Einundsiebzig

Ollie öffnete seine Bürotür. Er ließ den Blick durch den Raum schweifen, in dem alle voller Eifer bei der Arbeit waren. Ein paar neue Gesichter entdeckte er auch in der Menge.

»Miz Martha, haben Sie R.C. erreicht?«, fragte Ollie.

»Nein, Sir.« Sie seufzte frustriert.

Ollie überlegte. Das Grundstück ist wirklich sehr abgelegen. Vielleicht funktioniert auch das Funkgerät nicht. Die Batterie könnte leer sein. Oder er hat es nicht mal eingeschaltet. Das würde R.C. ähnlichsehen.

»Schicken Sie Ricky hin. Er soll nachsehen, was los ist. Sicher kennt er nach den vielen Jahren als Wildhüter die Gegend wie seine Westentasche. Sagen Sie ihm, er soll nur nach R.C. Ausschau halten und sich dann melden. Keine Heldennummern.«

»Ja, Sir. Sheriff, der Hubschrauber ist in etwa zwanzig Minuten hier.«

»Hat er einen Suchscheinwerfer?«

»Davon war bisher nicht die Rede. Ich glaube nicht.«

»Ich auch nicht. Wir müssen also warten, bis es Tag ist.« Ollie warf einen Blick auf die Uhr. »Das dauert mindestens noch eine Stunde, würde ich sagen. Genau weiß ich es nicht. So früh stehe ich sonst nie auf.«

»Das kommt in etwa hin«, sagt Martha. Sie wusste genau, wann es hell wurde.

Als Ollie aufblicke, sah er Zach Beasley. Er hatte das Handy am Ohr und redete energisch auf jemanden ein. Ollie wandte sich wieder an Martha.

»Gibt es was Neues vom Krankenhaus?« Ollie nahm einen Schluck Kaffee.

»Alles unverändert. Tanners Zustand ist stabil und der Lady aus Mississippi geht es besser.«

»Mick wird bald hier sein. Ich glaube, er kennt sämtliche Personen, die irgendwie in die Sache verwickelt sind«, sagte Ollie mit einem Anflug von Resignation in der Stimme.

Martha griff nach dem klingelnden Telefon. Ollie sah Zach auf und ab gehen wie ein gefangenes Tier. Das Telefongespräch hatte er beendet. Die Eingangstür ging auf und Marlow stolzierte nach seiner Extradosis Medienaufmerksamkeit herein. Sein erster Weg führte zur Kaffeekanne. Er schenkte sich ein und nahm sich einen altbackenen Donut. Ollie sah Martha an. An ihrem Ton merkte er, dass es sich um ein wichtiges Gespräch handelte. Als er in sein Büro zurückgehen wollte, winkte sie ihm zu.

Ollies Telefon piepste. Er griff nach dem Hörer und setzte sich. »Sheriff Landrum.«

»Sheriff. Hier Bill Bracker vom FBI in Alabama. Über einen Freund habe ich vor ein paar Jahren jemanden kennengelernt, an den ich mich kaum noch erinnere. Ich habe damals bei den Rotariern gesprochen ... Also jedenfalls hat er mich gerade angerufen. Sein Name ist Zach Beasley. Er ist ziemlich außer sich. Was ist denn bei Ihnen los? Kann ich irgendwie helfen?«, fragte Bracker mit einem breiten Südstaatenakzent.

Ollie hatte das Gefühl, dass der Mann tatsächlich aufrichtig besorgt war. Deshalb erzählte er Bracker die ganze Geschichte von Anfang an und erklärte auch den Plan für den Sucheinsatz. Bill Bracker konnte ihm zusätzliche Leute zur Verfügung stellen, und Ollie brauchte jede Person, die er bekommen konnte. Dass Zach Beasley Bracker angerufen hatte, fand er nicht weiter schlimm.

»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Sheriff, schicke ich ein paar Leute aus Tuscaloosa und Birmingham zu Ihnen. Wenn ich früher von der Sache erfahren hätte, hätte ich auch ein paar Männer aus Montgomery im Hubschrauber mitschicken können. Es hört sich an, als hätten Sie die Suche gut geplant, und ich will mich nicht in ihr Territorium drängen. Wenn meine Leute ankommen, setzen Sie sie einfach so ein, wie Sie es für richtig halten. Wir bleiben in Verbindung. Das FBI in Alabama wird Sie gerne auf jede erdenkliche Art unterstützen.« Das Angebot war aufrichtig gemeint.

»Danke, Sir. Ich weiß das wirklich zu schätzen.«

»Da Marlow bei Ihnen ist, sind die Fernsehleute sicher auch schon da«, setzte Bracker leise lachend hinzu.

»O ja.«

»Der alte Geißbock liebt die Kameras, aber auf diese Art Ablenkung können Sie im Augenblick verzichten. Dass Ihnen die Medien auf die Finger schauen, muss nun wirklich nicht sein. Bleiben Sie am Ball! Meine Jungs sind unterwegs. Und ich bin nur einen Anruf weit entfernt. Ich gebe Ihnen meine Privatnummer. Bitte halten Sie mich auf dem Laufenden.«

»Ja, Sir. Und vielen Dank noch mal.« Ollie notierte sich die Privatnummer des höchsten FBI-Vertreters des Staates Alabama.

»Kein Problem. Viel Glück, Sheriff.«