Neununddreißig

R.C. legte sich im Streifenwagen gemütlich zurück und spuckte in eine grüne Flasche. Er hörte, wie Ollie Larson sagte, er sei unterwegs. Die Dummy Line ließ er nicht aus den Augen. Als Ollie neben ihm hielt, kurbelte er das Fenster herunter.

»Irgendwas gesehen, Chief?«, fragte er.

»Nein. Ich fahre jetzt zu Larson. Er klang ziemlich aufgeregt. Komm, folg mir!«, sagte Ollie hektisch und gab schon wieder Gas. So schnell, wie er losgefahren war, trat er wieder auf die Bremse. »Hey, falls Schlüssel im Truck sind, nimm sie mit.«

Sobald er sicher war, dass R.C. ihn verstanden hatte, brauste er davon. Ollie hoffte, dass Larson keine Leiche entdeckt hatte. Beim Gedanken, Larson hätte hinausposaunen können, er habe eine vergewaltigte und verstümmelte weibliche Person aufgefunden, schüttelte er sich. Ollie schaltete das Blaulicht an und heizte dem Expedition richtig ein.

R.C. stieg aus, rannte zum Jeep und zog die Schlüssel ab. Dann warf er einen Blick in den Truck. Keine Schlüssel im Zündschloss. Er eilte um den Wagen, öffnete die Fahrertür und fand, was er suchte, auf dem Fußboden. Zufrieden warf er die Schlüssel des Trucks und des Jeeps auf den Beifahrersitz des Streifenwagens und fuhr los. Ollie war bereits außer Sichtweite, aber R.C. war ihm auf den Fersen.

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Larson wusste vor Aufregung über den Waffenfund nicht, was er sonst noch tun sollte. Er rief Shug zu sich. Der Hund blickte nicht einmal auf.

»Verdammt, Shug. Hierher!«, brüllte er.

Schließlich stapfte Larson zu dem Hund, leinte ihn an und schleifte ihn zurück zum Streifenwagen. Er band ihn an der hinteren Seitentür fest und lehnte sich an das Fahrzeug. Shug zerrte an der Leine. Als er nicht mehr weiterkam, setzte er sich und fing wieder an, sich zu lecken.

»Hör auf, dir die Eier zu lutschen, Shug!«, sagte Larson, als könne der Hund ihn verstehen. »Du musst dich mehr wie ein Polizeihund benehmen. Das ist unsere große Chance.«

Larson griff durchs Fenster auf der Beifahrerseite, schnappte sich die Burger-King-Tüte und bestaunte die Pistole. Die ist riesig! An den Wagen gelehnt, hörte er einer Nachtschwalbe zu und wartete.

Bald hörte Larson die Geräusche zweier Fahrzeuge, die sich ziemlich schnell näherten. Er pinkelte vor Aufregung fast in die Hose und legte sich rasch eine Geschichte zurecht, in der Shug so heldenhaft wirkte wie der berühmte Filmhund Rin Tin Tin.

Schlitternd kam Ollies Wagen zum Stehen. R.C. schlingerte dicht hinter ihm um die Kurve. Als Ollie Martha über Funk seinen Standort durchgegeben hatte, stand R.C. bereits neben ihm.

Larson vergaß vor lauter Anspannung sämtliche Einzelheiten seiner erfundenen Geschichte. Er hielt nur einfach die Tüte hoch und rief: »Seht mal, was ich ... ich meine, was Shug gefunden hat!«

»Eine Tüte Hamburger?«, säuselte R.C.

»Nein, eine Waffe. Eine Pistole. Und mit ihr wurde geschossen!«

»Er hat eine Pistole in einer Burger-King-Tüte gefunden?«, fragte Ollie.

»Nein.« Larson war alles andere als glücklich. Vage deutete er auf die Stelle im Gras, wo die Waffe gelegen hatte. Ollie glaubte, er zeige aufs Clubhaus.

»Larson, das hier ist ein Jagdcamp. Sag mir also jetzt bitte nicht, dass er die Pistole im Waffenschrank des Clubhauses aufgespürt hat!«

»Nein, nein, nein. Wir haben sie dort drüben im Gras entdeckt!«, sagte Larson mit Nachdruck.

Er zog die riesige Pistole aus der Papiertüte und hielt sie hoch. Wieder hatte er dazu seinen Bleistift durch den Abzugsbügel gesteckt, damit die Fingerabdrücke erhalten blieben, die Shug noch nicht weggeleckt hatte.

»Wow!«, rief Ollie.

Larson wollte fast platzen vor Stolz. »Und mit dem Ding wurde kürzlich geschossen«, verkündete er.

Ollie beugte sich vor, roch an der Mündung und nickte.

R.C. tat dasselbe. »Riecht nach Hamburger, wenn ihr mich fragt.«

Larson ignorierte ihn.

»Gut gemacht, Larson! Endlich hat der Hund mal was geleistet«, sagte Ollie.

»Ja, ja, ja. Ganz prima«, sagte R.C. sarkastisch.

»Das könnte eine wichtige Spur sein. Also nimm die Sache gefälligst ernst«, ermahnte ihn Ollie.

»Sorry.« R.C. schaute sich die Pistole noch einmal an.

»Wie erklärst du dir das alles, Ollie? Hat das, was am Tor passiert ist, etwas mit dieser Waffe zu tun und mit dem, was hier im Camp vorgefallen ist?« R.C. machte eine rudernde Armbewegung, mit der er die gesamte Fläche vor dem Clubhaus einschloss.

»Keine Ahnung ... Ich sehe die Verbindung nicht. Eigentlich würde ich von einer Aneinanderreihung seltsamer Zufälle ausgehen. Aber jetzt ... Wir wissen einfach nicht, was hier los war.«

Ollie nahm Larson vorsichtig die Pistole ab und öffnete die Trommel. Das Risiko, dabei Fingerabdrücke zu verwischen, musste er eingehen. Und tatsächlich, im Zündhütchen war eine Delle. Er schloss die Trommel, atmete tief durch und sagte: »Okay, es geht nicht mehr anders. Ich fordere Verstärkung an. Wir müssen das Mädchen finden.«

R.C. und Larson nickten.

»Kennen Sie Johnny Lee Grovers Adresse, Larson?« Ollie sah den Deputy kurz nachdenken und dann langsam nicken. »Fahren Sie zu seinem Wohntrailer und sehen Sie nach, ob er dort ist. Keine Anschuldigungen. Ich will nur wissen, wo er ist. Also los!«, befahl Ollie.

»Ja, Sir!« Larson sprang in den Streifenwagen.

»R.C., du erinnerst dich, was beim letzten Mal passiert ist, als ich die Häuptlinge zusammengetrommelt habe. Aber ich sehe keine andere Möglichkeit. Du vielleicht?«

»Nein, Chief. Und ich stehe hundertprozentig hinter dir ... falls dich das irgendwie beruhigt.«

»Ich denke, wir schlagen hier im Camp unsere vorläufige Kommandozentrale auf.«

Sie beobachteten, wie Larson nach fünfundzwanzig Metern zügiger Fahrt auf die Bremse stieg, aus dem Wagen sprang, zur Beifahrerseite rannte und dort einen ebenso erschöpften wie verwirrten Deutschen Schäferhund losband und auf den Rücksitz verfrachtete. Larson tat, als sei nichts weiter geschehen. Er sah sich kein einziges Mal zu Ollie und R.C. um.

Lachend schauten die beiden sich an.

»Ich muss ein paar Leute anrufen.« Ollie ging zu seinem Wagen.

»Ja, Sir, Chief. Und ich gebe die Seriennummer der Pistole durch und lasse den Eigentümer feststellen.«