Siebenundsechzig

Der Pilot des Hubschraubers, Hauptmann im Ruhestand Captain Joe Wilson, traf fünfundvierzig Minuten, nachdem er den Anruf erhalten hatte, auf dem Dannelly-Field-Flugplatz in Montgomery, Alabama ein. Im Hangar befand sich keinerlei Personal, das ihm bei den Flugvorbereitungen behilflich sein konnte. Wenn Jeffrey, seine Bodencrew, nicht bald auftauchte, würde er alles alleine machen müssen. Dieses Leben war fast so übel wie das eines Firmenpiloten, aber nicht ganz so schauderhaft wie das eines Fluglehrers. Wilson hatte seine Laufbahn als Hubschrauberfluglehrer in Fort Rucker, Alabama vor drei Jahren beendet. Der derzeitige Gouverneur, ein enger Freund, hatte ihn sofort als Piloten für seinen neuen Bell Ranger eingestellt. Die Maschine war auf dem neuesten Stand der Technik und bot jede Menge Luxus. Weil sie nahezu überall landen konnte, war sie ideal für Touren von einem Lokaltermin zum nächsten.

Captain Wilson wusste, dass dieser Einsatz weitaus wichtiger war, als den Gouverneur und dessen Kinder zum Strand zu fliegen. Wegen der Geschichte mit dem Hirsch vor ein paar Jahren war er kein Fan von Sheriff Marlow, aber er sehnte sich nach einer echten Krise. Wilson war immer noch durch und durch Soldat. Die zivile Luftfahrt langweilte ihn.

»Mach schon, Jeffrey. Wo zum Teufel steckst du denn? Setz deinen Arsch in Bewegung!«, sagte Wilson laut. Er löste die Haltegurte und stieg in den Hubschrauber. Der Vogel war vollgetankt. Wilson überprüfte die Instrumente und die Elektronik. Schließlich studierte er die Flugkarte der Gegend um Livingston. Im Grunde muss ich mich immer nur in westlicher Richtung halten. Dürfte kein Problem sein. Er programmierte die Koordinaten in das GPS ein. Kleinigkeit.

»Jeffrey, du unfähiges, nutzloses Stück ...«, murmelte Wilson und startete den Ranger. Die Rotoren fingen an sich langsam zu drehen. Er brauchte jemanden, der seinen Flugplan kannte, und es schadete nie, wenn ein zweites Paar Augen sich alles noch einmal ansah. Er zurrte den Kinnriemen an seinem Helm fest und schnallte sich an. Als er aufblickte, sah er Jeffrey zum Hubschrauber rennen. Der Wind der Rotoren zerzauste sein Haar.

»Was soll ich machen?«, brüllte Jeffrey.

»Mach einen Plan für einen Flug nach Livingston, Alabama und kontrolliere kurz noch mal alles. Schnell!«, schrie Wilson zurück.

Jeffrey rannte um die Maschine und war nach dreißig Sekunden fertig. Wilson schüttelte nur den Kopf. Was soll das denn für eine Inspektion sein? Dieser Knabe schafft es nie zum Militär. Drauf geschissen. Es muss reichen. Als Jeffrey wieder vor dem Fenster stand, hob Wilson den Daumen.

»Kümmere dich um den Flugplan! Sofort. Ich fliege zu einem Such- und Rettungseinsatz. Also sorg dafür, dass ich nicht für irgendwelchen Mist zurückbeordert werde!«

»Ja, Sir!«, formte Jeffrey mit den Lippen. Er ahmte einen militärischen Gruß nach und zog sich dann rückwärts und gebückt von dem Vogel zurück.

Während einer letzten raschen Instrumentenkontrolle ließ Wilson den Motor seiner starken Maschine aufjaulen, hob dann die Daumen und ließ den Helikopter in die Luft steigen. So lebendig hatte er sich seit zwanzig Jahren nicht mehr gefühlt. Endlich eine sinnvolle Mission.

Jeffrey stand im Rotorenwind und fragte sich, warum er an seinem freien Tag so früh hatte aufstehen müssen.