8.

Der erste Tritt traf Emma in die Seite. Sie hörte, wie eine ihrer Rippen brach. Der nächste Hieb prallte gegen ihre Schulter, und dann attackierte Raschid sie von vorn. Er rammte ihr das Knie in den Magen, packte sie mit seinen starken, kampferprobten Händen an der Jacke und versetzte ihr ein paar Fausthiebe gegen die Brust, so wie Emma es selbst vor langer Zeit beim Nahkampftraining in Jasenewo gelernt hatte.

»Für wen arbeitest du? Die CIA? Das Pentagon? Du wirst auspacken, verstanden? Alles, was ich will, ist ein Geständnis. Bei meinem nächsten Gespräch werde ich General Iwanow die Wahrheit über dich erzählen.«

Wutentbrannt schrie ihr der Prinz die Worte ins Gesicht. Sein attraktives Gesicht war völlig verzerrt. Er hat nicht die leiseste Ahnung, wie man Menschen verhört, dachte Emma, während der Prinz sie wieder und wieder ins Gesicht schlug und an den Haaren zog. Wenn man jemanden zum Reden bringen will, muss man ihm Angst einjagen. Gewalt lässt Menschen verstummen. Doch dann wurde ihr klar, dass der Prinz gar nicht vorhatte, sie zu verhören, weil er die Antworten schon kannte. Sie zu verprügeln diente allein seinem Vergnügen.

Eine Stunde lang waren sie in die Wüste gefahren. Emma hatte gefesselt auf dem Beifahrersitz neben Prinz Raschid gesessen. Einmal hatte er angehalten, um etwas Luft aus den Reifen zu lassen. Danach waren sie querfeldein gefahren, vorbei an Sanddünen und sonnenverbrannter Erde. Irgendwann war die Fahrt zu Ende gewesen. Beim Aussteigen hatte Emma gesehen, dass ihnen zwei Wagen gefolgt waren. Etwa ein Dutzend Polizisten stiegen aus den Begleitfahrzeugen und bildeten auf dem ausgedörrten Boden einen Halbkreis um sie. Balfour war nicht unter ihnen. Emma erkannte nur ein vertrautes Gesicht in der Menge: die vermummte Gestalt und den durchdringenden Blick von Prinz Raschids Begleiter, für den die Waffenlieferung bestimmt gewesen war.

»Wer ist dein Auftraggeber?«, brüllte der Prinz. »Rede, und dann ist alles vorbei. Dein Tod wird kurz und schmerzlos sein.«

Emma hüllte sich in Schweigen, was den Prinzen nur noch mehr in Rage brachte.

»Du willst also nicht reden? Dann friss das!« Der Prinz nahm eine Hand voll Sand und stopfte ihn Emma in den Mund.

Emma wehrte sich mit Händen und Füßen und spuckte den Sand aus, so gut es eben ging. Einer der Polizisten riss ihr gewaltsam den Mund auf, und der Prinz stopfte händeweise Sand hinein. Emma spuckte und würgte, doch der Prinz machte ungerührt weiter.

»Feiner arabischer Sand für meine Möchtegern-Henkerin. Ich hoffe, das ist ganz nach deinem Geschmack.«

Emma konnte weder atmen noch schlucken. Verzweifelt wehrte sie sich und spuckte, um nicht zu ersticken.

Unvermittelt ließen ihre Peiniger von ihr ab. Emma rollte sich auf die Seite. Sie wusste, dass mindestens eine ihrer Rippen gebrochen war. Aber da war noch etwas anderes, Schlimmeres. Ein Schmerz in ihrem Inneren, den sie nicht zuordnen konnte.

»Seht sie euch an«, wandte sich Prinz Raschid mit ausgestreckten Armen an seine Männer. »Wisst ihr, was ich sehe? Eine Kuh. Eine fette, faule Kuh. Und wisst ihr auch, was fetten, faulen Kühen fehlt? Sie brauchen Bewegung.«

»Nein«, sagte Emma. »Das reicht jetzt.«

Wie ein Blitz zuckte ein unerträglicher Schmerz durch Emmas Körper, als ein elektrischer Viehtreiber sich in ihren Rücken bohrte.

Grinsend zog Prinz Raschid den Stock zurück. »Na also«, sagte er mit triumphierendem Blick. »Jetzt ist sie wieder hellwach. Sollen wir es vielleicht noch mal versuchen?«

Er bohrte ihr den Viehtreiber brutal in den Hintern, und der Gestank von verbranntem Fleisch erfüllte die Luft.

»Los, vorwärts, du amerikanische Nutte! Keiner deiner Freunde in Washington kann dir jetzt noch helfen. Sie haben dich geschickt, um mich zu töten, und sind kläglich gescheitert. Deine Zeit ist abgelaufen. Du hast versagt. Einen Prinzen zu töten ist nicht so einfach, wie es scheint.«

Wieder und wieder malträtierte Raschid sie mit dem Viehtreiber. Auf dem Bauch, den Oberschenkeln, den Brüsten. Emma versuchte zu schreien, doch aus ihrem Mund drang kein Laut. Durch die Elektroschocks versagten ihre Stimmbänder.

»Wer ist dein Führungsoffizier? Ich frage nur aus praktischen Gründen, damit ich weiß, wohin wir deine Leiche schicken sollen.« Schallendes Gelächter drang aus seiner Kehle, und seine Männer fielen in sein Gelächter mit ein. Nur der Klient des Prinzen verzog keine Miene. Er stand etwas abseits und starrte sie mit schwarzen Augen unverwandt an.

»Na, hat die Kuh genug? Was meint ihr?« Prinz Raschid drehte sich fragend zu seinen Männern um, doch keiner von ihnen wagte zu antworten. »Nein, ich bin ganz eurer Meinung«, sagte er schließlich. »Auf mich wirkt sie noch immer ziemlich träge. Ich denke, sie ist ganz wild auf eine kleine Tour durch unsere schöne Wüste. Zieht ihr die Kleider aus!«

Emma hatte kaum noch Kraft, sich gegen die Männer zu wehren, die an ihren Kleidern zerrten. Als sie splitternackt war, zog ihr einer der Männer die gefesselten Hände unsanft über den Kopf und befestigte eine schwere Kette an ihren Handschellen.

Aus zusammengekniffenen Augen sah Emma, wie der Polizist das andere Ende der Kette am Mercedes des Prinzen festmachte.

»Nein«, flehte sie und spürte, wie eine Welle der Verzweiflung in ihr aufstieg. »Bitte, ich …« Mühsam rappelte sie sich auf die Knie hoch, doch der Wagen des Prinzen setzte sich schon in Bewegung. Die Kette spannte sich, und Emma wurde zu Boden gerissen.

Langsam fuhr der Prinz durch die Wüste. Emma wurde über Felsen, Disteln, Wüstensträucher und grobkörnigen Sand gezogen, mit dem man Gegenstände hätte abschleifen können. Als der Schmerz übermächtig wurde, verlor sie das Bewusstsein. Doch es war noch nicht vorbei. Gegen ihren Willen tauchte sie aus dem Nebel des Vergessens wieder auf. Sie wusste nicht, wie oft sie ohnmächtig geworden war oder wie lang die Fahrt durch die Wüste gedauert hatte, nur dass der Prinz schließlich angehalten und jemand ihr die Handschellen abgenommen hatte.

Sie spürte einen Schlag auf der Wange und öffnete die Augen. Wie Tränen glitzerten die Sterne am Nachthimmel über ihr.

Hoch aufgerichtet stand der Prinz über ihr. »Wenn deine Freunde wirklich so gut über mich Bescheid wissen, werden sie bestimmt rausfinden, wohin ich dich gebracht habe. Die Frage ist nur, ob sie dich rechtzeitig finden, bevor die Sonne dir den Rest gibt, mein Täubchen.«

Emma blickte Raschid nach, als er in den Wagen stieg und davonfuhr. Das Geräusch der Wagen verlor sich in der Ferne. Dann war die Wüste vollkommen still.

Emma war allein.

Und dann setzten die Schmerzen ein. Stärker als alles, was sie bislang je erlebt hatte.

Emma presste die Hände auf ihren Bauch und begann zu weinen.