Große Erwartungen

Die Ankunft der westdeutschen Beamten wurde in den ostdeutschen Verwaltungen mit Spannung erwartet. Sie waren sozusagen die menschlichen Pendants zur D-Mark-Umstellung und die bewunderten Repräsentanten einer Währung, für die man all das kaufen konnte, was es zu DDR-Zeiten nicht gab. Das alte Leitungspersonal hatte bereits die Schreibtische geräumt. Einige verloren wegen ihrer Mitarbeit beim Überwachungsapparat die Arbeit, andere wurden – in der Umbruchzeit war so etwas möglich – wegen Unfähigkeit ihrer Position enthoben. Oftmals wurden aber auch fähige Führungskräfte wegen des absurden Vorwurfs allzu großer Staatsnähe aus öffentlichen Ämtern gedrängt. Die Betroffenen sind nie wieder rehabilitiert worden. Nur wenige haben beruflich wieder festen Boden unter die Füße bekommen, die meisten mussten sich mit Tätigkeiten über Wasser halten, die weit unter ihren Fähigkeiten und ihrer beruflichen Qualifikation lagen. Ihre Funktionen haben Westdeutsche und ostdeutsche Wendegewinner übernommen, die aufgrund ihres politischen Engagements den unmittelbaren Zugriff auf die staatlichen Verwaltungen hatten. Ansonsten drängten sich Ostdeutsche nicht unbedingt in den Vordergrund. Den meisten fehlte der Hang zur Selbstdarstellung und zumindest anfangs das Wissen um westdeutsche Verwaltungsabläufe. Aber sie waren voller Wissbegier und wollten sich gern unterweisen lassen, wie sie das, was sie teils schon Jahrzehnte leisteten, noch besser machen könnten. Und so starrten sie gebannt und mit der DDR-Bürgern eigenen Bescheidenheit auf den westdeutschen Beamtenstaat, der angetreten war, sie in Theorie und Praxis des traditionellen deutschen Verwaltungshandelns zu unterrichten. Dessen erste Sendboten hatten in weiser Voraussicht eine persönliche Auswahl der wichtigsten Gesetzestexte aus dem Altbundesgebiet mitgebracht und gewichtig an ihrem neuen |152|Arbeitsplatz aufgestapelt. Und auf diese Weise, mit dem Zeigefinger in der Zeile des Gesetzes, gaben sie den ostdeutschen Verwaltungsmitarbeitern eine Vorstellung dessen, was sie in Westdeutschland gelernt hatten.

Die ehemaligen DDR-Bürger wunderten sich und schwiegen. Während draußen in den Treuhandbetrieben Hunderttausende ihre Arbeit verloren, saßen sie in einem warmen Büro und konnten sich, im Vergleich zu früher, hoher Bezüge erfreuen.

Abbau Ost
chapter_1.html
chapter_2.html
chapter_3.html
chapter_4.html
chapter_5.html
chapter_6.html
chapter_7.html
chapter_8.html
chapter_9.html
chapter_10.html
chapter_11.html
chapter_12.html
chapter_13.html
chapter_14.html
chapter_15.html
chapter_16.html
chapter_17.html
chapter_18.html
chapter_19.html
chapter_20.html
chapter_21.html
chapter_22.html
chapter_23.html
chapter_24.html
chapter_25.html
chapter_26.html
chapter_27.html
chapter_28.html
chapter_29.html
chapter_30.html
chapter_31.html
chapter_32.html
chapter_33.html
chapter_34.html
chapter_35.html
chapter_36.html
chapter_37.html
chapter_38.html
chapter_39.html
chapter_40.html
chapter_41.html
chapter_42.html
chapter_43.html
chapter_44.html
chapter_45.html
chapter_46.html
chapter_47.html
chapter_48.html
chapter_49.html
chapter_50.html
chapter_51.html
chapter_52.html
chapter_53.html
chapter_54.html
chapter_55.html
chapter_56.html
chapter_57.html
chapter_58.html
chapter_59.html
chapter_60.html
chapter_61.html
chapter_62.html
chapter_63.html
chapter_64.html
chapter_65.html
chapter_66.html
chapter_67.html
chapter_68.html
chapter_69.html
chapter_70.html
chapter_71.html
chapter_72.html
chapter_73.html
chapter_74.html
chapter_75.html
chapter_76.html
chapter_77.html
chapter_78.html
chapter_79.html
chapter_80.html
chapter_81.html
chapter_82.html
chapter_83.html
chapter_84.html
chapter_85.html
chapter_86.html
chapter_87.html
chapter_88.html
chapter_89.html
chapter_90.html
chapter_91.html
chapter_92.html
chapter_93.html
chapter_94.html
chapter_95.html
chapter_96.html
chapter_97.html
chapter_98.html
chapter_99.html
chapter_100.html
chapter_101.html
chapter_102.html
chapter_103.html
chapter_104.html
chapter_105.html
chapter_106.html
chapter_107.html
chapter_108.html
chapter_109.html
chapter_110.html
chapter_111.html
chapter_112.html
chapter_113.html
chapter_114.html
chapter_115.html
chapter_116.html