Vierzig

Je mehr Ethan »Moon Pie« Daniels darüber nachdachte, dass seine Freundin im Netz surfte, desto wütender wurde er. Er traute Sheree nicht, konnte aber auch nicht ohne sie leben. Was immer sie anstellte und mit wem – wenn sie wiederkam, gab er ihr jedes Mal noch eine Chance.

Umsichtig fuhr er durch Aliceville und den Alabama Highway 17 entlang. Das Wimmern und Schluchzen hinten im Wagen riss nicht ab, aber er hörte gar nicht hin. Wenn es sein musste, war Moon Pie kalt wie Eis, und so etwas wie Reue kannte er nicht. Dank dieser Kombination war er zu allem fähig.

Moon Pie dachte über ein neues Medikament nach, von dem er gehört hatte: Ketaset. Man benutzte es, um Bären zu betäuben. Das faszinierte ihn. Angeblich konnte man damit einen ausgewachsenen Bären komplett ruhigstellen. Gleichzeitig sah und hörte das Tier alles, was ringsherum passierte. Tierschützer verwendeten das Mittel, um Bären, die ihre Angst vor Menschen verloren hatten, in einen Dämmerzustand zu versetzen. Bislang hatte man solche Problembären immer zum Abschuss freigegeben, doch die neue Technik funktionierte hervorragend. Die Biologen verdroschen den unter Drogen stehenden Bären ganz einfach und jagten ihm damit eine Heidenangst vor Menschen ein. Moon Pie wollte unbedingt etwas von dem Zeug in die Finger bekommen. Beim Gedanken daran, was er mit den Cyber-Liebhabern seiner Freundin anstellen würde, während sie hilflos und bewegungsunfähig zusehen mussten, lächelte er.

Ich wünschte, ich hätte schon jetzt etwas davon. Dann könnte ich es bei der Heulsuse hinten im Wagen gleich ausprobieren. Sobald ich mit diesem kleinen Projekt hier fertig bin, besorge ich mir das Ketaset.

Er konnte sich recht gut vorstellen, was mit dem Schmuckstück, das er im Wagen hatte, passieren würde. Er hoffte, dass für ihn auch ein bisschen Spaß drin war. Aber das Kommando führte Reese, und Moon Pie würde tun, was er verlangte. Dass Johnny Lee tot war, konnte er noch immer nicht fassen. Das brachte einige seiner Pläne gewaltig durcheinander. Er und Johnny hatten gerade mit dem Drogentransport auf dem Tombigbee River anfangen wollen – von Mobile, Alabama ins nördliche Mississippi und Alabama und dann weiter nach Tennessee. Monatelang hatten sie an dem ausgeklügelten Plan gefeilt. Johnny Lee hatte den Mumm, die Lieferungen zu übernehmen. Moon Pie hatte die Kundschaft. Johnny Lees Tod brachte alles durcheinander, aber Reese würde vermutlich übernehmen und das Projekt weiter vorantreiben wollen. Moon Pie konnte dabei einen Haufen Geld machen – allerdings nicht alleine. Deshalb war es ihm sehr wichtig, bei Reese Eindruck zu schinden.

Moon Pie fuhr direkt zu Johnny Lees Wohntrailer. Im Rückwärtsgang steuerte er den Wagen zur Eingangstür und sah sich erst einmal eingehend um. Am Rand des Vorplatzes pinkelte er auf einen Stapel alter Reifen, der schon seit Jahren dort lag. Er zündete sich eine Zigarette an, dann beschloss er sich die Frau noch etwas genauer anzusehen. Sie hatte sich zu einem festen Ball zusammengerollt; er sah die Angst in ihren Augen. Mit den Händen strich er über ihre nackten Beine und erklärte, sie müssten dringend mal wieder rasiert werden. Als würde mich das stören. Sie versuchte zu schreien. Moon Pie nahm einen tiefen Zug von der Zigarette und blies ihr den Rauch ins Gesicht. Sie starrten einander in die Augen. Er bewegte sich erst wieder, als sie wegsah, schloss die Wagentüren und schaute nach, ob der Wohntrailer-Schlüssel auch dort war, wo er sein sollte.

Moon Pie schloss die Tür auf. Als er Licht machte, flohen zwei Kakerlaken in dunkle Ritzen. Überall stapelten sich leere Pizzaschachteln und Bierdosen. Die Aschenbecher quollen über. Zwischen all dem Müll blieb kaum Platz zum Gehen. Noch schlimmer sah es in der Küche aus. Anscheinend hatte seit Monaten kein Mensch Geschirr gespült.

Ein Stück den Flur entlang entdeckte er ein kleines Schlafzimmer, in dem genügend Platz war, um die Frau auf den Boden zu legen. Er ließ das Licht an und ging sie holen. Auf dem Weg nach draußen zählte er ein Dutzend leerer Crown-Royal-Whiskeyflaschen und grinste. »Johnny hatte schon immer einen guten Geschmack.«

»Puh«, sagte er laut, als er wieder draußen war. »Die Kiste mieft vielleicht.«

Moon Pie trug die Frau hinein. Als er sie auf den Boden legte, zitterte sie am ganzen Körper. Einen Moment lang dachte er darüber nach, ob er ihr das Shirt vom Leib schneiden sollte, beschloss aber zu warten. Er ging in die Hocke, sah ihr noch einmal in die Augen, lächelte sie an und formte einen Kussmund, bevor er aufstand und ging. Das Licht schaltete er aus.

»Ich bin bald wieder da und bringe noch ein paar Freunde mit. Dann steigt hier eine kleine Party«, raunte er, lachte und schloss die Tür.

Im Zimmer war es stockdunkel. Ihre Hände und Knöchel waren gefesselt, ihr Mund zugeklebt. Je mehr sie weinte, desto schwieriger wurde es, Luft zu bekommen. Sie wusste, dass diese Kerle sie vergewaltigen würden, und verlor endgültig die Beherrschung. Urin und Tränen sickerten in den schmutzigen braunen Teppich.