Vertrag ohne Partner

Unterzeichnet wurde der Einigungsvertrag am 31. August, um 13.15 Uhr, im Ostberliner Kronprinzenpalais »Unter den Linden« von Wolfgang Schäuble, Bundesminister des Innern, und Günther Krause, parlamentarischer Staatssekretär beim Ministerpräsidenten der DDR. Am 20. September bestätigten die Volkskammerabgeordneten den Einigungsvertrag mit 299 von 380 Stimmen, die des Bundestags mit 442 von 492 Stimmen. Zu guter Letzt musste das Vertragswerk noch dem Bundesrat vorgelegt werden, ehe es, nachdem die Länderkammer zugestimmt hatte, am 29. September in Kraft treten konnte. Heute wird allgemein angenommen, am 3. Oktober 1990, dem »Tag der Einheit«, sei die DDR der Bundesrepublik beigetreten. Allerdings konnte nach Artikel 23 des Grundgesetzes nicht die DDR der deutschen Föderation beitreten, sondern allenfalls die neuen Bundesländer. Die aber gab es am 3. Oktober 1990 noch gar nicht. Das sogenannte Ländereinführungsgesetz trat überhaupt erst am 14. Oktober 1990 in Kraft. So gesehen wurde am Tag der Einheit lediglich die Deutsche Demokratische Republik aufgelöst. Wenn das Ganze überhaupt einen Sinn ergeben sollte, hätten zunächst fünf neue Beitrittsländer gegründet werden müssen, damit deren, durch freie Wahlen legitimierte Regierungschefs den Einigungsvertrag unterzeichnen und dessen Einhaltung überwachen konnten. So aber war der Beitritt nicht zulässig. Die Deutschen hätten sich vielmehr, wie im Grundgesetz gefordert, anlässlich der »Vollendung der Einheit und Freiheit für das gesamte deutsche Volk« eine Verfassung geben müssen, »die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist«.

|290|Völkerrechtlern gilt der Einigungsvertrag als das wohl kurioseste Vertragswerk der Menschheitsgeschichte. Mit dem »Tag der Einheit« löste sich einer der beiden Vertragspartner auf. Die Bundesregierung konnte sich an die Regelungen halten oder nicht, es gab niemanden, der auf die Einhaltung seiner Rechte gedrängt hätte. Günther Krause, der für die DDR maßgeblich an dem völkerrechtlichen Vertragswerk mitgewirkt hatte, sollte später sagen, »nur vierzig Prozent der vereinbarten 5500 Regelungen sind überhaupt erfüllt worden«.

Abbau Ost
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