Warten auf den Investor
Kein Volkseigener Betrieb konnte sich nach der plötzlichen Wandlung zum Treuhandunternehmen am Markt behaupten, ohne dass er Investitionen vornahm, seine Strukturen von Grund auf erneuerte und marktwirtschaftlichen Erfordernissen anpasste. Für den Fall, dass es um einen Treuhandbetrieb zum Zeitpunkt seines Verkaufs gut bestellt war, hatte eine kluge und vorausschauende Betriebsleitung schon zu dem Zeitpunkt, da sich die D-Mark-Umstellung ankündigte, mit der Unternehmenssanierung begonnen. Doch das waren Ausnahmen. Die allermeisten traf die ganze Wucht der Geldaufwertung. Der frühere Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl sagte später vor dem Treuhand-Untersuchungsausschuss in Bonn, die ostdeutsche Wirtschaft sei durch |96|die D-Mark-Umstellung »uno actu«, auf einen Schlag oder per Gesetz, nicht mehr wettbewerbsfähig gewesen. Er verglich die Währungsumstellung in der DDR mit der Einführung der D-Mark in Österreich und der Aufwertung des Schilling durch einen Umtauschkurs von eins zu eins. Schon weitaus geringere Währungsschwankungen bringen Unternehmen in existenzielle Schwierigkeiten. Geradezu prekär aber wurde die Situation, als die Marktwirtschaft ausgerufen wurde, die Betriebe aber bei den Banken kein Geld bekamen. In den entscheidenden Monaten nach der D-Mark-Umstellung konnte nichts unternommen werden. Aufträge, Investitionen und Löhne mussten finanziert werden. Die Situation war einfach nur noch grotesk. Die sozialistischen Schulden waren den Betrieben in Rechnung gestellt worden und sollten bedient werden wie ganz normale marktwirtschaftliche Kredite, doch die Unternehmen hatten noch nicht einmal Zugang zum Bankenmarkt. Betroffene Geschäftsführer sollten später kritisieren, dass schon in den ersten drei Monaten nach der Währungsaufwertung, da sie von der Bundesregierung und der Treuhandanstalt hingehalten wurden, die Chancen für den wirtschaftlichen Anschluss vertan wurden. Als die Geschäftsführungen endlich ihren Finanzierungsbedarf bei der Treuhandanstalt anmelden durften, bekamen sie nur einen Teil genehmigt, im Durchschnitt 41 Prozent der erforderlichen Betriebsmittelkredite für Lohnzahlungen und Sozialsteuern, Auftragsabwicklung und Investitionen. Zu all den Übeln, von der drastischen Geldaufwertung bis zu den Lohnforderungen der Westgewerkschaften, kam auch noch die staatlich verordnete Untätigkeit. In dieser so entscheidenden Zeit, wo sich die Betriebe positionieren mussten, schufen die Bundesregierung und ihre Treuhandanstalt einen statischen Zustand, wie er in den Regalen von Supermärkten vorherrscht. Die sogenannten Treuhandmanager räumten den Warenbestand in die Regale und kümmerten sich um die Preisauszeichnung. Erst die Verkaufsstrategie der Treuhandanstalt verwandelte den wilden Osten in einen Streichelzoo. Statt etwas zu unternehmen hingen die Betriebe am Tropf des zuständigen Treuhanddirektorats und warteten auf den rettenden Investor.