31.
Mit langen Schritten durchquerte Lord Balfour die Halle und trat durch einen kleinen Vorraum in sein Schlafzimmer. Sein Blick fiel auf den Schreibtisch, der für seinen Geschmack viel zu aufgeräumt war. Der globale Waffenmarkt boomte, aber seine Auftragslage wurde zusehends schlechter. Wenn er alle Aufträge aus Libyen, dem Sudan, Malaysia und Georgien zusammenrechnete, kam er gerade mal auf läppische zehn Millionen Dollar. Seine Provision betrug zehn Prozent. Zunehmend gelangweilt blätterte er den Stapel mit den Auftragspapieren durch. Seine Tage als Waffenhändler waren gezählt, denn für seine Klienten war in seinem neuen Leben kein Platz mehr.
Er klappte den Laptop auf und loggte sich in sein Konto bei einer Privatbank in Genf ein. Das Guthaben auf dem Konto betrug neunzig Millionen Dollar. Voller Abscheu starrte er auf das rote Sternchen oben auf der Seite. In der dazugehörigen Fußnote stand: »Alle Guthaben auf diesem Konto wurden gemäß Gerichtsbeschluss 51223 bis auf Weiteres eingefroren. Bundesanwaltschaft, Bern.«
Noch am selben Tag, als Interpol Balfours Namen auf die Rote Liste setzte, hatte die Schweizer Regierung angeordnet, dass sein Konto eingefroren wurde. Auch auf seine Konten in anderen Ländern hatte er keinen Zugriff mehr. Die einzigen Gelder, die ihm noch zur Verfügung standen, waren die Provision aus dem Waffendeal mit Prinz Raschid und die Guthaben auf seinen Konten in Pakistan. Damit würde er nicht weit kommen. Alleine für Blenheim beliefen sich die monatlichen Kosten auf hunderttausend Dollar.
Balfours Gedanken kreisten um die Tatsache, dass das Blatt sich offensichtlich gegen ihn gewendet hatte und ihm die Früchte seiner harten Arbeit schlicht vorenthalten wurden. Aber so einfach würde er sich nicht geschlagen geben. Er hatte schon einen Plan. Wenn alles gut ging, würde er bereits in wenigen Tagen anonym und in Sicherheit viele unbeschwerte Jahre in dem gewohnt feudalen Stil, den er sich redlich verdient hatte, weiterleben können.
Siegesgewiss streifte er das Jackett ab und schlüpfte aus den Schuhen. Gut fünf Zentimeter kleiner, durchquerte er das Zimmer und öffnete die Doppelflügeltür zum Balkon. Ein grandioser Blick auf die Ausläufer und Gipfel des Hindukusch tat sich vor seinen Augen auf. Irgendwo dort oben war Emma Ransom. Sie hatte ihm über Funk mitgeteilt, dass sie bereits auf dem Weg zur Fundstelle des Marschflugkörpers waren. In ein paar Stunden würden sie mit dem Ausbau des Sprengkopfs beginnen.
Balfour drehte sich um und kehrte an seinen Schreibtisch zurück, wo er die oberste Schublade aufschloss. Ganz oben auf einem Stapel persönlicher Dokumente lag ein Foto des amerikanischen Marschflugkörpers. Wenn es seinem Team gelang, den Sprengkopf zu bergen und heil herunterzubringen, könnte er von dem Verkauf lange Zeit in Saus und Braus leben.
Nur noch dieser letzte Deal, und Ashok Balfour Armitraj, alias Lord Balfour, würde von der Bildfläche verschwinden. Sein Schönheitschirurg aus der Schweiz sollte schon in Kürze eintreffen und die Geburtsstunde des Count François-Marie Villiers einläuten.