Neunundvierzig

»Wie geht es Ihrem Knöchel?«, fragte Jake Elizabeth, als sie ihn einholte.

»Es wird schlimmer, Mr Crosby«, wimmerte sie. »Ich kann fast nicht mehr auftreten.«

Jake setzte Katy ab, ging in die Hocke und sah sich Elizabeths Knöchel an. Er hatte die Größe einer Grapefruit und fühlte sich heiß an. Sie musste mörderische Schmerzen haben. Er zog ihr den Schuh aus und suchte in der Jagdweste nach seinem Taschenmesser. Dann entfernte er die Schuhbänder und schnitt die Zunge aus dem Schuh. Auch den Bereich um den Knöchel trennte er ab. Der Schuh würde nun nur noch die Seiten und die Sohle ihres Fußes bedecken. Jake hoffte, dass er immer noch fest genug saß und nicht abfiel.

Rasch stand er auf und entlud sein Jagdgewehr so leise wie möglich. Eigentlich war ihm das zuwider, aber ihm fiel nichts Besseres ein. Er ließ die Patronen in eine leicht zugängliche Tasche gleiten. Anschließend löste er das Sitzkissen von seiner Jagdweste und ließ es zu Boden fallen. In einer hinteren Tasche der Weste fand er seinen alten Primos-Truthahnflügel, an dem eine zwei Meter lange Fallschirmleine befestigt war, damit er ihn nicht einfach vergaß, wenn es bei der Jagd mal hoch herging.

Die Mädchen sahen schweigend zu.

»Halten Sie den Kolben fest, Elizabeth.« Jake drückte die Mündung des Gewehrs in das Kissen. Mit beiden Händen legte er es um den Lauf und band es mit der Fallschirmleine daran fest. Er zog die Leine durch die ventilierte Laufschiene, damit das Kissen nicht herabgezogen wurde, wenn es im Schlamm stecken blieb.

»Okay. Jetzt haben Sie eine Krücke«, sagte er stolz. »Klemmen Sie sich den Gewehrkolben unter die Achsel. Der Lauf dürfte nicht allzu tief einsinken, dazu ist das Kissen zu breit. Sehen Sie?« Elizabeth musste sich ein klein wenig vorbeugen, aber abgesehen davon hatte sie nun eine recht passable Krücke. Wenn es sein muss, kann ich durch das Kissen schießen.

»Cool, Dad«, sagte Katy stolz.

»Danke, Mr Crosby. Mit Krücken bin ich schon öfter gelaufen. Aber was ist, wenn Sie ... Sie wissen schon.« Sie testete die Stütze.

»Dann müssen Sie mir das Gewehr ganz schnell geben. Und Achtung, es ist sehr, sehr wichtig, dass das Kissen auf der Mündung bleibt. Wenn es wegrutscht und der Lauf sich mit Dreck füllt, kann ich nicht schießen. Okay?«

»Ja, Sir.«

»Darauf müssen Sie unbedingt achten.«

»Ja, Sir.«

Jake beugte sich vor, Katy sprang auf seinen Rücken und sie marschierten weiter. Nach ein paar Schritten sah Jake sich nach Elizabeth um. Jetzt kam sie deutlich schneller voran. Jake betete, dass das Kissen halten würde.

Nachdem das Trio eine weitere Viertelmeile zurückgelegt hatte, glaubte Jake ein Geräusch gehört zu haben. Durch das viele Jagen war sein Gehör nicht besser geworden. Das galt besonders für sein rechtes Ohr. Er drehte sich zu dem Geräusch um.

»Pssst«, flüsterte er den Mädchen zu.

Da war es wieder – ein hohes Piepsen. Jake nahm an, dass es von einem Funktelefon stammte. Ist das der Sheriff? Ist es die Polizei oder sind es die verdammten Verrückten? SHIT! Wieder packte ihn die Angst. Angestrengt horchte er in die Nacht. Plötzlich piepte es erneut. Vielleicht zweihundert Meter entfernt auf der anderen Seite des Kahlschlags. Wer immer das Geräusch verursachte, er verfolgte ihn und die Mädchen. Und war ihnen dicht auf den Fersen.

»Kommt weiter, Mädchen. Von jetzt an müssen wir besonders leise sein«, flüsterte er ihnen beschwörend direkt ins Ohr. Was er gehört hatte, sagte er ihnen nicht. Er wollte sie so wenig wie möglich belasten.

Katy klammerte sich mit aller Kraft an ihm fest und Jake behielt das Kissen immer im Auge. Er musste Elizabeth zur Eile drängen, damit sie zügiger vorankamen. Aber sie gab bereits alles. Die Krücke erleichterte ihr das Vorankommen beträchtlich, sobald sie einmal den Rhythmus gefunden hatte. Und Jake überlegte sich jeden Schritt genau, damit sie möglichst wenig Spuren hinterließen.