitbringe wird nicht viel unter einem Ries Papier betragen.
Nach Ihrer Herreise frage ich also nicht mehr; da Sie nur einen Tag dazu verwenden wollen, so schadet es nichts wenn ich auch schon drüben wäre. Leben Sie recht wohl, grüßen Sie Ihre liebe Frau und arbeiten Sie so fleißig als möglich sein will.
Weimar am 17. März 1798.
G.
443. An Goethe.
(Jena, 21. März 1798.)
Da ich Sie vor Abend nicht sehe so werde ich bis dahin in meinem vierten Act suchen vorwärts zu kommen. Ich habe heute früh die Phädra des Euripides, freilich nur nach einer sehr geistleeren Uebersetzung von Steinbrüche gelesen, aber es ist mir doch unbegreiflich, wie leicht und obenhin dieser schöne Stoff behandelt worden ist.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
444. An Schiller.
(Jena, März 1798.)
Ich muß doch noch einmal wegen Schlegels anfragen, dessen ich schon in einem Briefe erwähnte. Haben Sie auch für die Zukunft seine Verbannung fest beschlossen, so lassen wir alles ruhen und ich werde mich darnach benehmen. Möchten Sie aber vielleicht ihm einen sparsamen Zutritt gönnen, so wäre jetzt, da Tischbein Sie zu besuchen wünscht, die beste Gelegenheit, und, da s. nach Ostern fortgeht, für den Sommer keine Zudringlichkeit zu befürchten. Da ich diese Personen sehen muß und Tischbein zu besuchen nicht vermeiden kann, so wünscht’ ich Ihre Gesinnungen zu vernehmen, weil man von mir immer eine Mittlerschaft erwartet. Wünsche übrigens gute Fortschritte.
G.
445. An Goethe.
Jena den 6. April 1798.
Heute früh oder vielmehr heute Mittag als ich aufstand und mich nach Ihnen erkundigte, fand ich unsre unglückselige Charlotte , die ich länger als ein Jahr nicht gesehen und nicht viel verbessert fand. Sie ist wo möglich noch materieller geworden und ihr gespanntes freudloses unerquickliches Dasein hat mir keine gute Stimmung gegeben.
Ihr Aufenthalt hier kommt mir jetzt noch kürzer vor als er war. Er ging gar schnell vorüber und für eine so lange Abwesenheit war es wirklich zu wenig.
Unterdessen will ich suchen, mich wieder recht in die Arbeit zu werfen, daß ich nur erst das Gedankenbild aus mir herausstelle, weil ich es dann heller anschauen kann. Ich freue mich, denken zu dürfen, daß Sie mit meinem Wallenstein im ganzen zufrieden sind und vorzüglich darüber, daß Sie keinen Widerspruch weder mit dem Gegenstande noch mit der Kunstgattung zu der er gehört darin rügten; denn über die theatralischen Forderungen denke ich schon noch weg zu kommen, wenn die tragisch-dramatischen nur befriedigt sind.
Leben Sie wohl für heute. Meine Frau grüßt Sie bestens und wir vermissen Sie leider sehr.
Sch.
446. An Schiller.
Hätten mich die kleinen häuslichen Geschäfte, welche jetzt nothwendig abgethan sein wollen, nur in Ruhe gelassen, so wäre ich gewiß nicht so bald von Ihnen weggegangen, um so weniger als ich, bei Ankunft des schönen Wetters, auch eine recht gute Disposition zu meiner Arbeit fühlte. Ich habe mich nun drein ergeben und denke mich nun nach und nach hier wieder frei zu arbeiten, um desto länger das nächste mal bei Ihnen bleiben zu können.
Wir haben gewiß alle Ursache uns unsers Verhältnisses zu freuen, da wir uns nach einer so langen Entfernung nur näher fühlen und die Opposition unserer Naturen eine Wechselwirkung desto wünschenswerther macht, von der wir auch für die Zukunft das beste hoffen können.
Was Sie von der zunehmenden Materialität unserer Freundin sagen ist mir auch bei vielen andern Personen merkwürdig. Es scheint daß die meisten Naturen die kleine Portion der idealischen Ingredienzien durch ein falsches Streben gar bald aufzehren und dann durch ihre eigne Schwere wieder zur Erde zurückkehren.
An Ihren Wallenstein denke ich mit Vergnügen zurück, und habe die besten Hoffnungen davon. Die Anlage ist von der Art daß Sie, wenn das Ganze beisammen ist, die ideale Behandlung mit einem so ganz irdisch beschränkten Gegenstande in eine bewundernswürdige Uebereinstimmung bringen werden.
Ich lege einen derben Amor, von Guttenberg, nach Meyer, bei, mit dem wir ganz wohl zufrieden sind. Obgleich einiges, z. B. das Gesicht sehr verfehlt ist.
Meyer weiß nun was und wie er arbeitet und kann sich in einer nächsten Zeichnung darnach richten. Ist es Ihnen recht, so besorgen wir gleich etwas ähnliches für den Almanach, und wie dieses mein gewöhnlicher Siegelring ist, so nehmen wir vielleicht einen andern Stein aus meiner Sammlung.
Leben Sie recht wohl und nehmen Sie mit Ihrer lieben Frau Dank für alle Vorsorge.
NB. Das Büchelchen soll nur das Kupfer unbeschädigt hin und wieder bringen.
Weimar am 7. April 1798.
G.
447. An Goethe.
Jena den 10. April 1798.
An dem Amor, der hier zurückfolgt, erkennt man gleich die kräftige und solide Kunst unsers Meisters, wenn er sich nur nicht an der Spitze des kleinen Werkleins vor dem er zu stehen kommen soll, etwas zu streng und zu ernsthaft ausnimmt. Es wird recht gut sein, wenn Sie aus Ihrer Sammlung etwas für den Almanach wählen und Meyer es zeichnet. Ich brauche nicht zu sagen, daß eine poetische Idee von der Art wie diese mit dem Amor die zweckmäßigste sein wird; und weil der Almanach seines kleinen Formats und spielenden Gebrauchs wegen auch nur kleine Dimensionen erlaubt, so schien mir ein solcher Gegenstand, wo weniger auf der Ausführung als auf dem Gedanken beruht, der passendste zu sein. Doch das ist Ihre Sache, Sie werden schon das beste erwählen.
Ich lege Ihnen hier einen Brief nebst Gedichten von einem gewissen Jakobi bei, der sich an mich um Nachrichten von Ihnen gewendet hat. Die Gedichte habe ich kaum flüchtig angesehen und weder gutes noch schlimmes daran bemerkt. Indessen wäre mir’s nicht unlieb, wenn ich eins davon in das letzte Horenstück brauchen könnte, da mir gerade noch soviel daran fehlt. Haben Sie die Güte mir diese Gedichte, im Fall eins davon zu brauchen wäre, morgen durch die Botenfrau wieder zu schicken, da ich es an dem nämlichen Abend noch fortbringen kann.
Wenn Sie beim Geheimerath Voigt ein gutes Wort für unsern Niethammer sprechen wollten, so würden Sie etwas Gutes befördern. Ich habe Ursache zu glauben, daß er wenig Eifer für ihn hat, ja wirklich zu wenig, und hingegen seinen unbedeutenden Rival begünstiget. Fände sich Gelegenheit, Schellings Sache die bei Voigten zu liegen scheint, noch einmal in Bewegung zu bringen, so wäre es auch sehr gut für uns jenaische Philosophen, und selbst Ihnen würde es nicht unangenehm sein, das hiesige Personale mit einem so guten Subject vermehrt zu haben.
Obgleich das schöne Wetter hier noch fortdauert, so hat doch die schnelle Kälte mir wieder einen heftigen Katarrh mitgebracht und mein altes Uebel erneut. Die Arbeit rückt langsam fort, und ich stehe gerade an einem Punkt, wo die Stimmung alles thun muß.
Hier sagt man, daß Iffland am 24sten dieses Monats nach Weimar kommen würde um acht Tage dort zu spielen. Da Sie bei Ihrem Hiersein noch gar nichts davon zu wissen schienen, so kann ich es kaum glauben. Wäre es aber, so zweifelte ich sehr, daß er noch den alten Empfang finden würde, und unser würdiger gestiefelter Kater würde in einiges Gedränge kommen.
Leben Sie recht wohl. Ich höre von meinem Schwager der heute hier war, daß Thouret nun nächstens kommen wird. So ist es auch in dieser Rücksicht gut für Sie gewesen, daß Sie gerade jetzt in Weimar sind und nicht mitten in der Arbeit unterbrochen werden.
Meine Frau grüßt Sie aufs beste. Leben Sie recht wohl.
Sch.
448. An Schiller.
So ungern ich von Jena abreiste, so war es doch eben die rechte Zeit. Manches was hier stockte mußte wieder in Gang gebracht werden und nun rücken sowohl allgemeine als besondere Angelegenheiten besser vorwärts. Iffland giebt wirklich, vom 24sten an, sechs Repräsentationen. Wenn ich nicht fehl schließe so wird der Zudrang noch lebhafter sein als das erstemal. Schon in der Stadt haben wir mehr Fremde als damals und die Liebhaberei zum Theater ist sowohl hier als in der Nähe gewachsen.
Damit mir die nächsten vier Wochen die ich doch hier zubringen werde nicht ungenutzt verstreichen, habe ich gleich den Faust vorgenommen und finde Ihre Bemerkung richtig: daß die Stimmung des Frühlings lyrisch ist, welches mir bei dem rhapsodischen Drama sehr zu Gute kommt.
Jakobi , der an Sie geschrieben hat, ist der Sohn, der in Jena studirte; die Gedichte, die ich zurückschicke, konnte ich nicht durchlesen, ich bin ganz in entgegengesetzten Beschäftigungen und Stimmungen. Die nächsten vierzehn Tage überhaupt wird es wieder ein wenig bunt gehen. Ich setze voraus daß Sie Montag den 23sten bei uns eintreffen und das Theatralische Fest mit uns celebriren werden. Sie können neben Meyern sich recht gut einquartieren. Leben Sie recht Wohl.
Weimar am 11. April 1798.
G.
449. An Goethe.
Jena den 24. April 1798.
Endlich bin ich wieder im Stande Ihnen selbst von meinem Befinden Nachricht zu geben. Vierzehn Tage war ich zu allem unfähig, weil sich der Rheumatism in den Kopf gesetzt hatte, und noch darf ich vor den nächsten acht Tagen nicht hoffen, ein Geschäft vorzunehmen. Es ist recht Schade, daß ich bei dieser Unfähigkeit zum Arbeiten nicht wenigstens von den theatralischen Unterhaltungen in Weimar profitiren kann; aber wenn mich auch nicht mein noch fortdaurender Husten ins Haus spräche, so fehlte es mir doch gänzlich an Stimmung für irgend einen Geistesgenuß, und ich muß mich hüten, mich an ästhetische Dinge auch nur zu erinnern.
Ich wünsche Ihnen desto mehr Vergnügen an Ifflands theatralischem Besuch. Ueber die Wahl der Stücke haben wir uns hier gewundert, besonders aber hat mich die Wahl des Pygmalion befremdet. Denn wenn darunter wirklich das Monodram gemeint ist, welches däucht mir Benda componirt hat, so werden Sie, mit Meyern, einen merkwürdigen Beleg zu den unglücklichen Wirkungen eines verfehlten Gegenstandes erleben. Es ist mir absolut unbegreiflich, wie ein Schauspieler, auch bloß von einer ganz gemeinen Praxis, den Begriff seiner Kunst so sehr aus den Augen setzen kann, um in einer so frostigen, handlungsleeren und unnatürlichen Fratze sich vor dem Publicum abzuquälen. Dazu kommt noch, daß Iffland in seinem Leben nie eine Schwärmerei oder irgend eine exaltirte Stimmung weder zu fühlen noch darzustellen vermocht hat, und als Liebhaber immer abscheulich war.
Doch Sie werden ja sehen, und vielleicht ist auch an den Pygmalion nicht gedacht worden.
Zu den Fortschritten im Faust wünsche ich Glück. Diese theatralische Zerstreuungen sollen Sie, denk’ ich, eher darin fördern als stören. Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt schönstens.
Sch.
450. An Schiller.
Ich kann Ihnen nur so viel sagen daß ich mich freue wieder einen Brief von Ihrer Hand zu sehen. Möchte sich Ihre Gesundheit doch immer zunehmend bessern.
Iffland hat seinen Eisigmann fürtrefflich gespielt. Naturell, Studium, Ueberlegung, alte und gewohnte Uebung dieser Rolle, Mäßigkeit, Mannigfaltigkeit, Lieblichkeit und Kraft war an ihm zu bewundern. Das Stück ging im ganzen nicht fließend genug weil unsere Schauspieler es erst vor kurzem gelernt hatten und nicht einmal so gut spielten als sie fähig gewesen wären; daher ihm selbst manches verloren ging und er statt eines freien Spiels hie und da Contenance brauchte wobei er sich aber selbst meisterlich zeigte.
Heute ist der Hausvater, was den Freitag gespielt wird wissen wir noch nicht.
Es ist wirklich der Pygmalion von Benda der noch gegeben wird; ich bin äußerst neugierig darauf. Das Stück kenn’ ich und habe es mehrmals gesehen; es ist ein sehr sonderbares Unternehmen, indessen ist doch Iffland viel zu klug als daß er etwas wählen sollte wo er nicht eines gewissen Effectes sicher wäre. Sie haben nächstens wieder Nachricht von mir.
Weimar am 25. April 1798.
451. An Goethe.
Jena den 27. April 1798.
Ich sende Ihnen hier Cottas Antwort auf meine Anfrage wegen der zu verlegenden kleinen Abhandlungen. Es ist ihm, wie Sie sehen, zu viel daran gelegen etwas von Ihnen zum Verlag zu bekommen, als daß er seine Desideria und Wünsche bei diesem Werke ganz offen hätte heraussagen sollen. So viel aber zeigt sich, daß er bei dem überwiegenden kunstwissenschaftlichen Inhalt ein zu eingeschränktes Publikum fürchtet, und deßwegen einen mehr allgemeinen Inhalt wünscht. Ich kann ihm darin als Buchhändler gar nicht Unrecht geben: da aber auf der andern Seite von dem Plane des Werks nichts erlassen werden kann, so wäre mein Vorschlag, ihm die Exspectanz auf Ihr nächstes poetisches Werk, etwa den Faust zu geben, oder es ihm lieber gleich zu veraccordiren. Wenn ich bei dieser Gelegenheit einen Vorschlag zu thun hätte, so würde ich für den Bogen der theoretischen Abhandlungen, ohngefähr gedruckt wie Meisters Lehrjahre, vier Louisdors und für den Bogen vom Faust acht Louisdors zu fordern rathen. Wenn Sie aber denken daß Unger oder Vieweg besser bezahlen, so kann Cotta es auch, und ich erwarte nur, daß Sie ein Gebot thun, so will ich es Cotta, der jetzt in Leipzig ist sogleich melden.
Wie ich höre so spielt Iffland heute Pygmalion. Daß er seinen Calcul auf das Publicum wohl zu machen verstehe , habe ich nie gezweifelt. Er wird auch in dieser Rolle bedeutend und verständig sein, aber ich kann darum meine Meinung nicht ändern und der Erfolg wird mich nicht widerlegen.
Mit meiner Gesundheit geht es jetzt von Tag zu Tag besser, doch habe ich noch keine Stimmung zu meiner Arbeit finden können. Dafür lese ich in diesen Tagen den Homer mit einem ganz neuen Vergnügen, wozu die Winke, die Sie mir darüber gegeben, nicht wenig beitragen. Man schwimmt ordentlich in einem poetischen Meere: aus dieser Stimmung fällt man auch in keinem einzigen Punkte und alles ist ideal bei der sinnlichsten Wahrheit. Uebrigens muß einem, wenn man sich in einige Gesänge hineingelesen hat, der Gedanke an eine rhapsodische Aneinanderreihung und an einen verschiedenen Ursprung nothwendig barbarisch vorkommen: denn die herrliche Continuität und Reciprocität des Ganzen und seiner Theile ist eine seiner wirksamsten Schönheiten.
Die unterstrichene Stelle in Humboldts Briefe den ich Ihnen zurücksende, ist ihm vermuthlich selbst noch nicht so recht klar gewesen, und dann scheint das Ganze mehr eine Anschauung als einen deutlichen Begriff auszusprechen. Er will, däucht mir, überhaupt nur sagen, daß das Gemeinsame, folglich Nationelle, in den Franzosen sowohl in ihren gewöhnlichen Erscheinungen als in ihren Vorzügen und Verirrungen eine Wirksamkeit des Verstandes und seiner Adhärenzien, nämlich des Witzes, der Beobachtung etc. sei, ohne verhältnißmäßige Mitwirkung des Ideenvermögens, und daß sie mehr physisch als moralisch rührbar seien. Das ist keine Frage daß sie bessere Realisten als Idealisten sind, und ich nehme daraus ein siegendes Argument, daß der Realism keinen Poeten machen kann.
Leben Sie recht wohl für heute, und möchten Sie in dem Gewühl von Menschen, das Sie jetzt öfters umgiebt, sich recht angenehm unterhalten.
Sch.
452. An Schiller.
Ich bin, um mit Lieutenant Wallen zu reden, so zu sagen in Verzweiflung daß Sie diesmal an unsern Theatralischen Abenteuern keinen Antheil nehmen können, sowohl weil Sie eines hohen Genusses entbehren, als auch weil alles zur Sprache kommt was uns im dramatischen Fache interessiren kann, und worüber man doch nur eigentlich mit dem sich zu unterhalten im Stande ist der das unmittelbare Anschauen davon gehabt hat.
So war gestern eine äußerst interessante Repräsentation. Pygmalion machte Anspruch an die höchste theatralische Würde und Fülle, und so wie Iffland den Wallen nimmt ist es die personificirte Welt-Leerheit, durch einen pudelnärrischen Humor ausgestopft und ausgestattet. Was er in beiden Rollen geleistet hat wird durch keine Worte auszudrücken sein; doch müssen wir abwarten was Freund Böttiger leisten wird. Mündlich geht es eher an daß man darüber sich einigermaßen erkläre.
Montag wird Benjowsky sein, Mittwoch der taube Apotheker; was er Donnerstags zum Schlusse giebt, weiß ich noch nicht. Sobald er fort ist eile ich mein Haus zu bestellen um wieder bald bei Ihnen zu sein.
Für Cottas Erklärung danke ich, doch halte ich es für besser, ehe man sich näher bestimmt, ein paar Bände Manuscript völlig rein fertig zu haben. Was einen etwas mannigfaltigern Inhalt betrifft, darüber habe ich schon selbst gedacht, es wäre eine Gelegenheit manches, wo man sonst nicht mit hin weiß, anzubringen und was dem Buchhändler nutzt, nutzt auch in jedem Sinne dem Autor: wer gut bezahlt wird, wird viel gelesen und das sind zwei löbliche Aussichten.
Ebenso will ich meinen Faust auch fertig machen, der seiner nordischen Natur nach ein ungeheures nordisches Publikum finden muß. Freund Meyer wird es auch für keinen Raub achten zu dieser barbarischen Production Zeichnungen zu verfertigen. Wir haben den Gedanken die Umrisse auf graubraun Papier drucken zu lassen und sie alsdann auszutuschen und mit dem Pinsel aufzuhöhen , eine Operation die vielleicht nirgends so gut und wohlfeil als hier gemacht werden könnte. Es sollen bald einige Versuche der Art zum Vorschein kommen.
Ich will nun auch Freund Humboldt antworten und ihn besonders ersuchen mit Brinkmann einen prosodischen Congreß über Hermann und Dorothea zu halten, so wie ich ihnen noch mehr dergleichen Fragen im allgemeinen vorzulegen gedenke.
Indem Sie nur der Ilias erwähnen fühle ich schon wieder ein unendliches Verlangen mich an jene Arbeit zu machen, von der wir schon so viel gesprochen haben. Hoffentlich gelingen mir dieses Jahr noch ein paar Gesänge, indessen muß man alle Chorizonten mit dem Fluche des Bischofs Ernulphus verfluchen, und wie die Franzosen, auf Leben und Tod, die Einheit und Unteilbarkeit des poetischen Werthes in einem feinen Herzen festhalten und vertheidigen. Leben Sie recht wohl. Ich muß mich schon wieder anziehen, weil die Zeit eines musikalischen Frühstücks herannahet. Die schönen Morgen sind diesen Festen günstig, da auch der Garten von der Gesellschaft mit genossen werden kann, denn fast ist mein Haus für den Zufluß zu klein.
Grüßen Sie Ihre liebe Frau und schicken Sie uns dieselbe wenigstens Montags. Uebrigens darf ich wohl mit einigem Triumph bemerken daß ich, als Impresar, richtig gerechnet habe. Denn ohnerachtet der erhöhten Preise ist das Haus noch immer voller als das vorigemal gewesen, so daß wir, wenn es so fortgeht, diesmal auf die sieben Vorstellungen fast so viel als auf die vorigen vierzehen einnehmen. Sollte Schröder kommen, so kann man aufs doppelte gehen und selbst wenn Iffland künftig wieder kommen sollte, steigre ich wieder, denn das Geld wird immer noch wohlfeiler werden. Leben Sie nochmals recht wohl, genießen Sie der schönen Tage in der Stille, indeß ich noch acht recht unruhige auszudauern habe. Indessen wird’s auch im Saalthale recht schön grün und wir beginnen unser altes Leben.
Weimar am 28. April 1798.
G.
453. An Goethe.
Jena den 1. Mai 1798.
Da wir jetzt in den Wonnemond getreten sind, so hoffe ich auch wieder auf die Gunst der Musen und hoffe daß ich in meinem Garten finden werde, was ich schon lang entbehre. Mit Ende dieser Woche denke ich hinauszuziehen, wenn das Wetter gut bleibt.
Allerdings beklage ich sehr, daß ich dießmal von Ifflands Vorstellungen gar nichts habe profitiren können; aber da ich diesen Winter und Frühling so viele Zeit verlor und auf einen bestimmten Termin fertig werden will, so muß ich mich in mich selbst zurückziehen und alles was mich sehr nach außen beschäftigt als eine gefährliche Zerstreuung fliehen. Damit tröst’ ich mich über diesen verlorenen Genuß, dem ich nicht würde haben widerstehen können, wenn ich gesund gewesen wäre.
Daß Iffland in seinem Pygmalion einen so großen Triumph über meine Erwartung und Vorhersagung davon getragen, ist mir noch nicht begreiflich, und es wird mir schwer selbst Ihnen etwas aufs Wort zu glauben, was mir den Glauben an meine bestimmtesten Begriffe und Ueberzeugungen rauben würde. Indessen ist hier nichts mehr zu sagen, da Sie meinen Beweisen a priori ein Factum entgegensetzen können, wogegen ich, da ich selbst es nicht mit bezeugen kann, auch nichts einwenden darf. Uebrigens habe ich es lediglich mit Ihrem Urtheil zu thun, denn die übrige öffentliche Meinung kann hier nichts beweisen, da hier nur von objectiven Forderungen die Rede ist und die übrige Welt schon zufrieden ist, wenn sie nur interessirt wird.
Ich wünschte zu erfahren, ob es noch wahrscheinlich ist, daß Schröder diesen Herbst kommt, damit ich mit mir zu Rathe gehen kann, ob der Wallenstein noch bis dahin für das Theater fertig zu machen ist. Daher bitte ich Sie, mich wissen zu lassen, ob Sie unterdessen einen Schritt gethan haben. Denn wenn das nicht geschehen ist, so zweifle ich auch ob er diesen Herbst kommt.
Cotta wird vermuthlich in zehn Tagen hieher kommen. Vielleicht schickt es sich, daß Sie dann schon hier sind; es wäre doch gut, wenn Sie ihn wenigstens hörten und sich Vorschläge machen ließen. Er hat den besten Willen und an Kräften fehlt es ihm keineswegs, etwas bedeutendes zu unternehmen.
Es ist mir dieser Tage in der Odyssee eine Stelle aufgefallen, welche auf ein Gedicht das verloren gegangen schließen läßt, und dessen Thema der Ilias vorhergeht. Sie steht im achten Buch der Odyssee vom 72sten Vers an. Vielleicht wissen Sie mehreres davon.
Möchten Sie nur erst wieder in Ihrer homerischen Welt leben. Ich zweifle nicht im geringsten, daß Ihnen diesen Sommer und Herbst noch einige Gesänge gelingen werden.
Leben Sie recht wohl. Meine Frau wird auf den Donnerstag nach Weimar kommen, um noch zum Schluß etwas von den Iffländischen Gaben zu genießen. Sie grüßt Sie aufs beste.
Sch.
454. An Schiller
Iffland fährt fort seine Sache trefflich zu machen und zeichnet sich als ein wahrhafter Künstler aus. An ihm zu rühmen ist die lebhafte Einbildungskraft, wodurch er alles was zu seiner Rolle gehört zu entdecken weiß, dann die Nachahmungsgabe wodurch er das gefundene und gleichsam erschaffne darzustellen weiß , und zuletzt der Humor, womit er das Ganze von Anfang bis zu Ende lebhaft durchführt. Die Absonderung der Rollen von einander, durch Kleidung, Gebärde, Sprache, die Absonderung der Situationen und die Distinction derselben wieder in sensible kleinere Theile, ist fürtrefflich. Von allem übrigen was wir schon im einzelnen kennen will ich jetzt schweigen.
Indem er als ein wirkliches Natur- und Kunstgebilde vor den Augen des Zuschauers lebt, so zeigen sich die übrigen, wenn sie auch ihre Sache nicht ungeschickt machen, doch nur gleichsam als Referenten, welche eine fremde Sache aus den Acten vortragen: man erfährt zwar was sich begiebt und begeben hat, man kann aber weiter keinen Theil daran nehmen.
Sehr wichtig war mir die Bemerkung daß er die reinste und gehörigste Stimmung beinah durchaus vollkommen zu Befehl hat, welches denn freilich nur durch das Zusammentreffen von Genie, Kunst und Handwerk möglich ist.
Das Publikum ist sich in seiner Assiduität ziemlich gleich. Die Anzahl schwankte bisher zwischen 380 und 430 und es läßt sich voraussehen daß wir keine so starke und keine so geringe Vorstellung haben werden als das vorige mal. Der erhöhte Preis hat nur einen gewissen Cirkel von Zuschauern eingeschlossen. Wir können mit der Einnahme zufrieden sein und ich freue mich über den ungläubigen Hofkammerrath gesiegt zu haben.
Uebrigens habe ich, außer einer ziemlich allgemeinen, reinen Zufriedenheit, nichts tröstliches von einem besondern Urtheil gehört. Wie wenige verhalten sich gegen den Künstler auch wieder productiv! Dagegen habe ich mitunter einige sehr alberne Negationen vernommen. Morgen erleben wir noch den Tauben Apotheker und dann will ich mich der eintretenden Ruhe wieder freuen, ob ich gleich nicht leugnen will daß mir sein Spiel diesmal, mehr als das vorige mal, Bedürfniß geworden ist. Er hat in jedem Sinne gut auf mich gewirkt und ich hoffe, wenn ich zu Ihnen hinüber komme, sollen der Mai und Juni gute Früchte bringen.
Ich habe heute keinen Brief von Ihnen erhalten und wünsche nur daß kein Uebel Ursache an Ihrem Stillschweigen sein möge.
Freund Böttiger brütet, wie ich merke, an einer Didaskalie über Pygmalion. Es wird wahrscheinlich wieder ein sauber Stückchen Arbeit werden.
Eine der lustigsten Begebenheiten unseres Zeitalters kann ich vorläufig nicht verschweigen. Wielanden ist durch ein heimlich demokratisches Gericht verboten worden die Fortsetzung seiner Gespräche im Merkur drucken zu lassen; das nächste Stück wird zeigen ob der gute Alte gehorcht.
Der arme Verfasser des goldnen Spiegels und des Agathons, der zu seiner Zeit Königen und Herren die wundersamsten Wahrheiten sagte, der sich auf die Verfassungen so trefflich verstand, als es noch keine gab, der edle Vorläufer des neuen Reiches muß nun, in den Zeiten der Freiheit, da Herr Posselt täglich den bloßen Hintern zum Fenster hinaus reckt, da Herr Gentz mit der liberalsten Zudringlichkeit einem neuen Könige eine unbedingte Preßfreiheit abtrutzt, die Schooßkinder seines Alters, die Producte einer Silberhochzeit, gleich namenlosen Liebeskindern, verheimlichen. Vor vierzehn Tagen ohngefähr kam er nach Weimar, um für diese Productionen, mit denen er sich im stillen beschäftigt hatte, einiges Lob einzuernten: er las sie in allen Etagen unsers Geschmacks- und Gesellschaftshauses vor und ward mit mäßiger Gleichgültigkeit aufgenommen, so daß er für Ungeduld bald wieder aufs Land flüchtete; indessen hielt man Rath und jetzt, hör’ ich, ist ihm angekündigt diese Mestizen eines Aristo-demokratischen Ehebandes, in der Stille, zu erdrosseln und im Keller zu begraben, denn ausgesetzt dürfen sie nicht einmal werden.
Weimar am 2. Mai 1798.
G.
455. An Schiller.
Vorstehendes war geschrieben als ich Ihren lieben Brief erhielt. Möge das gute Wetter Sie bald in den Garten locken und Sie draußen aufs beste begünstigen.
Ueber Pygmalion wollen wir methodisch zu Werke gehen, denn wenn man, bei der großen Einigkeit in Grundsätzen, einmal über Veurtheilung einer Erscheinung in Opposition ist, so kommt man gewiß auf schöne Resultate, wenn man sich verständigt.
Ich glaube wir werden bald einig sein, denn man kann von diesem Monodram nur in so fern sprechen als man die Manier des französischen tragischen Theaters und die rhetorische Behandlung eines tragischen, oder hier eines sentimentalen Stoffs, als zulässig voraussetzt: verwirft man diese völlig, so ist Pygmalion mit verworfen: läßt man sie aber, mit ihrem Werthe oder Unwerthe, gelten, so kann auch hier Lob und Tadel eintreten. Man kann jeden Manieristen loben und das Verdienst das er hat auseinandersetzen, nur muß ich ihn nicht mit Natur und Styl vergleichen. Das wäre ohngefähr, wovon ich ausgehen würde. Ich werde Ihnen erzählen was ich auf die Zweimal gesehen habe: am liebsten aber wünsche ich daß Sie Meyern drüber hören, doch wird die ganze Untersuchung vor der Erscheinung der Didaskalie nicht geschlossen werden können.
Wegen Schröders kann ich Ihnen weiter nichts sagen. Er hat sich in dieser Sache koket betragen, ohnaufgefordert einen Antrag gethan und wie man zugreifen wollte zurückgezogen. Ich nehm’ es ihm nicht übel, denn jedes Handwerk hat eigne Methoden: ich kann nun aber keinen Schritt weiter thun.
Wahrscheinlich bin ich in zehn Tagen bei Ihnen; es sollte mir lieb sein Cotta wieder zu sehen.
Die Stelle in der Odyssee scheint sich freilich auf eine der unzähligen Rhapsodien zu beziehen, aus denen nachher die beiden überbliebenen Gedichte so glücklich zusammengestellt wurden. Wahrscheinlich sind jene eben deswegen verloren gegangen weil die Ilias und Odyssee in ein ganzes coalescirten. So haben wir unzählige Epigramme verloren, weil man eine Epigrammensammlung veranstaltete; so sind die Werke der alten Rechtslehrer zu Grunde gegangen, weil man sie in die Pandekten digerirte u. s. w. Verzeihen Sie mir diese etwas chorizontische Aeußerung, doch scheint mir täglich begreiflicher wie man aus dem ungeheuren Vorrathe der rhapsodischen Genieproducte, mit subordinirtem Talent, ja beinah blos mit Verstand, die beiden Kunstwerke die uns übrig sind zusammen stellen konnte; ja wer hindert uns anzunehmen daß diese Contiguität und Continuität schon durch die Forderung des Geists an den Rhapsoden im allerhöchsten Grade vorbereitet gewesen; sogar will ich einmal annehmen daß man nicht alles in die Ilias und Odyssee was wohl hineingepaßt hätte aufgenommen habe, daß man nicht dazu sondern davon gethan habe.
Doch das sind Meinungen über einen Gegenstand über den alle Gewißheit auf ewig verloren ist, und die Vorstellungsart die ich äußere ist mir bei meiner jetzigen Production günstig, ich muß die Ilias und Odyssee in das ungeheure Dichtungsmeer mit auflösen aus dem ich schöpfen will.
Noch ein Wort wegen Schröders: nach meiner Ueberzeugung steht Ihr Wallenstein und seine Hierherkunft in solcher Correlation, daß man eher sagen könnte: schreiben Sie ihn so wird er kommen, als: wenn er kommt, so machen Sie ihn fertig.
Und hiermit leben Sie wohl. Es geht wieder zu einem Frühstück, morgen ist das letzte bei mir, wozu Ihre liebe Frau eingeladen ist, wenn sie zeitig kommt.
Die englische Uebersetzung meiner Dorothea welche Herr Mellish unternommen hat ist, wie er mir gestern sagte, fertig; er will mir die vier ersten Gesänge zeigen die er mit hat. Ich selbst kann so was gar nicht beurtheilen, ich will veranlassen daß Schlegel sie zu sehen kriegt, der das Verhältniß beider Sprachen mehr studirt hat. Ich schließe, ob’s gleich noch viel zu sagen giebt.
Weimar am 2. Mai 1798.
G.
456. An Goethe.
Jena den 4. Mai 1798.
Meine Frau hat mir von Ihrer freundschaftlichen Aufnahme, von der bunten lebhaften Gesellschaft bei Ihnen und von Ifflands lustigem Apotheker sehr viel zu erzählen und zu rühmen gewußt. In solchen närrischen Originalen ist es eigentlich wo mich Iffland immer entzückt hat; denn das Naturell thut hier so viel, alles scheint augenblicklicher Einfall und Genialität; daher ist es unbegreiflich und man wird zugleich erfreut und außer sich gesetzt. Hingegen in edeln, ernsten und empfindungsvollen Rollen bewundre ich mehr seine Geschicklichkeit, seinen Verstand, seinen Calcul und Besonnenheit. Hier ist er mir immer bedeutend, planvoll, und beschäftigt und spannt die Aufmerksamkeit und das Nachdenken, aber ich kann nicht sagen, daß er mich in solchen Rollen eigentlich entzückt oder hingerissen hätte, wie von weit weniger vollkommenen Schauspielern geschehen ist. Daher würde er mir, für die Tragödie, kaum eine poetische Stimmung geben können.
Ich weiß kaum wie ich es mit Schrödern halten soll, und bin beinahe entschlossen, die ganze Idee von der Repräsentation des Wallensteins fallen zu lassen. So zeitig mit der ganzen völligen Ausführung fertig zu werden, daß er den Wallenstein im September oder Anfangs Oktober spielen kann, ist nicht möglich; denn Schröder muß nach seiner eignen Erklärung gegen Böttiger mehrere Monate zum Einlernen einer solchen Rolle haben, und würde also das Stück in der Mitte des Julius spätestens haben müssen. Bis dahin könnte ich zwar zur Noth eine Skizze des Ganzen, die für das Theater hinreichte fertig bringen, aber diese eilfertige und auf einen äußern Zweck gerichtete Art zu arbeiten würde mir die reine Stimmung für eine ruhige Ausführung verderben. Dazu kommt, daß selbst bei Schröders Anwesenheit einige Haupt-Rollen im Stück gar zu sehr verunglücken würden, dem ich mich lieber nicht aussetzen will. Wie Sie selbst schreiben, so sind die guten Schauspieler nur, und im glücklichsten Fall, passive Kanäle oder Referenten des Texts, und das wäre mir doch um meine zwei Piccolominis und meine Gräfin Terzky besonders leid. Ich denke daher, meinen Gang frei und ohne bestimmte Theaterrücksichten fortzusetzen und mir wo möglich die Stimmung zu bewahren. Ist der Wallenstein einmal fertig und gedruckt, so interessirt er mich nicht mehr, und alsdann kann ich auf so etwas noch eher denken.
Daß wir Sie nun bald wieder hier haben werden freut mich sehr. Es wäre wohl nicht übel, wenn wir bei Ihrem nächsten Hiersein den Homer zusammen läsen. Die schöne Stimmung nicht zu rechnen, die Ihnen das zu Ihrer Arbeit gäbe, würde es uns auch die schönste Gelegenheit zu einem Ideenwechsel, darbieten, wo das wichtigste in der Poesie nothwendig zur Sprache kommen müßte. So setzten wir’s alsdann künftig mit den Tragikern und andern fort.
Ich bin noch in der Stadt und werde bei dem gegenwärtigen zweifelhaften Wetter erst abwarten, eh ich ausziehe. Wenn Ihr Barometer mir etwas bestimmtes prognosticiren kann, so will ich mich darnach richten.
Meine Frau grüßt Sie aufs beste. Leben Sie recht wohl.
Sch.
457. An Schiller.
Iffland hat nun gestern mit dem Amtmann in der Aussteuer geschlossen, nachdem er mir in dem Laufe seiner Vorstellungen gar manches zu denken gegeben, das im ganzen mit dem was Sie äußern übereinstimmt. Wir werden darüber manches zu sprechen haben.
Wegen des Wallensteins weiß ich Ihnen nicht zu rathen, ob ich gleich selbst glaube daß, in Betracht Ihrer Art zu arbeiten, des Stücks so weit ich es kenne, und der äußern Umstände, Ihr Vorsatz den Sie mir äußern wohl der beste sein möchte. Niemand kann zwei Herren dienen, und unter allen Herren würde ich mir das Publikum, das im deutschen Theater sitzt, am wenigsten aussuchen. Ich habe es bei dieser Gelegenheit abermals näher kennen gelernt.
Ich habe fast keinen andern Gedanken als mich mit den Homerischen Gesängen, sobald ich zu Ihnen komme, näher zu befreunden; ein gemeinschaftliches Lesen wird die beste Einleitung sein.
Meinen Faust habe ich um ein gutes weiter gebracht. Das alte noch vorräthige höchst confuse Manuscript ist abgeschrieben und die Theile sind in abgesonderten Lagen, nach den Nummern eines ausführlichen Schemas hinter einander gelegt: nun kann ich jeden Augenblick der Stimmung nutzen, um einzelne Theile weiter auszuführen und das ganze früher oder später zusammenzustellen.
Ein sehr sonderbarer Fall erscheint dabei: Einige tragische Scenen waren in Prosa geschrieben, sie sind durch ihre Natürlichkeit und Stärke, in Verhältniß gegen das andere, ganz unerträglich. Ich suche sie deswegen gegenwärtig in Reime zu bringen, da denn die Idee, wie durch einen Flor durchscheint, die unmittelbare Wirkung des ungeheuern Stoffes aber gedämpft wird.
Leben Sie recht wohl. Von der Witterung sagen uns die guten Barometer nur immer das nächst bevorstehende; freilich sollte man glauben daß nun eine Regenzeit eintreten müsse, doch wer will das voraussagen.
Weimar am 5. Mai 1798 .
Fichte hat mir den zweiten Theil seines Naturrechts geschickt, ich habe aus der Mitte heraus einiges gelesen und finde vieles auf eine beifallswürdige Art deducirt, doch scheinen mir praktischem Skeptiker bei manchen Stellen die empirischen Einflüsse noch stark einzuwirken . Es geht mir hier wie ich neulich von den Beobachtungen sagte: nur sämmtliche Menschen erkennen die Natur, nur sämmtliche Menschen leben das Menschliche. Ich mag mich stellen wie ich will, so sehe ich in vielen berühmten Axiomen nur die Aussprüche einer Individualität, und grade das was am allgemeinsten als wahr anerkannt wird ist gewöhnlich nur ein Vorurtheil der Masse, die unter gewissen Zeitbedingungen steht, und die man daher eben so gut als ein Individuum ansehen kann. Leben Sie wohl und lieben mein liebendes Individuum trotz allen seinen Ketzereien.
G.
458. An Goethe.
Jena den 8. Mai 1798.
Ich hab’ es bei dem gestrigen unsichern Wetter gewagt, meinen Auszug in den Garten zu halten und es ist mir nach Wunsch gelungen. Nun sitze ich endlich wieder hier in meinem ländlichen Eigenthum, die Besuche haben sich aber zufällig so gehäuft, daß ich in diesen zwei Tagen mehr Geräusch erfahren habe als den ganzen Winter. Einen darunter, einen Joseph von Retzer aus Wien haben Sie vielleicht auch gesehen, denn er ist nach Weimar gereist. Ein klägliches Subject, das aber durch die Erinnerung an ein bereits vergessenes Zeitalter einigermaßen merkwürdig wird. Einen Herrn Professor Morgenstern aus Halle, der neulich hier war, haben Sie bei sich gehabt, wie mir meine Frau sagt. Dieß ist eine Woltmann ähnliche Natur, auch so kokett und elegant in seinen Begriffen, und der die philosophisch kritische Kurrentmünze ganz gut inne hat. Ein gewisser Eschen, ein Schüler von Voß, den dieser voriges Jahr an mich empfohlen, ist seinem alten Abgott und Lehrer ganz untreu geworden, und findet jetzt sehr viel an ihm zu tadeln. Das Schlegelische Haus hat diesen jungen Herrn in die Mache genommen, und ihn Voßen entführt. Ich fürchte, daß er sich bei seiner Glaubensveränderung schlecht verbessert hat. Voß hat im Sinn, seiner Luise neue Idyllen anzureihen, er scheint diesen Stoff auch für einen Faden ohne Ende zu halten, dazu möchte aber auch eine Imagination gehören die kein Ende nimmt .
Ich gratulire Ihnen zu dem fortgerückten Faust. Sobald Sie bei diesem Stoff nur erst bestimmt wissen, was noch daran zu thun ist, so ist er so gut als gemacht, denn mir schien immer das unbegrenzbare das schwierigste dabei zu sein. Ihre neuliche Bemerkung, daß die Ausführung einiger tragischen Scenen in Prosa so gewaltsam angreifend ausgefallen, bestätigt eine ältere Erfahrung die Sie bei der Mariane im Meister gemacht haben, wo gleichfalls der pure Realism in einer pathetischen Situation so heftig wirkt, und einen nicht poetischen Ernst hervorbringt; denn nach meinen Begriffen gehört es zum Wesen der Poesie, daß in ihr Ernst und Spiel immer verbunden seien.
Leben Sie recht wohl. Ich freue mich nicht wenig auf Ihr Hiersein, wo hoffe ich vieles zur Sprache kommen und sich weiter entwickeln soll.
Meine Frau grüßt Sie bestens. Sch.
459. An Schiller.
Zu Ihrer Gartenwohnung wünsche ich Ihnen Glück, die Jahrszeit wie die Witterung ist außerordentlich schön und ich hoffe Sie bald auf Ihrem Grund und Boden zu besuchen.
Den Verlust der vergangnen Tage konnten mir nur die Ifflandischen Abende ersetzen. Es ist übrigens für unser einen mit der Gesellschaft immer eine traurige Sache, man erfährt was, aber man lernt nichts, und was wir am meisten, ja einzig brauchen: Stimmung wird nicht gegeben, vielmehr zerstört.
Lust zu einer Arbeit hat mir Iffland zurückgelassen. Er erfuhr daß ich an einem zweiten Theil der Zauberflöte gearbeitet hatte und bezeigte den Wunsch das Stück für das Berliner Theater zu besitzen, mit einiger Lebhaftigkeit, sowohl gegen mich als andere. Darüber ist mir der Gedanke wieder lebhaft geworden, ich habe die Acten wieder vorgenommen und einiges dran gethan. Im Grunde ist schon so viel geschehen daß es thörig wäre die Arbeit liegen zu lassen, und wäre es auch nur um des leidigen Vortheils willen, so verdient doch auch der eine schuldige Beherzigung, um so mehr als eine so leichte Composition zu jeder Zeit und Stunde gearbeitet werden kann, und doch noch überdieß eine Stimmung zu was besserm vorbereitet.
Herr Thouret bleibt noch immer aus, da wir schon hofften daß er mit Cotta kommen würde, und ich wünsche mich sobald als möglich zu Ihnen hinüber zu begeben, denn die Tage fliehen ungenutzt hinweg und man weiß nicht wo sie hinkommen. Bei dem vielen Zeug das ich vorhabe würde ich verzweifeln, wenn nicht die große Ordnung, in der ich meine Papiere halte, mich in den Stand setzte zu jeder Stunde überall einzugreifen, jede Stunde in ihrer Art zu nutzen und eins nach dem andern vorwärts zu schieben.
Meyer hat seine Abhandlung über die Familie der Niobe vollendet, die sehr lobenswürdig ist; ich bringe sie mit. Er ist zufrieden daß wir seine Abhandlung über die Wahl der Gegenstände, nach unserer Ueberzeugung, modificiren, und auch vielleicht in Stellung der Argumente nach unserer Art zu Werke gehen. Wir lesen sie vielleicht nochmals zusammen durch, und dann wird ihr mit wenigem geholfen sein. Er ist gegenwärtig an den Rafaelischen Werken und wird immer so weiter gehen. Ich sehe schon ein paar Bändchen in kurzem vor mir. Womit wir zum Troste des Buchhändlers diese ernsten und, nach unserm Begriff, guten Aufsätze würzen wollen, damit sie, wo nicht belohnt, doch wenigstens vergeben werden, sollen Sie erfahren wenn ich komme. Für diesmal leben Sie wohl, ich erwarte Herrn von Retzer und bin neugierig wie sich die K. K. Büchercensur in Weimar ausnehmen wird.
Leben Sie recht wohl mit Ihrer lieben Frau und den Kindern und genießen der schönen Morgen und Abende.
Weimar am 9. Mai 1798.
G.
460. An Goethe.
Jena den 11. Mai 1798.
Das Wetter hält sich noch immer gut und so erwacht auch nach und nach wieder die Neigung und die Stimmung zur Arbeit bei mir. Uebrigens aber ist die Heiterkeit des Frühjahrs der düstern Schwere eines fünften Aktes an einem Trauerspiel nicht eben förderlich, ob sie gleich im ganzen den poetischen Geist weckt, der zu allem gut ist.
Daß Sie sich durch die Oper nur nicht hindern lassen, an die Hauptsache recht ernstlich zu denken. Die Hauptsache ist zwar freilich immer das Geld, aber nur für den Realisten von der strikten Observanz. Ihnen aber, muß ich den Spruch zu Herzen führen: Trachtet nach dem was droben ist, so wird euch das übrige alles zufallen.
Wenn Sie zu der Fortsetzung der Zauberflöte keinen recht geschickten und beliebten Componisten haben, so setzen Sie sich, fürcht’ ich, in Gefahr, ein undankbares Publikum zu finden; denn bei der Repräsentation selbst rettet kein Text die Oper, wenn die Musik nicht gelungen ist, vielmehr läßt man den Poeten die verfehlte Wirkung mit entgelten.
Ich bin neugierig, womit Sie die Abhandlungen für das Publicum zu würzen gedenken.
Ob es nicht anginge, daß Sie die kleinen Aufsätze über Kunst, die Sie vor acht Jahren in den Merkur eingerückt, dieser Sammlung einverleibten? Sie vermehren die Mannigfaltigkeit, machen die Masse etwas größer, und ich weiß daß sie schon damals als sie im M. erschienen, ein lebhaftes Interesse erregt haben.
Wir haben in dieser Woche auch verschiedene Divertissements, die ich zwar nur von Hörensagen kenne. Gestern gab ein junger Fränzl aus Mannheim ein Concert auf der Violine, und heut Abend wird Herr Bianchi, dessen Existenz Ihnen wohl bekannt ist, ein Intermezzo geben. Krüger, der ehemals in Weimar engagirt war, ist mit ihm associirt; sie machen erschrecklichen Wind, scheinen aber doch viel Geld einzunehmen. Wie ich höre, so hat der Herzog die Truppe, die jetzt in Eisenach ist, nach Weimar eingeladen, sobald die Theatergesellschaft von da weg sein wird. Ich wäre doch wirklich begierig auf die Ballette, die sehr gerühmt werden.
Wenn Sie auf den Sonntag oder Montag hier sein können, so denke ich sollen Sie Cotta noch treffen. Ich habe ihn zwar auf morgen erwartet, aber da er nicht geschrieben, so wird er wohl später hier sein.
Zur Geisterinsel wünsche ich viel Glück. Hier sagte mir Herr Bianchi, daß die Hauptstärke nicht im Gesang sondern im Accompagnement liege, welches freilich nicht zu loben wäre.
Leben Sie recht wohl. Meine Frau erwartet Sie, so wie ich, mit Verlangen.
Sch.
461. An Schiller.
Ihr Brief hat mich, wie Sie wünschen, bei der Ilias angetroffen, wohin ich immer lieber zurückkehre, denn man wird doch immer, gleich wie in einer Montgolfiere, über alles irdische hinausgehoben und befindet sich wahrhaft in dem Zwischenraume in welchem die Götter hin und her schwebten. Ich fahre im Schematisiren und Untersuchen fort, und glaube mich wieder einiger Hauptpässe zu meinem künftigen Unternehmen bemächtigt zu haben. Die Ausführung wäre ganz unmöglich, wenn sie sich nicht von selbst machte, so wie man keinen Acker Waizen pflanzen könnte, da man ihn doch wohl säen kann. Ich sehe mich jetzt nach dem besten Samen um und an Bereitung des Erdreichs soll es auch nicht fehlen; das übrige mag denn auf das Glück der Witterung ankommen.
Das wichtigste bei meinem gegenwärtigen Studium ist daß ich alles subjective und pathologische aus meiner Untersuchung entferne. Soll mir ein Gedicht gelingen, das sich an die Ilias einigermaßen anschließt, so muß ich den Alten auch darin folgen worin sie getadelt werden, ja ich muß mir zu eigen machen was mir selbst nicht behagt; dann nur werde ich einigermaßen sicher sein Sinn und Ton nicht ganz zu verfehlen. Mit den zwei wichtigen Punkten, dem Gebrauch des göttlichen Einflusses und der Gleichnisse, glaube ich im reinen zu sein, wegen des letzten habe ich wohl schon etwas gesagt. Mein Plan erweitert sich von innen aus und wird, wie die Kenntniß wächst, auch antiker. Ich muß nur alles aufschreiben damit mir bei der Zerstreuung nichts entfallen kann.
Die nächste Zeit die ich bei Ihnen zubringe soll alles schon weiter rücken und einige Stellen, von denen ich am meisten gewiß zu sein glaube, will ich ausführen.
Es war nicht uninteressant mich einige Tage mit der Zauberflöte abzugeben und die Arbeit, die ich vor drei Jahren angefangen hatte, wieder aufzunehmen und durchzukneten. Da ich nur handelnd denken kann, so habe ich dabei wieder recht artige Erfahrungen gemacht, die sich sowohl auf mein Subject als aufs Drama überhaupt, auf die Oper besonders und am besondersten auf das Stück beziehen. Es kann nicht schaden es endlich auch in Zeiten mittlerer Stimmung durchzuführen.
Der Herzog ist noch nicht wieder von Leipzig zurück.
Thouret ist noch nicht hier, meine Abreise bleibt also noch einige Tage ausgesetzt, lange aber werde ich nicht verweilen: denn da ich um Johanni wieder hier sein muß und diesmal wenigstens vier Wochen bei Ihnen zuzubringen wünsche, so darf ich nicht zaudern.
Krüger ist ein entsetzlicher Windbeutel. Sein Ballet soll nicht übel sein; hier zu spielen wird er schwerlich die Erlaubniß erhalten, es sei denn nur auf einige mal.
Der Edle von Netzer war eine Erscheinung die man mit Augen gesehen haben muß wenn man sie glauben soll. Hat er Ihnen denn auch sein Gedicht an Gleimen vorgelegt?
Unger hat mir beiliegende neue Schriftprobe geschickt und verlangt daß ich ihm etwas in diesem kleinen Format zu drucken geben soll. Ich weiß jetzt gar nichts und das dringendste Bedürfniß wird immer der Almanach bleiben.
Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.
Möchten Sie doch auch Stimmung finden in Ihren Arbeiten weiter zu rücken! Ich will indeß suchen die reisefertigen Tage so gut als möglich zu benutzen.
Weimar den 12. Mai 1798.
G.
462. An Goethe.
Jena den 15. Mai 1798.
Am Himmelfahrtstag ist Cotta hier; wenn Sie bis dahin auch hier sein könnten, wär’ es recht hübsch. Schreiben Sie mir, wenn Sie nicht selbst kommen, was Sie ihm in Rücksicht auf Ihre Schrift gesagt wünschen. Am besten wär’ es, Sie setzten einen Preis, und er sähe dann, ob er der Mann wäre, ihn zu geben .
Die Ungerische Schriftprobe däucht mir viel zu scharf. Auf diesem Wege könnte man das Publikum bald blind machen.
In den letztern Stücken des Niethammerschen Journals werden Sie einen Aufsatz von Forberg über die Deduction der Kategorien gefunden haben, den ich Ihnen doch zu lesen empfehle. Er ist sehr gut gedacht und geschrieben.
Da Sie hoffentlich nächstens hier sind so behalte ich bis dahin eine ganz neue und unerwartete Novität zurück, die Sie sehr nahe angeht und die Ihnen viel Freude machen wird, wie ich hoffe . Vielleicht errathen Sie sie aber.
Das was Ihnen im Homer mißfällt werden Sie wohl nicht absichtlich nachahmen, aber es wird, wenn es sich in Ihre Arbeit einmischt für die Vollständigkeit der Versetzung in das Homerische Wesen und für die Aechtheit Ihrer Stimmung beweisend sein. Es ist mir beim Lesen des Sophokles mehrmals eine Art der Spielerei bei den ernsthaftesten Dialogen aufgefallen, die man einem Neueren nicht hingehen ließe. Aber den Alten kleidet sie doch, wenigstens verderbt sie die Stimmung keineswegs und hilft noch einigermaßen, dem Gemüth bei pathetischen Scenen eine gewisse Aisance und Freiheit mitzutheilen. Eine Unart scheint sie mir aber doch zu sein und also nichts weniger als Nachahmung zu verdienen.
Ich freue mich auf Meyers Niobe und bin begierig sie mit Ihrer Abhandlung über Laokoon zu vergleichen. Diesen sende ich Ihnen, da Sie ihn neulich verlangten, hier zurück.
Schlegel hör’ ich hat Hoffnung hier eine Professur zu erhalten? Sein Athenäum erhielt ich eben, hab’s aber noch nicht ansehen können.
Freilich hat mir der Edle von Retzer seine Verse auch zurückgelassen, die den ganzen Mann vollends fertig machen.
Paulus unterbricht mich eben. Leben Sie recht wohl.
Sch.
463. An Schiller.
Ihr Brief trifft mich wieder bei der Ilias! Das Studium derselben hat mich immer in dem Kreise von Entzückung, Hoffnung, Einsicht und Verzweiflung durchgejagt. Ich bin mehr als jemals von der Einheit und Untheilbarkeit des Gedichts überzeugt, und es lebt überhaupt kein Mensch mehr, und wird nicht wieder geboren werden, der es zu beurtheilen im Stande wäre. Ich wenigstens finde mich allen Augenblick einmal wieder auf einem subjectiven Urtheil. So ist’s andern vor uns gegangen und wird andern nach uns gehen. Indeß war mein erstes Apperçu einer Achilleis richtig und wenn ich etwas von der Art machen will und soll so muß ich dabei bleiben.
Die Ilias erscheint mir so rund und fertig, man mag sagen was man will, daß nichts dazu noch davon gethan werden kann. Das neue Gedicht das man unternähme müßte man gleichfalls zu isoliren suchen und wenn es auch, der Zeit nach, sich unmittelbar an die Ilias anschlösse.
Die Achilleis ist ein tragischer Stoff, der aber wegen einer gewissen Breite eine epische Behandlung nicht verschmäht.
Er ist durchaus sentimental und würde sich in dieser doppelten Eigenschaft zu einer modernen Arbeit qualificiren, und eine ganz realistische Behandlung würde jene beide innern Eigenschaften ins Gleichgewicht setzen. Ferner enthält der Gegenstand ein bloßes persönliches und Privatinteresse, dahingegen die Ilias das Interesse der Völker, der Welttheile, der Erde und des Himmels umschließt.
Dieses alles sei Ihnen ans Herz gelegt! Glauben Sie daß, nach diesen Eigenschaften, ein Gedicht von großem Umfang und mancher Arbeit zu unternehmen sei, so kann ich jede Stunde anfangen, denn über das Wie der Ausführung bin ich meist mit mir einig, werde aber, nach meiner alten Weise, daraus ein Geheimniß machen, bis ich die ausgeführten Stellen selbst lesen kann.
Von einer unerwartet erfreulichen Novität habe ich keine Ahnung noch Muthmaßung, doch soll sie mir ganz willkommen sein. Es ist nicht in meinem Lebensgange daß mir ein unvorbereitetes, unerharrtes und unerrungnes Gute begegne. Vor Sonntag kann ich leider nicht kommen.
Grüßen Sie Cotta schönstens und danken ihm noch für alle mir so liberal erwiesene Gefälligkeiten. Ich bin noch wegen einigem in seiner Schuld, welches abzurechnen ja wohl bald Gelegenheit sein wird.
Uebrigens gedenke ich, wegen unserer theoretisch empirischen Aufsätze, den Gang den ich neulich anzeigte zu befolgen; sobald etwa ein Alphabet, rein abgeschrieben, parat liegt wird man leicht überein kommen.
Ich will künftig so viel als möglich kein Manuscript versagen, bis es zum Abdruck fertig ist und besonders bei diesem kommt so mancherlei zusammen.
Schlegeln kann die Professur wohl nicht fehlen; der Herzog ist ihm wegen der Shakespearischen Ãœbersetzung günstig, es ist auch schon beifällig deshalb nach Gotha communicirt.
Leben Sie recht wohl. Ich verlange herzlich Sie zu sehen und etwas bedeutendes zu arbeiten. Es wird nun bald ein Jahr daß ich nichts gethan habe und das kommt mir gar wunderlich vor. Grüßen Sie Ihre liebe Frau und erfreuen sich des schönen Wetters unter freiem Himmel.
Weimar am 16. Mai 1798.
G.
464. An Goethe.
Jena den 18. Mai 1798.
Da es wohl seine Richtigkeit hat, daß keine Ilias nach der Ilias mehr möglich ist, auch wenn es wieder einen Homer und wieder ein Griechenland gäbe, so glaube ich Ihnen nichts Besseres wünschen zu können, als daß Sie Ihre Achilleis, so wie sie jetzt in Ihrer Imagination existirt, bloß mit sich selbst vergleichen, und beim Homer bloß Stimmung suchen, ohne Ihr Geschäft mit seinem eigentlich zu vergleichen. Sie werden sich ganz gewiß Ihren Stoff so bilden, wie er sich zu Ihrer Form qualificirt und umgekehrt werden Sie die Form zu dem Stoffe nicht verfehlen. Für beides bürgt Ihnen Ihre Natur und Ihre Einsicht und Erfahrung. Die tragische und sentimentale Beschaffenheit des Stoffs werden Sie unfehlbar durch Ihren subjectiven Dichtercharacter balanciren, und sicher ist es mehr eine Tugend als ein Fehler des Stoffs, daß er den Forderungen unseres Zeitalters entgegen kommt: denn es ist eben so unmöglich als undankbar für den Dichter, wenn er seinen vaterländischen Boden ganz verlassen und sich seiner Zeit wirklich entgegensetzen soll. Ihr schöner Beruf ist, ein Zeitgenosse und Bürger beider Dichterwelten zu sein, und gerade um dieses höhern Vorzugs willen werden Sie keiner ausschließend angehören.
Uebrigens werden wir bald Gelegenheit haben, noch recht viel über diese Materie miteinander zu sprechen, denn die Novität von der ich Ihnen schrieb und worüber ich Sie nicht in eine zu große Erwartung setzen will ist ein Werk über Ihren Hermann, von Humboldt mir in Manuskript zugeschickt. Ich nenne es ein Werk, da es ein dickes Buch geben wird, und in die Materie mit größter Ausführlichkeit und Gründlichkeit eingeht. Wir wollen es, wenn es Ihnen recht ist, mit einander lesen; es wird alles zur Sprache bringen, was sich durch Raisonnement über die Gattung und die Arten der Poesie ausmachen oder ahnen läßt. Die schöne Gerechtigkeit die Ihnen darin durch einen denkenden Geist und durch ein gefühlvolles Herz erzeigt wird muß Sie freuen, so wie dieses laute und gründliche Zeugniß auch das unbestimmte Urtheil unsrer deutschen Welt leiten helfen, und den Sieg Ihrer Muse über jeden Widerstand, auch auf dem Wege des Raisonnement entscheiden und beschleunigen wird.
Ueber das was ich mit Cotta gesprochen mündlich. Was mich aber besonders von ihm zu hören freute, ist die Nachricht die er mir von der ungeheuren Ausbreitung Hermanns und Dorotheas gab. Sie haben sehr recht gehabt, zu erwarten, daß dieser Stoff für das deutsche Publicum besonders glücklich war, denn er entzückte den deutschen Leser auf seinem eigenen Grund und Boden, in dem Kreise seiner Fähigkeit und seines Interesse, und er entzückte ihn doch wirklich, welches zeigt, daß nicht der Stoff sondern die dichterische Belebung gewirkt hat. Cotta meint, Vieweg hätte eine wohlfeile schlechte Ausgabe gleich veranstalten sollen, denn er sei sicher, daß bloß in Schwaben einige tausende würden abgegangen sein.
Doch über alles ausführlicher wenn Sie kommen. Ich hoffe, dieß wird übermorgen geschehen. Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt aufs beste.
Sch.
465. An Schiller.
Zu dem ersten Blatt Ihres lieben Briefes kann ich nur Amen sagen, denn es enthält die Quintessenz dessen was ich mir wohl auch zu Trost und Ermunterung zurief. Hauptsächlich entstehen diese Bedenklichkeiten aus der Furcht mich im Stoffe zu vergreifen, der entweder gar nicht, oder nicht von mir, oder nicht auf diese Weise behandelt werden sollte. Diesmal wollen wir nun alle diese Sorgen bei Seite setzen und nächstens muthiglich beginnen.
Humboldts Arbeit erwartete ich wirklich nicht und freue mich sehr darauf. Um so mehr als ich fürchtete daß uns seine Reise seinen theoretischen Beistand, wenigstens auf eine Weile, entziehen würde. Es ist kein geringer Vortheil für mich daß ich wenigstens auf der letzten Strecke meiner poetischen Laufbahn mit der Kritik in Einstimmung gerathe.
Ich sage heute früh nichts weiter indem ich noch zu guter Letzt sehr zerstreut bin.
Morgen Abend bin ich bei Ihnen und hoffe schon im Voraus auf die Fruchtbarkeit der nächsten vier Wochen. Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.
Weimar am 19. Mai 1798. G.
466. An Schiller.
Ich überschicke einen kurzen Aufsatz, den wir besprechen und in Abschrift an Cotta schicken könnten, ich bereite mich indessen zu dem ersten Stücke vor. Diese Sache muß in ihren ordentlichen Geschäftsgang eingeleitet sein, ehe ich an was anderes denken kann.
Zugleich erhalten Sie das Gespräch von dem ich neulich sagte, ich bin neugierig ob es Ihren Beifall erhält und ob Sie die angekündigte Fortsetzung wünschen und fordern.
Heute Mittag bin ich in Ihrer Nachbarschaft zu Gaste, alsdann komm’ ich um die gestrige Lecture und Unterhaltung fortzusetzen. Leben Sie recht wohl.
Jena den 24. Mai 1798
G.
467. An Goethe.
(Jena, 31. Mai 1798.)
Es waltet dießmal ein recht böser Geist über unsern Communicationen und Ihrer poetischen Muse. Wie sehr wünsche ich, daß Sie bald frei und ruhig zurückkehren möchten. August soll uns als Pfand Ihres baldigen Wiederkommens recht werth sein.
Leben Sie wohl und reisen glücklich. Meine Frau empfiehlt sich aufs beste. Lassen Sie mir doch, wenn’s angeht, Humboldts Werk bei Trapizius zurück.
Sch.
468. An Schiller.
Ich bitte um das Humboldtische Werk und den eisernen Stab. Heute Abend werde ich bei Loders sein, komme wohl aber doch noch vorher auf einige Stunden.
Heute früh habe ich, beim Spaziergang, einen cursorischen Vortrag meiner Farbenlehre überdacht und habe sehr viel Lust und Muth zu dessen Ausführung. Das Schellingsche Werk wird mir den großen Dienst leisten mich recht genau innerhalb meiner Sphäre zu halten.
Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau wenn sie angekommen ist.
(Jena) Den 11. Juni 1798.
G.
469. An Schiller.
Da ich mich doch noch entschließen muß zu fahren, so will ich zeitiger weg und sehe Sie also heute nicht.
Hierbei schicke ich das Fischersche Wörterbuch das seinen Zweck recht gut zu erfüllen scheint.
Hofrath Loder schickt Montags ein Paket nach Paris und ich will ihm meinen Brief, so wie etwa eine Abschrift der Euphrosyne mit beilegen. Es wäre recht schön, wenn Sie bis dahin auch mit Ihrem Schreiben zu Stande kämen.
Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau; ich bin neugierig was mir diese paar Tage bringen werden.
Jena am 21. Juni 1798.
G.
470. An Schiller.
Sobald ich mich von Jena entferne, werde ich gleich von einer andern Polarität angezogen, die mich denn wieder eine Weile fest hält. Ich hatte mehr als Eine Veranlassung nach Weimar zurückzukehren und bin nun hier um des Herzogs Ankunft zu erwarten, und wieder auf eine Weile verschiednes zu ordnen und einzulenken; indessen denke ich, daß ich heute über acht Tage wieder bei Ihnen sein werde. Da ich gar nichts bei mir habe, sondern alles in Jena zurückgeblieben ist, so mußte ich mich in meine alten Papiere zurückziehen und habe allerlei gefunden, das wenigstens als Stoff uns zunächst noch dienen kann.
Ich schicke die französische Romanze. Es war recht gut, daß ich sie nicht in der Nähe hatte, denn gewisse sehr artige Tournüren hatten mich abgehalten meinen eignen Weg zu gehen. In das andere beiliegende Manuscript mochte ich gar nicht hineinsehen, es mag ein Beispiel eines unglaublichen Vergreifens im Stoffe, und weiß Gott für was noch anders ein warnendes Beispiel sein. Ich bin recht neugierig was Sie diesem unglücklichen Producte für eine Nativität stellen.
Meine Geschäfte sind in Roßla zu meiner Zufriedenheit abgelaufen, meine Assistenten haben mir Sorge und Nachdenken erspart und ich brauchte nur zuletzt über gewisse Dinge zu entscheiden die blos vom Willen des Eigenthümers abhangen.
Mittwoch oder Donnerstag wird unser Herzog wieder kommen, aber nicht lange verweilen.
Leben Sie recht wohl und empfangen mich wo möglich mit etwas lyrischem.
Das zwölfte Stück der Horen habe ich, wie es scheint, noch nicht erhalten, ich bitte darum mit den Botenfrauen. Ich habe von Anfang her noch verschiedne einzelne Stücke, vielleicht können wir uns wechselsweise dadurch einige Exemplare completiren, mit denen man, nach dem seligen Hintritt dieser Göttinnen, noch immer jemanden einen Gefallen thut.
Grüßen Sie mir bestens Ihre liebe Frau und befinden sich zum besten in diesen Tagen die, wenn sie gleich nicht die schönsten sind, doch die Vegetation trefflich begünstigen.
Wieland war in Oberroßla sehr munter. Das Landleben macht ihm noch immer viel Freude, doch hat er’s eigentlich noch nicht angetreten. Die Vorbereitungen dazu kommen mir vor wie das Collegium der Anthropologie, das manchen ehrlichen Kerl schon in die Mühseligkeiten der Medicin gelockt hat. Mich sollen will’s Gott die Wiesen, sie mögen noch so schön grün sein und die Felder, sie mögen zum besten stehen, nicht auf dieses Meer locken.
Nochmals ein Lebewohl. Mittwochs sage ich wieder einige Worte.
Weimar am 24. Juni 1798.
G.
471. An Goethe
Jena den 25. Juni 1798.
Ich kann mich noch nicht recht an Ihre längere Entfernung gewöhnen und wünsche nur, daß diese nicht länger dauren möchte, als Sie jetzt meinen.
Die Briefe an Humboldt werden nun wohl eine Verzögerung erleiden, wenigstens auf den Fall, daß wir sie zusammen absenden wollten. Ich will deßwegen mit der Mittwochspost schreiben, und ihm vorläufig ein Lebenszeichen und ein Trostwort senden. In ein Detail kann ich mich dießmal nicht einlassen, besonders da ich das Manuscript nicht habe, welches in Ihrer Verwahrung ist.
Die verlangten Gedichte folgen hier.
Auch das Drama folgt zurück; ich habe es gleich gelesen und bin in der That geneigt günstiger davon zu denken, als Sie zu denken scheinen. Es erinnert an eine gute Schule ob es gleich nur ein Dilettantisches Produkt ist, und kein Kunsturtheil zuläßt. Es zeugt von einer sittlich gebildeten Seele, einem schönen und gemäßigten Sinn und von einer Vertrautheit mit guten Mustern. Wenn es nicht von weiblicher Hand ist, so erinnert es doch an eine gewisse Weiblichkeit der Empfindung, auch insofern ein Mann diese haben kann. Wenn es von vielen Longueurs und Abschweifungen, auch von einigen, zum Theil schon angestrichenen, gesuchten Redensarten befreit sein wird und wenn besonders der letzte Monolog, der einen unnatürlichen Sprung enthält, verbessert sein wird, so läßt es sich gewiß mit Interesse lesen.
Wenn ich den Autor wissen darf, so wünsche ich, Sie nennten mir ihn.
Auch die Horen folgen hier. Sehen Sie doch die zwei Idyllen darin ein wenig an. Die erste haben Sie schon im Manuscript gelesen und einige Verbesserungen darin angegeben. Diese Verbesserungen hat man darin vorgenommen und Ihr Rath ist, so weit es sich thun ließ befolgt worden.
Leben Sie recht wohl. Ich habe heute den Wallenstein aus der Hand gelegt und werde nun sehen, ob der lyrische Geist mich anwandelt.
Meine Frau grüßt Sie aufs beste.
Sch.
472. An Schiller.
Zufälligerweise, oder vielmehr weil ich voraussetzte Sie wüßten daß Elpenor von mir sei, sagte ich es nicht ausdrücklich im Briefe, nun ist es mir um so viel lieber, da dieses Product ganz rein auf Sie gewirkt hat. Es können ohngefähr sechzehn Jahre sein daß ich diese beiden Acte schrieb, nahm sie aber bald in Aversion und habe sie seit zehn Jahren gewiß nicht wieder angesehen. Ich freue mich über Ihre Klarheit und Gerechtigkeit, wie so oft schon, also auch in diesem Falle. Sie beschreiben recht eigentlich den Zustand in dem ich mich befinden mochte und die Ursache, warum das Product mir zuwider war, läßt sich nun auch denken.
Hierbei zwei kleine Gedichte von Schlegel. Er giebt zu verstehen daß sie als Manuscript anzusehen seien und allenfalls einen Platz im Almanach verdienen dürften. Vielleicht schickt es sich sie aufzunehmen, da wir noch verschiedne Gedichte an bestimmte Personen einrücken wollen.
Ueber die andern Gedichte, welche gleichfalls beiliegen, suspendire ich mein Urtheil; sie scheinen mir dergestalt auf der Grenze zu stehen daß ich nicht weiß ob sie sich zur Realität oder Nullität hinüber neigen möchten.
Desto entschiedner ist der Brief den Sie zugleich erhalten, und ein herrliches Muster einer Tollheit außer dem Tollhause. Denn das Criterium warum man einen solchen Menschen nicht einsperrt, mochte schwer anzugeben sein. Das einzige was für ihn spricht möchte die Unschädlichkeit sein und das ist er nicht, sobald er uns näher kommt. Da ich ihn aber nicht einsperren kann, so soll er wenigstens ausgesperrt werden.
Heute kommt unser Herzog. Es wird sich zeigen wie lange er hier bleibt. Nach seiner Abreise bin ich gleich wieder bei Ihnen, wenn ich vorher noch einige Tage in Roßla zugebracht habe, wo ich einiges anordnen muß.
Eine Schrift die mir gestern mitgetheilt wurde kam mir recht gelegen, sie heißt: Versuch die Gesetze magnetischer Erscheinungen aus Sätzen der Naturmetaphysik mithin a priori zu entwickeln, von C. A. Eschenmayer. Tübingen, bei Jakob Friedrich Heerbrandt. 1798.
Ich konnte so recht in die Werkstätte des Naturphilosophen und Naturforschers hineinsehen und habe mich in meiner Qualität als Naturschauer wieder aufs neue bestätigt gefunden. Ich werde die Schrift mitbringen und wir können sie beim Aufstellen der Phänomene, von welchen Ihnen der erste Versuch noch in der Hand ist, recht gut brauchen.
Leben Sie recht wohl; ich hoffe auf den Augenblick in dem ich Sie wieder sehen werde.
Noch eins. Meyer der schönstens grüßt, ist mehr für den Titel Propyläen als für den Ihrigen. Er meint, man solle sich das Feld ja recht unbestimmt lassen, die Welt wolle es nun einmal so. Es wird darüber noch zu sprechen sein.
(Weimar am 27. Juni 1798.)
G.
473. An Goethe.
Jena den 28. Juni 1798.
Die Nachricht, daß der Elpenor von Ihnen sei, hat mich wirklich überrascht: ich weiß nicht wie es kam, daß Sie mir gar nicht dabei einfielen. Aber eben weil ich unter bekannten und wahlfähigen Namen keinen dazu wußte, so war ich sehr neugierig auf den Verfasser, denn es gehört zu denen Werken, wo man, über den Gegenstand hinweg, unmittelbar zu dem Gemüth des Hervorbringenden geführt und getrieben wird. Uebrigens ist es für die Geschichte Ihres Geistes und seiner Perioden ein schätzbares Document, das Sie ja in Ehren halten müssen.
Ich freue mich auf den Magnetischen Cursus gar sehr; in dem Fischerschen Wörterbuch habe ich grade über diesen Gegenstand wenig Trost gefunden, da dieser erste Band nicht so weit reicht. Wir wollen dann auch, wenn es Sie nicht zerstreut, über Elektricität, Galvanism und chemische Dinge uns unterhalten und wo möglich Versuche anstellen. Ich will vorläufig dasjenige darüber lesen, was Sie mir rathen und was sich bekommen läßt.
An Humboldt geht heute mein Brief ab, die Abschrift lege ich bei, so weit sie sein Werk betrifft. Da ich es nicht vor Augen hatte, und mir diese Gedankenrichtung überhaupt jetzt etwas fremd und widerstrebend ist, so habe ich nur in generalibus bleiben können. Sie werden in Ihrem Briefe für das weitere schon sorgen.
Wenn mir Schlegel noch etwas bedeutendes für den Almanach bestimmen will, so habe ich gar nichts gegen die Einrückung dieser Gelegenheitsverse. Sollen sie aber sein einziger Beitrag sein, den er nicht einmal ausdrücklich dafür schickt, so konnte es das Ansehen haben, als wenn wir nach allem griffen, was von ihm zu haben ist, und in dieser Noth sind wir nicht. Ich habe so wenig honette Behandlung von dieser Familie erfahren, daß ich mich wirklich in Acht nehmen muß, ihnen keine Gelegenheit zu geben, sich bedeutend zu machen. Denn das wenigste was ich riskirte wäre dieses, daß Frau Schlegel jedermann versicherte, ihr Mann arbeite nicht mit an dem Almanach, aber um ihn doch zu haben , hätte ich die zwei gedruckte Gedichte aufgegriffen.
Uebrigens ist das an Iffland gerichtete gar nicht übel gesagt, obgleich ich lachen mußte, daß Schlegel sich nun schon zum zweitenmal an dem Pygmalion vergreifen mußte, von dem er gar nicht loskommen kann.
Meyers Vorschlag wegen der Propyläen als Titel läßt sich schon hören. Meine Gründe dagegen wissen Sie, und wenn dadurch für die Sache was kann gewonnen werden, so kommen sie in keine Betrachtung.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
474. An Schiller.
Ihr Schreiben an Humboldt ist zwar recht schön und gut doch wird es dem Freunde nicht ganz erquicklich sein, denn es drückt nur allzusehr aus: daß diese Arbeit nicht ganz in unsere gegenwärtigen Umstände eingreifen konnte. Sie haben einen recht wichtigen Punct berührt: die Schwierigkeit im praktischen etwas vom theoretischen zu nutzen. Ich glaube wirklich daß zwischen beiden, sobald man sie getrennt ansieht, kein Verbindungsmittel statt finde, und daß sie nur in so fern verbunden sind, als sie von Haus aus verbunden wirken, welches bei dem Genie von jeder Art statt findet.
Ich stehe gegenwärtig in eben dem Fall mit den Naturphilosophen, die von oben herunter, und mit den Naturforschern, die von unten hinauf leiten wollen. Ich wenigstens finde mein Heil nur in der Anschauung, die in der Mitte steht. Diese Tage bin ich hierüber auf eigne Gedanken gekommen die ich mittheilen will, sobald wir uns sprechen. Sie sollen, hoff ich, besonders regulativ, vortheilhaft sein und Gelegenheit geben das Feld der Physik auf eine eigne Manier geschwind zu übersehen. Wir wollen ein Kapitel nach dem andern durchgehen .
Mich verlangt recht sehr wieder bei Ihnen zu sein und mich mit solchen Dingen zu beschäftigen die ohne mich nicht existiren würden; bisher habe ich nur gethan und veranlaßt was recht gut auch ohne mich hätte werden können.
Die Cautel wegen Schlegels finde ich ganz den Verhältnissen gemäß, wir wollen nun das weitere abwarten.
Das beste was mir indessen zu Theil geworden ist mochte wohl die nähere Motivirung der ersten Gesänge des Tells sein, so wie die klarere Idee wie ich dieses Gedicht in Absicht auf Behandlung und Ton ganz von dem ersten trennen kann, wobei unser Freund Humboldt gelobt werden soll, daß er mir durch die ausführliche Darlegung der Eigenschaften des ersten das weite Feld deutlich gezeigt hat in welches hinein ich das zweite spielen kann. Ich hoffe daß Sie meine Vorsätze billigen werden.
Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau. Wahrscheinlich bin ich Mittwoch Abend wieder bei Ihnen.
Weimar am 30. Juni 1798.
G.
Hierbei das älteste was mir von Gedichten übrig geblieben ist. Völlig 30 Jahre alt.
475. An Goethe.
Jena den 11. Juli 1798.
Ich begleite die Magnetica, welche Geist abholt, mit einigen Zeilen, um Ihnen unsre herzlichste Grüße und Wünsche zu sagen. Diese Störungen sind freilich sehr fatal, aber insofern sie die poetischen Geburten bei Ihnen retardiren, so können sie vielleicht eine desto raschere und reifere Entbindung veranlassen und den Spätsommer von 96 wiederholen, der mir immer unvergeßlich bleiben wird.
Ich werde unterdessen die lyrische Stimmung in mir zu nähren und zu benutzen suchen und hoffe, wenn Sie kommen, den Anfang endlich mit einem eignen Beitrag gemacht zu haben.
Gries schickte mir so eben ein mächtig großes Gedicht aus Dresden, das mir halb so groß noch einmal so lieb wäre.
Heute wird wahrscheinlich mein Gartenhäuschen gerichtet, welches mir den Nachmittag wohl nehmen wird; denn so etwas ist für mich eine neue Erfahrung der ich nicht widerstehen kann.
Leben Sie recht wohl, bleiben Sie so kurze Zeit weg als möglich. Meine Frau grüßt aufs schönste.
Sch.
476. An Goethe.
Jena den 13. Juli 1798.
Seit gestern und heute bin ich durch meine Krämpfe, die sich wieder geregt und mir den Schlaf geraubt haben, ganz in Unthätigkeit gesetzt worden und kann Ihnen dießmal auch nur einen Gruß sagen. Dafür sende ich das Gedicht von Gries , ob Sie diesem Produkt vielleicht etwas abgewinnen können. Sonst hat sich noch ein leidlicher Mensch gemeldet, von dem ich allenfalls etwas aufnehmen kann.
Ich sehne mich sehr nach Ihrer Zurückkunft. Es ist mir und meiner Frau ganz ungewohnt, daß wir so lange nichts von Ihnen hörten. Leben Sie recht wohl. Nächstens mehr.
Sch.
477. An Schiller.
Diese Tage scheinen also uns beiden nicht die günstigsten gewesen zu sein, denn seit ich von Ihnen weg bin hat mich der böse Engel der Empirie anhaltend mit Fäusten geschlagen. Doch habe ich, ihm zu Trutz und Schmach, ein Schema aufgestellt worin ich jene Naturwirkungen, die sich auf eine Dualität zu beziehen scheinen, parallelisire und zwar in folgender Ordnung:
Magnetische,
elektrische,
galvanische,
chromatische und
sonore.
Ich werde des Geruchs und Geschmacks nach Ihrem Wunsche nicht vergessen. Die Resultate mögen sein welche sie wollen, so ist diese Methode äußerst bequem um die Fragen zu finden die man zu thun hat.
Die gegossenen eisernen Körper sind auch von Ilmenau angekommen. Die Experimente, um derenwillen ich sie gießen ließ, sind ausgefallen wie ich’s dachte; aber ein Paar neue Phänomene, an die ich nicht denken konnte, und die sehr merkwürdig sind, haben sich gezeigt.
Das Gedicht folgt hier wieder zurück, das eine ganz eigne Art von Nullität hat. Die jungen Herrn lernen Verse machen so wie man Düten macht: wenn sie uns nur aber auch darin einiges Gewürz überreichten! Ob es für den Almanach sei weiß ich nicht. Es käme dünkt mich darauf an ob Sie Platz haben, denn das Publikum, besonders das weibliche, liebt solche hohle Gefäße, um sein bischen Herz und Geist darein spenden zu können.
Der Riß zum neuen Theater ist nun bestimmt, ja sogar auf dem Fußboden schon aufgezeichnet und nächste Woche wird wohl angefangen werden. Der Gedanke ist sehr artig und anständig und wenn das Ganze zusammen ist wird es gewiß gefallen. Es gehen etwa zweihundert Menschen mehr hinein als bisher und wird doch bei weniger zahlreichen Repräsentationen nicht leer aussehen. Ich denke auch wir wollen zur rechten Zeit noch fertig werden.
Ich will nun alles möglichst zu ordnen und einzuleiten suchen und sobald als möglich wieder zu Ihnen hinüber kommen, denn mich verlangt gar sehr auf dem Wege den wir einmal eingeschlagen haben mit Ihnen fortzuschreiten. Leben Sie recht wohl, grüßen Ihre liebe Frau und gedenken mein.
Weimar am 14. Juli 1798.
G.
478. An Schiller.
Ich habe endlich, obgleich in großer Zerstreuung, meinen Brief an Freund Humboldt und die Elegie copiren lassen; und da ich eben den besten Willen habe das Paketchen fortzuschicken, fehlt mir die Adresse. Haben Sie doch ja die Güte mir dieselbe bald möglichst zu überschicken.
Der Plan zur Decoration des Theatersaals ist nun regulirt, morgen geht die Arbeit selbst los. Wenn es beisammen ist wird es recht artig aussehen und bequem sein, mich aber wird es große Aufopferungen kosten, denn das nächste Vierteljahr, wenn es mir auch nicht ganz verloren geht, wird durch dieses Unternehmen doch sehr zerstückt.
Ich will die erste Sendung des neuen Werkes an Cotta indessen hier redigiren und sie alsdann zu Ihnen hinüberbringen, um Ihr Urtheil zu hören. Da alles schon fertig ist und hie und da nur etwas zurecht gerückt werden muß, so kann ich in vierzehn Tagen weit kommen.
Mein Schema, wovon ich Ihnen Sonnabend schrieb, macht mir recht guten Humor, indem ich dadurch in der kurzen Zeit schon manche nähere Wege gewonnen habe. Am Ende kommt’s vielleicht gar aufs Alte heraus, daß wir nur wenig wissen können und daß blos die Frage ist ob wir es gut wissen. Uebrigens bin ich in einer Stimmung daß ich fürchtete die Musen niemals wieder zu sehen, wenn man nicht aus der Erfahrung wüßte daß diese gutherzigen Mädchen selbst das Stündchen abpassen, um ihren Freunden mit immer gleicher Liebe zu begegnen.
Leben Sie recht wohl; ich will sehen was ich jedem einzelnen Tage abstehlen kann, das mag denn Masse machen, wenn es kein Ganzes macht. Grüßen Sie mir Ihre liebe Frau und schreiben mir wenn der Mangold aufgeht, so wie ich auch zu hören wünsche ob das Gartenhäuschen glücklich gerichtet ist.
Weimar am 15. Juli 1798.
G.
479. An Goethe.
Jena den 16. Juli 1798.
Humboldts Adresse folgt hier. Es ist ein eigener Zufall daß auch Sie dieses kritische Geschäft in einer gewissen Zerstreuung abthun müssen, nachdem ich mit dem besten Willen gleichfalls nicht die ganze Aufmerksamkeit darauf wenden konnte.
Ich bin leider mit meinen Krämpfen noch immer geplagt und die Unordnung im Schlafen verderbt mir jede Stimmung zur Arbeit. Da ich in diesen Tagen ohnehin mehrere Zerstreuungen habe, so ist der Zeitverlust weniger groß.
Ich bin begierig über Ihre mit den großen eisernen Massen und dem Magnet neu gemachten Entdeckungen. Wenn Ihnen das nächste Vierteljahr nothwendig so zerstückelt werden soll, so wird das poetische freilich zu kurz kommen, dafür aber können Sie in diesen physischen Dingen desto weiter kommen, welches auch nicht schlimm ist.
Unter Ihren fünf Fächern in die Sie die dualistischen Erscheinungen ordnen, vermisse ich die chemischen, oder lassen sich diese nicht unter jenes Princip bringen? – Diese Methode wird, bei der gehörigen Wachsamkeit und Unterscheidung, am besten kund thun, ob alle Glieder derselben einander coordinirt oder eins dem andern subordinirt ist.
Zu der Verbesserung im Theater gratulire ich. Wollte Gott wir könnten dieser äußern Reforme auch mit einer innern im dramatischen Wesen selbst entgegen kommen. Mein Schwager der gestern hier war, rühmt die Anlage auch sehr; er meinte aber, daß man über die Festigkeit nicht ganz sicher wäre.
Mein Häuschen ist gerichtet, aber jetzt sieht man erst, wie viel noch geschehen muß, eh man darin wohnen kann. Es gewährt eine recht hübsche Aussicht besonders nach dem Mühlthal.
Der Mangold kömmt schon hervor.
Leben Sie recht wohl. Meine Frau wie auch meine Schwiegermutter empfehlen sich Ihnen.
S.
Citoyen Humboldt, rue Verneuil Faubourg St. Germain vis À vis la rue Ste. Marie Nro. 824.
480. An Schiller.
Ich habe heute keinen Brief von Ihnen erhalten, doch hoffe ich daß es kein Zeichen eines schlimmen Befindens sein soll.
Mit unserer Theateranlage geht es lebhaft fort, sie wird gewiß artig und gewiß auch fest. Es scheint ein unverbrüchliches Naturgesetz zu sein: daß sich jeder Thätigkeit eine Negation entgegen setzt. Man wünschte so lange eine bessere Einrichtung und jetzt, da die Anstalten dazu gemacht sind werden Zweifel erregt und herumgetragen, um die Menschen, die wenigstens künftig bequem sitzen werden, durch eine Sorge für ihre Hälse zu incommodiren. Da es aber nur ein altes Mährchen ist das sich repetirt so kann man es wohl geschehen lassen.
Möchten Sie mir wohl meine zwei Fascikel Reiseacten, den Aufsatz über den Magneten, den ältern Aufsatz über die Cautelen des Beobachters,
wenn Sie ihn finden können, nächsten Freitag herüber schicken. Es geht mit den Aufsätzen zur Zeitschrift ganz gut und muß besser gehen wenn sie einmal im Gange ist. Die Hauptschwierigkeit bei der Redaction ist von Anfang daß man die allgemeinen Zwecke immer im Auge habe und bei allem fragmentarischen Wesen auf ein Ganzes hindenke.
Indessen kommen zwischen mir und Meyer sehr interessante Puncte zur Sprache, und man wird künftig mehr Freude an einzelnen oft kurzen Aufsätzen haben, weil man sie gleich wieder brauchen und mittheilen kann, ohne an strenge Verknüpfung zu denken.
Wenn Sie es nur möglich machen können vor Ende des Jahres auch noch etwas beizutragen.
Diese Woche will ich hier noch thun was möglich ist, vielleicht kann ich die andere wieder zu Ihnen hinüber, denn ich finde hier kaum Stimmung zu ein paar leidlichen prosaischen Perioden. Leben Sie indessen recht wohl, grüßen Sie Ihre liebe Frau und schaffen daß das artige Gartenhäuschen bis zu meiner Ankunft wohnbar sei.
Weimar am 18. Juli 1798.
G.
481. An Goethe.
Jena den 20. Juli 1798.
Mit dem bessern Wetter finde ich mich auch wieder besser und thätiger, und nach und nach scheint es auch zu einer lyrischen Stimmung bei mir kommen zu wollen. Ich habe bemerkt, daß diese unter allen am wenigsten dem Willen gehorcht, weil sie gleichsam körperlos ist, und wegen Ermangelung eines materiellen Anhalts nur im Gemüthe sich gründet. In den vorigen Wochen habe ich eher Abneigung als Lust dazu empfunden, und bin aus Unmuth auf einige Tage zum Wallenstein zurückgekehrt, der aber jetzt wieder weggelegt wird.
Würden Sie es schicklich finden einen Hymnus in Distichen zu verfertigen? oder ein, in Distichen verfertigtes Gedicht worin ein gewisser hymnischer Schwung ist, einen Hymnus zu nennen?
In Ihrem theatralischen Bauwesen werden Sie sich durch die Bedenklichkeitskrämer nicht irre machen lassen. Ich berührte jenes Dubium auch bloß deßwegen, weil mir gesagt wurde, daß Thouret selbst sich so geäußert habe.
Mein Bau geht nicht so lebhaft fort; es ist sehr schwer jetzt in der Aernte die hier schon zum Theil angefangen Arbeiter zu bekommen, welche mir zu Verfertigung eines Strohdachs und zum Ausstaken der Wände nöthig sind. Heute habe ich endlich den Trost, das Häuschen unter Dach bringen zu sehen. Diese Arbeiten ziehen mich öfters als nöthig ist vom Geschäft ab.
Der Almanach ist nun in die Druckerei gegeben, und Sie werden bei Ihrer Ankunft schon von Ihrer Euphrosyne bewillkommt werden, welche den Reihen würdig beginnt. Ich will hoffen, daß uns Guttenberg nicht über die Gebühr aufhalten wird, denn der Almanach wird in der ersten Woche Septembers im Druck fertig, zu welcher Zeit ich also auch Decke und Titelkupfer brauchte.
Ich habe in diesen Tagen Erzählungen von der Madame Staël gelesen, welche diese gespannte, raisonnirende, und dabei völlig unpoetische Natur, oder vielmehr diese verstandesreiche Unnatur sehr charakteristisch darstellen. Man wird bei dieser Lectüre recht fühlbar verstimmt und es begegnete mir dabei dasselbe, was Sie beim Lesen solcher Schriften zu erleiden pflegen, nämlich daß man ganz die Stimmung der Schriftstellerin annimmt, und sich herzlich schlecht dabei befindet. Es fehlt dieser Person an jeder schönen Weiblichkeit, dagegen sind die Fehler des Buchs vollkommen weibliche Fehler. Sie tritt aus ihrem Geschlecht ohne sich darüber zu erheben. Indessen bin ich auch in dieser kleinen Schrift auf einzelne recht hübsche Reflexionen gestoßen, woran es ihr nie fehlt, und die ihren durchdringenden Blick über das Leben verrathen.
Leben Sie recht wohl. Ich werde eben durch die Ankunft von zwei Preußischen Uniformen unterbrochen, die zwei Brüder meines Schwagers die ihren Urlaub in Weimar zubringen werden.
Meine Frau und Schwiegermutter empfehlen sich bestens.
Sch.
482. An Schiller.
Es ist mein recht herzlicher Wunsch daß sich die Stimmung zu einer poetischen Arbeit recht bald wieder bei Ihnen finden möchte. Leider ist Ihre Lage im Garten von einer Seite so ungünstig als sie von der andern günstig ist, besonders da Sie sich mit dem Bauen eingelassen haben. Ich kenne leider aus frühern Zeiten diese wunderbare Ableitung nur allzusehr, und habe unglaublich viel Zeit dadurch verdorben. Die mechanische Beschäftigung der Menschen, das handwerksmäßige Entstehen eines neuen Gegenstandes, unterhält uns angenehm, indem unsere Thätigkeit dabei Null wird. Es ist beinahe wie das Tabakrauchen. Eigentlich sollte man mit uns Poeten verfahren wie die Herzoge von Sachsen mit Luthern, uns auf der Straße wegnehmen und auf ein Bergschloß sperren. Ich wünschte man machte diese Operation gleich mit mir und bis Michael sollte mein Tell fertig sein.
Da das elegische Sylbenmaß sich nach allen Seiten hin bewegen läßt, so zweifle ich gar nicht an einem glücklichen Erfolge einer lyrischen Behandlung. Ich erinnere mich schon selbst, in früherer Zeit, eine ähnliche Intention gehabt zu haben.
Aus der Beilage sehen Sie daß unser erster anaglyphischer Versuch gut genug gerathen ist; der Abdruck ist nur aus freier Hand gemacht; wo das Kreuzchen steht ist er am besten gerathen und Sie werden leicht sehen daß sich diese Arbeit sehr hoch treiben läßt. Der Einfall macht mir viel Spaß. Facius ist gerade der Mann um so was auszuführen und unser Meyer, indem er weiß was sich in dieser beschränkten Art thun läßt, wird durch seine Zeichnung das Unternehmen heben. Wir wollen zum Almanach eine ähnliche, jedoch sehr reiche Decke besorgen, sie soll alsdann auf farbig Papier abgedruckt und mit harmonirenden Farben illuminirt werden. Das alles zusammen wird nicht theurer zu stehen kommen als eine Kupferdecke mit Stich und schwarzem Abdruck. Ich bin überzeugt daß , wenn es einmal im Gange ist, so muß es, besonders da nun viele Bücher geheftet ausgegeben werden, sich als Deckenzierrath sehr weit verbreiten.
Uebrigens habe ich mich diese Zeit mit Redaction meiner eignen und der Meyerschen Aufsätze beschäftigt. In acht Tagen wird das erste Manuscript abgehen; indem ich mich daran halte so wird zugleich das nächste Stück fertig und ich sehe von dieser Seite einen weiten Raum vor mir.
Diese Tage habe ich mehrere Stunden mit Herrn von Marum zugebracht. Es ist eine gar eigne, gute und verständige Natur. Er hat sich viel mit Electricität abgegeben; ich wünschte daß er länger hier bleiben könnte, so würde man auch mit diesem Theil geschwind zu Rande sein; er empfahl mir den dritten Theil seiner Schriften, in welchem die neusten Resultate dieses wichtigen Kapitels der Naturlehre aufgezeichnet seien.
Eins will ich nicht leugnen daß mich indessen die Redaction der Meyerschen Arbeiten unglücklich macht. Diese reine Beschreibung und Darstellung, dieses genaue und dabei so schön empfundene Urtheil fordert den Leser unwiderstehlich zum Anschauen auf. Indem ich diese Tage den Aufsatz über die Familie der Niobe durchging, hätte ich mögen anspannen lassen um nach Florenz zu fahren.
Die Romane der Frau von Staël kenne ich, es sind wunderliche passionirt gedachte Productionen.
Ich war diese Tage mit Meyern in einer kleinen Differenz über die wir uns noch nicht ganz ausgesprochen haben; er behauptete, daß sogar das genialisch naive in einem gewissen Sinne durch Schule überliefert werden könne, und er mag wohl recht haben wenn man den Ausdruck nur so motivirt: daß die Aufmerksamkeit des Künstlers von frühen Jahren an auf den Werth desselben in der bildenden Kunst gerichtet werden könne und solle. Sonderbar scheint es freilich daß in unserer Zeit sogar die Idee davon völlig verloren gegangen ist, wie aus dem neulichen Vorschlag Danneckers zu einem Basrelief erhellet und wie uns in Gesprächen mit Thouret, welcher der Repräsentant einer großen Masse ist, indem er Künstler und Publikum zugleich vorstellt, aufs neue so sehr aufgefallen ist. Sein Jahrhundert kann man nicht verändern, aber man kann sich dagegen stellen und glückliche Wirkungen vorbereiten. Einer meiner nächsten Aufsätze soll den Titel führen: über die Hindernisse, die dem modernen Künstler im Wege stehen vom gestaltlosen zur Gestalt zu gelangen. – Der Raum läßt mir nur noch ein Lebewohl zu.
Weimar am 21. Juli 1798.
G.
483. An Goethe.
Jena den 23. Juli 1798.
Ihr erster anaglyphischer Versuch läßt viel Gutes von dieser Unternehmung erwarten. Ich hatte anfangs nur den kleinen Anstand ob das Ganze nicht einen zu sehr zusammengestückelten Anblick geben wird, so wie die gedruckten Musiknoten. Vielleicht aber habe ich Ihre Idee nicht ganz gefaßt und es kann alles wie aus Einem Stück gemacht erscheinen.
Ich habe, weil der Druck des Almanachs jetzt angefangen ist, Ihr Poeten-Gedicht taufen müssen, und finde gerade keinen passendern Titel als: Sängerwürde, der die Ironie versteckt, und doch die Satyre für den Kundigen ausdrückt. Wünschen Sie oder wissen Sie gleich einen bessern, so bitte, es mir morgen zu melden, weil ich das Gedicht bald in die Druckerei geben möchte.
In Ihrem Streit mit Meyern scheint mir dieser ganz recht zu haben. Ob sich gleich das schöne naive in keine Formel fassen und folglich auch in keiner solchen überliefern läßt, so ist es doch seinem Wesen nach dem Menschen natürlich; da die entgegengesetzte sentimentale Stimmung ihm nicht natürlich, sondern eine Unart ist. Indem also die Schule diese Unart abhält oder corrigirt und über den natürlichen Zustand wacht, welches sich recht wohl denken läßt, so muß sie den naiven Geist nähren und fortpflanzen können. Die Natur wird das Naive in jedem Individuum, der Art, wenn gleich nicht dem Gehalt nach, hervorbringen und nähren, sobald nur alles weggeräumt wird, was sie stört; ist aber Sentimentalität schon da, so wird die Schule wohl nicht viel thun können. Ich kann nicht anders glauben als daß der naive Geist, welchen alle Kunstwerke aus einer gewissen Periode des Alterthums gemeinschaftlich zeigen, die Wirkung, und folglich auch der Beweis für die Wirksamkeit der Ueberlieferung durch Lehre und Muster ist.
Nun wäre aber die Frage, was sich in einer Zeit wie die unsrige von einer Schule für die Kunst erwarten ließe. Jene alten Schulen waren Erziehungsschulen für Zöglinge, die neuern müßten Correctionshäuser für Züchtlinge sein, und sich dabei, wegen Armuth des produktiven Genies, mehr kritisch als schöpferisch bildend beweisen. Indessen ist keine Frage daß schon viel gewonnen würde, wenn sich irgendwo ein fester Punkt fände oder machte, um welchen sich das Uebereinstimmende versammelte; wenn in diesem Vereinigungspunkt festgesetzt würde was für kanonisch gelten kann und was verwerflich ist, und wenn gewisse Wahrheiten, die regulativ für die Künstler sind, in runden und gediegenen Formeln ausgesprochen und überliefert würden. So entstünden gewisse symbolische Bücher für Poesie und Kunst, zu denen man sich bekennen müßte und ich sehe nicht ein, warum der Sektengeist der sich für das Schlechte sogleich zu regen pflegt, nicht auch für das Gute geweckt werden könnte. Wenigstens scheint mir’s, es ließe sich eben so viel zum Vortheil einer ästhetischen Confession und Gemeinheit anführen, als zum Nachtheil einer philosophischen.
Ich habe heute Ritters Schrift über den Galvanism in die Hand bekommen, aber obgleich viel Gutes darin ist, so hat mich die schwerfällige Art des Vortrags doch nicht befriedigt und auf eine Unterhaltung mit Ihnen über diese Materie nur desto begieriger gemacht.
Was sagen Sie zu dem neuen Schlegelischen Athenäum, und besonders zu den Fragmenten? Mir macht diese naseweise, entscheidende, schneidende und einseitige Manier physisch wehe.
Leben Sie recht wohl und kommen bald herüber. Meine Frau und Schwiegermutter empfehlen sich Ihnen bestens.
Sch.
484. An Schiller.
Mit Ihrer Ausgleichung der Differenz zwischen Meyer und mir bin ich sehr wohl zufrieden. Sie erlauben daß ich gelegentlich, wenn ich an diese Materie komme, mich Ihrer Worte bescheidentlich bediene.
Heute geht endlich der erste Transport an Cotta ab. Gern hätte ich das Manuscript Ihnen nochmals zugesendet, indessen ist es mit Meyern, als wie in Ihrer Gegenwart, nochmals durchgegangen worden. Das wenige was über plastische und architektonische Reste der Etrurier gesagt werden kann, werden Sie etwa Sonnabends erhalten. Das ganze erste Stück wird in kurzem beisammen sein und die andern werden sogleich fertig, indem das fertige einen productiven Einfluß auf das folgende zeigt.
Des schon bearbeiteten Stoffs liegt eine große Masse bereit und der zu bearbeitende ist unendlich.
Der Titel Sängerwürde übertrifft an Vortrefflichkeit alle meine Hoffnungen. Möge ich das edle Werk doch bald gedruckt sehen. Ich habe niemanden weiter etwas davon gesagt.
Ritters Vortrag ist freilich dunkel und für den der sich von der Sache unterrichten will nicht angenehm. Er befindet sich gegenwärtig in Belvedere bei Scherer und ich habe nun doppelte Ursache auf den ganzen Kreis der Versuche Acht zu geben, da mein Zweck dabei sein muß Sie bequemer damit bekannt zu machen. Das Schlegelsche Ingrediens in seiner ganzen Individualität scheint mir denn doch in der Olla potrida unsers deutschen Journalwesens nicht zu verachten. Diese allgemeine Nichtigkeit, Parteisucht fürs äußerst mittelmäßige, diese Augendienerei, diese Katzenbuckelgebärden, diese Leerheit und Lahmheit in der die wenigen guten Producte sich verlieren, hat an einem solchen Wespenneste wie die Fragmente sind einen fürchterlichen Gegner. Auch ist Freund Ubique, der das erste Exemplar erhielt, schon geschäftig herumgegangen um durch einzelne vorgelesene Stellen das Ganze zu discreditiren. Bei allem was Ihnen daran mit Recht mißfällt kann man denn doch den Verfassern einen gewissen Ernst, eine gewisse Tiefe und von der andern Seite Liberalität nicht ableugnen. Ein Dutzend solcher Stücke wird zeigen wie reich und wie perfectibel sie sind.
Wilhelm schickt mir beiliegendes Gedicht für den Almanach, welches ich aber keinesweges empfehlen, ja nicht einmal vertheidigen will. An der Legende selbst ist schon nicht viel. Denn daß ein Sultan ein Mädchen verschenkt, will wohl eigentlich nichts heißen. Ferner sind dem Gegenstande nicht einmal die artigen Motive, die man daraus herleiten könnte, abgewonnen. Der Vortrag ist nicht durchsichtig und klar und was sich sonst noch zu Ungunsten der Arbeit sagen ließe. Genau besehen ist’s wieder ein Pygmalion, wobei sich das falsche Streben abermals zeigt die Angelegenheiten der bildenden Kunst poetisch zu behandeln. Ich will ihm einige freundliche Einwendungen dagegen machen und ihm rathen nochmals Hand daran zu legen, dadurch wird wenigstens interloquirt.
Leider hat er auch ein Gedicht auf die Huldigung des Königs drucken lassen, welches keineswegs glücklich ist, mir aber doch gestern zu einem humoristischen Gespräch Gelegenheit gab, worin ich es gegen jene Partei vertheidigte welche durch den gestiefelten Kater gekrallt worden.
Die anaglyphischen Versuche rücken recht schön zu. Ein Kauz auf einer Leier, der die Rückseite des Almanachs zieren soll, wird von Freund Meyer nach der Natur gezeichnet und sorgfältig nachgebildet werden, um zu zeigen was man auch in diesem Fache sich von der neuen Manier versprechen könne.
Leben Sie recht wohl. Empfehlen Sie mich den Ihrigen. Alle Tage erliege ich schier der Versuchung wieder zu Ihnen zu kommen, doch der strömende Lauf unserer kleinen Unternehmungen hält mich jedesmal ab. In vierzehn Tagen soll das innere Gerippe unserer neuen Theatereinrichtung schon stehen; die kannelirten Säulen sind unter der Condition verdingt daß sie den 7ten August zur Stelle geliefert werden und was der Späße mehr sind. Thouret und Heideloff malten am Vorhange. Schaffen Sie uns nur jetzt noch den Wallenstein zur Stelle.
Nochmals ein Lebewohl.
Weimar am 25. Juli 1798.
G.
485. An Goethe.
Jena den 27. Juli 1798.
Mein Brief an Humboldt ist ungewöhnlich schnell gelaufen und so auch seine Antwort, die ich Ihnen hier beilege. Er ist wie Sie finden werden ganz wohl damit zufrieden gewesen. Freilich kommt mir die Durchsicht seines Werks, die er jetzt noch von mir erwartet, etwas ungelegen, und das Corrigiren in fremden Arbeiten ist eine eben so undankbare als schwierige Arbeit. Neugierig bin ich, was die eigentlich kritische Welt, besonders die Schlegelsche zu diesem Humboldtischen Buche sagen wird.
Einen gewissen Ernst und ein tieferes Eindringen in die Sachen kann ich den beiden Schlegeln, und dem jüngern insbesondere nicht absprechen. Aber diese Tugend ist mit so vielen egoistischen und widerwärtigen Ingredienzien vermischt, daß sie sehr viel von ihrem Werth und Nutzen verliert. Auch gestehe ich, daß ich in den ästhetischen Urtheilen dieser beiden eine solche Dürre, Trockenheit und sachlose Wortstrenge finde, daß ich oft zweifelhaft bin, ob sie wirklich auch zuweilen einen Gegenstand darunter denken. Die eignen poetischen Arbeiten des ältern bestätigen mir meinen Verdacht, denn es ist mir absolut unbegreiflich, wie dasselbe Individuum, das Ihren Genius wirklich faßt und Ihren Hermann z. B. wirklich fühlt, die ganz antipodische Natur seiner eignen Werke, diese dürre und herzlose Kälte auch nur ertragen, ich will nicht sagen, schön finden kann. Wenn das Publicum eine glückliche Stimmung für das Gute und Rechte in der Poesie bekommen kann, so wird die Art wie diese beiden es treiben, jene Epoche eher verzögern als beschleunigen; denn diese Manier erregt weder Neigung noch Vertrauen noch Respekt, wenn sie auch bei den Schwätzern und Schreiern Furcht erregt, und die Blößen, welche die Herren sich, in ihrer einseitigen und übertreibenden Art, geben, wirft auf die gute Sache selbst einen fast lächerlichen Schein.
Kant hat zwei Sendschreiben an Nicolai über die Buchmacherei drucken lassen, worin er ihm einige derbe Dinge sagt und ihn sehr verächtlich abfertigt. Vielleicht kann ich das Schriftchen heute noch bekommen und beilegen.
Leben Sie wohl für heute. Ich habe große Familiengesellschaft von Weimar und Rudolstadt im Hause. – Meine Frau grüßt schönstens.
Sch.
N. S.
Den Humboldtischen Brief und das Schriftchen von Kant sind Sie wohl so gütig, der Botenfrau wieder mitzugeben.
486. An Schiller.
Ihr Brief ist mir heute spät zugekommen. Schärfen Sie doch der Botenfrau ein daß sie die Briefe gleich selbst bringt. Diese Leute machen sich’s manchmal bequem und geben die Sachen an kleine Knaben, die sich im Herumtragen verspäten.
Kants Zurechtweisung des Saalbaders ist recht artig. Es gefällt mir an dem alten Manne daß er seine Grundsätze immer wiederholen und bei jeder Gelegenheit auf denselben Fleck schlagen mag. Der jüngere, praktische Mensch thut wohl von seinen Gegnern keine Notiz zu nehmen, der ältere, theoretische muß niemanden ein ungeschicktes Wort passiren lassen. Wir wollen es künftig auch so halten.
Es freut mich herzlich daß Humboldt Ihren Brief so gut aufgenommen hat. Sein Ernst, sein Talent, sein Streben, sein guter Wille, seine Neigung, seine Freundschaft verdienen eine redliche und freundliche Erwiederung. Er wird nun auch meinen Brief mit der Euphrosyne bald erhalten. Aufrichtig aber will ich gestehen daß ich nicht sehe wie es möglich sein soll eine Revision seiner Arbeit, wie er sie vorschlägt, zu veranstalten. Denn wenn Sie, nach Ihrer Vorstellung, daran zu rücken anfangen, so wird ja das Gebäude mehr geregt, als daß es in allen seinen Fugen bleiben könnte. Nach meiner Vorstellungsart ließe sich so etwas kaum durch Gegenwart und Gespräch leisten.
Was noch allenfalls zu Gunsten der Schlegel zu sagen wäre wollen wir auf eine mündliche Unterhaltung versparen. Ich wünsche die Fragmente eigens mit Ihnen durchzugehen; als Veranlassung zum interessanten Gespräch werden sie gewiß sehr dienen, selbst indem sie zum Widerspruch aufregen. Wie glücklich würde ich mich finden wenn ich schon wieder in Ihrer Nähe wäre.
An Cotta ist die erste Sendung fort, hierbei theile ich die zweite mit und wünsche sie auf den Mittwoch wieder zu erhalten. Zeigen Sie mir ja an was Sie über den Stoff und über den Vortrag denken.
Die Einleitung vom ersten Stück wird auch nicht lange außen bleiben; sie scheint mir ein klein wenig zu feierlich, doch ist es ja wie Freund Humboldt sagt der deutsche Charakter und die Sache selbst ist wenn man sie näher besieht, ernsthaft genug. Man muß nachher im einzelnen wo sich’s schickt desto muntrer und durchaus natürlich heiter sein.
In der Anzeige der neuen Anaglyphik gebe ich ein Beispiel wie man wohl sogar jedes mechanisch einzelne an das allgemeine der geistigen Kunst immer künftig anschließen sollte.
Ich mache auch schon das zweite Stück zurecht und hoffe bald bis ins dritte und vierte vorgearbeitet zu haben und wenigstens zum Theil die reinlichen Abschriften vor mir liegen zu sehen. Was mich freut, das ist gerade hieran eine Arbeit zu finden die ich recht bequem in Weimar machen kann.
Ich wünsche bald zu hören daß Ihr Antheil zum Almanach im Wachsen ist. Vielleicht schicke ich auch noch was. Senden Sie mir doch gleich den ersten gedruckten Bogen.
Weimar am 28. Juli 1798.
G.
487. An Goethe.
Jena den 31. Juli 1798.
Der Aufsatz über die plastische Kunst der Hetrurier ist durch seine strenge und nüchterne Wahrheit zwar ein wenig mager, aber das darf der Arbeit selbst nicht zum Vorwurfe gereichen. Derjenige wird immer trocken erscheinen, der ein beliebtes Vorurtheil in seiner Blöße darstellt, und die Einbildungskraft in strenge Sachgrenzen zurückweist. Mich freute dieser Aufsatz weil ich einen klaren und genugthuenden Begriff von dem Gegenstand bekam, über welchem mir immer ein Dunkel gelegen hatte. Einige schwerfällige Perioden, z. B. gleich der erste, würden wohl noch verbessert werden können.
Es ist ein sehr guter Gedanke vom alten Meister gewesen die Dürftigkeit des Stoffs, bei dem zweiten Briefe, auf eine so anmuthige Art, wie er gethan hat, zu verstecken, wodurch dieser, an Sachen viel ärmere, zweite Brief noch sogar unterhaltender als der erste wird, bei dem man viel mehr lernt. Beide sind, jeder auf seine Weise, sehr zweckmäßige Beiträge zu der Sammlung.
Vor der Feierlichkeit, die in Ihrer Einleitung herrschen wird, ist mir nicht bange, denn was Sie feierlich nennen und was es auch ist, möchte dem deutschen Publikum im Ganzen es noch nicht sein und bloß als ernstlich und gründlich erscheinen. Diese Einleitung erwarte ich mit großer Begierde.
Zum Almanach sind wieder einige nicht unbrauchbare Beiträge gekommen, aber die gehörige Zahl ist noch immer nicht beisammen, wenn ich auch gleich meinen möglichen Antheil auf etliche und zwanzig Blätter rechne. Zwar erhielt ich gestern auf einmal und von einem einzelnen freiheitlichen Autor so viel Gedichte zugeschickt, um mehr als den halben Almanach damit zu füllen, aber, den Unwerth abgerechnet, unter der tollen Bedingung daß die ganze Suite abgedruckt werden sollte, wobei gegen fünfzig Seiten Gelegenheitsgedichte befindlich waren.
Ich selbst bin dieser Tage in einer ganz guten Stimmung zur Arbeit gewesen. Etwas ist auch fertig geworden und ein anderes auf dem Wege, es zu werden.
Ein Coreccturbogen des Almanachs ist noch nicht gekommen.
Bei Scherern, den ich gestern sprach, ist mir eine Bemerkung wieder eingefallen, die Sie mir voriges Jahr über ihn machten. Es ist eine ganz gemüthlose Natur, und so glatt, daß man sie nirgends fassen kann. Bei solchen Naturellen ist es recht fühlbar, daß das Gemüth eigentlich die Menschheit in dem Menschen macht, denn man kann sich, solchen Leuten gegenüber, nur an Sachen erinnern, und das menschliche in einem selbst ganz und gar nirgends hinthun. Schelling ist doch kein solcher Mensch, denk’ ich.
Leben Sie recht wohl und machen, daß Sie Ihre Geschäfte in Weimar bald los sind. Ich empfehle Ihnen, was Sie mir oft vergebens rathen, es zu wollen und frisch zu thun.
Meine Frau grüßt Sie. Seit einigen Tagen befinden wir uns wieder allein.
Sch.
488. An Goethe.
Jena den 21. August 1798.
Das Wetter allein hat mich, am Freitag und Sonnabend, von dem versprochnen Besuch abgehalten, indem ich doch auch gewünscht hätte, Ihre Besitzungen zu durchwandern, welches bei dem Regenwetter nicht wohl anging. Ich kann mich gar nicht daran gewöhnen, fast eine Woche nichts von Ihnen zu sehen und zu hören; unterdessen habe ich einige Dutzend Reime gemacht und bin eben an der Ballade, wobei ich mir die Unterhaltung verschaffe, mit einer gewissen plastischen Besonnenheit zu verfahren, welche der Anblick der Kupferstiche in mir erweckt hat.
Daß ich Ihnen die zwei letzten Akte vom Wallenstein vorlas, und mich von Ihrem Beifall überzeugen konnte, ist eine wahre Wohlthat für mich gewesen, und wird mir den Muth geben und erhalten, den ich zur Vollendung des Stücks noch so nöthig brauche.
Auf der andern Seite hingegen könnte es mich beinah traurig machen, daß ich nun nichts mehr vor mir habe, worauf ich mich bei dieser Arbeit so recht freuen kann; denn Ihnen das fertige Werk vorzulesen und Ihrer Zufriedenheit gewiß zu sein, war im Grund meine beste Freude, denn bei dem Publikum wird einem das wenige Vergnügen durch so viele Mistöne verkümmert.
Humboldten habe ich vorigen Freitag geantwortet und ihm von dem Schicksal seiner Schrift Nachricht gegeben, die ihn hoffentlich ganz zufrieden stellen wird.
Eben unterbricht mich unser Prorector Paulus. Ich schreibe morgen Abend ein Mehrers. Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt aufs beste.
Sch.
489. An Schiller.
Die Musen und Grazien von Oberroßla hatten Ihre Gegenwart mehr gewünscht als gehofft, das Wetter war gar zu übel und in regenlosen Momenten war doch kein Spaziergang als auf den Gänserasen möglich. Vielleicht finden wir bald wieder Gelegenheit uns dort anzutreffen. Ueber Wallenstein habe ich indessen vieles gedacht und mir die ersten Acte wieder ins Gedächtniß gerufen. Wenn ich wieder zu Ihnen komme dächt’ ich, fingen wir von vorn an, weil ich nun das Ganze weiß, besonders da es Sie an der Ausführung nicht hindert wenn jemand mitspricht. Ich wünsche je eher je lieber eine klare Uebersicht darüber zu haben, noch mehr aber es vollendet zu sehen. Es wird sehr hoch stehen wenn es fertig ist, ich wünsche Ihnen zum Nachsommer noch gute Stimmung.
Wenn Sie recht klopfen, sägen, hämmern, hobeln hören wollen so sollten Sie sich jetzt Tags ein paar Stunden ins Theater setzen; es geht sehr rasch und wird recht artig werden. Ich habe wieder neue Grillen über das Tragische und Epische die ich Ihnen bei der nächsten Zusammenkunft mittheilen will. Bis auf den Sonnabend weiß man wohl wann Durchlaucht der Herzog kommen wird. Verzieht sich seine Ankunft bis in den September, so bin ich bald wieder bei Ihnen.
Der erste Bogen Laokoon ist angekommen, der Druck nimmt sich ganz heiter aus, die Einleitung habe ich nochmals durchgegangen, der Inhalt ist ausgezogen; auf den nächsten Brief Cottas schicke ich den Ueberrest fort, und so wäre denn auch dies Schifflein vom Stapel gelaufen.
Meyer grüßt schönstens und hat wieder mancherlei gutes in der Arbeit. Ich freue mich über den plastischen Einfluß der zurückgelassenen Bilder; mir scheint er täglich unentbehrlicher. Leben Sie recht wohl; mich verlangt recht herzlich wieder nach der gewohnten täglichen Unterhaltung. Grüßen Sie Ihre liebe Frau aufs beste.
Weimar am 22. August 1798.
G.
490. An Goethe.
Jena den 24. August 1798.
Da unser Herzog nun wieder da ist, so scheint der Termin Ihrer Hieherkunft sich wieder zu verrücken; ich werde mich binnen der Zwischenzeit meiner Pflichten und Sorgen für den Almanach zu entledigen suchen, um wenn Sie kommen, und die Mittheilungen wieder anfangen, den letzten schwersten Schritt zum Wallenstein thun zu können. Da Sie einmal Lust haben, in die Oekonomie des Stücks hineinzugehen, so will ich gelegentlich das Schema davon in Ordnung bringen, das in meinen Papieren zerstreut liegt, indem es Ihnen, eh das Ganze selbst ausgeführt ist, die Uebersicht erleichtern kann.
Ich bin verlangend Ihre neuen Ideen über das Epische und Tragische zu hören. Mitten in einer tragischen Arbeit fühlt man besonders lebhaft, wie erstaunlich weit die beiden Gattungen auseinander gehen. Ich fand dieß auf eine mir selbst überraschende Weise bei der Arbeit an meinem fünften Akte, die mich von allem ruhig menschlichen völlig isolirte, weil hier ein Augenblick fixirt werden mußte, der nothwendig vorübergehend sein muß. Dieser so starke Absatz, den meine Gemüthsstimmung hier gegen alle übrigen freieren menschlichen Zustände machte, erweckte mir beinahe eine Furcht, mich auf einem zu pathologischen Wege zu befinden, weil ich das meinem Individuum zuschrieb, was die Natur des Geschäfts mit sich brachte. Aber so ist es mir ein Beweis mehr, daß die Tragödie nur einzelne außerordentliche Augenblicke der Menschheit, das Epos dagegen, wobei jene Stimmung nicht wohl vorkommen kann, das Beharrliche, ruhig fortbestehende Ganze derselben behandelt und deßwegen auch den Menschen in jeder Gemüthsfassung anspricht.
Ich lasse meine Personen viel sprechen, sich mit einer gewissen Breite herauslassen; Sie haben mir darüber nichts gesagt und scheinen es nicht zu tadeln. Ja Ihr eigener Usus sowohl im Drama als im Epischen spricht mir dafür. Es ist zuverlässig, man könnte mit weniger Worten auskommen, um die tragische Handlung auf- und abzuwickeln, auch möchte es der Natur handelnder Charaktere gemäßer scheinen. Aber das Beispiel der Alten, welche es auch so gehalten haben und in demjenigen was Aristoteles die Gesinnungen und Meinungen nennt, gar nicht wortkarg gewesen sind, scheint auf ein höheres poetisches Gesetz hinzudeuten, welches eben hierin eine Abweichung von der Wirklichkeit fordert. Sobald man sich erinnert, daß alle poetische Personen symbolische Wesen sind, daß sie, als poetische Gestalten, immer das allgemeine der Menschheit darzustellen und auszusprechen haben, und sobald man ferner daran denkt, daß der Dichter so wie der Künstler überhaupt auf eine öffentliche und ehrliche Art von der Wirklichkeit sich entfernen und daran erinnern soll daß er’s thut, so ist gegen diesen Gebrauch nichts zu sagen. Außerdem würde, däucht mir, eine kürzere und lakonischere Behandlungsweise nicht nur viel zu arm und trocken ausfallen, sie würde auch viel zu sehr realistisch, hart und in heftigen Situationen unausstehlich werden, dahingegen eine breitere und vollere Behandlungsweise immer eine gewisse Ruhe und Gemüthlichkeit, auch in den gewaltsamsten Zuständen die man schildert, hervorbringt.
Richter war dieser Tage hier, er ließ sich aber zu einer ungeschickten Stunde bei mir melden daß ich ihn nicht annahm. Matthisson, dem ich vor einigen Wochen etwas schönes über seine Beiträge und deren Anzahl sagte, hat mir wieder ein Gedicht geschickt; so wächst der Almanach nach und nach zu der gebührenden Größe an. Auch Gries hat einiges, an kleinen Sachen, gesendet, was sich brauchen läßt. Göpferdt ist noch nicht über den zweiten Bogen.
Leben Sie recht wohl; vielleicht komme ich nächste Woche auf einen Tag, und sehe dann vielleicht auch das theatralische Bauwesen. Wenn Sie wieder kommen, finden Sie auch mein Häuschen in Ordnung, das wir morgen einweihen werden. Damit geht mir auch eine ruhigere Epoche an.
Meine Frau grüßt Sie bestens, sie hat sich gefreut, Sie neulich doch einen Augenblick zu sehen.
Sch.
491. An Schiller.
Ich habe so eben unsern Theaterbau besucht, wo alles sehr rasch geht. In der Mitte der künftigen Woche wird die Decke fertig, das leichte Gerüst herausgenommen und der größte Schmutz getilgt sein, alsdann wird man sich schon einen Begriff von der Intention machen können. Ich hoffe es soll deswegen auch recht artig werden, weil von gewissen Plätzen aus das Publikum sich wechselsweise selbst sieht, auch werden sehr viel Menschen hineingehen. Es wäre sehr artig wenn Sie uns bald besuchten, wir würden manches Kapitel durchsprechen können, und der Bau würde Sie des Tags ein paar Stunden unterhalten. Vielleicht gäb’ Ihnen auch der Anblick eines Theaters neue dramatische Anlässe.
Heute sage ich nicht mehr, denn der gestrige Hochzeitgenuß hat nicht die beste Stimmung hinterlassen. Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.
Weimar am 25. August 1798.
G.
492. An Schiller.
Da unsere Rechnung wegen des Manuskripts mit des Setzers Bedürfnissen nicht zusammentrifft, so muß ich noch ein paar Bogen nachschicken und bitte deshalb um Niobe. Was wir von der typographischen Seite verlieren, gewinnen wir an der Stärke der Ladung, die wir auf einmal ins Publicum werfen. Haben Sie die Güte dem Ueberbringer, den ich deswegen expreß abschicke das Manuscript der Niobe mitzugeben. Leben Sie recht wohl und halten Sie wo möglich Ihr Versprechen mich zu besuchen.
Weimar am 27. August 1798.
G.
493. An Schiller.
Indem ich Ihren Boten erwarte so finde ich daß ich Sie noch einmal aufmuntern sollte herüber zu kommen, wenn Sie es mit dem Almanach und dem Gange seines Drucks einigermaßen einrichten können; denn
1. ist das leidige Wetter das noch eine Zeit lang anzuhalten droht im Garten weniger genießbar als in einem vielzimmrigen Hause.
2. Wird Sie der Theaterbau unterhalten.
3. Geht am Freitag das complete Stück der Propyläen weg zu dem Sie Ihren Segen ertheilen sollten.
4. Wird zu dem neuen Anstalt gemacht zu welchem Ihr Rath sehr erfreulich wäre.
5. Sind allerlei naturhistorische Observationen in Bewegung, wovon die Resultate Sie auch gewiß erfreuen werden, und was ich noch alles Sie zu verleiten sagen könnte. Beherzigen Sie übrigens Ihren Vortheil und Ihre Bequemlichkeit, bringen Sie aber, wenn Sie kommen, den Wallenstein mit, denn wir müssen viel auf einmal thun. Wie die Sache mit dem Theater gegenwärtig steht kann ich nicht weg. Leben Sie recht wohl und entschließen Sie sich wo möglich auf das kürzeste. In vierzehn Tagen stehen die Sachen so daß ich wieder nach Jena gehen kann und bis zu Ende Septembers bleibe. Leben Sie recht wohl und thun Sie was möglich ist.
Weimar am 27. August 1798.
G.
494. An Goethe.
Jena den 27. August 1798,
Zwei Bogen machen freilich einen starken Rechnungsfehler, der auch für die künftigen Missionen ein bedenkliches Omen giebt und mehr Vorrath an Manuscript nöthig machen dürfte. Für den Anfang ist es übrigens recht gut, daß man dem Publikum mehr geben kann. Sollten Sie aber etwas andres substituiren können als Niobe, so wäre es wohl gut, denn außerdem daß die plastischen Artikel am wenigsten zu der Menge sprechen und am meisten bei dem Leser voraussetzen, so fürchte ich, daß Sie in den folgenden Stücken das Verhältnis; nicht wohl fort beobachten können. Ob nicht vielleicht Ihr Aufsatz über die Methode bei Naturwissenschaften dazu genommen werden könnte?
Das sind Betrachtungen, die ich nur in der Eile anstellen kann, denn ich muß den Boten abfertigen.
Das Wetter ist seit vorgestern hier ganz unerträglich, daß wir in unserer windigen Wohnung uns beinah in ein geheiztes Zimmer einschließen müssen. Indessen geht die Arbeit ganz leidlich von statten und ich werde Ihnen ehestens etwas produciren können.
Leben Sie recht wohl, mit Meyern. Könnten Sie uns nicht die Memoires von Clery verschaffen?
Sch.
495. An Goethe.
Jena den 28. August 1798.
Es war mein Vorsatz, Ihnen heute meinen Glückwunsch zum Geburtstag selbst zu überbringen, aber weil ich zu spät aufstand und mich auch nicht wohl fühlte, so mußte das gute Vorhaben für heute aufgegeben werden. Wir haben aber mit herzlicher Theilnehmung Ihrer gedacht, und uns besonders der Erinnerung an alles das Gute überlassen, was durch Sie bei uns gegründet worden ist.
Ich bin in diesen Tagen von einem Besuch überrascht worden, dessen ich mich nicht versehen hätte. Fichte war bei mir und bezeigte sich äußerst verbindlich. Da er den Anfang gemacht hat, so kann ich nun freilich nicht den spröden spielen, und ich werde suchen, dieß Verhältniß, das schwerlich weder fruchtbar noch anmuthig werden kann, da unsere Naturen nicht zusammenpassen, wenigstens heiter und gesällig zu erhalten.
Was Ihnen mit den griechischen Sprüchwörtern zu begegnen pflegt, dieß Vergnügen verschafft mir jetzt die Fabelsammlung des Hyginus, den ich eben durchlese. Es ist eine eigene Lust, durch diese Mährchengestalten zu wandeln, welche der poetische Geist belebt hat, man fühlt sich auf dem heimischten Boden und von dem größten Gestaltenreichthum bewegt. Ich möchte deßwegen auch an der nachlässigen Ordnung des Buchs nichts geändert haben, man muß es gerade rasch hintereinander durchlesen, wie es kommt, um die ganze Anmuth und Fülle der griechischen Phantasie zu empfinden. Für den tragischen Dichter stecken noch die herrlichsten Stoffe darin, doch ragt besonders die Medea vor, aber in ihrer ganzen Geschichte und als Cyclus müßte man sie brauchen. Die Fabel von Thyest und der Pelopia ist gleichfalls ein vorzüglicher Gegenstand. Im Argonautenzug finde ich doch noch mehrere Motive, die weder in der Odyssee noch Ilias vorkommen, und es dünkt mir doch, als ob hierin noch der Keim eines epischen Gedichtes stäke.
Merkwürdig ist es, wie dieser ganze mythische Cyclus, den ich jetzt übersehe, nur ein Gewebe von Galanterien und wie sich Hyginus immer bescheiden ausdrückt, von Compressibus ist, und alle großen und furchtbaren Motive davon hergenommen sind, und darauf ruhen.
Es ist mir eingefallen, ob es nicht eine recht verdienstliche Beschäftigung wäre, die Idee welche Hyginus im rohen und für ein anderes Zeitalter ausgeführt hat, mit Geist und mit Beziehung auf das, was die Einbildungskraft der jetzigen Generation fordert, neu auszuführen, und so ein griechisches Fabelbuch zu verfertigen, was den poetischen Sinn wecken und dem Dichter sowohl als dem Leser sehr viel Nutzen bringen könnte.
Ich lege hier zwei Aushängebogen des Almanachs bei. Der dritte folgt nächstens. Meine Frau grüßt Sie aufs beste. Leben Sie recht wohl.
Sch.