Achtzehn

Langsam fuhr Mick Johnson aus dem Camp. Er versuchte sich zusammenzureimen, was in den letzten Stunden geschehen sein konnte. Jake hatte er vor acht Jahren bei einem Bankett der National Wild Turkey Federation in Birmingham kennengelernt, bei dem sich Truthahnfreunde aus der ganzen Umgebung getroffen hatten. Sie hatten sich auf Anhieb gut verstanden und waren seither jedes Jahr gemeinsam auf Truthahnjagd gegangen. Jake war zehn Jahre jünger als er und ein wirklich netter Kerl, hatte aber in letzter Zeit ziemlich viel Stress in seinem Job. Mick war nicht entgangen, dass er sich verändert hatte. Im letzten Jahr hatte Jake sogar angedeutet, dass er daran dachte, die Branche zu wechseln. Mick wurde klar, wie sehr er Jake mochte und wie lange es her war, dass sie sich einfach nur unterhalten hatten. Er nahm sich fest vor, ihn bald auf ein paar Bier und Steaks einzuladen. Die Ungewissheit machte ihm zu schaffen. Saß Jake tatsächlich in irgendeiner Bar, trank und spielte Karten? Oder hatte er ein ernstes Problem und brauchte Hilfe?

Auf dem Highway 17 fuhr Mick rechts ran und suchte in seinem Handy nach Jakes Festnetznummer. Dann drückte er die Anruftaste, brach den Versuch aber ab, bevor es klingelte. Es ist Viertel nach zwei morgens. Das kann ich nicht machen. Nach einem langen Blick auf die Uhr entschloss er sich, am Bama Jama Club vorbeizufahren, einer Kneipe in der Nähe. Im Hinterzimmer wurde gelegentlich ein bisschen gepokert. Mick hatte gehofft, der Sheriff würde sich mehr ins Zeug legen. Doch andererseits – was konnte er groß machen? Eigentlich war Mick sich sicher, dass Jake nicht in der Kaschemme hockte. Trotzdem betete er, dass sein Freund dort war. Er fuhr auf den leeren Highway zurück und machte sich auf den Weg zu der Bar.

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Ollie Landrum suchte auf sämtlichen Sendern nach schöner, wohltuender Musik, die er kannte. Rap hasste er; er verstand die Texte einfach nicht. Country Musik mochte er auch nicht. Zu metallisch. Dafür liebte er Otis Redding und Blues. Das nannte er Musik! Angewidert schaltete er das Radio aus. Er fand einfach nichts, was ihm gefiel. Über Funk sagte er Martha, dass er auf dem Nachhauseweg war. Hoffentlich stellt sich alles als harmlos heraus.

Dass die Jagd in diesem County ein wichtiger Wirtschaftsfaktor war, wusste Ollie. Er selbst konnte sich allerdings nicht dafür begeistern. Als Jäger musste man viel zu früh aufstehen. Einmal war er mit seinem Gefängnisaufseher und ein paar Leuten aus der Gegend auf Kaninchenjagd gegangen. Aber dieser eine Versuch hatte ihm gereicht. Zwar konnte man sich nebenher ganz gut Footballspiele anhören, aber das ging zu Hause bequemer. Samstags sah Ollie sich immer alle Spiele an, besonders die der Southeastern-Conference-College-Liga. Sie erinnerten ihn an seine glorreichen Zeiten. Eine Karriere in der National Football League war bereits zum Greifen nahe gewesen, als ein Oklahoma Tight End ihn auf übelste und eigentlich unerlaubte Weise abgeblockt und sein rechtes Knie damit genauso kaputt gemacht hatte wie seine Träume.

Anstatt sich auf die Sonntagsspiele vorzubereiten, hatte er bei seinem Jagdausflug ein Dutzend kläffende und zum Himmel stinkende Beagles durch die Gegend geschleppt und ab und an auf ein Kaninchen geschossen. Doch die meiste Zeit hatten sie nur geredet – Jägerlatein –, Essen in sich hineingestopft, das er daheim nie angerührt hätte, und dabei den Hunden zugehört. Vielleicht wollten Jäger einfach nur mal zu Hause raus und eine Pause vom täglichen Einerlei. So etwas konnte er durchaus verstehen.

Ollie hoffte, dass er einen entspannten Tag vor sich hatte. Seine Frau fuhr mit einer Kindergruppe ihrer Kirche ins IMAXKino nach Birmingham, wo gerade ein National-Geographic-Film lief. Er hörte bereits den Lockruf der Kunstledercouch. Und morgen stand Talladega auf dem Programm, das große NASCAR-Rennen, das immer Hunderttausende Verrückte aller Art anzog. Am meisten Sorgen machten Ollie die Redneck-Fans, und er war dankbar, dass das Rennen nicht in seinem County stattfand. Ollie und die Jungs saßen lieber mir ein paar Bier vor dem Fernseher und schauten sich das Rennen in aller Ruhe an. Er selbst war genau einmal in Talladega gewesen, aber für seinen Geschmack gab es dort zu viele Betrunkene, zu viele Schlägereien und zu viele durchgeknallte Weiße, die die Zeit am liebsten zurückgedreht hätten. Zu Hause konnten er und seine Kumpels das Rennen genießen, nebenher ein paar Rippchen auf den Grill legen und dabei die Fahrer anfeuern, als würden die sie hören.

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R.C. blieb ein paar Minuten länger als die anderen. Er hatte sich noch nicht alle Mädchen genau angeschaut. Schließlich löschte er die Lichter und hinterließ das Camp so, wie er es vorgefunden hatte. Außer zwei Cokes fehlte nur ein ziemlich freizügiger Kalender, der in einem Fach über dem Kühlschrank versteckt gewesen war. Vom Streifenwagen aus sagte er Martha über Funk, dass er nun nach Hause fahren würde. Auf einem AM-Satellitenkanal fand er eine Talksendung, konnte sich aber nicht wirklich für das Gejammer über die US-amerikanische Militärpräsenz im sogenannten Sandkasten Irak erwärmen. Er überlegte, ob er Chastity anrufen und ihr sagen sollte, dass er gerade Dutzende Mädchenkalender studiert hatte und dass sie definitiv alles hatte, was ein Bunny brauchte. Aber sie konnte neben der Arbeit nicht telefonieren. Zumindest sagte ihm das der Türsteher immer, wenn er anrief. Ich sage es ihr morgen Abend einfach persönlich.

R.C. langweilte sich. Anstatt sich direkt auf den Heimweg zu machen, wollte er noch ein paar alte Schotterpisten abfahren. Wenn es bloß nicht so spät und Hooters nicht eine Stunde entfernt wäre. Mann, ich könnte jetzt zwanzig extrascharfe Wings verdrücken. Die wogenden Dekolletés, die knackigen Hintern und die winzigen ärmellosen Hemdchen der Bedienungen bei Hooters waren einfach unwiderstehlich. Dank seiner Diät aus Chickenwings und Bier legte er jedes Jahr fast fünf Kilo zu.

Er nahm sich eine ordentliche Portion von seinem Copenhagen-Kautabak und suchte unter dem Fahrersitz nach einer leeren Plastikflasche, in die er den Saft spucken konnte. Als er eine gefunden hatte, klemmte er sie sich zwischen die Oberschenkel und gab Gas.