Siebenunddreißig

Mick ließ seinen Wagen langsam über den Parkplatz des Bama Jama Night Club rollen. Einige Trucks der örtlichen Rednecks erkannte er. Dieses vornehme Etablissement hatte eine ganz bestimmte Stammkundschaft – es waren dieselben Leute, die spätnachts die Billardhallen bevölkerten. Jakes Wagen konnte Mick nirgends entdecken. Er fuhr noch ein zweites Mal über den Parkplatz und hielt dabei Ausschau nach Kennzeichen aus Mississippi. Vielleicht hat er ja einen neuen Truck. Blöder Gedanke. Jake ist nicht hier. Er pokert nicht um hohe Einsätze und würde mich ganz sicher nicht anrufen, weil ihm das Geld ausgegangen ist. Als Mick wieder in die Straße einbiegen wollte, zischte ein Wagen mit sicher fünfundachtzig Meilen die Stunde an der Ausfahrt vorbei. »Herr Jesus! Das war knapp!«, schrie Mick dem Idioten am Steuer hinterher. »Diese ganze Situation ist völlig verrückt.« Er atmete tief durch. »Ich verstehe überhaupt nichts mehr.«

Bevor Mick auf die Straße zurückfuhr, schaute er vorsichtig in beide Richtungen. Dann machte er sich auf den Heimweg. Er wollte sich hinsetzen und nachdenken. Seine Frau konnte ihm vielleicht dabei helfen.

Was hatte er eigentlich gehört? Er erinnerte sich an die Worte Mick, Jake, Club und töten. Und er glaubte, Notfall verstanden zu haben. Aber vielleicht hatte er sich das nur eingebildet. Die Telefonverbindung war furchtbar schlecht und er nicht ganz wach gewesen. Hatte es einen Jagdunfall gegeben? Aber doch nicht so spät nachts! Der Gedanke, dass ein abgeschossener Vogel für Jake oder irgendeinen anderen leidenschaftlichen Truthahnjäger ein Notfall sein könnte, brachte ihn zum Grinsen.

Nach und nach kroch Nebel in die Senken. Beim Einbiegen in seine Einfahrt fiel Mick auf, dass die Nacht sternenklar war. Er ließ die Heckklappe herunter, damit Beau von der Pritsche springen konnte.

»Gute Nacht, Beauregard. Bis morgen früh.«

Mick ging ins Haus. Beau sah ihm schwanzwedelnd hinterher. Dann tapste er zu seiner Ecke auf der Veranda, drehte sich dreimal im Kreis und legte sich auf sein Hundebett mit Tarnmuster und Monogramm.

Micks Frau war noch wach und wartete auf ihn. Ihre beiden Kinder schliefen tief und fest. Sie zappte zwischen CNN und dem Wetterkanal hin und her. Als sie ihn an der Tür hörte, stand sie auf.

»Und? Was war los?«, fragte sie.

Mick hängte seine Jacke auf. »Nichts. Ollie meint, vermutlich sei alles ganz harmlos. Er will bis etwa acht Uhr warten, dann bei Jake zu Hause anrufen und der Sache nachgehen.«

Mick ließ sich auf einen Küchenstuhl nieder und fuhr sich durchs Haar.

»Ich weiß nicht ... Ich weiß nicht genau, was ich gehört habe.«

»Was ist mit dem Blut?«

»Ollie sagte, es könnte sich um Truthahnblut handeln.«

»Ach? Daran habe ich gar nicht gedacht«, sagte seine Frau. Anscheinend hatte sie sich deswegen tatsächlich Gedanken gemacht.

»Gehst du heute wieder bei Tagesanbruch jagen?« Sie faltete den Quilt zusammen, den sie benutzt hatte.

»Ja ... Ich glaube, ich schlafe jetzt lieber noch ein bisschen. Vielleicht eine Stunde oder so.« Wieder fuhr Mick sich durchs Haar.

»Alles in Ordnung mit dir?« Sie legte den Quilt ans Ende der Couch.

»Ja. Ich verstehe das alles bloß nicht. Im Camp brannten die Lichter ... sogar das Heizgerät war an ... aber weit und breit kein Jake. Das passt doch nicht zusammen.«

»Nimmt Ollie die Sache ernst?«

»Ich denke schon ... Immerhin sind er und R.C. den ganzen Weg zum Camp hinausgefahren und haben sich dort umgesehen. Die zwei werden schon wissen, was richtig ist.«

»Sie kennen Jake nicht.«

Mick sah seine Frau an. Sie hat recht. Aber was hätte ich machen sollen? Im Moment kann ich mich nur ins Bett legen und hoffen, dass sich morgen früh alles aufklärt.

»Ich bin zu müde für diesen ganzen Kram. Ich schlafe jetzt erst mal.«

»Angeblich wird es ein kalter, klarer Morgen. Und am Montag regnet es. Der Präsident macht Urlaub in Camp David und die Börse sieht nicht besonders vielversprechend aus«, verkündete Micks Frau im Ton einer Fernsehansagerin.

Mick blieb stehen, sah sie an und sagte: »Komm, Schatz. Wir gehen ins Bett.«