8.
In der Mordkommission im Roundhouse herrschte ständig ein kontrolliertes Chaos. In dem Dezernat arbeiteten neunzig Detectives in drei Schichten, sieben Tage die Woche. Das Erdgeschoss bestand aus labyrinthartigen Gängen mit halbrunden Büros. Es war eine echte Herausforderung, Schreibtische, Aktenschränke und Computertische – mit anderen Worten alles, was man in einem Büro brauchte – aufzustellen. Niemand machte sich die Mühe, über eine angenehme Gestaltung der Räume auch nur nachzudenken.
Aber es gab ein System, und das System funktionierte. Die Aufklärungsrate der Mordkommission von Philadelphia gehörte zu den höchsten im ganzen Land.
Mittags, als die meisten Detectives Pause machten oder auf den Straßen unterwegs waren, betrat Dana Westbrook das Büro, in dem Jessica saß.
Sergeant Dana Westbrook, die Tochter eines pensionierten Polizeiinspektors, war die neue Chefin, die Nachfolgerin von Ike Buchanan, der in den Ruhestand getreten war. Die in Kensington aufgewachsene Endvierzigerin hatte während der Operation Desert Storm in der Elitetruppe der Marines gedient.
Auf den ersten Blick wirkte sie keineswegs einschüchternd. Mit dem kurz geschnittenen Haar, das allmählich ergraute, und ihrer Größe von gerade mal eins fünfundsechzig überragte sie niemanden. Doch sie war körperlich gut in Form und nahm noch immer vier Mal pro Woche am Zirkeltraining der Marines teil. Sie konnte schneller laufen und erbrachte bessere Leistungen beim Training als zwanzig Jahre jüngere Frauen und auch als viele Männer.
Da sie als Frau in einem Bereich arbeitete, der vermutlich immer eine Männerdomäne bleiben würde, war ihre militärische Ausbildung von großem Vorteil.
Wie in allen Polizeibehörden und paramilitärischen Organisationen gab es auch hier eine Befehlskette. Vom Commissioner zu seinem Stellvertreter, vom Chief Inspector über den Staff Inspector zum Captain und bis hinunter zum Lieutenant und zum Sergeant, dann zum Detective, Officer und den Neueinsteigern war es eine straff organisierte Institution. Und der Druck wurde immer von oben nach unten weitergegeben. Und, wie man beim Militär sagte, Scheiße floss nun mal nicht bergauf.
Dana Westbrook musste vom ersten Tag an eine Menge einstecken.
Wenn während der Tagschicht von acht bis vier Uhr ein Notruf hereinkam, wurden die Informationen in der Telefonzentrale entgegengenommen und an den diensthabenden Schichtleiter weitergeleitet. Es war seine Aufgabe, Ermittlungen einzuleiten und alle Bemühungen, den Mörder zu schnappen, in den ersten entscheidenden Stunden zu koordinieren. Dazu gehörte es auch, Männern, von denen einige schon seit über zwanzig Jahren bei der Mordkommission arbeiteten und die alle ihre eigene Arbeitsweise und ihren eigenen Rhythmus hatten, zu sagen, wohin sie gehen, mit wem sie sprechen und wann sie zurückkommen sollten. Dana Westbrook musste auch deren Ermittlungsarbeit beurteilen und sie manchmal auf den Teppich zurückholen.
Für die Männer der Mordkommission, die sich für Auserwählte hielten, war es mitunter nicht einfach, sich von anderen etwas sagen zu lassen. Und dann auch noch von einer Frau? Das war eine bittere Pille.
Westbrook setzte sich neben Jessica, schlug eine neue Akte auf und drückte auf die Mine ihres Kugelschreibers. Jessica gab ihr die Informationen, die bisher vorlagen, und begann ihren Bericht mit dem anonymen Anruf bei der Polizei. Westbrook machte sich Notizen.
»Gibt es Spuren eines gewaltsamen Eindringens in das Gebäude?«, fragte Westbrook.
»Schwer zu sagen. Dort wurde mit Sicherheit schon häufiger eingebrochen, aber am Türpfosten sind keine frischen Absplitterungen.«
»Was ist mit Fahrzeugen, die in der Nähe des Tatortes geparkt hatten?«
Jessica bemerkte zum ersten Mal, dass Dana Westbrook außer den schlichten Ohrringen, die sie trug, vier Piercinglöcher im rechten Ohr hatte, in denen keine Ringe steckten. »Wir überprüfen die Kennzeichen aller Fahrzeuge im Umkreis von zwei Blocks und ebenfalls die der Fahrzeuge, die auf dem Parkplatz der Schule standen. Die Fahrzeughalter werden auf Vorstrafen und Haftbefehle gecheckt. Bis jetzt noch nichts.«
Westbrook nickte und machte sich eine Notiz.
»Wir können auch einen Blick auf das Filmmaterial unseres angehenden Oscar-Gewinners werfen. Ich habe gesehen, dass Albrecht die Schaulustigen auf der gegenüberliegenden Straßenseite gefilmt hat.«
»Gute Idee«, meinte Westbrook.
Manchmal kehrten Verbrecher, vor allem Mörder, an den Tatort zurück. Die Polizei rechnete stets damit, dass die gesuchte Person sich unter die Menge mischte, die sich an einem Tatort oder bei einem Begräbnis versammelte.
»Apropos Albrecht … Darf er uns überallhin folgen?«, fragte Jessica.
»Natürlich nur innerhalb eines vertretbaren Rahmens«, erwiderte Westbrook. »Die Rechtsmedizin oder ein Krankenhaus darf er nicht betreten.«
»Und warum tun wir das überhaupt?«
»Er ist der Sohn des Cousins der Frau des Stellvertretenden Commissioner. Oder so ähnlich. Er hat jedenfalls gute Beziehungen. Der Deputy Commissioner hat an der Penn State studiert, wissen Sie.«
»Darf Albrecht einen Tatort filmen?«
»Nun, soviel ich weiß, schaut der oberste Boss sich den Rohschnitt des Films an und gibt erst dann seine endgültige Zustimmung. Wenn irgendetwas eine laufende Ermittlung gefährdet oder die Würde eines Opfers oder die der Familie eines Opfers verletzt, wird es nicht veröffentlicht. Darauf können Sie sich verlassen.«
»Wir dürfen ihn also auch von einem Tatort verjagen?«
»Klar. Achten Sie nur darauf, dass Kevin nicht gerade auf die Idee kommt, wenn Sie mit hundert über die I-95 brettern.«
Jessica lächelte. Wenn man bedachte, dass Dana Westbrook erst seit kurzem dabei war, wusste sie schon ziemlich gut Bescheid. »Ich denk dran.«
»Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
»Mach ich, Boss.«
Solange sie die Identität des Opfers nicht kannten, konnten sie nicht allzu viel tun. Je schneller sie seine Identität feststellten, desto eher konnten sie Informationen über das Opfer sammeln. Wo hatte es gewohnt, gearbeitet, die Schule besucht, und wo war es aufgewachsen? Dann konnten sie auch anfangen, Zeugen zu befragen. Wenn die Identität eines Opfers feststand, ließen sie den Namen durch die verschiedenen Datenbanken laufen, vor allem durch das National Crime Information Center und dessen regionalen Ableger, das Philadelphia Crime Information Center.
Sobald der Leichnam in der Rechtsmedizin lag, wurden die Fingerabdrücke genommen. Im Augenblick konnten sie nur Befragungen rund um den Tatort durchführen, die vorhandenen Spuren auswerten und hoffen, dass etwas dabei herauskam. Wenn ein Opfer nicht identifiziert werden konnte, blieb nur die Hoffnung, dass bis zum nächsten Tag jemand von dem Leichenfund erfahren hatte und sich meldete, weil der Ehemann, Bruder oder Sohn vermisst wurde.
Jessica wollte an den Tatort zurückkehren, sobald ihr Bericht über die ersten Ermittlungsergebnisse fertig war. Die Leute, deren Frühschicht gleich zu Ende ging, konnten etwas gesehen haben.
Sie machte sich eine Notiz, Kevin zu bitten, einen seiner Freunde zu kontaktieren, einen Detective, der im Polizeibezirk Süd arbeitete. Je mehr Leute in die Ermittlungen eines Mordfalls einbezogen wurden – vor allem zu diesem frühen Zeitpunkt –, desto besser. Die Detectives vor Ort kannten ihr Revier und ihre Kriminellen besser als jeder andere.
Ehe Jessica sich darum kümmern konnte, spürte sie, dass jemand auf sie zukam. Sie drehte sich um. Dennis Stansfield stand hinter ihr. Er war wie ein Virus, das sie offenbar nicht abschütteln konnte.
»Was kann ich für Sie tun, Detective?«, fragte Jessica.
Stansfield deutete auf den Notizblock auf dem Schreibtisch. »Ich wollte Ihnen nicht über die Schulter schauen.«
»Und warum tun Sie es dann?«
»Hm, ich habe kürzlich etwas über ihn gehört.«
»Ihn?«
»Ja. Detective Byrne.«
Jessica schlug die Akte und den Notizblock zu, drehte sich auf dem Stuhl um und stand auf. Sie hatte nicht vor, sich im Sitzen mit diesem Typen zu unterhalten. »Und was genau?«
Stansfield sah sich im Büro um und wandte sich Jessica dann wieder zu. »Nun, dass er nicht mehr mit Herz und Seele dabei ist«, sagte er leise.
»Ach ja?«
»Ja, und dass er mit dem Gedanken spielt aufzuhören. Und dass er vielleicht nicht mehr der Polizist ist, der er einmal war.«
Jessica nickte. »Interessant.«
»Ich sage nur das, was ich gehört habe, verstehen Sie? Und das haben mehrere Leute gesagt.«
»Okay, Dennis«, sagte Jessica. »Vielleicht haben Sie recht.«
»Tatsächlich?« Stansfield schien überrascht zu sein.
»Ja. Kann ich ihm sagen, dass Sie mir das erzählt haben? Er wird sich sicher freuen, das zu erfahren, wenn es hier die Runde macht.«
»Hm, mir wäre es lieber, wenn Sie es nicht tun«, sagte Stansfield. »Ich meinte nur, dass …«
»Warum sagen Sie es ihm nicht selbst?«
»Wie bitte?«
»Er steht genau hinter Ihnen.«
Stansfield wirbelte herum und schaute ungläubig auf Kevin Byrne, der ihn um einen halben Kopf überragte. Im ersten Augenblick sah es so aus, als wolle Stansfield die Hand ausstrecken, um Byrne zu begrüßen. Und es sah so aus, als würde Byrne Stansfield gleich aus dem Fenster werfen. Beide Männer hielten sich zurück.
»Detective«, stammelte Stansfield.
Byrne starrte Stansfield an, bis dieser sich nur noch für die Uhrzeit interessierte. Er warf einen Blick auf die Uhr und wandte sich dann sofort an Jessica.
»Ich versuche, den Besitzer des Hauses ausfindig zu machen«, sagte er. »Mein Handy ist eingeschaltet, falls Sie mich brauchen.«
»Garantiert nicht«, murmelte Jessica, als Stansfield außer Hörweite war. »Hast du die Anhörung vor der Grand Jury hinter dir?«, fragte sie Byrne dann.
Er schüttelte den Kopf. »Verschoben. Heute wird der Fontana-Fall verhandelt.«
»Hat Drummond dir gesagt, wann es mit deinem Fall weitergeht?«
»Eventuell nächste Woche.«
»Scheiße.« Je länger eine Sache sich hinzog, desto größer war die Gefahr, dass die Leute plötzlich an Amnesie litten.
Byrne zeigte auf Stansfield, der gerade das Büro verließ. »Seit wann arbeitet er mit dir zusammen?«
»Seit heute. Der Boss hat ihn mir heute Morgen aufs Auge gedrückt. Ich habe einen neuen Fall.«
Jessica informierte Byrne über den Stand der Dinge. Fotos vom Tatort lagen noch nicht vor, aber Jessica hatte ein paar Aufnahmen mit ihrem Handy gemacht. Normalerweise druckte sie niemals Tatortfotos von ihrer privaten Kamera aus, obwohl das nicht verboten war. Das Risiko, dass sich Privatfotos daruntermischten, war zu groß, und solche Pannen liebten Verteidiger ganz besonders. Mit PhotoShop hatte sich alles geändert.
Byrne sah sich die Fotos der Reihe nach an.
»Noch keine Identifizierung?«, fragte er.
»Bis jetzt nicht. Die Leiche liegt noch am Tatort.«
Byrne gab Jessica das Handy zurück. »Zeugen?«
»Keine. Ich fahre gleich noch mal hin.«
Byrnes Blick glitt durch das Büro. David Albrecht saß an einem der Schreibtische und sah sich auf dem Display das Bildmaterial an.
»Wer ist der Typ mit der Kamera?«
Jessica erklärte ihm, warum David Albrecht sich im Büro der Mordkommission aufhielt.
»Großartig«, murmelte Byrne. »Der hat uns gerade noch gefehlt.«
Byrne schaute sich die auf der Körperskizze eingezeichneten Wunden des Opfers und die Lage des Leichnams an. »Soll ich dich begleiten?«
»Ich fahre«, sagte Jessica.
»Ich muss nur schnell meine Sachen aus dem Auto holen.«
Sie gingen gemeinsam zu Byrnes Auto, das auf dem Parkplatz hinter dem Roundhouse stand. Es war ein Kia Sedona Minivan. Jessica hatte den Wagen noch nie gesehen.
»Seit wann hast du denn diesen Wagen?«
»Er gehört meinem Cousin Patrick. Colleen zieht bald um, und wir versuchen, die Kosten möglichst gering zu halten. Ich bringe einige Sachen von ihr diese Woche in ein Möbellager.«
»Gefällt dir der Wagen?«
»Klar. Kias scheinen tolle Frauen geradezu anzuziehen. Neulich haben mich ein paar Cheerleaders mit der Lichthupe angeblinkt.«
Byrne schloss die Beifahrertür auf, langte in den Wagen und nahm ein paar Sachen von der Rückbank. Als er die Tür wieder schloss und sich umdrehte, riss Jessica erstaunt die Augen auf.
Über Kevin Byrnes Schulter hing eine modische Tasche aus Leder.
»Mein Gott«, rief Jessica.
»Was ist?«
»Moment mal.« Jessica nahm ihr Handy heraus, klappte es auf und tat so, als würde sie eine ellenlange Telefonnummer eintippen. Eine verdammt lange Telefonnummer. Sie hob einen Finger. »Ist da die Hölle?«
Byrne schüttelte den Kopf.
»Ja«, fuhr Jessica fort. »Ich rufe an, um mich nach der aktuellen Temperatur zu erkundigen. Was sagen Sie? Minus fünfzehn Grad? Es wird ein Schneesturm erwartet?«
»Sehr komisch«, knurrte Byrne. »Ich hol schnell einen Stuhl, damit ich mir die ganze Show ansehen kann.«
Jessica lächelte und klappte das Handy zu. Sie lehnte sich gegen den Wagen und verschränkte die Arme. »Ich kann es nicht glauben. Kevin Byrne trägt eine Tasche. Ich bin echt baff.«
»Das ist eine Schultertasche für Herren.«
»Ah.«
»Und sie ist von Tumi. Tumi macht gute Sachen.«
»Daran besteht nicht der geringste Zweifel. Ich habe selbst eine Tumi-Handtasche.«
»Das hier ist keine Handtasche, okay? Das ist …«
»… eine Herrentasche«, sagte Jessica.
»Und damit es keine Missverständnisse gibt, ich möchte niemals die Wörter metro und sexuell im selben Satz hören. Okay?«
»Versprochen«, sagte Jessica und kreuzte den Zeige-und Mittelfinger hinter dem Rücken. »Und warum hast du dir eine Tasche gekauft?«
Byrne beugte sich vor. »Es wird immer schwieriger, das Haus zu verlassen, verstehst du? Man braucht die Schlüssel, das Handy, den Pager, die Sonnenbrille, die normale Brille, den iPod …«
»Warte. Du hast einen iPod?«
»Ja, ich habe einen iPod. Was ist denn daran so komisch?«
»Nun, du kaufst dir doch noch immer Vinylschallplatten. Ich dachte, du würdest in ein paar Jahren den gigantischen Schritt zu Tonkassetten wagen. Vielleicht sogar eines Tages zu CDs.«
»Ich kaufe mir Vinylplatten, weil sie einen Sammlerwert haben. Vor allem die alten Bluesscheiben.«
»Okay.«
»Erinnerst du dich an die Zeiten, als du noch Uniform getragen und alles an deinen Gürtel gehängt hast? Und was nicht an den Gürtel passte, kam in die Hemdtasche.«
»Ich erinnere mich. Aber vergiss nicht, dass es für Polizistinnen noch weniger Platz da oben gibt.«
»Ich bin Detective. Ich habe es gemerkt.«
Byrne trat ein paar Schritte zurück und deutete auf seinen neuen Anzug. Jessica musste zugeben, dass er ihm ausgezeichnet stand. Es war ein dunkelgrauer Anzug mit einem Jackett mit zwei Knöpfen.
»Überleg mal«, sagte er. »Wenn ich das ganze Zeug in die Taschen stecken würde, würde das vollkommen die Silhouette ruinieren.«
»Die Silhouette?« Jessica legte eine Hand auf den Griff ihrer Waffe. »Okay, wer sind Sie und was haben Sie mit meinem Partner gemacht?«
Byrne begann zu lachen.
»Okay, da du nun eine Tasche trägst«, fuhr Jessica fort, »musst du immer an das denken, was sie uns an der Akademie als Erstes beigebracht haben.«
»Ich bin zwar schon steinalt, aber ich erinnere mich, diese Akademie selbst besucht zu haben. In der State Road, richtig?«
»Genau die«, sagte Jessica. »Allerdings meinte ich mit uns, uns Frauen.«
Byrne war gespannt, was jetzt kam.
»Sie haben uns beigebracht, niemals die Waffe in eine Handtasche zu stecken.«
Da war das Wort wieder. Byrne verdrehte die Augen und wandte Jessica dann wieder den Blick zu. »Das geht jetzt eine Weile so weiter, richtig?«
»Glaub schon.«
Die Kriminaltechniker sicherten noch immer die Spuren in der Federal Street. Mittlerweile war die Gasse an beiden Enden mit Flatterband abgesperrt. Wie immer beobachteten zahlreiche Schaulustige das Geschehen. Jessica wunderte sich immer maßlos, dass nie jemand etwas gehört oder gesehen hatte. Aber sobald die Ermittlung begann und den Anwohnern ein kostenloses Spektakel geboten wurde, hatten plötzlich alle Zeit, sich den Hals zu verrenken und zu gaffen. Dann mussten alle zufällig gerade nicht arbeiten und nicht zur Schule gehen.
Als Jessica und Byrne um die Ecke bogen, sahen sie ein paar Vorgesetzte, unter ihnen auch den Stellvertretenden Bezirksstaatsanwalt Michael Drummond.
»Herr Staatsanwalt«, sagte Byrne.
»Schon das zweite Mal heute«, erwiderte Drummond. »Die Leute werden reden.« Er wandte sich an Jessica. »Ich freue mich, Sie zu sehen, Jessica.«
»Ich freue mich auch. Und was führt Sie hierher?«
»In einer Stunde habe ich eine Gerichtsverhandlung, aber der Befehl kam von Walhall. Ein neuer Staatsanwalt mit seinen eigenen Vorstellungen. Alles, was in der Nähe einer Schule passiert, hat oberste Priorität. Mein Boss möchte von Beginn an auf dem Laufenden gehalten werden. Er brüllt, und ich renne los.«
»Verstehe.«
»Könnten Sie mir von allem Kopien schicken?«, fragte Drummond.
»Kein Problem.«
Jessica und Byrne schauten Drummond nach, als er die Straße überquerte und möglichst weit vom Tatort entfernt Position bezog. Jessica wusste, warum. Wenn ein Stellvertretender Bezirksstaatsanwalt sich in der Nähe des Tatortes aufhielt, konnte er möglicherweise auch etwas bezeugen und daher in seinem eigenen Fall in den Zeugenstand gerufen werden. Und das war Grund genug, diese Aussage abzulehnen. Es war ein Spiel, und alle kannten die Spielregeln.
Byrne ging bis zur Einmündung der Gasse und sprach mit dem Streifenbeamten. Dieser wies auf die beiden Häuser hinter dem Tatort und nickte. Byrne zog sein Notizbuch aus der Tasche und schrieb sich etwas auf.
Jessica kannte ihren Partner.
Sobald Kevin Byrne sich an einem Mordtatort aufhielt, war er in seinem Element.